Emanzipation - ein Segen oder ein Fluch?

Maturaarbeit Oktober 2012 „Emanzipation - ein Segen oder ein Fluch?“ Stand der Gleichberechtigung 2012 in der Schweiz Maturaarbeit Kantonsschule Aus...
Author: Katarina Dieter
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Maturaarbeit Oktober 2012

„Emanzipation - ein Segen oder ein Fluch?“ Stand der Gleichberechtigung 2012 in der Schweiz

Maturaarbeit Kantonsschule Ausserschwyz Nuolen

vorgelegt von Winona Bruhin, 4B Ziegelhofstrasse 1 8862 Schübelbach eingereicht bei Lic. iur. Helen Sieber Nuolen, Oktober 2012

Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

Inhalt 1.

Vorwort ........................................................................................................................................... 3

2.

Abstract ........................................................................................................................................... 4

3.

Einleitung ......................................................................................................................................... 5

4.

Emanzipation ................................................................................................................................... 7 4.1 Allgemeine Definition .................................................................................................................... 7

5.

6.

7.

4.1

Geschichtliche Entwicklung ..................................................................................................... 7

4.3

Das Frauenbild – früher und jetzt ......................................................................................... 10

4.2

Angeboren ist wenig .............................................................................................................. 12

4.3

Bestehende Ungleichheiten .................................................................................................. 13

4.4

Konsequenzen und Folgen .................................................................................................... 15

Feminismus.................................................................................................................................... 16 5.1

Radikal, einschüchternd, provokativ ..................................................................................... 17

5.2

Der moderne Feminismus ..................................................................................................... 17

Frauen im Wandel ......................................................................................................................... 19 6.1

Frauen als Pionierinnen ......................................................................................................... 19

6.2

Hausfrau, Karrieremama, Rabenmutter ............................................................................... 20

6.3

Die Frauenquote ................................................................................................................... 21

Rechtlicher Teil .............................................................................................................................. 22 7.1

Das Wahl-und Stimmrecht für Frauen .................................................................................. 22

7.1.1 Das Wahl-und Stimmrecht für Frauen in der Schweiz ......................................................... 22 7.1.2 Das Wahl-und Stimmrecht für Frauen im Vergleich mit anderen Ländern.......................... 23 7.2 Das Familienrecht ........................................................................................................................ 24 7.2.1 Gleichstellung der Ehegatten im Namens-und Bürgerrecht ................................................ 24 7.2.2 Scheidungsrecht ................................................................................................................... 24 7.2.3.1

Unterhaltsrecht.............................................................................................................. 25

7.2.3.2

Revision des Unterhaltsrechts unverheirateter und geschiedener Eltern .................... 25

7.2.4.1 Sorgerecht ......................................................................................................................... 26 7.2.4.2 Revision des Sorgerechts ................................................................................................... 26 7.3 Strafrecht ..................................................................................................................................... 26 7.3.1

Zwangsehe ........................................................................................................................ 26

7.3.2

Vergewaltigung ................................................................................................................. 27

7.3.3 Abtreibung ......................................................................................................................... 27 7.4 Exkurs: Das Patriarchat ................................................................................................................ 28 8.

Feldarbeit ...................................................................................................................................... 29 8.1 Auswertung der Umfragen .......................................................................................................... 29 8.1.1

Darlegung und Analyse der Ergebnisse ............................................................................ 29

8.2 Zusammenfassung der wichtigsten Interviewergebnisse ........................................................... 35 8.3 Analyse der aufgestellten Thesen ............................................................................................... 36

1

Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

9.

Eigene Meinung ............................................................................................................................. 39

10. Einschätzung der zukünftigen Entwicklung .................................................................................. 43 11. Schlusswort .................................................................................................................................... 44 12. Quellenverzeichnis ........................................................................................................................ 45 12.1 Literaturquellen ......................................................................................................................... 45 12.2

Internetquellen...................................................................................................................... 46

13.

Abbildungsverzeichnis ............................................................................................................... 50

14.

Eigenständigkeitserklärung ....................................................................................................... 51

15.

Anhang....................................................................................................................................... 52

15.1 Interview mit Lisa Feldmann ..................................................................................................... 52 15.1.1 Lebenslauf von Lisa Feldmann............................................................................................ 56 15.2

Interview mit Helena Trachsel............................................................................................... 56

15.3

Interview mit Manuela Tanner .............................................................................................. 61

15.4

Interview mit Karine Handlery .............................................................................................. 65

15.5

Interview mit Claudia Ernst ................................................................................................... 69

15.6

Interview mit Christian Jaggi ................................................................................................ 72

15.7

Interview mit Jolanda Fleischli .............................................................................................. 76

15.8

Fragebogen Gymnasialklasse ................................................................................................ 79

15.9

Fragebogen Publikum ............................................................................................................ 82

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

1. Vorwort „Die Frau hat jahrhundertelang als Lupe gedient, welche die magische und köstliche Fähigkeit besaß, den Mann doppelt so groß zu zeigen, wie er von Natur aus ist.“1 (Virginia Woolf) Die Emanzipation der Frau, deren Problematik und die Hintergründe sind Bereiche, welche mich schon immer fasziniert haben. An der Kantonsschule konnte ich durch mein Schwerpunktfach Wirtschaft und Recht zusätzlich einen guten Einblick auf die rechtliche Situation der Frau erhalten. Als die Maturaarbeit und die damit verbundene Themenwahl langsam näher rückten, war mir sofort klar, über welches Gebiet meine Arbeit sein sollte: „Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch“. Neben Wirtschaft und Recht ist das Fach Geschichte meine grösste Leidenschaft. In meiner Freizeit lese ich darum gerne Biographien, vorzugsweise von starken Frauen. Deren geschichtliche Entwicklung hat mich dadurch sehr früh fasziniert. In der Frauenzeitschrift Annabelle las ich dann einen Artikel über die negativen Folgen der Emanzipation, welcher mich sehr inspiriert hat. Bis dahin war mir gar nicht bewusst, dass die Emanzipation auch Schattenseiten haben könnte. Zudem bin ich als Frau natürlich selbst von der Emanzipation betroffen. Dies war ein zusätzlicher Ansporn für mich, denn die Gleichberechtigung ist ein wesentlicher Bestandteil eines jeden Lebens. Nachdem ich mich ein wenig mit dem Begriff und den Hintergründen vertraut gemacht habe, wurde mir bewusst, wie viele Missstände noch behoben werden müssen, und dass die Probleme unter anderem bei der Frau selbst liegen. Es kamen immer mehr Fragen auf – wie zum Beispiel: „Haben die Fortschritte der Gleichberechtigung etwas mit der höheren Scheidungsrate zu tun?“, „Warum sind Frauen so bescheiden?“ oder „Was sind mögliche Ursachen für die noch bestehenden Ungleichheiten, vor allem im Lohnbereich?“. An dieser Stelle möchte ich ganz herzlich meinen Dank an all jene Personen aussprechen, die mich während des gesamten Prozesses tatkräftig unterstützt haben. Ich bedanke mich bei meiner Familie, die mir mit ihrer positiven Energie viel Kraft und Durchhaltevermögen gegeben hat. Eine sehr grosse Inspiration war vor allem meine Mutter. Sie hat mich voller Elan bei jeglichen Versuchen unterstützt und mir Mut gemacht. Meiner Betreuungsperson, Rechtsanwältin lic.iur Helen Sieber, möchte ich ebenfalls ein sehr grosses Dankeschön aussprechen. Sie hat mich motivierend begleitet und war mir eine grosse Hilfe. Helena Trachsel, die Leiterin der Fachstelle für Gleichberechtigung im Kanton Zürich, ist eine besonders herausragende Frau, welche mich während meiner Feldarbeit mit ihrer offenen Art und ihrer Persönlichkeit unglaublich inspiriert hat. Bei Frau Lisa Feldmann möchte ich mich ebenfalls herzlich bedanken, ihre Ansätze und Äusserungen waren sehr informativ. Während dem Arbeitsprozess durfte ich immer wieder beeindruckende Persönlichkeiten kennenlernen, die mir durch ihre Bereitschaft zu einer interessanten Diskussion oder einem Interview neue Sichtweisen vermittelt haben. Auch bei ihnen möchte ich mich bedanken.

1

Vgl. The Collected Word (2010): »Die besten Zitate über die Weiblichkeit« URL: http://www.tcwords.com/frauenspruche-%E2%80%93-die-besten-zitate-uber-die-weiblichkeit [Stand 10.06.2012].

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

2. Abstract Die Gleichstellung von Mann und Frau ist heutzutage keine Frage mehr, sondern ein Fakt. Dieser Schein trügt jedoch. Was als längst erreichte Norm gelten sollte, stellt sich bei näherer Betrachtung als eine komplexe Problematik verschiedener Indikatoren heraus. Mit meiner Arbeit wollte ich herausfinden, in wie fern Emanzipation und Feminismus noch in den Köpfen der Menschen Platz haben und was diese Begriffe für eine Rolle spielen. Da es bei Emanzipation und Feminismus in erster Linie um Frauen geht, habe ich mehrere Interviews geführt und hatte dabei ausschliesslich Interviewpartnerinnen und einen Interviewpartner. Die Interviews waren sehr aufschlussreich, da vor allem durch ein offenes Gespräch viele lehrreiche und inspirierende Informationen gewonnen werden konnten. Um zusätzlich einen breiteren Einblick zu erlangen, habe ich zwei Umfragen gestartet. Die erste Umfrage führte ich bei einer Gymnasialklasse durch, da es mich interessierte, wie die heranwachsende Generation über mein Thema denkt. Die zweite Umfrage bezog Frauen und Männer ab 17 Jahren und mit allen erdenklichen Berufen mit ein. Die Ergebnisse der Umfragen und der Interviews habe ich im Anschluss mit der vorliegenden Theorie verglichen. Schnell hat sich abgezeichnet, dass Feminismus als etwas Negatives wahrgenommen wird, was vor allem an der feministischen Bewegung der 70er Jahre liegt. Zudem fühlte sich keine – ausgenommen einiger Ausnahmen - Frau aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, obwohl die Theorie andere Fakten bereithält. Auch stellte ich fest, dass viele sich noch nie oder nur selten mit diesem Thema auseinandergesetzt haben, obwohl es das Leben jedes einzelnen betrifft, und dies geschlechtsunabhängig.

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

3. Einleitung Wir befinden uns heute in einer Zeit, in der niemand mehr aufgrund seines Geschlechts benachteiligt sein sollte. Die westliche Gesellschaft hat verschiedene emanzipatorische Entwicklungswellen durchlaufen und befindet sich nun auf einem Niveau der politischen und rechtlichen Gleichstellung von Mann und Frau. Diese ist in der Schweizer Bundesverfassung fest verankert und garantiert die Gleichberechtigung von Mann und Frau.2 Dabei darf man in diesem Fall faktisch nicht mit normativ verwechseln. Nach heutigem Standpunkt sollten Männer und Frauen gleichberechtigt sein, daraus kann man nicht automatisch schliessen, dass sie es auch sind.3 Nach der radikalen Frauenbewegung der 70er Jahre, deren bekannteste Wortführerin Alice Schwarzer war, schien es, als gäbe es für die Emanzipationsfrage keinen neuen Antrieb mehr. Die Bewegung stagnierte und immer mehr junge Frauen glaubten, dass die Emanzipation abgeschlossen sei. Erstmals werden Stimmen von Männern laut, die sich von der Emanzipation benachteiligt und ausgenutzt fühlen. Doch der Erfolg der Emanzipation ist ein Märchen. Zeitschriften, Bücher und Fernsehen suggerieren den Frauen einen falschen, veralteten Rollentypus.4 Mit meiner Arbeit will ich herausfinden, was die heutige Gesellschaft unter Emanzipation grundsätzlich versteht und was sie über den Feminismus denkt , denn durch die eben erwähnten Medien ist es leicht möglich, sich in den verschiedenen Äusserungen zu verstricken und ein verzerrtes Bild zu erhalten. Die Themenstellung meiner Arbeit umschliesst sehr viele Bereiche und lässt einige Fragen aufkommen. Um auf diese Antworten zu erhalten, habe ich vier Thesen aufgestellt. Diese lauten wie folgt: These 1: These 2: These 3: These 4:

Für 75% der Befragten stellt Feminismus etwas Negatives dar. 65% der Frauen haben aufgrund des Geschlechts keine Benachteiligung erfahren. Für 20% der Befragten sollte die Wehrpflicht für beide Geschlechter obligatorisch sein. Für 20% der Teilnehmer stellt die Emanzipation einen Grund für die steigende Scheidungsrate dar.

Meine Arbeit ist in vier verschiedene Bereiche eingeteilt. Im ersten Teil geht darum, einen theoretischen und allgemeinen Einblick in die Thematik der Emanzipation und des Feminismus zu erhalten. Dabei arbeite ich mit einer breiten Auswahl an Literatur, welche differenzierte Aussagen zur Emanzipation geben. Dadurch versuche ich, ein möglichst klares Bild fern von verbreiteten Klischees und Vorurteilen aufzuzeigen. Der zweite Teil behandelt den rechtlichen Aspekt der Gleichberechtigung. Dabei lege ich eine besondere Gewichtung auf das Wahl-und Stimmrecht für die Frau. Ich befasse mich dabei in erster Linie mit den in der Schweiz geltenden Bestimmungen und werde diese mit denen aus anderen Ländern vergleichen. Ausserdem widme ich mich in diesem Teil 2

Vgl. Bundesverfassung, Art.8, Abs.3. Vgl. Dorn, Thea (2007), S.9. 4 Vgl. Hensel Jana (2005): »Schön schwach«. URL: http://www.zeit.de/2005/10/Titel_2fFrauen_10/seite-1 [Stand: 15.07.2012]. 3

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dem Familien- und Strafrecht. Ich befasse mich dabei hauptsächlich mit dem Eherecht, Scheidungsrecht und Sorgerecht. Die Rechte der Frau und deren historische Entwicklung werde ich miteinbeziehen und einen kleinen Abschnitt über das Patriarchat einfügen. Strafrechtlich gehe ich auf die sexuelle Nötigung und Abtreibung ein. Der dritte Teil ist ganz der Feldarbeit und deren Analyse gewidmet. Dabei gehe ich auf einzelne Fragen detailliert ein und werde Grafiken aus der Auswertung der Umfragen einarbeiten. Im letzten Teil vergleiche ich die erzielten Ergebnisse meiner Feldarbeit mit der Theorie und stelle sie ihr gegenüber. Abschliessend werde ich noch meine eigene Meinung und eine Prognose der zukünftigen Entwicklung anfügen. Für meine Arbeit habe ich verschiedene Methoden angewendet, um an Informationen zu gelangen. Zuerst habe ich mich intensiv mit der Fachliteratur auseinandergesetzt. Dadurch konnte ich mir ein fundiertes Wissen aneignen, auf welches ich bei den Interviews und beim Anfertigen der Fragebogen zurückgreifen konnte. Um auf meine vielen Fragen befriedigende Antworten zu erhalten, habe ich zwei verschiedene Umfragen gemacht und Interviews mit der Leiterin der Fachstelle für Gleichberechtigung im Kanton Zürich, der Chefredakteurin der Annabelle und fünf weiteren Personen durchgeführt. Die erste Umfrage lancierte ich bei einer Schwerpunktfachklasse der Kantonsschule Nuolen. Bei der zweiten Umfrage habe ich im Zeitraum von Mai bis Juli 2012 Leute ortsunabhängig befragt. Insgesamt haben an meiner Umfrage 112 Personen teilgenommen. Anhand der Fragebogen, der Interviews und dem Auseinandersetzen mit der Fachliteratur suchte ich eine Bestätigung der Thesen, welche ich im Kapitel 8.3.3 beantworten werde. Das generelle Ziel meiner Arbeit war es, herauszufinden, an welchen Punkten der Emanzipation noch Verbesserungen zu machen sind, was die Gesellschaft über Gleichberechtigung und Feminismus denkt und was für Konsequenzen es geschlechtsunabhängig gibt. Insbesondere war es mir ein Anliegen, die Position des Mannes ebenso miteinzubeziehen wie die der Frau. Leider wird immer noch oft angenommen, Emanzipation sei ein Frauenthema. Dabei geht es schlussendlich darum, dass sich beide Geschlechter im Beruf, der Partnerschaft und Familie auf Augenhöhe befinden, und dafür braucht es das Mitwirken beider Parteien – von Mann und Frau.

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4. Emanzipation Über Emanzipation wird in den Medien ständig kontrovers diskutiert. Die Forderungen der Frauen und auch ihre Ansichten haben sich verändert. Es werden die ungerechten gesellschaftlichen Strukturen angeprangert – und nicht etwa die Männer. Bei der Diskussion rund um die Gleichberechtigung geht es um Themen wie den anstrengenden Körperkult, den Schlankheitswahn und die Vereinbarkeit von Beruf und Mutterschaft.5

4.1 Allgemeine Definition »Emanzipation« heisst wörtlich die Freigabe aus der (behütenden und beherrschenden) Hand des Vormundes und bedeutet die Entlassung aus der Vormundschaft. Es ist ein rechtlicher Begriff, der aus dem alten Rom stammt. Dort bezeichnet er den Schritt eines Sohnes aus dem Bannkreis der väterlichen Autorität, wie auch die Bereitschaft des Vaters, den mündigen Sohn ziehen zu lassen. Töchter konnten nur durch die Ehe der Schirmherrschaft des Vaters entkommen, dabei übernahm dann der Gatte die schützende und führende Hand. Die Abhängigkeit der Frauen von den Männern – rechtlich, ökonomisch, lebenspraktisch – war total.6

4.1 Geschichtliche Entwicklung Die geschichtliche Entwicklung handelt ausschliesslich von der Frauenemanzipation in Europa, des Weiteren von jener nach der französischen Revolution 1789. Der Zeitraum nach 1789 ist besonders relevant, da er durch die Werte der Aufklärung geprägt ist und damals der Stein der Gleichberechtigung erstmals richtig ins Rollen kam; auch in der Schweiz. Den Prozess der Emanzipation schildere ich überwiegend von der Perspektive aus Deutschland, da dort die Loslösung der Frau aus dem Korsett der veralteten Tradition besonders erkenntlich ist. Ab dem 14./15. Jahrhundert wurden nicht mehr alle Lebensvollzüge durch die Religion geformt. Abweichungen von der Tradition wurden hingenommen. So gab es gegen Ende des Mittelalters immer mehr Frauen auf Fürstenthronen, als Führungskräfte in grossen Handelshäusern, als Lenkerinnen eigener Zünfte, als Gründerinnen von Klöstern und – vereinzelt – als Künstlerinnen, Dichterinnen, Heilkundige und Theologinnen. Eine strikte und absolute Geschlechterhierarchie passte nicht zu diesem Wandel. Die Hexenverfolgung machte diesen hoffnungsvollen Ausbruch aber beinahe zunichte. Als das Zeitalter der Aufklärung anbrach, regten sich die Frauen erneut. Durch die Emanzipation des Geistes kam auch die Frage nach dem Geschlechterverhältnis auf.7 Im 17.Jahrhundert beschränkte sich der Platz der Frau nicht nur auf das heimische Leben, sondern sie hatte oftmals auch berufliche Verpflichtungen. Mit der Veränderung der Arbeitsteilung im 18.Jahrhundert änderte sich dies abrupt. Während der Mann in die Rolle des Ernährers der Familie gesteckt wurde, hatte die Frau gemäss DIMAS TECHNOLOGIES (2010) » eine putzende, sich um die

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Vgl. Ameri-Siemens, Anne (2011): »Eben doch: Frauenpower!«. In: Annabelle. Ausgabe (Nr.21/November). S.41. 6 Vgl. Sichtermann, Barbara (2009), S.7. 7 Vgl. Sichtermann, Barbara (2009) S.7 ff.

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Kinder kümmernde, aufopferungsvolle Hausfrau zu sein und ihren Mann in allen Angelegenheiten ohne jeglichen Missfallen oder einer eigenen Meinung zu unterstützen. « Daraus erfolgten die alleinige Aufgabe der Kindererziehung, die fast vollständige Abgabe von jeglichen Freiheiten und schliesslich die finanzielle Abhängigkeit der Frau von ihrem Ehemann.8 Die Öffentlichkeit der Politik, der Wissenschaft, der Forschung und der grossen Bildungsinstitutionen, ebenso Militär und Kirche, waren für die Frauen im Prinzip tabu. Frauen wurden aus dem öffentlichen Leben ausgeschlossen, sogar das Betreten von Kaffeehäusern blieb ihnen verwehrt. 9 Ab der zweiten Hälfte des 18.Jahrunderts wurden Zwangsehen erneut „modern“, wobei meist der Vater den Mann für die Tochter aussuchte; frei nach den Indikatoren Ansehen, finanzielle Mittel und Reichtum. Verheiratete Frauen wurden dabei auf blosse „Gebärmaschinen“ reduziert, mussten ein frauentypisches Verhalten (Bescheidenheit, Güte und Zurückhaltung) an den Tag legen und galten als gesellschaftliches Statussymbol ihres Ehemannes. Auch der Grad der Bildung, die eine Frau erhielt, oblag dem Manne, so war es vielen unmöglich, ihrem Dasein zu entfliehen. Für Unverheiratete war das Leben hingegen schlimmer, sie wurden sozial verachtet und als nutzlos befunden.10 Diese Benachteiligungen hatten eine Rebellion der Frauen zur Folge. Olympe de Gouges veröffentlichte 1791 in Frankreich ein Gleichheitspostulat, welches der Frau gleiche Rechte sichern sollte. Mary Wollstonecraft verfasste 1792 in England ein Plädoyer für die Rechte der Frau. Diese beiden Frauen bildeten keine Ausnahme und so kam es, dass die Frauen sich einen Platz im öffentlichen Leben sicherten. Ende des 18.Jahrhunderts wurden immer mehr Frauenvereine und Frauenzeitungen gegründet, welche auch die weniger freiheitslustigen Frauen aufwiegelten. Im Gegenzug beriefen sich die Männer auf die Rückbesinnung der Aufgaben des weiblichen Geschlechts. Die Frauen sollten sich den vorgesehenen Bestimmungen der Natur fügen und so ebten die revolutionären Wellen langsam ab.11 In der Schweiz wurde in der ersten Bundesverfassung von 1848 die Rechtsgleichheit wie folgt erklärt: "Alle Menschen sind vor dem Gesetze gleich. Es gibt in der Schweiz keine Untertanenverhältnisse, keine Vorrechte des Ortes, der Geburt, der Familie oder Personen." Aber da die Frauen in dieser mit keinem Wort erwähnt wurden, ergab sich aus der resultierenden Gesetzgebung ein Untertanenverhältnis der Frau gegenüber dem Mann. Von 1860 bis 1874 formatierten sich dann erstmals Schweizerinnen zu Frauenverbänden. Ziel war die zivilrechtliche und politische Gleichstellung. 12 Die Industrialisierung Ende des 19.Jahrunderts war für einen grossen Umbruch im Geschlechterkampf verantwortlich. Der erhaltene Lohn durch Fabrikarbeit reichte für eine Familie nicht mehr aus, so dass auch die Frauen mitarbeiten mussten. Obwohl viel schlechter entlohnt, konnte das Selbstwertgefühl der bis dahin unterdrückten Frauen gesteigert werden und sie 8

Vgl. DIMAS TECHNOLOGIES (2010). »Geschichte« URL: http://www.gleichberechtigung.at/geschichte_gleichberechtigung_4.html [Stand: 20.07.2012]. 9 Vgl. Sichtermann, Barbara (2009), S.9. 10 Vgl. DIMAS TECHNOLOGIES (2010). »Geschichte« URL: http://www.gleichberechtigung.at/geschichte_gleichberechtigung_4.html [Stand: 20.07.2012]. 11 Vgl. Sichtermann, Barbara (2009), S.55 ff. 12 Vgl. Lehnherr, Priska (2010): »Chronik zum Frauenstimmrecht«. URL: http://www.frauennet.ch/index.php/frauengeschichte/14-crhonik-zum-frauenstimmrecht [Stand: 09-08.2012].

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begannen, ihre Ziele und Freiheiten neu zu definieren. Dies hatte einen erneuten Antrieb in der stagnierenden Emanzipationsbewegung zur Folge. Aufgrund des vorherrschenden Umdenkens des frühen 20. Jahrhunderts wurden Forderungen der sozialen, politischen, privaten und rechtlichen Gleichstellung laut. Als 1914 der erste Weltkrieg begann, trat zum ersten Mal ein Umbruch in den bestehenden Rollenverhältnissen auf. Durch den Krieg waren auf einmal Frauen das Familienoberhaupt; sie mussten die Familie ernähren, waren Armeehilfskräfte oder sogar Kriegshilfskräfte – ihr Selbstvertrauen wurde wieder gestärkt, denn Krieg war nicht mehr nur alleinige Männersache. Die Arbeit als Krankenschwester war damals das Symbol für Selbstaufopferung und ein Sinnbild für alle Frauen dieser Zeit.13 Auch in der Schweiz unterstützten die Frauen ihre Männer tatkräftig. Die um 1900 gegründeten Frauenvereine leisteten Sozialfürsorge für die gesamte Schweiz, denn damals existierten noch keine Sozialversicherungen.14 1918 konnte im kriegsschwachen Deutschland das Wahlrecht für Frauen verabschiedet werden. Amerika hatte in dieser Angelegenheit eine Vorreiterrolle inne – der Staat Wyoming liess ihre Frauen schon 1869 an die Urne und 1920 waren alle Frauen auf Bundesebene wahlberechtigt. Nach dem Erfolg der Frauen in Deutschland stellten auch die Frauenrechtlerinnen der Schweiz 1918 Forderungen an die Regierung, unter anderem das Frauenstimmrecht. Diese blieben ungeachtet.15 Alle Forderungen der Frauenbewegung in Deutschland schienen erfüllt. Doch mit dem Frauenstimmrecht änderte sich weit weniger als angenommen, denn die langwierigen Prozeduren der Gesetzgebung und die andauernde Männerdominanz führten zu einer lähmenden Enttäuschung.16 In der Schweiz wurde 1929 die erste Ausstellung für Frauenarbeit (SAFFA) eröffnet, welche auf die Initiative der Berufsberaterin Rosa Neuenschwander stattfand. Durch die Ausstellung konnte die Frauenbewegung Ansehen und neues Selbstvertrauen gewinnen, denn sie zeigte die Bedeutung der Frauen für Staat, Wirtschaft und Gesellschaft auf. Die Bemühungen zur Erreichung des Stimm-und Wahlrechts blieben in der Schweiz jedoch weiterhin ergebnislos.17 Nach dem Ende des 2.Weltkrieges wurde die alte Geschlechterhierarchie wieder hergestellt. Es kam erneut zu einem Stillstand der Emanzipationsbewegung. Schliesslich brachte die neue Frauenbewegung in den 60er-Jahren die letzte, entscheidende Wende. Auch die Schweiz blieb von den Jugendunruhen 1968 nicht unberührt. Junge Feministinnen gingen auf Konfrontationskurs, es gab Demonstrationen und Proteste. Am 1.März 1969 kam es zum „Marsch von Bern“; eine Protestkundgebung vor dem Bundeshaus, bei der 5000 Personen die sofortige Verwirklichung des Frauenstimm- und Wahlrechtes forderten. Daraufhin kam Bewegung in den Kampf um das Wahl-und Stimmrecht. Nach längerem politischen Hin und Her kam es zur

13

Vgl. DIMAS TECHNOLOGIES (2010). »Geschichte« URL: http://www.gleichberechtigung.at/geschichte_gleichberechtigung_4.html [Stand: 20.07.2012]. 14 Vgl. Lehnherr, Priska (2010). [Stand: 09.08.2012]. 15 Vgl. Lehnherr, Priska (2010). [Stand: 09.08.2012]. 16 Vgl. Sichtermann, Barbara (2009), S.87 ff. 17 Vgl. Lehnherr, Priska (2010). [Stand: 09.08.2012].

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Abstimmung 1971. Am 7. Februar 1971 wurde die Vorlage vom (männlichen) Stimmvolk mit 621.109 gegen 323.882 Stimmen angenommen.18

4.3 Das Frauenbild – früher und jetzt In den vergangenen Jahrhunderten hat sich das Frauenbild, zumindest auf das Äussere bezogen, oft verändert. Was jedoch unangetastet über Jahrhunderte bestand, war die Aussage, dass die Frau dem Manne unterlegen sei. Sie galten als körperlich und geistig minderwertig.19 Was die katholische Kirche von der Frau hält, lässt sich in der Bibel an etlichen Beispielen untermauern. So wurde Eva nur aus der Rippe von Adam geformt, um ihm eine Gehilfin zu sein. Des Weiteren mussten sich die Frauen den Männern unterordnen und der Mann durfte mit ihr tun, wie ihm beliebte. Diese und ähnliche Äusserungen findet man in der Bibel an etlichen Stellen.20 Wie schon im Kapitel 4.2 erwähnt, erlebte die Rolle des weiblichen Geschlechts im 17. und 18. Jahrhundert einen fundamentalen Wandel. Sie wurde aus der öffentlichen Gesellschaft gänzlich verbannt und nur noch über ihre Tätigkeit als Mutter und Hausfrau definiert. Der bürgerliche Mann schätzte Attribute wie Nächstenliebe, Treue, Dankbarkeit, Hingabe, Bescheidenheit und Demut an seiner Ehefrau. Wurde das Frauenbild im 18. Jahrhundert durch kosmologische und gesellschaftliche Argumentation begründet, begann man im 19. Jahrhundert rein biologisch zu argumentieren. Der Frau wurde – da sie geistig als nicht gleich entwicklungsfähig wie der Mann galt – wiederum der Platz an Heim und Herd zugewiesen. Im Zuge der vielen Verfassungen pseudowissenschaftlicher Arbeiten wurde vehement Treue von der Frau gefordert. Als Garant dafür begann man, ihr die Lust am sexuellen Akt abzusprechen. Auch in diesem Bereich zeigte sich die ungleiche Behandlung. Während die Frau ihre Moral auf jeden Fall zu wahren hatte, wurde die sinnliche Unmoralität des Mannes von Natur aus hingenommen (Steiner, 2008). In der Zwischenkriegszeit hatte sich das Frauenbild stark verändert. Durch Kleidung, Frisur, Verhalten und Leistungen im Sport emanzipierten sich die Frauen. Besonders im Sport haben sie gezeigt, was sie können. Es war das Zeitalter der „ersten Frau“ – Drohung und Versprechen zugleich. 21 Ein drastischer Wandel im Frauenbild entstand durch den Männermangel im 2.Weltkrieg und die darauffolgende Nachkriegszeit. Ein drastischer Wandel im Frauenbild entstand durch den Männermangel im 2.Weltkrieg und die darauffolgende Nachkriegszeit. Die fortschreitende Verbreitung des Nationalsozialismus führte zu einem folgenschweren Rückschlag. Die Nationalsozialisten propagierten die Frauenrolle, wie sie vor dem 1.Weltkrieg ausgesehen hatte. Ihre Aufgaben lagen in der Sicherung des Fortbestandes der „Rasse“, der Aufopferung als Hausfrau und in der Kindererziehung. Die Nationalsozialisten duldeten keine Emanzipation - sie wiesen eine stark

18

Vgl. Lehnherr, Priska (2010). [Stand: 09.08.2012]. Vgl. Sichtermann, Barbara (2009), S.75 20 Vgl. Lehner, Johannes Maria (2008). »Das Frauenbild in der Bibel«. URL: http://www.bibelkritik.ch/kirchenkritik/e24.htm [Stand: 21.07.2012]. 21 Vgl. Sichtermann, Barbara (2009), S.94 ff. 19

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antifeministische Haltung auf und tendierten zu einer Rückbesinnung der alten Traditionen. Hitler: „Das Wort von der Frauenemanzipation ist ein nur vom jüdischen Intellekt erfundenes Wort.“22 Doch die Frauen mussten im Krieg ihren Mann stehen; sie wurden in Berufe der Männerdomäne gedrängt und waren massgeblich für den Wiederaufbau verantwortlich. Daraus erlangten die Frauen eine neue Stärke, gingen couragiert und selbstbewusst aus dem Krieg heraus. Viele kriegsversehrte Männer hatten grosse Mühe, sich mit dem neuen Frauenbild zu identifizieren. Ein weiterer Schritt im Wandel des Frauenbilds tat sich in der Zeit des „Wirtschaftsbooms“ nach Kriegsende. Ein Lohn reichte für die Familienversorgung oft nicht aus und so musste auch die Frau ihren Beitrag dazu leisten. Frauen arbeiteten oftmals den ganzen Tag – Teilzeitarbeit existierte noch nicht - und nach Dienstschluss war es ihre Pflicht, sich zusätzlich um den Haushalt zu kümmern.23 Der Beruf wirkte sich positiv für die Frau aus. Sie wurde ökonomisch unabhängig, selbstbewusst und konnte sich von der sozialen Isolation befreien.24 Die feministische Revolution entzündete sich am Abtreibungskonflikt; einem Aspekt der Geschlechterbeziehung, bei der die Ungleichheit seit jeher krass war. Der Gebärzwang war ein Zeichen der Machtpolitik des Patriarchats. Bis Ende der 60er Jahre waren Abtreibungen unter Strafe in ganz Westeuropa verboten. 1977 erschien unter Alice Schwarzer im Stern ein Artikel mit dem Abtreibungsbekenntnis von 374 Frauen – sie forderten die Streichung des Paragraphen 218 (dem Abtreibungsparagraphen in Deutschland). Die bundesdeutsche Gesetzgebung verabschiedete 1974 tatsächlich eine entsprechende Reform.25 Ein vorübergehender Abschluss im Geschlechterkampf kam mit der Lancierung der Anti-Baby-Pille. Das letzte Relikt der ehemals patriarchalischen Strukturen war weggeräumt. Frauen war es möglich, ihre bis dahin propagierte Rolle zu umgehen und die Mutterschaft zu verweigern. Dadurch stand dem weiblichen Geschlecht der freien Entfaltung nichts mehr im Wege. Sie konnten ihr Bedürfnis, über ihren Körper und ihre Lebensführung zu bestimmen, ausleben und frei über ihren Körper entscheiden. Sie erlangte durch die Pille Kontrolle über ihre Fruchtbarkeit, was die Möglichkeit zu mehr Bildung und somit zu mehr Gleichstellung öffnete.26 Heute gelten Frauen als emanzipiert, wollen zuerst einmal Karriere machen und verschieben das Kinderkriegen auf später oder wollen gar keine. Frauen laufen den Männern bildungsmässig den Rang ab und mittels moderner Medizin droht der Mann sogar bei der Fortpflanzung überflüssig zu werden.27 Trotz aller gesellschaftlicher Fortschritte gelten Frauen ohne Kinder als unvollständig.28 Auch Singlefrauen haben heute noch mit Vorurteilen zu kämpfen. Sie werden bemitleidet und als unglücklich abgestempelt. Laut Weber (2012: 25) gilt eine Frau, die keinen Mann braucht und dies

22

Vgl. DIMAS TECHNOLOGIES (2010). »Geschichte« URL: http://www.gleichberechtigung.at/geschichte_gleichberechtigung_4.html [Stand: 20.07.2012]. 23 Vgl. Von Husen, Ingrid (2008): »Das Frauenbild im Wandel«. URL: http://www.erinnerungswerkstattnorderstedt.de/artikel/259_vh.htm [Stand: 21.07.2012]. 24 Vgl. Schwarzer, Alice (2004). »Der kleine Unterschied und seine großen Folgen: Frauen über sich, Beginn einer Befreiung«. S.270 ff. 25 Vgl. Sichtermann, Barbara (2009), S.130 ff. 26 Vgl. Hakim, Catherine (2011). »Erotisches Kapital: Das Geheimnis erfolgreicher Menschen«. S.54. 27 Vgl. Weber, Bettina (2012). »Abgehängt«. In: Tages-Anzeiger (22.02.2012). S.25. 28 Vgl. Moran, Caitlin (2011). »How to be a woman«. S.301.

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nicht als Makel empfindet, als Provokation. Dies liegt der Annahme nahe, dass die Ehe immer noch als die überlegene Beziehungsform angesehen wird.29 Das Frauenbild ist gemäss Natasha Walter (2011: 15 ff.) im 21.Jahrhundert durch eine hypersexualisierte Kultur geprägt. Ebendiese zeigt das noch heute bestehende Machtungleichgewicht. Die Gesellschaft betrachtet die hoch sexualisierte Kultur als ein Zeichen für die Befreiung der Frau. Der weibliche Weg der Selbstverwirklichung, welche als eines der obersten Ziele der Frauenbewegung galt, führt nur über die Vervollkommnung des Körpers. Man kann es als eine Verwechslung von sexueller Befreiung mit sexueller Verdinglichung beschreiben. Vor allem in der Pornoindustrie, welche durch die Erfindung des Internets eine unglaubliche Präsenz erlangte, werden Frauen als blosse Objekte behandelt. Dieser sexistische Terror gegen Frauen bleibt im öffentlichen Leben praktisch unbemerkt – so selbstverständlich ist er geworden.30

4.2 Angeboren ist wenig Seit Jahren häufen sich Bücher über die Verhaltensunterschiede von Frau und Mann in den Regalen. Stereotypische Aussagen wie zum Beispiel, dass Männer nicht zuhören und Frauen schlecht einparken, gehören heutzutage zum Alltagsjargon. 1951 machte Simone de Beauvoir mit der Aussage »Man kommt nicht als Frau zur Welt, man wird dazu gemacht. «31 Schluss mit den „naturgegebenen“ Unterschieden. Differenzierungen im Verhalten der Geschlechter seien nicht biologisch, sondern kulturbedingt.32 Dieser Erkenntnis folgte ein Back-Lash. Das Pendel schlug zurück und der biologische Determinismus erfreute sich erneut grosser Beliebtheit, wie es schon im 19.Jahrhundert der Fall war.33 Unter Determinismus versteht man eine Denkrichtung, welche den Zufall komplett ablehnt: »Deterministen vertreten die Meinung, dass bei bekannten Naturgesetzen und bekanntem Anfangszustand der weitere Ablauf aller Ereignisse prinzipiell vorausberechenbar sei. «(Hoffmann, Reiner: 1996).34 Ein grosser Anteil der Bevölkerung schätzt deshalb aufgrund der Population des biologischen Determinismus die Sozialisation weit weniger wichtig ein als biologische Unterschiede. Verhaltensunterschiede aber, welche unter anderem den Redefluss , die mathematischen Begabungen oder „weibliche“ Intuition betreffen, können nicht mit fundierten Beweisen hinterlegt werden.35 Gerhard Roth, der renommierteste Hirnforscher deutscher Sprache, äusserte in einem Interview die Ansicht, dass Frauen aufgrund von gezielter Förderung in Gebieten wie Mathematik und Naturwissenschaften mächtig aufgeholt haben und es beinahe keinen Unterschied zwischen den Geschlechtern mehr gäbe. Zudem gab er zu bedenken, dass mit der Annahme eines angeblich grösseren Sprachzentrums bei Mädchen nicht gleich auf stärkere sprachliche Fähigkeiten geschlossen 29

Vgl. Weber, Bettina (2012). »Der Schlüssel zum Glück ist die Frau«. In: Tages-Anzeiger (28.01.2012) S.33. Vgl. Walter, Natasha (2011). »Living Dolls«. S.87 ff. 31 Vgl. Alojado Publishing (1996 – 2012): »Simone de Beauvoir«. URL: http://www.gutzitiert.de/zitat_autor_simone_de_beauvoir_85.html?page=1 [Stand: 25.07.2012]. 32 Vgl. Signe, David (2012). »Angeboren ist wenig«. In: NZZ (6.05.2012). s.77. 33 Vgl. Signe, David (2012). »Angeboren ist wenig«. In: NZZ (6.05.2012). s.77. 34 Vgl. Dr. Hoffmann, Reiner (1996): »Determinismus«. URL: http://www.madeasy.de/1/determinismus.htm [Stand: 25.07.2012]. 35 Vgl. Walter, Natasha (2011). Living Dolls: Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen. S.190 ff. 30

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werden darf. Unterschiede können je nach Sozialisierung verstärkt oder abgeschwächt vorkommen. Eine rollenbildende Prägung kann besonders in den ersten Lebensjahren viel beeinflussen.36 Die Geschlechterrolle wird somit psychologisch zuerst von den Erwartungen der Eltern und dann von denen der Gesellschaft bestimmt.37 Trotz fehlender Belege werden die oben erwähnten Verhaltensunterschiede in den Medien breit ausgeschlachtet, Studien welche dem biologischen Determinismus widersprechen erst gar nicht veröffentlicht und die oben genannten Stereotypen sind im Alltag bereits so verbreitet, dass sie als allgemein richtig angesehen werden. Wenn kleine Mädchen von klein auf mit Spielzeugherden, MiniWaschmaschinen und Baby-Puppen aufwachsen, ist schnell klar, warum auch in der modernen Zeit die traditionelle Rollenverteilung eine Norm ist.38

4.3 Bestehende Ungleichheiten Auch in unserer fortschrittlichen Zeit bestehen noch immer Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern. In diesem Teil wird auf die Benachteiligungen geschlechtsunabhängig eingegangen. Die grösste Ungleichheit zeigt sich offenkundig im Lohnbereich. In der gleichen Position verdienen Frauen immer noch deutlich weniger als Männer. Soziologen sehen einen Grund darin, dass Männer einfach mehr Lohn fordern und Frauen sich mehr gefallen lassen.39 Statistisch gesehen lässt sich die eine Hälfte des Lohnunterschiedes durch Faktoren wie Ausbildung, Alter, berufliche Erfahrung und Position erklären, die andere ist unerklärbar.40 Im Kanton Zürich lässt sich der geschlechtsspezifische Lohnunterschied zu 64% mit den oben genannten Faktoren begründen, die restlichen 36% gelten als diskriminierend. Am grössten sind diese nicht erklärbaren Unterschiede im Baugewerbe, der Nahrungsmittelindustrie und im Detailhandel. Schweiz weit beträgt der Lohndiskriminierungsanteil 39%.41 Lohndiskriminierung gibt es aber auch für Männer, diese zeigt sich in der Teilzeitarbeit. Dort verdienen die Männer hochgerechnet auf ein Vollzeitpensum (100%) 16% weniger, Frauen nur 6%. Auch beklagen sich Männer mit einem Teilzeitpensum darüber, weniger ernst genommen zu werden.42

36

Vgl. Plüss, Matthias (2011). »Alles im Kopf«. Annabelle. Band (Nr.21/11). S.71 ff. Vgl. Walter, Natasha (2011). Living Dolls: Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen. S.207 ff. 38 Vgl. Walter, Natasha (2011). Living Dolls: Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen. S.207 ff. 39 Vgl. Kuhr, Daniela (2009): »Die grosse Ungleichheit«. URL: http://www.sueddeutsche.de/karriere/frauenund-maenner-im-job-die-grosse-ungleichheit-1.408699 [Stand: 07.08.2012]. 40 Vgl. Lohngleichheitsdialog (2012): »Lohndiskriminierung«. URL: http://www.lohngleichheitsdialog.ch/index.cfm?id=8 [Stand: 07.08.2012]. 41 Vgl. Page, Roman (2011): »Frauenlöhne, Männerlöhne. Vollzeitlöhne, Teilzeitlöhne.«. S.5ff. 42 Vgl. Roten, Michèle (2011). S.67 ff. 37

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Anteil des nicht erklärbaren Lohnunterschieds 2008, Kanton Zürich

Abbildung 1: Statistisches Amt des Kantons Zürich; Quelle: Lohnstrukturerhebung

Ein eher unbekannter und dennoch immens relevanter Bereich ist die Care-Arbeit. Darunter fallen Betreuungs-, Sorge- und Pflegearbeit für Kinder und kranke Angehörige. Vier Fünftel der Care-Arbeit wird unbezahlt geleistet, 92% davon für Kinder. Frauen übernehmen fast zwei Drittel der Kinderbetreuungsarbeit und die Mehrarbeit im Haushalt, die durch Kinder entsteht. Bei der Kinderbetreuung fallen so 20,5h unbezahlte Arbeit für die Frau an, beim Mann 13h. Diese Durchschnittswerte können je nach Familienmodell variieren. Der Mehraufwand der Frau bedeutet nachteilige Auswirkungen auf verschiedenen Sektoren. Darunter fallen unter anderem weniger Chancen auf dem Arbeitsmarkt, geringere Lohn-und Karrierechancen, fehlende Anerkennung der ausserberuflichen Kompetenzen, Zementierung der gewählten Arbeitsteilung und ein erhöhtes Armutsrisiko für Alleinerziehende und Familien mit mehreren Kindern. Die Care-Arbeit ist nicht im BIP enthalten. Würde sie honoriert werden, käme der Wirtschaft eine enorme Summe zu Gute. 43 Eine weitere Benachteiligung des weiblichen Geschlechts findet sich bei der Arbeit auf Abruf. Unter Arbeit auf Abruf wird allgemein eine Teilzeitarbeit verstanden, bei welcher Zeitpunkt und Dauer der Arbeitseinsätze unbestimmt sind. Diese wird überproportional häufig von Frauen geleistet. Frauen, welche auf Abruf arbeiten, verdienen 11% weniger als andere Arbeitnehmerinnen. Dabei haben Arbeit auf Abruf-Leistende ohnehin ein geringeres Erwerbseinkommen und die Variabilität des Jahreseinkommens ist höher.44

43

Vgl. Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG (2010): »Anerkennung und Aufwertung der Care-Arbeit«. BBL. Bern. S.7ff. 44 Vgl. Dr. Henneberger, Fred und Dr. Sousa-Poza, Alfonso und Dr. Ziegler, Alexandre (2004): »Arbeit auf Abruf: Eine ökonomische Bewertung dieser flexiblen Beschäftigungsform«. URL: http://panorama.ch/files/3364.pdf [Stand: 22.08.2012].

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Nun noch zu einigen anderen Differenzen: -

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Frauen haben ein grösseres erotisches Kapital, denn Sexualität ist primär eine weibliche Ressource. Indem sich Frauen schön machen und sich sexy geben, steigern sie ihren Wert. Damit können sie Macht über den Mann erzielen, was von einem sexuellen Ungleichgewicht herrührt.45 Es gibt eine strukturelle Ungleichheit gegen Väter, denn bei Sorgerechtstreitigkeiten zwischen den Eltern sitzt die Mutter am längeren Hebel.46 Das Sorgerecht wird darum revidiert. Dasselbe gilt im Scheidungsrecht; es existieren Nachteile für Männer in der gegenwärtigen Gerichtspraxis.47 Einseitige Quotenregelungen zulasten des Mannes, Dienstpflicht und höheres Renteneintrittsalter.48

Auf das Scheidungs-und Sorgerecht wird im rechtlichen Teil ausführlich eingegangen.

4.4 Konsequenzen und Folgen Das weibliche Geschlecht musste sich in der Vergangenheit ihren Platz in der Gesellschaft erst erobern, und obwohl die Emanzipation ein Befreiungsschlag für die Frauen war, gibt es auch kritische Haltungen dazu. Kinder bedeuten für jeden Menschen einen Einschnitt im gewohnten Leben. „Sie [Kinder] beschränken üblicherweise die beruflichen Möglichkeiten und den Verdienst eines Elternteiles, […] limitieren Freizeitoptionen […] und führen bei grösseren Familien in der Regel zu einem Verzicht der Frau auf die Errungenschaften der weiblichen Emanzipation (zum Beispiel Berufstätigkeit und ökonomische Unabhängigkeit).“ (Mersch 2007: 6). Mersch vertritt die Haltung, dass die Opportunitätskosten von Kindern in patriarchalischen Familien viel geringer sind, da dort das Lebensziel der Frau oftmals Ehe und Familie sind. Hingegen in gleichberechtigten Gesellschaften fallen die Opportunitätskosten umso höher aus, je beruflich qualifizierter die Frau ist. Sie verzichtet durch die Kinderaufziehung auf Einnahmen einer Erwerbsarbeit, welche umso höher sind, je grösser ihr Einkommenspotenzial ist. 49 Durch diese Aussage erklärt sich Mersch das zunehmende Verschwinden kinderreicher Familien. Dies geschieht, da Frauen auf mehr Kinder verzichten, weil bei der Familiengründung beruflich und finanziell sehr viel auf dem Spiel steht. Eine erste Konsequenz wäre demzufolge nach Merschs Erkenntnis die Bevölkerungsschrumpfung. Eine weitere negative Folge der Emanzipation wäre gemäss Mersch, dass die Angleichung der Geschlechter die Gesellschaft dumm und ärmer macht.

45

Vgl. Hakim, Catherine (2011). Erotisches Kapital: Das Geheimnis erfolgreicher Menschen. S.28ff. Vgl. Althaus, Nicole und Binswanger, Michèle (2012). S.74. 47 Vgl. Roten, Michèle (2011). S.60. 48 Vgl. Roten, Michèle (2011). S.60ff. 49 Mersch, Peter (2007). »Emanzipation – ein Irrtum«. S.6 ff. 46

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Er begründet seine Aussage mit der zu einem erheblichen Anteil erblichen Intelligenz, der engen Korrelation zwischen Wohlstand und durchschnittlichem IQ eines Landes und dem negativen Zusammenhang zwischen Bildungs-und Intelligenzniveau und der Zahl an Nachkommen, welcher durch die Auflösung geschlechtsspezifischer Rollen bewirkt wurde. Andere Folgen sind unter anderem, dass einige Männer sich nun als benachteiligtes Geschlecht betrachten und der Emanzipation zuschreiben. Sie fühlen sich „als Opfer des überschiessenden Befreiungsschlages der Frauen“50 und fühlen sich aufgrund von Quoten, Sprachregelungen und Ähnlichem übervorteilt. Durch solche Gefühle lässt sich erklären, warum immer mehr Bücher über den Mann als Opfer der Emanzipation veröffentlicht werden oder es in der Schweiz eine Interessensgemeinschaft „Antifeminismus“ gibt. Die steigende Scheidungsrate wird auch als eine Wirkung der Emanzipation angesehen. Man rechtfertigt dies mit der Begründung, dass Frauen durch den Prozess der Gleichberechtigung selbstständiger, ökonomisch unabhängiger und freier geworden sind. Keine Frau muss heute noch in einer unbefriedigenden Ehe ausharren; eine überwältigende Mehrheit der Scheidungsbegehren wird von Frauen eingereicht.51

5. Feminismus Die Gleichberechtigung unter den Geschlechtern ist eng verknüpft mit dem Feminismus: „Feminismus ist die Richtung der Frauenbewegung, die, von den Bedürfnissen der Frau ausgehend, eine grundlegende Veränderung der gesellschaftlichen Normen (z. B. der traditionellen Rollenverteilung) und der patriarchalischen Kultur anstrebt.“52 Der Begriff steht für eine ungeheure Vielfalt, für ein heterogenes Feld an Themen und schliesst Widersprüche mit ein. Im Laufe der Zeit haben sich die Haltungen bezüglich Feminismus verändert; Hauptziel bleibt jedoch der Kampf gegen die Diskriminierung aufgrund des Geschlechts und der Widerstand gegen traditionelle Geschlechterrollen.53 In diesem Kapitel über den Feminismus und die Frauenbewegung liegt der Fokus auf dem Zeitraum nach der dritten Welle der Frauenbewegung in den 70er Jahren. Die vorhergehenden wurden bereits in den Punkten 4.2 und 4.3 besprochen, da Emanzipation und Feminismus eng miteinander verknüpft sind.

50

Bernold, Matthias (2012): »Mann, was ist dein Problem? «. Wienerin. Juni-Ausgabe. S.170 ff. Weber, Bettina (2012): »Der Schlüssel zum Glück ist die Frau«. In: Tages-Anzeiger (28.01.2012). S. 33. 52 Dudenredaktion (2012). »Feminismus«. URL: http://www.duden.de/rechtschreibung/Feminismus [Stand: 05.08.2012]. 53 Blickhäuser, Angelika und von Bargen, Henning (2007): »Gender Toolbox«. URL: http://www.gendertoolbox.org/toolbox/toolbox/5.%20Materialien/5.%20Materialien%20PDF/5.1.4%20Definiti onen_d.pdf [Stand: 05.08.2012]. 51

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5.1 Radikal, einschüchternd, provokativ Das Wort Feminismus ist in der heutigen Gesellschaft verpönt und zu einem Schimpfwort degradiert worden. Man assoziiert den Begriff mit Schwäche, Unterlegenheit und der Opferrolle. Feministinnen werden als frigide, verbittert und männerfeindlich hingestellt.54 Darum ist schnell klar, warum sich nur noch so wenige Frauen damit identifizieren können. Doch wie konnte eine solche Haltung entstehen? Um diese Frage zu beantworten, muss man einer der Führerinnen der 68er Bewegung, Alice Schwarzer, besondere Bedeutung beimessen. Mit ihren Aktionen hat sie zweifellos viel für die Frauen erreicht, doch ihre ständigen Provokationen hatten auch ihren Preis. Ihr Name wurde schnell zu einem Synonym für die Frauenbewegung, und da sie mit ihren Äusserungen insbesondere die Männer abgeschreckt hat, war sie bald geächtet – ebenso wie der Feminismus. Schwarzer ist der Auffassung, dass die Männer schuld am schlechten Ruf der Feministinnen sind. Männer haben in ihren Augen erreicht, dass Frauen sich für Feministinnen schämen und diese als hysterische Witzfiguren hingestellt werden. Sie schreibt die damals herrschende Geschlechterungleichheit der Agitation des Patriarchates zu und sah speziell in der Ehe ein Unterdrückungsapparat – diese stellt für Schwarzer einen Freibrief des Mannes für alles dar und macht die Abhängigkeit der Frau vom Manne deutlich. Auch ihre Haltung zur Sexualität war einschneidend; in ihr sieht sie das Machtmonopol des Mannes. Frauen werden im Namen der Liebe ausgebeutet und in der Sexualität machen sich die Herrschaftsverhältnisse zwischen Mann und Frau besonders deutlich.55 Um sich dieser „Zwangsheterosexualität“ zu entziehen, wurden viele Feministinnen unter Schwarzers Bewegung lesbisch oder drohten mit sexuellem Entzug.56 Dadurch konnte sich dann auch das Mysterium der sogenannten „Kampflesben“ verbreiten und die Plattform war geschaffen für antifeministische Ansichten, welche hauptsächlich von Männern vertreten werden. Alice Schwarzer erreichte durch ihre Haltung extrem viel Aufmerksamkeit, initiierte jedoch so viel Aufregung, dass die eigentlichen Ziele schnell vergessen waren und die Welle, die zu Beginn tosend alle bis dahin herrschenden Meinungen hinwegfegte, langsam nur noch vor sich hin plätscherte und von niemandem mehr ernst genommen wurde.

5.2 Der moderne Feminismus Wie im vorherigen Abschnitt bereits deutlich gemacht wurde, war der Ruf der Feministinnen bald platt. Die Forderungen jener Frauenrechtlerinnen blieben jedoch bis heute bestehen und so hat sich erneut eine Gruppe von Frauen formiert, die ihre Ansichten zum Thema Gleichberechtigung kundtun und Forderungen stellen.

54

Vgl. Roten, Michèle (2011). Wie Frau sein. Echtzeit. Basel. S.1. Vgl. Schwarzer, Alice (2004). Der kleine Unterschied und seine großen Folgen: Frauen über sich, Beginn einer Befreiung. Fischer. Frankfurt. S. 48ff. 56 Vgl. Sichtermann, Barbara (2009), S.167. 55

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Allerdings unterscheiden sich diese Frauen von ihren Vorgängerinnen. Da der Feminismus einen schlechten Ruf geniesst, haben sich die modernen Feministinnen daran gemacht, das alte Rad der Emanzipation zu entrosten und auf die alte und trotz aller Bemühungen bestehende Ungleichheit aufmerksam zu machen.57 Die Feministinnen von heute propagieren nicht den Mann als Feind der Emanzipation, sondern die Gesellschaft und auch die Frau selbst. Die Gesellschaft stellt einen negativen Faktor dar, weil ungewöhnliche Familienmodelle mit Argwohn beobachtet werden, alte Ritter-und Kavalierswerte immer noch in den Köpfen herumgeistern und Emanzipation in vielen Situationen nur Fassade ist.58 Soziologinnen, wie Eva Illouz, glauben den Hauptgrund für die Kluft zwischen Mann und Frau in der romantischen Liebe zu finden. Sie sehen in ihr eine jener kulturellen Praktiken, mit welchen Frauen dazu gebracht werden, ihre Unterwerfung zu akzeptieren. Indem Männer sich emotional verweigern, erreichen sie die emotionale Herrschaft über die Frau, denn Frauen fühlen sich oft minderwertig, weniger autonom und benötigen Anerkennung. Diese glauben sie bei den Männern zu finden, denn beim weiblichen Geschlecht ist der Selbstwert am engsten mit Liebe verknüpft. Darin äussert sich das falsche Bewusstsein der Frau; das Ideal der Autonomie kommt der Anerkennung in die Quere.59 Ergänzend muss man sagen, dass das weibliche Geschlecht sich selbst noch entscheidend im Weg steht: Kollegialität unter Frauen ist in unserer Gesellschaft nicht vorgesehen, sie geben lieber als Männer Verantwortung ab, haben schneller ein schlechtes Gewissen und somit schneller Schuldgefühle und sollten lernen, Forderungen zu stellen.60 Das schlechte Gewissen ist direkt an das Rollenbild und den damit verbundenen Aufgabenkatalog gekoppelt; in der Arbeit fällt dieses für beide Geschlechter ähnlich aus, in den eigenen vier Wänden herrschen jedoch andere Rollenerwartungen zwischen den Geschlechtern.61 Zudem steht für moderne Feministinnen ausser Frage, dass die Frau sich gemeinsam mit dem Mann emanzipieren und ihn aktiv in diesen Prozess miteinbeziehen muss.62 Für Männer ist die Auseinandersetzung mit dem altbewährten Männerbild (Er als Ernährer) jedoch schwierig.63 Der grösste Wandel hat sich jedoch beim Thema rund um die Mutterschaft vollzogen. Waren frühere Frauenrechtlerinnen noch der Ansicht, dass Kinder der Inbegriff von Unfreiheit sind, so versuchen die Frauen von heute Kinder und Karriere zu vereinbaren.64

57

Vgl. Dorn, Thea (2007), S. 36. Vgl. Dorn, Thea (2007), S.105 ff. 59 Vgl. Illouz, Eva (2011), S.247 ff. 60 Vgl. Dorn, Thea (2007), S.21 ff. 61 Vgl. Althaus, Nicole und Binswanger, Michèle (2012). Macho Mamas. Warum Mütter im Job mehr wollen sollen. S. 116. 62 Vgl. Schwarzer, Alice (2004). S. 293. 63 Vgl. Althaus, Nicole und Binswanger, Michèle (2012). S. 77 ff. 64 Vgl. Sassine-Hauptmann, Nathalie (2011): »Feministen-Frühling«. URL: http://www.clack.ch/ressort/artikel/frau/4103/twitter.com/clackch [Stand: 06.08.2012]. 58

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6. Frauen im Wandel Dass sich das Frauenbild und somit auch die Rolle der Frau in unserer Gesellschaft mit den Jahren stark verändert haben, wurde in den vorhergehenden Kapiteln bereits ausführlich behandelt. In diesem Kapitel soll es im ersten Abschnitt um einige herausragende Frauen und im zweiten um die Relevanz der Mutterschaft in Bezug auf das Leben einer Frau gehen.

6.1 Frauen als Pionierinnen „Es hat zwar zu allen Zeiten Frauen gegeben, die ihr Frausein trotz widrigster Umstände gelebt haben, wie sie es für richtig hielten - doch deren Lebensgeschichten enden regelmässig mit Verwerfungen, Unglück und Ruin. Weil die Gesellschaft um sie herum diese Form des Frauseins noch für völlig falsch hielt.“65 Solche tragischen Lebensgeschichten wie sie zum Beispiel von Frida Kahlo, Kleopatra, Mata Hari, Tania Blixen und weiteren hat natürlich viele Frauen abgeschreckt, ihren eigenen Weg zu gehen. Dies könnte als Grund für den Mangel an weiblichen Vorbildern in der Vergangenheit interpretiert werden. Einige Pionierinnen der Schweiz werde ich kurz auflisten und erklären. Diese Liste ist nicht vollständig, sondern soll als kleiner Einblick dienen. 1876 eröffnete die Aargauerin Maria Vögtlin als erste Frauenärztin Europas eine Praxis, nachdem sie sich acht Jahre zuvor an der Universität Zürich für ein Medizinstudium eingeschrieben hatte. Erste Professorin der Schweiz wurde Anna Tumarkin 1900 an der Philosophischen Fakultät in Bern. Elisabeth Kopp wurde 1984 die erste Bundesrätin der Eidgenossenschaft, 1988 musste sie jedoch zurücktreten, da sie ihren Mann vor einem Strafverfahren gewarnt haben soll.66 Nun zu zwei ausgewählten Frauen, welche unabhängig von ihrer Arbeit, Zeitalter und Vorgeschichte ihre Spuren in der Welt hinterlassen haben und ihren eigenen Weg gegangen sind. Die Auswahl wurde von mir getätigt und folgte keinen besonderen Kriterien. Es sind zwei Frauen, welche im Gleichberechtigungskampf eine wichtige Rolle spielten. Simone de Beauvoir Simone de Beauvoir (1908 – 1986) wuchs als Tochter in einer von Standesdünkel vergifteten Welt in einer grossbürgerlichen Familie in Frankreich auf. Ihr Vater, den sie als klügsten Menschen der Welt wahrnimmt, verschaffte ihr schon von frühauf intellektuellen Anregungen. Mit zunehmender Weiblichkeit konnte er mit ihr jedoch nichts mehr anfangen, verspottete sie gar. Durch den finanziellen Ruin ihrer Familie und den inhumanen Konventionen, denen auch ihre Freundin zum Opfer fiel, begann de Beauvoir die bestehende Ordnung in Frage zu stellen. Beim Studium der Philosophie lernte sie ihren späteren Lebenspartner Jean-Paul Sartre kennen. Berühmt wurde der Pakt zwischen Sartre und de Beauvoir; die beiden lehnten die Monogamie ab und wollten ihre Unabhängigkeit wahren. Simone ging sogar noch einen Schritt weiter, in dem sie auch die Mutterschaft und Hausarbeit ablehnte, was für sie ein Gefängnis darstellte. Berühmt wurde Simone 65

Moran, Caitlin (2011). S.19. Vgl. Schweizer Familie (2011): »Pionierinnen: Erste Frau«. URL: http://www.schweizerfamilie.ch/zeitschrift/pionierinnen-erste-frau-80536 [Stand: 22.09.2012]. 66

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de Beauvoir, als sie gemeinsam mit Jean-Paul Sartre und Albert Camus, zum Idol der von ihnen verkörperten und geprägten Bewegung des Existenzialismus wurden. Als ihr Hauptwerk gilt jedoch „Das andere Geschlecht“ in welchem sie das Bild der Frau in der Biologie, der Psychoanalyse und im historischen Materialismus untersucht. Die Kernaussage ist, dass Kultur und Sozialisation mehr als die Natur das Wesen der Frau bestimmen. Da die Kultur jedoch mannsgeprägt war, wurde der Mann als Subjekt und die Frau als Objekt betrachtet. Das Buch löste heftige Diskussionen aus, welche in einem Sturm der Entrüstung ausging. Als 1970 sich die Frauenbewegung formiert hatte, beteiligte sich de Beauvoir aktiv, liess sich vom Feminismus jedoch nicht vereinnahmen. Sie starb mit 78 Jahren nach längerer Krankheit. Ihr Leben galt als ihr wichtigstes Werk.67 Alice Schwarzer Alice Schwarzer (*1942) wuchs als uneheliches Kind auf, was sie schon als Kind zu spüren bekam. Früher war dies eine Schande und solche Kinder wurden oft gemieden. Nach der Absolvierung einer kaufmännischen Lehre ging sie aufgrund eines Sprachstudiums nach Paris. Danach arbeitete sie bei mehreren Zeitschriften und kam erstmals in Kontakt mit den sozialen Problemen von Frauen. Als sie Simone de Beauvoir kennenlernte, wurde diese zu ihrem grossen Vorbild. Insgesamt sechs lange Interviews hat Schwarzer mit Simone de Beauvoir durch. 68 In Paris kam sie erstmals mit der Frauenbewegung in Kontakt. Zurück in Deutschland widmete sie sich aktiv der feministischen Revolution und 1971 erschien der unter ihr lancierte Stern-Artikel »Ich habe abgetrieben« in welchem sich 374 Frauen zu einer Abtreibung bekennen und der zu einem grossen Skandal wurde.69 Mit der Erscheinung ihres Buches »Der kleine Unterschied« wurde schliesslich die breite Öffentlichkeit auf sie aufmerksam. 1976 gründete sie eine GmbH, in der seit 1977 die feministische Zeitschrift Emma erscheint. Ihre enorme Vitalität und ihr Charisma sind ihr Markenzeichen. Im Laufe der Zeit hat sie 21 Bücher geschrieben, 16 editiert und war Gast in unzähligen Talkshows. Sie gilt als Ikone der Frauenbewegung.70

6.2 Hausfrau, Karrieremama, Rabenmutter „Die Mutterschaft ist die Versklavung der Frau durch die Gattung.“(Simone de Beauvoir)71 Die Emanzipation hat die Frauen zwar aus dem »kollektiven Lebenskorsett befreit«72, die Mütter werden durch ihre Kinder jedoch wieder eingeschnürt. Mit dieser Meinung stehen die beiden selbsternannten „Macho-Mamas“ Nicole Althaus und Michèle Binswanger nicht alleine da. Obwohl die Frauen beinahe gleichberechtigt sind, bestimmt die Mutterschaft die berufliche Laufbahn und den zukünftigen Lebensweg nachhaltig.

67

Vgl. Wunderlich, Dieter (2004). »EigenSinnige Frauen«. S. 178 ff. Vgl. Wunderlich, Dieter (2006): »Alice Schwarzer«. URL: http://www.dieterwunderlich.de/Alice_Schwarzer.htm [Stand: 11.10.2012]. 69 Vgl. Ragnar Tessloff GmbH & Co. KG (2002): »Alice Schwarzer-Kämpferin der Frauenbewegung«. URL: http://www.wasistwas.de/aktuelles/artikel/link//d6a5535c6d/article/alice-schwarzer-kaempferin-derfrauenbewegung.html [Stand: 11.10.2012]. 70 Vgl. Wunderlich, Dieter (2006): «Alice Schwarzer«. 71 Vgl. Althaus, Nicole und Binswanger, Michèle (2012). S.31. 72 Vgl. Althaus, Nicole und Binswanger, Michèle (2012). S.8. 68

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Das traditionell bürgerliche Familienmodell wird noch immer bei den meisten Paarhaushalten mit Kindern in der Schweiz angewandt. Auch politisch-institutionelle, kulturelle Leitbilder und ökonomische Gegebenheiten sind Gründe, warum meistens Frauen die Hauptverantwortung für die Betreuung und Erziehung der Kinder übernehmen.73 Aller Emanzipation zum Trotz wird auch im Jahre 2012 in der Werbung und der Gesellschaft Mutterschaft als das ultimative Glück einer jeden Frau zementiert; Mütter sollten von stetiger Freude erfüllt sein und sich bedingungslos unterordnen. Die Messlatte an Mütter ist brutal hoch, was die mütterliche Ambivalenz noch steigert. Auch muss die Gesellschaft sich von Ideal der omnipotenten Mutter befreien.74 Als Mutter steht man heutzutage im Abseits und es existieren kaum namhafte Feministinnen mit Kindern, denn Mutterschaft wurde nie in die Emanzipation miteinbezogen. Darum steht vielen emanzipierten Frauen nicht der Mann, sondern der Kinderwunsch im Weg.75 Um diese Problematik zu überwinden, sollten sich die Bedingungen in der Arbeitswelt verändern. Die Schwangerschaft stellt in dieser einen Kostenfaktor dar, auch die Ambitionen der werdenden Mutter lösen sich mit dem Kinderwunsch in Luft auf. Um trotzdem im Beruf am Ball bleiben zu können, arbeiten die meisten Mütter Teilzeit, womit man beruflich aber nicht weiterkommt. 76

6.3 Die Frauenquote Frauen sind heute gleich gut ausgebildet wie Männer; Geburtenrückgang, die Überalterung der Gesellschaft und Fachkräftemangel bewirken, dass Frauen nicht mehr nur geduldet, sondern aktiv gesucht werden für jegliche Funktionen und Positionen. Coop hat eine unbekannte Quote festgelegt, die Bundesverwaltung bekennt sich zu einer Quotenregelung und die Raiffeisen-Bank will mindestens 30 Prozent Frauen im Kader haben bis 2015. Es existiert allerdings kaum ein börsenkotiertes Unternehmen mit einer Frauenquote in der Schweiz. Dies könnte als mögliche Erklärung dienen, warum der Frauenanteil nur 10.4 Prozent in Verwaltungsräten und in Konzernleitungen gerade einmal 5,1 Prozent beträgt. Um diesen Missstand zu eliminieren, werden Forderungen nach einer gesetzlich verankerten Frauenquote laut. Es gibt schon in einigen europäischen Ländern Quotengesetze. In Norwegen, Frankreich und Holland ist bereits ein Quotengesetz existent. in Frankreich hat sich dadurch der Frauenanteil in den Verwaltungsräten seit der Quoteneinführung von 12 auf 22 Prozent gesteigert. Die Meinungen zu einer Frauenquote sind allgemein kontrovers. In Bern wurde am 20.September 2012 vom Berner Stadtrat mit 37 zu 18 Stimmen eine Motion zur Einführung einer Frauenquote in der Stadtverwaltung und den öffentlich-rechtlichen Anstalten der Stadt Bern angenommen. Eine interfraktionelle Frauengruppe stellte die entsprechende Forderung und erhielt viel Unterstützung im linken und auch im bürgerlichen Lager.77

73

Vgl. Fitz, Alexandra (2012): »10-Punkte-Plan für Mütter«. In: NZZ am Sonntag (22.04.2012). S.75. Vgl. Weber, Bettina (2012): »Mythos Mutterglück«. In: Tages-Anzeiger (11.04.2012). S.23. 75 Vgl. Althaus, Nicole und Binswanger, Michèle (2012). S.28 ff. 76 Vlg. Weber, Bettina (2012): »Mütter sollten mehr Machos sein«. In: Tages-Anzeiger (18.04.2012). S.25. 77 Vgl. Messerli, Mirjam (2012): »Berner Stadtrat beschliesst Frauenquote«. URL: http://www.bernerzeitung.ch/region/bern/Berner-Stadtrat-beschliesst-Frauenquote/story/28556592 [Stand: 11.10.2012]. 74

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

7. Rechtlicher Teil Dieses Kapitel handelt vom rechtlichen Aspekt der Geschlechtergleichstellung. Es soll Aufschluss geben über den derzeitigen Stand in rechtlicher Hinsicht. Dabei wird zuerst auf das Wahl-und Stimmrecht eingegangen, danach auf das Familienrecht und zuletzt gibt es einen kleinen Exkurs über die Entstehung des Patriarchats.

7.1 Das Wahl-und Stimmrecht für Frauen Schweizer Staatsbürger und Staatsbürgerinnen erhalten mit der Vollendung des 18. Lebensjahres (Mündigkeit) eine breite Auswahl an politischen Rechten. Zu den politischen Rechten gehören unter anderem das Wahl-und Stimmrecht, das Referendums-und Initiativrecht, das Petitionsrecht und das Recht auf eine Stimmrechtsbeschwerde.78 Durch diese können sie Volksvertreter in ein Parlament wählen, über Verfassungs- und Gesetzesänderungen abstimmen oder selber politisch aktiv zu werden. Dabei wird differenziert zwischen Rechten auf Bundes-, Kantons- und Gemeindeebene.79 Durch das Wahlrecht wird den mündigen Bürgern ermöglicht, Volksvertreter auf Bundes-, Kantonsund Gemeindeebene in ein Parlament zu wählen oder selbst gewählt zu werden. Dabei wird zwischen aktivem und passivem Wahlrecht unterschieden. Das aktive Wahlrecht bezeichnet das Recht, jemanden in ein Parlament zu wählen, wohingegen das passive Wahlrecht das Recht ist, sich selbst als Kandidaten für die Wahlen aufzustellen und so an diesen teilzunehmen.80 Das Stimmrecht ist die Grundlage der Bürger, bei nationalen, kantonalen und kommunalen (innerhalb einer Gemeinde) Abstimmungen, ihre Stimme abgeben zu dürfen. Darunter fallen Verfassungsänderungen oder wichtige Gesetzesänderungen, die zwingend dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden müssen. Dasselbe gilt für Volksinitiativen, oder wenn mit einem fakultativen Referendum eine Volksabstimmung über ein vom Parlament beschlossenes Gesetz verlangt worden ist.81 7.1.1 Das Wahl-und Stimmrecht für Frauen in der Schweiz Die Einführung des Wahl- und Stimmrechts für Frauen war in der Schweiz stark umstritten. Es wurde erst am 16.März 1971 eingeführt. Wie man an Punkt 7.1.2 sehen wird, ist das im internationalen Vergleich ziemlich spät. Schon im Jahre 1958 gab es erste Versuche, das Frauenstimmrecht einzuführen; das Ja der beiden Parlamentskammern nütze jedoch wenig, denn 1959 verweigerten zwei Drittel der Schweizer Männern den Frauen die politische Mündigkeit. Dabei gab es schon Versuche, das Frauenstimmrecht bereits in der Verfassung von 1874 festzuhalten und 1929 forderten 250‘000 Schweizerinnen und Schweizer in einer Petition die Einführung des Frauenstimmrechts. Ein Hindernis war das System der 78

Vgl. Bundesverfassung, Art.136, Abs. 1 und 2. Vgl. Müller, Arno (2012): »Die politischen Rechte der Schweiz«. URL: http://www.vimentis.ch/d/publikation/309/Die+politischen+Rechte+der+Schweiz.html [Stand: 09.08.2012]. 80 Vgl. Müller, Arno (2012). [Stand: 09.08.2012]. 81 Vgl. Müller, Arno (2012). [Stand: 09.08.2012]. 79

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direkten Demokratie, mit welcher die Stimmberechtigten über Verfassungsänderungen entscheiden konnten. Die Gemeinden hatten durch die föderalistische Struktur relativ grosse Autonomie mit welcher einige Gemeinden den Frauen Beteiligung am politischen Geschehen ermöglichten. Eine kleine Gemeinde im Kanton Wallis führte 1957 das Frauenstimmrecht ein. Diesem Beispiel folgten wiederum andere Gemeinden.82 Im Internationalen Jahr der Menschenrechte 1968 protestierten viele Frauenrechtlerinnen, da der Bundesrat nur unter dem Vorbehalt, dass die Gleichstellung der Geschlechter nicht für die Schweiz zu gelten habe, die Europäische Menschenrechtskonvention unterzeichnen wollte.83 Unter dem gewaltigen Protest revidierte die Regierung ihre Haltung und eine neue Abstimmung zur Einführung des Frauenstimmrechts wurde vorbereitet. Am 7.Februar 1971 wurde mit einem Ja von zwei Dritteln der stimmberechtigten Männer das Frauenstimmrecht angenommen.84 Der Kanton Appenzell Innerrhoden wurde am 27. November gegen den Willen der Stimmbürger und Stimmbürgerinnen dazu gezwungen, das Frauenwahl-und Stimmrecht einzuführen. Er war der letzte Kanton, der das Recht noch nicht erlaubte, und dies war verfassungswidrig.85

7.1.2 Das Wahl-und Stimmrecht für Frauen im Vergleich mit anderen Ländern Im 20.Jahrhundert kam der Durchbruch für das Frauenwahl-und Stimmrecht, wie auch für andere Aspekte der Gleichberechtigung. Tendenziell gingen diejenigen Länder voraus, welche eine moderne Verfassung erst spät einführten.86 Der erste souveräne Staat, welcher landesweit das Wahlrecht für Frauen erlaubte, war 1902 Australien. In Europa war Finnland der Vorreiter, welcher dieses Recht einführte.87 Hier eine kurze Chronologie der Einführung des Frauenstimmrechts des westlichen Kulturkreises: 88

82



1917 Sowjetunion



1918 Österreich



1919 Deutschland



1920 USA



1928 Grossbritannien



1944 Frankreich



1945 Italien



1971 Schweiz

Vgl. swissworld (2012): »Stimmrecht«. URL: http://www.swissworld.org/de/bevoelkerung/frauenrechte/stimmrecht/ [Stand: 09.08.2012]. 83 Vgl. idée suisse (2011): »Der Kampf um das Frauenstimmrecht«. URL: http://www.ideesuisse.ch/60.0.html?&L=0 [Stand: 09.08.2012]. 84 Vgl. swissworld (2012): »Stimmrecht«. URL: http://www.swissworld.org/de/bevoelkerung/frauenrechte/stimmrecht/ [Stand: 09.08.2012]. 85 Vgl. Lehnherr, Priska (2010): »Chronik zum Frauenstimmrecht«. [Stand: 09-08.2012]. 86 Vgl. Jud, Markus (2004): »Emanzipation und Gleichberechtigung«. URL: http://demokratie.geschichte-schweiz.ch/frauenrechte-emanzipation.html [Stand: 09.08.2012]. 87 Vgl. Jud, Markus (2004): »Emanzipation und Gleichberechtigung«. [Stand: 09.08.2012]. 88 Vgl. Jud, Markus (2004): »Emanzipation und Gleichberechtigung«. [Stand: 09.08.2012].

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7.2 Das Familienrecht Im Laufe der Zeit hat sich die Familie stark verändert. Neben der klassischen Institution der Ehe gibt es das Konkubinat und die Gemeinschaft von gleichgeschlechtlichen Paaren. Die Ehescheidungsrate betrug in der Schweiz im Jahre 2010 54,4%89 und alleinerziehende Mütter und Väter gehören in der heutigen Zeit zum Alltag. Im Familienrecht des ZGB werden ausschliessliche Regelungen, welche in direktem Zusammenhang mit der Ehe stehen, aufgeführt.90 Momentan gibt es einige Revisionen, welche die Ungleichheiten zwischen Eltern beenden sollen. 7.2.1 Gleichstellung der Ehegatten im Namens-und Bürgerrecht Ab dem 1.Januar 2013 sollen die ZGB-Änderungen betreffend des Namens-und Bürgerrechts in Kraft treten. Die Eheschliessung wirkt sich somit nicht mehr auf den Namen und das Bürgerrecht der Eheschliessenden aus. Beide Ehegatten behalten ihren Namen und ihr Bürgerrecht. Gleichgeschlechtliche Paare, welche ihre Partnerschaft eintragen lassen, haben dieselben Möglichkeiten.91 Bis dahin sind die jetzigen Bestimmungen des ZGB gültig, wonach der Name des Ehemannes der Familienname ist (ZGB 160 Abs.1) oder mittels einer Erklärung der Ehefrau gegenüber dem Zivilstandesbeamten ihren bisherigen Namen dem Familiennamen voranstellen können (ZGB 160 Abs.2). Bei achtenswerten Gründen kann auf Gesuch der Brautleute der Name der Ehefrau als Familienname gelten (ZGB 30 Abs.2). Im Bürgerrecht wird noch bis zum 1.Januar 2013 gelten, dass die Ehefrau das Kantons-und Gemeindebürgerrecht des Ehemannes, ohne ihr eigenes Kantons-und Bürgerrecht zu verlieren, erhält (ZGB 161). 7.2.2 Scheidungsrecht Seit der Revision des Scheidungsrechts, welches seit dem 1.Januar 2000 in Kraft ist, spielt die Schuldfrage keine Rolle mehr.92 Zur Auflösung der Ehe benötigt man ein rechtskräftiges Scheidungsurteil. Normalerweise geht der Scheidung eine Trennungsphase voraus, in welcher der gemeinsame Haushalt aufgelöst wird. Die Trennung kann durch eine gerichtliche Verfügung auf Begehren einer Partei oder aussergerichtlich entstehen. Die Ehescheidung kann durch zwei unterschiedliche Vorgehensweisen erfolgen. Dabei unterscheidet man zwischen der Scheidung auf gemeinsames Begehren der Ehegatten (ZGB 111112), auch Konventionalscheidung genannt, und der Scheidung auf Klage eines Ehegatten nach zweijähriger Trennung (ZGB 114-115). Bei der Konventionalscheidung wird zuerst die Scheidungskonvention (die Ehescheidungsvereinbarung) auf Richtigkeit und Angemessenheit mittels eingereichten Beweisen vom Gericht geprüft (ZGB 111 Abs. 1). Die Überprüfung findet durch eingereichte Belege (ZGB 139 Abs. 1) sowie aufgrund einer getrennten und gemeinsamen Anhörung der Ehegatten (ZGB 111 Abs. 1) und 89

Vgl. Bundesamt für Statistik (2012): »Scheidungen und Scheidungshäufigkeit«. URL: http://www.bfs.admin.ch/bfs/portal/de/index/themen/01/06/blank/key/06.html [Stand: 15.08.2012]. 90 Vgl. Müller, Guido (2007). Einführung in die kaufmännische Rechtskunde. S.170. 91 Vgl. Bundesverwaltung (2012): »Gleichstellung der Ehegatten im Namens-und Bürgerrecht«. URL: http://www.news.admin.ch/message/index.html?lang=de&msg-id=44233 [Stand: 15.08.2012]. 92 Vgl. Büchler, Andrea (2008): »Scheidungsrecht«. URL: http://www.rwi.uzh.ch/elt-lstbuechler/famr/scheidungsrecht/de/html/index.html [Stand: 15.08.2012].

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allfälliger Kinder statt (ZBG 144). Falls es für nötig befunden wird, nimmt das Gericht Korrekturen vor. Die Scheidung wird vom Gericht ausgesprochen, wenn es sich von Scheidungswillen der Ehegatten und von der Angemessenheit der Vereinbarung überzeugt hat (ZGB 111 Abs. 2).93 Die Scheidung auf Klage eines Ehegatten erfolgt, wenn sich ein Ehegatte nicht scheiden lassen will. Der scheidungswillige Ehegatte kann nach einer zweijährigen Trennung die Scheidungsklage einreichen (ZGB 114). Die Trennungsphase beginnt mit dem Ausziehen aus der gemeinsamen Wohnung. Zu den zahlreichen Rechtswirkungen (ZGB 119-134) zählen neben weiteren die nachehelichen Unterhaltszahlungen an den anderen Ehegatten (ZGB 125 ff.) und das Sorgerecht für die Kinder (ZGB 133). 7.2.3.1

Unterhaltsrecht

Die Unterhaltszahlungen hängen von der Bedürftigkeit und den Lebensumständen der Ehegatten ab. Dazu zählen die Ehedauer, die Aufgabenteilung während der Ehe, Alter, Gesundheit, der Umfang und die Dauer der zu leistenden Kinderbetreuung sowie Einkommen und Vermögen der Ehegatten (ZGB 125 Abs.2). Gemäss Büchler (2008)sind in der Praxis regelmässig Frauen unterhaltsberechtigt und Männer unterhaltsverpflichtet. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Aufteilung der verfügbaren finanziellen Mittel nach der Scheidung keineswegs gleichmässig erfolgt, sondern die Frauen in der Regel benachteiligt sind.94 7.2.3.2 Revision des Unterhaltsrechts unverheirateter und geschiedener Eltern Die Unterhaltsansprüche des Kindes und des geschiedenen Ehepartners sind nach gebräuchlichem Recht so berechnet, dass dem Schuldner das Existenzminimum bleiben muss. Wenn die Unterhaltszahlungen nicht ausreichen, hat der Unterhaltsberechtigte den Fehlbetrag aufzubringen. Mit der Revision soll die Position des Kindes gestärkt und die Benachteiligung von Kindern unverheirateter Eltern beseitigt werden. Unabhängig vom Zivilstand der Eltern sollen bei einer Trennung die Kinder Anspruch auf Unterhaltszahlungen haben. Der Unterhaltsbeitrag soll gegenüber anderen Unterhaltsansprüchen Vorrang haben und auch die Kosten der Kinderbetreuung durch einen Elternteil umfassen. In sogenannten Mankofällen, d.h. die Mittel reichen nach der Trennung der Eltern nicht für zwei Haushalte aus, soll der Unterhalt auch neu geregelt werden. Heute springt für diese Fälle die Sozialhilfe ein. Der betreuende Elternteil muss in diesem Fall Sozialhilfe beziehen und diese, sobald sich seine finanzielle Situation bessert, zurückerstatten. In einigen Fällen müssen auch die Verwandten mitbezahlen. Der unterhaltspflichtige Elternteil erhält hingegen keine Sozialhilfe, um die Alimente zu bezahlen. Bei der neuen Regelung sollen die Eltern gleichermassen verantwortlich sein. Der Bundesrat schlägt für den betreuenden Elternteil und das Kind die Führung von getrennten Dossiers bei der Sozialhilfe vor. Dies bedeutet, dass die Sozialhilfeleistungen für das Kind nicht mehr zurückerstattet werden müssen.95 Die sogenannte Mankoteilung soll die beim

93

Vgl. Müller, Guido (2007). S.174. Vgl. Büchler, Andrea (2008): »Scheidungsrecht«. [Stand: 15.08.2012]. 95 Vgl. LawMedia Redaktion (2012): »Revision des Unterhaltsrechts«. URL: http://www.lawnews.ch/2012/07/revision-unterhaltsrecht [Stand: 15.08.2012]. 94

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Sozialamt entstehenden Schulden auf beide Elternteile überwälzen, so dass nicht nur der betreuende Elternteil diese tragen muss. Die Ungleichheit zwischen den Eltern soll so behoben werden.96 7.2.4.1 Sorgerecht Das Sorgerecht für Kinder wird bei einer Scheidung einem Elternteil zugeteilt (ZGB 133 Abs. 1). Dabei steht das Kindswohl an erster Stelle (ZGB 133 Abs. 2). Der andere Elternteil ist zur Zahlung von Kinderalimenten verpflichtet, dafür steht ihm ein Besuchsrecht zu (ZGB 133 Abs.1). Auf Wunsch von beiden Ehepartnern ist auch ein gemeinsames Sorgerecht möglich (ZGB 133 Abs. 3). 7.2.4.2 Revision des Sorgerechts Ab 2013 soll das gemeinsame Sorgerecht unabhängig vom Zivilstand der Eltern zur Regel werden. Nur verheiratete Eltern haben nach heute geltendem Recht die gemeinsame Sorge auszuüben (ZBG 297 Abs.1). Das Gericht teilt bei einer Trennung oder Scheidung meist nur einem Elternteil die elterliche Sorge zu (ZBG 297 Abs.2). Bei unverheirateten Eltern steht das Sorgerecht nach bestehendem Recht der Mutter zu (ZBG 298 Abs.1). Ein gemeinsames Sorgerecht ist nur möglich, wenn die Eltern den Antrag gemeinsam stellen und sich über den Unterhalt und die Kinderbetreuung einig werden können (ZGB 298a Abs.1). Das Ziel der Revision ist die Beseitigung der rechtlichen oder faktischen Benachteiligung lediger oder geschiedener Väter.97 Allerdings beeinflusst das gemeinsame Sorgerecht nicht, wie oft ein Elternteil sein Kind sieht. In der Vorlage hat man das Besuchsrecht nicht aufgenommen. Entscheidend ist deshalb noch immer, wer die Obhut über die Kinder hat.98

7.3 Strafrecht 7.3.1 Zwangsehe Eine Zwangsheirat liegt dann vor, wenn die Ehe gegen den Willen der Braut und/oder des Bräutigams geschlossen wird. Der Zwang kann sich durch Drohungen oder Erpressung, durch psychische und physische Gewalt manifestieren, in Extremfällen kommt es zu sexueller Gewalt, Entführung und Einsperren im Haus.99 Häufig werden Zwangsehen eingegangen, um die Bestimmungen über Zulassung und Aufenthalt von Ausländerinnen und Ausländern zu umgehen und ein Aufenthaltsrecht zu erwirken. Momentan fällt eine Zwangsverheiratung juristisch noch unter den Tatbestand der Nötigung (StGB 181). Dabei ist entscheidend, dass es zur formellen Eheschliessung und damit aktiven Zustimmung zur Heirat kommt. Das Parlament hat im Juni 2012 eine Gesetzesvorlage verabschiedet, welche die erzwungene Eheschliessung unter Strafe stellt. Zwangsheiraten werden in Zukunft von Amtes wegen angefochten 96

Vgl. Landolt, Karin (2012): »Auch Väter sollen zur Sozialhilfe müssen«. In: Zürichsee-Zeitung (10.04.2012). S.15. 97 Vgl. LawMedia Redaktion (2012): »Gemeinsame elterliche Sorge soll zur Regel werden«. URL: http://www.law-news.ch/2011/01/gemeinsame-elterliche-sorge-soll-zur-regel-werden [Stand: 15.08.2012]. 98 Vgl. Schmidt, Conny (2012): »Ein Papiertiger für Papi«. Beobachter (2/2012). S.26 ff. 99 Vgl. Terre des Femmes Schweiz (2010): »Zwangsehe«. URL: http://www.gegenzwangsheirat.ch/de/informationen-zum-thema/begriffsklaerung-zwangsheirat [Stand: 23.08.2012].

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und in einem weiteren Schritt wird der Bundesrat ein umfassendes Konzept ausarbeiten, um die Prävention und den Opferschutz zu verstärken. Des Weiteren sollen Eheschliessungen im Ausland, welche vor dem 18.Altersjahr geschlossen wurden, auch bei Ausländern nicht mehr toleriert werden. Eine Ehe wurde bisher in der Schweiz anerkannt, solange sie den im Ausland geltenden Gesetzen entsprach und somit rechtskräftig war. Das neue Bundesgesetz unterstellt Zwangsheiraten den unbefristeten Eheungültigkeitsgründen. Zwangsehen sollen keiner Verjährung unterliegen. Bisher konnte eine Ehe innerhalb maximal 5 Jahren als ungültig erklärt werden (ZGB 108 Abs.1), wenn sie unter "Bedrohung des Lebens, der Gesundheit oder der Ehre seiner selbst oder einer ihm nahestehenden Person" geschlossen wurde (ZGB 107).100 7.3.2 Vergewaltigung Gemäss Art. 189 StGB wird bestraft, wer eine Person zur Duldung einer beischlafsähnlichen oder einer anderen sexuellen Handlungen nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht. Diese Bestimmung erfasst sämtliche sexuellen Praktiken ausser dem Beischlaf. Nach Art. 190 StGB ist die Vergewaltigung strafbar. Danach wird bestraft, wer eine Personen weiblichen Geschlechts zur Duldung des Beischlafs nötigt, namentlich indem er sie bedroht, Gewalt anwendet, sie unter psychischen Druck setzt oder zum Widerstand unfähig macht. Die Vergewaltigung wird mit einem bis maximal zehn Jahren Zuchthaus bestraft (StGB 190). Seit dem 1.April 2004 ist dieser Artikel auch unter Ehegatten anwendbar, bis dahin wurde die Vergewaltigung in der Ehe nur auf formellen Strafantrag hin verfolgt. Eine Motion zur Erhöhung des Strafmasses bei Vergewaltigung wurde 2009 abgelehnt.101 7.3.3 Abtreibung In der Schweiz gilt seit dem 1.Oktober 2002 die Fristenregelung. Das bedeutet, dass in den ersten 12 Wochen der Entscheid über den Abbruch einer ungewollten Schwangerschaft bei der Frau liegt (StGB 119 Abs.2). Ab der 13. Woche ist ein Abbruch zulässig, wenn er nach ärztlichem Urteil notwendig ist, um von der Frau die Gefahr einer schwerwiegenden körperlichen Schädigung oder einer schweren seelischen Notlage abzuwenden (StGB 119 Abs.1). Bei Schwangerschaftsabbruch nach Ablauf der zwölften Woche oder Beteiligung am Abbruch wird, falls die Voraussetzungen nach Artikel 119 nicht erfüllt sind, mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe bestraft (StGB 118). Die alte Gesetzgebung, welche von 1943-2002 rechtsgültig war, stellte die Abtreibung unter Strafe, sofern nicht das Leben der Schwangeren durch die Schwangerschaft in grosser Gefahr war. Die Frau musste gemäss dieser Gesetzgebung der Abtreibung schriftlich zustimmen und ihre Lage zweimal ärztlich begutachtet werden.102

100

Vgl. Terre des Femmes Schweiz (2010): »Zwangsehe«. URL: http://www.gegenzwangsheirat.ch/de/informationen-zum-thema/begriffsklaerung-zwangsheirat [Stand: 23.08.2012]. 101 EJPD (2009): »Erhöhung des Strafmasses bei Vergewaltigung«. URL: http://www.parlament.ch/d/suche/seiten/geschaefte.aspx?gesch_id=20093417 [Stand: 23.08.2012]. 102 Vgl. SVSS (2012): »Abtreibung-Schwangerschaftsabbruch«. URL: http://www.svssuspda.ch/de/schweiz/schweiz.htm [Stand: 23.08.2012].

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7.4 Exkurs: Das Patriarchat Das Patriarchat ist ungefähr 3‘500 Jahre alt. Zur Entstehung des Patriarchats gibt es unterschiedliche Meinungen. Früher wurde überwiegend angenommen, dass das Patriarchat traditionell verwurzelt sei und schon immer existiert habe. Neue Belege deuten jedoch daraufhin, dass Frauen schon in den Gesellschaften der Jungsteinzeit eine wichtige Rolle innehatten. Das Verwandtschaftsgefüge wurde vermutlich matrilinear, also von der Mutter zur Tochter, gerechnet. Gemäss diesen Erkenntnissen haben WissenschaftlerInnen sich darunter ein Matriarchat, analog zum Patriarchat, eine Herrschaft der Frauen vorgestellt. Die Entwicklung zum Patriarchat ist auf Notsituationen zurückzuführen, in denen Stämme dazu gezwungen waren, aus ihrer Heimat auszuwandern. Das Patriarchat hat sich dementsprechend aus bewaffneten Konflikten und der Marginalisierung der Frau geformt.103 Die Historikerin Gerda Lerner teilt diese Haltung nicht. Sie geht davon aus, dass patriarchalische Systeme von Männern etabliert wurden, die sichergehen wollten, dass ihr Eigentum und Land an ihre eigenen biologischen Nachfahren und nicht an andere Männer vererbt wurden. Für Frauen ist klar, wer ihre Kinder sind, sie bringen diese schliesslich zur Welt. Männer können sich ihrer Vaterschaft nie im gleichen Masse sicher sein. Kontrolle und sexuelle Unterwerfung uferten so weit aus, dass sogar über Berufe und Einkünfte und über das Recht zu arbeiten von Männern entschieden wurde. Die Unterwerfung der Frau war somit in ihrem Ursprung nach sexuell und wurzelt in der Sorge um Geld und Erbe.104

103

Wesemann, Dorette (1998-2011): »Das Patriarchat«. URL: http://www.dadalos.org/deutsch/Menschenrechte/Grundkurs_MR3/frauenrechte/woher/patriarchat.htm [Stand: 12.08.2012]. 104 Vgl. Hakim, Catherine (2011). Erotisches Kapital: Das Geheimnis erfolgreicher Menschen. S.267 ff.

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8. Feldarbeit Zu meiner praktischen Arbeit zählen zwei Umfragen zum Thema Emanzipation und Feminismus, welche ich bei einer Gymnasialklasse und einem breiten Publikum durchgeführt habe. Zudem habe ich sieben Interviews mit verschiedenen Personen gemacht.

8.1 Auswertung der Umfragen Insgesamt habe ich 112 Personen mit einem Fragebogen interviewt. Mit meinen Umfragen versuchte ich, möglichst viele Meinungen rund ums Thema Emanzipation und Feminismus zu erhalten. Da es mir dabei insbesondere um Vielfalt und das Ansprechen eines breiten Publikums ging, schien mir ein Fragebogen als geeignetes Mittel. Gleichberechtigung ist für jeden Menschen wichtig, darum konnte ich die Leute unabhängig von Alter, Beruf und Ortschaft befragen und musste nicht Rücksicht auf bestimmte Kriterien nehmen. Allerdings war es mir sehr wichtig, dass beide Geschlechter gleich stark vertreten waren. Dies bereitete mir einige Mühe, denn die Bereitschaft von Frauen, an einer Umfrage teilzunehmen, war erstaunlich höher. Trotzdem ist es mir schlussendlich gelungen, 54 Frauen und 48 Männer zu befragen. Die meisten Teilnehmer waren zwischen 27 und 50 Jahren alt. Die obere Altersgrenze lag bei 82 Jahren, während der jüngste Teilnehmer 16 Jahre alt war. Mit meiner Arbeit versuche ich, den heutigen Standpunkt der Gesellschaft zu Emanzipation herauszuarbeiten. Da die Jugendlichen die Zukunft von morgen ist, führte ich noch eine kleine Umfrage bei einer Gymnasialklasse an der Kantonsschule Ausserschwyz in Nuolen durch. Der Zweck bestand darin, zu erfahren, ob sich die Ansichten von erfahreneren Menschen und jüngeren unterscheiden. In dieser Umfrage habe ich 8 Mädchen und 7 Jungen befragt. Die Resultate dieser Umfrage habe ich in die nachfolgenden Grafiken miteinbezogen und auffällige Ergebnisse explizit erwähnt. 8.1.1 Darlegung und Analyse der Ergebnisse

Die Bezeichnung "Feministin" ist für mich:

10% negativ

22%

positiv weder noch

68%

Abbildung 2: Meinungen zur Bezeichnung „Feministin“

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

Für rund 33 Frauen stellt die Bezeichnung „Feministin“ etwas Negatives dar, bei den Männern ist der Anteil noch höher. Rund 43 Männer vertreten eine ablehnende Haltung. Insgesamt haben nur 22% der Befragten die Bezeichnung positiv bewertet, 10% haben sich der Wertung enthalten oder waren unschlüssig. Auffallend war, dass ein überwiegender Teil der männlichen Teilnehmer diesen Begriff mit Männerfeindlichkeit, Übertriebenes Eintreten der Frau für ihre Rechte und einem Kampf der Geschlechter assoziierten. Dies deute ich als Erklärung für die mehrheitlich schlechte Meinung zu Feminismus. Die befragten Frauen haben ähnliche Ansichten; sie sehen in einer Feministin den übertriebenen Einsatz von Frauen für Frauen. Es beunruhigt mich ein wenig, dass so viele Frauen dem Feminismus abgeneigt sind, schreibe dies jedoch der revolutionären Bewegung der 70er und dem damit verbundenen Medienhype zu. Bei den befragten Jugendlichen war die Haltung eindeutig, nur ein Teilnehmer bewertete die Bezeichnung positiv. Dies hat mich sehr überrascht, denn ich habe angenommen, dass die Jugendlichen sich von der strikten Abneigung gegenüber dem Feminismus gelöst haben und eine andere Anschauung haben als die vorhergehende Generation.

Haben Sie sich je aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt gefühlt? Enthaltungen

Mann

Nein

Frau Ja 0

10

20

30

40

50

Abbildung 3: Erfahrungen mit Benachteiligung aufgrund des Geschlechts

Dieses Diagramm macht erkenntlich, dass eine grosse Mehrheit der befragten Personen, insgesamt 78%, keine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts erfahren hat. Geschlechtsspezifisch wird deutlich, dass die Frauen öfters als die Männer mit einer geschlechtsbedingten Benachteiligung konfrontiert waren. Rund 26% der Frauen gaben an, sich schon einmal benachteiligt gefühlt zu haben. Als Beispiele wurden unter anderem der niedrigere Lohn bei gleicher Arbeit und berufliche Verhandlungen genannt. Auch familiäre Faktoren wie die Kindererziehung wurden erwähnt. Bei den befragten Männern hatten 15% das Gefühl, benachteiligt zu sein. Kein einziger Mann erwähnte eine rechtliche Benachteiligung. Dabei spielten vor allem gesellschaftliche Ungleichheiten wie die Wehrpflicht und das Ausgehen eine Rolle. Der Grafik kann man demzufolge entnehmen, dass Benachteiligungen aufgrund des Geschlechts trotz fortschrittlicher Emanzipation noch vorkommen und dies vermehrt bei Frauen.

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

Sind Sie für eine Frauenquote? 80 70 60 50 40 30 20 10 0 Politik

Beruf

Beruf & Politik

Nirgends

Abbildung 4: Einsatzgebiet Frauenquote

Durch diese Frage versuchte ich in Erfahrung zu bringen, wie die Teilnehmer zu einer Frauenquote stehen und wo sie zum Einsatz kommen sollte. Dabei lässt sich mit dem Ergebnis von 74 Stimmen feststellen, dass eine 66 Prozentige Mehrheit gegen eine Frauenquote ist. Dies lässt zum Schluss kommen, dass Quoten nach wie vor unbeliebt und die Teilnehmer in ihr kein Mittel zu mehr Gleichberechtigung sehen. Die separaten Resultate von Mann und Frau haben keinen beachtenswerten Unterschied aufgezeigt: Mit 69 Prozent der weiblichen und 68 Prozent der männlichen Stimmen gegen eine Quote sind die Ergebnisse beinahe identisch. Bei der Befragung war zudem feststellbar, dass bei einer eventuellen Frauenquote die Befragten zu einer Einführung in Beruf und Politik tendieren. Der Geschlechterunterschied spielte eine auffallende Rolle bei der Entscheidung zwischen einer Quote in Beruf oder Politik. Während 5 Prozent der Frauen im Beruf und 7 Prozent in der Politik eine Frauenquote für nötig befanden, waren die männlichen Teilnehmer mit 13 Prozent doppelt so oft für eine vorgeschriebene Frauenanzahl im Beruf und 3 Prozent von ihnen für eine politische. Dieser Trend hat mich sehr überrascht, besonders da Frauen in Führungspositionen untervertreten sind und darum würde es ihnen gemäss meiner Ansicht viel mehr obliegen, sich gegen dieses Ungleichgewicht zu wehren.

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

Wo sehen Sie mögliche Schwachpunkte in der Umsetzung der Emanzipation? Frauenfixierung Männerfeindlichkeit keine Gleichgültigkeit Mann

Familiensituation Veraltete Denkmuster

Frau

Biolog. Unterschiede Beruf Lohn 0

5

10

15

20

25

30

Abbildung 5: Gründe für mögliche Schwachpunkte in der Umsetzung der Emanzipation

In diesem Diagramm lässt sich ein geschlechtsabhängiger Trend in der Bewertung der Frage feststellen. Frauen und Männer beurteilen die Schwachpunkte unterschiedlich und haben andere Schwerpunkte gelegt. Für 26 der insgesamt 48 männlichen Teilnehmer sind veraltete Denkmuster und das Festhalten an alte Traditionen ein Schwachpunkt in der Umsetzung. Bei den weiblichen Befragten ergab sich kein so herausstechender Faktor, es wurde in viele kleine Einheiten differenziert. Dabei wurden die anhaltenden Lohn- und Berufsungleichheiten, sowie die bereits genannten Denkmuster als negative Einflüsse deklariert. Im Zusammenschluss der beiden Geschlechter werden von 46 Prozent der Befragten die veralteten Denkmuster als anhaltende Schwierigkeit beurteilt. Die früher oft gebräuchlichen Stereotype vom „Heimchen am Herd“ und dem Familienvater als Alleinunterhalten sind offenbar noch immer tief in den Köpfen der Menschen verankert und hindern die Umsetzung der Emanzipation.

Wird der Mann zu wenig in den Prozess der Emanzipation miteinbezogen?

17% 36%

Ja Nein Enthaltungen

47%

Abbildung 6: Einstellung zur Position des Mannes im Prozess der Emanzipation

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

Diese Grafik macht ersichtlich, dass es keine eindeutige Position der Teilnehmer zur gestellten Frage gibt. Der Geschlechtsunterschied hatte kein nennenswertes Gewicht. 17 der 98 befragten Personen haben sich enthalten, wobei der männliche Anteil ein wenig grösser war mit 10 Enthaltungen. Mit 39 zu 33 Prozent lässt sich aber sagen, dass mehr Frauen als Männer die Ansicht vertraten, dass der Mann zu wenig miteinbezogen wird. Für einige Befragte spielte der freie Wille eine grosse Rolle. Dementsprechend könne man die Männer bei mangelndem Interesse nicht dazu zwingen, sich mehr in den Prozess der Gleichberechtigung zu involvieren. Jeder Mann sollte subjektiv entscheiden, ob und wie stark er sich einbringen wolle. Andererseits gaben Frauen wie Männer an, dass die Emanzipation sehr einseitig verlaufe und frauenfixiert sei. Ergänzend dazu stellen veraltete Traditionen für etliche Teilnehmer der Umfrage denkbare Gründe dar, warum es nötig ist, dass der Mann in der Gleichberechtigungsthematik mehr gefordert wird.

Was sehen Sie als Gründe für die steigende Scheidungsrate? Familiensituation fehlende Werte Schnelllebigkeit veraltete Denkmuster Mann

fehlend. Durchhaltewille mangelnd. Kommunikation

Frau

Emanzipation Individualität/Selbstständigkeit finanz. Unabhängigkeit 0

5

10

15

20

25

Abbildung 7: Mögliche Scheidungsgründe

Erneut spielt das Geschlecht bei der Fragebeantwortung eine bedeutende Rolle. Für 30 Prozent der befragten Männer stellt die erreichte Selbstständigkeit der Frau und damit verbundene Individualität den grössten Grund für die steigende Scheidungsrate dar; dicht gefolgt mit 22 Prozent das Fehlen von Werten und mit je 16 Prozent der fehlende Durchhaltewille und die finanzielle Unabhängigkeit. Viele Personen äusserten ihren Unmut darüber, dass in der heutigen Zeit eine Instanz wie die Ehe weggeworfen wird, sobald erste Komplikationen auftauchen. Bei den Teilnehmerinnen lässt sich keine so eindeutige Tendenz feststellen wie bei den männlichen Teilnehmern. Es rangieren zwar wiederum Selbstständigkeit mit 23 Prozent und die finanzielle Unabhängigkeit mit 21 Prozent an der Spitze, danach splittern sich die Antworten in viele kleinere Gruppen auf. Die weiblichen Befragten haben sehr häufig finanzielle Unabhängigkeit und Selbstständigkeit in einer Antwort genannt. Diese beiden Faktoren stehen bei den Teilnehmerinnen in einer ergänzenden Beziehung, denn um selbstständig zu sein, braucht es erst einmal finanzielle Mittel. Diese erhielten sie durch die Berufsausübung, welche unmittelbar mit der Emanzipation verknüpft ist. Die Emanzipation ist für 9 Prozent aller Teilnehmer einen Grund für die steigende Scheidungsrate.

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

Soll die Wehrpflicht für Frauen obligatorisch werden? 19% Ja Nein

81%

Abbildung 8: Einführung einer obligatorischen Wehrpflicht

Nur 21 der 112 befragten Personen sind für eine Einführung der obligatorischen Wehrpflicht für Frauen. Das Geschlecht war in der Beantwortung dieser Frage nicht von Belang. Getrennt analysiert sind mit 21 zu 16 Prozent mehr Frauen als Männer für die Einführung der obligatorischen Wehrpflicht. Zu diesem Diagramm wird in der Auswertung der Thesen noch genauer eingegangen.

Welche Persönlichkeit hat Sie besonders beeindruckt? 60 50 40 30 20 10 0 Frau

Mann

Niemand

Abbildung 9: Geschlecht einer beeindruckenden Persönlichkeit

Für die befragten Personen gab es insgesamt mehr Männer, welche sie beeindruckend fanden. 50 Personen nannten einen Mann. Mehrmals wurden dabei Mahatma Ghandi, Barack Obama, Nelson Mandela und Adolf Ogi genannt. 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer gaben eine Frau an; darunter beantworteten mehrere die Frage mit Mutter Teresa und Eveline Widmer-Schlumpf. Die weiblichen Befragten gaben gleich oft einen Mann wie eine Frau an. Die männlichen Teilnehmer fanden mit 58 Prozent im Vergleich zu 25

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Prozent mehr Männer beeindruckend als Frauen. Als Kriterium zur Wahl stellte für einen grossen Teil der Befragten der Einsatz für die Mitmenschen dar. Die Tendenz zu Frauen als Vorbilder ist steigend, was sich in den Umfrageergebnissen der Gymnasialklasse wiederspiegelte. Frauen wie Lady Gaga waren für einige sehr inspirierend, weil sie unkonventionell und sich selber dabei treu ist.

8.2 Zusammenfassung der wichtigsten Interviewergebnisse Ein wichtiger Teil meiner Feldarbeit war neben den Umfragen das Führen von Interviews. Es waren insgesamt sieben an der Zahl und ich habe oft ähnliche Fragen gestellt, um so eine Vergleichsmöglichkeit zu erhalten. In diesem Kapitel werden nun die wichtigsten Aussagen dieser sieben Personen noch einmal kurz aufgenommen. Emanzipation ist gemäss Lisa Feldmann, der Chefredakteurin der Zeitschrift Annabelle, zu einer Selbstverständlichkeit105 geworden, und dies liegt zu einem grossen Teil auch an der gezielten Anwendung des Internets, wie Helena Trachsel mir erklärte. Helena Trachsel ist Leiterin der Fachstelle für Gleichberechtigung im Kanton Zürich und ist durch ihre Arbeit eine Expertin auf dem Gebiet der Emanzipation. In fünf der sieben Interviews wurde die Aussage gemacht, dass sich die Frauen selbst mehr in den Vordergrund stellen müssen. Es ist unbequem106, man muss die alte Komfortzone verlassen107 und oft schliessen sich Frauen durch mangelnde Flexibilität selbst aus108. Eigeninitiative wurde zu einem Schlagwort, denn „[…] die guten Positionen sind in den Händen von Leuten, die diese nicht einfach mit Frauen teilen wollen, […] es liegt an den Frauen selbst, aktiv zu werden, […] zu verhandeln und ihren Spielraum auszutesten.“109 Weiter war für Helena Trachsel und Christian Jaggi klar, dass sich Frauen vermehrt in Männerkreisen verkehren müssen, um sich konstruktiver Kritik auszusetzen und sich in einem von männergemachten System besser zu bewegen lernen. Manuela Tanner, welche dies aktiv macht, hat erwähnt, dass ihr ebendies mehr Verständnis für die männliche Seite gebracht hat. Die unterschiedlichen Familienmodelle meiner Interviewpartner brachten interessante Aspekte ans Licht. Eine offene Kommunikation mit allen beteiligten Parteien, sei es nun der Arbeitgeber oder der Partner, ist äusserst wichtig. Claudia Ernst geht völlig in ihrer Rolle als Hausfrau auf, während Manuela Tanner, bei der ihr Ehemann Hausmann ist und sie die Familie durch ihre Arbeit ernährt, und Karine Handlery sich nie vorstellen konnten, nur Hausfrau zu sein. Trotzdem sind sie voller Bewunderung über die Leistungen einer Hausfrau. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist für die befragten Personen unbestritten, möchte man sich jedoch karrieretechnisch weiterentwickeln, wird’s problematisch. Fakt ist, dass diese Doppelbelastung für die involvierten Frauen sehr belastend und kräftezehrend sein kann. 105

Vgl. Interview mit Lisa Feldmann, im Anhang Vgl. Interview mit Helena Trachsel, im Anhang 107 Vgl. Interview mit Manuela Tanner, im Anhang 108 Vgl. Interview mit Christian Jaggi, im Anhang 109 Vgl. Interview mit Helena Trachsel, im Anhang 106

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Als verbesserungswürdig empfinden alle Beteiligten die unzureichenden Möglichkeiten für Teilzeitarbeit. Auch Ganztagsschulen, wie sie in Skandinavien angeboten werden, sieht Christian Jaggi als Chance an für Mütter. Auf gesetzlicher Basis sieht Jolanda Fleischli keine Massnahmen mehr, die zu mehr Gleichberechtigung führen könnten. Dies sehen die anderen interviewten Personen ähnlich. Die Forderung nach einer Frauenquote war nicht gekommen, Manuela Tanner sah in ihr sogar eine neue Angriffsfläche gegen das weibliche Geschlecht.110

8.3 Analyse der aufgestellten Thesen These 1:

Für 75% der Befragten stellt Feminismus etwas Negatives dar.

Die erste These kann nur bedingt bestätigt werden. Insgesamt hat die Umfrage bei 68 Prozent der Befragten eine negative Antwort ergeben. Nur bei den männlichen Befragten ist die Aussage zutreffend, unter ihnen gaben 78 Prozent an, dass die Bezeichnung „Feministin“ etwas Negatives ist. Für 68 Prozent der weiblichen Personen, und somit unter der gesetzten Marke, war „Feministin“ ein negativer Begriff. Die Einstellung, dass Feminismus etwas Schlechtes ist, wird also nicht so breit geteilt wie ich zuerst angenommen habe. Die in der These aufgestellte Zahl kommt der tatsächlichen jedoch ziemlich nahe. Die Gründe für diese Haltung lassen sich in der Vergangenheit finden. Wie in der Theorie ausführlich behandelt und auch durch mehrere Interviews bestätigt, sind die meisten Personen noch stark von der Frauenbewegung der 70er Jahre geprägt. Diese Bewegung haben die befragten Leute als männerfeindlich und extremistisch beschrieben. Zudem wurde Feminismus mit Verleugnung der Weiblichkeit assoziiert.111 Dabei wurde der Männerhass als Mythos entlarvt; Den Feministinnen ging es niemals um eine Abwertung des Mannes, auch in ihren radikalsten Phasen kritisierten sie lediglich die Gesellschaft. Gleichheit konnte nicht erreicht werden, in dem man Männlichkeit demoralisiert und verwirft.112 Durch die Beantwortung dieser These konnte ich die Erkenntnis gewinnen, dass der Begriff sehr stark von Klischees und Vorurteilen behaftet ist, welche längst nicht mehr der Realität entsprechen. Die eigentliche Bedeutung hat man aus den Augen verloren, denn die Zeit ist nicht stehen geblieben. Im Theoriekapitel habe ich die Ansichten der neuen oder modernen Feministinnen erklärt. Das Resultat verdeutlicht die Verkennung dieser neuen Frauenbewegung durch die Gesellschaft. Heutzutage wird kein Männerhass mehr propagiert; die neuen Schlagwörter sind Gleichberechtigung auf Augenhöhe. Frauen und Männer müssen gemeinsam Chancengleichheit gestalten, denn eine stetige Weiterentwicklung ist an den Austausch beider Geschlechter gekoppelt.113Für die Teilnehmer der Umfragen spielte dieser moderne Aspekt jedoch keine Rolle.

110

Vgl. Interviews im Anhang Vgl. Interview mit Karine Handlery, im Anhang 112 Vgl. Lenz, Ilse (2012): »Der Mythos Männerhass«. URL: http://www.zeit.de/gesellschaft/201205/leserartikel-maennerhass-feminismus [Stand: 12.09.2012]. 113 Vgl. Interview mit Helena Trachsel, im Anhang 111

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These 2:

65% der Frauen haben aufgrund ihres Geschlechts keine Benachteiligung erfahren.

Durch die Umfrage konnte meine aufgestellte These eindeutig bestätigt werden. Wie in Abbildung 3 schon deutlich wird, erfuhren Einbeziehung beider Geschlechter 78 Prozent keine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts. Für 70 Prozent der befragten Frauen stellt ihr Geschlecht keine nachteilige Wirkung dar. Das Ergebnis liegt dementsprechend sogar noch 5 Prozent über meiner These. Viele der befragten Frauen gaben an, sich in unserer Gesellschaft akzeptiert und wohl zu fühlen. Für einige stellte ihr Geschlecht sogar ein Vorteil dar; sie mussten keine Wehrpflicht leisten und konnten ihre weiblichen Reize spielen lassen. Benachteiligungen sahen sie jedoch nach wie vor bei der ungleichen Lohnverteilung und den beruflichen Möglichkeiten als Mutter. Dabei haben Studien ergeben, dass insbesondere weibliche Arbeitnehmer mit Kindern sehr engagiert und effizient sind. Die Marktwirtschaft sollte deshalb den Wert einer ehrgeizigen Mutter erkennen und sich nicht von den anfallenden Kosten abschrecken lassen, denn durch die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Karriere erhöht sich auch die Loyalität zum Unternehmen.114 Das Ergebnis hat mich nicht überrascht, ich war in meiner Überzeugung, dass die heutige Zeit mit einer offenen Geschlechterdiskriminierung abgeschlossen hat. Da sich in der Vergangenheit, in der Frauen noch regelrecht ausgeschlossen wurden, viel getan hat, gab es einige Personen, die einen gegenteiligen Trend festgestellt haben. Um deshalb nicht nur einseitig die Frauen zu berücksichtigen, habe ich auch die Auswertung der Männerfragebögen eingehend analysiert. Bei den Männern gab es mit 85 Prozent ein noch höheres Resultat als bei den befragten Frauen. Dies lässt mich zum Schluss kommen, dass die Emanzipation nicht eine gegenteilige Wirkung hat, indem sie heutzutage die Männer benachteiligt, sondern beide Geschlechter ebenbürtig sind. Wie ich oben bereits angetönt habe, ist eine offene Diskriminierung aufgrund des Geschlechts nicht mehr gegeben. Es gehören zu jedem Unterdrückersystem zwei Seiten. Es braucht einen Unterdrücker und jemanden, der sich unterdrücken lässt. Ist niemand mehr dazu bereit, sich unterdrücken zu lassen, kann das System nicht mehr funktionieren.115 Allerdings wird durch die Medien öfters ein diskriminierendes Bild gezeichnet. Es dominieren noch immer die stereotypischen Rollenklischees. Doch die Benachteiligung eines Geschlechts in und durch die Medien wird kaum wahrgenommen. Vor allem in der Werbung finden Stereotypisierungen grossen Anklang »denn kommerzielle Äusserungen sind typischerweise plakativ und auf Klischees beruhend. «116 Bei der Auswertung meiner Umfrage ist mir aufgefallen, dass niemand sich durch die versteckten Diskriminierungen in den Medien und Werbung angegriffen und gestört fühlt. Die Gesellschaft muss meiner Ansicht nach bereits entsprechend sensibilisiert darauf sein. These 3:

Für 20% der Befragten sollte die Wehrpflicht für beide Geschlechter obligatorisch sein.

Diese These kann sehr knapp nicht bestätigt werden. 19 Prozent der befragten Personen sind für das Einführen der Wehrpflicht für beide Geschlechter. Wie in der Diagrammanalyse bereits angetönt, ist ein geringer Geschlechtsunterschied bei der Beantwortung der Frage gegeben. 21 Prozent der Frauen und 16 Prozent der Männer sind für eine obligatorische Wehrpflicht. Die Personen, welche eine 114

Vlg. Weber, Bettina (2012): »Mütter sollten mehr Machos sein«. In: Tages-Anzeiger (18.04.2012). S.25. Vgl. Dorn, Thea (2007), S.186. 116 Vgl. Prof. Dr. iur. Senn, Micha (2004): »Geschlechterdiskriminierung in Kunst, Medien und Werbung«. URL: http://www.zkr.ch/files/01_Aufsatz_GDKN.pdf [Stand: 13.09.2012]. 115

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ablehnende Haltung hatten, verwiesen auf den physiologischen und biologischen Aspekt. Frauen sind ihren Ansichten nach nicht für einen solchen Dienst geschaffen. Es wurden aber auch interessante Gegenvorschläge geliefert. So könnte man statt einer Wehrdienstverpflichtung die Frauen zu Zivildienst beordern. Dort könnten sie ebenso ihren Dienst leisten wie die Männer und wären nicht aufgrund körperlicher Voraussetzungen benachteiligt.117 Interessanterweise stellt für die befragten Männer der einseitige Wehrdienst keine Benachteiligung dar und es gab keine widersprechende Begründung. Bei der Beantwortung gab es noch einen weiteren Trend festzustellen. Die Mehrheit der Personen, welche ein Nein zur Antwort gab, äusserte allgemein ihren Unmut zum Wehrzwang. Bei den 91 der 112 befragten Leute wurde die Forderung laut, das Militär abzuschaffen. Dies erschwert eine eindeutige Beantwortung der These, denn die eigentliche Problematik der Diskriminierung wurde durch den Militärzwang überschattet. Schon Mitte nächsten Jahres kann das Volk über den Militärzwang abstimmen. Der Zwang soll zu einer Freiwilligkeit umgewandelt werden und damit wäre die lange Diskrepanz von Mann und Frau im Wehrdienst abgeschafft.118 In der Theorie wurde die Wehrpflicht als Ungleichheit deklariert. Diese Ungleichheit wird aber nicht als solche wahrgenommen. These 4:

Für 20% der Teilnehmer stellt die Emanzipation einen Grund für die steigende Scheidungsrate dar.

Diese These kann nicht bestätigt werden. Nur 10 Prozent der an der Umfrage teilnehmenden Personen nannten die Emanzipation als einen möglichen Grund für die steigende Scheidungsrate. Den grössten Einfluss sahen die befragten Menschen in der Selbständigkeit der Frau und der finanziellen Unabhängigkeit. Wenn man nun beachtet, durch welche Entwicklungen diese beiden Faktoren sich etablieren konnten, erkennt man die indirekte Beeinflussung durch die Emanzipation. Die Theorie hat schon ausführlich die Auswirkungen der Emanzipation auf das gesellschaftliche Leben behandelt. Erst durch die Loslösung der Frau vom Mann konnte sie sich entfalten und verselbstständigen. Die Emanzipation ist der Hauptgrund für die Berufstätigkeit und damit verbundene finanzielle Unabhängigkeit der Frau. Der Emanzipation darum nur einen kleinen Einfluss anzuerkennen, wäre falsch. Wenn man die These also indirekt mit dem Einfluss der Emanzipation auf die ökonomische Unabhängigkeit und Individualität beantworten würde, hätten vermutliche mehr Leute die Emanzipation als einen Grund angegeben. Natürlich ist die Emanzipation nur ein Faktor, der eine Rolle spielt, und ihr die steigende Scheidungsrate anzulasten wäre relativ einseitig. Sie kann ebenso eine belebende Wirkung in der Ehe haben und neue Impulse geben.119 Die Emanzipation erlaubt es beiden Geschlechtern, sich in deiner Partnerschaft und im ganzen Leben, auf Augenhöhe zu begegnen. Ich interpretiere dieses Ergebnis als ein Zeichen, das die Emanzipation für die meisten Menschen nur eine geringe Position im Leben einnimmt und man deswegen nicht viele Gedanken daran verschwendet. 117

Vgl. Interview mit Christian Jaggi, im Anhang Vgl. HappyTimes (2012): »Volk kann schon 2013 über Ende des Militärdienst-Zwanges abstimmen - endlich Gleichberechtigung für Mann und Frau«. URL: http://www.happytimes.ch/news/news-schweiz/6087-volkkann-schon-2013-ueber-ende-des-militaerdienst-zwanges-abstimmen-endlich-gleichberechtigung-fuer-frauund-mann.html [Stand: 15.09.2012]. 119 Vgl. Interview mit Jolanda Fleischli, im Anhang 118

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9. Eigene Meinung Ich muss gestehen, dass sich viele meiner bisherigen Ansichten im Verlaufe des Arbeitsprozesses geändert haben. In einigen Punkten wurde ich bestärkt, in vielen musste ich mein vorgefasstes Urteil revidieren und überdenken. Mir ist aufgefallen, dass heutzutage vermehrt Eigeninitiative gefordert ist. Emanzipation geht jeden etwas an, es muss darum auch jeder Mann und jede Frau etwas dazu beitragen. Emanzipation war für mich zu Beginn dieser Arbeit schlicht Gleichberechtigung; Gleichberechtigung in allen erdenklichen Lagen und überall. Doch im Verlaufe des Arbeitsprozesses ist mir aufgefallen, dass Gleichberechtigung viel mehr ein subjektiver Begriff ist. Er kann für jeden Menschen eine andere Bedeutung darstellen. Für mich persönlich bedeutet Emanzipation, die Möglichkeit zu haben, sich frei und nach seinen eigenen Wünschen zu entfalten und verwirklichen. Es bedeutet für mich, die Chance zu haben, einen Weg im Leben einzuschlagen, der frei gewählt wurde und den man nicht mit Druck gehen muss. In meinem jungen Leben habe ich noch nie das Gefühl gehabt, nicht gleichberechtigt zu sein. Ich habe die gleichen Rechte und Pflichten wie jeder Mann. Meine Generation wächst in dem Bewusstsein auf, dass Frauendiskriminierung und geschlechtsbedingte Unterdrückung der Vergangenheit angehören. Niemand in meinem Bekanntenkreis hat angedeutet, sich jemals mit diesem Thema auseinandergesetzt zu haben. Dabei konnte mir nicht entgehen, dass jeden Tag Artikel über Emanzipation, Frauenförderung und Ähnlichem publiziert wurden. Zudem sensibilisierte mich mein Thema auf die feinsten Nuancen versteckter Frauendiskriminierung. Ein kleiner Scherz hier, ein gehässiger Klatschartikel da und anprangernde Kommentare zu Videos über kämpferische Frauen. Es konnte also doch noch nicht von Gleichstellung die Rede sein und noch nie war die Resonanz grösser. Ich glaube darum, dass die Stagnierung der Bewegung nicht an einer fehlenden Präsenz liegt, sondern an mangelndem Interesse. Mit meiner Maturaarbeit versuche ich deshalb, viele Menschen dazu zu bringen, über Emanzipation und Feminismus eindringlicher nachzudenken und aufmerksam zu machen. Es gab einige irritierende Erlebnisse aufgrund meiner Thematik. Häufig kamen von Männern irritierende Kommentare, wenn ich ihnen meine Arbeit erläuterte. Man nannte mich eine Emanze und Kampflesbe. Diese Bezeichnungen waren wenig schmeichelhaft, auch wenn die Leute es vermutlich nicht böse meinten. Allerdings habe ich während der Arbeitsphase gelernt, damit umzugehen. Ich kann nur noch darüber lachen und mit einer schlagfertigen Erwiderung sieht die Sachlage schon wieder anders aus. Durch die Umfragen habe ich erkannt, dass Feminismus im Bewusstsein der Gesellschaft negativ verankert ist. Durch meine intensive Recherche und Auseinandersetzung mit der Literatur hat sich natürlich meine eingesessene Haltung bezüglich der Frauenbewegung geändert. Das Resultat der Frage bezüglich der Meinung zum Feminismus hat mich deshalb überrascht und auch ein wenig enttäuscht. Ich konnte nicht verstehen, warum eine deutliche Mehrheit dem so abweisend gegenüber steht. Dann jedoch musste ich mir eingestehen, dass ich zu Beginn genau so dachte. Auch für mich waren Feministinnen männerfeindlich, einschüchternd, unweiblich und unattraktiv. Es war keine Bezeichnung, mit der ich mich selber hätte schmücken wollen. Erst als ich durch mein Selbststudium die einzelnen Facetten und vor allem die neue Bewegung kennen gelernt habe, kann

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ich voller Stolz sagen: Ich bin eine Feministin. Ich bin eine Frau und möchte alle Rechte in Anspruch nehmen, die mir zustehen. Gleichzeitig bedeutet das natürlich, dass ich ebenso die damit verbundenen Pflichten erfüllen muss. Es können nicht nur Forderungen laut werden, ohne im Gegenzug die Pflichten wahrzunehmen. Dass dies ein Ungleichgewicht hervorruft, ist adäquat. Es wäre natürlich angenehmer, diese schale Beilage, lästig als Pflichten bezeichnet, zu ignorieren. Aber wir Frauen dürfen nicht annehmen, dass man uns alles auf einem silbernen Tablett serviert. Dies war eine der zentralen Aussagen der Interviews; Frauen müssen mehr agieren, sie müssen von sich aus fordern und sich einsetzen. Damit verbunden sind oft auch Unannehmlichkeiten, aber dafür kann man etwas erreichen. Deshalb bin ich dafür, dass es ein einheitliches Rentenalter gibt. Einen obligatorischen Wehrdienst für die Frauen empfinde ich als unpassend, allerdings könnten sie eine Form von Zivildienst leisten. Da man jedoch ab Mitte 2013 endlich über den Militärzwang abstimmen kann, bin auch ich für Freiwilligkeit. Bei einer potenziellen Annahme wäre die Gleichberechtigung eher garantiert. Für mich ist besonders durch die Interviews klar geworden, dass es in punkto Gleichberechtigung nur Fortschritte geben kann, wenn sich Frau und Mann auf einer Ebene befinden. Sie müssen sich gemeinsam einsetzen und miteinander kooperieren. Weiterentwicklung kann nicht stattfinden, wenn eine Partei fordert und aktiv agiert und die andere dabei zusieht und auf ihrem Standpunkt beharrt. Dass Frauen seit Beginn der Emanzipation enorm viel erreicht haben ist unbestritten. Es erfüllt mich mit Stolz, zu realisieren, wie steinig der Weg bis zum Jetzt-Zustand war und wie dynamisch das weibliche Geschlecht ihn gemeistert hat. Allerdings glaube ich, dass es dadurch den Frauen zur Gewohnheit geworden ist, unmenschlich viel von sich zu erwarten. Wir haben den Anspruch an uns, in allem perfekt zu sein; Supermama, Karrierefrau und Modelaussehen. Dass dies auf lange Dauer sehr anstrengend werden kann, ist verständlich. Wie hoch die Erwartungshaltung der Aussenwelt und wie hoch die der Frauen ist, kann ich nicht genau beantworten. Natürlich können wir in den Medien nachlesen, dass die neue Chefin von Yahoo karrieretechnisch an vorderster Front mitmischt, verheiratet ist und Kinder hat. Wir können uns von solchen Nachrichten verleiten lassen, oder bei genauerem Betrachten zur Erkenntnis gelangen, dass so ein toughes Leben wohl kaum ohne gewaltige Unterstützung möglich ist. Wir können eine Nathalie Rickli, SVPPolitikerin, zum Vorbild nehmen - die immer grosse Töne gespuckt hat und Karriere, Kinder, Politik und aktive Präsenz in der Öffentlichkeit gut zu meistern schien – und jetzt kürzer treten muss aufgrund eines Burnouts. Eine logische Kausalfolgerung wäre, wir sind keine Übermenschen. Mir ist es darum ein Anliegen, nahe zu bringen, dass auf Kompromissbereitschaft mehr Wert gelegt werden muss. Es ist nur normal, nicht alles zu schaffen und an Grenzen zu stossen. Diese zu erkennen ist keine Schande und bedeutet nicht, dass man in irgendeiner Linie versagt hat. All die Männer, welche Tag für Tag arbeiten und erst am Abend heimkommen, müssen auch Abstriche machen. Am Ende sitzen wir doch alle im selben Boot. Unverkennbar ist jedoch, dass es total differente Strömungen dazu gibt. Nur schon in der von mir ausgewählten Literatur gab es total unterschiedliche Auffassungen zur Rolle der Frau in der Gesellschaft. Während die eine Autorin radikal gegen die steigende Sexualisierung der Frau ist, sah eine andere in eben jener das erotische Kapital. Für eine Eva Hermann gehört die Frau an den Herd, andere etablieren sich trotz Kinder erfolgreich im Beruf. Durch diese Vielfalt ist es leicht möglich, den Überblick zu verlieren. Meiner Meinung nach muss jede Frau individuell für sich entscheiden, wie sie

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ihr Leben gestalten möchte. Dabei sollte man sich nicht von Stereotypen beeinflussen lassen. Für Männer sollte natürlich dasselbe gelten. Es muss möglich sein, eine für sich stimmige Entscheidung zu treffen, ohne darüber Rechenschaft ablegen zu müssen oder ein schlechtes Gewissen zu haben. Im Moment denke ich, ist noch eine Defensivhaltung existent; Frauen haben oft das Gefühl, nicht zu genügen oder zu wenig zu geben. Das weibliche Geschlecht muss sich deshalb vom Korsett der Konventionen befreien. Mir persönlich widerstrebt das in den Medien propagierte Frauenbild. Überall gilt die Parole sex sells. Für mich stellt das zu einem gewissen Grade Frauendiskriminierung dar. Wenn Sängerinnen keinen kommerziellen Erfolg haben können, ohne durch anrüchige Posen und Videos auf sich aufmerksam zu machen, ist dies ziemlich beunruhigend. Dagegen kann man wenig tun, ist es doch nur der Wunsch der breiten Masse. 20 Prozent der von mir befragten Personen gaben keine sie beeindruckende Persönlichkeit an. Ich würde mich ihnen anschliessen, aus dem einzigen Grund, dass ich mich nicht auf eine einzige festlegen möchte. Es gab in meinem Leben nie einen Menschen, von dem ich so stark beeindruckt war, dass mir seine Lebensphilosophie für mein eigenes Leben dienen sollte. Ich wurde immer wieder von ganz unterschiedlichen Personen inspiriert, zugegebenermassen vermehrt von Frauen. Mich faszinieren tragische Schicksale; kämpferische Frauen die auf ihre Art das Leben zu meistern versuchten. Frauen wie Anne Frank, Romy Schneider, Coco Chanel und Sophie Scholl. Ein anderer Bereich, den ich noch thematisieren möchte, ist die Vereinbarkeit von Mutterschaft und Emanzipation. Es wird eindeutig noch die Haltung vertreten, dass Kindererziehung- und Betreuung in erster Linie die Aufgabe der Mutter ist. Ich hoffe, dass sich in dieser Hinsicht noch eine Besserung einstellen wird, die es Frauen ermöglicht, aktiv am Berufsleben teilzunehmen und dabei den Kinderwunsch nicht ausschliesst. Denn im Moment sieht die Sachlage noch so aus, dass Kinder für Frauen immer ein potentielles Risiko bezüglich ihrer Arbeit darstellen, für Männer aber nicht. In diesem Gebiet sind die Frauen offensichtlich noch benachteiligt. Diese offensichtliche Rückständigkeit könnte meines Erachtens ein Grund für die sinkende Geburtenrate sein; nicht die finanzielle Belastung durch Kinder (die ich nicht bestreite), sondern die unzureichenden organisatorischen Mittel und Unterstützung für berufstätige Mütter wären für mich ein Problem. Ich möchte nicht vor die Wahl zwischen Kinder und berufliche Selbstverwirklichung gestellt werden. Wie erwähnt, versuche ich mit meiner Arbeit viele Menschen auf die Problematiken aufmerksam zu machen. Ebenso wie sich meine vorgefasste Meinung revidiert hat durch die nachhaltige Beschäftigung mit dem Thema, wäre es absolut fantastisch zu hören, dass ich auch andere dazu inspirieren konnte. Einen kleinen Erfolg, den ich hier noch erwähnen möchte, habe ich schon erzielt. Meine Schwestern wurden von mir während des Arbeitsprozesses immer wieder in rege Diskussionen, die ich mit meiner Mutter führte, miteinbezogen. Sie waren dementsprechend mit dem Thema vertraut. Als meine jüngste Schwester von meinem ehemaligen Sekundarlehrer darauf angesprochen wurde, über welche Materie meine Maturaarbeit sei, gab sie Emanzipation und Gleichberechtigung zur Antwort. Mein Lehrer hat sich ihrer Aussage nach ein wenig ungehalten darüber geäussert, dass dies ein typisches Frauenthema sei. Schlagfertig gab meine Schwester zur Antwort, dass dies ja wohl ein Bereich sei, der beide Geschlechter etwas angehe und nicht in eine

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Schublade gesteckt werden dürfe. Als sie mir ihr Erlebnis erzählte, musste ich erst schmunzeln und war dann wirklich sehr erfreut. Um abschliessend noch auf die Frage im Titel einzugehen, würde ich nach der Auswertung der Umfragen, Interviews und Literatur sagen, dass ich keine Indizien dafür finden konnte, die die Emanzipation als Fluch entlarven würde. Das stand in meinen Augen nie richtig zur Debatte, es war aber dennoch sehr interessant, die Dinge andersrum zu beleuchten. Gleichberechtigung bringt nicht nur Vorteile mit sich; man hat auch mehr Verantwortung. Eine transparente und vollkommene Gleichberechtigung kann es aus meinem Standpunkt nicht geben; Mann und Frau werden niemals identisch sein. Aber macht denn nicht das den Reiz aus? Die unterschiedlichen Fähigkeiten und Attribute der Geschlechter können sich im gegenseitigen Wettbewerb ausstechen oder aber in der einzigartigen Chance, gemeinsam für Veränderung zu sorgen.

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10. Einschätzung der zukünftigen Entwicklung Dass die Emanzipation im westlichen Kulturkreis und somit auch in unserer Gesellschaft ein wesentlicher Bestandteil ist, hat die Theorie und auch die Auswertung der Feldarbeit faktisch ergeben. Auch in Zukunft wird Emanzipation ein Thema sein; die ungleiche Lohnverteilung erhitzt immer noch die Gemüter, Frauen sind in Führungspositionen untervertreten und in den Medien gibt es oft frauenverachtende Darstellungen. Da dies alles noch unerreichte Punkte sind, wird Gleichberechtigung unsere Gesellschaft noch bis zur Erreichung dieser Ziele begleiten. Erst wenn niemand mehr darüber spricht, ist die Gleichstellung von Mann und Frau erreicht.120 Momentan wird über eine Frauenquote heftig diskutiert, auch in diesem Bereich könnte sich etwas verändern. Die europäische Kommission hat 2010 für den Zeitraum 2010-2015 eine Strategie zur Gleichstellung für Mann und Frau adoptiert. Ziele sind unter anderem die Gleichstellung in der Aussenpolitik und in Entscheidungsprozessen, gleiches Entgelt für gleiche Arbeit, wirtschaftliche Unabhängigkeit und Schutz der Würde und Unversehrtheit.121 Eine einschneidende Veränderung wird es hinsichtlich der Gleichberechtigung besonders in der islamischen Welt noch geben müssen. Keine Kultur zeugt deutlicher von patriarchalischen Strukturen und Unterdrückung der Frauen. Nirgends wird die Frauendiskriminierung stärker propagiert. Frauen haben weniger Rechte, werden zwangsverheiratet und terrorisiert. 122 Gerade die Hälfte aller Frauen in Pakistan lernen Lesen und Schreiben und für Saudi-Araberinnen ist Autofahren verboten.123 Der Weg ist noch sehr lang, doch es gibt Bestrebungen zu mehr Selbstbestimmung der Frauen. In Osteuropa hat sich mit den Pussy Riot in Russland und Femen in der Ukraine ein postsowjetischer, militanter Feminismus gebildet. Diese Frauen stellen sich gegen die traditionellen Frauenbilder und machen so enorm auf sich aufmerksam. Auch in dieser Hinsicht wird sich eine zukünftige Entwicklung abzeichnen.124 Wandel kommt nicht von heute auf morgen und oftmals sind die Erwartungen ausgesprochen hoch und viel schneller festgesetzt als der Fortschritt mithalten kann. Wenn wir heute noch an gleichen oder ähnlichen Problemen arbeiten wie vor 40 Jahren hat das nichts mit Unvermögen zu tun, sondern lediglich mit Rückschlägen, die es bei jeder Form von Umverteilung geben kann.125

120

Roten, Michèle (2011). S.7. Europäische Kommission (2010): »Strategie zur Gleichstellung von Mann und Frau 2010-2015«. URL: http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/files/gender_strategy_de.pdf [Stand: 11.10.2012]. 122 Vgl. Hackensberger, Alfred (2006): »Emanzipation im Namen des Islam«. URL: http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/articleE40ZV-1.45899 [18.09.2012]. 123 Vgl. Hentsch, Anna (2012): »In & Out«. Jolie. November-Ausgabe. S.14. 124 Vgl. Rüthers, Monica (2012): »Militanter, postsowjetischer Feminismus«. URL: http://www.nzz.ch/aktuell/feuilleton/uebersicht/maedchen-schlaegt-man-nicht-1.17530521 [Stand: 19.09.2012]. 125 Vgl. Interview mit Helena Trachsel, im Anhang 121

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11. Schlusswort Am Ende meiner Maturaarbeit kann ich sagen, dass ich mit der geleisteten Arbeit und den daraus resultierenden Resultaten zufrieden bin. Der Arbeitsprozess war sehr intensiv und die damit verbundenen Schwierigkeiten waren nicht immer leicht zu lösen. Ich verstrickte mich ganz gerne in Details und darum war es sehr nützlich, wenn meine Betreuungsperson Frau Helen Sieber helfend eingegriffen hat. Sie ist mir während meiner Schaffensphase immer zur Seite gestanden, hat mich tatkräftig unterstützt und deshalb möchte ich mich noch einmal bei ihr bedanken. Die häufigen Treffen haben mir einen zusätzlichen Ansporn gegeben und auch durch ihr Interesse an der Thematik meiner Arbeit fühlte ich mich auf meinem Weg bestärkt. Die Thematik meiner Arbeit beinhaltete zahlreiche Aspekte, darunter psychologische, historische, rechtliche und soziologische. Ich bin mir bewusst, dass sich diese Vielfalt in meiner Arbeit wiederspiegelt. Trotzdem war es mir ausgesprochen wichtig, jeden für meinen Arbeitsinhalt essentiellen Blickwinkel zu erwähnen, denn alle Faktoren sind miteinander vernetzt. Die Maturaarbeit hat jedoch nicht nur meine Fertigkeiten bezüglich empirischer Forschung, Recherche und fundiertem Schreiben geschult, sie hat mich auch persönlich weitergebracht. Dazu muss ich sagen, dass ich von Natur aus eigentlich eher schüchtern bin, aufgrund der Interviews und Umfragen bin ich viel offener geworden. Es fällt mir nun um einiges leichter, auf unbekannte Menschen zuzugehen. Abschliessend möchte ich eine Definition von Emanzipation anfügen, welche mich persönlich am meisten angesprochen hat: „Unter Emanzipation verstehe ich lebenslange Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und das damit verbundene Loslösen von tiefinitialisierten Rollenbildern. Man sollte die Dinge hinterfragen und einen inneren Respekt vor dem Gegenüber haben.“126

126

Interview mit Helena Trachsel, im Anhang

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

12. Quellenverzeichnis 12.1 Literaturquellen Althaus, Nicole und Binswanger, Michèle (2012). Macho Mamas. Warum Mütter im Job mehr wollen sollen. Nagel und Kimche. München. Ameri-Siemens, Anne (2011): »Eben doch: Frauenpower!«. Annabelle (Nr. 21/11). Bernold, Matthias (2012): »Mann, was ist dein Problem? «. Wienerin. Juni-Ausgabe. Dorn, Thea (2007). Die neue F-Klasse. Warum die Zukunft von Frauen gemacht wird. Piper. München. Eidgenössisches Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann EBG (2010): »Anerkennung und Aufwertung der Care-Arbeit«. BBL. Bern. Fitz, Alexandra (2012): »10-Punkte-Plan für Mütter«. In: NZZ am Sonntag (22.04.2012). Girsberger, Esther (2012): »Da hilft nur die Quote«. Annabelle (14/12). Hakim, Catherine (2011). Erotisches Kapital: Das Geheimnis erfolgreicher Menschen. Campus-Verlag. Frankfurt/New York. Hentsch, Anna (2012): »In & Out«. Jolie. November-Ausgabe. Illouz, Eva (2011). Warum Liebe weh tut: Eine soziologische Erklärung. Suhrkamp Verlag. Berlin. Landolt, Karin (2012): »Auch Väter sollen zur Sozialhilfe müssen«. In: Zürichsee-Zeitung (10.04.2012). Mersch, Peter (2009). Die Emanzipation - ein Irrtum!: Warum die Angleichung der Geschlechter unsere Gesellschaft restlos ruinieren wird. Books on Demand. Norderstedt. Moran, Caitlin (2011). How To Be A Woman. Wie ich lernte, eine Frau zu sein. Ullstein Buchverlage. Berlin. Müller, Guido (2007). Einführung in die kaufmännische Rechtskunde. Rechtskundeverlag Müller. Aarau. Page, Roman (2011): »Frauenlöhne, Männerlöhne. Vollzeitlöhne, Teilzeitlöhne.«. statistik.info 2011/02. Plüss, Matthias (2011). »Alles im Kopf«. Annabelle. Band (Nr.21/11). Roten, Michèle (2011). Wie Frau sein. Echtzeit. Basel. Schmidt, Conny (2012): »Ein Papiertiger für Papi«. Beobachter (2/2012). Schwarzer, Alice (2004). Der kleine Unterschied und seine großen Folgen: Frauen über sich, Beginn einer Befreiung. Fischer. Frankfurt. Sichtermann, Barbara (2009). Kurze Geschichte der Frauenemanzipation. Jacoby und Stuart. Berlin. Signer, David (2012). »Angeboren ist wenig«. In: NZZ (6.05.2012).

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

Tewinkel, Christiane und Bachmann, Cordula und Kauffmann, Birgitta. 2011. Handbuch für die Frau: Rat für jede Lebenslage. Dumont Buchverlag. Köln. Walter, Natasha (2011). Living Dolls: Warum junge Frauen heute lieber schön als schlau sein wollen. Krüger. Frankfurt. Weber, Bettina (2012). »Abgehängt«. In: Tages-Anzeiger (22.02.2012). Weber, Bettina (2012). »Besser dran ohne bessere Hälfte«. In: Tages-Anzeiger (18.01.2012). Weber, Bettina (2012). »Der Schlüssel zum Glück ist die Frau«. In: Tages-Anzeiger (28.01.2012). Weber, Bettina (2012): »Mütter sollten mehr Machos sein«. In: Tages-Anzeiger (18.04.2012). Weber, Bettina (2012): »Mythos Mutterglück«. In: Tages-Anzeiger (11.04.2012). Wunderlich, Dieter (2004). EigenSinnige Frauen: Zehn Porträts. Piper. München.

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13. Abbildungsverzeichnis Titelbild: Darstellung verschiedener Familiensituationen mittels Barbie-Puppen, von mir selbst erstellt Abbildung 1: Anteil des nichterklärbaren Lohnunterschieds im Kanton Zürich; Statistisches Amt des Kantons Zürich Quelle: Lohnstrukturerhebung Abbildung 2: Meinung zur Bezeichnung „Feministin“ Quelle: Eigene Erhebung Abbildung 3: Erfahrungen mit Benachteiligung aufgrund des Geschlechts Quelle: Eigene Erhebung Abbildung 4: Einsatzgebiet Frauenquote Quelle: Eigene Erhebung Abbildung 5: Gründe für mögliche Schwachpunkte in der Umsetzung der Emanzipation Quelle: Eigene Erhebung Abbildung 6: Einstellung zur Position des Mannes im Prozess der Emanzipation Quelle: Eigene Erhebung Abbildung 7: Mögliche Scheidungsgründe Quelle: Eigene Erhebung Abbildung 8: Einführung einer obligatorischen Wehrpflicht Quelle: Eigene Erhebung Abbildung 9: Geschlecht einer beeindruckenden Persönlichkeit Quelle: Eigene Erhebung

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14. Eigenständigkeitserklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und nur unter Benutzung der angegebenen Quellen verfasst habe, und ich auf eine eventuelle Mithilfe Dritter in der Maturaarbeit ausdrücklich hinweise. Schübelbach, 22. Oktober 2012 Unterschrift:

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15. Anhang 15.1 Interview mit Lisa Feldmann Interview mit Lisa Feldmann, Chefredakteurin der Annabelle, im Rahmen der Maturaarbeit von Winona Bruhin Zürich, 16.Januar 2012 WB: „Was verstehen Sie unter Emanzipation?“ LF: „Das ist ganz simpel. Unter Emanzipation verstehe ich Gleichberechtigung. Immer und überall und in jeder erdenklichen Form.“ WB: „Als Chefredakteurin einer Frauenzeitschrift werden Sie vermutlich jeden Tag mit dem Begriff Emanzipation konfrontiert, glauben Sie er hat heute eine andere Bedeutung als früher?“ LF: „Ja, der Begriff ist heute viel selbstverständlicher. Man geht lockerer damit um. Doch als jetzt Hildebrand so in den Medien war, wurden vor allem Stimmen gegen seine Frau laut. Dies hat mich sehr empört. Es kann ja nicht sein, dass man sagt, eine Frau dürfe keine Kredite aufnehmen und sie so verurteilen. Bei einem Mann hätte man anders reagiert.“ Der berufliche Werdegang von Frau Lisa Feldmann findet sich im folgenden Abschnitt. WB: „Die Stellung der Frau in gesellschaftlicher und ökonomischer Sicht hat sich im Wandel der Zeit enorm verbessert, und doch hapert es immer noch an vielen Stellen und es sind auch immer noch die gleichen Schlagwörter wie Gleichberechtigung, gleicher Lohn etc. im Munde. Drehen wir uns im Kreis?“ LF: „Es sind die Umstände, die sich ändern müssen. Während der Schule und Ausbildung werden beide Geschlechter noch gleich behandelt und beide haben dieselben Chancen, doch sobald man im Beruf startet, geht die Gleichberechtigung auseinander. Es ist immer noch so, dass Frauen ungerechtfertigter Weise für die gleiche Arbeit weniger Lohn bekommen. Nachdem man Kinder hat, wird es für die Frau noch viel schwieriger, erfolgreich Karriere zu machen. Viele Frauen verzichten auf diese. Dabei gäbe es Krippen etc. Es muss sich vor allem auch etwas in den Köpfen der Frauen und unserer Denkweise ändern. Dieses ständige „Mami ist die Beste und nur sie macht es richtig“ ist nur hinderlich.“ WB: „Ganz allgemein, was halten Sie vom aktuellen Zustand der Emanzipation?“ LF: „Nun, ich muss natürlich auf die negativen Punkte achten. Ich denke nicht, dass die Frau noch in einer Opferhaltung ist. Wir sind selber für uns verantwortlich. Doch den aktuellen Zustand hat man ja jetzt beim Fall Hildebrand gesehen.“ WB: „Gibt es Ihrer Meinung nach etwas, dass die Frauen tun könnten, damit man sie besser wahrnimmt?“ LF: „Wir müssen uns selber fragen, was uns im Weg steht. Zudem sollten wir aufhören, uns ständig mit anderen Frauen zu vergleichen. Für jede Frau hat etwas anderes Priorität. Auch dieses „Mamis sind so toll“ ist nicht förderlich. Früher hat es auch gut funktioniert, als die Mütter nicht alles alleine machten. Da gab es auch Grossfamilien, bei denen die Grosseltern mithalfen oder Ammen. Natürlich

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gibt es auch Frauen, die gerne Mutter sind und die gar nicht mehr zurück in ihren alten Beruf wollen. Vielleicht weil es ihnen zu langweilig war und sie die Mutterrolle ganz ausfüllt. Das Problem ist jedoch, dass es zwar haufenweise Männer gibt, die auch gerne mithelfen würden und mehr Zeit mit ihren Familien zu verbringen, doch Teilzeit arbeiten zu können ist für Männer viel schwieriger. Es gibt viele Männer, die gerne 80% arbeiten würden, doch dann scheitert es entweder am Einkommen oder daran, dass es für Männer fast keine Teilzeitstellen gibt. Da muss sich etwas ändern. Ein gutes Beispiel wäre Google, da gibt es die freiwillige Anwesenheit. Vor allem sollte man nicht bei Teilzeitstellen sparen, sondern die Auslandsaufenthalte streichen. Was deren Sinn ist, sei dahingestellt. Warum muss man nach Asien fliegen? Man kann genauso gut anrufen. Heutzutage ist mit dem Internet alles möglich. Nur um dann in Tokio schick zu Abendessen? Es wäre auch zeitsparender und man hätte auch keinen Jetlag.“ WB: „Es wird oft gesagt, dass Frauen, damit sie in der Karriereleiter steigen und auch von den männlichen Arbeitskollegen akzeptiert werden, sich wie Männer verhalten müssen, sprich ein rauer Umgangston, ein eher strenges Äusseres und ein wenig Machogehabe. Hat man vor den Frauen weniger Respekt, wenn sie sich weniger männlich geben?“ LF: „Das ist stark branchenabhängig. Mein Bruder ist Anwalt, und er beneidet mich oft für mein casuales Auftreten. Es geht gar nicht darum, dass es als Anwalt Pflicht ist, Anzug zu tragen. Die Klienten wünschen das. Es gibt ihnen ein Gefühl von Seriosität und stärkt ihr Vertrauen. Ich kenne zwei Frauen, welche früher in einer Bank gearbeitet haben und sich jetzt selbstständig machten. Ich schlug ihnen vor, doch ein Zeichen zu setzen und eher leger aufzutreten. Sie sagten mir jedoch, dass dies nicht ginge. Die Kunden sind dagegen. Ich würde es unterstützen, wenn in einer Firma alle die gleiche Kleidung tragen würden. Eine Art Uniform, die der Betrieb zur Verfügung stellen würde. Dies wäre erstens günstiger und auch eine gewisse Erleichterung.“ WB: „Hingegen kann es auch ein Vorteil der Frau sein, dass sie sich stärker als der Mann von ihren Gefühlen verlässt oder wie denken Sie darüber?“ LF: „Ich glaube einfach, dass Frauen ganzheitlicher denken. Ich sah mir erst kürzlich einen Film über Margaret Thatcher an, die mir in meiner Jugend auf der einen Seite mit ihrer konservativen Haltung zutiefst widerstrebte, während des Falklandkrieges 1982 mit einer Aktion sehr imponierte. Als sie die erste Todesliste erhielt, schrieb sie jeder Familie, bei der jemand getötet wurde, eigenhändig einen persönlichen Brief. Ein Mann hätte dies nicht getan. Das rief natürlich grosse Resonanz in den Medien hervor.“ WB: „Man liest immer wieder, dass auch wenn die Frau eine gute Ausbildung und Karriere gemacht hat, nur erfolgreich sein kann, wenn sie keine Kinder hat. Werden wir Frauen uns entweder für Kind oder Karriere entscheiden müssen?“ LF: „Nein. Wir wollen uns auch nicht entscheiden müssen, denn es geht beides. Allerdings sollte man nicht Perfektion anstreben. Es gibt eine Vielzahl von Frauen, die sehr erfolgreich sind und mehrere Kinder haben wie zum Beispiel Meryl Streep oder Sheryl Sandberg. Man muss dazu bereit sein, Kompromisse einzugehen und Prioritäten zu setzen. Natürlich gehört dazu viel Kraft und Stärke dazu, denn es ist anstrengend und aufwendig. Man sollte wieder früh Kinder bekommen! Dann hat man mehr Power, kommt mit weniger Schlaf aus als mit 40 und ist ein besserer Multitasker.“

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WB: „Aber wenn man erst Anfang oder Mitte zwanzig ist, hat man noch gar kein Geld falls man studiert, wie soll das funktionieren?“ LF: „Man braucht kein Geld. Nur gute Nerven. Es gibt staatliche Unterstützung und wenn man noch studiert, hat man oft nicht den ganzen Tag Vorlesungen. Es wäre also viel praktischer.“ WB: „Auf der anderen Seite ist natürlich der Druck da, Kinder zu haben. Frauen die sich bewusst gegen Kinder entscheiden, werden immer wieder darauf angesprochen…“ LF: „Das glaube ich nicht. Fühlen Sie sich unter Druck gesetzt?“ WB: „Nein.“ WB: „Sie sind kinderlos, mussten Sie sich dafür rechtfertigen?“ LF: „Ich hätte sehr gerne Kinder gehabt, doch es hat leider nicht geklappt. „ WB: „Ein Problem ist auch, dass man sich als Frau auch noch heute für jede Kleinigkeit rechtfertigen muss… Man kann es nie recht machen.“ LF: „Das ist eine Geschichte, die sich nie ändert. Die Mutter-Generation, sprich meine Generation, denkt, dass sie schon so viel erreicht und so toll gekämpft hat. Ihre Generation, die Junge-Generation empfindet das ganze eher als peinlich, „es ist ja schon gut so“, denken sie.“ WB: „Sehen Sie auch negative Folgen der Emanzipation…zum Beispiel, dass ein ungeheurer Druck auf den Frauen lastet?“ LF: „Nein. Das halten wir schon aus. Man hat Nelson Mandela ja auch nicht gefragt, ob sich sein Kampf gelohnt habe.“ WB: „Wollten Sie schon immer für ein Frauenmagazin arbeiten?“ LF: „Nein, ich habe Literaturwissenschaften studiert und für mich gibt es immer noch nichts schöneres, als ein gutes Buch zu lesen. Ich habe beim Stern gearbeitet, als eine Frauenredaktion eingerichtet wurde, sie war androgyn, denn man wollte ja nicht mit der Brigitte (ein deutsches Frauenmagazin) verglichen werden. Ich kannte die Chefredakteurin, welche mich dann angefragt hat. Ich hatte keinen blassen Schimmer von Mode, aber fand sie ganz toll und habe dann angenommen. Es war in den frühen 90ern, ich war dann auch sofort addictet. Es geschah zu dieser Zeit auch viel in der Modewelt; Tom Ford wurde Chefdesigner bei Gucci und neue Designer wie Jil Sander und die ganzen asiatischen tauchten auf. Ich erhielt eine neue Sichtweise auf Mode, es war so etwas wie Mode für Intellektuelle. Das Magazin hiess VIVA. Allerdings hatte ich immer Mühe, über Themen wie Sex und Partnerschaften zu schreiben. Einfach weil diese Themen viel zu komplex sind, als sie auf 2 Seiten wie in jeder x-beliebigen Zeitschrift einzuquetschen.“ WB: „Seit bald acht Jahren arbeiten Sie als Chefredakteurin der Annabelle und seit 23 Jahren als Journalistin. Hatten Sie manchmal Probleme, sich in der taffen Medienbranche durchzusetzen oder ernst genommen zu werden?“ LF: „Nein, ich bin noch nie einem Mann oder einer Frau begegnet, wo das ein Problem gewesen wäre. Ich hatte natürlich auch viel Glück gehabt. Meine Mutter musste arbeiten weil meine Eltern selbständig waren und einen Laden führten, wir hatten dann ein Kindermädchen. Meine Mutter wurde für mich ein Vorbild. Natürlich habe ich sie während meiner Kindheit auch vermisst, aber es

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hat mich ganz entscheidend geprägt und ich bekam viel Selbstverständnis. Allerdings kann ich nicht kochen, meine Mutter konnte es auch schon nicht.“ WB: „Immer wieder geht es in Ihren Artikeln um Emanzipation und Gleichberechtigung, haben Sie auch schon Rückmeldungen erhalten?“ LF: „Ich bekomme immer wieder sympathische Briefe. Erst kürzlich erhielt ich von einer Frau, die mich im Radio gehört hatte, eine Rückmeldung. Es ging um das Modeverständnis von Frauen über 50. Für mich stellt das Alter keine Beschränkung dar. Damit meine ich, dass man mit dem Älterwerden nicht nur noch Beige tragen darf. Ich trage die gleichen Jeans wie meine Stieftochter, und sie schrieb mir, dass sie genau dasselbe mache. Ich glaube einfach, dass es viele Frauen gibt, die dasselbe wie ich denken, nur dass ich es offen ausspreche. Das gibt ihnen Mut und Bestärkung.“ WB: „Konnten Sie bemerken, dass durch Ihre Artikel sich etwas geändert hat, sei es jetzt zur Lohnfrage etc.“ LF: „Die Annabelle hat vor einiger Zeit eine Petition für Halten von Schutzwaffen lanciert und auch fürs Erreichen des Frauenwahlrechts viel dazu beigetragen. Wir haben einen gewissen Einfluss, und dadurch erreichen wir, dass unsere Leser bewusster handeln und manchmal findet man in unserer Zeitschrift einen Bericht, der den Leser vielleicht besonders berührt und zum Nachdenken anregt. Aber allgemein behaupte ich Nein. In den 70er-Jahren gab es einmal einen Chefredakteur, der jeder Ausgabe ein Briefchen mit Sonnenblumensamen beigelegt hat, damit dann die gesamte Schweiz voller Sonnenblumen ist.“ WB: „Wie glauben Sie, hat sich der Mann und damit auch seine Rolle verändert (immer noch der Brötchenverdiener, Angst vor der Frau/Konkurrentin)? Hat auch er eine Entwicklung mitgemacht durch die Emanzipation?“ LF: „Ja, natürlich. Besonders in den letzten 10 Jahren hat sich enorm viel getan. Der Wunsch, beim Aufwachsen der Kinder dabei zu sein und viel Zeit mit der Familie zu verbringen ist da. Auch sind sie viel offener und interessierter an der Denkweise der Frau. Sie gehen mit vielen Dingen anders um als früher.“ WB: „Um der Gleichberechtigung Genüge zu tun, glauben Sie dass der Mann unter dem Fortschritt der Frau leidet?“ LF: „Ganz klar Nein. So etwas kommt nur von der Gruppe Blocher mit Ausrufen wie „Gott diese Weiber wieder“.“ WB: „Job-Sharing wird auch immer wieder vorgebracht, haben Sie Erfahrung damit?“ LF: „Ja, ich finde das ein tolles Projekt mit lauter Vorteilen und unterstütze es.“ WB: „Was halten Sie davon? Wird es in Ihrer Redaktion angewandt?“ LF: „Wir haben hier zum Beispiel drei 50%-Stellen, bei denen 3 Leute den Job von 2 erledigen. Das ist oft so, wenn es um ein bestimmtes Thema geht.“ WB: „Vielen Dank für das interessante Interview.“

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15.1.1 Lebenslauf von Lisa Feldmann Lebenslauf – tabellarisch – Lisa Feldmann 1958 geboren in Plettenberg als Tochter des Unternehmers Werner Feldmann und seiner Frau Lisa (Hausfrau); Bruder Dirk Feldmann lebt heute als Anwalt in Hamburg 1965-1969 Besuch der Elementarschule 1969-1977 Besuch des Gymnasiums, Abschluss: Abitur (Matur) 1977-1978 Volontariat bei der „Westfälischen Rundschau“, Lokalteil Plettenberg 1978-1981 Studium der Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte an der „Westfälischen Wilhelms-Universität“ in Münster /Westfalen 1981-1985 Fortsetzung des Studiums an der Hamburger Universität, Abschluss: Magister Atrium 1982-1984 Ausbildung zur Gestalttherapeutin 1986-1988 Assistentin in der STERN-Nachrichten-Redaktion 1988-1990 Mitglied der Redaktion VIVA, zuletzt als Ressortleitung Text 1991-1992 Ressortleitung Kultur bei TEMPO 1992-1995 Stellvertretende Chefredakteurin bei ELLE 1995-1998 Chefredakteurin COSMOPOLITAN 1999-2000 Ressortleitung beim MAGAZIN DER SÜDDEUTSCHEN ZEITUNG 2000-2001 Relaunch des Magazins LIFE&STYLE (10/2000-2/2001), Herausgeberschaft des Bandes „100 noch nicht geschriebene Bücher“ im Verlag MY FAVOURITE BOOK (3/2001-6/2001), freie Autorin im Bereich Mode und Lifestyle für DIE WOCHE, TAGESSPIEGEL BERLIN und FINANCIAL TIMES DEUTSCHLAND (seit 6/2001) 2002-2004 Redakteurin im Trend-Ressort der SONNTAGSZEITUNG seit Mai 2004 Chefredakteurin ANNABELLE Zürich, den 30.Januar 2002

15.2 Interview mit Helena Trachsel Interview mit Frau Helena Trachsel, Leiterin der Fachstelle für Gleichberechtigung in Zürich, im Rahmen der Maturaarbeit von Winona Bruhin Zürich, 5.April 2012 WB: „Wie sind Sie zu dieser Stelle gekommen?“ HT: „Ich war zuerst 13 Jahre in der Privatwirtschaft tätig und war Direktorin bei der Swiss Re. Auch dort habe ich mich schon intensiv für Chancengleichheit eingesetzt. Nach dem Tod meiner Mutter hatte ich das Gefühl, etwas Neues machen zu wollen. Viele Frauen sind der Ansicht, ein Stellenwechsel in zunehmendem Alter wäre schwieriger, auch bei mir stellte sich das ein wenig ein.

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Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, noch einmal 15 Jahre bis zur Pensionierung so weiter zu arbeiten. Ich blieb aber noch ein ¾ Jahr beim Coaching, dann hat mich meine Vorgängerin, Kathrin Arioli, angefragt für die Stelle.“ WB: „Wie schaut ein gewöhnlicher Arbeitstag bei Ihnen aus?“ HT: „Er ist enorm vielseitig und unvorhersehbar. Es kann sein, dass ich mit einem Interview für Radio oder TV in den Tag starte, eine interne oder externe Sitzung habe, eventuell habe ich ein Beratungsgespräch oder auch Teamsitzungen. Das ist von Tag zu Tag verschieden und genau das macht den Reiz aus. Es ist sehr spontan.“ WB: „Wie wird die Fachstelle für Gleichberechtigung finanziert?“ HT: „Sie wird durch Steuergelder finanziert. Der Kanton ist durch die Bundesverfassung und auch Kantonsverfassung dazu verpflichtet, so eine Fachstelle zu betreiben. Leider werden auch Stimmen laut, dass man die Fachstelle für Gleichberechtigung streichen sollte. Anmerkung der Rede: Postulat Mein Jahresbudget beträgt 864‘000.- und neuerdings kommt ab dem Sommer ein Männerberater hinzu.“ WB: „Gab es in der letzten Jahren eine Zunahme von Personen, die Sie beraten haben?“ HT: „Nein, im Gegenteil. Es gab eine Abnahme, da jetzt breit informiert wird und man auch intensiv mit anderen Stellen zusammenarbeitet. Auch das Internet wird gezielt eingesetzt und dadurch sind die Informationen für alle zugänglich. Die Leute lösen ihre Probleme öfter selbst. Allerdings muss ich sagen, dass früher die Diskriminierung ein grösseres Anliegen war, heute vermehrt wieder sexuelle Belästigungen auftreten.“ WB: „Unterstützt die Fachstelle für Gleichberechtigung Institutionen wie z.B. ein Frauenhaus?“ HT: „In der Zusammenarbeit Ja, aber nicht in Form von Geldern. Ein Sponsorenbudget haben wir nicht, wir unterstützen sie einfach mit personellen Ressourcen.“ WB: „Was würden Sie als „Durchschnittsproblem“ der an Sie sich wendenden Personen ansehen?“ HT: „Als Durchschnittsproblem zählt nach wie vor die Lohnungleichheit. Zudem der Mangel an flexiblen Arbeitszeiten und Arbeitsorten. Die Spesenanrechnung, wenn man mit dem Zug zur Arbeit muss, etc.“ WB: „Kind, Arbeit oder beides zusammen? Muss man sich entscheiden?“ HT: „Nein, man muss sich nicht entscheiden.“ WB: „Sie sind selbst Mutter zweier Kinder, haben Sie einmal länger ausgesetzt im Beruf?“ HT: „Nein, ich habe nie ausgesetzt. Ich erhielt immer viel Unterstützung von meinem Mann. Wir haben dann eine Weile lang beide Teilzeit gearbeitet. Manchmal ich ein wenig mehr, manchmal er. Auch meine Eltern und die Frauen aus der Nachbarschaft haben mir geholfen. Das ist alles im Austausch geschehen, wenn meine Töchter bei der Nachbarin zu Mittag essen durften, war es dann das nächste Mal bei mir. Bei meiner jüngeren Tochter haben mein Mann und ich zusammen einen Kindergarten aufgebaut, weil es in unserer Gegend einfach nichts Geeignetes gab. Es braucht viel Eigeninitiative, man muss aussprechen, was man will und selbstbewusst sein.“

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WB: „Denken Sie, dass es besser ist, wenn man die Kinder früh hat?“ HT: „Ich war bei der ersten Tochter 26 1/3. Für meine Generation war es eher spät, heute würde man das anders sehen. Ich glaube, dass beides Vor-und Nachteile hat. Hat man sie eher jung, ist man lebenslustiger und hat eine andere Vorgehensweise. Später ist man dafür materiell lockerer, da man schon sparen konnte, dafür ist man oft überbesorgt.“ WB: „Wie sind Sie mit der Doppelbelastung von Familie und Arbeit umgegangen?“ HT: „Familie haben und Arbeiten gehen lässt sich sehr gut vereinbaren. Natürlich war ich auch müde und gestresst. Das ist selbstverständlich und kommt vor. Ich habe aber nie gehadert mit meiner Entscheidung. Es war für beide Parteien bereichernd. Ich war im Beruf herausgefordert und habe viel für die Männer verbessert. Wenn ich nach Hause kam, hatte ich meinen Kindern etwas Spannendes von meinem Tag zu erzählen. Im Gegenzug habe ich sehr viel von meinen Töchtern gelernt. Aus dieser Bereicherung konnte ich meine Energie schöpfen.“ WB: „Wie kann man die Position von berufstätigen Müttern noch mehr festigen?“ HT: „Swiss Re hat da sehr viel geboten und war ein Top-Arbeitgeber. Die Frauen sollten ihre Partner und den Arbeitgeber miteinbeziehen, wenn sie sich entscheiden, ihr Arbeitspensum zu reduzieren. Ohne diese offene Kommunikation haben diese gar keine Chance, aktiv beizutragen und werden ausgeschlossen. Dabei gibt es so viele tolle, mutige Männer.“ WB: „Ist sich bewusst für die Rolle der Hausfrau zu entscheiden ein Rückschritt in ihren Augen?“ HT: „Auf keinen Fall. Unter der Voraussetzung, dass man als Hausfrau einen sozial-versicherten Lohn abgesehen vom Haushaltsgeld bekommt. So gibt es eine Aufwertung. Es sollte immer die Wahlfreiheit des Lebensentwurfes gegeben sein in der Partnerschaft, der Familienplanung und der Karriere.“ WB: „Was verstehen Sie unter Emanzipation?“ HT: „Unter Emanzipation verstehe ich lebenslange Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und das damit verbundene Loslösen von tiefinitialisierten Rollenbildern. Man sollte Dinge hinterfragen und einen inneren Respekt vor dem Gegenüber haben.“ WB: „Als Leiterin der Fachstelle für Gleichberechtigung werden Sie tagtäglich mit dem Begriff Emanzipation konfrontiert, glauben Sie, dass sich die Bedeutung verändert hat?“ HT: „Ja. Früher gab es die radikale Emanze, die oft als bösartig angeschaut wurde und mit ihren Ansichten angeeckt ist. Heute gibt es die Frauenrechtlerin und Feministin. Der Begriff ist mit sehr vielen Vorurteilen behaftet, so dass man die eigentliche Bedeutung aus den Augen verloren hat. Natürlich waren die Massnahmen und Mittel der früheren Generation von Frauenrechtlerinnen sehr aggressiv, aber das war auch nötig. Man muss seinen eigenen Weg gehen und die Grosszügigkeit haben zur spontanen Unterstützung.“ WB: „Die Stellung der Frau in gesellschaftlicher und ökonomischer Sicht hat sich im Wandel der Zeit enorm verbessert, und doch hapert es immer noch an vielen Stellen und es sind auch immer noch die

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gleichen Schlagwörter wie Gleichberechtigung, gleicher Lohn etc. im Munde. Drehen wir uns im Kreis?“ HT: „Ich würde nicht sagen, dass wir uns im Kreis drehen, obwohl das ein schönes Bild ist, es ist eher eine Spirale. Wir kommen immer wieder an den gleichen Punkten an, fliegen manchmal zurück wie bei jeder Form der Umverteilung. Die guten Positionen sind in den Händen von Leuten, überwiegend Männer, die diese nicht einfach mit Frauen teilen wollen. Erst wenn man dazu bereit ist, können wir den nächsten Schritt machen. Es sollte keine grossen Diskrepanzen mehr geben. Jemand muss Platz machen und es liegt auch an den Frauen selbst, aktiv zu werden und sich diesen Platz zu erobern. Sie müssen über ihren Lohn reden, verhandeln und ihren Spielraum austesten. Die Frauen können in punkto Selbstverständnis noch viel vom Mann lernen.“ WB: „Was halten Sie vom aktuellen Zustand der Emanzipation?“ HT: „Ich sage einfach, dass es immer wieder Rückschläge gibt (ein Schritt vor, zwei zurück). Es wird aber sehr viel darüber geredet, was auch ein Fortschritt ist, und noch nie wurde so breit informiert. Das Thema ist unglaublich präsent, doch die Umsetzung ist verbesserungswürdig. Die Wahlfreiheit für Menschen muss gegeben sein und es sollte nicht mehr alles bewertet werden. Wenn man sich nun aus einem bewussten Entscheid sein Arbeitspensum reduziert, kann man das ruhig positiv bewerten.“ WB: „Seit 1996 ist ein Bundesgesetz für Gleichberechtigung in Kraft, trotzdem hapert es noch an etlichen Stellen. Was könnte man zur Verbesserung beitragen? Wäre ein neues Gesetz nötig?“ HT: „Einige Stimmen sagen, dass es reicht, wenn die Frauen nun abstimmen und wählen können, aber die wissen einfach nicht, wie Gleichberechtigung auf Augenhöhe funktioniert. Darum habe ich einen Männerbeauftragten engagiert, der die Stelle im Sommer antritt. So zeigen wir gemeinsam, wie es funktioniert. Die Männer sagen immer, „kümmert euch doch selbst“, dabei würde es auch dem Mann helfen, wenn er nicht mehr der alleinige Ernährer ist. Frau und Mann müssen gemeinsam Chancengleichheit gestalten.“ WB: „Gibt es Ihrer Meinung nach etwas, dass die Frauen tun könnten, damit man sie besser wahrnimmt?“ HT: „Es braucht eine rückhaltlose, gegenseitige Unterstützung, zum Beispiel in der Form von Coaching, Mentoring oder gemeinsamen Netzwerken. Vor allem das Peer to Peer-Coaching sollte neu gewichtet werden. Wenn man sich der eigenen Stärken und Schwächen bewusst ist, kann man viel besser mit ihnen umgehen und arbeiten. Wenn nun jemand in einer Sache stärker ist, sollte man nicht zu stolz sein um Hilfe zu bitten. Man muss seinen Selbstwert kennen, Selbstmarketing einsetzen und sich auch in Männerkreisen konstruktiver Kritik aussetzen. Kritiker/innen bewusst zu einem Feedback einladen und die Kritik einholen und umsetzen.“ WB: „Sehen Sie auch Schattenseiten an der Emanzipation?“ HT: „Die stetige Weiterentwicklung ist an den Austausch gekoppelt. Wenn sich nur immer eine Seite weiterentwickelt, so ist das hinderlich. Es kann nur gemeinsam funktionieren. Dies erfordert wiederum Konfliktfähigkeit und Kompetenzen. Der Kipp-Effekt ist natürlich auch zu beachten. Spricht man auf einmal „nur“ von einer Hausfrau, so ist das eine falschgewordene Emanzipation. Solch eine Bewertung zeugt nur von mangelndem Respekt und ist falsch.“

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WB: „Wie beurteilen Sie die Entwicklung des Mannes in Bezug auf die Frauenbewegung?“ HT: „Leider gibt es heutzutage schon Männernetzwerke wie antifeminismus.ch. Männer gehen dabei auf die Opferschiene und entziehen sich somit der Verantwortung der Ebenbürtigkeit. Man muss die Emanzipation gemeinsam, Frau und Mann, neu definieren. Es ist positiver, wenn man es gemeinsam probiert, denn dadurch ergeben sich bessere Lösungen und es geht konfliktfreier von statten. Betrachtet man zudem die unbezahlte Care-Arbeit, die fast ausschliesslich von Frauen geleistet wird, entdeckt man einen Faktor der bei einer Entlohnung den Effekt einer positiven Umverteilung hätte.“ WB: „Glauben Sie, dass es negative Konsequenzen gibt für den Mann wenn die Frau immer stärker wird?“ HT: „Wenn nur einer sich entwickelt, gibt es eine Ungleichheit. Eine offene, gegenseitige Kommunikation zum Aushandeln muss man erst erlernen.“ WB: „Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der erhöhten Scheidungsrate und den Fortschritten der Emanzipation?“ HT: „Ja, konkret mit der Erwerbsfähigkeit der Frauen. Sie verdienen ihren eigenen Lohn, sind mutiger und stärker ökonomisch unabhängig.“ WB: „Eine vollständig transparente Gleichberechtigung wird es nie geben können, nur schon vom biologischen Aspekt her ist das unmöglich. Welche Unterschiede zwischen Mann und Frau - auf die Fähigkeiten bezogen – kommen Ihnen spontan in den Sinn?“ HT: „Beim Mann dass er seinen Selbstwert besser kennt und selbstbewusster ist. Im Umgang mit Niederlagen ist er sportlicher, die Frau nimmt es oft persönlich. Sonst sehe ich keine Unterschiede, eher Vorurteile. Es gibt ebenso viele analytische, fordernde Frauen wie einfühlsame Männer und umgekehrt.“ WB: „Woran denken Sie spontan, wenn Ihnen das Wort Feminismus in den Sinn kommt?“ HT: „An die Frau mit ihren Rechten im Zentrum.“ WB: „Haben Sie sich bewusst an der Frauenbewegung beteiligt?“ HT: „Ja, ganz bewusst und voller Freude. Ich wurde von meiner Mutter schon damit aufgezogen.“ WB: „Durch Interviews und Literatur habe ich erfahren, dass die Gleichberechtigung vor allem auch in den Köpfen vieler Frauen noch nicht richtig angekommen und verankert ist. Wie würden Sie das deuten?“ HT: „Ich würde dem zustimmen. Die Frauen sind in einer Abwehrhandlung, denn Gleichberechtigung bedeutet gleiche Rechte, ebenso wie gleiche Pflichten. Das birgt eine Verantwortung, darum lassen es lieber viele Frauen so, wie es war, oft aus Bequemlichkeit.“ WB: „Würden Sie die Wehrpflicht in dem Fall auch für Frauen einführen?“ HT: „Absolut. Dadurch lernen sie, wie man richtig führt. Zudem bin ich für das gleiche PensionsAlter.“ WB: „Wie stehen Sie zur Frauensolidarität?“

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HT: „Ich bin seit 30 Jahren nicht mehr mit Lästerattacken konfrontiert worden. Es gibt eine breit gelebte Solidarität. Das Arbeiten bei Frauen mit oder ohne Kind wird praktisch überall akzeptiert und gemäss OECD-Bericht sind in der Schweiz auch 79% der weiblichen Bevölkerung erwerbstätig.“ WB: „Haben Sie ein Vorbild?“ HT: „In meiner Jugend waren es Albert Schweizer und Mahatma Gandhi und natürlich meine Mutter und Grossmutter. Heute ist es Niall Ferguson. Er lehrt in Harvard und Eton und hat hervorragende Modelle gegen die soziale Ungleichheit entwickelt.“ WB: „Ich danke Ihnen für dieses tolle Interview.“

15.3 Interview mit Manuela Tanner Interview mit Frau Manuela Tanner, Filialleiterin einer Bank, im Rahmen der Maturaarbeit von Winona Bruhin Wädenswil, 22. Mai 2012 WB: „Wie lautet dein beruflicher Werdegang?“ MT: „Ich habe zuerst die Handelsschule in der Kantonsschule Enge für 4 Jahre besucht, anschliessend habe ich ein zweijähriges Praktikum auf dem Bankverein absolviert. Durch meine dortige Abschlussarbeit die um Kleinkunden und deren Wichtigkeit ging, kam ich danach gleich ins Beratungsteam, habe gelegentlich auch am Schalter gearbeitet. Dann habe ich über den Sommer in der Badi Richterswil bei meinen Eltern gearbeitet und habe danach die Teamführung in einer Bankfiliale übernommen. Dann bin ich in den 90ern zur UBS gekommen und habe dort überwiegend Privatkunden betreut, im 99 habe ich mein erstes Kind bekommen. Von 2003 – 2007 habe ich eine Finanzplanerausbildung gemacht und so den eidgenössischen Fachausweis erworben. Danach war ich Filialleiterin bei der UBS und seit 2010 Filialleiterin der ZKB in Wädenswil.“ WB: „Du hast zwei Kinder, wie lange hast du gewartet, bist du wieder vollberufstätig wurdest?“ MT: „Meinen ersten Sohn bekam ich 1999, dann war ich 4 Monate im Mutterschaftsurlaub und habe danach wieder 100% gearbeitet. Beim zweiten Sohn war es genau gleich. Mein Mann ist sogleich nach der Geburt des ersten Sohnes zu Hause geblieben, in meinen Pausen ist er mit dem Kleinen auf die Bank gekommen, ich habe ihn gestillt und sie sind wieder gegangen. Einen Monat waren wir gemeinsam zu Hause. Hätte das Ganze nicht geklappt, hätten wir unser Konzept wieder geändert.“ WB: „Du hast dich bewusst für die Karriere trotz Kinder entschieden, musstest Du dich dafür rechtfertigen?“ MT: „Ich habe meine Karriere nicht geplant, sie ist einfach gekommen. Mein Mann wollte daheim bleiben, es geschah durch seinen Input und da ich ab da für die Familie verantwortlich war, hatte ich nie das Gefühl gehabt, mich rechtfertigen zu müssen. Wir waren von unserem Plan überzeugt und haben das auch nach aussen ausgestrahlt.“ WB: „Wie bist du mit dieser Doppelbelastung umgegangen?“

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MT: „Als die Kinder noch klein waren, war es weniger anstrengend. Sie hatten damals nur ihre Grundbedürfnisse, doch sobald sie in den Kindergarten und in die Schule kamen, ihre Hobbies regelmässig ausüben wollten, wurde es eine Herausforderung. Sie versuchen, ihre Grenzen auszutesten und fordern dich als Mensch. Ich trenne Familie und Geschäft auch strikt, das heisst, ich fokussiere mich total und orientiere mich bedürfnisgerecht. Ich bin dort, wo der Bedarf nach mir grösser ist. Manchmal komme ich dabei allerdings zu kurz.“ WB: „Siehst du negative Folgen darin, dass du trotz der Kinder arbeitest?“ MT: „Nein, ich versuche zu spüren, wann sie mich besonders brauchen und dann bin ich natürlich für sie da. Es kommt alles auf mich zurück, damit meine ich, dass ich mich vielleicht manchmal selbst ein wenig vernachlässige.“ WB: „Karriere und Kind, lässt sich das gut vereinbaren?“ MT: „Ich denke, es braucht schlussendlich einen Partner, der hinter einem steht. Von Fremdbetreuung halte ich nicht viel und langfristig wird Karriere machen und gleichzeitig Kinder zu erziehen nicht aufgehen. Es braucht jemanden, der zu Hause ist. Wir sind keine Übermenschen. Allerdings sehe ich kein Problem von Berufstätigkeit und gleichzeitig Kindern. Im richtigen Verhältnis geht das gut.“ WB: „Musstest Du Opfer für diese Entscheidung bringen?“ MT: „Nein.“ WB: „Euer Familienmodell ist eher unkonventionell, wie sind deine Erfahrungen damit?“ MT: „Meine Erfahrungen damit sind sehr gut, hätte es Probleme gegeben, hätten wir es geändert. Mein Mann hat ja den entscheidenden Input dazu geliefert. Ich hätte mich nicht getraut, das vorzuschlagen. Als Mami hat man ja doch eine speziellere Rolle. Es gibt einen Grund, warum die Frauen die Kinder bekommen und nicht die Männer. Darum wollte ich nicht anmassend wirken. Unser Modell ist eigentlich „wider der Natur“- ohne dass ich zu konservativ klingen will. Der Mann braucht den Zugang zu so einem Projekt, sonst würde es nicht funktionieren. Jobsharing finde ich auch völlig in Ordnung.“ WB: „Gab es auch mal eine Phase, in der du dich durch deine Rolle als Brötchenverdienerin ein wenig unweiblich und eher maskulin gefühlt hast?“ MT: „Es gab einmal eine solche Phase vor ungefähr 5 Jahren. Es hat mir nicht Probleme gemacht oder so und jetzt ist das auch nicht mehr der Fall. Ich kenne durch meine Rolle einfach sehr gut die männliche Seite und verstehe sie auch besser.“ WB: „Ist deinem Mann die Entscheidung, nicht mehr zu arbeiten, leicht gefallen?“ MT: „Ja, er wollte vollzeitig zu Hause sein. Obwohl er ein sehr männliches, bodenständiges Umfeld gehabt hat- er ist in der Feuerwehr und hat in der handwerklichen Branche gearbeitet- und das es seine eigene Idee war, ist es immer positiv gewesen. Zu Beginn war es eine ungewohnte Situation für ihn, so ganz allein auf dem Spielplatz nur unter Frauen, doch mittlerweile ist das kein Thema mehr.“ WB: „Funktioniert es gut?“

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MT: „Es klappt wirklich sehr gut, er macht den „Frauenpart“, sprich den Haushalt und die Kindererziehung. Am Wochenende koche dann meistens ich, weil es mein Hobby ist und mir Freude bereitet. Er hat auch kurzzeitig wieder gearbeitet, zuerst 20 und dann 40%, und auch während dieser Zeit hat es funktioniert.“ WB: „Wie hat euer Umfeld darauf reagiert?“ MT: „Unser engstes Umfeld hat sehr positiv darauf reagiert. Die Feuerwehr hat uns auch immer unterstütz und Rücksicht auf seine Rolle als Hausmann genommen. Nur sein Arbeitgeber hat die Nase gerümpft. Sie sind eher konservativ veranlagt.“ WB: „Was kommt Dir spontan in den Sinn, wenn du das Wort Feminismus hörst?“ MT: „Ich habe immer sehr Mühe mit diesem Begriff und der Bewegung gehabt, sie war mir zu extrem und radikal. Alice Schwarzer verbinde ich auch damit. Natürlich verstehe ich, dass man um etwas zu bewirken zu Beginn extrem sein muss. Auch kommen mir die Farben violett und grün in den Sinn, zu dieser Zeit waren alle in diesen Farben gekleidet.“ WB: „Was verstehst Du unter Emanzipation?“ MT: „Ich verbinde diesen Begriff nicht nur mit Frauen, sondern auf alle Gruppen. Für mich bedeutet es, sich selber für die eigenen Stärken einzusetzen und sich selbstbewusst zu verhalten und auch mal in den Vordergrund zu stellen.“ WB: „Hast du dich an der Frauenbewegung beteiligt?“ MT: „Nein, ich mag diese Frauenorganisationen nicht. Sie agieren stark gegen Männer und eigentlich sollte es ein Miteinander sein.“ WB: „Glaubst Du, dass die Gleichberechtigung auch negative Konsequenzen hat?“ MT: „Nein, es hat mit Fairness zu tun und es muss ein Gleichgewicht entstehen, die Natur ist auch ausgeglichen.“ WB: „Denkst Du, dass der Prozess der Gleichberechtigung bereits abgeschlossen ist?“ MT: „Nein, noch lange nicht. Nur schon beim Lohn haben wir noch viel aufzuholen. Aber es kann nie vollständig gleich sein. Wir leben nicht in einer utopischen Welt.“ WB: „Ist es schon einmal vorgekommen, dass Du das Gefühl hattest, als Frau benachteiligt zu sein?“ MT: „Nein, noch nie. Natürlich gibt es immer wieder Männer, die dich nicht als Frau, sondern als ein Stück Fleisch ansehen. Ich glaube eher, dass wir als Frau mehr Vorteile haben. Ich sehe das oft bei Beratungsgesprächen. Wir haben eine andere Herangehensweisen und auch andere Stärken.“ WB: „Durch Literatur und ein Experteninterview habe ich erfahren, dass die Gleichberechtigung vor allem auch in den Köpfen der Frauen noch nicht vollzogen ist. Was denkst Du dazu?“ MT: „Man muss Verantwortung sein, aktiver agieren und natürlich ist es unbequem, die gewohnte Komfortzone zu verlassen. Darum glaube ich, dass es viele Frauen gibt, die ihren Platz gar nicht verlassen wollen. Andererseits gibt es auch solche, die völlig zufrieden mit ihrer Rolle sind.“

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WB: „Hältst du es für einen Rückschritt, wenn Frauen sich bewusst für die Rolle der Hausfrau entscheiden?“ MT: „Nein, überhaupt nicht. Ich bewundere diese Frauen, denn ich stelle es mir schwieriger und anstrengender vor. Man kann nicht einfach gehen und Abwechslung in der Arbeit finden, sondern es ist ein 24 Stunden-Job.“ WB: „Gehst du wählen?“ MT: „Ja, aber nicht immer. Ich gehe zu etwa 50% der Wahlen. Ich habe oft nicht die Zeit, mich intensiv genug mit dem Thema auseinanderzusetzen und ich will nur etwas wählen, zudem ich stehen kann.“ WB: „Wie steht deine Meinung zu einer Frauenquote?“ MT: „Ich bin total dagegen und halte es für sehr gefährlich. Sie schwächt die Stellung der Frau, denn sie gibt den Männern zusätzliches Angriffsmaterial gegen die Frau. Es sollten die Fähigkeiten und der Wille, nicht das Geschlecht entscheiden.“ WB: „Du bist Filialleiterin einer Bank, hattest Du manchmal Mühe, als Frau ernst genommen zu werden?“ MT: „ Ich kann jetzt nicht sagen, dass es mir noch nie passiert ist. Es gab solche Momente, in denen man mich nicht ernst genommen hat, doch ich kann sehr gut damit umgehen.“ WB: „Was hältst du von Jobsharing?“ MT: „Ich finde es super. Es ist zwar anspruchsvoll für alle und braucht viel Flexibilität. Doch es ist auf jeden Fall ein guter Weg. Es ist schade, dass es nicht mehr Männer gibt, die Teilzeit arbeiten. Wenn sie es tun, dann oft wegen einer zusätzlichen Ausbildung, selten aufgrund der Familie. Das ist vielleicht auch eine Generationsfrage.“ WB: „Hast Du den Eindruck, dass weibliche Mitarbeiter andere Fähigkeiten haben als männliche?“ MT: „Ja, sicher. Frauen zeigen und lösen mehr Emotionen und besitzen mehr Einfühlungsvermögen. Männer sind effizienter, organisierter und bringen Dinge schneller auf den Punkt. Sie sind auch frecher und ihre Erwartungen sind nicht so hoch.“ WB: „Wenn man der Schriftstellerin Michèle Roten Glauben schenken darf, so ist Frauensolidarität kaum vorhanden. Siehst du das ähnlich?“ MT: „Unter Frauen Ja. Bei starken Frauen unter sich kommt es weniger vor. Es ist ausgeprägter als bei Männern.“ WB: „Gehen Frauen untereinander anders um als Männer?“ MT: „Definitiv, sie haben mehr Tiefe, sind aber nachtragender. Männer verzeihen schneller und sind direkter.“¨ WB: „Gibt es einen Menschen, der dich besonders beeindruckt oder geprägt hat?“

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MT: „Es gibt keinen speziellen, eher mehrere in verschiedenen Bereichen. Ich bin kein Idole-Typ. Manchmal waren es Vorgesetzte. Es braucht sehr viel, bis mich jemand tief beeindruckt. Nelson Mandela und Tina Turner kommen mir immer wieder in den Sinn.“ WB: „Vielen Dank für das erkenntnisreiche Interview.“

15.4 Interview mit Karine Handlery Interview mit Karine Handlery, Bankangestellte, im Rahmen der Maturaarbeit von Winona Bruhin Wilen, 20. März 2012 WB: „Wie lautet dein beruflicher Werdegang?“ KH: „Ich ging in Schiers 2 Jahre ins Gymnasium, machte dann ein Zwischenjahr in den USA mit der Abmachung, kein Jahr wiederholen zu müssen. In diesem Auslandjahr wurde ich extrem selbstständig und wollte das Gymnasium abbrechen, was ich dann auch tat. Bereut habe ich das. Dann machte ich bei der SBG Chur einen Deal, nur 2 Lehrjahre zu absolvieren, dafür ob einer 5 abschliessen würde, ich hatte am Schluss eine 5.2. Danach arbeitete ich im Privatkundenbereich, einen Teil auch im Marketing. Später wechselte ich zur Raiffeisen Bank als Stellvertreter des Filialleiters. Ich war ungefähr 21. Auch bei der CS habe ich lange gearbeitet, zurzeit bin ich bei der SZKB angestellt.“ WB: „Du hast zwei Kinder, wie alt warst Du, als du das erste bekommen hast?“ KH: „Ich war 24 Jahre alt. Danach habe ich darauf geachtet, immer ein wenig zu arbeiten. Seien das Aushilfsjobs, Ferienvertretungen oder Ähnliches. Einfach nie weg vom Fenster zu sein war mir wichtig.“ WB: „Bereust du es, so jung Kinder bekommen zu haben?“ KH: „Nein, es war eine super Entscheidung, und irgendwie geht es immer. Ich glaube auch, dass es einfacher ist als mit 40, denn mit Kindern muss man seinen Lebensstandard immer zurückschrauben. Das geht in jungen Jahren leichter, weil die Ansprüche dann noch nicht so hoch sind. Der Zeitpunkt für Kinder ist aber immer ungünstig. Jeder muss es für sich selbst entscheiden.“ WB: „Wie lange hast du gewartet, bist du wieder vollberufstätig wurdest?“ KH: „Ich habe immer gearbeitet, 100% erst seit diesem Jahr, vorher allerdings seit 02/03 80-90%, davor 60% - 80%. Unter 60% sollte man nicht arbeiten wenn man im Beruf weiterkommen will, 40% sind gut um am Ball zu bleiben. Ich war ja extrem jung Mutter geworden, darum habe ich auch immer gearbeitet. Ich sah mich nie als Hausfrau oder „besseres Dienstmädchen“, einfach weil es mir keine Befriedigung verschaffte.“ WB: „Du hast dich bewusst für den Beruf trotz Kinder entschieden, musstest Du dich dafür rechtfertigen?“ KH: „Oh ja. Sogar sehr stark. Die Familie meines Exmannes stammt aus Italien, da waren die Reaktionen viel heftiger und sie brachte keinerlei Verständnis auf. Bei denen gelten aber auch noch

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immer die alten Traditionen und patriarchalische Rollenverteilung. Meiner Meinung nach muss eine Frau aber auch ohne Mann selbstständig sein können. Vor allem vor Frauen musste ich mich rechtfertigen, Männer eigentlich nie, ausser die wenigen, die noch sehr an Traditionen hingen. Frauen dagegen waren die Schlimmsten, vermutlich aus Eifersucht oder Frust. Natürlich war ich auch ein wenig egoistisch.“ WB: „Wie bist du mit dieser Doppelbelastung umgegangen?“ KH: „Es benötigte einfach viel Vorbereitung, dann wurde das Mittagessen am Vortag schon gekocht und ich hatte mir eine Schülerin zum Aufpassen organisiert. So war allen gedient.“ WB: „Glaubst du, dass deine Kinder darunter gelitten haben, dass Du 100%ig gearbeitet hast? KH: „Nein, ich denke nicht. Ihre Tochter Livia stimmt ihr da sehr überzeugt zu. Ich hatte vielleicht weniger Zeit, doch habe ich die Kinder stark in meinen Alltag integriert. Ein guter Hort und Tagesmutter war mir das Allerwichtigste und natürlich dass sie sich wohl fühlen. Ab Ende der Primarklasse liess ich sie bei Krankheit allein, vorher konnte ich sie zur Tagesmutter bringen und habe sie auch immer wieder motiviert.“ WB: „Noch als Deine Kinder sehr klein waren, wurdest Du alleinerziehende Mutter, wie hast Du die Arbeit, Kinder, Haushalt und auch mal Zeit für Dich unter einen Hut gebracht?“ KH: „Das ist natürlich die Frage. Ich hatte eine Tagesmutter, aber nicht viel Freizeit in der ich mit den Kindern zum Beispiel auf den Spielplatz gehen konnte oder so. Ich hatte auch mal eine Sandkastenstudie gemacht, bei der ich die Mütter auf dem Spielplatz beobachtet hatte. Die kamen immer um etwa halb zwei und um vier begannen sie zu jammern und lästern; über ihre Männer und das Leben. Sie waren immer gefrustet und mit dem Kind wurde auch nicht gespielt. Zeit für mich hatte ich beim Rennen, ich ging fast jeden Morgen Joggen in der Früh und hatte auch ein Fitness Abo mit einem Kinderhort. Die Kinder kannten nichts anderes.“ WB: „Arbeit und Kind, lässt sich das gut vereinbaren?“ KH: „Ja, sogar sehr gut. Das sieht man nur schon an der steigenden Anzahl Betreuungsplätze in der Schweiz. Man ist zudem lockerer, flexibler und effizienter, es bleibt keine Zeit um sich über Peanuts zu ärgern und man verhält sich den Kindern gegenüber nicht wie eine Glucke.“ WB: „Musstest Du Opfer für diese Entscheidung bringen?“ KH: „Es gibt immer Opfer bei einer Entscheidungsfällung, egal bei was für einer.“ WB: „Es werden immer häufiger Stimmen laut von erfolgreichen Frauen, die trotz Single-Dasein nicht auf ihren Kinderwunsch verzichten wollen, sondern mithilfe von Samenspende oder Adoption ein Kind grossziehen wollen. Was hältst Du von dieser Entwicklung?“ KH: „Wenn es diese Frauen für sich entscheiden und sich der Tragweite bewusst sind, dann ist das in Ordnung.“ WB: „Du wirkst sehr tough und stark, woher schöpfst du Deine Kraft?“ KH: „Aus dem Sport, das ist Entspannung für mich. Ich gehe immer am Morgen, da kommen mir die besten Ideen, das ist auch hilfreich im Job. Zudem muss man ein wenig egoistisch sein.“

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WB: „Gab es auch einmal Zeiten, in denen Du Dir hilflos vorgekommen bist?“ KH: „Oh ja, die gab es. Aus Erschöpfung, dann war ich eine Zeit lang länger krank und auch der finanzielle Druck, der auf mir allein lastete. Ich musste nach der Scheidung 1999 alles allein machen. Würde ich das alles schaffen? Was würde mit meinen Kindern passieren, falls mir etwas zustösst?“ WB: „Was kommt Dir spontan in den Sinn, wenn du das Wort Feminismus hörst?“ KH: „Es stellt für mich etwas Negatives dar. Mir kommen Emanzen und Alice Schwarzer in den Sinn. Sie stehen für mich für eine Karriere ohne Weiblichkeit, für das Verleugnen der Weiblichkeit. Man erwartet von einem Mann ja auch, dass er männlich ist, warum also kann man das gleiche nicht von einer Frau erwarten? Diese Bewegung war zu extrem, sie hemmt mehr als dass sie nützt. Zudem kommen mir ungepflegte Haare, Birkenstock-Sandalen und irgendein Leinen-Bast-Hemd in den Sinn. Dabei liegen die Stärken der Frau einfach an einem anderen Ort.“ WB: „Was verstehst Du unter Emanzipation?“ KH: „Gleichberechtigung von Mann und Frau, sei das jetzt beim Stimm-und Wahlrecht oder beim Lohn. Genau aus diesem Grund kann ich auch die Frauenquote nicht unterstützen. Das wäre dann auch keine Gleichberechtigung mehr, und ich würde auch keine Quotenfrau sein wollen, sondern es wegen meiner eigenen Leistung schaffen wollen. Auch sollte man die Frauen richtig wahrnehmen. Ärgert sich eine Frau, so ist sie hysterisch, ärgert sich aber ein Mann, so hat er eine eigene Meinung. Dabei ist es nur schon vom Physiologischen her so, dass die Frau eine höhere Stimme hat.“ WB: „Hast du dich an der Frauenbewegung beteiligt?“ KH: „Nein. Ich versuchte jedoch kürzlich, in der Bank die Verwaltung dazu zu bewegen, Krippenplätze zu kaufen, denn so würde es für das weibliche Personal einfacher sein, Job und Kind zu vereinbaren.“ WB: „Glaubst Du, dass die Gleichberechtigung auch negative Konsequenzen hat?“ KH: „Für die Frauen weniger als für den Mann. Das Scheidungsrecht ist sehr veraltet, denn heutzutage sind sehr viele Frauen finanziell unabhängig vom Mann.“ WB: „Wärst du dazu bereit, ins Militär zu gehen?“ KH: „Nein, die Frauen sind physisch anders gebaut. Darum werden wir nie ganz gleichberechtigt sein, aber das ist auch gut so. Es sollten einfach die Stärken beider Geschlechter optimal genutzt werden.“ WB: „Denkst Du, dass der Prozess der Gleichberechtigung bereits abgeschlossen ist?“ KH: „Nein, noch nicht. Es gibt immer noch Bereiche (Lohn, Arbeitsmodelle von Firmen und das es für Männer schwerer ist, Teilzeit zu arbeiten, Gesellschaft) an denen noch gearbeitet werden muss. Die Gesellschaft muss umdenken. Es sollte mehr Krippen geben.“ WB: „Ist es schon einmal vorgekommen, dass Du das Gefühl hattest, als Frau benachteiligt zu sein?“ KH: „Immer wieder, ob berechtigt oder unberechtigt. Allerdings wurde ich meistens von Frauen benachteiligt aus Neid und wegen dem Konkurrenzdenken.“

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WB: „Durch Literatur und ein Experteninterview habe ich erfahren, dass die Gleichberechtigung vor allem auch in den Köpfen der Frauen noch nicht vollzogen ist. Was denkst Du dazu?“ KH: „Das sehe ich genauso. Die alte Rollenverteilung ist tief in der Frau verankert und in ihrem Kopf präsent. Viele Frauen wollen aus Bequemlichkeit nicht gleichberechtigt sein.“ WB: „Hältst du es für einen Rückschritt, wenn Frauen sich bewusst für die Rolle der Hausfrau entscheiden?“ KH: „Nein, wenn man es sich leisten kann, sich der Konsequenzen bewusst ist und es mit dem Partner abgesprochen hat, soll das jeder für sich entscheiden.“ WB: „Gehst du wählen?“ KH: „Zum Teil Ja, zum Teil Nein, mehr als früher.“ WB: „Wie steht deine Meinung zu einer Frauenquote?“ KH: „Ich bin strikt dagegen. Man sollte fähige Leute ohne Rücksicht auf das Geschlecht wählen, das ist Gleichberechtigung. Die Menschen sollten nicht in Gruppen eingeteilt werden, sei das jetzt vom Geschlecht, der Religion oder der Hautfarbe her.“ WB: „Du bist Filialleiterin bei einer Bank, hattest Du manchmal Mühe, als Frau ernst genommen zu werden?“ KH: „Eigentlich nicht, ich habe immer erreicht, was ich mir vorgenommen habe. Man muss einfach klug und sachlich argumentieren können und zur richtigen Zeit den weiblichen Charme benützen.“ WB: „Was hältst du von Jobsharing?“ KH: „Ich halte es für genial. Es öffnet Tür und Tor, nicht nur für die Frau, sondern die ganze Familie, die ganze Generation. Die Leute sind motivierter, effizienter und flexibler. Zudem ist der finanzielle Aspekt sehr von Vorteil, besonders für einkommensschwache Familien.“ WB: „Wird es bei Euch auf der Bank angewandt?“ KH: „Ja, aber es wird nicht gefördert, da es immer noch oft heisst „Teilzeit ist mühsam“.“ WB: „Hast Du den Eindruck, dass weibliche Mitarbeiter andere Fähigkeiten haben als männliche?“ KH: „Ja, vor allem von der emotionalen Seite betrachtet. Ich trete anders an die Leute heran, bin geduldiger. Frauen haben mehr Einfühlungsvermögen und ich höre vor allem viel auf mein Bauchgefühl.“ WB: „Wenn man der Schriftstellerin Michèle Roten Glauben schenken darf, so ist Frauensolidarität kaum vorhanden. Siehst du das ähnlich?“ KH: „Sie ist gar nicht vorhanden. Es gibt nur Neid. Der Mann hat ein anderes Konkurrenzdenken als die Frau. Frauen reagieren gegenüber Frauen oft recht kindisch. Das kann noch von früher her rühren. Der Mann war immer nur der Ernährer, doch die Frau musste schön, erfolgreich und in ein Muster passen. Auch prägen die Medien die Frauen viel mehr, es gibt Klatschhefter und der Schönheitswahn ist sehr präsent. Auch lästern ist für Frauen normal. Das gehört einfach dazu.“

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WB: „Gehen Frauen untereinander anders um als Männer?“ KH: „Ja, das Aussehen spielt eine grosse Rolle.“ WB: „Neben deinem stressigen Beruf hast Du zudem noch ein anstrengendes Hobby, das Marathonlaufen. Hilft Dir das, um einfach mal abzuschalten?“ KH: „Es ist Entspannung für mich.“ WB: „Gibt es einen Menschen, der dich besonders beeindruckt oder geprägt hat?“ KH: „In der Lehre gab es eine Anlageberaterin. Sie besass eine faszinierende Art, war sehr weiblich und wusste was sie wollte. Später lernte ich die Direktorin einer Bank kennen, sie behauptete sich in einer Männerdomäne und lehrte mich, mir zu nehmen, was für mich stimmte und niemandem Rechenschaft abzulegen. Auch mein Partner hat mich sehr geprägt. Er geht auch in sehr stressigen Situationen ruhig und gelassen vor, kann ernste Situationen nicht allzu tragisch nehmen und ist mir eine grosse Stütze.“ WB: „Aller Emanzipationsversuche zum Trotz, wenn Liebe im Spiel ist ordnen sich viele Frauen ihren Männern unter. Wie würdest Du so ein Verhalten erklären?“ KH: „Ich denke, dies geschieht oft aus Angst, verlassen zu werden und allein zu sein.“ WB: „Ich danke Dir für das tolle Interview.“

15.5 Interview mit Claudia Ernst Interview mit Frau Claudia Ernst, Mutter zweier Kleinkinder und Hausfrau aus Überzeugung, im Rahmen der Maturaarbeit von Winona Bruhin Schübelbach, 12.Juni 2012 WB: „Wie alt bist du?“ CE: „Ich bin 27 Jahre alt.“ WB: „Wie sieht dein beruflicher Werdegang aus?“ CE: „Ich habe nach der Sekundarschule eine Lehre als Kauffrau absolviert, dann lange auf einem Anwaltsbüro gearbeitet und eine Weiterbildung zur Personalassistentin gemacht. Kurz vor der Geburt meines ersten Kindes im Jahr 2010 habe ich mit Arbeiten aufgehört.“ WB: „Wolltest du schon immer früh Mutter sein?“ CE: „Eigentlich wollte ich gerne schon früher Mutter werden.“ WB: „Wie alt warst du, als du dein erstes Kind bekommen hast?“ CE: „Ich war 26.“ WB: „Du hast dich bewusst für die Mutterrolle entschieden. Was waren deine Beweggründe?“

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CE: „Ich bin selber damit aufgewachsen, dass meine Mutter zu Hause war und fand es einfach das Schönste. Für mich ist es eine Lebensaufgabe. Ich bin Mutter aus Leib und Seele.“ WB: „Würdest du gern wieder arbeiten, wenn die Kinder älter sind?“ CE: „Im Moment könnte ich es mir noch gar nicht vorstellen, aber vielleicht wenn die Kinder älter sind und in die Schule gehen.“ WB: „Glaubst du, dass es ein Nachteil ist, wenn man trotz Kinder noch arbeitet?“ CE: „Wenn man hundert Prozent arbeitet, dann Ja. Nur schon weil die Kinder dann in ein leeres Haus heimkehren, sie niemand nach dem Tag und den Hausaufgaben fragt. Man hat einfach zu wenig Zeit.“ WB: „Wie waren die Reaktion auf dein vollzeitiges Mutterdasein?“ CE: „Es gab eigentlich keine speziellen Reaktionen, ausser dass die einen Kolleginnen nicht verstehen konnten, wieso ich ganz aussteigen wollte vom Berufsleben, der Einstieg würde ja dadurch nur schwerer werden.“ WB: „Unterstützt dich dein Mann beim Haushalt und der Erziehung?“ CE: „Natürlich ist es in erster Linie die klassische Rollenteilung und somit meine Aufgabe, den Haushalt zu führen, er arbeitet ja den ganzen Tag. Aber wenn ich seine Unterstützung brauche hilft er mir sofort.“ WB: „Musstest du dich jemals für deine Entscheidung rechtfertigen?“ CE: „Nein, zum Glück nicht. Mein Partner steht auch voll dahinter. Vielleicht ändert sich das, wenn die Kinder einmal älter sind und nicht mehr so unglaublich viel Aufmerksamkeit wie jetzt brauchen.“ WB: „Sind berufstätige Frauen schlechtere Mütter?“ CE: „Nein, sie sind sicher nicht schlechtere Mütter. Es ist auch schwierig, einen Unterschied zu machen. Die einen müssen arbeiten und die anderen wollen. Hausfrau zu sein ist eigentlich eine Luxusentscheidung.“ WB: „Hast du ein Problem damit, in finanzieller Hinsicht von deinem Mann abhängig zu sein?“ CE: „Nein, habe ich nicht. Nur manchmal wenn ich etwas bestelle, kriege ich ein schlechtes Gewissen.“ WB: „Wie geht es dir mit deinen zwei Kindern?“ CE: „Sehr gut, es ist wirklich eine schöne, aber auch intensive Zeit.“ WB: „Was kommt dir spontan in den Sinn, wenn du das Wort Feminismus hörst?“ CE: „Eine extreme Bewegung mit dem Ziel der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau.“ WB: „Was bedeutet für dich Emanzipation?“

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CE: „Frauen an die Macht. Ich konnte mir zuerst nicht so wirklich etwas unter diesen beiden Begriffen vorstellen, obwohl man immer wieder davon hört. Darum habe ich auch ein wenig im Internet geforscht, um das Ganze zu betrachten.“ WB: „Glaubst du, dass sich die traditionelle Rolle als Hausfrau und Emanzipation ausschliessen?“ CE: „Nein, vielleicht verstehe ich es zu wenig oder beschäftige mich nicht genügend mit dieser Frage. Man redet immer davon, aber wirklich wissen worum es geht, tut man nicht.“ WB: „Siehst du auch negative Konsequenzen der Emanzipation?“ CE: „Nein, sehe ich keine.“ WB: „Denkst Du, dass der Prozess der Gleichberechtigung bereits abgeschlossen ist? CE: „Nein, noch nicht. Man wird nie auf einen grünen Zweig kommen. Doch vor allem bei der LohnFrage hapert es noch stark.“ WB: „Ist es schon einmal vorgekommen, dass Du das Gefühl hattest, als Frau benachteiligt zu sein?“ CE: „Auf der Arbeit wegen dem Lohn und bei den typischen Männersprüchen à la „du kannst das eh nicht, du bist eben eine Frau“ bezüglich Autofahren und Ähnlichem.“ WB: „Durch Literatur und ein Experteninterview habe ich erfahren, dass die Gleichberechtigung vor allem auch in den Köpfen der Frauen noch nicht vollzogen ist. Was denkst Du dazu?“ CE: „Ich glaube, dass zu diesem Prozess das Wahrnehmen von Rechten und Pflichten gehört. Ich will nicht ins Militär, aber die Männer kriegen auch keine Kinder, würden sie das, ginge ich auch ins Militär.“ WB: „Gehst du wählen?“ CE: „Ja, immer. Wenn man etwas ändern will, muss man sich auch einsetzen.“ WB: „Wie steht deine Meinung zu einer Frauenquote?“ CE: „Das Geschlecht sollte egal sein, nur die Fähigkeiten sollten zählen. Darum bin ich gegen eine Frauenquote.“ WB: „Gehen Frauen untereinander anders um als Männer?“ CE: „Oh ja, sogar ganz anders. Frauen sind viel zickiger und haben ein ganz anderes Konkurrenzdenken. Sie lästern viel mehr.“ WB: „Welche Person hat dich besonders beeindruckt?“ CE: „Meine Eltern, insbesondere meine Mutter. Sie haben mir gezeigt, dass es immer einen Weg gibt, wenn man sich nur anstrengt.“ WB: „Vielen Dank für das interessante Interview.“

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

15.6 Interview mit Christian Jaggi Interview mit Herrn Christian Jaggi, Arbeitnehmer bei der Schweizerischen-RückversicherungsGesellschaft, im Rahmen der Maturaarbeit von Winona Bruhin Galgenen, 26.August 2012 WB: „Was arbeitest Du und wie viel Prozent?“ CJ: „Ich arbeite bei der Schweizerischen Rückversicherungs-Gesellschaft in einer leitenden Position. Mein Pensum beträgt 100% von denen ich 20% auf Auslandsreisen bin. Gelegentlich arbeite ich auch samstags oder sonntags. Ich versuche, eine gute work-life-Balance zu erreichen, was manchmal ein wenig schwierig ist.“ WB: „Wie fühlst Du dich als Mann in der Gesellschaft?“ CJ: „Ich würde sagen, dass es einen Unterschied gibt zwischen der Arbeitswelt und dem Alltag auf dem Lande. Man geniesst als Mann viele Vorteile, die eine Frau nicht hat. Ich fühle mich wohl als Mann und man wird immer akzeptiert.“ WB: „Du hast zwei Kinder. Wie habt ihr die Betreuungsarbeit zu Hause geregelt?“ CJ: „Meine Frau hat als die Kinder noch ganz klein waren noch ein wenig gearbeitet. Unser Sohn war hyperaktiv und aufgrund dessen hat sie sich aus der Berufswelt zurückgezogen. Um trotzdem noch beruflich aktiv zu sein, hat sie angefangen, 20% zu arbeiten. Die Hauptbetreuung der Kinder trug sie.“ WB: „Empfindest Du es als Belastung, Haupternährer Deiner Familie zu sein?“ CJ: „Nein, überhaupt nicht. Das ist natürlich von Kultur zu Kultur unterschiedlich, bei einigen Kulturen sind die patriarchalischen Strukturen tiefer verwurzelt.“ WB: „Hättest du ein Problem damit -rein hypothetisch-wenn deine Frau mehr verdienen würde als du?“ CJ: „Nein, ich hätte kein Problem damit.“ WB: „Wenn es der ausdrückliche Wunsch Deiner Frau gewesen wäre, eine Karriere zu verfolgen, hättest du beruflich reduziert?“ CJ: „Ich glaube, wir hätten Wege gefunden um dies zu bewerkstelligen. Man kann ab einem bestimmten Punkt der Karriere aber nicht einfach aufhören, um zu reduzieren.“ WB: „Sollte man die väterliche Position zusätzlich stärken und wenn Ja, mit welchen Mitteln?“ CJ: „Es gibt die KMU-Welt in der Arbeitsreduktion schwierig zu bewerkstelligen ist. Noch hinzufügen würde ich, dass ich glaube, dass viele das auch gar nicht wollen. Man sollte mehr Möglichkeiten zur Teilzeitarbeit geben. Diese sind in der Finanzwelt besser. Es gibt sicher auch einige Männer, die nur auf der faulen Haut liegen mit der Ausrede, sie wären Hausmann.“ WB: „Wie stehst Du zu Teilzeitarbeit?“

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CJ: „Bei einer Arbeit die durchgeplant ist und bei Assistenzjobs, also personenunabhängiger Arbeit, ist Teilzeitarbeit eine gute Sache. Sobald jedoch spezifische Kenntnisse erforderlich sind und in Industriebetrieben ist Teilzeitarbeit sehr schwer einzusetzen.“ WB: „Wie beurteilst Du das klassische Familienmodell?“ CJ: „Wenn ich mir das jetzige Familienmodell anschaue, bin ich gar nicht überzeugt. Jede Familie lebt für sich und trägt für den eigenen Haushalt die alleinige Verantwortung. Meiner Meinung nach sollte man wieder zurück zur Grossfamilie. Damit meine ich, dass zum Beispiel mehrere Familien zusammen ein sehr grosses Haus kaufen und sich dann die Verantwortung und Arbeit untereinander aufteilen. So kann man die anfallenden Arbeiten wie Haushalt, Kinderbetreuung und Beruf aufteilen und es ist niemand dazu verpflichtet, alles alleine zu machen und auf die Arbeit zu verzichten. Die Frauen sind oft gegen dieses Modell, da sie zu hohe Ansprüche haben, insbesondere an sich selbst; sie wollen die perfekte Hausfrau, Ehefrau und Mutter seine.“ WB: „Wie beurteilst Du die Entwicklung, dass Frauen in Beruf und Familie aktiv sind?“ CJ: „Es ist relativ schwer, beides unter einen Hut zu bringen. Wenn die Frau für die Kinderbetreuung jemanden hat, auf den sie sich voll und ganz verlassen kann, dann habe ich nichts dagegen. Bei einer Nanny oder Krippe wird es schwierig, denn die Frau befindet sich permanent in einer Stresssituation und ist während der Arbeit oft mental bei ihrer Familie. Darum würde ich sagen, dass Beruf und Familie bis zu einem gewissen Grade miteinander harmonieren, doch in einer Führungsposition wird es sehr schwierig. Frauen schliessen sich oft selbst aus wegen mangelnder Flexibilität. Für Männer ist es zudem nicht einfach, zu Hause zu bleiben. Sie kennen so etwas nicht und haben diesbezüglich keine Erfahrungen. Ich glaube, das ist genetisch bedingt.“ WB: „Sind Mütter, die im Beruf trotz Kinder etwas erreichen wollen, Rabenmütter oder siehst Du dies als negatives Vorurteil?“ CJ: „Nein, sie sind bestimmt keine Rabenmütter. Allerdings gibt es im Segment von arbeitenden Müttern vielleicht etwa 10-15% Frauen, die sich emanzipieren und karrieretechnisch etwas erreichen wollen. Der Rest will einfach raus aus den vier Wänden und ein wenig arbeiten, um am Ball zu bleiben oder finanziell besser dazustehen.“ WB: „Wie könnte man die Situation von berufstätigen Müttern noch mehr verfestigen?“ CJ: „Das wichtigste wären Ganztagesschulen, wie es sie in Skandinavien gibt. Somit wäre ein grosser Stressfaktor aus dem Weg geschaffen. Teilzeitarbeitsstellen sind in Führungspositionen nicht besonders effektiv. Es ist berufsspezifisch und man muss die gesamte Industrie betrachten.“ WB: „Was bedeutet in Deinen Augen Emanzipation?“ CJ: „Aus meiner Sicht bedeutet es, selbstständig zu sein. Die Frau stellt sich auf die Hinterbeine und schluckt nicht mehr einfach alles, sondern wehrt sich. Dies zeigt sie auch im Beruf. Es ist eine Männerwelt; es wird gefightet und bei der Lösung ist jede Beleidigung vergessen. Frauen können das nicht, sie nehmen alles persönlich. Dies führt zu Schwierigkeiten, denn es ist ein Männergeflecht. Frauen müssen lernen, sich in diesem System zu bewegen. Bei Frauen unter sich herrscht oft Zickenkrieg und Mobbing.“

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

WB: „Glaubst Du, dass sich die Bedeutung im Laufe der Zeit verändert hat?“ CJ: „Absolut. Wenn man die Entwicklung von Alice Schwarzer bis zur heutigen Zeit betrachtet, gibt es schon immense Unterschiede. Man beachte nur die Frauen, die freiwillig ins Militär gehen.“ WB: „Denkst Du, dass es negative Konsequenzen der Emanzipation gibt?“ CJ: „ Ja, ich denke schon. Frauen wollen sehr viel. Durch die hohen Ansprüche setzen sie sich selber einem grossen Druck aus, was sogar zu einem Burn-Out führen kann. Diese Entwicklung schreibe ich nicht ausschliesslich der Emanzipation zu. Es ist vielmehr auch eine Vermischung davon mit Charaktereigenschaften.“ WB: „Siehst Du mögliche Benachteiligungen für den Mann?“ CJ: „Konkret sehe ich eine Benachteiligung bei Beförderungen. Der Mann hat dabei schlechtere Chancen. Auch die rechtliche Situation war früher schlimm, die ändert sich aber.“ WB: „Wie beurteilst Du den aktuellen Zustand der Emanzipation?“ CJ: „Ich habe den Eindruck, dass es momentan gar kein so grosses Thema mehr ist. Nur noch der Mangel an Frauen in Führungspositionen wird in den Medien angesprochen.“ WB: „Was können die Frauen unternehmen, um ihre Stellung zu verbessern?“ CJ: „Als Frau sollte man im Beruf die Emotionen zur Seite legen. Sie sehen oft Probleme, wo es gar keine gibt. Zudem sollten sie sich mehr ins System einbringen. Als Mann muss man das schliesslich auch. Man hat es nicht leichter, nur weil man ein Mann ist. Frauen müssen lernen, Prioritäten zu setzen. Ihr Harmoniebedürfnis ist ihnen dabei meistens hinderlich.“ WB: „Wie stehst Du zu Frauenquoten?“ CJ: „Ich bin geteilter Meinung. Eigentlich bin ich dagegen, denn sie nützen häufig gar nicht. Man muss sich ins System einfügen. Gute Frauen werden befördert. Das Problem ist, dass Frauen Frau bleiben will, dabei muss man einen Kompromiss finden.“ WB: „Was hast Du für ein Frauenbild?“ CJ: „Ein gestörtes. (Lacht). Viele Frauen wollen zu perfekt sein. Das kann sich schon bei der Einladung zu einem Abendessen zeigen; welche Tischsets, wie viele Salate, zwei verschiedene Stücke Fleisch zum Hauptgang und picobello geputzt muss auch noch sein. Männer nehmen das viel lockerer. Natürlich üben auch die in Magazinen abgebildeten Frauen Druck aus. Es ist aber nicht der Fall, dass Männer von ihren Frauen erwarten, wie diese Abbilder auszusehen. Aber das ist von Mann zu Mann verschieden. Einem Macho ist es vielleicht besonders wichtig, wie gut seine Freundin ausschaut und wie dünn sie ist.“ WB: „Hast Du je Nachteile erlebt aufgrund deines Geschlechts?“ CJ: „Nein, ich persönlich nicht.“ WB: „Welche Unterschiede kommen Dir spontan in den Sinn wenn du an Mann und Frau denkst?“ CJ: „Der Mann denkt nur mit einer Hirnregion aktiv; die Frau dagegen hat zwei Hörzentren, welche sie aktiv benutzt. Das bedeutet, sie kann hören und reden gleichzeitig. Ich bin der Ansicht, dass die

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

unterschiedliche Denkweise genetisch bedingt ist. Die Frauenhirne sind ausserdem mehr vernetzt. So sind unterschiedliche Fähigkeiten bemerkbar. Die Männer sind in Berufen, welche ein räumliches Vorstellungsvermögen erfordern, viel mehr vertreten. Frauen dagegen sind häufiger in sprachbezogenen Berufen zu finden.“ WB: „Woran denkst Du spontan beim Wort Feminismus?“ CJ: „Ich denke an Alice Schwarzer. Für mich hat das Wort einen negativen Beigeschmack. Die Feministinnen unter Schwarzer waren sehr provokant und haben es ein wenig übertrieben mit ihrem Männerhass.“ WB: „Hast Du schon einmal etwas von Antifeminismus-Organisationen gehört?“ CJ: „Mir kommt Eva Hermann in den Sinn, die mit ihrer Aufforderung, dass die Frauen wieder zurück an den Herd sollen, ziemlich viel Wirbel ausgelöst hat. Ansonsten habe ich noch nichts davon gehört.“ WB: „Gehen Frauen und Männer unterschiedlich miteinander um?“ CJ: „Sie haben ein anderes Konkurrenzverhalten. Frauen erzählen sich mehr und machen da auch nicht vor dem Privatleben halt, während dem Männer stundenlang über Fussball, Autos oder Ähnliches sprechen können. Privates bleibt bei Männer aber unbesprochen.“ WB: „Sollte für Frauen die Wehrpflicht obligatorisch und das Rentenalter gleich sein?“ CJ: „ Wenn man von Gleichberechtigung spricht, dann sollte es auch gleich sein. Allerdings funktioniert es schon rein physisch betrachtet nicht, Frauen wären eher hinderlich. Darum sollten sie nicht ins Militär gehen müssen. Dasselbe sollte aber auch für Männer gelten, die körperlich nicht in der Lage dazu sind. Beim Rentenalter sehe ich keinen Grund, warum es nicht gleich sein sollte. Hinzu kommt, dass Frauen ohnehin länger leben als Männer.“ WB: „Gehst Du wählen?“ CJ: „Ich gehe zu ungefähr 50% der Wahlen.“ WB: „Hast Du ein Vorbild?“ CJ: „Ich strebe niemandem nach und hatte nie Bildchen aufgehängt oder so was in der Art. Mich beeindrucken Menschen, die irgendwann selbstständig wurden und eine eigene Firma aufgebaut haben. Otto Ineichen oder Nicola Hayek finde ich faszinierend. Menschen die ein Geschäft aufgebaut haben, zu Geld kamen und sich dann für eine Sache einsetzen finde ich bemerkenswert.“ WB: „Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview."

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

15.7 Interview mit Jolanda Fleischli Interview mit Frau RA lic. iur. Jolanda Fleischli, einer selbstständigen Rechtsanwältin, im Rahmen der Maturaarbeit von Winona Bruhin Lachen, 16.Mai 2012 WB: „Was reizt Sie an Ihrem Beruf besonders?“ JF: „ Mein Beruf ist äusserst vielseitig und abwechslungsreich, was mir sehr gefällt. So gehört zu meiner Arbeit das Führen von Prozessen, das Ausarbeiten von Rechtsschriften, Verträgen, Plädoyers, Erteilen von Rechtsauskünften, Teilnahme an Verhandlungen, Beratungen, Besprechungen etc.. Ich schätze im Weiteren den Kontakt mit den Menschen, die oft auch in schwierigen Lebenssituationen wie bei Scheidungen etc. an mich gelangen. Ein schöner Aspekt der Arbeit ist zudem die Hilfe und Unterstützung, die ich meinen Klienten zukommen lassen kann. Dabei ist zu beachten, dass die gütliche Erledigung von Streitigkeiten, sofern diese im Interesse der Mandanten liegt, von den Rechtsanwälten zu fördern ist.“ WB: „Wollten Sie schon immer als Anwältin arbeiten?“ JF: „Nein, es ergab sich. Nach der Matura interessierten mich 3 Studienrichtungen, nämlich Archäologie, Pädagogik und Jura. Die Berufsberatung zeigte mir dann auf, dass das Jus-Studium den Einstieg in die verschiedensten Berufe ermöglicht, weshalb ich mich für diese Studienrichtung entschied. Nach dem Lizenziat absolvierte ich einen Sprachaufenthalt in England und bewarb mich vor meiner Abreise einerseits als Flight Attendant und andererseits bei verschiedenen Gerichten für eine Praktikumsstelle. Damals bestanden lange Wartezeiten für solche Praktiken. Als ich in England war, erhielt ich die Zusage des Bezirksgerichtes March. Ich nahm diese Chance wahr. Danach absolvierte ich bei einem Anwalt das weitere Praktikum. Die praktische Arbeit hat mir sehr gut gefallen und so wusste ich, dass Anwältin der richtige Beruf für mich ist. Ich entschied mich deshalb, die Anwaltspatent zu erlangen und bin nun als selbständige Anwältin tätig.“ WB: „Besteht Ihre Kundschaft vermehrt aus Frauen?“ JF: „Nein, ich habe eine sehr unterschiedliche Klientschaft. Dazu gehören Männer wie Frauen, aber auch Unternehmen. Ab und zu sind es auch Kinder, wie z.B. bei sexuellem Missbrauch, bei Beistandschaften, bei Scheidungen als Kinderanwältin etc..“ WB: „In der Schweiz wurde das Frauenstimmrecht erst 1971 eingeführt, viele Frauen waren anfangs dagegen, worin sehen Sie mögliche Gründe?“ JF: „Damals galt vorab noch die klassische Rollenverteilung. Die Frau hatte Mutter und Hausfrau zu sein. Das könnte unter anderem ein Grund gewesen sein.“ WB: „Gibt es auf gesetzlicher Basis noch etwas, das man für die Frauen tun könnte?“ JF: „Es gibt bereits sehr viele diesbezügliche Gesetze. Vielfach werden die Gegebenheiten jedoch einfach akzeptiert.“ WB: „In der BV sind Frauen seit 1981 durch Artikel 8 dem Manne gleichgestellt. Trotzdem werden sie zum Beispiel im Lohnbereich noch diskriminiert. Werden Sie oft mit solchen Fällen konfrontiert?“

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JF: „Nein; Meine Nachfrage bei einem Kollegen, der früher bei der kantonalen Schlichtungsstelle für Diskriminierungsstreitigkeiten im Erwerbsleben tätig war, ergab, dass diese Stelle im Durchschnitt ein Fall pro Jahr zu behandeln hatte. “ WB: „In den meisten Fällen sind Frauen immer noch schlechter gestellt in Bezug auf den Lohn o. Ä. als Männer, was kann man dagegen unternehmen in Ihren Augen?“ JF: „Entsprechende gesetzliche Grundlagen wären vorhanden. Aber auch hier werden vielfach solche Unterschiede akzeptiert.“ WB: „Gibt es Bereiche, wo der Mann schlechter gestellt ist?“ JF: „Bei strittiger Kinderzuteilungen ist es meines Erachtens auch heute noch für den Mann schwieriger, die Zuteilung der Kinder an ihn zu erreichen.“ WB: „Ist das Scheidungsrecht einseitig ausgerichtet?“ JF: „Nein, bei einer Scheidung spielen jedoch verschiedene Faktoren eine Rolle und es müssen verschiedene Punkte berücksichtigt werden.“ WB: „Was bedeutet für Sie Emanzipation?“ JF: „Die Freiheit, selber zu entscheiden, was mir wichtig ist, ohne dabei nur auf die eigenen Bedürfnisse Rücksicht zu nehmen.“ WB: „Glauben Sie, dass sich die Bedeutung im Laufe der Jahre geändert hat?“ JF: „Ja, in diesem Bereich ist ja auch einiges passiert. Vieles ist heute selbstverständlich, was noch vor einigen Jahren nicht der Fall war.“ WB: „Was halten Sie vom aktuellen Zustand der Emanzipation?“ JF: „ Es bestehen heute sehr viele Möglichkeiten. Häufig werden sie aber nicht genutzt.“ WB: „Gab es Situationen, in denen Sie sich aufgrund Ihres Geschlechts benachteiligt fühlten?“ JF: „Nein, es war teilweise sogar umgekehrt. Aufgrund meines Geschlechtes und meiner Ausbildung wurde ich z.B. sehr für politische Ämter und Aufgaben etc. angefragt.“ WB: „Fühlen Sie sich gleichberechtigt?“ JF: „ Ja.“ WB: „Gibt es etwas, das speziell die Frauen tun könnten, um ihre Stellung zu verbessern?“ JF: „Sich dafür einzusetzen, was ihnen wichtig ist und selbstbewusst ihre Ideen umzusetzen und zu vertreten.“ WB: „Sehen Sie Schattenseiten der Emanzipation?“ JF: „ Grundsätzlich nein. Eine Gleichstellung der Geschlechter sollte jedoch nicht in eine Gleichmachung münden.“

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

WB: „Leidet der Mann unter dem Fortschritt der Frau, zum Beispiel die materielle Unabhängigkeit?“ JF: „Ich denke, es gibt Männer, die schätzen die materielle Unabhängigkeit der Frau, da damit weniger Verantwortung und Druck auf ihnen lastet. Andererseits gibt es Männer, wie aber auch Frauen, die sich klar für das traditionelle Rollenbild, nach welchem die Frau keiner auswärtigen Tätigkeit nachgeht, sondern Hausfrau und Mutter ist, aussprechen.“ WB: „Sehen Sie einen Zusammenhang zwischen der erhöhten Scheidungsrate und den Fortschritten der Emanzipation?“ JF: „Nein. Was ich jedoch feststelle ist, dass die heutige Gesellschaft, d.h. Männer und Frauen, weniger kompromissbereit und teilweise sehr egoistisch sind. Kompromisse etc. gehören jedoch zu einer Beziehung.“ WB: „Woran denken Sie spontan, wenn Sie das Wort Feminismus hören?“ JF: „Spontan nichts. Bei längerem Überlegen kommen mir Wörter wie Gleichberechtigung, Selbstbestimmung, Sexualität in den Sinn.“ WB: „Durch Interviews und Literatur habe ich erfahren, dass die Gleichberechtigung vor allem auch in den Köpfen vieler Frauen noch nicht richtig angekommen und verankert ist. Wie würden Sie das deuten?“ JF: „Diesbezüglich spielt meines Erachtens unter anderem die Familie, die Erziehung, das Umfeld, die Kultur und die Bildung eine Rolle. Hin und wieder stelle ich auch mangelndes Interesse und Selbstbewusstsein fest.“ WB: „Gleichberechtigt sein bedeutet, gleiche Rechte und Pflichten zu haben, demnach sollte für die Frauen die Wehrpflicht obligatorisch sein und das Rentenalter gleich. Wie sind Ihre Ansichten dazu?“ JF: „Mann und Frau .unterscheiden sich z.B. biologisch, weshalb eine absolute Gleichberechtigung/Gleichmachung bereits deshalb nicht möglich ist. Bei Sportanlässen wie z.B. in der Leichtathletik werden die Wettkämpfe zwischen den Frauen einerseits und den Männern andererseits ausgetragen, d.h. es treten nicht Männer gegen Frauen an, denn dabei würden die Frauen sicherlich schlechter abschneiden. In diesem Sinne bin ich der Meinung, dass es keine absolute Gleichberechtigung gibt. Bezüglich des Rentenalters vertrete ich die Ansicht, dass dieses für Mann und Frau gleich sein sollte. Bei der Wehrpflicht sehe ich eine Gleichstellung aufgrund der erwähnten körperlichen Unterschiede als problematischer an.“ WB: „Haben Sie ein Vorbild?“ JF: „Nein. Im Verlaufe dieses Interviews ist mir jedoch durch den Kopf gegangen, dass meine Eltern mir in Bezug auf Selbstständigkeit, Gleichberechtigung etc. viel vorgelebt hat. So hat meine Mutter nebst den fünf Kindern im Geschäft meines Vaters mitgearbeitet und die Buchhaltung erledigt. Hingegen hat sich mein Vater ebenfalls um die Kinder gekümmert, soweit das sein Beruf zuliess.“ WB: „Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview.“

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Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

15.8 Fragebogen Gymnasialklasse

Umfrage bei einer Gymnasialklasse Mein Name ist Winona Bruhin und in Folge meiner gymnasialen Ausbildung darf ich eine Maturaarbeit schreiben. Als Thema habe ich die Emanzipation und Gleichberechtigung der Frau gewählt und möchte diese in der heutigen Zeit untersuchen. Die durch die Umfrage erreichten Ergebnisse werden in meine Arbeit einfliessen.

1.

Du bist ein/e

O Mann

O Frau

2.

Wie alt bist Du?

3.

„Du bist eine Feministin“ – ist für mich….

O negativ

O positiv

4.

Was bedeutet für Dich Feminismus?

5.

Was bedeutet für Dich Emanzipation?

6.

Bist Du für eine Frauenquote in den Bereichen Politik und Beruf?

O Beruf

O Politik

O Nirgends

Wenn Ja, warum und wenn Nein, warum:

7.

Hast Du dich je aufgrund Deines Geschlechts benachteiligt gefühlt?

O Ja Falls Ja, in welcher Situation?

O Nein

79

Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

8.

Sollte auch für Frauen die Wehrpflicht obligatorisch sein?

O Ja

O Nein

Wenn Ja, warum und wenn Nein, warum:

9.

Nenne mir drei beeindruckende Persönlichkeiten

Erkläre mir an einer der dreien, warum Du diese gewählt hast:

10. Was sind für dich geschlechtstypische, charakteristische Attribute abgesehen vom Aussehen bei Mann und Frau? Nenne je drei.

Geschlechtsspezifische Fragen für Frauen: 11.

Glaubst Du, dass sich ein Beruf und Kinder gut vereinbaren lassen?

O Ja

O Nein

Begründe bitte, warum Du Ja oder Nein angekreuzt hast:

12.

Ist eine gezielte Frauenförderung noch nötig?

O Ja

O Nein

13. Falls Du bei Frage 12 Ja gestimmt hast, in welchen Bereichen fändest Du es nötig?

Geschlechtstypische Fragen für Männer: 14.

Was hältst Du von Job-Sharing?

80

Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

15.

Wäre es ein Problem für Dich, wenn Du weniger als Deine Frau verdienen würdest?

16.

Könntest Du Hausmann sein? O Ja

Vielen Dank für Deine Mithilfe

O Nein

81

Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

15.9 Fragebogen Publikum

Umfrage zur Emanzipation und Gleichberechtigung Mein Name ist Winona Bruhin und in Folge meiner gymnasialen Ausbildung darf ich eine Maturaarbeit schreiben. Als Thema habe ich die Emanzipation und Gleichberechtigung der Frau gewählt und möchte diese in der heutigen Zeit untersuchen. Die durch die Umfrage erreichten Ergebnisse werden in meine Arbeit einfliessen.

1.

Sie sind ein/e

O Mann

O Frau

2.

Wie alt sind Sie?

3.

Wie lautet Ihr Beruf und wie viel Prozent arbeiten Sie?

4.

„Du bist eine Feministin“ – ist für mich….

O negativ

O positiv

5.

Was stellt in Ihren Augen Feminismus dar?

6.

Was verstehen Sie unter Emanzipation?

7.

Gibt es Momente, in denen Sie sich nicht gleichberechtigt fühlen?

8.

Worin sehen Sie mögliche Schwachpunkte in der Umsetzung der Gleichberechtigung?

9.

Sind Sie für eine Frauenquote in den Bereichen Politik und/oder Beruf?

O Beruf

O Politik

Wenn Ja, warum und wenn Nein, warum:

O Nirgends

82

Emanzipation – ein Segen oder ein Fluch?

10.

Ist eine gezielte Frauenförderung noch nötig?

O Ja

O Nein

11.

Falls Sie bei Frage 10 Ja gestimmt haben, in welchen Bereichen wäre es verbesserungswürdig?

12.

Haben Sie sich je aufgrund Ihres Geschlechts benachteiligt gefühlt?

O Ja

O Nein

Falls Ja, in welcher Situation?

13.

Was sehen Sie als Gründe für die steigende Scheidungsrate?

14.

Sollte auch für Frauen die Wehrpflicht obligatorisch sein?

O Ja

O Nein

Wenn Ja, warum und wenn Nein, warum:

15.

Wird der Mann zu wenig in den Prozess der Emanzipation miteinbezogen?

O Ja

O Nein

Bitte begründen Sie Ihre Wahl:

16.

Wer ist loyaler?

O Mann 17.

O Frau

O Beide gleich

Welche beeindruckende Persönlichkeit kommt Ihnen sofort in den Sinn und warum?

Vielen Dank für Ihre Mithilfe

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