Elektronische Masterarbeiten

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Deutsche Hochschule der Polizei

Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit Hochschule der Polizei

Eine empirische Untersuchung am Beispiel verdachtsunabhängiger Kontrollen bayerischer Dienststellen aus strategischer Sicht. Hochschule der Polizei

Hochschule der Polizei Deutsche Hochschule der Polizei

Masterarbeit Betreuer:

Ltd. KD Rainer Kasecker (DHPOL)

Zweitgutacher: Prof. Dr. Thomas Görgen (DHPOL)

Fotos mit freundlicher Genehmigung der Polizeiinspektion Fahndung Traunstein

von Bernhard Resch

Münster, 27. Juli 2009

1

Inhalt 1.

Einführung ..................................................................................................4

2.

Klärung der Schlüsselbegriffe ....................................................................6

3.

2.1

Befugnis zu verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen ................6

2.2

Verdachts- und Ereignisunabhängigkeit aus polizeitaktischer Sicht ........7

2.3

Spezialisierte Fahndungsarbeit ...............................................................8

Problemdarstellung ....................................................................................9 3.1

4.

5.

Was bedeutet Erfolg in der Schleierfahndung? .......................................9

3.1.1

Prävention...........................................................................................9

3.1.2

Das polizeiliche Hellfeld................................................................... 10

3.1.3

Das polizeiliche Dunkelfeld .............................................................. 11

3.2

Erfolgskritische Faktoren .................................................................. 13

3.2.1

Organisatorische Faktoren ................................................................ 14

3.2.2

Kognitive Faktoren ...........................................................................15

3.2.3

Umweltfaktoren ................................................................................16

3.2.4

Einflussfaktoren durch das Kontrollklientel ......................................16

3.2.5

Einflussfaktoren durch polizeiliche Auskunftsdienste ....................... 17

Rahmenbedingungen ................................................................................17 4.1

Entstehung und Historie der Schleierfahndung ..................................... 17

4.2

Organisation und Dienstbetrieb ............................................................ 19

4.2.1

Unterstellungsverhältnis ................................................................... 19

4.2.2

Zentrale Fahndungskoordination – BLKA, Dezernat 54 .................... 19

4.2.3

Personal- und Sachausstattung der PI Fahndung ............................... 20

4.2.4

Diensteinteilung ................................................................................22

4.2.5

Aus- und Fortbildung ........................................................................ 22

Stand der Literatur .................................................................................. 24 5.1 Notwendigkeit einer verdachts- und ereignislosen Kontrollbefugnis ........ 25 5.2 Selektionspraxis ........................................................................................ 27

2 5.3 Erfolgsdarstellung der Schleierfahndung ................................................... 30 6.

Darstellung der Untersuchungsmethode .................................................32 6.1

Theoriebildung ..................................................................................... 32

6.2

Quantitative Untersuchung ................................................................... 33

6.2.1

Beschreibung der Stichprobe ............................................................ 33

6.2.2

Aufbau des Fragebogens ................................................................... 34

6.2.3

Ablauf der quantitativen Untersuchung .............................................35

6.3

7.

Qualitative Untersuchung ..................................................................... 35

6.3.1

Auswahl der Experten ....................................................................... 36

6.3.2

Aufbau des Interview-Leitfadens ...................................................... 36

6.3.3

Ablauf der qualitativen Untersuchung ...............................................37

Untersuchungsergebnisse ......................................................................... 38 7.1

Quantitative Untersuchung ................................................................... 38

7.1.1

Struktur der Befragungsgruppe ......................................................... 38

7.1.2

Kognitive, organisatorische und Umweltfaktoren.............................. 40

7.1.3

Motivation ........................................................................................ 44

7.1.4

Aus- und Fortbildung ........................................................................ 46

7.1.5

Polizeiliche Auskunftsdienste ........................................................... 47

7.1.6

Faktoren durch das Kontrollklientel .................................................. 48

7.1.7

Erfolg ............................................................................................... 51

7.1.8

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ............................... 53

7.2

Qualitative Untersuchung ..................................................................... 54

7.2.1

Begriffsdefinition der spezialisierten Fahndungsarbeit ...................... 55

7.2.2

Kognitive, organisatorische und Umweltfaktoren.............................. 55

7.2.3

Erfolg ............................................................................................... 60

7.2.4

Aus- und Fortbildung ........................................................................ 62

7.2.5

Motivation ........................................................................................ 63

7.2.6

Faktoren durch das Kontrollklientel .................................................. 64

3

8.

9.

7.2.7

Polizeiliche Auskunftsdienste ........................................................... 68

7.2.8

Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse ............................... 70

Zusammenfassende Diskussion und Hypothesenprüfung ....................... 72 8.1

Erfolg ................................................................................................... 72

8.2

Kognitive Faktoren...............................................................................73

8.3

Organisatorische Faktoren .................................................................... 75

8.4

Umweltfaktoren ................................................................................... 78

8.5

Polizeiliche Auskunftsdienste ............................................................... 79

8.6

Faktoren durch das Kontrollklientel...................................................... 80

8.7

Ergänzende Betrachtungen ................................................................... 82

Konsequenzen für erfolgreiche Schleierfahndungskontrollen ................83

10. Schlussbetrachtungen und Ausblick ........................................................ 89 Literaturverzeichnis.............................................................................................91 Anlagen..................................................................................................................94 Anlage 1: Fragebogen und Anschreiben Anlage 2: Grafische Darstellung aller quantitativen Untersuchungsergebnisse Anlage 3: Interview-Leitfaden Anlage 4: Anonymisierte Liste der Interviewpartner Anlage 5: Datenblatt für Experteninterviews Anlage 6: Kurzprotokolle zu 6 Experteninterviews Anlage 7: Statistikauszug BLKA München

4 1. Einführung

Durch das Inkrafttreten des Schengener Durchführungsübereinkommens (SDÜ) 1 im Jahre 1985 hat die Freizügigkeit im europäischen Raum eine noch nie dagewesene Dimension erhalten. Heute ist es den Bürgern möglich, ohne systematische Grenzkontrollen vom Nordkap bis Sizilien und von der Ostgrenze Polens bis nach Portugal zu reisen. Begleitet wurde der sukzessive Abbau von Grenzkontrollen innerhalb des Schengen-Gebietes von jeher mit kritischen Berichten und Prognosen zur Entwicklung der inneren Sicherheit. Kritiker befürchteten, gerade bedingt durch die Osterweiterung des Schengen-Raumes, einen eklatanten Anstieg der grenzüberschreitenden Kriminalität.2 In Bayern entfielen mit dem Beitritt Österreichs zum Schengen-Raum zum 01.04.98 die systematischen Grenzkontrollen an einer der Außengrenzen. Der über Jahrzehnte durch die Bayerische Grenzpolizei geschaffene stationäre Fahndungsfilter Grenze musste durch effektive Ausgleichsmaßnahmen ersetzt werden. Unter Beachtung der Schengen-Standards3 wurden im Grenzgebiet zu Österreich zwei Polizeiinspektionen Fahndung (PIF) errichtet. Mit mobilen, selektiven Kontrollen sollte einem Anstieg der international verflochtenen Kriminalität vor dem Hintergrund der ständig steigenden Mobilität der Straftäter wirksam begegnet werden. Der Fahndungsraum wurde durch eine eigens hierfür geschaffene Kontrollbefugnis verdachts- und ereignisunabhängiger Kontrollen4 auf einen Fahndungsschleier von 30 Kilometern entlang der Grenze, sowie auf Haupt- und Durchgangsstraßen definiert. Erste Fahndungserfolge stellten sich rasch ein und die neu geschaffene „Schleierfahndung“5 wurde von Politik, der Öffentlichkeit und den Medien

1

Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen, BGBl. 1993 II, S. 1010. 2 Vgl. Kirchleitner (2002), S. 104. 3 Bezeichnet die in Art. 2 des Schengener Durchführungsübereinkommen SDÜ vereinbarten Standards, u.a. der Verhinderung einer „zweiten Grenzlinie“. 4 Vgl. Schmidbauer/Steiner (2006), Bayerisches Polizeiaufgabengesetz, Art. 13 I Nr. 5, S. 153. 5 Die Terminologie der „Schleierfahndung“ wurde durch den damaligen Bayer. Staatsminister des

5 schnell

als bayerisches Erfolgsmodell bezeichnet.

Gerade der Transfer

grenzpolizeilichen Erfahrungswissens durch die Übernahme eines Großteils des Personalkörpers in die neue Organisationsform der Polizeiinspektionen Fahndung wurde als Erfolgsfaktor angesehen. Trotzdem verstummen Kritiker der verdachtsunabhängigen Kontrollen nicht und werfen der Polizei stattdessen vor, aufgrund von internen Fahndungsrastern,

kognitiven Schemata oder gar

einfachen Stereotypen6 ihr Kontrollklientel auszuwählen. Ziel der Untersuchung soll es sein, die erfolgskritischen Faktoren dieser spezialisierten Form der Fahndung herauszuarbeiten und deren Relevanz für die Ergebnisse der Schleierfahndung zu hinterfragen. Das Augenmerk liegt hierbei auf strategischen Gesichtspunkten. Unbestritten ist, dass gerade bei der Verdachtsgewinnung psychische Mechanismen wie kognitive Kategorisierung und sozialpsychologische Aspekte der sozialen Einstellung 7 eine wesentliche Rolle spielen können. Diese Einflussfaktoren sind jedoch nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

Die der Masterarbeit zugrunde liegende Untersuchungshypothese lautet:

Je größer die Erfahrung, je gezielter die strategische Ausrichtung, je besser der fachspezifische Wissensstand und die technische Ausstattung sind, desto erfolgreicher ist die Schleierfahndung.

Die empirische Untersuchung basiert hierbei auf zwei Methoden:

Mittels

standardisiertem

Fragebogen

wurden

Fahndungsbeamte 8

der

Polizeiinspektionen Fahndung in Rosenheim und Traunstein, mit den beiden nachgeordneten

Fahndungsstationen

erfolgskritischer

Faktoren

und

Kreuth

deren

und

Relevanz

Burghausen, in

der

bezüglich

spezialisierten

Innern, Dr. Beckstein, geprägt und bezeichnet einen flächendeckenden „Fahndungsschleier“ entlang der Grenze, dessen rechtliche Voraussetzung die verdachts- und ereignisunabhängige Personenkontrolle zur Identitätsfeststellung (Art. 13 I Nr. 5 BayPAG) darstellt. Vgl. Bayerns Polizei 3/98, S. 71. 6 Vgl. Herrnkind (2000), S. 11. 7 Vgl. Bergmann (2001), S. 4. 8 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit und Übersichtlichkeit wird in der gesamten Arbeit ausschließlich die maskuline Form gewählt (z.B. Beamter). Der Autor bittet freundlich darum, hieran keinen Anstoß zu nehmen.

6 Fahndungsarbeit befragt. Diese quantitative Methode wurde vor allem deshalb gewählt, um die Häufigkeitsverteilung einer großen Anzahl von Beamten zu messen und statistisch valide Feststellungen treffen zu können. Nach Auswertung der Ergebnisse wurde ein Interviewleitfaden entworfen und weitere fünf Beamte mittels Experteninterview

vertiefend zur Thematik befragt. Mit

dieser

qualitativen Methode wurde ein themenfokussiertes Gespräch in Gang gebracht, das ergänzende, über die mehr oder weniger engen Antwortkategorien des standardisierten Fragebogens hinausgehende Aussagen ermöglichte.9

Um darüber hinaus weitere, wenn auch aus statistischen Gründen nicht vergleichbare Einschätzungen zu erhalten, wurde über die Befragung von Beamten

der

Bayerischen

Schleierfahndung

hinaus

zusätzlich

ein

Fahndungsbeamter der Bundespolizei befragt.

2. Klärung der Schlüsselbegriffe

2.1 Befugnis zu verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen

Der bereits in der Einleitung beschriebene Wegfall der Filterfunktion durch stationäre Grenzkontrollen an den Außengrenzen erforderte ein neuartiges, rechtliches Instrumentarium, das über bisherige, konkrete Verdachtsmomente voraussetzende Kontrollbefugnisse hinausgehen musste.10 Durch das Gesetz zur Änderung polizeirechtlicher Vorschriften vom 23.01.1994, führte der Freistaat Bayern neben weiteren fünf Bundesländern11 die rechtliche Befugnis verdachtsund ereignisunabhängiger Kontrollen ein. Der daraufhin in das Bayerische Polizeiaufgabengesetz eingefügte Art. 13 I Nr. 5 lautet seither wie folgt: „Die Polizei kann die Identität einer Person feststellen... im Grenzgebiet bis zu einer Tiefe von 30 Kilometern, sowie auf Durchgangsstraßen (Bundesautobahnen, Europastraßen, und anderen Straßen von erheblicher Bedeutung für den

9

Vgl. Mieg & Näf (2005), S. 4. Vgl. Walter (1999), S. 33. 11 Baden-Württemberg, Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen, Sachsen, Niedersachsen. 10

7 grenzüberschreitenden

Verkehr)

und

in

öffentlichen

Einrichtungen

des

internationalen Verkehrs zur Verhütung oder Unterbindung der unerlaubten Überschreitung der Landesgrenze oder des unerlaubten Aufenthalts und zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität...“12 Die Einführung der Vorschrift führte zu einem rechtspolitischen Diskurs, stellte sie doch der Polizei die Befugnis anheim, ohne konkrete Verdachtsmomente einer Straftat im Sinne der Strafprozessordnung oder dem Vorliegen einer Gefahr im Sinne des Polizeiaufgabengesetzes, Personen zur Identitätsfeststellung anzuhalten.

Bislang war eine solche „verdachtslose“ polizeiliche Befugnis

lediglich in Form des § 36 Abs. V StVO,13 für die Anhaltung zur allgemeinen Verkehrskontrolle bekannt. Politiker verschiedenster Parteien, Verfassungs- und Bürgerrechtler befürchteten eine ungerechtfertigte Ausweitung polizeilicher Befugnisse. Sie kritisierten mangelnde Normenklarheit, fehlende Zuständigkeit des Landesgesetzgebers und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Im Jahre 2003 mündeten die Bedenken in einer Verfassungsbeschwerde, konnten die Norm in ihrer heutigen Gültigkeit jedoch nicht verhindern. Der rechtsdogmatische Diskurs soll an dieser Stelle nicht näher ausgeführt werden. Die polizeiliche Befugnis zu verdachts- und ereignisunabhängigen Kontrollen in Form des Art. 13 Abs. I Nr. 5 PAG14 ist für den Geltungsbereich des Freistaates Bayern Fakt und stellt die zentrale gesetzliche Grundlage zur Durchführung der Schleierfahndung dar.

2.2 Verdachts- und Ereignisunabhängigkeit aus polizeitaktischer Sicht

Die rein begriffliche Interpretation der Verdachts- und Ereignislosigkeit polizeilicher Kontrollen würde für die Kontrollpraxis bedeuten, dass aus einer durch strategische Festlegung der Kontrolle bestimmten Gesamtmenge, eine Zufallsstichprobe gezogen und diese auf rechtskonformes Verhalten hin überprüft 12

Art. 13 I Nr. 5 BayPAG, in der Form des PolRÄndG v. 23.01.1994. Straßenverkehrsordnung. 14 Polizeiaufgabengesetz Bayern. 13

8 würde. Dies kann jedoch lediglich für die taktische Variante der Totalkontrolle oder für den Fall gelten, dass aus einem Verkehrsstrom eine festgelegte Abfolge von Fahrzeugen, z.B. jedes Zehnte, zur Kontrolle angehalten würde. Bereits 1993 stellte das Polizeipräsidium Niederbayern/Oberpfalz hierzu fest, dass die Durchführung von Totalkontrollen einen hohen Personaleinsatz erforderlich macht, massive Verkehrsstörungen mit sich bringt und sich die Aufgriffserfolge in Grenzen halten.15 Eine in nachfolgender Untersuchung noch zu erhärtende These lautet, dass der Großteil der täglichen Schleierfahndungskontrollen als Selektivkontrollen angelegt ist und nicht völlig zufällig erfolgt. Herrnkind spricht in diesem Zusammenhang von motivisch gesteuerten Selektivkontrollen, da in jedem Einzelfall ein wie auch immer geartetes Motiv besteht „diese und nicht jene“ Person zu kontrollieren. 16 Bei bereits o.g. begriffstheoretischer Auslegung ist hier die Verdachts- und Ereignislosigkeit zumindest fraglich, da die Selektivkontrollen an konkrete Merkmale geknüpft sind. Die Polizei verfügt hier über weitestgehende Definitionsmacht.17

2.3 Spezialisierte Fahndungsarbeit

Bereits der Terminus deutet auf eine Differenzierung zur allgemeinen Fahndungsarbeit der Polizei hin. Spezialisierung im Wortsinn bedeutet, sich in einem an sich größeren Rahmen auf ein bestimmtes, besonderes Gebiet zu konzentrieren18.

Den größeren Rahmen stellt hier die allgemeine Fahndung,

definiert als eine vom Einzelfall unabhängige Überprüfung von Personen und Objekten dar. Die gezielte Fahndung besteht hingegen in der planmäßigen Suche nach Personen oder Sachen aufgrund konkreter Hinweise.19 Beide Definitionen treffen für die Fahndungsarbeit der Schleierfahndung nicht zu. Zwar ist deren 15

Vgl. Herzing (1998), S. 73. Vgl. Herrnkind (2000), S. 5. 17 Vgl. ebenda, S. 5. 18 Vgl. Neues Deutsches Wörterbuch (2007). 19 Vgl. Polizeidienstvorschrift PDV 384.1, Polizeiliche Fahndung. 16

9 Fahndungstätigkeit ereignislos, also Teil der allgemeinen Fahndung, konzentriert sich jedoch auf bestimmte Deliktsfelder und Örtlichkeiten, ist also spezialisiert.

3. Problemdarstellung

3.1 Was bedeutet Erfolg in der Schleierfahndung?

Eine wesentliche Determinante der Untersuchungshypothese besteht in der Begrifflichkeit des Erfolges. Die Definition von Erfolg als ein positives Ergebnis oder das positive Resultat persönlichen Handelns20 macht bereits deutlich, dass der Erfolg polizeilicher Schleierfahndungskontrollen nicht einfach zu messen ist. Worin besteht das positive Ergebnis der Schleierfahndung?

3.1.1 Prävention

Eine Möglichkeit wäre, den Erfolg an der Zielrichtung der Befugnisnorm verdachts- und ereignisunabhängiger Kontrollen nach Art. 13 Abs. I Nr. 5 PAG zu messen. Die Norm entspringt dem Polizeirecht, ist also präventivpolizeilicher Natur. Zwar dürfte unbestritten sein, dass durch die Durchführung von Fahndungskontrollen im grenznahen Raum sowohl generalpräventive 21 als auch spezialpräventive22 Wirkungen erzielt werden. Eine Messung dieser Wirkungen erscheint

jedoch

Kriminalitätsfeldern, Wohnbevölkerung

nur in oder

schwer denen von

möglich.

Im

beispielsweise Straftätern,

Gegensatz durch

zu

anderen

Befragungen

Erkenntnisse

über

der die

Präventionswirkung polizeilicher Maßnahmen gewonnen werden können, sind 20

Vgl. Neues Deutsches Wörterbuch (2007), S. 245. Die Generalprävention zielt auf die Gesellschaft ab und unterteilt sich weiter in positive und negative Generalprävention. Positiv: Die positive Generalprävention soll das Vertrauen der Gesellschaft in die Rechtsordnung stärken. Negativ: Die negative Generalprävention soll die Gesellschaft von der Begehung einer Tat abschrecken, indem ins Bewusstsein gerufen wird, welche Strafen folgen können (Anselm von Feuerbach). 22 Die Spezialprävention zielt auf den Täter selbst ab und unterteilt sich ebenfalls in positive und negative Spezialprävention (Franz von Liszt). Positiv: Die positive Spezialprävention soll zur Besserung des Täters und seiner Resozialisierung führen. Negativ: Die negative Spezialprävention möchte die Allgemeinheit vor dem Täter schützen und den Täter durch Strafe davon abbringen, nochmals eine Tat zu begehen. 21

10 entsprechende Erhebungen in einer ständig wechselnden, oft lediglich im Transitverkehr durchreisenden Befragungsmenge nur begrenzt durchführbar. Wissenschaftliche Studien auf diesem Gebiet fehlen bisher gänzlich.

3.1.2 Das polizeiliche Hellfeld

Eine weitere Möglichkeit sich dem Erfolg von Schleierfahndungskontrollen zu nähern, ist die Messung zählbarer Ergebnisse, also des Umfangs des polizeilichen Hellfeldes. 23 Bei Betrachtung der Straftatenverteilung zu den durch die Polizeiinspektionen Fahndung24 festgestellten Delikten zeigt sich, dass der überwiegende Anteil auf Initiativfeststellungen in den Bereichen der Ausländer-, Betäubungsmittel- und Urkundenkrimialität, sowie der Kfz-Verschiebung (Hehlerei) basiert. Die Delikte sind demnach der klassischen Kontrollkriminalität zuzurechnen. Kasecker fasst die seinerseits der Literatur entnommenen Merkmale der Kontrollkriminalität in eine Definition zusammen. Kontrollkriminalität umfasst demnach Delikte, die durch proaktive Überwachung formeller oder informeller Instanzen aus einem großen Dunkelfeld in das Hellfeld gerückt werden, wobei die Ermittlungen üblicherweise personenbezogen begonnen werden und die Tat bei Feststellung bereits geklärt ist.25 D.h.

die

in

der

Polizeilichen

Kriminalstatistik 26

aufgeführten

Kriminalitätsquotienten der Aufklärungsquote, Häufigkeitszahl, Steigerungsrate und Tatverdächtigenbelastungszahl sind im Bereich der Schleierfahndung zum überwiegenden Teil das Ergebnis der proaktiven Tätigkeit der Fahndungskräfte. Sie bestimmen fast ausnahmslos mit der Kontrollintensität das polizeiliche Hellfeld ihres durch örtliche und sachliche Zuständigkeit festgelegten Bereichs. Andere Einflussfaktoren wie Anzeigenerstattungen durch informelle Instanzen der Sozialkontrolle oder das Opfer einer Straftat fehlen fast gänzlich. 23

Alle der Polizei bekannt gewordenen strafrechtlichen Sachverhalte. PKS (2007), S. 7. Vgl. Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd (2008), S. 32 ff. 25 Vgl. Kasecker (2008). 26 PKS der Bundesrepublik Deutschland, herausgegeben vom Bundeskriminalamt, Fachbereich KI 12, Wiesbaden. 24

11 Nun ausschließlich aufgrund der vorhandenen Hellfelderkenntnisse auf den Erfolg der Schleierfahndung zu schließen, würde zu kurz greifen, fehlt hier doch eine objektive Vergleichsgröße zur Kriminalitätswirklichkeit. Trotzdem erscheint es sinnvoll, die Kriminalitätsquotienten der PKS unter dem Licht der besonderen Problematik der Kontrollkriminalität, zumindest als Trendanzeiger für den Erfolg der Fahndungskontrollen heranzuziehen.

3.1.3 Das polizeiliche Dunkelfeld

Der Versuch den Umfang der tatsächlichen Kriminalität, also das Dunkelfeld zu beschreiben, muss auf die primär durch die Schleierfahndung zu bekämpfenden Deliktsbereiche abgestellt und innerhalb dieser differenziert betrachtet werden. Für den Bereich der illegalen Migration und der damit zusammenhängenden Schleusungskriminalität liegen keine objektiven Daten zum Dunkelfeld vor. Die Gründe hierfür sind hier wohl im konspirativen Verhalten der illegalen Migranten und

in

der

Angst

vor

eigener

aufenthaltsbeendender Maßnahmen, sowie

Strafverfolgung

und

möglicher

der Furcht vor Repressalien der

Schleuserorganisationen zu suchen. Anders verhält es sich im Bereich der Kfz.-Verschiebung. Hier ist aufgrund der hohen

Anzeigenbereitschaft

der

Geschädigten

und

der

Aussicht

auf

Entschädigung durch Versicherungsleistungen von der Kriminalitätswirklichkeit sehr nahe kommenden Zahlen auszugehen. Verzerrungen ergeben sich jedoch auch

hier

aus

vorgetäuschten

Diebstahlsdelikten

zum

Nachteil

von

Versicherungen. Von der Anzahl der im Inland entwendeten Kraftfahrzeuge auf den Umfang der Kfz-Verschiebung zu schließen, wäre falsch: Die Bundesrepublik Deutschland befindet sich aufgrund ihrer zentralen geografischen Lage inmitten europäischer Hauptverkehrsströme. Die Fahrzeugsicherstellungen zeigen, dass nicht nur die Bundesrepublik das Ziel international agierender Banden ist. Die entwendeten Fahrzeuge stammen aus fast allen westeuropäischen Ländern und werden auf

verschiedensten Routen durch

Bestimmungsländer

das

Bundesgebiet

in

ihre

verbracht. Der Zuständigkeitsbereich der untersuchten

Fahndungsinspektionen deckt hier lediglich einen geringen, regional stark

12 begrenzten Ausschnitt der Verschiebungswege ab. Ein Rückschluss von den hier sichergestellten Fahrzeugen, auf eine auf das europäische Hoheitsgebiet hochgerechnete Entwendungsrate, erscheint deshalb nicht möglich. Vergleichbares gilt für den Bereich der Betäubungsmittelkriminalität. Legt man die

in

der

PKS

aufgeführten

jährlich

knapp

250.000

Delikte

der

Betäubungsmittelkriminalität 27 zugrunde und betrachtet den prozentualen Anteil der im Zuständigkeitsbereich der Polizeiinspektionen Fahndung feststellbaren Straftatengruppen der illegalen Einfuhr und des Schmuggels, wäre ein Rückschluss auf den Erfolg der Schleierfahndungskontrollen möglich, wenn auch nicht sinnvoll. Denn auch in diesem Deliktsfeld gilt die bereits für die KfzVerschiebung angesprochene Problematik der Vielfältigkeit der Schmuggelrouten und Bestimmungsorte.

Überdies reichen polizeiliche Erkenntnisse über den

Umfang der tatsächlichen Betäubungsmittelkriminalität nicht aus28. Nicht zuletzt aufgrund epidemiologischer29 Forschungsdaten wird innerhalb der Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz auf ein geradezu gigantisches Dunkelfeld von 1 zu 300 – 700 geschätzt.30 Zusammenfassend

lässt

sich

feststellen,

dass

Erkenntnisse

über

die

Präventivwirkung von Schleierfahndungskontrollen und des Dunkelfeldes zu den ausgewählten Deliktsbereichen entweder nicht vorliegen oder wenig geeignet sind, um einen Rückschluss auf eine Erfolgsmessung der

untersuchten

Dienststellen zu ermöglichen. Es kann aber ebenso festgestellt werden, dass die Polizeiliche

Kriminalstatistik

zumindest

einen

Trendanzeiger

für

die

Erfolgsmessung polizeilicher Schleierfahndungsmaßnahmen darstellen kann. Zusammen mit den in der Untersuchung gewonnen Erkenntnissen zur individuellen Erfolgsdefinition eingesetzter Fahndungsbeamter wurde versucht, sich der Untersuchungsdeterminante Erfolg anzunähern.

27

Vgl. PKS (2007), S. 218 ff. Vgl. Tischpapier der Deutschen Hochschule der Polizei zum Thema Rauschgiftkriminalität (2009), S. 23. 29 Epidemiologie beschreibt in diesem Zusammenhang die Strukturbedingungen und Abläufe der Ausbreitung von Sucht- oder Infektionskrankheiten. 30 Vgl. Tischpapier der Deutschen Hochschule der Polizei zum Thema Rauschgiftkriminalität (2009), S. 20. 28

13 3.2 Erfolgskritische Faktoren

Die Untersuchung soll zeigen, welche Einflussgrößen auf den Erfolg der Schleierfahndung wirken und welche Relevanz diese Faktoren im Einzelnen besitzen. Der hierzu gebildete Terminus der erfolgskritischen Faktoren bezeichnet somit alle positiven wie negativen Determinanten, die potentiell für den Fahndungserfolg verantwortlich sein könnten. Zur

Gliederung

dieser

möglichen Faktoren eignet

sich ein

Organisationslehre adaptiertes Schema von Richard Scott,31

aus der

das die in einer

wechselseitigen Abhängigkeit stehenden Basiselemente einer Organisation aufzeigt. Nach Scott bestehen diese Basiselemente neben den Organisationszielen vor allem in den Mitgliedern/Beteiligten einer Organisation, der formalen und informellen

Organisationsstruktur

und

der

räumlichen

und

sachlichen

Ausstattung. Die Einteilung der möglichen erfolgskritischen Faktoren richtet sich an den Basiselementen aus und beschränkt sich hierbei

lediglich auf strategische

Gesichtspunkte.

Organisation

Organisationsziel e räumliche/sachliche

formale und informelle

Ausstattung

Organisationsstruktur Mitglieder/Beteiligte Mitglieder/Beteiligte

Abbildung 1: Kernelemente von Organisationen.

31

Abbildung entnommen aus: Preisendörfer (2008), S. 59.

14 3.2.1 Organisatorische Faktoren

Die Kategorie der organisatorischen Faktoren umfasst all jene Einflussgrößen, die durch

die

Organisation

Polizei,

hier

in

der

Organisationsform

der

Polizeiinspektionen Fahndung, bestimmt und/oder zur Verfügung gestellt werden. Wesentliche Teilbereiche bestehen in den personellen Rahmenbedingungen, dem Personaleinsatz und der Logistik. So fallen Stärke, Alter und Zusammensetzung des Personalkörpers ebenso in diese Kategorie, wie Gesichtspunkte der Dienstgestaltung. Letztere beschreibt hierbei sowohl die Ausgestaltung von Schichtdienstmodellen, die Ansetzung von Sonderkontrollen, die Verstärkung des Kontrollpersonals zu Schwerpunktzeiten, als auch taktische

Schwerpunktsetzungen in Form der Festlegung der

Kontrollorte32 und der Art der Kontrolle.33 Aspekte der Zusammenarbeit mit anderen Behörden wie beispielsweise dem Deutschen Zoll oder BAG34 gehören diesem Themenblock ebenso an. Der potentielle Einfluss dieser Messgrößen auf den Erfolg der Schleierfahndung könnte darin bestehen, dass durch strategisches Vorgehen festgelegt werden kann, wie viele Kontrollkräfte, in welcher Zusammensetzung, wo

und wann,

in

welcher Form eingesetzt werden, um auf bestimmte Kriminalitätsphänomene effektiv reagieren zu können. Schwerpunktsetzung

auf

die

So könnte beispielsweise eine örtliche Einreise-

oder

Ausreiseseite35

der

Hauptverkehrswege erheblichen Einfluss auf das zu verfolgende Delikt, also auf die Zielsetzung der Fahndung haben: Während Delikte der illegalen Migration und der damit im Zusammenhang stehenden Schleusungskriminalität ihren Schwerpunkt naturgemäß fast ausschließlich auf der Einreiseseite haben, werden Kfz.-Verschieber wohl eher auf dem Weg in das Ausland festzustellen sein. Auch durch örtliche und zeitliche Schwerpunktsetzung in Form von Kontrollstellen, mit optionaler Ausleitung des Gesamtverkehrs, durchgeführt mit einem entsprechend

32

Kontrolle an der Ein- bzw. Ausreiseseite, d.h. in Fahrtrichtung Bundesgebiet bzw. Ausland. Kontrollstellen, Selektivkontrollen aufgrund Beobachtung vom Fahrbahnrand, etc. 34 Bundesamt für Güterfernverkehr. 35 Einreiseseite bezeichnet die Fahrtrichtung in das Bundesgebiet, die Ausreiseseite die umgekehrte Richtung. 33

15 hohen Kräfteansatz, könnte sich der Erfolg der Fahndungskontrollen entsprechend strategischer Ausrichtungen beeinflussen lassen. Die Logistik umfasst im Wesentlichen die Gesamtheit der technischen Ausstattung und persönlichen Ausrüstung. Beispielhaft seien hier der Fuhrpark der Dienststelle, Fahndungshilfsmittel wie Car-PC,36 Fast-ID,37 Fadenzähler,38 UV-Lampen39 etc. genannt, wobei der Streifenwagen als mobiler Arbeitsplatz hier wohl die zentrale Rolle einnehmen dürfte.

3.2.2 Kognitive Faktoren

Kognition (lat. cognoscere: erkennen, erfahren, kennen lernen) soll hier mit der häufig verwendeten Bedeutung des „Denkens“40 im weitesten Sinne verwendet werden. Die Kategorie der kognitiven Faktoren umfasst in dieser Untersuchung somit

alles,

was

den

Schleierfahnder

im

Rahmen

der

geistigen

Informationsverarbeitung in seiner Fahndungstätigkeit beeinflussen könnte. Zu denken ist hierbei an die fachspezifische Erfahrung, oft in Abhängigkeit zur Dienstzeit in dieser speziellen Verwendung. Ebenso die persönliche Qualifikation, Vorkenntnisse in einer vergleichbaren oder ähnlichen Tätigkeit und Faktoren wie Motivation, Talent oder Spezialisierung. Durch Aus- und Fortbildungsmaßnahmen kann gezielt Einfluss auf die Fähigkeiten der Kontrollkräfte genommen werden. Beispielhaft sei hier das Multiplikatorenkonzept, ein noch näher zu erläuterndes fahndungsspezifisches Fortbildungskonzept, sowie Briefings über Lageerkenntnisse, Dienstunterrichte und externe Fahndungsseminare genannt.

36

Mobiler Fahndungscomputer, der online mittels subskribierter Verbindung Abfragen im INPOLFahndungsbestand ermöglicht. 37 Fast-ID ermöglicht einen online-Abgleich der daktyloskopischen Merkmale der Finger über Car-PC. 38 Ein Fadenzähler ist eine starke Lupe mit einer drei- bis zwölffachen Vergrößerung und einer Mess-Skala. Er dient der Erkennung von Dokumentenfälschungen. 39 Das UV-Prüfgerät (UV = Ultraviolettstrahlung) wird zum Analysieren einer Photolumineszenz eingesetzt und dient wie der Fadenzähler der Echtheitsüberprüfung von Dokumenten. 40 Vgl. Neues Deutsches Wörterbuch (2008), S. 477.

16 3.2.3 Umweltfaktoren

Umweltfaktoren beschreiben Umstände, die durch strategische Ausrichtung der Fahndungskontrollen nicht veränderbar bzw. nur begrenzt beeinflussbar sind und trotzdem erfolgsbeeinträchtigend wirken können. Die im Feld der spezialisierten Fahndungsarbeit wohl am häufigsten vorkommenden Einflussfaktoren dieser Art liegen in den Witterungs- und Verkehrsverhältnissen. Gerade auf den Hauptverkehrswegen der Autobahnen BAB A8 und A9341 ist die Verkehrsdichte starken saisonalen Schwankungen unterworfen. In der Ferienzeit bilden sich auf diesen Streckenabschnitten regelmäßig länger andauernde Staus. Zudem sind beide Autobahnen über weite Strecken lediglich zweispurig ausgebaut, verfügen über keinen durchgehenden Pannenstreifen und nur über eine begrenzte Anzahl beleuchteter Park- und Rastplätze. Die Witterungsverhältnisse könnten Schleierfahndungskontrollen dahingehend beeinflussen, dass sie gerade nachts die ohnehin schwierigen Sichtverhältnisse weiter verschlechtern. Auch könnten weiterführende Kontrollen in Form von Fahrzeugdurchsuchungen oder der Abgleich von Personaldokumenten und fahrzeugbezogenen Datenträgern wesentlich erschwert werden.

3.2.4 Einflussfaktoren durch das Kontrollklientel42

Diese Kategorie von Einflussfaktoren bezeichnet beobachtbare Merkmale und Verhaltensweisen, die wissentlich oder unwissentlich vom polizeilichen Gegenüber gesetzt werden und den Kontrollbeamten zu einer Anhaltung oder intensivierten Kontrolle veranlassen können. In der zeitlich stark limitierten Situation der Auswahl des Kontrollklientels, sei es als Anhalteposten einer Kontrollstelle oder als Insasse eines Streifenfahrzeuges, können dies in erster Linie Merkmale des Fahrzeuges wie Marke, Typ, Farbe und Kennzeichen, sowie erste Merkmale des oder der Insassen wie Geschlecht, 41 42

Autobahnen Salzburg – München und Innsbruck – München. Bezeichnet den Leistungsempfänger von bestimmten Dienstleistungsgebern (Neues Deutsches Wörterbuch, 2008, S. 469), hier das polizeiliche Gegenüber.

17 Anzahl der Insassen, vermutete Nationalität sein. Nach erfolgter Anhaltung erweitert sich die Palette der feststellbaren Merkmale erheblich. Interessant wird sein, welche Faktoren in beiden Situationen aus Sicht der Schleierfahnder Relevanz besitzen bzw. wie sich diese nach erfolgter Anhaltung möglicherweise verändert.

3.2.5 Einflussfaktoren durch polizeiliche Auskunftsdienste

Die kommunikative Anbindung der Streifenbesatzung via Funk, Mobiltelefon und Car-PC, ermöglicht zu jeder Zeit die Nutzung polizeilicher Auskunftsdienste. Begünstigt durch eine „rund-um-die-Uhr-Besetzung“ einer eigenen Abfragestelle auf der Dienststelle und des damit optimierten Antwort-Zeit-Verhaltens, stehen den Kontrollbeamten bereits in der Phase der Auswahl des zu kontrollierenden Fahrzeuges Informationen dieser Anwendungen zur Verfügung. Diese können über die numerische Sachfahndung hinaus, zumindest bei den in der Bundesrepublik zugelassenen Kraftfahrzeugen, Informationen zum Halter und zu technische Daten des Fahrzeuges liefern. Die Kategorie der Einflussfaktoren durch polizeiliche

Auskunftsdienste

bezeichnet demnach Informationen, die sowohl vor als auch nach erfolgter Anhaltung Einfluss auf das Kontrollverhalten und somit indirekt auf den möglichen Erfolg der durchgeführten Fahndungskontrollen haben könnten.

4. Rahmenbedingungen

4.1 Entstehung und Historie der Schleierfahndung

Die Entstehung der Schleierfahndung, als Reaktion auf den Abbau stationärer Grenzkontrollen an den Binnengrenzen des Schengen-Raumes, wurde im Rahmen der Einführung bereits dargelegt. Ein Blick in die anlässlich des 10-jährigen Bestehens

der

Schleierfahndung

veröffentlichte

Pressemitteilung

des

18 Polizeipräsidiums Oberbayern43 lässt an der Erfolgsdarstellung der Bayerischen Schleierfahndung keinen Zweifel. Die Schleierfahndung hat sich in den letzten elf Jahren, etabliert. Allein die oberbayerischen Schleierfahnder44 stellten in den ersten zehn Jahren ihres Bestehens über 110.000 Straftaten fest, davon annähernd 60.000 Ausländerdelikte,

30.000 Delikte der

illegalen Einreise,

6.000

Schleusungsdelikte und 1.300 Delikte des hochwertigen Kfz-Diebstahls, der KfzUnterschlagung

und

der

Kfz-Verschiebung.

Die

Schleierfahnder

dieser

Dienststellen nahmen über 65.000 Personen fest und stellten über 16.000 Urkunden sicher.45 Überschattet wurden diese Fahndungserfolge von mehreren z.T. schweren Verkehrsunfällen mit Dienst-Pkw und einer spektakulären Geiselnahme. So kam im Jahre 2002 ein 41-jähriger Schleierfahnder der PIF Traunstein zu Tode, als bei ordnungsgemäßer Absicherung eines Pannen-Lkw auf der BAB A8, ein heranfahrender Lkw ungebremst auf das Streifenfahrzeug auffuhr. Der Streifenpartner wurde dabei schwer verletzt. Fast ebenso schwere Folgen hatte die Verfolgungsjagd eines Straftäters im Juli 2004, als ein Streifenfahrzeug der Schleierfahnder aus Rosenheim

aufgrund

Aquaplanings von der Autobahn abkam. Der Fahrer wurde hierbei schwer verletzt und lag 36 Tage im Koma. Der Beifahrer erlitt leichte Verletzungen. Bereits zwei Wochen nach Einführung der Schleierfahndung im April 1998 wurde ein Fahnder aus Traunstein durch eine Schusswaffe schwer verletzt. Der Fluchtweg eines

Kriminalbeamten aus Thüringen, der am Vortag mit seiner

Dienstwaffe einen jungen Mann erschossen hatte, führte in das bayerischösterreichische Grenzgebiet. Die Fahnder spürten ihn auf einer Rastanlage bei Traunstein auf. Bei dem Versuch den Täter zu stellen, eröffnete dieser das Feuer und verletzte den Kollegen schwer. Der Täter nahm eine zivile Geisel und setzte seine Flucht mehrere Stunden in einem Dienstwagen der Polizei im Grenzgebiet zu Österreich fort, bevor er sich schließlich der Polizei stellte. 46 Diese beispielhafte Aufzählung schwerer Unfälle und Verbrechen soll neben all den Erfolgsdarstellungen der Schleierfahndung auch die besondere Gefährlichkeit 43

Vgl. Polizeipräsidium Oberbayern, 10 Jahre Schleierfahndung (2008). PIF Rosenheim, Traunstein, Weilheim mit den jeweils nachgeordneten Fahndungsstationen. 45 Vgl. Polizeipräsidium Oberbayern, 10 Jahre Schleierfahndung (2008), S. 2-3. 46 Vgl. ebenda, S. 3. 44

19 dieser Tätigkeit aufzeigen. Für die Untersuchung sind diese Darstellungen insoweit relevant, da das Bewusstsein über das erhöhte Gefahrenpotential den Schleierfahnder in seinem Kontrollverhalten beeinflussen könnte.

4.2 Organisation und Dienstbetrieb

Die nachfolgende Darstellung bezieht sich ausschließlich auf die der Untersuchung unterliegenden Polizeiinspektionen Fahndung Rosenheim und Traunstein mit ihren nachgeordneten Polizeistationen Fahndung (PStF) in Kreuth und Burghausen und dort auf die Bereiche der klassischen „Straßenfahndung“. Auf andere, ebenfalls in der Schleierfahndung tätige Dienststellen soll hier nicht eingegangen werden.

4.2.1 Unterstellungsverhältnis

Die beiden Dienststellen in Rosenheim und Traunstein (Dienstsitz in Urwies) sind seit Jahreswechsel 2008/2009 direkt dem durch die Organisationsreform der Bayerischen Polizei neu entstandenen Polizeipräsidium Oberbayern Süd dienstund fachaufsichtlich unterstellt. Sie befinden sich in der Stab-Linien-Organisation des Polizeipräsidiums als eigenständige Dienststellen neben den Schutz- und Kriminalinspektionen des Schutzbereiches. Ihnen unmittelbar nachgeordnet sind die Polizeistationen Fahndung Kreuth (PIF Rosenheim) und Burghausen (PIF Traunstein).

4.2.2 Zentrale Fahndungskoordination - Bayerisches Landeskriminalamt, Dezernat 54

Zeitgleich mit dem Wegfall der systematischen Grenzkontrollen zu Österreich am 01.04.98

wurde

innerhalb

der

Organisationsstruktur

des

Bayerischen

Landeskriminalamtes das Dezernat 54 – Zentrale Fahndungskoordination ins

20 Leben gerufen. Zielrichtung war und ist , das Know-how der Bayer. Grenzpolizei zu sichern und weiter fortzuentwickeln. 47 Die Struktur des Dezernates orientiert sich an den auch für die Schleierfahndung wesentlichen Deliktsbereichen der Urkundenfälschung, Kfz.-Verschiebung und der Einschleusung von illegalen Migranten. Darüber hinaus stellt das Dezernat 54 aktuelle Lageerkenntnisse bayernweit zur Verfügung. Das Dezernat 54 hat gegenüber den Polizeiinspektionen Fahndung keinerlei dienst- und fachaufsichtliche Weisungsbefugnis. Trotzdem erfüllt das Dezernat 54 wichtige koordinierende Funktionen. Die Hauptaufgaben liegen hierbei, neben bereits genannter Lageauswertung und –steuerung, in der Koordination von fachspezifischen Aus- und Fortbildungsmaßnahmen, der Entwicklung von EDVgestützten

Informationssystemen48

und

der

anlassbezogenen

operativen

Unterstützung durch Experten vor Ort.

4.2.3 Personal- und Sachausstattung der PI Fahndung

Die PIF Rosenheim verfügt einschließlich der nachgeordneten PStF Kreuth über ein Personalsoll49 von

94 Beamten50. Davon sind 55 im regelmäßigen

Streifendienst (Straße) eingesetzt. Die PIF Traunstein ist mit 125 Beamten im Soll etwas stärker angelegt. In Traunstein verrichten 66 Beamte regelmäßigen Streifendienst in der Schleierfahndung (Straße). Darüber hinaus verfügen beide Fahndungsinspektionen über je eine Fahndungsgruppe „Schiene“, die sich ausschließlich auf die Fahndung im Rahmen des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs konzentriert. Anzumerken ist, dass die Polizeiinspektion Fahndung Traunstein

derzeit 19 Beamte an benachbarte Dienststellen zur

Unterstützung abstellt. Das Durchschnittsalter der dienstverrichtenden Kontrollbeamten in Rosenheim beträgt knapp 40 Jahre. 9 % des Kontrollpersonals sind weiblich. 47

Vgl. Pressemitteilung des Bayer LKA, Dezernat 54 – was verbirgt sich dahinter? (2008), S. 1. Z.B. Dokumenten-Informations-System (DOKIS), Europäische Fahrzeug Identifizierungsdatei (EuFID), Recherche amtlicher Kennzeichen (RAKK). 49 Das Personalsoll bezeichnet die im Haushaltsplan vorgesehene Planstellenanzahl einer Dienststelle. 50 Einschließlich Fahndungsgruppe Schiene. 48

21 Die Polizeiinspektion Fahndung Traunstein weist hierzu erhebliche Unterschiede auf, die sich vor allem im Durchschnittsalter und der Personalentwicklung seit Gründung der Dienststellen im Jahr 1998 zeigen. Das Durchschnittsalter liegt hier bei knapp über 48 Jahren innerhalb des primär für die Schleierfahndung zuständigen Wechselschichtdienstes.

8%

Prozent des Personals sind hier

weiblich. Der Ist-Stand51 der Polizeiinspektion Fahndung Rosenheim betrug im Jahr 1998 88 Beamte und blieb mit der heutigen Stärke von 85 Beamten im Ist nahezu unverändert. Anders in Traunstein: Verrichteten im Gründungsjahr noch 257 Beamte Dienst, verringerte sich diese Anzahl bis zum heutigen Zeitpunkt auf 128 Beamte. Geschuldet ist diese massive Personalveränderung u.a. dem Umstand der fast vollständigen Integration des vormals an den Grenzübergängen beschäftigten Personalkörpers der Bayerischen Grenzpolizei in die Nachfolgeorganisation der Polizeiinspektion Fahndung. Hierdurch entstand gerade in den Anfangsjahren ein erhebliches Personal-Übersoll52 der Dienststelle. Im Laufe der Zeit reduzierte sich dieses durch natürliche Fluktuation53 auf das heutige Soll von 125 Beamten. Die Sachausstattung

beider

Dienststellen

ist

qualitativ wie quantitativ

vergleichbar. Der Unterschied in der Ausstattung zu Schutzpolizeidienststellen besteht vor allem in einem Fuhrpark überwiegend ziviler Dienstfahrzeuge der oberen Mittelklasse und spezieller, für die Tätigkeit in der Schleierfahndung erforderlicher Fahndungshilfsmittel. So sind die Streifenfahrzeuge mit Car-PC, Fast-ID und UV-Lampen54 ausgestattet. Optional können Dokumentenprüfgeräte mitgeführt werden. Darüber hinaus stehen sog. Basisfahrzeuge55 für Groß- und Schwerpunktkontrollen zur Verfügung.

51

Der Ist-Stand bezeichnet die Anzahl des tatsächlich auf einer Dienststelle dienstverrichtenden Personals. 52 Bezeichnet die den Soll-Stand übersteigende Differenz zum Ist-Stand. 53 Hier überwiegend Ruhestandsversetzungen, Versetzungen zu anderen Dienststellen. 54 Vgl. hierzu Fußnoten 36, 37, 39. 55 Kleintransporter mit einer technisch hochwertigen Ausstattung, der eine Verwendung sowohl als mobile Befehlsstelle, als auch als zentrale Abfrage- und Überprüfungsstelle ermöglicht.

22 4.2.4 Diensteinteilung

Die Dienstverrichtung des Kontrollpersonals erfolgt im Wechselschichtdienst über den gesamten Tageszeitraum. Darüber hinaus erfolgt eine Einteilung zu Schwerpunktzeiten oder zu angesetzten Sonderkontrollen. Die rund-um-die-UhrBesetzung bleibt jedoch zu jeder Zeit gewährleistet.

4.2.5 Aus- und Fortbildung

Die Ausbildung der Beamten in der Schleierfahndung entspricht

der

standardisierten Polizeiausbildung in Bayern und wird für den mittleren Polizeivollzugsdienst flächendeckend durch die Bayerische Bereitschaftspolizei durchgeführt. Das Studium für den gehobenen Polizeivollzugsdienst wird an der Fachhochschule für Verwaltung und Rechtspflege in Bayern an den Studienorten Fürstenfeldbruck und Sulzbach-Rosenberg absolviert. Beide Laufbahngruppen erhalten auf diesem Weg ihre auf die wesentlichen Bereiche der Polizei abgestellte Polizeiausbildung. Für die spezielle Tätigkeit in der Schleierfahndung kommen ausschließlich Maßnahmen der internen wie externen Fortbildung zur Anwendung. Externe Fortbildungsmaßnahmen werden in Form von Seminaren zentral durch das Bayerische Polizeifortbildungsinstitut in Ainring durchgeführt. Beispiele hierfür sind die Seminare zum Erkennen ge- und verfälschter Urkunden und der internationalen Kfz.-Verschiebung. Interne Fortbildungsmaßnahmen erfolgen in der Regel dezentral, d.h. auf den jeweiligen Dienststellen. Hauptsächlich sind dies Dienstunterrichte über neue Kriminalitätsphänomene,

Begehungsweisen,

Schmuggelverstecke

oder

Fälschungstechniken an Personaldokumenten. Ergänzt werden diese Unterrichte durch Auslandshospitationen, z.B. an der österreichisch-slowenischen Grenze für den Bereich der Kfz.-Verschiebung und Work-Shops mit Spezialisten des Bayer. Landeskriminalamts.

23 Lagevorträge und Briefings sind Teil der regelmäßigen Dienstgestaltung. Hier werden die durch den Lagebereich der Dienststelle aufbereiteten Erkenntnisse sowohl anderer bayerischer Fahndungsdienststellen, als auch der Bundespolizei, dem benachbarten Ausland sowie dem Bayerischen Landeskriminalamt zeitnah zur Verfügung gestellt. Einen

wesentlichen

Aspekt

der

internen

Fortbildung

stellt

das

sog.

Multiplikatorensystem dar. Dieses System wurde bereits in der Bayerischen Grenzpolizei entwickelt und durch die Fahndungsinspektionen übernommen. Zwischenzeitlich ist es bayernweit durch alle Polizeipräsidien eingeführt. Das Konzept beschränkt sich auf die Bereiche der Urkunds- und der Kfz.Sachwertdelikte. Die Auswahl der Multiplikatoren erfolgt durch die jeweilige Dienststelle. In der Regel sind dies besonders erfahrene, auf den jeweiligen Deliktsbereich spezialisierte Beamte. Neben praktischem Erfahrungswissen verfügen diese über einen hohen theoretischen Wissensstand, der durch bayernweite, durch das Bayerische

Landeskriminalamt

koordinierte

Arbeitstagungen

regelmäßig

aktualisiert wird. Die Multiplikatoren sind primär für die Verbreitung des fachspezifischen Wissens auf der eigenen Dienststelle zuständig.

Dieser

Multiplikatoren-Effekt entfaltet sich im Rahmen des täglichen Dienstbetriebes durch einen Wissens-Transfer bei der Durchmischung der Streifenbesatzungen, durch o.g. Dienstunterrichte und durch eine dienststelleneigene Homepage. Auf dieser werden alle Erkenntnisse und Neuigkeiten zu o.g. Fahndungsbeamten der Dienststelle zur Verfügung gestellt.

Deliktsfeldern den

24 5. Stand der Literatur

In der Literatur finden sich vielfältige Beiträge zum Themenkomplex Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten der Polizei. Im Wesentlichen lassen sich diese in ein spezielles, auf die Schleierfahndung bezogenes und ein generelles, auf

polizeiliche

Themen der Verdachtsschöpfung

bezogenes

Schrifttum kategorisieren. Innerhalb

der

speziellen

Literatur

finden

sich

sowohl

polizeiliche

Fachpublikationen, als auch Beiträge von nichtpolizeilichen Autoren. Die polizeiliche Literatur belegt hierbei die klassischen aufgabenimmanenten Felder der inneren Sicherheitsarchitektur. Neben Artikeln zur Befugnis verdachtsund ereignisunabhängiger Kontrollen, Aspekten zu Polizeitaktik und Aus- und Fortbildung, finden sich Veröffentlichungen zur speziellen Ausstattung und der Aufbauorganisation der Schleierfahndung. Ergänzt werden die Beiträge durch Erfahrungs- und Erfolgsdarstellungen. Der durchaus positiven, die Schleierfahndung befürwortenden polizeilichen Berichterstattung, stehen kritische Artikel externer Autoren gegenüber. In der Mehrzahl befassen sich diese mit Betrachtungen zur Kontrollbefugnis und der „Selektionspraxis“56 der Fahndungsbeamten sowie der hierbei als hinterlegt angenommenen

„Fahndungsraster“.

Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der

kritischen Auseinandersetzung mit polizeilichen Erfolgsdarstellungen. Bei näherer Betrachtung der Gesamtliteratur lassen sich Überschneidungspunkte in den Themen erkennen, die ergänzt durch die generell angelegte Literatur zur polizeilichen Verdachtsschöpfung, einen Blick aus unterschiedlicher Perspektive erlauben.

Anhand der drei nachfolgenden Themenschwerpunkte werden die

dominierenden Argumentationslinien der Literatur aufgezeigt:

56

Der Begriff der Selektion wird ausschließlich durch die Autoren verwendet und in vorliegender Arbeit durch den Begriff der „Auswahl“ ersetzt.

25 5.1 Notwendigkeit einer verdachts- und ereignislosen Kontrollbefugnis

Ein erster kontroverser Diskussionspunkt besteht in der Notwendigkeit einer verdachts- und ereignislosen Kontrollbefugnis. Wie unter Ziff. 1.1

bereits

angesprochen, führte die Einführung dieser Norm zu heftigen parteipolitischen Diskussionen und kritischen Beiträgen von Rechtswissenschaftlern und Bürgerrechtsbewegungen.

Entsprechend

hoch

ist

die

Anzahl

der

themenbezogenen Literaturquellen. Allein diese Quellen einer gebührenden Betrachtung zu unterziehen, würde den Rahmen dieser Untersuchung übersteigen. Die nachfolgende Betrachtung soll deshalb nur schlaglichtartig einige Positionen beleuchten, um einen Eindruck der starken Polarisierung zu diesem Thema zu vermitteln. Als geistigen Vater dieser Eingriffsbefugnis kann man wohl den damaligen Bayerischen Innenminister Dr. Beckstein anführen, doch auch in Polizeikreisen sind

zahlreiche

Publikationen

für

die

Notwendigkeit

einer

neuartigen

Kontrollbefugnis zu finden. So spricht sich beispielsweise der damalige Berliner Polizeipräsident Walter in seinem Artikel „Erweiterte Befugnisse der Polizei zur Bekämpfung der illegalen Einreise und der grenzüberschreitenden Kriminalität: Eine unabdingbare Notwendigkeit Westeuropa“57 Kontrollbefugnis

nach dem Wegfall der allgemeinen Grenzkontrollen in für

die

aus,

Notwendigkeit

um

der

rasch

dieser

neuartigen,

angewachsenen

flexiblen

Mobilität

des

grenzüberschreitenden internationalen Verbrechens nach Wegfall der stationären Grenzkontrollen begegnen zu können. 58 Auch Herzing stellt in seinem Beitrag „Die Straße als polizeilicher Aktionsraum – Kriminalitätsbekämpfung und Verkehrsüberwachung“59 die Verknüpfung von verkehrspolizeilichen Aufgaben mit

der

Verbrechensbekämpfung

in

Form

der

Schleierfahndung

als

wirkungsvolles Instrument gegen die Mobilität von Straftätern heraus 60. Demgegenüber

argumentiert

„Verdachtsunabhängige 57

Vgl. Walter (1998), S. 33. Vgl. ebenda, S. 33. 59 Vgl. Herzing ( 1998), S. 71. 60 Vgl. ebenda, S. 71. 58

Kant

Kontrollen;

in

ihrer

Migrant/Innen

Veröffentlichung im

Netz

der

26 Schleierfahndung“61, die Polizei hat mit dieser Befugnis ein weiteres Instrument erhalten, das wie die Praxis zeigt, der Kriminalisierung vor allen von Migrant/Innen dient.62 Kant argumentiert hierzu, dass für die Polizei nur eine Chance auf Erfolgsaussicht hinsichtlich ausländerrechtlicher Verstöße besteht, wenn sie vermeintlich Nichtdeutsche kontrolliert. Eine vergleichbare Position nimmt Herrnkind in seiner Veröffentlichung „Verdacht des Verdachtes; Über die Wirkungen und Nebenwirkungen verdachtsunabhängiger Kontrollen“ 63 ein und stellt in seiner Betrachtung der Normgenese fest, dass zur Begründung der damals neuen Eingriffsermächtigung ebenso politische Erwägungen ein Rolle gespielt hatten und zitiert Hagen Kluck (FDP), Mitglied des Baden-Württembergischen Landtages zur Zustimmung des Innenausschusses mit dem Satz: „Man wolle sich nicht vorwerfen lassen, alles getan zu haben, um das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger zu verbessern“.64 Bereits dieser Ausschnitt der Literatur zeigt auf, wie unterschiedlich sich die Betrachtungsweisen zur Kontrollbefugnis der Schleierfahndung in der Literatur wiederfinden. Wie in den Ausführungen unter Ziff. 1.1 bereits geschildert, führten die Bedenken gegen die bayerische Kontrollbefugnis des Art. 13 I Nr. 5 PAG im Jahre

2003

zu

einer

Verfassungsbeschwerde

beim

Bayerischen

Verfassungsgerichtshof. Die Richter befanden unter anderem, die der Polizei gewährten Befugnisse blieben "innerhalb des grundgesetzlichen Kompetenzrahmens". Zudem dienten sie einem "legitimen Zweck", indem sie "auch außerhalb des Grenzgebiets" zur Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität und der illegalen Einreise beitrügen. Verdachts- und ereignisunabhängige Kontrollen stellten "nur eine geringe Grundrechtsbeeinträchtigung dar", die dem "allgemeinen Interesse an einem präventiven Gefahrenschutz" untergeordnet werden müsse.65

61

Vgl. Kant (2000), S. 29. Vgl. ebenda, S. 29. 63 Vgl. Herrnkind (2000), S. 4. 64 Vgl. ebenda, S. 5. 65 Vgl. http://www.123recht.net. 62

27 5.2 Selektionspraxis

Ein ähnliches Überschneidungsfeld findet sich in den Veröffentlichungen zur Thematik der Selektionspraxis. So spricht Herrnkind in seinem bereits angeführten

Artikel

von

motivisch

gesteuerten

Selektivkontrollen

der

Schleierfahndung und beschreibt den Prozess des Verdachtsschöpfens als einen Versuch in vernebelter Perspektive die Realität zu erkennen und sich diese vor dem geistigen Auge als ein Puzzle zusammen zu setzen. Darüber hinaus verweist er auf Erkenntnisse der Polizeiforschung, die die Verdachtsschöpfung als ein auf institutionellen Handlungsroutinen und Organisationsstrukturen

basierendes

Fundament polizeispezifischen Denkens darstellen und fordert schon allein deswegen, die durch die Schleierfahndung hervorgerufenen Arbeitsroutinen unter die Lupe zu nehmen. 66 Kant kritisiert ihrerseits in ebenso bereits angesprochener Publikation das Fehlen von festgeschriebenen Kontrollkriterien sowohl im Polizeigesetz als auch in den Ausführungsbestimmungen. Somit sei die Selektion vor allem der Berufs- und Lebenserfahrung der Beamten/-innen sowie dem „Fahnderblick“ überlassen67 Demgegenüber schildert der damalige Bayer. Staatsminister des Innern, Dr. Beckstein, die taktische Ausrichtung der Schleierfahndung. Man lege besonderen Wert auf den Erhalt des Spezialwissens der Bayerischen Grenzpolizei. Dazu gehörten Kenntnisse im Ausländerrecht, dem Bereich des Rauschgift- und Waffenschmuggels, sowie der Kfz.-Verschiebung. Außerdem werde der Blick für die Auswahl der zu kontrollierenden Personen und Fahrzeuge geschult. 68 Auch beschreibt Herzing in seiner bereits zitierten Veröffentlichung das Selektionsprinzip als eine Auswahl aufgrund mehrerer Stufen. Die Sichtselektion erfolgt demnach in geschwindigkeitsreduzierten Bereichen nach Fahrzeugart, Kontrollziel bzw. Checkliste, durch fachlich und persönlich besonders gut geeignete und erfahrene Beamte. Diese geben per Funk an die Kontrollteams durch, welche Verdachtsmomente zur Auswahl des Fahrzeuges geführt haben. Ergänzt wird diese Selektion nach Herzing mit einer Abfrage über Funk oder 66

Vgl. Herrnkind (2000), S. 6 ff. Vgl. Kant (2000), S. 31. 68 Vgl. Beckstein (1996), S. 14. 67

28 Car-PC. Voraussetzung für die Entdeckung von Straftaten sind jedoch Fahndungsund Kontrollkenntnisse sowie intensive Kenntnisse über Kriminalitätslagen und –entwicklungen. 69 Kirchleitner untermauert in seiner Publikation „Bayerische Erfahrungen mit der Schleierfahndung am Beispiel der Polizeiinspektion Fahndung Traunstein“70 die Wichtigkeit einer exakten Vorauswahl des Verkehrs bzw. Publikums und betont den hohen Stellenwert der Aus- und Fortbildung, um das Know-how den ständig geänderten Rahmenbedingungen anzupassen. 71 Hier zeigt sich deutlich die argumentative Polarisierung. Während die Autoren Herrnkind und Kant die Auswahlpraxis der Schleierfahndung kritisieren und auf nebulöse Verdachtsmomente und interne, auf Typisierung und Stereotypen beruhende Kontrollraster, ja sogar Fremdenfeindlichkeit zurückführen, begründen Polizeitaktiker die Kontrollpraxis mit lageangepassten, auf Aus- und Fortbildung und Erfahrung beruhenden Fachkenntnissen. Ein Blick in die generell angelegte, auf empirischen Untersuchungsmethoden basierende Literatur ermöglicht einen ergänzenden Blick auf die Thematik: Bereits 1972 beschäftigen sich die Sozialwissenschaftler Feest und Blankenburg mit den Strategien der Strafverfolgung und sozialen Selektion. In ihrem Studienbuch zur Sozialwissenschaft mit dem Titel „Die Definitionsmacht der Polizei“72 beschreiben sie das Abhängigkeitsverhältnis der Polizeistreife, aus äußeren Indikatoren Verdacht zu schöpfen und diesen dann so gut wie möglich zu überprüfen. Sie unterscheiden hierbei in einen generalisierten und einen spezialisierten Verdacht, wobei sich ersterer zur Unterscheidung von „anständigen Leuten“ und „Verdächtigen“ auf die äußeren Umstände wie der „verdächtigen Gegend“, dem „verdächtigen Aussehen“ und dem „verdächtigen Verhalten“ stützt.73 Der

spezialisierte

Verdacht

wiederum

wird

bereits

damals

als

„Fingerspitzengefühl“ oder „Nase“ bezeichnet. Er beschreibt, über die

69

Vgl. Herzing (1998), S. 76. Vgl. Kirchleitner (2002), S. 104. 71 Vgl. ebenda, S. 110. 72 Vgl. Feest und Blankenburg (1972), S. 35. 73 Vgl. ebenda, S. 35 – 38. 70

29 Verdachtsmomente des generalisierten Verdachts hinaus, das Hinzukommen spezieller spezifischer Verdachtsmomente für das jeweilige zu verfolgende Delikt.74 Diese Darstellung verdeutlicht, dass die auch in der Schleierfahndung oftmals von Kontrollbeamten verwendeten Termini bereits weit vor Einführung derselben

in

der

Sozialforschung

verwendet

wurden

und

mitnichten

Begrifflichkeiten der Neuzeit sind. Interessante

Aspekte

zur

Typisierung

von

Polizeibeamten

sind

der

Veröffentlichung von Reichertz mit dem Titel: „Meine Schweine erkenne ich am Gang!“ 75 zu entnehmen. Reichertz sammelte in seiner Feldforschung durch teilnehmende Beobachtung Aussagen und Verhaltensweisen von Polizeibeamten einer anonymisierten deutschen Stadt. Der Vorgang des Typisierens ist bei vorliegender Untersuchung zur Schleierfahndung insoweit interessant, als Kritiker, so z.B. Herrnkind anführen, die Auswahl des Kontrollklientels durch die Fahndungsbeamten würde aufgrund von Typisierungen erfolgen. 76 Als Typisierung bezeichnet Reichertz in diesem Zusammenhang die geistige Anstrengung, mit der Akteure, hier Polizeibeamte, vor dem Hintergrund von Relevanzen, Fragestellungen, Hoffnungen und Befürchtungen die Daten ihrer Wahrnehmung ausdeuten. 77 In vorliegender Untersuchung zur Schleierfahndung wird versucht, eben diese Relevanzen in Form von erfolgskritischen Faktoren, herauszuarbeiten. Viel interessanter erscheint die Erkenntnis von Reichertz über die Generierung dieser „Typen“. Seiner Einschätzung nach greifen Polizeibeamte bei den Akten der Typisierung sehr stark auf ihre eigenen Erfahrungen zurück. Relevante Urteilsbasis ist vor allem das Selbsterlebte. Als nächstes greifen Polizeibeamte auf Erfahrungen zurück, die durch einen Kollegen berichtet werden. Fast nie wird nach Reichertz das in der Aus- und Fortbildung Gelernte genutzt.78

74

Vgl. ebenda, S. 40. Vgl. Reichertz (1992), S. 183. 76 Vgl. Herrnkind (2000), S. 12. 77 Vgl. Reichertz (1992), S. 184. 78 Vgl. ebenda, S. 188-189. 75

30 Er führt weiter aus, dass Polizeibeamte mithilfe der eigenen Lebens- und Berufserfahrung stets fall- und milieuspezifisch ihre Normalformen menschlichen Handelns konstruieren. Diese werden dann in ein Verhältnis zu den beobachteten Merkmalen gesetzt und somit die Normalform „harmloser Bürger“ und die Form „Gesetzesübertreter“ generiert.79 Folgt man dieser Argumentation würde dies für die Relevanz erfolgskritischer Faktoren bedeuten, dass weniger Aspekte der Aus- und Fortbildung in Betracht kämen, sondern die Schwerpunkte in den Bereichen der eigenen Erfahrung und des Austausches mit Kollegen zu suchen sind.

5.3 Erfolgsdarstellung der Schleierfahndung

Neben

den

divergierenden

Schleierfahndung

zeigen

sich

Darstellungen die

zur

deutlichsten

Selektionspraxis Unterschiede

in

der den

Literaturveröffentlichungen zur Erfolgsdarstellung der Schleierfahndung. Ist innerhalb der politischen und polizeilichen Darstellung polizeilicher Schleierfahndung die durchwegs positive Bilanz dominierend, so wird diese wiederum von Kritikern in Zweifel gezogen. Bereits

ein

Jahr

nach

Einführung

der

Rechtsnorm

verdachts-

und

ereignisunabhängiger Kontrollen trat der damalige Bayerische Staatsminister des Innern, Dr. Beckstein, zusammen mit den Polizeipräsidenten aus Ober- und Unterfranken, Wölker und Härtel, an die Öffentlichkeit. Im Artikel „Im Interesse der Inneren Sicherheit genauer hinschauen“ 80 werden diese mit der Angabe von einer Festnahme pro 3,4 kontrollierter Fahrzeuge zitiert.81 Spörl publizierte in seinem Beitrag „Zur Einführung einer verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrolle (Schleierfahndung) in Bayern“ 82 für den Zeitraum 1994 bis 1995 eine Steigerungsrate der festgestellten illegalen

79

Vgl. Reichertz, S. 190-191. Vgl. Bayerns Polizei (1/96), S. 14. 81 Vgl. ebenda, S. 14. 82 Vgl. Spörl (1997), S. 217. 80

31 Ausländer um 68 %, der Schleuser um 114% und der festgestellten gestohlenen Gegenstände um 43% für den Bereich des Polizeipräsidiums Oberbayern. 83 Demgegenüber stehen die Zweifel bereits mehrfach zitierter Autoren Herrnkind und Kant. Letztere kritisiert die durch die Polizei angegebenen Kontrollerfolge bezüglich ihrer Qualität. So stellt sie dar, dass rund drei iertel der aufgegriffenen Menschen Flüchtlinge im Asylverfahren oder Geduldete sind, die gegen die räumliche

Aufenthaltsbeschränkung

verstoßen

hatten.

Von

Bekämpfung

grenzüberschreitender Kriminalität kann ihrer Ansicht nach nicht die Rede sein. 84 Herrnkind zieht die Erfolgsdarstellung ebenfalls in Zweifel und führt aus, dass die Erfolgsmeldungen der bayerischen Polizei zwischen Aufgriffsquoten von 10 und 60 % schwankten und

fordert eine begleitende Erhebung und Auswertung

polizeilicher Erfolgsdarstellungen.85 In der Tat fordern auch andere Experten eine polizeiexterne Evaluation. Nach Meinung des anerkannten Kriminologen Prof. Dr. Thomas Feltes, Ruhruniversität Bochum, sollte dies keine Evaluation über „Erfahrungsberichte“ der Praxis, sondern eine wissenschaftlich geleitete Studie sein.86 Dies verdeutlicht einmal mehr den bereits unter 3.1 geführten Diskurs. Worin besteht der Erfolg der Schleierfahndung und wie ist er messbar? Zusammenfassend lässt sich feststellen: Die

Literaturdarstellung

zu

den

Themen

Schleierfahndung

und

Verdachtsgewinnung zeigt, dass die der Untersuchung zugrunde liegende Fragestellung nach erfolgskritischen Faktoren durchwegs nicht neu ist. Aufgrund der herausgearbeiteten Argumentationslinien lässt sich erkennen, dass gerade in diesen Bereichen Forschungsbedarf besteht. Die vorliegende Untersuchung soll hierzu einen empirisch belegbaren Beitrag leisten.

83

Vgl. ebenda, S. 217. Vgl. Kant (2000), S. 33. 85 Vgl. Herrnkind (2000), S. 9. 86 Vgl. Die Polizei (10/99), S. 305. 84

32 6. Darstellung der Untersuchungsmethode

6.1 Theoriebildung

Gegenstand

der

Untersuchung

ist

die

strategische

Betrachtung

der

Verdachtsschöpfung und des Kontrollverhaltens spezialisierter Fahndungsarbeit. Um die Relevanz von Einflussgrößen auf diese Fahndungsarbeit einer empirischen Untersuchung unterziehen zu können, wurde ein Gedankenmodell entworfen, das sowohl die Benennung als auch die Beurteilung der Relevanz von Einflussgrößen erlaubt. Dieses Modell orientiert sich an einem bereits zitierten Schema aus der Organisationslehre, das die Basiselemente einer Organisation aufzeigt.87 Als Ergebnis wurden die unter 3.2 näher definierten erfolgskritischen Faktoren als Parameter für die Untersuchung benannt und kategorisiert. Anhand der erfolgskritischen Faktoren soll untersucht werden, welche Relevanz organisatorische, personelle, kognitive Einflüsse sowie Einflüsse durch die Umwelt und durch das Kontrollklientel auf den Fahndungserfolg als zentrale Untersuchungsdeterminante haben. Die Untersuchungsergebnisse sollen hierbei aufzeigen, inwieweit sich die Untersuchungshypothese stützen lässt.

kognitive Faktoren

Poliz. Auskunfts-

Organisator.

dienste

Faktoren

Erfolg

Faktoren durch Kontrollklientel

Umweltfaktoren

Abbildung 2: Gedankenmodell erfolgskritischer Faktoren

87

Vgl. 2.2.

33 6.2 Quantitative Untersuchung

Die quantitative Untersuchung mittels standardisiertem Fragebogen wurde gewählt, um die Häufigkeitsverteilung durch Befragung einer großen Anzahl von Beamten zu messen und statistisch verlässliche Aussagen treffen zu können. Der methodisch bedingte Nachteil des standardisierten Fragebogens durch relativ eng begrenzte Antwortkategorien wurde durch Anwendung einer zweiten, qualitativen Untersuchungsmethode ausgeglichen. Nur so war es möglich, der Vielfältigkeit möglicher Einflussfaktoren sowohl in quantitativer als auch qualitativer Hinsicht Rechnung zu tragen.

6.2.1 Beschreibung der Stichprobe

In einem ersten Schritt wurde der realisierbare Befragungsumfang geprüft. Der durch die Themenstellung zwar bereits auf den Personalkörper bayerischer Fahndungsdienststellen

eingegrenzte Befragungskreis

hätte dennoch eine

Volluntersuchung im Rahmen dieser Arbeit methodisch undurchführbar gemacht. Deshalb wurde aus der Grundgesamtheit aller in der Schleierfahndung in Bayern eingesetzten Beamten eine Stichprobe gezogen. Die Auswahl der Stichprobe erfolgte zufallsgesteuert innerhalb eines Clusters88, der aus zwei bayerischen Fahndungsdienststellen89 bestand. So wurde zwar durch die Auswahl des Clusters die Grundgesamtheit bayerischer Schleierfahnder aufgespalten, innerhalb dieses Clusters hatte dennoch jeder Fahndungsbeamte die gleiche Möglichkeit in die Stichprobe zu gelangen. Die Repräsentativität dieser Teilgesamtheit liegt vor, da sie in ihren Merkmalen eine Struktur aufweist die 90

bayerischer Fahndungsdienststellen vergleichbar ist.

88

Bezeichnet auch als Klumpen. Vgl. hierzu 4.2. 90 Vgl. Schmalzl (2007). 89

mit der Grundgesamtheit

34 6.2.2 Aufbau des Fragebogens

Bei der Gestaltung des Fragebogens wurde Wert auf ein klares Layout gelegt. Der Fragebogen

wurde

einheitlich

und

übersichtlich

gegliedert.

Die

Antwortkategorien wiesen eine hohe Kontinuität auf. Mit einem Pretest wurde eine Bearbeitungszeit von rund 15 Minuten ermittelt. Der Fragebogen war zügig und ohne Konzentrationsdefizite zu beantworten. Durch den Wechsel der Fragetechniken91 wurde versucht, die Konzentration auf jedes einzelne Frage-Item zu erhalten. Die drei Einleitungsfragen verfolgten zwei Zielrichtungen: Zum einen sollten diese leicht zu beantwortenden Fragen als sog. Eisbrecherfragen fungieren und den Befragten von der Vorstellung einer Prüfungssituation befreien 92, zum anderen ermöglichten die Fragen innerhalb der Auswertung die Einteilung der Befragungspersonen in verschiedene Kategorien. 93 In den Folgefragen wurden die erfolgskritischen Faktoren in Items gefasst, wobei hier auf eine strikte thematische Trennung nach personellen, organisatorischen, kognitiven, umweltbedingten und durch das Kontrollklientel bedingten Faktoren verzichtet wurde. Es wurde stattdessen darauf geachtet, die Items so anzuordnen, dass sie für die Befragungsperson in einem nachvollziehbaren Kontext standen. Die unter Ziff. 2.13 geforderte Reihung der davor unter 2. zu beurteilenden Einzelfaktoren94 wurde bewusst gewählt, um vermutete Beurteilungstendenzen in Form geringer Streuung zu vermeiden und die Befragungsperson in eine qualitative Entscheidungssituation zu bringen. Die Antwortkategorien wiesen in ihren Ausprägungen keine neutrale Position auf. Es musste sich entweder für „wichtig/ unwichtig“ oder „trifft zu /trifft nicht zu“ mit entsprechenden Abstufungen entschieden werden. Der Problematik einer mittleren, neutralen Position mit verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten95 wurde so aus dem Wege gegangen.

91

Z.B. Direkte Fragen in der ersten Person Singular im Wechsel mit Bewertung von vorgegebenen Statements. 92 Vgl. Höpflinger. (Quelle: www.http://mypage.bluewin.ch). 93 Alter, Erfahrung, Vorverwendung. 94 Vgl. hierzu Anlage 1. 95 Das Ankreuzen einer mittleren Antwortposition kann Ausdruck von z.B. „ich weiß nicht“,

35 Dem Fragebogen war ein Begleittext96 vorgeheftet, der Informationen über das untersuchte

Themengebiet,

datenschutzrechtliche

den

Hinweise

Autor enthielt.

sowie

Bearbeitungs-

Hierdurch

sollten

und die

Befragungspersonen zu einer zahlenmäßig möglichst großen Teilnahme und qualitativ hochwertigen Bearbeitung des Fragebogens motiviert werden.

6.2.3 Ablauf der quantitativen Untersuchung

Vor Ausgabe des Fragebogens wurde dieser einem Pretest unterzogen. Hierzu wurde der Fragebogen an vier langjährige Schleierfahnder mit zwischenzeitlich geänderter Tätigkeit ausgegeben. Nachdem der Pretest die Tauglichkeit als Erhebungsinstrument

bestätigte,

wurden

die

Fragebögen

in

Papierform

ausgefertigt und an die Polizeiinspektionen Fahndung in Rosenheim und Traunstein, sowie die Polizeistationen Fahndung Kreuth und Burghausen ausgegeben.

Zielgruppe

der

Befragung

waren alle

Beamte,

die

zum

Befragungszeitpunkt im regelmäßigen Streifendienst der Schleierfahndung im „Straßenbereich“ eingesetzt waren. Die Fahndungsgruppen „Schiene“ wurden nicht in die Untersuchung einbezogen. Für die Beantwortung wurde ein Zeitraum von knapp drei Wochen angesetzt. Die Fragebögen wurden im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Briefings an die Kontrollbeamten ausgegeben und auf der jeweiligen Dienststelle bearbeitet. Anschließend wurden sie gesammelt zur Auswertung an den Verfasser übergeben.

6.3 Qualitative Untersuchung

Wie unter 6.2 bereits dargestellt, wurde zusätzlich eine

qualitative

Untersuchungsmethode in Form von Experteninterviews angewandt. Gerade die durch das Thema Verdachtsgewinnung und Kontrollverhalten bedingte Vielfalt möglicher Einflussfaktoren erforderte die Option, über relativ eng begrenzte

96

Irrelevanz oder Protest sein. (Vgl. www.http.//stangl-taller.at, S. 2). Vgl. hierzu Anlage 1.

36 Antwortkategorien eines standardisierten Fragebogens hinaus weitere, ergänzende Untersuchungsaspekte mit einzubringen.

6.3.1 Auswahl der Experten97

Über den Begriff des Experten herrscht in den Sozialwissenschaften wenig Einigkeit. Für den Bereich der Experteninterviews definieren Mieg & Näf in ihrer Publikation „Experteninterviews“98 einen Experten als eine Person, die aufgrund langjähriger Erfahrung über bereichsspezifisches Wissen/Können verfügt. 99 Anhand dieser Kriterien konnten aus dem Personalkörper der Polizeiinspektionen Fahndung Rosenheim und Traunstein fünf Experten gewonnen und interviewt werden. In der Zusammensetzung der Experten wurden bewusst verschiedene aufbauorganisatorische

Tätigkeitsfelder

berücksichtigt.

So

wurden

zwei

Fahndungsbeamte, zwei Dienstgruppenleiter und ein mit Leitungsaufgaben betrauter

Beamter

befragt.

Um

ergänzende,

über

den

Bereich

der

Polizeiinspektionen Fahndung hinaus reichende Untersuchungsergebnisse zu erhalten, wurde zusätzlich ein Fahndungsbeamter 100 der Bundespolizei befragt.

6.3.2 Aufbau des Interview-Leitfadens101

Nach Kodierung und Eingabe in ein Auswerteblatt wurden die Ergebnisse der Fragebogenaktion einer ersten Sichtung unterzogen. Die hierbei festgestellten Tendenzen wurden ebenso in den Interview-Leitfaden integriert als die strukturierte

Abfrage

der

möglichen

erfolgskritischen

Faktoren

der

Schleierfahndung. Die Erstellung des Leitfadens erfolgte unter der Prämisse, zwar durch Vorlage von strukturierten Fragen ein themenfokussiertes Gespräch in

97

Vgl. hierzu Anlage 4, anonymisierte Aufstellung der Interviewpartner. Vgl. Mieg & Näf (2005). 99 Vgl. ebenda, S. 7. 100 Der Fahndungsbeamte der Bundespolizei war ausschließlich in der Schleierfahndung des grenzüberschreitenden Schienenverkehrs zuständig. Es musste deshalb eine Anpassung des Interview-Leitfadens erfolgen. 101 Vgl. Anlage 3. 98

37 Gang zu bringen, ohne dabei jedoch mehr oder weniger enge Antwortkategorien vorzugeben. 102 Der Leitfaden beinhaltete sieben Leitfragen, die ausschließlich offen gestellt waren, um eine freie Rede auszulösen und damit Einblick in die spezifischen Relevanzstrukturen des Problemfeldes zu gewähren. 103 Die Leitfragen orientierten sich im Wesentlichen am Aufbau

des Fragebogens und bildeten die

Grundstruktur des Interviews. Zu jeder Leitfrage wurden mögliche Aspekte formuliert, um dem Befragten einen Betrachtungsspielraum anzubieten. Vertiefende Fragen sollten die Gelegenheit verschaffen, mögliche pauschale Aussagen zu konkretisieren. Dem Interview-Leitfaden vorgeschaltet wurde ein Datenblatt,104 das neben personenbezogenen Daten auch Angaben zum Experten-Status und dem zeitlichen und örtlichen Rahmen des Interviews enthielt. Darüber hinaus schloss es die Einverständniserklärung

für

die

Aufnahme

auf

Tonträger

und

eine

den

Experten

in

einer

Anonymisierungszusage ein.

6.3.3 Ablauf der qualitativen Untersuchung

Bei

der

terminlichen

Vereinbarung

wurde

Vorabinformation Ziel und Inhalt des Experteninterviews dargestellt. Pro Interview wurde ein Zeitansatz von etwa einer Stunde angesetzt. Darüber hinaus erhielten alle Experten etwa eine Woche vor Durchführung des Interviews per EMail eine Ausfertigung des Interview-Leitfadens.

So war es allen Experten

möglich, sich thematisch auf das Interview vorzubereiten. Die Interviews fanden in Büroraumen der jeweiligen Dienststellen in Rosenheim, Traunstein105, sowie des Bahnhofes Freilassing statt. Die Gespräche wurden in doppelter Weise dokumentiert: Neben einer Aufzeichnung auf Tonträger erfolgte eine Dokumentation mittels Handprotokoll. Vor Aufnahme auf Tonträger wurde 102

Vgl. Mieg & Näf (2005), S. 4. Vgl. ebenda, S. 16. 104 Vgl. hierzu Anlage 5. 105 Der Dienstsitz der PIF Traunstein befindet sich in Piding/Urwies. 103

38 den jeweiligen Experten Sinn und Absicht des Tonband-Protokolls erläutert.106 Alle Befragten waren mit der Aufnahme einverstanden. Die Transkribierung der Tonbandaufnahmen erfolgte in der thematischen Reihenfolge des Interview-Leitfadens, der auch hierzu die Struktur bot. Die Aussagen wurden im Einverständnis mit den Experten zusammengefasst 107 und diesen zur Autorisierung per E-Mail übersandt. Erst im Anschluss daran fanden sie Eingang in die weitere Untersuchung.

7. Untersuchungsergebnisse

7.1 Quantitative Untersuchung

Es wurden insgesamt 82 Fragebögen ausgegeben. Das entsprach der Anzahl der im Befragungszeitraum im Dienst befindlichen Beamten. Die Differenz zum Personal-Ist der regelmäßig im Streifendienst eingesetzten Fahnder ergibt sich aus längerfristigen Abwesenheiten durch Urlaub, Erkrankung oder Abordnung zu anderen Dienststellen. 74 Fragebögen wurden beantwortet (N=74), was einer Rücklaufquote von 90 % entsprach.

7.1.1 Struktur der Befragungsgruppe 108

Die Kategorisierung der Befragungsgruppe nach Alter, dienstlicher Erfahrung und Vorverwendung ergibt folgende Struktur: Das Durchschnittsalter der befragten Fahndungsbeamten betrug 41,2 Jahre, wobei der Durchschnitt in Traunstein109 mit 45 Jahren zu Rosenheim110 mit 37,5 Jahren erheblich höher lag.

106

Vgl. Mieg & Näf (2005), S. 19. Vgl. hierzu Anlage 6. 108 Durch Fragen 1.1, 1.2, 1.3 erhoben. 109 Enthält die Daten der nachgeordneten PStF. 107

39 Die dienstliche Erfahrung, gemessen mit der Frage nach dem Zeitraum der Tätigkeit in der Schleierfahndung oder einer vergleichbaren Organisation, zeigt deutliche Werte: 58% der Befragten sind mehr als zehn Jahre in dieser Tätigkeit, 20% zwischen drei und fünf Jahren, gefolgt von unter drei Jahren (12%) und sechs bis zehn Jahren (9%).111 Die

Statistik

der

dienstlichen

Vorverwendung,

d.h.

die

polizeiliche

Organisationseinheit vor Verwendung in der Schleierfahndung, weist ähnlich deutliche Werte auf. So waren 62% der Befragten bei der Bayerischen Grenzpolizei tätig. Die verbleibenden Anteile splitten sich in Bereitschaftspolizei (16%), Landespolizei (14%) und anderer/sonstiger Verwendung (8%) auf.112 Um diese Kategorien in die Untersuchung mit einfließen lassen zu können, wurde die Auswertung über die bloße Darstellung der Gesamtergebnisse hinaus weiter differenziert. So war es möglich, jedes Befragungsergebnis für die Dienststellen Rosenheim (n=39) und Traunstein (n=35) gegebenenfalls im Vergleich darzustellen, sowie das Antwortverhalten der Befragten nach dem Kriterium der dienstlichen Erfahrung zu vergleichen. Für letztgenannten Vergleich wurden zwei Gruppen gebildet. Die erste Gruppe umfasste hierbei den Zeitraum der dienstlichen Verwendung von bis zu fünf Jahren in der Tätigkeit als Schleierfahnder (n=24), die zweite Gruppe von sechs und mehr Jahren in dieser Tätigkeit (n=50).

Auf eine weitere Untergliederung wurde verzichtet, da

hierdurch z. T. zu kleine Befragungsgruppen entstanden wären und somit statistisch gültige Aussagen unmöglich gemacht hätten.

110

Enthält die Daten der nachgeordneten PStF. Siehe hierzu Anlage 2. 112 Siehe ebenda. 111

40 7.1.2

Der

Kognitive113, organisatorische114 und Umweltfaktoren115

erste

Fragenkomplex

umfasste

ein

Konglomerat

aus

kognitiven,

organisatorischen Faktoren und Umweltfaktoren. Diese wurden bewusst gruppiert, um den Befragten den Themenbereich zusammenhängend und dem Tätigkeitsfeld entsprechend logisch aufgebaut, zur Beantwortung anzubieten. Die Darstellung der Befragungsergebnisse erfolgt jedoch dem methodischen Aufbau der Arbeit entsprechend getrennt nach Kategorien. Auf die Frage: „Wie bewerten Sie die Wichtigkeit folgender Faktoren im Hinblick auf den Erfolg Ihrer durchgeführten Fahndungskontrollen?“ 116, wurden zunächst mit den möglichen Einflussgrößen „Erfahrung“, „Fachwissen/Spezialisierung“ und „Talent/Fingerspitzengefühl“ drei kognitive Faktoren zur Bewertung gestellt. Die Wertigkeit konnte in den Ausprägungen „sehr wichtig“, „eher wichtig“, „eher unwichtig“ und „unwichtig“ ausgedrückt werden. Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde die textliche Darstellung der Ergebnisse an den beiden Bewertungspolen „wichtig“ und „unwichtig“ kumuliert dargestellt. Um dennoch eine detaillierte Betrachtung der Streuung zu ermöglichen wurde das Antwortverhalten in den jeweils zum Text angeführten Diagrammen aufgesplittet dargestellt. Eine Gesamtdarstellung aller quantitativen Ergebnisse ist in der Anlage 2 zusammengefasst. Alle drei kognitiven Faktoren wurden mit „sehr wichtig“ bzw. „eher wichtig“ bewertet (100%), wobei das deutliche Übergewicht aller Bewertungen auf „sehr wichtig“ lag.

Keine einzige Einschätzung entfiel auf die Ausprägungen

„unwichtig/eher unwichtig“. Die Gewichtungen aus Rosenheim und Traunstein waren hierzu fast deckungsgleich. Interessant stellte sich die unterschiedliche Bewertung innerhalb der Untergruppierungen der dienstlichen Erfahrung dar. So beurteilte die Gruppe der bis zu fünf Jahren dienstlich in der Schleierfahndung Verwendeten die vorgenannten Faktoren lediglich „eher wichtig“, die Gruppe mit der sechs- und mehrjährigen Diensterfahrung als „sehr wichtig“, um in der Schleierfahndung erfolgreich zu sein. 113

Vgl. Fragebogen Nr. 2.1, 2.2, 2.3. Vgl. Fragebogen Nr. 2.4, 2.5, 3.7, 2.8, 2.10, 2.11, 2.12. 115 Vgl. Fragebogen Nr. 2.6, 2.9. 116 Vgl. Fragebogen Nr. 2. 114

41 Unter gleichbleibender Fragestellung wurden nun organisatorische Faktoren einer Bewertung unterzogen. Ein mit den kognitiven Faktoren vergleichbar deutliches Ergebnis entfiel auf die Bewertung der Faktoren „Ausrüstung“ und „Zusammenarbeit mit anderen Behörden“, wobei auf ersteren 95% , auf den zweiten Faktor 60% der kumulierten Gewichtung „sehr wichtig/eher wichtig“ vergeben wurde. Zeigte sich unter der Einflussgröße „Art der Kontrolle“ noch ein ausgewogenes Verhältnis - etwas mehr als die Hälfte der Befragten (53%) hielten die Art der Kontrolle für „eher unwichtig/unwichtig“- so stellte sich bei den weiteren Faktoren

das

Ergebnis

deutlicher

dar:

Die

„Durchmischung

der

Streifenbesatzungen“ (73%) und die „Diensteinteilung“ (71 %) wurden ebenso „eher unwichtig/unwichtig“ gewertet wie der Kontrollort (63%) und die Kontrollzeit mit 61%. Die differenzierende Betrachtung der Bewertungen aus Rosenheim und Traunstein ergab auch hier unterschiedliche Ergebnisse. Innerhalb der Wertungen zum „Kontrollort“ sprachen sich in Rosenheim deutliche 72% für die Unwichtigkeit dieser aus, in Traunstein lediglich 53%. Noch deutlicher wurden die Unterschiede zur Wichtigkeit der Diensteinteilung: Hielten in Rosenheim die Fahnder mit 84% die Diensteinteilung für „unwichtig“ oder „eher unwichtig“, so fiel die Wertung dieses Kriteriums in Traunstein wesentlich niedriger, nämlich nur mit 54% aus. Am deutlichsten unterschied sich die Bewertung des Faktors „Durchmischung der Streifenbesatzungen“ im Vergleich der Dienststellen in Rosenheim und Traunstein,

sowie der

Gruppierungen mit

unterschiedlicher

dienstlicher

Erfahrung. So bewerteten die Rosenheimer Fahnder die „Durchmischung der Streifenbesatzungen“ mit 81%, als „unwichtig/eher unwichtig“, im Gegensatz hierzu in Traunstein nur 62% der Beamten. Fahnder bis zu fünf Jahren in dieser Verwendung hielten diesen Faktor zu 58% für unwichtig, wobei die dienstälteren Kollegen diesen Wert sogar auf 80 % erhöhten. Innerhalb desselben Fragenkomplexes waren in der Folge zwei Umweltfaktoren in Form der „äußeren Umstände“ (z.B. Lichtverhältnisse, Geschwindigkeit der

42 Fahrzeuge) und der „Verkehrsverhältnisse“ zu bewerten. Beide Faktoren wurden mit gleichem Ergebnis (81%) als „wichtig/eher wichtig“ gewertet.

Gewichtung Kontrollfaktoren 120% 100% 80% N=74 60% 40% 20% 0%

sehr wichtig

eher wichtig

Abbildung 1: Gewichtung Kontrollfaktoren

Bereits bei Erstellung des Fragebogens wurde zumindest partiell eine geringe Streuung in der Bewertung vorgenannter Faktoren antizipiert, was sich auch bei Auswertung gerade der kognitiven Faktoren und der Ausrüstung bestätigte. Deshalb wurden die Schleierfahnder in einer aufbauenden Frage gebeten, diese Faktoren kategorieübergreifend in eine Reihenfolge von 1 (am wichtigsten) bis 12 (am wenigsten wichtig) zu bringen. Die Sorge, eine Vielzahl der Befragungspersonen könne hier aufgrund der gesteigerten Konzentrationsleistung die Befragung abbrechen, konnte nicht bestätigt werden. Lediglich drei Fragebögen wiesen unter dieser Fragestellung fehlerhafte Eintragungen auf und konnten nicht in die Auswertung einfließen.

43 Die Auswertung zu dieser Reihung zeigt sich am deutlichsten in einer Grafik:

Reihung Kontrollfaktoren 90% 80% 70% 60% 50% N=71 40% 30% 20% 10% 0%

Abbildung 2: Reihung Kontrollfaktoren

Angeführt wird diese Reihung von den kognitiven Faktoren „Erfahrung“, „Fachwissen“ und „Talent/Fingerspitzengefühl“ und endet mit dem Faktor „Durchmischung der Streifenbesatzungen“. Die Ergebnisse der Reihung spiegeln somit exakt die Gewichtung in der Einzelbewertung wieder. D.h. Faktoren erhielten bei der Einzelbewertung eine der späteren Platzierung entsprechende Wichtigkeit zugesprochen. Die einzige Ausnahme stellte hier die Einwertung des Faktors „Zusammenarbeit mit anderen Behörden“ dar.

Dieser verlor im

Konkurrenzverhältnis zu anderen Faktoren an Relevanz und fand sich in der Reihung lediglich auf Platz 10 wieder. Thematisch dazugehörig, jedoch außerhalb des ersten Fragenkomplexes angesiedelt, wurde erfragt, welche „Art der Kontrolle“ die Befragungspersonen für am erfolgreichsten hielten. 76% der Fahnder hielten die „Beobachtung des Fließverkehrs“ aus einem stehenden Fahrzeug für die erfolgreichste Kontrollform, mit 24 % folgte die stationäre Kontrollstelle und keine einzige Wertung entfiel auf die oft in der Pionierphase der Schleierfahndung propagierte Form des

44 „Mitschwimmens im Verkehr“. 117 Eine hier vermutete Gewichtung der Kontrollstellen durch dienstältere Kollegen – oft aus der Organisationsform der Bayerischen Grenzpolizei stammend, gewöhnt an stationäre Grenzkontrollen – zeigte sich hier erstaunlicherweise nicht.

7.1.3 Motivation

Die Relevanz persönlicher Motivation Aufgabenerfüllung

in

Organisationen

wissenschaftlichen

Studien

belegt.

zur effektiven und effizienten ist

Wie

durch in

eine

anderen

Vielzahl

von

Bereichen

der

Kontrollkriminalität auch, hängt der Erfolg der spezialisierten Fahndungsarbeit zu großen Teilen von der Individualleistung des Polizeibeamten ab. Bei Fertigung des Fragebogens wurde deshalb davon ausgegangen, dass gerade in der

Schleierfahndung ein hohes Maß an Motivation für diese Tätigkeit

erforderlich ist. Eine Abfrage der Wichtigkeit von Motivation erfolgte aufgrund des antizipierten

Ergebnisses nicht. Vielmehr wurde versucht, die Relevanz

einzelner potentieller Motivationsgründe anhand einer beispielhaften Aufzählung zu

erforschen.

In

einem

Freitextfeld

konnten

überdies

ergänzende

Motivationsgründe angegeben werden. Eindeutige Zustimmung erfuhren hierbei die Motivationsgründe der „persönlichen Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit“ sowie der „Sinnhaftigkeit der Tätigkeit“ (i.S. wichtiger Beitrag für die Innere Sicherheit). 97% bzw. 86% der Befragten hielten diese Motivationsgründe als „voll“ bzw. „eher zu treffend“. Eine ähnlich hohe Bedeutung wurde dem Gruppen- und Zugehörigkeitsgefühl beigemessen. Hier bewerteten knapp ¾ der Befragten aus Rosenheim und Traunstein das Zutreffen mit gleichen Prädikaten. Auf deutliche Ablehnung – 96% der Fahnder bewerteten mit „nicht“ bzw. „eher nicht“ zutreffend - stießen hingegen politische Vorgaben als potentielle Motivationsgründe.

117

Bezeichnet die Fahndungsform als Streifenfahrzeug am Straßenverkehr teilzunehmen („mitzuschwimmen“) und hierbei die Fahndungsauswahl zu treffen.

45 Ohne deutliche Gewichtung entfielen die Bewertungen zum möglichen Faktor des „persönlichen Nutzens“ (z.B. Beurteilung, Beförderung, dienstl. Aufstieg). Hier konnte kein eindeutiger Schwerpunkt zwischen den Polen „trifft zu“ und „trifft nicht zu“ festgestellt werden (52% zu 48%). Die Vielzahl der Wertungen lagen um die Mitte bei den Ausprägungen „trifft weitgehend zu“ (44%) und „trifft eher nicht zu“ (37%). Auch ein denkbarer Unterschied zwischen dienstlich nicht so erfahrenen, zumeist jüngeren Beamten und erfahreneren Beamten konnte nicht festgestellt werden. Ebenso nahezu ausgeglichen entfielen die Wertungen zu „Stellung (Status) innerhalb der Dienststelle“ und „Stolz, Angehöriger einer Spezialdienststelle zu sein“. Bei beiden Faktoren wurde eine starke Tendenz zur Mitte festgestellt, wobei 52% eher das Nichtzutreffen der Stellung innerhalb der Dienststelle und 58% eher das Zutreffen des „Stolzes“ als erfolgsmotivierende Einflussgröße bewerteten. Auffällig bei letzterer Bewertung ist die differenzierende Betrachtung der Ergebnisse mehrfach genannter „Gruppen dienstlicher Erfahrung“. Beamte mit kürzerer Verwendungszeit in der Schleierfahndung bewerteten das Zutreffen des Faktors „Stolz“ mit 63%, wohingegen die Beamten mit der höheren Verwendungszeit mit 55 % „Stolz“ als nicht zutreffend bewerteten. Das Freitextfeld wurde insgesamt von sechs Beamten genutzt. Hierbei wurden im Wesentlichen der Spaß an der Arbeit, Anerkennung, die Möglichkeit des freien Fahndens118 und die Bandbreite der zu verfolgenden Delikte genannt.

118

Freies „Fahnden“ bedeutet in diesem Zusammenhang ohne örtliche/zeitliche/sachliche Bindungen.

46

Motivationsgründe 100% 90% 80% 70% 60% N=74 50% 40% 30% 20% 10% 0%

trifft voll zu

trifft weitgehend zu

Abbildung 3: Gewichtung Motivationsgründe

7.1.4 Aus- und Fortbildung

Anhand eines Statements hatten die Befragungspersonen zu bewerten, ob die polizeiliche Grundausbildung im Rahmen der standardisierten Polizeiausbildung ausreichend sei, um auch in der Schleierfahndung erfolgreich zu sein. Dieses Statement

diente

der

Frage

nach

einer

möglicherweise

notwendigen

Spezialisierung in dieser Tätigkeit. 95 % der Befragungspersonen bestätigten die Notwendigkeit einer Spezialisierung mit einer Wertung „trifft nicht oder weniger zu“ . Aufbauend wurde um eine Bewertung der regelmäßigen Fortbildung durch Spezialisten, z.B. Kfz.-Fahndern, BtM-Fahndern, Urkunden-Spezialisten gebeten. Hier gewichteten 96% der Fahnder diese Art der

Fortbildung als

erfolgsentscheidend mit „trifft voll bzw. weitgehend“ zu. In einem dritten Statement wurde die Wichtigkeit von Dienstunterrichten und Briefings zu Lagemeldungen und neuen Erkenntnissen in Zusammenhang mit erfolgreich verlaufenden Kontrollen erfragt. 96% der Befragten hielten auch diese

47 Form der Informationsweitergabe für wichtig, um erfolgreich kontrollieren zu können.

7.1.5 Polizeiliche Auskunftsdienste

Mit der Frage: „Welche Bedeutung messen Sie den Überprüfungsmöglichkeiten in polizeilichen Auskunftsdiensten (z.B. INPOL, IGVP, Intrapol) 119, im Hinblick auf die Verdachtsgewinnung zu?“, sollte die Relevanz dieser Möglichkeit sowohl vor als auch nach erfolgter Anhaltung bestimmt werden. Mit dieser Unterscheidung wurde erfragt, ob die Auskunftsdienste in der

zeitlich stark

limitierten Phase vor der Anhaltung zur Verdachtsgewinnung Relevanz besitzen und inwieweit sich diese nach erfolgter Anhaltung verändert. Nachfolgende Abbildung zeigt, dass polizeiliche Auskunftsdienste bereits vor der Anhaltung von mehr als der Hälfte der Befragten als sehr wichtig für die Verdachtsgewinnung angesehen wurden. Der Wert erhöhte sich für den Zeitraum nach der Anhaltung auf 74 %.

Polizeiliche Auskunftsdienste 80% 60% N=74 40% 20% 0% sehr wichtig eher wichtig

Vor Anhaltung

eher unwichtig

unwichtig

Nach Anhaltung

Abbildung 4: Polizeiliche Auskunftsdienste 119

INPOL steht für Informationssystem der Polizei, IGVP bezeichnet ein bayernweites Verwaltungssystem, Intrapol steht für ein polizeiinternes dem Internet ähnliches Informationsportal.

48 7.1.6 Faktoren durch das Kontrollklientel120

Die möglichen Einflussfaktoren durch das Kontrollklientel wurden in einer dualen, aufeinander aufbauenden Fragestellung erhoben. Hierbei sollte die Relevanz der erfragten Faktoren in den Phasen vor und nach der Anhaltung bestimmt werden. Die erste Phase wurde mit einer direkten Frage in Form von: „Wie ist der Einfluss nachfolgender Faktoren, wenn Sie sich entschließen, ein Fahrzeug zur Kontrolle anzuhalten?“, zur Bewertung gestellt. Die zu bewertenden Kriterien stellten hierbei ein Konglomerat aus personenbezogenen und fahrzeugbezogenen Faktoren dar. Bei Auswahl dieser möglichen Faktoren wurde versucht, eine möglichst vollständige Abbildung der sich für den Kontrollbeamten in der Auswahlsituation bietenden Kriterien zu erreichen. Die Antwortkategorien umfassten die Ausprägungen „sehr hoch“ und „eher hoch“ sowie „eher belanglos“ und „belanglos“. Innerhalb der personenbezogenen Faktoren bewerteten die Befragungspersonen sehr eindeutig die Faktoren des „Geschlechts des Fahrers“, sowie die „Anzahl“, „vermutete Nationalität“, das „äußere Erscheinungsbild“ und das „Verhalten der Fahrzeuginsassen“. So stellte für 98%

der Befragungsgruppe die „vermutete Nationalität“ der

Fahrzeuginsassen einen „sehr bzw. eher hohen“ Einfluss für eine Anhaltung dar. Ähnlich hoch fiel die Bewertung für das „äußere Erscheinungsbild“ (82%) und das „Verhalten“ (70%) aus. 69% der Befragten hielten das „Geschlecht des Fahrzeugführers“ und die „Anzahl der Fahrzeuginsassen“ für ein wichtiges Auswahlkriterium. Bezüglich des „Alters des Fahrzeugführers“ bestand keine Mehrheit innerhalb der Befragungsgruppe. So gewichteten etwas mehr als die Hälfte (53%) der Fahnder die Wichtigkeit dieses Kriteriums als „eher hoch“ bzw. „sehr hoch“. Interessant stellte sich hier das Ergebnis

eines ergänzenden Vergleichs

beschriebener Gruppierung dar: Bewerteten

nach bereits

die dienstlich kürzer in der

Schleierfahndung tätigen Beamten das „Alter“ mit 57 % als „eher belanglos“,

120

Vgl. Fragebogen Nr. 6 ff.

49 gewichteten die Fahnder mit einer längeren Verwendungszeit zu 56% das „Alter des Fahrzeugführers“ als „eher hoch“. Die fahrzeugbezogenen Kriterien umfassten

„Marke/Typ“, „Alter/Zustand“,

„Fahrzeugwert“, „Farbe“, „Motorisierung“, „Fahrtrichtung“, „Geschwindigkeit“ und „amtliches Kennzeichen“. Ergänzt wurden diese Merkmale durch eine Kombination aus Fahrzeug und Person des Fahrers, der sog. „Passung“. Eben diese „Passung“ von Fahrer und Fahrzeug erreichte die höchste Bewertung. 99% der Befragten schätzten den Einfluss dieses Faktors als „sehr hoch“ bzw. „eher hoch“ ein, um sich zu einer Anhaltung zu entschließen. Auch das „Fahrzeugkennzeichen“ erreichte Wohingegen

Faktoren

wie

mit

88%

einen ähnlich hohen Wert.

„Motorisierung“

(98%),

„Farbe“

(98%),

„Geschwindigkeit“ (83%), „Fahrtrichtung“ (71%), „Alter und Zustand“ (60%) als „eher belanglos“ oder gar gänzlich „belanglos“ gewertet wurden.

Einfluss durch Kontrollklientel 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

sehr hoch

eher hoch

Abbildung 5: Einfluss Kontrollklientel vor Anhaltung

50 In einer aufbauenden Frage wurden die vorgenannten Faktoren ein zweites Mal zur Bewertung gestellt. Dieses Mal wurde die Situation jedoch auf eine bereits erfolgte Anhaltung verändert. So lautete die Frage: „Sie haben ein Fahrzeug angehalten und haben den/die Fahrzeuginsassen vor sich. Nach einem ersten Blick auf die mitgeführten Dokumente können Sie keinen Normverstoß feststellen. Wie groß ist der Einfluss der bereits genannten Faktoren auf Ihre Entscheidung, die Person/en/das Fahrzeug trotzdem genauer zu überprüfen?“ 121 Wie aus unten stehender Grafik ersichtlich, veränderte sich die Relevanz der Faktoren nach erfolgter Anhaltung. Generell verloren alle Faktoren mit Ausnahme des „Verhaltens“ und des „Fahrzeugwerts“ an Einfluss, die Person/das Fahrzeug einer genaueren Überprüfung zu unterziehen. Die deutlichsten Verluste verzeichnete die Wichtigkeit des „Geschlechts“ (-28%), die „Anzahl der Insassen“ (-27%) und das „Alter des Fahrers“ (-17%). Eine deutliche Steigerung erfuhr der Wert des „Verhaltens“ (+19%). Man kann konstatieren, dass äußere, auf den ersten Blick erkennbare Faktoren in der Phase der Auswahl des Kontrollklientels eine größere Rolle spielten, als nach erfolgter Anhaltung. In dieser zweiten Phase gewannen Faktoren, die einer längeren Beobachtungszeit bedurften, wie beispielsweise das „Verhalten“ des Kontrollklientels und die Einschätzung des „Fahrzeugwertes“ an Bedeutung.

121

Vgl. Fragebogen Nr. 7 ff.

51

Einfluss durch Kontrollklientel Vergleich vor und nach Anhaltung 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

Vor Anhaltung

Nach Anhaltung

Abbildung 6: Einfluss Kontrollklientel vor/nach Anhaltung

7.1.7 Erfolg

Die in der Problemdarstellung 122 aufgeworfene Frage nach einer Erfolgsdefinition wurde im Fragebogen in einen eigenen Fragenkomplex umgesetzt. So wurden den Schleierfahndern aus Rosenheim und Traunstein fünf Statements zur Bewertung vorgelegt, um die subjektive Sicht des Erfolges in die Betrachtung einfließen lassen zu können. Die Statements bauten auf den Einleitungssatz: „Meine Kontrollen sehe ich als erfolgreich (im Sinne von effektiv) an, wenn... ...ich zu einem „zählbaren“ Ergebnis gelange (Festnahme, Anzeige, Auffindung von verbotenen Gegenständen und Substanzen). Diese Einschätzung bewerteten 54% der Befragten mit „weitgehend zutreffend“, 41% mit „voll zutreffend“. Die kumulierte Positiveinschätzung liegt hier bei insg. 95%.

122

Siehe 3.1.

52 ...ich bei der Kontrolle keinen Normverstoß feststelle, da dies für mich ein Indiz für die abschreckende Wirkung der Fahndungskontrollen ist. Die abschreckende Wirkung wurde mit 75% als „weniger“ bzw. „nicht zutreffend“ gewichtet. ...ich eine möglichst große Kontrollfrequenz durchführe. Auch hier liegt die Bewertung mit 76% bei „nicht“ bzw. „weniger zutreffend“. ...ich qualitativ hochwertige Aufgriffe habe. Mit einer deutlichen Wertung von 64% „trifft voll“ zu bzw. 95% „trifft voll bzw. weitgehend zu“ betonten die Fahnder die Wichtigkeit der Qualität der Aufgriffe. In einem weiteren Statement hatte die Befragungsgruppe ein Votum bezüglich der repressiven bzw. präventiven Ausrichtung abzugeben. 81 % der Fahnder betrachteten hierbei die Hauptaufgabe der Schleierfahndung „eher/sehr“ repressiv. Ein differenzierender Blick in die Auswertungen aus Rosenheim und Traunstein offenbarte hier Unterschiede: Sahen in Rosenheim 11% der Beamten die Hauptaufgabe in der Prävention, so waren es in Traunstein ganze 28%, die die Fahndungsarbeit „eher“ oder „sehr“ präventiv sahen. Die oft durch Politik und Spitzenvertreter der Polizeiverbände gerade Ende der 90er-Jahre geäußerte „Trefferquote“123 wurde durch eine gesonderte Fragestellung erhoben. Die Fahndungskräfte sollten hierbei unter Anlegung eines Zeitraumes der letzten 12 Monate versuchen, eine persönliche „Trefferquote“ anzugeben. Die Schätzungen hierbei unterlagen einer großen Streuung die von 1: 5 bis 1:100 im Maximalausschlag reichte. Das arithmetische Mittel lag bei allen Schätzungen bei einer Quote von 1: 22, wobei die Fahnder aus Traunstein im Schnitt mit 1:19 etwas optimistischer in ihren Einschätzungen als ihre Kollegen aus Rosenheim mit 1:25 waren. Eine Abweichung innerhalb der Gruppen mit unterschiedlicher dienstlicher Erfahrung konnte nicht

festgestellt werden. Diese lagen erstaunlicherweise exakt

deckungsgleich zum Gesamt-Mittelwert.

123

I.S. von Verhältnis angehaltene Kfz. mit „zählbarem“ Ergebnis zu Anhaltungen ohne Ergebnis.

53 7.1.8 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Es lässt sich konstatieren, dass innerhalb der kognitiven Einflussfaktoren die „Erfahrung“, das „Fachwissen/die Spezialisierung“ sowie das „Talent“ bzw. das „Fingerspitzengefühl“ (alle 100%) als wesentlich für den Erfolg durchgeführter Schleierfahndungskontrollen angesehen wurden. Innerhalb der organisatorischen Faktoren erlangte die „Ausrüstung“ (95%) und die „Zusammenarbeit mit anderen Behörden“ (60%) die höchste Zustimmung. Der Einfluss „äußerer Umstände“ (80%)

und

der

„Verkehrsverhältnisse“ (80%)

wurden

als

wesentliche

Umweltfaktoren bewertet. Die ergänzende Reihung

dieser Faktoren bestätigte die Ergebnisse zur

Einzelbewertung. Mit Ausnahme des Faktors „Zusammenarbeit mit anderen Behörden“ entsprach die Position innerhalb der Reihung der zuvor bewerteten Relevanz der Einzelfaktoren. Als wesentliches Teilergebnis kann auch festgehalten werden, dass die Beobachtung des Fließverkehrs aus einem stehenden Fahrzeug als effektivste Kontrolltaktik angesehen wurde (76%) und die Hauptmotivationsfaktoren für erfolgreiche Fahndungskontrollen in der persönlichen Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit (97%) sowie in deren Sinnhaftigkeit (86%) lagen. Die Relevanz der Aus- und Fortbildung in der Schleierfahndung wurde mit einer deutlichen Untermauerung einer notwendigen Spezialisierung in dieser Tätigkeit (95%), regelmäßigen Fortbildungen im Rahmen des Multiplikatorenkonzeptes (96%) und der Notwendigkeit von Dienstunterrichten und Briefings zu Lagemeldungen und neuen Erkenntnissen (96%) ausgedrückt. Polizeiliche Auskunftsdienste stellten nach Einschätzung der Fahndungskräfte wichtige Hilfsmittel zur Verdachtsgewinnung dar, wobei deren Relevanz

nach

erfolgter Anhaltung noch höher (74%) eingeschätzt wurde. Die „Faktoren durch das Kontrollklientel“ wurden in den Phasen vor und nach erfolgter Anhaltung bewertet. Hierbei erfuhren in der ersten Phase die Einflussgrößen der „Passung von Fahrer und Fahrzeug“ (99%), der „vermuteten Nationalität“ (98%) und des „Fahrzeugkennzeichens“ (88%) die höchste

54 Bewertung. Gefolgt wurden diese Ergebnisse vom „äußeren Erscheinungsbild“ (82%) dem „Verhalten der Fahrzeuginsassen“ (70%), dem „Geschlecht des Fahrers“ (69%) und der „Anzahl der Fahrzeuginsassen“ (69%). Nach erfolgter Anhaltung verloren die vorgenannten Faktoren, mit Ausnahme des „Verhaltens“, an Bedeutung. Man kann hierzu feststellen, dass äußere, auf den ersten Blick erkennbare Faktoren in der Phase der Auswahl eine größere Rolle spielten, als nach der Anhaltung. In dieser Folgephase gewannen wiederum Faktoren, die einer längeren Beobachtungszeit bedürfen an Bedeutung. Die Einschätzungen zur individuellen Erfolgsdefinition fielen ebenfalls sehr deutlich aus. Erfolg lässt sich in der Schleierfahndung demnach zusammenfassend als ein „zählbares Ergebnis mit einer qualitativ hohen Wertigkeit“ definieren. Die Hauptzielrichtung der Fahndungskontrollen wurde hierbei überwiegend in der Repression gesehen (81%). Die Angabe einer individuellen, auf einen bestimmten Zeitraum beschränkten „Trefferquote“ ergab eine große Streuung. Das arithmetische Mittel betrug hierzu eine erfolgreiche Kontrolle zu 22 erfolglosen Anhaltungen (1:22).

7.2 Qualitative Untersuchung

Die Darstellung der Interview-Ergebnisse orientiert sich an der Struktur des Interview-Leitfadens und entspricht somit der thematischen Aufbereitung der gesamten Arbeit. Dies soll den Quervergleich der durch verschiedene Untersuchungsmethoden gewonnenen Erkenntnisse erleichtern. Bezüglich Inhalt und Erstellung des Interview-Leitfadens wird auf die Ausführungen unter Ziff. 6.3.2 verwiesen. Die Aussagen der Interviewpartner der Bayerischen Schleierfahndung werden hierbei grundsätzlich summarisch dargestellt. Die ergänzende Betrachtung der Interview-Ergebnisse des Fahndungsbeamten der Bundespolizei erfolgt Anschluss an den jeweiligen Themenbereich.

im

55 Alle Interviews wurden im Rahmen einer Einleitung mit einer thematischen Aufbereitung des zu untersuchenden Themenbereiches begonnen. Überdies wurde Gelegenheit gegeben, im Vorfeld Fragen zu stellen.

7.2.1 Begriffsdefinition der spezialisierten Fahndungsarbeit

In einer ersten Leitfrage wurden die Interview-Partner gebeten, den in der Untersuchung verwendeten Begriff der spezialisierten Fahndungsarbeit aus ihrer Sicht zu definieren. Die Spezialisierung wurde hier in einer sich von der allgemeinen polizeilichen Fahndung unterscheidenden Konzentration auf die Deliktsbereiche der illegalen Migration,

der

Urkundenfälschung,

der

Kfz.-Fahndung

Betäubungsmittelkriminalität gesehen.124 Weitere Aussagen

und

der

betonten die

ausschließliche Tätigkeit in der Fahndung, ohne mit anderen, der Bandbreite des polizeilichen Tätigkeitsfeldes entsprechenden Aufgaben belastet zu sein. 125 Der

Fahndungsbeamte

der

Bundespolizei

definierte

die

spezialisierte

Fahndungsarbeit für seinen Bereich als „Binnengrenzfahndung“. Die Beamten der Bundespolizei hätten hierbei sowohl grenzpolizeiliche, als auch bahnpolizeiliche Aufgaben zu erfüllen. Eine Spezialisierung auf bestimmte Deliktsbereiche wie z.B. Urkundsdelikte sei jedoch auch hier möglich. 126

7.2.2 Kognitive, organisatorische und Umweltfaktoren

Die Erfahrung in der Tätigkeit als Schleierfahnder wurde von allen Befragten als wesentlich erachtet. Das Sammeln dieser Bildung

eines

persönlichen

Erfahrung wurde sowohl auf die

Wissensschatzes

durch

Dienstunterrichte,

Expertenausbildungen und dem Multiplikatorenkonzept gestützt,127 wie auch auf

124

Vgl. Interview 2. Vgl. Interview 3, 4. 126 Vgl. Interview 6. 127 Vgl. Interview 5. 125

56 das Lernen von erfahrenen Kollegen.128 Der kausale Zusammenhang zwischen der Dienstzeit auf der Dienststelle und der Größe der Erfahrung wurde differenziert gesehen. Anstatt die Verwendungszeit in der Tätigkeit generell als Voraussetzung für die Bildung von Erfahrung zu sehen, wurde hier die besondere Bedeutung der Motivation des einzelnen Beamten hervorgehoben. So könnten nur motivierte Beamte, die sich mit Trends und Phänomenen beschäftigten, die auch über den Tellerrand der eigenen Dienststelle in andere Zuständigkeitsbereiche hinaus blickten, auch fachspezifische Erfahrung sammeln. 129 Das Talent des einzelnen Fahndungsbeamten wurde mehrfach als nicht ausschlaggebend

für

Fingerspitzengefühl.

den Ein

Fahndungserfolg Beamter

gesehen,130

betonte

die

vielmehr

Wichtigkeit

das dieses

Fingerspitzengefühls mit der Aussage: „Einen INPOL-Treffer131 zu landen, das kann jeder. Das ist rein die Frage der Menge der Abfragen. Entscheidend ist das Fingerspitzengefühl des Fahnders!“132 Die kognitiven Erfolgsfaktoren „Fachwissen“ und

„Spezialisierung“ wurden

einhellig als wesentlich, sogar von einem Fahnder als „überlebensnotwendig“133 angesehen. Insgesamt wurden diese Einflussgrößen als Grundlage für erfolgreiche Fahndungsarbeit bezeichnet. Die ausschließliche Spezialisierung auf nur ein Deliktsfeld wurde wiederum als nicht gewinnbringend erachtet, da die verschiedenen Delikte nach Ansicht der Interviewpartner thematisch in einem Zusammenhang stünden. Wer beispielsweise im Deliktsfeld der Kfz.-Fahndung erfolgreich sein wolle, müsse zwangsläufig auch Kenntnisse im Bereich der Urkundenfälschungen aufweisen können, um Dokumentenfälschungen an den Fahrzeugpapieren zu erkennen. 134 Ein Fahndungsbeamter brachte dies mit folgender Aussage zum Ausdruck:

128

Vgl. Interview 1, 4. Vgl. Interview 1, 5. 130 Vgl. Interview 2, 4, 5. 131 Bezeichnet eine positive Treffermeldung im polizeilichen Fahndungsbestand. 132 Vgl. Interview 3. 133 Vgl. Interview 4. 134 Vgl. Interview 5. 129

57 „Der gute Fahnder ist der gute Allrounder, hat er überdies noch ein Spezialfeld, ist er ein Top-Mann!“135 Als Kontrollform, i.S. Anhaltekontrollen aus dem Fließverkehr vs. stationäre Kontrollstellen, ergab sich, von einer abweichenden Meinung abgesehen, 136 eine deutliche Präferenz zur Kontrollstelle. Begründet wurden diese Meinungen in einer höheren Erfolgsaussicht, bedingt durch eine hohe Kontrollfrequenz, einen längeren Zeitraum zur Auswahl der Kontrollfahrzeuge durch Verlangsamung des Verkehrsstroms, einen hohen Personalansatz und das Zusammenwirken verschiedener benachbarter Behörden. Überdies könnten mit dieser Kontrollform Belange der Eigensicherung optimal berücksichtigt werden. Wichtig sei jedoch auch bei stationären Kontrollstellen, nur eine selektive Auswahl des Kontrollklientels vorzunehmen, da bei einer Totalkontrolle innerhalb kürzester Zeit mit starken Verkehrsbeeinträchtigungen zu rechnen sei. 137 Zur Bewertung des Kontrollortes, also der Wahl zwischen Einreise- bzw. Ausreiseseite, wurde eine klare Gewichtung der Einreiseseite deutlich. So begründeten die Fahndungsbeamten dies mit dem grundsätzlichen Auftrag, die grenzüberschreitende Kriminalität mit Zielrichtung in das Bundesgebiet zu verhindern.138 Je nach Deliktsfeld seien jedoch

auch qualitativ hochwertige

Aufgriffe auf der Ausreiseseite zu erzielen. 139 Als Beispiel wurden die Deliktsfelder der Kfz.-Verschiebung und Betäubungsmittelkriminalität genannt. Diese seien sehr wohl auch in „Richtung Ausland“ festzustellen. Als insgesamt erfolgreicher,

da

ein

breiteres

Deliktsfeld

abdeckend,

wurden

jedoch

Einreisekontrollen eingestuft. Verbunden wurde dies jedoch mit Aussagen, dass hier auch der taktische Schwerpunkt der Kontrollen gelegt werde, also auch ein Zusammenhang zwischen Kontrollintensität und Erfolgshäufigkeit vorliegen könne. 140 Die

Umweltfaktoren

der

„äußeren

Umstände“

(Lichtverhältnisse,

Geschwindigkeit der Fahrzeuge) und der „Verkehrsdichte“ haben nach Aussagen

135

Vgl. ebenda. Vgl. Interview 1. 137 Vgl. Interview 2, 3, 4, 5. 138 Vgl. Interview 1, 2. 139 Vgl. Interview 2, 5. 140 Vgl. Interview 2. 136

58 der Fahndungsbeamten einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg durchgeführter Fahndungskontrollen. Ein Zitat aus einem Interview macht dies besonders deutlich: „Nimmt man eine Stelle, die unbeleuchtet ist und es kommt noch starker Regen dazu, dann kann man die Fahndung vergessen! Dann kann man nur noch im Trüben fischen, oder gut zu kontrollierende Fahrzeuge wie Reisebusse kontrollieren!“141 Auch die Aussagen zur „Verkehrsdichte“ geben ein einheitliches Bild ab. Mit einer Ausnahme142 sehen alle Interviewpartner starken Reiseverkehr als negativ erfolgsbeeinträchtigend an. Dies läge jedoch nicht am Fehlen des geeigneten Kontrollklientels,

sondern

vielmehr

an

den

Schwierigkeiten,

aus

der

Verkehrsdichte die gesuchten Fahrzeuge oder Personen auszuwählen und diese dann einer geordneten Anhaltung zuzuführen. 143 zu

Befragungen

den

erfolgskritischen

Faktoren

„Kontrollzeit“

und

„Diensteinteilung“ erbrachten ebenfalls ein überwiegend homogenes Ergebnis. So gaben alle Interviewpartner an, keine „Schwerpunktzeit“ für erfolgreiche Kontrollen nennen zu können. Es sei grundsätzlich „rund-um-die-Uhr“ möglich einen qualitativ hochwertigen Aufgriff zu tätigen. So könne man zwar für bestimmte Deliktsformen Häufungen zu bestimmten Tageszeiten erkennen, beispielsweise die Nachtstunden für Delikte der illegalen Migration, aber generell sei

eine

an

Tageszeiten

oder

bestimmten

Wochentagen

ausgerichtete

Schwerpunktsetzung nicht möglich. Die Diensteinteilung mit einer 24-Stunden Besetzung wurde deshalb als die geeignetste Form der Dienstverrichtung angesehen.

Darüber

hinaus seien Schwerpunktsetzungen

in Form von

Sonderkontrollen eher auf bestimmte Deliktsarten als auf bestimmte Zeiten abgestellt sinnvoll. 144 Im Mittelpunkt der Aussagen zu den organisatorischen Faktoren stand die Ausrüstung.

Hier

wurde

die

Notwendigkeit

einer

hochwertigen

Fahrzeugausstattung vor allem als Voraussetzung für die praktische Durchführung 141

Vgl. Interview 2. Vgl. Interview 4. 143 Vgl. Interview 2, 3, 5. 144 Vgl. Interview 1-5. 142

59 von

Anhaltungen, sowie für Belange der passiven Sicherheit gesehen.

Fahndungshilfsmittel wie Mikroskope, Fadenzähler und Car-PC wurden als wichtige Ergänzung zur Verdachtsgewinnung gewertet. Hauptsächlich wurde jedoch die Person des Fahnders für erfolgreiche Fahndungskontrollen in den Mittelpunkt gestellt. Folgende zwei Aussagen drückten

die Bedeutung der

Ausrüstung prägnant aus: „Mir hilft das beste Stereomikroskop nichts, wenn ich nicht weiß, auf was ich schauen soll. Das ‚ A‘ und ‚O‘ sind die Leute die dahinter stehen.“145 „Die Ausstattung ist keine Garantie für den Erfolg, sie kann lediglich unterstützen.“146 Sehr unterschiedliche Statements fanden sich zum Thema „Durchmischung der Streifenbesatzungen“ wieder. Sprachen sich einige Interviewpartner für einen systematischen Wechsel innerhalb der Streifenbesatzungen aus 147, um so durch wechselseitiges beobachtendes Lernen an Erfahrung und Know-how zu gewinnen, präferierten andere Befragungspersonen wiederum feste Fahndungsteams aus Eigensicherungsgründen und dem gemeinsamen Interesse an einer bestimmten Fahndungszielrichtung. 148 Der Aspekt der Zusammenarbeit mit anderen Behörden wurde nur von einem Interviewpartner aufgegriffen. Dieser begründete die seiner Meinung nach untergeordnete Bedeutung dieses Faktors auf fehlende Überschneidungspunkte der verschiedenen Zuständigkeiten. So fahnde der Zoll überwiegend nach illegalen Zigaretten und unerlaubtem Warenverkehr und das Bundesamt für Güterfernverkehr beschäftige sich ausschließlich mit der Einhaltung von Sozialvorschriften Interviewpartner

des

Schwerlastverkehrs.

sinnvolle

Synergieeffekte

Am im

ehesten

Rahmen

sähe

dieser

von stationären

Kontrollstellen, um z.B. Zollverplombungen an Lkw nach einer Durchsuchung wieder ordnungsgemäß verschließen zu können. 149

145

Vgl. Interview 2. Vgl. Interview 3. 147 Vgl. Interview 1, 3. 148 Vgl. Interview 2, 5. 149 Vgl. Interview 2. 146

60 Über die beispielhafte Aufzählung des Interview-Leitfadens

hinaus wurden

weitere wesentliche Einflussfaktoren genannt: So wurde die Möglichkeit, ohne taktische Vorgaben „frei im Zuständigkeitsbereich fahnden zu können“150 ebenso wichtig angesehen, wie das Gespräch mit dem Kontrollklientel. Bei Letzterem wurde betont, dass dieser Abgleich der „Geschichte“ des polizeilichen Gegenübers mit den Feststellungen der Polizei überaus relevant für die Verdachtsgewinnung sei. So würde beispielsweise die Passung des angegebenen Reiseweges mit dem Reisegepäck abgeglichen.151 Die ergänzende Betrachtung der vorgenannten Ergebnisse aus Sicht eines Fahndungsbeamten der Bundespolizei ergibt hier viele Überschneidungen. So werden kognitive Faktoren wie „Erfahrung“, „Spezialisierung“ und „Fachwissen“ ebenso wichtig angesehen wie die „Motivation“ und die „Durchmischung der Streifenbesatzungen“.

Aufgrund

grenzüberschreitenden

Fahndung

der

primären

im

Zuständigkeit

Bahnverkehr

konnten

in

der

mögliche

Einflussfaktoren wie „äußere Bedingungen“ und „Verkehrsverhältnisse“ nicht abgefragt werden. Jedoch spielten auch Faktoren wie der „Kontrollort“ bezüglich Einreise-

oder

Ausreisekontrollen

eine

wesentliche

Rolle.

Auch

im

Zuständigkeitsbereich der Bundespolizei würden demnach personelle und taktische Schwerpunkte auf die Einreisekontrollen gelegt. Dies würde analog zur Bayerischen Schleierfahndung mit dem Grundsatzauftrag der Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität mit der Zielrichtung „in“ das Bundesgebiet gesehen. Auch hier seien statistisch feststellbar die höheren Aufgriffszahlen zu verzeichnen, was jedoch auch Ergebnis der polizeilichen Schwerpunktsetzung sein könne. 152

7.2.3 Erfolg

Die Ergebnisse zur individuellen Erfolgsdefinition fielen eindeutig aus: Das zählbare Ergebnis in Form von Festnahmen und Sicherstellungen stellte für alle Interview-Partner den persönlichen Erfolg dar. Innerhalb dieser Ergebnisse wurde 150

Vgl. Interview 1. Vgl. Interview 3. 152 Vgl. Interview 6. 151

61 Wert auf qualitativ hochwertige Aufgriffe gelegt. So seien nach überwiegender Einschätzung aller Befragten wenige hochwertige Aufgriffe erstrebenswerter, als viele „08/15-Aufgriffe“, 153 wobei auch hier der Einfluss von Aufgriffsstatistiken deutlich wurde. So gab ein Befragter an, es sei „nicht der richtige Weg, lediglich alle paar Wochen einen spektakulären Fall zu haben und sonst gar nichts“.154 Die Frage nach einer Definition des qualitativ hochwertigen Aufgriffs wurde von einem Interviewpartner wie folgt beantwortet: „Qualität

bedeutet

für

mich

einen

herausragenden

Fall.

Ein

herausragender Fall ist ein Aufgriff, der auf der dienststelleneigenen Homepage eingestellt wird, z.B. eine große Menge Rauschgift, ein gestohlenes Auto, eine hohe Freiheitsstrafe.“155 Die präventive Wirkung durchgeführter Schleierfahndungskontrollen hingegen wurde von keinem der Experten als Erfolg bewertet. Zwar wurde ein gewisser Verdrängungseffekt eingeräumt, eine Verhinderung der grenzüberschreitenden Kriminalität

nach

Ansicht

der

Fahndungsbeamten

jedoch

durch

Schleierfahndungskontrollen nicht bewirkt. Dementsprechend stuften alle Befragungspersonen auch die Hauptzielrichtung der Schleierfahndung trotz Verankerung der Kontrollbefugnis des Art. 13 Abs. I Nr. 5 PAG innerhalb des Polizeirechts, als repressiv bzw. überwiegend repressiv ein. Die Angabe einer individuellen „Trefferquote“ bezeichneten alle Befragten als schwierig, da hierzu statistische Erhebungen fehlten. Es hinge auch viel zu sehr von äußeren, unbestimmbaren Umständen ab, ob man gerade erfolgreich sei oder nicht. Auch auf den Zeitraum der letzten 12 Monate beschränkt, wollten zwei der Interview-Partner keine Schätzung wagen. Die übrigen Befragungspersonen gaben hierbei Quoten von 1:10 bis 1:20 an. Insgesamt standen die Interviewpartner einer Angabe von Trefferquoten sehr skeptisch gegenüber.

153

Vgl. Interview 2. Vgl. Interview 5. 155 Vgl. Interview 1. 154

62 Der Blick auf die Aussagen des Interviewpartners aus den Reihen der Bundespolizei bestätigt die Aussagen der bayerischen Schleierfahnder und zeigt innerhalb des Themenbereiches Erfolg keinerlei Unterschiede.156

7.2.4 Aus- und Fortbildung

In einem weiteren Themenblock wurde die Relevanz von Aus- und Fortbildungsmaßnahmen thematisiert.

Die interne Fortbildung in Form von

täglichen Briefings zu neuen Lageerkenntnissen und Begehungsweisen, sowie von Dienstunterrichten generell bildeten hierbei den Kern der Betrachtungen. Die Fortbildung sei in erster Linie dafür verantwortlich, das fachspezifische Wissen aufzubauen. 157 In diesem Zusammenhang wurde auf beiden Dienststellen in Rosenheim

und

Traunstein

die

zentrale

Rolle

der

Multiplikatoren158

hervorgehoben. Diese wurde in erster Linie darin beschrieben, neue, auch überregionale Erkenntnisse in die Fortbildungsveranstaltungen einzubringen und im dienststelleneigenen Informationsportal des Intrapol159 zeitnah allen Beamten zur Kenntnis zu bringen. So gaben einige Interviewpartner an, mit der Bereitstellung von aktuellen Lageerkenntnissen und Begehungsweisen unmittelbar Einfluss Kontrollverhalten

des

Einzelnen

und

somit

auf

den

auf das Erfolg

der

Fahndungskontrollen insgesamt nehmen zu können.160 Ein Beamter berichtete von mehreren Aufgriffen aufgrund aktueller Fahndungen, auf die explizit einige Stunden zuvor im Rahmen des Briefings hingewiesen wurde.161 Ein weiteres Beispiel für die Anpassung des Kontrollverhaltens führte ein anderer Interviewpartner aus dem Bereich der Kfz.-Fahndung an: Er berichtete von Lageerkenntnissen über eine Häufung von Kfz.-Verschiebungen hochwertiger

156

Vgl. Interview 6. Vgl. Interview 2, 3, 4. 158 Siehe unter 3.2.5. 159 Bezeichnet ein polizeiinternes EDV-Netz, das allen Polizeibeamten zugänglich ist. 160 Vgl. Interview 4, 5. 161 Vgl. Interview 2. 157

63 Fahrzeuge aus der Schweiz. Diese seien vor dem entsprechenden Lagebeitrag nicht Gegenstand von genaueren Kontrollen gewesen und wären vielfach unkontrolliert geblieben. Aufgrund dieser neuen Erkenntnisse sei nun das Kontrollverhalten entsprechend angepasst und diese Fahrzeuge intensiver kontrolliert worden.162 Auch in Reihen der Bundespolizei sind Multiplikatoren Teil der internen Fortbildung. Der Interviewpartner betonte die Wichtigkeit dieser Multiplikatoren gerade auf der Dienststellenebene und nannte auch Briefings als wesentliche interne Fortbildungsmaßnahme.

7.2.5 Motivation

Fast analog zum Ergebnis der Fragebögen entfielen die Bewertungen zu den Motivationsgründen. Auch hier standen Faktoren wie die „persönliche Erfüllung“, die „Sinnhaftigkeit in der Tätigkeit“ und mit leichten Abstrichen der „Stolz, Angehöriger einer Spezialdienststelle zu sein“ im Vordergrund der Bewertungen. Der „persönliche Nutzen“ hingegen, beispielsweise in Form von Beförderungen oder möglichem Aufstieg, wurde zwar von allen

Interviewpartnern als

potentieller Motivationsgrund gesehen, die individuelle Relevanz jedoch nicht einheitlich hoch gewertet. Vielmehr wurde deutlich gemacht, dass der persönliche Nutzen in der Frage der Motivation nicht im Vordergrund stehen sollte bzw. stehe.163 Interessant, weil über die beispielhafte Aufzählung potentieller Motivationsgründe des Leitfadens hinausgehend, war die Darstellung anderer Motivationsfaktoren. So wurde in zwei Interviews der Erfolg als besonders motivierend herausgestellt. Zwei Fahnder bezeichneten ihre persönliche Motivation mit den Worten: „Bei mir ist das so , dass ich den Erfolg sehen will. Man hat irgendwelche Straftäter zur Strecke gebracht!“ 164

162

Vgl. Interview 4. Vgl. Interview 2, 3. 164 Vgl. Interview 5. 163

64 „Am meisten motivieren mich gute Aufgriffe. Der Gedanke, z.B. 10 Kilogramm Drogen vom Markt zu nehmen und damit vielleicht ein Menschenleben zu retten, motiviert mich!165 Auch Gründe

wie

„Anerkennung

im

Kollegenkreis“, 166

und

„positive

Rückmeldungen für gute Arbeit“167 wurden als weitere Motivationsgründe genannt.168 Die ergänzende Betrachtung aus Sicht des Fahndungsbeamten der Bundespolizei ergab ein vergleichbares Bild: Im Vordergrund stand hier der „kleine aber wichtige Beitrag zur Inneren Sicherheit“. Faktoren wie „persönliche Erfüllung“, „persönlicher Nutzen“ und die „Stellung innerhalb der Dienststelle“ wurden als weniger relevant angesehen. 169

7.2.6 Faktoren durch das Kontrollklientel

Auch zu diesem Themenkomplex lag den Interviewpartnern eine beispielhafte Auflistung möglicher Aspekte anhand des Interview-Leitfadens vor. Diese umfasste analog zum Fragebogen äußere, auf den ersten Blick durch die Fahndungskräfte erkennbare Merkmale. Nicht zuletzt hier zeigten sich die Stärken in der Anwendung verschiedener Untersuchungsmethoden. War es den Befragungspersonen im Fragebogen nur möglich, die individuelle Wichtigkeit der Einzelfaktoren einzuschätzen, konnten die Gesprächspartner im Rahmen der Interviews wesentlich detailliertere Angaben zu den Einflussfaktoren des Kontrollklientels machen, sowie Zusammenhänge erläutern. Erstaunlich hierbei waren die Übereinstimmungen innerhalb der InterviewErgebnisse: Alle Experten sprachen im Zusammenhang mit den Einflussfaktoren durch das Kontrollklientel von „Rastern“ oder „Schubladen“, die für die Auswahl der zu kontrollierenden Fahrzeuge oder Personen herangezogen würden. Je nach 165

Vgl. Interview 4. Vgl. Interview 1. 167 Vgl. Interview 3. 168 Vgl. Interview 3. 169 Vgl. Interview 6. 166

65 Zielrichtung der Fahndung würden diese verschiedenen „Raster“ zur Anwendung kommen. Die Gewichtung der einzelnen Merkmale innerhalb dieser Raster sei dabei völlig unterschiedlich und hänge ganz wesentlich von der Zielrichtung der Fahndung ab.

Die Aussage eines Fahndungsbeamten hierzu beschreibt die

unterschiedliche Gewichtung besonders aussagekräftig: „Bin ich ein Kfz.-Fahnder und suche ein frisch verschobenes Fahrzeug, dann werde ich mein Augenmerk hauptsächlich auf das Fahrzeug richten mit i.d.R. männlichen Einzelfahrern. Bin ich ein Rauschgiftfahnder, suche ich nach Typen, die eher nicht mit hochwertigen Fahrzeugen unterwegs sind. Da ist auch das Geschlecht des Fahrers eher unwichtig. Die Passung von Fahrer und Fahrzeug ist eher im Bereich der Kfz.-Fahndung wichtig. Schaut man auf der Einreiseseite auf den Deliktsbereich der illegalen Einreise/Schleusung, ist natürlich die Anzahl der Fahrzeuginsassen entscheidend. uninteressant.“

Hier

sind

Merkmale

des

Fahrzeugs

vollständig

170

Auch der Vorgang des „Abrasterns“ lässt sich am anschaulichsten mit einem Zitat darstellen: „Bei der Auswahl ‚rastern‘ die Augen über das Fahrzeug. Welcher Typ, ist es neu oder alt? Dann wandern die Augen über die Insassen runter zum Kennzeichen. Was ist das Herkunftsland, aus welcher Stadt kommt er? Dann wieder zurück zu den Personen, das Fahrzeug ist erfasst, auch das Kennzeichen.

Alles

Weitere

spielt

sich

dann

in

zehntel

Sekundenbruchteilen ab. Dann fällt die Entscheidung anzuhalten oder nicht. So laufen die Kontrollen ab.“171 Die Aussagen machten deutlich, dass die Zielrichtung der Fahndung nicht zwingend vorher feststehen muss. Jeder der Kontrollbeamten hätte je nach Deliktsfeld verschiedene „Raster“ parat, die er dann in Sekundenbruchteilen mit den vorbeifahrenden Fahrzeugen abgleichen könne.172

170

Vgl. Interview 2. Vgl. Interview 5. 172 Vgl. Interview 3, 5. 171

66 Nach Ansicht zweier Interviewpartner entstünden diese „Raster“ aufgrund eigener Erfahrungen, aus Erfahrungen von Kollegen oder aufgrund von Lageerkenntnissen.173 Interessant wurden auch die Angaben zur Übereinstimmung zunächst individuell gebildeter Fahndungsschemata dargestellt. So könne man davon ausgehen, dass zu

den

Delikten

innerhalb

der

Fahndungskräfte

gleichartige

„Raster“

bestünden.174 Ein Beamter schilderte diese Übereinstimmung besonders plastisch: „Wenn man nebeneinander im Fahrzeug sitzt, zuckt der Andere und man weiß, was ihm durch den Kopf geht“175 Völlig

gleichartig

stellten

sich

hierzu

die

Interview-Ergebnisse

des

Bundespolizeibeamten dar. Durch die unterschiedlichen Zuständigkeitsbereiche, hier der Fahndung im Bahnverkehr, konnten nicht alle Merkmale einer ergänzenden Betrachtung unterzogen werden. Dennoch wiesen die vergleichbaren Teilbereiche große Übereinstimmung auf. Lediglich das Verhalten des Gegenübers wurde hier, ebenfalls mit der unterschiedlichen Kontrollsituation begründbar, als besonders wichtig hervorgehoben. 176 In einer vertiefenden Frage wurde analog zur Vorgehensweise aus dem Fragebogen die Situation der Anhaltung verändert. Die Interviewpartner sollten nun die Wichtigkeit der thematisierten Faktoren für die Phase nach erfolgter Anhaltung bewerten. Hierdurch sollte erfragt werden, ob die Relevanz dieser Faktoren nach der Anhaltung Veränderungen unterläge und wenn zutreffend, wie sich dies äußern würde. Summarisch kann man konstatieren, dass die Kontrolle des angehaltenen Fahrzeugs grundsätzlich unter den Gesichtspunkten der Anhaltung durchgeführt wird, d.h. erfolgte die Auswahl beispielsweise mit der Fahndungszielrichtung der Kfz.-Verschiebung, würde auch die Kontrolle mit dieser Zielrichtung verlaufen. Sollten sich jedoch während der Kontrolle andere, neue Kontrollaspekte ergeben, werde die Zielrichtung neu festgelegt.177

173

Vgl. ebenda. Vgl. Interview 3. 175 Vgl. ebenda. 176 Vgl. Interview 6. 177 Vgl. Interview 2, 3. 174

67 Das „beobachtbare Verhalten“ der Fahrzeuginsassen gewann bei allen Befragten in der Situation nach der Anhaltung an Bedeutung. Sichtbare Nervosität wurde hierbei fast ausnahmslos als mögliche Reaktion des Kontrollklientels angeführt. Die Bewertung der gezeigten Nervosität erfolgte jedoch differenziert. Bewerteten einige Interviewpartner Nervosität des Gegenübers als mögliches Indiz, eine wie auch immer geartete Normübertretung begangen zu haben, gestanden andere Befragungspersonen Nervosität als völlig normale Reaktion auf polizeiliche Kontrollen zu.

Vielmehr stünden andere, durch das Kontrollklientel gesetzte

Faktoren im Vordergrund. So sei nach der Anhaltung ein Abgleich der Angaben z.B. des Gegenübers mit vorgefundenen Tatsachen möglich. Als Beispiel wurde hierfür der angegebene Herkunfts- und Zielort oder das Reisegepäck

178

genannt.

mitgeführte

Auch Widersprüche z.B. in Form von „feiner

Kleidung“, zu rissigen, schmutzigen Händen, würden die Fahnder zu intensiveren Kontrollen veranlassen. Gezeigte Nervosität alleine reiche hierzu nicht aus. 179 Ebenfalls mit großer Übereinstimmung wurde die mögliche Situation des „Fehlgriffs“ beschrieben. Bezeichnet wurde damit eine nach Ansicht der Interviewpartner völlig falsche Auswahl des Kontrollklientels. Als Beispiel hierfür wurde eine „Familie auf der Durchreise“180 genannt. Auch die Reaktion auf einen offensichtlichen „Fehlgriff“ zeigte starke Übereinstimmung, die darin bestand, trotz der vermeintlich falschen Auswahl, eine standardisierte, aber auf das unbedingt notwendige Maß reduzierte Kontrolle durchzuführen. Aus Sichtweise des Fahndungsbeamten der Bundespolizei gründet sich der ausschlaggebende Aspekt, eine Kontrolle zu intensivieren auf eine so bezeichnete „Nase“ des Kontrollbeamten. So wundere man sich selbst manchmal, warum man gerade in bestimmten Situationen weiterkontrolliert habe. Zur Entstehung dieser „Nase“ spiele gerade der Aspekt der Erfahrung eine große Rolle. Man leite von verschiedenen Verhaltensmustern der Leute etwas ab. 181

178

Vgl. Interview 3. Vgl. ebenda. 180 Vgl. Interview 1. 181 Vgl. Interview 6. 179

68 7.2.7 Polizeiliche Auskunftsdienste

In den Interviews zur Relevanz polizeilicher Auskunftsdienste stand die Frage im Vordergrund,

ob

polizeiliche

Auskunftsdienste

einen Einfluss

auf die

Verdachtsgewinnung in der spezialisierten Fahndungsarbeit haben könnten. Wie im Fragebogen auch, wurde hier auf beide Phasen der Kontrolle, also vor und nach erfolgter Anhaltung abgestellt. Vor der Anhaltung beschränkten die Experten die Möglichkeiten polizeilicher Auskunftsdienste auf die numerische Sachfahndung und bei deutschen Kennzeichen auf die zusätzliche Möglichkeit, den Halter des Fahrzeuges mit dem Fahndungsbestand

abzugleichen.

Besonders

nachts,

bei

eingeschränkten

Lichtverhältnissen, sei dies oft die einzige Möglichkeit, Anhaltspunkte zu gewinnen. 182 Gerade die Halterabfrage wurde mit großer Übereinstimmung als Hilfsmittel zur Verdachtsgewinnung Fahrzeughalters,

angesehen.

zusammen

mit

Hinweise

auf

lagebedingten

die

Nationalität

Erkenntnissen

z.B.

des auf

Einschleusungen könnten so die Fahnder zu einer Anhaltung veranlassen. 183 Gleichzeitig wurde jedoch die Aussagekraft der Halterauskunft eingeschränkt, da eine Übereinstimmung des Fahrzeugführers mit der Person des Halters nicht zwangsläufig gegeben sein muss. Ebenso sei das Vorliegen polizeilicher Vorerkenntnisse aus früheren Ermittlungsverfahren184 lediglich ein Indiz unter anderen, in eine bestimmte Richtung zu fahnden. Dies wurde durch die Aussage bekräftigt, dass ohnehin nur Fahrzeugkennzeichen abgefragt würden, die aufgrund des persönlichen „Fahndungsrasters“ für eine mögliche Anhaltung in Frage kämen. 185 Die Erkenntnisse über den Fahrzeughalter würden demnach lediglich ein weiteres ergänzendes Hilfsmittel zur Verdachtsgewinnung darstellen. Als wesentlich vor einer Anhaltung wurde zur Eigensicherung jedoch die Kenntnis von sog. personengebundenen Hinweisen186 gesehen. So sei es möglich, sich

182

Vgl. Interview 3, 4. Vgl. Interview 3. 184 Kriminalaktennachweis: KAN. 185 Vgl. Interview 5. 186 Bezeichnet ergänzende Hinweise wie beispielsweise „gewalttätig“, „Ansteckungsgefahr“. Diese Hinweise stehen im Zusammenhang mit polizeilichen Einträgen in den KAN-Beständen und werden beim Abgleich der Person automatisiert angezeigt. 183

69 bereits vor der Anhaltung auf potentielle Gefahren vorzubereiten und entsprechende Vorsorge zu treffen. Nach erfolgter Anhaltung wurde übereinstimmend die Wichtigkeit des Datenabgleichs polizeilicher Bestände dargestellt. Hierbei seien Hinweise auf frühere Ermittlungsverfahren weitere Indizien, gerade in „diese Richtung“ zu fahnden. Als Beispiel hierfür wurden das Vorliegen von Unterlagen zu Delikten des

Betäubungsmittelrechts,

Schleusungskriminalität genannt.

der 187

Kfz.-Verschiebung

und

der

Viel wichtiger sei jedoch die Möglichkeit,

aktuelle Fahndungsnotierungen der Person festzustellen. Ein Fahnder macht dies mit folgendem Zitat deutlich: „Dateien wie Fahrverbote oder das Ausländerzentralregister sind wichtige Hilfsmittel. Ohne diese würde die Fahndung nicht gehen. Wenn bei der Schleierfahndung die EDV ausfällt, fällt auch die Fahndung aus!“188 Im Experten-Interview mit einem Fahndungsbeamten der Bundespolizei konnte keine differenzierende Betrachtung der

Phasen vor und nach der Anhaltung

vorgenommen werden, da sich die Kontrollsituation in Reisezügen völlig von einer Anhaltesituation im Straßenverkehr unterscheidet. Trotzdem konnten bezüglich der Relevanz polizeilicher Auskunftsdienste Erkenntnisse gewonnen werden: So wurde vom Problem berichtet, während der Kontrollen, zumindest temporär nicht über eine funktionierende Funkverbindung zu verfügen. Eine Abfrage polizeilicher Datenbestände sei in diesen Zeiträumen nicht möglich. Diese Schilderung allein spricht bereits für die Wichtigkeit der Informationsgewinnung mittels polizeilicher Auskunftsdienste. Verstärkt wird die Einschätzung durch die Aussage,

dass

das

Vorliegen

von

Vorerkenntnissen

aus

früheren

Ermittlungsverfahren in Verbindung mit weiteren Faktoren, wie beispielweise der Reiseroute,

wichtige Anhaltspunkte für eine nähere Kontrolle darstelle. Als

Beispiele wurden wie bereits von anderen Interviewpartnern Delikte aus dem Betäubungsmittelrecht genannt. Komme hier noch die entsprechende Reiseroute 187 188

Vgl. Interview 2. Vgl. Interview 5.

70 hinzu, sei dies Grund für eine nähere Kontrolle. Betont wurde aber auch hier, dass die Erkenntnisse aus polizeilichen Datenbeständen lediglich nur einen „Baustein“ in der Gesamteinschätzung darstellten. Es kämen hier andere „Indizien“, wie beispielsweise das Verhalten des polizeilichen Gegenübers hinzu. 189

7.2.8 Zusammenfassung der wesentlichen Ergebnisse

Die Zusammenfassung der ohnehin summarisch dargestellten Interviewergebnisse soll sich auf die wesentlichen Kernaussagen beschränken. Hierbei sollen Redundanzen

vermieden und der gerade durch diese Untersuchungsmethode

gewonnene Mehrwert an Informationen und Zusammenhängen durch eine verkürzende Darstellung nicht konterkariert werden. Die Ergebnisse der quantitativen Untersuchung konnten überwiegend bestätigt werden. Im Bereich der kognitiven Faktoren wurden die

Einflussgrößen

„Erfahrung“, „Fachwissen“ und „Fingerspitzengefühl“ als erfolgsentscheidend herausgestellt. Die Entstehung der Erfahrung wurde hauptsächlich auf eigene Erfolgs- oder Misserfolgserlebnisse, sowie Erfahrungen von Kollegen gestützt. Daneben

wurden

Faktoren

der

Informationsweitergabe

in

Form

von

Dienstunterrichten und Briefings als wesentlich eingeschätzt. Zur

„Kontrollform“

zeigte

sich

ein

deutlicher

Unterschied

zum

Befragungsergebnis der quantitativen Untersuchung. Hier sprachen sich alle Interviewpartner für stationäre Kontrollstellen als die erfolgversprechendere Kontrollvariante aus. Die Begründungen hierzu lagen in einer verlängerten Sichtungsphase durch einen verlangsamten Verkehrsstrom, einer höheren Kontrollintensität und einem höheren Standard der Eigensicherung. Eine Schwerpunktzeit für erfolgreiche Kontrollen konnte nicht festgelegt werden, grundsätzlich sei „rund-um-die-Uhr“ der qualitativ hochwertige Aufgriff zu erlangen.

189

Vgl. Interview 6.

71 Umweltfaktoren wie die „äußeren Umstände“ und die „Verkehrsverhältnisse“ erfuhren in den Interviews noch eine Steigerung in ihrer Wertigkeit und wurden als stark erfolgsbeeinträchtigend bezeichnet. Die Relevanz der „Ausrüstung“ wurde zwar auch in den Interviews bestätigt, gleichzeitig jedoch deren Funktion auf die des reinen Hilfsmittels reduziert. Die Person des Schleierfahnders mit seinen kognitiven Fähigkeiten wurde stattdessen in den Mittelpunkt der erfolgsbezogenen Betrachtungen gestellt. Die Ausführungen zum Faktor „Durchmischung der Streifenbesatzungen“ zeigte einen

Paradigmenwechsel

auf:

Standen

in

den

Gründungsjahren

der

Schleierfahndung der Wissenstransfer im Vordergrund, gewannen in den letzten Jahren Belange der Eigensicherung an Bedeutung. Die Einlassungen zur subjektive Erfolgsdefinition untermauerten die bereits in der Fragebogenaktion gewonnen Erkenntnisse. Das zählbare Ergebnis in Form qualitativ hochwertiger Aufgriffe kann hier als Erfolg der Schleierfahndung definiert werden. Im Bereich der Aus- und Fortbildung bestätigte sich die Relevanz einer Spezialisierung

in

der

Fortbildungskonzept

der

Tätigkeit

als

Multiplikatoren.

Schleierfahnder, Interessant

stellten

sowie sich

das die

Darstellungen zur Lagearbeit dar: Durch aktuelle Lageerkenntnisse sei eine unmittelbare Einwirkungsmöglichkeit auf die Kontrollpraxis gegeben, d.h. Lageerkenntnisse fänden in der Fahndungstätigkeit unmittelbar Berücksichtigung. Die Interviewergebnisse zu den Einflussfaktoren des Kontrollklientels erbrachten wesentliche Erkenntnisse zur Existenz und Anwendung individueller, auf die jeweilige Zielrichtung der Fahndung abgestellter Fahndungsraster. Die Entstehung dieser Raster wurde auf die Bildung eigener Erfahrung, sowie Erfahrungen von Kollegen und aktuellen Lageerkenntnissen gestützt. Deutlich wurde auch der Vorgang des „Abrasterns“ beschrieben. Die Aussagen zu den polizeilichen Auskunftsdiensten stützten diese Beschreibung und betonten die Funktion dieser Auskunftsdienste als oft einzige Möglichkeit der Informationsgewinnung.

72 8. Zusammenfassende Diskussion und Hypothesenprüfung

Erinnern wir uns zurück an die Einführung dieser Arbeit: Das Ziel dieser Untersuchung sollte sein, die erfolgskritischen Faktoren der spezialisierten Fahndungsarbeit herauszuarbeiten und deren Relevanz in Hinblick auf den Erfolg zu hinterfragen. Erinnern wir uns weiter

auf die hierauf beruhende

Untersuchungshypothese, die da lautet: Je größer die Erfahrung, je gezielter die strategische Ausrichtung, je besser der fachspezifische Wissensstand und die technische Ausstattung sind, desto erfolgreicher ist die Schleierfahndung. Und erinnern wir uns in einem dritten Schritt an die Theoriebildung unter Ziff. 5.1 und des hierzu gebildeten Gedankenmodells. Die Untersuchungsergebnisse beider Methoden wurden unter Ziff. 6 im Sinne des Gedankenmodells geordnet dargestellt.

Logische Konsequenz kann nur sein,

diese zu interpretieren und zu prüfen, ob sich die Untersuchungshypothese durch die Ergebnisse stützen lässt.

8.1 Erfolg

Wenden wir uns zunächst der zentralen Untersuchungsdeterminante Erfolg zu. In der Problemdarstellung unter Ziff. 2.1 wurde bereits deutlich, dass der wünschenswerte Abgleich objektiver Daten mit den zählbaren Ergebnissen der Schleierfahndung nicht möglich bzw. nicht sinnvoll erscheint. Die Gründe hierzu wurden bereits eingehend erläutert und liegen im Fehlen von wissenschaftlich fundierten Untersuchungen zur Präventivwirkung und fehlenden Informationen zum Umfang der Kriminalitätswirklichkeit. Die Messung des Erfolges spezialisierter Fahndungsarbeit

anhand

des

polizeilichen Hellfeldes, vornehmlich in Form der Polizeilichen Kriminalstatistik, stellt eine Möglichkeit dar, sich unter Beachtung der besonderen Belange der Kontrollkriminalität, durch objektive Zahlen dem Erfolg der Schleierfahndung

73 zumindest anzunähern. Die PKS kann hier jedoch nach Ansicht des Verfassers lediglich als Trendanzeiger dienen. 190 In der Arbeit selbst wurde auf eine erschöpfende Zusammenstellung der Erfolgsstatistik bayerischer Schleierfahndungskontrollen verzichtet, um sich durch die recht umfangreichen und doch nur einer temporären Aussagekraft unterliegenden Aufstellungen, nicht zu weit vom Kernpunkt der Untersuchung zu entfernen. Dem geneigten Leser wurde für diese Zwecke in der Anlage 7 ein Auszug mit den wichtigsten Statistikdaten beigefügt. In der empirischen Untersuchung wurde versucht, den Erfolg anhand subjektiver Einschätzungen des Kontrollpersonals zu fassen. Die Ergebnisse hierzu sind deutlich: Der zählbare, qualitativ hochwertige Aufgriff stellt für die Fahnder den Erfolg in der Schleierfahndung dar. Zwar wurden präventive Aspekte schon aufgrund der im Polizeirecht verankerten Befugnisnorm verdachts- und ereignisunabhängiger

Kontrollen

eingeräumt,

die

Hauptzielrichtung

der

Schleierfahndung wurde dennoch in der repressiven Ausrichtung gesehen. Der Angabe einer in der Literatur oftmals angeführten sog. Trefferquote, standen die Fahnder skeptisch gegenüber. Die hierbei geschätzte Quote lag bei einem arithmetischen Mittel von 1: 22.191 Anzumerken bleibt dennoch, dass der auch in der Literatur192 oftmals zu findende Vorwurf einer fehlenden objektiven Erfolgsmessung, sowohl Belange des Dunkelfeldes, als auch der Präventivwirkung mit einschließend,

nicht zu

entkräften ist und gerade in dieser Hinsicht weiterer Forschungsbedarf gesehen wird.

8.2 Kognitive Faktoren

Die hohe Gewichtung und Konsistenz innerhalb der Bewertungen zu den Faktoren „Erfahrung“, „Fachwissen“ und „Spezialisierung“ zeigt die exorbitante Relevanz dieser Messgrößen auf. Auch innerhalb der methodisch angelegten Reihung in 190

Siehe hierzu Ziff. 2.1. Erklärung hierzu unter Ziff. 6.1.4. 192 Siehe hierzu Ziff. 5.3. 191

74 Konkurrenz zu anderen Einflussgrößen belegten die kognitiven Faktoren Spitzenplätze.193 Die

Experten-Interviews

zeigten

über

die

statistischen

Werte

der

Fragebogenaktion hinaus weitere Zusammenhänge auf: So lässt sich aus den Ergebnissen schließen, dass die fachspezifische Erfahrung in erster Linie auf persönlichen oder von Kollegen erlangten Erfolgen oder Misserfolgen beruht. Der Informationsweitergabe dieser praktischen Erfahrungen kommt hierbei eine zentrale Rolle zu, die durch tägliche Briefings und Lagebesprechungen institutionalisiert

ist.

Eine

wesentliche

Sammlungs-,

Moderations-

und

Verteilungsfunktion nehmen hier die Multiplikatoren ein, die ihrerseits wiederum bayernweit durch die Fahndungskoordination des Dezernates 54, des Bayerischen Landeskriminalamtes verknüpft sind. Der in der Untersuchung festgestellte Vorgang der Erfahrungsbildung entspricht der in der Literaturdarstellung zitierten Erkenntnis von Reichertz, der die Typisierung durch Polizeibeamte in erster Linie auf die eigenen Erfahrungen und die Erfahrungen von Kollegen zurückführt.194 Es lässt sich weiter aus den Untersuchungsergebnissen folgern, dass Erfahrung nicht zwangsläufig in einem kausalen Zusammenhang mit der Verwendungsdauer in dieser Tätigkeit stehen muss. Vielmehr stehen hier Aspekte der persönlichen Motivation im Vordergrund, ohne die in der stark von der Individualleistung des einzelnen Beamten abhängigen spezialisierten Fahndungsarbeit, trotz Erfahrung und Fachwissen, keine Erfolge in Form zählbarer Ergebnisse möglich wären. Vielleicht vermutete Motivationsgründe des persönlichen Vorteils, in Form eines meist mittelfristigen Aufstiegs innerhalb der Organisationshierarchie, stehen hierbei

nicht

im

Vordergrund.

Klassische,

vielfach

in

organisationswissenschaftlichen Studien festgestellte Faktoren wie die „Erfüllung in

der Tätigkeit“ und die „Sinnhaftigkeit“ derselben stellen

stattdessen die

Triebfeder der spezialisierten Fahndungsarbeit dar. Festzustellen ist auch, dass das Talent, definiert als eine besondere Leistungsvoraussetzung, nicht als Grundbedingung für einen erfolgreichen Fahnder betrachtet werden kann. Stattdessen besitzt das auf Erfahrungen und 193 194

Siehe Ziff. 6.1.2.1. Siehe Ziff. 5.2.

75 Fachwissen

beruhende

und

somit

erlernbare

Attribut

des

sog.

„Fingerspitzengefühls“ besondere Relevanz. Zum Faktor „Spezialisierung“ lässt sich feststellen, dass einem breit gefächerten Tätigkeitsfeld im Hinblick auf den Erfolg der Schleierfahndungskontrollen der Vorzug vor einer zu starken Spezialisierung der Fahndungskräfte zu geben ist. Die Gründe hierfür liegen im sachlichen Zusammenhang verschiedener Delikte, so z.B. der Urkundenfälschung mit der illegalen Einreise oder der Kfz.Verschiebung. Insgesamt betrachtet kann man feststellen, dass kognitive Faktoren in einem unmittelbaren Kausalzusammenhang zum Erfolg der Schleierfahndungskontrollen stehen.

8.3 Organisatorische Faktoren

Die Ergebnisse zu den organisatorischen Faktoren beider Untersuchungsmethoden lassen den Schluss zu, dass trotz des unbestreitbaren Erfordernisses eines optimalen Arbeitsumfeldes, die Person des Fahnders, mit seinen kognitiven Fähigkeiten, die zentrale Rolle erfolgreicher Schleierfahndungskontrollen einnimmt. Gestützt wird diese Aussage durch die duale Erhebungsmethode des Fragebogens. So wurden organisatorische Faktoren zwar bei der Einzelbewertung als „eher/sehr wichtig“ eingestuft, mit Ausnahme der Ausrüstung konnten diese Faktoren in der daraufhin geforderten Reihung in Konkurrenz mit anderen kognitiven Faktoren und Umweltfaktoren nicht bestehen. Untermauert wird diese Feststellung auch durch Aussagen der Interviews. Zwar betonten alle Interviewpartner die Wichtigkeit gerade von Ausrüstung und technischer

Ausstattung

als wesentliche Voraussetzung

für

erfolgreiche

Fahndungsarbeit. Gleichzeitig reduzierten sie die Bedeutung dieser Gerätschaften auf eine reine Unterstützungsfunktion der menschlichen Individualleistung.

76 Der Aspekt der „Zusammenarbeit mit anderen Behörden“ wurde gar nur von einem Interviewpartner aufgegriffen, der die Bedeutung der Zusammenarbeit mit anderen Behörden auf eine eng begrenzte Unterstützungsleistung, namentlich das Verplomben von Lkw durch den Zoll, begrenzte. Beachtens-

und

diskussionswert

stellen

sich

die

Ergebnisse

zu

den

organisatorischen Faktoren des „Kontrollortes“, der „Diensteinteilung“, der „Kontrollzeit“ und der „Durchmischung der Streifenbesatzungen“ dar. Gerade zu letzterer lässt sich feststellen, dass eine in der Pionierzeit der Schleierfahndung forcierte systematische Durchmischung der Streifenbesatzungen zum heutigen Zeitpunkt

an Bedeutung verloren hat.

Wurde damals der

Wert

des

Wissenstransfers durch beobachtendes Lernen noch als grundlegend erachtet und in der Folge das Kontrollpersonal planmäßig durchmischt, gewannen nunmehr Aspekte der Eigensicherung und der gemeinsamen Zielrichtung der Fahndung an Gewichtung. Gerade Aspekte der Eigensicherung und das hierzu grundlegende Wissen um die Vorhersehbarkeit des Verhaltens des Streifenpartners können wohl als Folge von Erfahrungen der berichteten Geiselnahme im Jahre 1998 und von mehreren schweren Verkehrsunfällen der Jahre 2002 und 2004 gesehen werden. Interessant hierzu auch das unterschiedliche Bewertungsverhalten der beiden Gruppen

unterschiedlicher

dienstlicher

Erfahrung.

Offensichtlich

halten

dienstältere Fahnder die regelmäßige Durchmischung der Streifenbesatzungen mit 80 % der Bewertungen für „eher/nicht wichtig“, während deren jüngere Kollegen diese nur mit einer knappen Mehrheit in selben Ausprägungen gewichteten. Die Gründe hierfür könnten möglicherweise in einem durch Erfahrung zunehmenden Gefahrenbewusstsein, wie auch in Effizienzerwägungen liegen. Die ExpertenInterwies haben gerade hierzu gezeigt, dass für beide Streifenpartner die selbe Zielrichtung der Fahndung vorliegen sollte, um zählbare Erfolge erreichen zu können. Auch dahingehend könnten dienstältere Fahnder über größere Erfahrungswerte verfügen. Die

Faktoren

„Kontrollzeit“

und

„Diensteinteilung“ können

in

einem

unmittelbaren Zusammenhang betrachtet werden. Stellt letztere doch die Möglichkeit dar, durch personelle und taktische Schwerpunktsetzung auf temporäre Deliktshäufungen zu reagieren. Festzustellen ist jedoch auch, dass eine solche „Schwerpunktzeit“ nicht festzulegen ist. Alle Befragungspersonen waren

77 sich einig, im Grundsatz „rund-um-die-Uhr“ qualitativ hochwertige Aufgriffe tätigen zu können. Lediglich für einzelne Deliktsarten, wie beispielweise der illegalen Migration, wären Häufungen zur Nachtzeit zu verzeichnen. Als Konsequenz ist der Schichtdienst über den gesamten Tageszeitraum als die geeignetste Form der regelmäßigen Dienstverrichtung anzusehen. Alle Interviewpartner nahmen die Gewichtung des „Kontrollortes“ in ihre Betrachtung auf und präferierten hierbei klar die Einreiseseite als den erfolgreicheren, einen breiteren Deliktsbereich abdeckenderen Kontrollort. Allerdings räumten alle Experten auch eine personelle und taktische Schwerpunktsetzung

auf

der

Einreiseseite

ein.

Somit

könnten

Erfolgsunterschiede zur Ausreiseseite auch in der höheren Kontrollintensität zu suchen sein. Die in beiden Untersuchungsmethoden stark unterschiedlichen Ergebnisse zur „Kontrollform“, i.S. von stationären Kontrollstellen vs. Anhaltekontrollen aus dem Fließverkehr bedürfen einer Interpretation. Noch einmal zur Erinnerung: Die überwiegende Mehrheit der Befragten (76%) sprach sich im Fragebogen für Anhaltekontrollen aus dem Fließverkehr nach vorheriger Beobachtung aus. Lediglich 24% hielten die stationäre Kontrollstelle für erfolgreicher. Gerade umgekehrt stellte sich das Ergebnis der Experten-Interviews dar. Hier sprachen sich mit einer Ausnahme alle Gesprächspartner für stationäre Kontrollstellen als die effektivere Kontrollform aus. Ein möglicher Grund hierfür liegt nach Ansicht des Verfassers in der engen Antwortkategorie des Fragebogens. Hier mussten sich die Befragten für die eine oder andere Kontrollform entscheiden, ohne hier Vor- und Nachteile erörtern zu können. Das deutliche Ergebnis wird dahingehend interpretiert, dass es sich bei der Kontrollform der Anhaltekontrollen aus dem Fließverkehr nach vorheriger Beobachtung vom Fahrbahnrand aus um die am häufigsten praktizierte Fahndungsform handelt und in der Folge statistisch die höhere Anzahl zählbarer Ergebnisse einbringt. Stationäre Kontrollstellen hingegen bedürfen eines nicht unerheblichen Organisationsaufwandes, müssen langfristig geplant werden und sind deshalb anfälliger

für schwer

vorhersehbare Einflussfaktoren wie

Verkehrsstörungen oder Witterungseinflüsse. Kurzfristige örtliche und zeitliche

78 Korrekturen sind gerade im Bereich der Autobahnen kaum denkbar. Bedenkt man die zahlenmäßig geringe, weil ungleich aufwendigere Kontrollform stationärer Kontrollstellen und die daraus resultierende geringe Kontrollintensität, lässt sich nachvollziehen,

warum

die

überwiegende

Mehrheit

der

Befragten

Anhaltekontrollen als die erfolgreichere Kontrollform präferierten. Insgesamt kann man einen hohen kausalen Wirkzusammenhang zwischen organisatorischen Faktoren und Erfolg konstatieren.

8.4 Umweltfaktoren

Der Einfluss von Umweltfaktoren in Form von Witterungs-, Sicht- und Verkehrsverhältnissen wurde bereits kurz im Zusammenhang mit stationären Kontrollstellen angesprochen. Die besondere Bedeutung dieser Einflussfaktoren spiegelt sich in den Befragungsergebnissen beider Erhebungsmethoden wider. Es lässt sich daraus schließen, dass Sicht- und damit oftmals einhergehend die Witterungsverhältnisse

eine

stark

erfolgsbeeinträchtigende

Wirkung

auf

Schleierfahndungskontrollen haben können. Die drastische Schilderung im Rahmen der Experten-Interviews zu diesen Faktoren, macht diese Abhängigkeit besonders deutlich. 195 Die Folgerung aus dieser Erkenntnis sind trotz des mittlerweile

abgeschlossenen

Rückbaus

stationärer

Grenzkontrollanlagen,

geeignete Sichtungs- und Anhalteplätze. Für erstere sind zwingend ausreichende Lichtquellen notwendig, um bei der Auswahl des Kontrollklientels neben Fahrzeugtyp und –kennzeichen weitere äußere Merkmale einfließen lassen zu können. Einer in der Literaturdarstellung aufgezeigten, durch Herrnkind als „nebulöse Perspektive“196 bezeichneten Selektionspraxis wäre sonst im wahrsten Wortsinne argumentativ nichts entgegenzusetzen. Als zweite Konsequenz wird, neben geeigneten Sichtungsplätzen, die Notwendigkeit von verkehrssicheren Anhalteplätzen

deutlich.

Sowohl

aus

Eigensicherungs-,

wie

auch

aus

Kontrollgründen, sollte hier eine stationäre Beleuchtungseinrichtung und optional,

195 196

Siehe hierzu Interview 2. Vgl. Herrnkind (2000), S. 6 ff.

79 wenn auch besonders wünschenswert, eine Überdachung zur Durchführung weiterführender Kontrollen vorhanden sein. Schlussfolgerungen

aus

der

Bedeutung

der

Verkehrsverhältnisse

zur

Durchführung erfolgreicher Schleierfahndungsmaßnahmen zu ziehen ist aufgrund der deutlichen Befragungsergebnisse ebenso einfach wie andererseits nicht zu beeinflussen. Festzustellen bleibt, dass sich bei starkem Verkehrsaufkommen die Durchführung der Kontrollen ungleich schwieriger gestaltet, bzw. Kontrollen völlig unmöglich werden.

Die Folge ist eine entsprechend niedrige

Kontrollfrequenz und damit weniger zählbare Ergebnisse. Es besteht also ein kausaler Zusammenhang der Umweltbedingungen mit

dem Erfolg der

Schleierfahndungskontrollen.

8.5 Polizeiliche Auskunftsdienste

Die Befragungsergebnisse zu polizeilichen Auskunftsdiensten untermauern die Argumentationslinie

zur

Bedeutsamkeit

äußerer,

vom

Kontrollbeamten

erkennbarer Merkmale. In der perspektivischen Betrachtung der Sichtungsphase beschränkt sich das Potential polizeilicher Auskunftsdienste auf Fahndungsabfragen des numerischen Sachfahndungsbestandes und optional, bei deutschen Fahrzeugzulassungen, auf Halterabfragen.

Sie dienen in dieser Phase ausschließlich der weiteren

Informationsgewinnung,

um

einen

Abgleich

mit

den

persönlichen

„Fahndungsrastern“ zu ermöglichen. Die unter Ziff. 7.4 erörterte Wichtigkeit guter Sichtverhältnisse an den Sichtungsplätzen wird durch die Aussagen zu polizeilichen Auskunftsdiensten bestätigt. Weitere Querverbindungen können zur Relevanz einer hochwertigen technischen Ausstattung in Form von Car-PC und einer funktionssicheren Funkanbindung in eine ständig besetzte autarke Abfragestelle gezogen werden. Ebenso können Belange der Eigensicherung nicht außen vor gelassen werden. Bei aller Kritik, retrospektive polizeiliche Erkenntnisse aus den Kriminalakten als Grundlage aktueller polizeilicher

Aktivitäten zu sehen,

bieten diese unerlässliche

80 Informationen

zur

Eigensicherung,

insbesondere

in

Form

des

personengebundenen Hinweises. Die Tätigkeit der Schleierfahndung ist hoch riskant. Informationen

die u.a. Hinweise auf die Gewaltbereitschaft,

hochinfektiöse Erkrankungen oder die Bewaffnung der Kontrollperson geben, müssen aus Sicht des Verfassers Vorrang vor datenschutzrechtlichen Belangen haben. Der Perspektivwechsel auf die Phase nach der Anhaltung zeigt situationsbedingte Veränderungen in der Relevanz polizeilicher Auskunftsdienste. Nunmehr stehen vielfältige Abfragemöglichkeiten zur Verfügung, die sich nicht nur auf das amtliche Kennzeichen des Fahrzeuges beschränken. Diese Veränderungen zeigen sich am deutlichsten im Befragungsergebnis des Fragebogens. Nach der Anhaltung steigt die Relevanz der Auskunftsdienste auf eine kumulierte Ausrichtung am Pol „wichtig“ auf über 90%. Keine Wertung entfiel hingegen auf die Bewertung „unwichtig“.

Ergänzend zeigt

sich jedoch auch,

dass

Abfragemöglichkeiten in polizeilichen Dateien lediglich als - wenn auch wesentliches - Hilfsmittel gesehen werden. Die Person des Fahnders steht auch hier im Mittelpunkt der Betrachtungen. Insgesamt kann man eine hohe Relevanz polizeilicher Auskunftsdienste in Hinblick auf den Erfolg konstatieren.

8.6 Faktoren durch das Kontrollklientel

Wenden wir uns nun der Betrachtung von Faktoren zu, die wissentlich oder unwissentlich vom polizeilichen Gegenüber, also dem Kontrollklientel gesetzt werden. Die Ergebnisse beider Untersuchungsmethoden lassen den Schluss zu, dass die Auswahl des Kontrollklientels stets motivisch gesteuert ist und nicht beliebig erfolgt. Die Anwendung individueller „Fahndungsraster“ spielt hierbei eine zentrale Rolle. So stehen jedem Fahndungsbeamten, je nach Zielrichtung der Fahndung, verschiedene Fahndungsschemata zur Verfügung. Innerhalb dieser Schemata besitzen die im Fragebogen bzw. im Interview-Leitfaden beispielhaft

81 aufgeführten „Faktoren des Kontrollklientels“, je nach Zielrichtung der Fahndung, unterschiedliche Relevanz. Durch den geschilderten Vorgang des „Abrasterns“ werden äußere, in Sekundenbruchteilen erfassbare Merkmale, mit den jeweiligen Schemata abgeglichen. Als Folge wird das Fahrzeug zu einer Kontrolle angehalten, oder aber auf eine Anhaltung verzichtet. Wesentlich sind die Erkenntnisse zur Entstehung dieser „Fahndungsraster“. Die Befragungsergebnisse lassen hierbei auf eine Erfahrungsbildung aufgrund persönlicher Erfolge bzw. Misserfolge, berichteter Erfahrungen von Kollegen und aktueller Lageerkenntnisse schließen. Gerade der hohe Einfluss ständig aktualisierter Lagebeiträge, transportiert durch

tägliche Briefings, wurde

mehrfach als wesentlich herausgestellt. Diese „Fahndungsraster“ sind somit adaptierbar und werden an aktuelle Lageentwicklungen ausgerichtet. Eine durch Kant in der Literatur geäußerte Kritik am Fehlen festgeschriebener Kontrollkriterien197 ist aus Sicht des Verfassers aufgrund dieser Erkenntnisse nur schwerlich nachzuvollziehen. Stellt nicht gerade die Reaktionsmöglichkeit auf aktuelle innen- und außenpolitische Veränderungen, auf ständigem Wandel unterliegender Modi Operandi der Straftäter, eine große Chance für eine erfolgreiche

Schleierfahndung

dar?

Und

stellt

nicht

die

Basis

der

„Fahndungsraster“ in Form von nachvollziehbaren, objektiven Lageerkenntnissen den Vorwurf in Frage, die Auswahl des Kontrollklientels würde ausschließlich aufgrund von Berufs- und Lebenserfahrung, sowie dem „Fahnderblick“ erfolgen?198 Zugegeben, aus den Befragungsergebnissen ist auch eine wesentliche Rolle der Berufserfahrung abzulesen. Aber ist fachspezifische Erfahrung nicht in jedweder Berufsausübung Voraussetzung für Erfolg? Vielmehr sind aus Sicht des Verfassers die Entstehungsgründe dieser Erfahrung ausschlaggebend. Im Falle der Schleierfahndung kann aufgrund der Untersuchungsergebnisse auf eine objektive, auf Tatsachen beruhende Erfahrungsbildung geschlossen werden. Die

in

der

Literatur

geäußerten

Vorwürfe

der

institutionalisierten

Fremdenfeindlichkeit und der Kriminalisierung von Migranten 199 konnten hingegen nicht bestätigt werden.

197

Vgl. Kant (2000), S. 31. Vgl. ebenda, S. 31. 199 Vgl. ebenda, S. 29. 198

82 Für die Phase nach erfolgter Anhaltung erscheint es wichtig festzuhalten, dass die Nervosität der Kontrollpersonen zwar von allen Befragten thematisiert, jedoch nicht zwangsläufig auch von allen Befragungspersonen als Indiz für einen gesetzlichen Normverstoß angesehen wurde. Vielmehr wurde das Erfordernis zusätzlicher Verdachtsmomente in Form von feststellbaren Tatsachen gesehen. Der in diesem Zusammenhang genannte Abgleich der „Geschichte“, also die in einem Gespräch mit der Kontrollperson gewonnenen Informationen, mit den vorgefundenen Tatsachen, wurde hierbei besonders in den Vordergrund gerückt. Dies lässt darauf schließen, dass die Intensität der Kontrolle individuell auf das Gegenüber abgestellt und keinesfalls stereotyp ist. Dies belegen auch Aussagen zum sog. „Fehlgriff“, eines offensichtlichen Nichtzutreffens angenommener „Faktoren des Kontrollklientels“. Im Falle dieser „Fehlgriffe“ waren sich alle Befragungspersonen einig, die standardisierte Kontrolle zwar durchzuführen, diese jedoch nicht weiter zu intensivieren. Resümierend lässt sich feststellen, dass Faktoren des Kontrollklientels einen erheblichen Einfluss auf die Entscheidung des Kontrollbeamten besitzen, eine Kontrolle durchzuführen bzw. die Intensität der Kontrolle nach erfolgter Anhaltung

zu

bestimmen.

Verantwortlich

hierfür

sind

individuelle

„Fahndungsraster“, die auf Erfahrungen und aktuellen Lageerkenntnissen beruhen. Festgestellt werden kann auch, dass diese Fahndungsraster durch eine strategische Ausrichtung der Fahndung adaptierbar sind, was in der Folge den kausalen Zusammenhang zum Erfolg durchgeführter Schleierfahndungskontrollen bestätigt.

8.7 Ergänzende Betrachtungen

Die Einschätzungen des Interview-Partners der Bundespolizei wies große Übereinstimmung

zu

den

Untersuchungsergebnissen

der

Bayerischen

Schleierfahndung auf. Obwohl das singuläre Ergebnis dieser ergänzenden Befragung allein aus statistischen Gründen nicht als Vergleich herangezogen werden kann, zeigt sie doch große Parallelen in der Einschätzung der erfolgskritischen Faktoren auf.

Dies könnte ein Indiz dafür sein, dass trotz

83 unterschiedlicher Organisationsform beider Polizeiverbände, die Schwerpunkte in der strategischen Ausrichtung, sowie in Belangen der technischen Ausstattung und der Aus- und Fortbildung gesehen werden. Der Nachweis hierzu würde jedoch eine im Umfang vergleichbare Untersuchung erfordern, die das Ausmaß dieser Arbeit übersteigen würde. Die Gesamtheit aller Untersuchungsergebnisse hat deutlich aufgezeigt, welche Faktoren für die Durchführung einer erfolgreichen Schleierfahndung erforderlich sind. Sie zeigten ebenfalls auf, worin der Erfolg der Schleierfahndung gesehen wird. Die deutlichen Unterschiede innerhalb der Befragungsergebnisse einzelner Items lassen nur auf eine geringe Wahrscheinlichkeit schließen, dass diese nur zufällig entstanden sind. Die Untersuchungsergebnisse stützen somit die Annahme, dass der Erfolg der Schleierfahndungskontrollen mit einer optimalen strategischen Ausrichtung, durch einen hohen fachspezifischen Wissensstand der Fahnder und eine optimale technische Ausstattung am höchsten ist.

9. Konsequenzen für erfolgreiche Schleierfahndungskontrollen

Aus Sicht des Verfassers wäre es unangemessen, den nunmehr über viele Jahre erfolgreichen

Schleierfahndern

ein

„Erfolgsrezept

für

Schleierfahndungskontrollen“ zu präsentieren. Dennoch erscheint es sinnvoll, wesentliche Konsequenzen aus den Untersuchungsergebnissen und die daraus entstehenden Forderungen an eine strategisch optimal ausgerichtete, spezielle Fahndungsarbeit herauszustellen. Der dienstliche Alltag, geprägt vom Kampf um Personal- und Sachressourcen, Interessen interner wie externer Stakeholder und einer Fülle von mehr oder weniger wichtigen Umständen, erlaubt es uns über große Zeiträume nicht, das eigene polizeiliche Handeln aus der notwendigen Distanz zu betrachten. Deshalb sollen

die

Untersuchungsergebnisse

nicht

als

Anleitung

für

effektive

Fahndungsarbeit, sondern als Möglichkeit verstanden werden, einen Blick aus dieser Perspektive herzustellen.

84 Dabei mögen viele der Untersuchungsergebnisse, gerade für Schleierfahnder, Selbstverständlichkeiten darstellen. Für Außenstehende können diese Ergebnisse jedoch zur Entmystifizierung der Schleierfahndung beitragen. Können zeigen, dass die Fahndung in diesen speziellen Deliktsfeldern auf objektiven, nachvollziehbaren und vor allem strategisch beeinflussbaren Kriterien beruht und keinesfalls einer metaphysischen Dimension200 zuzurechnen sind. Hierzu bedarf es aber nach Ansicht des Verfassers auch einer validen Erfolgsmessung, die neben den Kriminalitätsquotienten der PKS, weitere Einflussgrößen berücksichtigt. Wissenschaftliche Studien könnten hierzu einen wichtigen Beitrag leisten. Eine ausschließliche Erfolgsmessung aufgrund stark von Belangen der Kontrollkriminalität beeinflussten PKS reicht nach Ansicht des Verfassers nicht aus. Dennoch stellt aus Sicht der Kontrollbeamten das zählbare Ergebnis in Form von qualitativ hochwertigen Aufgriffen, den Erfolg der Kontrollen dar. Aber gerade das Erfordernis qualitativ hochwertiger Aufgriffe macht auch deutlich, dass sich Leistungsbewertungen nicht nur an quantitativen Kriterien bemessen dürfen und der von Fahndungsbeamten angestrebte Qualitätsanspruch hier einer besonderen Berücksichtigung bedarf. Die hohe Relevanz kognitiver Faktoren erfordert ein konsequentes Fortführen des bestehenden Aus- und Fortbildungskonzeptes, insbesondere in Form des Multiplikatorensystems. Aktuelle, überregionale Lagearbeit ist zwingende Grundlage für eine auf Tatsachen beruhende Fortbildung und strategische Ausrichtung. Eine Fortführung bzw. ein weiterer Ausbau dieser Maßnahmen erfordert in erster Linie Personalressourcen. Multiplikatoren müssen für überregionale Work-Shops freigestellt

werden,

brauchen

Zeit,

ihr

Wissen

aufzubereiten

und

in

Dienstunterrichten und in Informationsplattformen wie dem Intranet, an die Fahndungskräfte weiter zu geben. Der Personalkörper der Fahndungskräfte wiederum muss so stark sein, um erforderliche Dienstunterrichte und Briefings durchführen zu können, ohne Präsenzlücken in der Fahndungsarbeit entstehen zu lassen. 200

Vgl. Herrnkind (2000), S. 11.

85 Lagearbeit ist zeitintensiv und bedarf von anderen Aufgaben freigestellter Sachbearbeiter. Eine daraus folgende Reduzierung des für Fahndungsaufgaben zur Verfügung stehenden Personalkörpers, muss hierbei nach Ansicht des Verfassers in Kauf genommen werden. Dienstliche Erfahrung, so zeigt die Untersuchung, gründet sich in erster Linie auf persönlichen Erfolgserlebnissen und den Erfahrungen der Kollegen. Dies erfordert in der Konsequenz ein Personalkonzept, das eine starke Fluktuation auf den Dienststellen verhindert. Nur mit einer längerfristigen Verwendung in der spezialisierten Fahndungsarbeit kann ein entsprechendes Erfahrungswissen aufgebaut werden. Zudem sollte durch dienstplanerische Maßnahmen eine Rotation des Kontrollpersonals sichergestellt werden, um auch hier den Wissenstransfer zu ermöglichen. Um trotzdem Eigensicherungsbelange zu berücksichtigen, sind hier längerfristige Zeitintervalle notwendig. Die Untersuchung hat jedoch auch gezeigt, dass die Verweildauer in dieser Tätigkeit allein nicht für die Ausbildung von Erfahrung und Fachwissen ausreicht. Der individuellen Motivation kommt hier eine zentrale Rolle zu. Opportunistische Motive als Hauptmotivationsfaktoren zu vermuten, wurde deutlich widerlegt. Sinnhaftigkeit und Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit wurden stattdessen als Triebfeder für erfolgreiche Fahndungsarbeit angesehen. Aber ist nicht unser Beurteilungs- und Beförderungssystem ganz auf den persönlichen Vorteil abgestellt? Ist nicht die Beurteilung oft die einzig praktizierte Form der Anerkennung? Die Befragungen zeigen, dass dieser Aspekt nicht völlig auszuklammern ist, ist er doch an monetäre und somit existenzielle Folgen geknüpft. Trotzdem sollten Belange der Sinnhaftigkeit und der persönlichen Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit mehr in den Fokus gestellt werden. Eine grundlegende Voraussetzung hierfür ist die Verdeutlichung übergeordneter strategischer Ziele und der Transparenz von taktischen und personellen Schwerpunktsetzungen. Nur im Wissen um die Hintergründe kann der einzelne Fahndungsbeamte den Sinn in seiner Tätigkeit erkennen. Die entsprechende Honorierung seiner Leistung in Form von Anerkennung oder durch eine in internen wie externen Medien transportierte Berichterstattung werden hier ebenfalls als entscheidende Motivationsfaktoren gesehen.

86 Eine wesentliche Erkenntnis wird auch in der Tatsache gesehen, dass die Tätigkeit der Schleierfahndung erlernbar ist und nichts mit Talent zu tun hat. Somit ist jeder Polizeibeamte

mit

entsprechender

Motivation

in

der

Lage,

sich

das

fachspezifische Wissen und die Erfahrung, oftmals ausgedrückt im Terminus des „Fingerspitzengefühls“, anzueignen. Eine zu starke Spezialisierung auf einzelne Deliktsfelder sollte zugunsten einer interdisziplinären Einsetzbarkeit vermieden werden. Deutlich wurde auch die Rolle der technischen Ausstattung. Es wäre nach Ansicht des Verfassers falsch, die nach außen hin sichtbaren Artefakte hochwertiger Fahrzeuge und hochtechnischer Geräte wie Car-PC und Fast-ID hauptsächlich für den Erfolg der Schleierfahndung verantwortlich zu machen. Klar ist, das Streifenfahrzeug stellt den primären Arbeitsplatz des Fahndungsbeamten dar, ist sowohl Werkzeug für Anhaltungen als auch Überprüfungs- und Sichtungsraum für Dokumente und Urkunden. Grundlegende Anforderungen sind eine starke Motorisierung und aufgrund des hohen Verkehrsunfallrisikos, ein hoher Standard an aktiven wie passiven Sicherheitseinrichtungen. Fakt ist auch, dass hochtechnische Geräte bereits vor Ort eine schnelle und qualitativ hochwertige Unterstützung in der Fahndungstätigkeit leisten können; aber eben nicht mehr als eine Unterstützungsleistung. Die kognitiven Fähigkeiten des Kontrollbeamten sind in allen Phasen der Kontrolle, von der Sichtung über die Auswahl des Kontrollklientels, bis hin zur Personen- und Fahrzeugkontrolle, erfolgsentscheidend. Um diese entsprechend zur Entfaltung bringen zu können, sind gerade in der Sichtungsphase optimale Voraussetzungen zu schaffen. Die Untersuchung hat gezeigt, dass die Kontrollkräfte aufgrund ihrer individuellen Fahndungsraster die Merkmale des polizeilichen Gegenübers einer blitzschnellen Überprüfung unterziehen. Je mehr Zeit für diese Auswahl zur Verfügung steht, je besser die Lichtverhältnisse an den Sichtungsplätzen sind, desto präziser kann dieser Abgleich erfolgen. Das bedeutet in der Konsequenz die Erfordernis geeigneter Sichtungsplätze, die in geschwindigkeitsreduzierten Bereichen liegen, über ausreichende Lichtquellen verfügen und dennoch in der baulichen Ausgestaltung keine zweite Grenzlinie im Sinne der Schengen-Standards darstellen. Ebenso müssen im unmittelbaren Grenzbereich der Verkehrssicherheit entsprechende

87 Anhalteplätze zur Verfügung stehen, die bei optimalem Ausbau sowohl über stationäre Lichtquellen, als auch über eine Überdachung verfügen. Gerade der letztere Aspekt ermöglicht trotz widriger Witterungsverhältnisse eine intensivierte Kontrolle von Personen und Fahrzeugen, wenn eine Verbringung zur oft kilometerweit entfernten Dienststelle aus Verhältnismäßigkeitsgründen rechtlich nicht gedeckt oder zumindest fraglich ist. Die Untersuchung hat auch gezeigt, dass neben den Einwirkungsmöglichkeiten auf die kognitiven Fähigkeiten, der Fahndungserfolg durch strategische Einflussnahme gesteuert werden kann. Die praktizierte Dienstverrichtung im Wechselschichtdienst über den gesamten Tageszeitraum, erscheint hier die geeignetste Form auf eine nicht auszumachende deliktsbezogene Schwerpunktzeit zu reagieren. Eine Schwerpunktsetzung auf bestimmte Deliktsbereiche erscheint dennoch sinnvoll. Durch stationäre Kontrollstellen, mit einer durch die Wahl des Kontrollortes festgelegten Zielsetzung, eines hohen Personalansatzes und einer entsprechenden

logistischen

Ausstattung,

können

deliktsbezogene

Schwerpunktsetzungen vorgenommen werden. Festzustellen ist aber auch, dass gerade

stationäre

Kontrollstellen

eines

nicht

unerheblichen

Organisationsaufwandes bedürfen und deshalb auch auf kurzfristige Änderungen der Umweltbedingungen, wie Verkehrsverhältinsse oder Witterungsbedingungen nur eingeschränkt reagieren können. Stationäre Großkontrollen werden sich allein aus organisatorischen und personellen Gründen nur in einem begrenzten Ausmaß realisieren lassen. Die im täglichen Fahndungsbetrieb erfolgreichste und am häufigsten praktizierte Fahndungsform stellt die Sichtung des Verkehrsstromes aus einem stehenden Streifenfahrzeug, mit selektiver Anhaltung dar. Das „Mitschwimmen“ im Verkehr hat sich als nicht effektiv erwiesen. Aus Sicht des Verfassers ließen sich, wie auf den Fahndungsinspektionen ohnehin praktiziert, mit einer Mischform beider taktischen Varianten optimale Fahndungsergebnisse erzielen. Die

örtliche

Schwerpunktsetzung

auf

die

Einreiseseite

dient

den

Untersuchungsergebnissen zufolge dem primären Ziel, die Einreise von Straftätern in das Bundesgebiet zu verhindern. Aufgrund der zentralen geografischen Lage Deutschlands und dem Wegfall der systematischen Grenzkontrollen

innerhalb

des

gesamten

Schengen-Raumes

ist

diese

88 Schwerpunktsetzung nach Ansicht des Verfassers zumindest zu überdenken. Liegt der primäre Zweck der Schleierfahndung nicht in der generellen Verhinderung der grenzüberschreitenden Kriminalität? Kann man die Zielrichtung reisender Straftäter „in Richtung Bundesgebiet“ einschränken? Die Begründung, die Einreiseseite sei die erfolgreichere Seite könnte ebenso das Ergebnis einer personellen, wie örtlichen Schwerpunktsetzung polizeilicher Kontrollaktivitäten sein.

Durch eine vergleichbare Kontrollintensität auch auf der Ausreiseseite,

könnte eine höhere Erfolgswahrscheinlichkeit der Einreiseseite einer statistischen Überprüfung unterzogen werden. Polizeiliche Auskunftsdienste stellen wichtige Hilfsmittel in allen Phasen der Kontrolle dar. Sie dienen neben dem Zweck der Überprüfung aktueller Fahndungsnotierung auch der Informationsgewinnung, um bereits mehrfach genannte Schemata zur Anwendung zu bringen. Eine ständige Besetzung einer eigenen Abfragestelle und einer optimalen Funkanbindung über einen separaten Abfragekanal sollten Standard für Schleierfahndungsdienststellen sein. Polizeiliche Auskunftsdienste bieten überdies, insbesondere in Form des personengebundenen Hinweises, wichtige Informationen zur Eigensicherung. Die Möglichkeit, in der Phase der Anhaltung über den Halter des Fahrzeuges alle nur erdenklichen

Informationen

zur

Reduzierung

des

ohnehin

enormen

Sicherheitsrisikos zu erhalten, erscheint mehr als legitim. Wenn auch eine Übereinstimmung von Fahrer und Halter des Fahrzeuges nicht zwingend vorliegen muss, bietet die Möglichkeit der Abfrage der Halterdaten gerade in der Anhaltephase die einzige Möglichkeit, Informationen über potentielle Gefahren zu erlangen. Die Legitimation datenschutzrechtlicher Bestimmungen ist unbestritten und soll hier nicht in Frage gestellt werden. Trotzdem müssen Eigensicherungsbelange über datenschutzrechtlichen Interessen stehen und den Beamten jederzeit die vollständige Abfrage aller polizeilicher Daten möglichen.

89 10. Schlussbetrachtungen und Ausblick

Die Bayerische Schleierfahndung feierte im vergangenen Jahr ihr 10jähriges Bestehen. Die an sie gestellte Forderung, einen wirkungsvollen Fahndungsfilter nach Wegfall der stationären Grenzkontrollen an einer der Binnengrenzen zu schaffen, hat sie mehr als nur erfüllt: Die Polizeiinspektionen Fahndung haben sich ein hohes Maß an Ansehen bei den Bürgern, in der Öffentlichkeit und innerhalb der Gesamtorganisation Polizei erarbeitet. Anfängliche Bedenken der Bevölkerung, nun verstärkt in den Fokus polizeilicher Kontrollaktivitäten zu gelangen, wurden nicht bestätigt.201 Die Untersuchung hat gezeigt, dass es sich bei der Verdachtsschöpfung und dem Kontrollverhalten der Schleierfahnder keineswegs um einen von Kritikern genannten Versuch handelt, in vernebelter Perspektive die Realität zu erkennen und sich diese vor dem geistigen Auge als ein Puzzle zusammenzusetzen. 202 Vielmehr wurde klar, dass die Fahndungsbeamten aufgrund nachvollziehbarer, auf

Erfahrung

und

Fachwissen

gebildeter

Entscheidungskriterien

ihr

Kontrollklientel auswählen und das diese Auswahl durch strategisch ausgerichtete Einflussnahme steuerbar ist. Fakt ist jedoch auch, dass psychologische Aspekte bei der kognitiven Verarbeitung der Kontrollkriterien Einfluss auf die Entscheidung des einzelnen Kontrollbeamten nehmen können. Diesbezüglich besteht nach Ansicht des Verfassers weiterer Forschungsbedarf. Die Untersuchung hat auch gezeigt, dass der Erfolg der Schleierfahndung von einer optimalen strategischen Ausrichtung, der Gestaltung organisatorischer Rahmenbedingungen, einer innovativen, fachbezogenen Fortbildung, einer aktuellen Lagearbeit und einer hochwertigen technischen Ausstattung abhängt. Diese

optimale

Gestaltung

erfordert

Personal-

und

Sachressourcen.

Demografische Zukunftsprognosen weisen auf einen weiteren Rückgang gerade der jungen Bevölkerung, bei einer gleichzeitigen starken Veränderung

201 202

Vgl. Pressebericht Polizeipräsidium Oberbayern:10 Jahre Schleierfahndung, S. 1. Vgl. Herrnkind (2000), S. 6.

des

90 Bildungsniveaus hin. 203 Künftig wird es für die Polizei schwieriger werden, in Konkurrenz zu zahlungskräftigen Wirtschaftsunternehmen, hoch qualifiziertes Personal in ausreichender Anzahl zu gewinnen. Die Auswirkungen der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise sind derzeit noch nicht absehbar, werden sich ohne Zweifel aber auch auf die öffentlichen Haushalte auswirken. Die Zukunft wird zeigen, ob sich trotz angespannter Haushaltslage öffentlicher Kassen, bezüglich der personellen Besetzung, wie auch der technischen Ausstattung, der für eine erfolgreiche Schleierfahndung erforderliche hohe Standard weiterhin halten lässt.

203

Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung, http://www.bpb.de.

91 Literaturverzeichnis

Beckstein Günther: Fahndungsschleier über ganz Bayern, in: Bayerns Polizei 4/96, S. 10-14. Bergmann Werner: „Was sind Vorurteile?“, in: Informationen zur politischen Bildung. Bundeszentrale für polit. Bildung (Hrsg.), 2001, Nr. 271, S. 3 - 9.

Feest Johannes/ Blankenburg Erhard: Die Definitionsmacht der Polizei, Strategien der Strafverfolgung und soziale Selektion. Bertelsmann Universitätsverlag, 1972.

Feltes Thomas zitiert nach Herrnkind Martin, in: Verdacht des Verdachtes. Zeitschrift Unbequem, 2000, Nr. 10, S. 4-13.

Herrnkind Martin: Verdacht des Verdachtes, in: Zeitschrift Unbequem, 2000, Nr. 10, S. 4 – 13.

Herzing

Ludwig:

Die

Straße

als

polizeilicher

Aktionsraum



Kriminalitätsbekämpfung und Verkehrsüberwachung, in: Polizeispiegel 3/98, S. 71-79.

Kant, Martina: Verdachtsunabhängige Kontrollen; MigrantInnen im Netz der Schleierfahndung, in: Bürgerrechte und Polizei, 2000, Nr. 19, S. 29 – 35.

Kasecker Rainer: Kontrollkriminalität - Statistische und Strategische Aspekte, in: Studienunterlage der Deutschen Hochschule der Polizei, Kriminalstrategie, 2008, Vortragsfolien 1-15.

Kirchleitner Thomas: Bayerische Erfahrungen mit der Schleierfahndung am Beispiel der PI Fahndung Traunstein, in: Polizei-heute, 2002, Nr. 31, S. 104 – 106, 108 – 110.

Kirchleitner Thomas: Bekämpfung der Schleusungskriminalität im Rahmen der Schleierfahndung, in: Deutsches Polizeiblatt, 2007, Nr. 1, S. 6 – 9.

92

Mieg Harald/Näf Mathias: Experteninterviews (2. Aufl.). Institut für MenschUmwelt-Systeme (HES), ETH Zürich, 2007. Preisendörfer Peter: Organisationssoziologie – Grundlagen, Theorien und Problemstellungen (2. Aufl.), VS Verlag für Sozialwissenschaften, 2008, S. 5877. Reichertz Jo: „Meine Schweine erkenne ich am Gang!“, in: Polizei vor Ort. Enke Verlag (Hrsg.), 1992, S. 137 – 143.

Schmalzl Hans-Peter: Unterrichtspapier zum Masterstudiengang der Deutschen Hochschule der Polizei zum Thema wissenschaftliche Methodik, 2007.

Schmidbauer/Steiner:

Bayerisches

Polizeiaufgabengesetz

und

Polizeiorganisationsgesetz. Kommentar 2. Auflage, 2006, S. 153 – 155.

Spörl Karl-Heinz: Zur Einführung einer verdachts- und ereignisunabhängigen Personenkontrolle („Schleierfahndung“) in Bayern, in: Die Polizei, 1997, 88. Jahrgang, Heft 8, S. 217-219.

Walter Bernd: Erweiterte Befugnisse der Polizei zur Bekämpfung der illegalen Einreise und der grenzüberschreitenden Kriminalität: Eine unabdingbare Notwendigkeit nach dem Wegfall der allgemeinen Grenzkontrollen, in: Die Polizei, 1999, 90. Jahrgang, Heft 2, S. 33-64.

Quellenangaben ohne Verfasser:

Bayerns Polizei 1/96: Im Interesse der Inneren Sicherheit genauer hinschauen, S. 14.

Bundeszentrale

für

http://www.bpb.de.

politische

Bildung:

Statistiken

zur

Demographie,

93 Höpflinger, http://www.mypage.bluewin.ch.

Neues Deutsches Wörterbuch, Helmut Lingen Verlag, 2007.

Polizeidienstvorschrift 384.1, Polizeiliche Fahndung.

Polizeiliche Kriminalstatistik 2007, 55. Ausgabe, Bundeskriminalamt Wiesbaden, 2008. Pressemitteilung des Bayerischen Landeskriminalamtes: Dezernat 54 – was verbirgt sich dahinter? 2008.

Pressemitteilung des Polizeipräsidiums Oberbayern: 10 Jahre Schleierfahndung, 2008.

Sicherheitsbericht des Polizeipräsidiums Oberbayern Süd, 2008, S. 34-38.

Tischpapier der Deutschen Hochschule der Polizei: Rauschgiftkriminalität, Stand 2009.

Anlage 1 – Deckblatt Fragebogen

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, Polizei und Wissenschaft, wie passt das zusammen? Gibt es nichts wichtigeres, sind nicht die Probleme vor Ort wie beispielsweise die Personal- und Mittelknappheit, die Überalterung und die dadurch verbundenen Probleme innerhalb des Schichtdienstes vordringlicher? Bis vor kurzem habe ich mich das als Polizeipraktiker ebenso gefragt. Zugegeben: Mir wurde die Entscheidung hierüber durch das Studium an der Deutschen Hochschule der Polizei abgenommen. Hier musste und muss ich mich mit wissenschaftlichen Erkenntnissen und Methoden auseinander setzen. Mittlerweile bin ich jedoch zur festen Überzeugung gelangt, dass Polizeiarbeit mehr ist als „Praxiswissen“. Polizeiliche Praxis und Wissenschaft sind untrennbar miteinander verbunden. Denn Polizeiwissenschaft macht nichts anderes, als unser tägliches Handeln aus dem „polizeilichen Bauch“ heraus mit wissenschaftlichen Theorien zu belegen, um diese dann für die „Arbeit auf der Straße“ wiederum zur Verfügung zu stellen. Um Erkenntnisse zu Ihrer speziellen Tätigkeit bei der Bayerischen „Schleierfahndung“ zu erhalten, bitte ich Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen, mich bei der Erstellung meiner Masterarbeit zu unterstützen und beiliegenden Fragebogen auszufüllen. Bei der Bearbeitung bitte ich folgendes zu beachten: -

-

Zur Befragungsgruppe gehört, wer im regelmäßigen Streifendienst eingesetzt ist, da sich alle Fragen auf die tägliche Kontrollpraxis im Rahmen der „Schleierfahndung“ beziehen. Um ein wissenschaftlich fundiertes Ergebnis zu erhalten, ist eine möglichst große Anzahl von Fragebögen notwendig, die ausgefüllt in Rücklauf gelangen. Füllen Sie den Fragebogen bitte vollständig und möglichst zügig aus! Antworten Sie aufrichtig! Es gibt keine richtigen oder falschen Antworten! Die Untersuchung dient lediglich Forschungszwecken und soll nur eine gruppenstatistische Auswertung ermöglichen. Eine datenschutzrechtliche Aussage befindet sich auf der ersten Seite des Fragebogens. Das Untersuchungsergebnis wird in Form der Masterarbeit zur Verfügung gestellt. Die Befragung wird im Einvernehmen mit dem Polizeipräsidium Oberbayern Süd und Ihrer Behördenleitung durchgeführt.

Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung! Mit freundlichen Grüßen

Bernhard Resch

Anlage 1 - Fragebogen

Deutsche Hochschule der Polizei

Hinweis: Ihre Angaben werden vertraulich behandelt und anonym ausgewertet. Der vorliegende Fragebogen lässt keinen Rückschluss auf Ihre Person zu und wird nach Ende der Auswertung unverzüglich vernichtet. Bitte versehen Sie diesen Fragebogen nicht mit Ihrem Namen oder Ihrer Unterschrift. Beachten Sie bitte, dass es sich um einen doppelseitigen Ausdruck handelt.

1.1 Wie alt sind Sie? Jahre

1.2 Wie lange sind Sie schon als sog. „Schleierfahnder“ oder in einer vergleichbaren Organisation, z. B. Grenzpolizei, Fahndungstrupp Verkehr tätig? unter 3 Jahren

3 – 5 Jahre

6 – 10 Jahre

mehr als 10 Jahre

1.3 In welcher dienstlichen Verwendung standen Sie vor Ihrer Zeit als „Schleierfahnder“? BePo/Ausbildung

Einzeldienst Landespolizei

Grenzpolizei

andere/sonstige Verwendung

2. Wie bewerten Sie die Wichtigkeit nachfolgender Faktoren im Hinblick auf den Erfolg Ihrer durchgeführten Fahndungskontrollen? sehr wichtig

2.1 Erfahrung in der Tätigkeit als „Schleierfahnder“

eher wichtig

eher unwichtig

unwichtig

2 sehr wichtig

2.2 Fachwissen/ Spezialisierung

2.3 Talent/Fingerspitzengefühl

2.4 Art der Kontrolle (z.B. Anhalte/Standkontrolle)

2.5 Auswahl des Kontrollortes (z.B. Ein-/Ausreise)

2.6 Äußere Umstände (z.B. Lichtverhältnisse, Geschwindigkeit der Fahrzeuge)

2.7 Diensteinteilung (Wechselschicht/TagesDienst/ Sonderdienst)

2.8 Kontrollzeit

2.9 Verkehrsverhältnisse

2.10 Ausrüstung (z.B. Fahrzeuge/Car-PC/ Stereomikroskop)

2.11 Regelmäßige Durchmischung der Streifenbesatzungen

eher wichtig

eher unwichtig

unwichtig

3

sehr wichtig

eher wichtig

eher unwichtig

unwichtig

2.12 Zusammenarbeit mit anderen Behörden (z.B. Zoll, BAG)

2.13 Gewichten Sie die unter 2. genannten Faktoren, indem Sie diese in eine Reihenfolge von 1 (am wichtigsten) bis 13 (am wenigsten wichtig) bringen: Erfahrung als „Schleierfahnder“ Fachwissen/Spezialisierung Talent/Fingerspitzengefühl Art der Kontrolle Auswahl des Kontrollortes Äußere Umstände Diensteinteilung Kontrollzeit Verkehrsverhältnisse Ausrüstung/Ausstattung Sachbearbeitungskonzept Durchmischung Streifenbesatzungen Zusammenarbeit mit anderen Behörden

2.14 Welche Kontrollform halten Sie für am erfolgreichsten? Standkotrolle im Rahmen Fahndungsaktion

„Mitschwimmen“ im Straßenverkehr

Beobachtung des Fließverkehrs aus stehendem Fahrzeug

4

3. Wie bewerten Sie nachfolgende Aussagen? „Meine Kontrollen sehe ich als erfolgreich (im Sinne von effektiv) an, wenn 3.1 ...ich zu einem „zählbaren“ Ergebnis gelange ( Festnahme, Anzeige, Auffindung von verbotenen Substanzen/Gegenständen) trifft voll zu

trifft weitgehend zu

trifft weniger zu

trifft nicht zu

3.2 ...ich bei der Kontrolle keinen Normverstoß feststelle, da dies für mich ein Indiz für die abschreckende Wirkung der Fahndungskontrollen ist trifft voll zu

trifft weitgehend zu

trifft weniger zu

trifft nicht zu

3.3 ...ich eine möglichst große Kontrollfrequenz (i.S. von Kontrollen pro Stunde/Schicht/Tag) durchführe trifft voll zu

trifft weitgehend zu

trifft weniger zu

trifft nicht zu

3.4 ...ich qualitativ hochwertige Aufgriffe habe (z.B. Kfz.-Verschiebung, größere Mengen BtM, Waffen und dergl.) trifft voll zu

trifft weitgehend zu

trifft weniger zu

trifft nicht zu

3.5 Wenn Sie an die letzten 12 Monate denken: Wie hoch schätzen Sie Ihre eigene durchschnittliche „Trefferquote“ (Verhältnis angehaltene Kfz mit „zählbaren Ergebnissen“ zu Anhaltungen ohne „zählbare Ergebnisse“) ein? Beispiel: 1 Treffer auf 20 Fahrzeuge = 1: 20 1:

5

3.6 Die Hauptaufgabe der Schleierfahndung sehe ich... in der primär präventiven oder primär repressiven Wirkungsweise der Kontrollen? sehr

eher

eher

sehr

präventiv

repressiv

4. Wie bewerten Sie nachfolgende Aussagen? 4.1 Die polizeiliche „Grundausbildung“ im Rahmen der standardisierten Polizeiausbildung reicht aus, um auch in der „Schleierfahndung“ erfolgreich i.S. einer hohen Trefferquote zu sein trifft voll zu

trifft weitgehend zu

trifft weniger zu

trifft nicht zu

4.2 Es ist für mich in meiner Verwendung als „Schleierfahnder“ erfolgsentscheidend, von Spezialisten z.B. Kfz-Fahndern, BtM-Fahndern, Urkunden-Spezialisten meiner Dienststelle regelmäßig fortgebildet zu werden trifft voll zu

trifft weitgehend zu

trifft weniger zu

trifft nicht zu

4.3 Dienstunterrichte/Briefings bezüglich Lagemeldungen, neuer Erkenntnisse über z.B. Schmuggelverstecke, neuer Begehungsweisen etc., halte ich für wichtig, um erfolgreich kontrollieren zu können trifft voll zu

trifft weitgehend zu

trifft weniger zu

trifft nicht zu

6

5

Was sind für Sie persönlich die erfolgsmotivierenden Faktoren, oder anders gefragt: Warum wollen Sie bei der „Schleierfahndung“ erfolgreich sein? trifft voll zu

5.1 Persönlicher Nutzen (Beurteilung, Beförderung, dienstl. Aufstieg)

5.2 Politische Vorgaben

5.3 Persönliche Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit

5.4 Stolz, Angehöriger einer „Spezialdienststelle“ zu sein

5.5 Sinnhaftigkeit der Tätigkeit (i.S. wichtiger Beitrag für die Innere Sicherheit)

5.6 Gruppen-/Zusammengehörigkeitsgefühl

5.7 Stellung (Status) innerhalb der Dienststelle

5.8 Andere, nämlich...

trifft weitgehend zu

trifft eher nicht zu

trifft nicht zu

7

6 Wie hoch ist der Einfluss nachfolgender Faktoren, wenn Sie sich entschließen, ein Fahrzeug zur Kontrolle anzuhalten? sehr hoch

6.1 Geschlecht des Fahrers

6.2 Alter des Fahrers

6.3 Anzahl der Fahrzeuginsassen

6.4 Äußeres Erscheinungsbild (Kleidung, gepflegtes/ungepflegtes Aussehen)

6.5 Vermutete Nationalität der Fahrzeuginsassen

6.6 Verhalten (z.B. unsichere Fahrweise, wirkt nervös)

6.7 Marke, Typ des Fahrzeuges

6.8 Alter, Zustand des Fahrzeuges

6.9 Fahrzeugwert

6.10 Farbe des Fahrzeuges

6.11 Motorisierung (Benzin/Diesel)

6.12 Fahrtrichtung (Ein-/Ausreise)

eher hoch eher belanglos

belanglos

8 sehr hoch

eher hoch eher belanglos

belanglos

6.13 Geschwindigkeit des Fahrzeuges

6.14 Kennzeichen des Fahrzeuges 6.15 „Passung“ von Fahrer und Fahrzeug

7 Sie haben ein Fahrzeug angehalten und haben den/die Fahrzeuginsassen vor sich. Nach einem ersten Blick auf die mitgeführten Dokumente können Sie keinen Normverstoß feststellen. Wie groß ist der Einfluss der bereits o.g. Faktoren auf Ihre Entscheidung, die Person/-en/das Fahrzeug trotzdem genauer zu überprüfen (z.B. Personen-/Fahrzeugdurchsuchung, Fast-ID, Doku-Check, FIN-Check etc.)? sehr hoch

7.1 Geschlecht des Fahrers

7.2 Alter des Fahrers

7.3 Anzahl der Fahrzeuginsassen

7.4 Äußeres Erscheinungsbild (Kleidung, gepflegtes/ungepflegtes Aussehen)

7.5 Vermutete Nationalität der Fahrzeuginsassen

7.6 Verhalten (z.B. unsichere Fahrweise, wirkt nervös)

eher hoch eher belanglos

belanglos

9

sehr hoch

eher hoch eher belanglos

belanglos

7.7 Alter, Zustand des Fahrzeuges

7.8 Fahrzeugwert

7.9 Farbe des Fahrzeuges

7.10 Motorisierung (Benzin/Diesel)

7.11 Fahrtrichtung (Ein-/Ausreise)

7.12 Geschwindigkeit des Fahrzeuges

7.13 Kennzeichen des Fahrzeuges 7.14 „Passung“ von Fahrer und Fahrzeug

8 Welche Bedeutung messen Sie den Überprüfungsmöglichkeiten in polizeilichen Auskunftsdiensten (z.B. INPOL, IGVP, Intrapol), im Hinblick auf die Verdachtsgewinnung zu? Oder anders gefragt: Wie hilfreich sind Ihnen diese Erkenntnisse? 8.1 Vor der Anhaltung? sehr wichtig

eher wichtig

eher unwichtig

unwichtig

8.2 Nach erfolgter Anhaltung bei der Überprüfung der Person/Fahrzeug? sehr wichtig

eher wichtig

eher unwichtig

Ende des Fragebogens. Herzlichen Dank für Ihre Mithilfe!

unwichtig

Anlage 2

Grafische Darstellung der quantitativen Ergebnisse

Verwendungszeit in der Schleierfahndung unter 3 J.

3-5 Jahre

6-10 Jahre

mehr als 10 Jahre

12% 20%

58%

10%

Abbildung 1: Verwendungszeit in der Schleierfahndung oder einer vergleichbaren Organisation (N=74).

Dienstliche Vorverwendung BePo

Einzeldienst

8%

Grenzpolizei

andere

16% 14%

62%

Abbildung 2: Dienstliche Vorverwendung (N=74).

Anlage 2

Gewichtung Kontrollfaktoren 120% 100% 80% N=74 60% 40% 20% 0%

sehr wichtig

eher wichtig

Abbildung 3: Gewichtung Kontrollfaktoren

Reihung Kontrollfaktoren 90% 80% 70% 60% 50% N=71 40% 30% 20% 10% 0%

Abbildung 4: Reihung der Kontrollfaktoren

Anlage 2

Erfolgsdefinition 70% 60% 50% N=74

40% 30%

trifft voll zu

20%

trifft weitgehend zu

10%

trifft weniger zu

0%

trifft nicht zu

Abbildung 5: Subjektive Erfolgsdefinition

Zielrichtung der Schleierfahndung sehr präventiv

eher präventiv

31%

eher repressiv

7%

13%

49%

Abbildung 6: Zielrichtung der Schleierfahndung (N=69).

sehr repressiv

Anlage 2

Fachwissen 60%

50%

40%

N=74 30%

20%

10%

0% Grundausbildung reicht aus 1%

Fortbildung durch Multis 52%

Dienstunterrichte Briefings 43%

trifft weitgehend zu

5%

44%

53%

trifft weniger zu

39%

4%

3%

trifft nicht zu

54%

0%

1%

trifft voll zu

Abbildung 7: Beurteilung von Fachwissen und Fortbildungsmaßnahmen

Erfolgsmotivierende Faktoren 60% 50% 40% N=73 30% 20% 10% 0%

trifft voll zu

trifft weitgehend zu

Abbildung 8: Erfolgsmotivierende Faktoren

trifft eher nicht zu

trifft nicht zu

Anlage 2

Polizeiliche Auskunftsdienste

N=74

80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% sehr wichtig

53%

74%

eher wichtig

34%

24%

eher unwichtig

14%

1%

unwichtig

0%

0%

Abbildung 9: Polizeiliche Auskunftsdienste, vor und nach der Anhaltung

Einfluss durch Kontrollklientel 100% 90% 80% 70% 60% N=73 50% 40% 30% 20% 10% 0%

sehr hoch

eher hoch

Abbildung 10: Einfluss durch Merkmale des Kontrollklientels

Anlage 2

Einfluss durch Kontrollklientel Vergleich vor und nach Anhaltung 100% 90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0%

Vor Anhaltung

Nach Anhaltung

Abbildung 11: Vergleichende Darstellung der Merkmale des Kontrollklientels vor und nach der Anhaltung

Anlage 3 - Interviewleitfaden

Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit Interviewleitfaden für Experteninterviews mit Beamten der PI Fahndung Rosenheim und Traunstein sowie der Bundespolizei Einleitung Ich beschäftige mich im Rahmen meiner Masterarbeit mit dem Thema: „Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit“. Hierbei untersuche ich die erfolgskritischen Faktoren für eine erfolgreiche Fahndungsarbeit am Beispiel bayerischer Dienststellen. Ich möchte mich hierbei auf strategische Gesichtspunkte konzentrieren und verhaltenspsychologische Aspekte aufgrund ihrer Vielschichtigkeit außen vor lassen.

1. Leitfrage (Begrifflichkeiten) Ich benutze in meiner Untersuchung den Begriff der spezialisierten Fahndungsarbeit. Wie würden Sie diesen Begriff definieren? 2. Leitfrage (organisatorische und kognitive Faktoren) In meiner Untersuchungshypothese gehe ich davon aus, dass sowohl organisatorische Faktoren, wie auch kognitive Faktoren des Kontrollpersonals einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg durchgeführter Fahndungskontrollen haben. Wie sehen Sie den Einfluss dieser Faktoren? Mögliche Aspekte: Erfahrung in der Tätigkeit als „Schleierfahnder“ Talent/Fingerspitzengefühl Fachwissen/Spezialisierung

Art der Kontrolle (z.B. Anhalte- /Standkontrolle Auswahl des Kontrollorte (z.B. Ein-/Ausreise) Äußere Umstände (z.B. Lichtverhältnisse, Geschwindigkeit der Fahrzeuge) Diensteinteilung (Wechselschicht/Tagesdienst/ Sonderdienst) Kontrollzeit Verkehrsverhältnisse Ausrüstung (z.B. Fahrzeuge/Car-PC/Stereomikroskop) Regelmäßige Durchmischung der Streifenbesatzungen Zusammenarbeit mit anderen Behörden (z.B. Zoll, BAG)

2 Vertiefende Fragen:  Welche Faktoren sind für Sie am wichtigsten?  Welche Kontrollform ist für Sie am erfolgreichsten? 3. Leitfrage (Erfolg) Wann sehen Sie Ihre Fahndungskontrollen als erfolgreich an? Mögliche Aspekte: Zählbare Ergebnisse Kein Ergebnis als Indiz für abschreckende Wirkung Möglichst viele durchgeführte Kontrollen pro Schicht/pro Tag Qualitativ hochwertige Aufgriffe Vertiefende Fragen:  Glauben Sie, man kann generell eine sog. Trefferquote angeben? Ich meine damit das Verhältnis zwischen angehaltenen Fahrzeugen zu zählbaren Ergebnissen. Wenn ja, wie hoch schätzen Sie Ihre eigene Trefferquote ein?  Was meinen Sie, ist die Hauptaufgabe der Schleierfahndung eher die präventive oder die repressive Wirkung? 4. Leitfrage (Aus- und Fortbildung) Ich möchte hier auf die möglichen Einflussfaktoren der Aus- und Fortbildung eingehen. Welche Faktoren halten Sie für wichtig? Mögliche Aspekte: Fortbildung im Rahmen von Multiplikatoren (Urkunden, Kfz., BtM) Dienstunterrichte/Briefings/Lagevorträge

5. Leitfrage (Motivation) Wie wichtig ist für Sie die persönliche Motivation für erfolgreiche Fahndungskontrollen? Vertiefende Frage:  Was sind für Sie persönlich die erfolgsmotivierenden Faktoren?

3 Mögliche Aspekte: Persönlicher Nutzen Politische Vorgaben Persönliche Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit Stolz, Angehöriger einer „Spezialdienststelle“ zu sein Sinnhaftigkeit der Tätigkeit (i.S. wichtiger Beitrag für die Innere Sicherheit)

Gruppen-/Zusammengehörigkeitsgefühl Stellung (Status) innerhalb der Dienststelle 6. Leitfrage (Einflussfaktoren Kontrollklientel) Ich möchte nun auf mögliche Einflussfaktoren eingehen, die durch das Kontrollklientel gesetzt werden. Ich denke da an äußerliche Faktoren wie Bekleidung, Aussehen und das Fahrzeug, in dem der/die zu kontrollierenden Personen unterwegs sind. Wie hoch schätzen Sie den Einfluss dieser Faktoren ein, wenn Sie sich entschließen, ein Fahrzeug anzuhalten? Mögliche Aspekte: Geschlecht des Fahrers Alter des Fahrers Anzahl der Fahrzeuginsassen Äußeres Erscheinungsbild (Kleidung, gepflegtes/ungepflegtes Aussehen) Vermutete Nationalität der Fahrzeuginsassen Verhalten (z.B. unsichere Fahrweise, wirkt nervös) Marke, Typ des Fahrzeuges Alter, Zustand des Fahrzeuges Fahrzeugwert Farbe des Fahrzeuges Motorisierung (Benzin/Diesel) Fahrtrichtung (Ein-/Ausreise) Geschwindigkeit des Fahrzeuges Kennzeichen des Fahrzeuges „Passung“ von Fahrer und Fahrzeug

Vertiefende Frage:  Wenn Sie das Fahrzeug bereits angehalten haben und nach einem ersten Blick auf die mitgeführten Fahrzeugpapiere keinen Normverstoß feststellen können. Wie groß ist der Einfluss der o.g. Faktoren auf Ihre Entscheidung, die Person/das Fahrzeug dennoch genauer zu überprüfen?

4 7. Leitfrage (polizeiliche Datenbestände) Welche Bedeutung messen Sie den Überprüfungsmöglichkeiten in polizeilichen Datenbeständen in Hinblick auf die Verdachtsgewinnung zu? Vertiefende Fragen:  Wie hilfreich sind diese vor der Anhaltung?  Wie hilfreich sind diese nach erfolgter Anhaltung?

Anlage 4

Anonymisierte Auflistung der Interviewpartner. Experten-Interviews zur Masterarbeit Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit

Nr.

1 2 3 4 5 6

1

Dienststelle1

Polizeiinspektion Fahndung Polizeiinspektion Fahndung Polizeiinspektion Fahndung Polizeiinspektion Fahndung Polizeiinspektion Fahndung Bundespolizei

Expertenstatus

Alter

Geschlecht

32

weiblich

Mit Aufnahme auf Tonträger einverstanden ja

33 Jahre, davon 11 Jahre PIF Dienstgruppenleiter 30 Jahre, davon 11 Jahre PIF Fahndungsbeamter 4 Jahre

54

männlich

ja

49

männlich

ja

25

männlich

ja

Fahndungsbeamter/ 18 Jahre, davon Stellvertr. DGL 11 Jahre PIF Fahndungsbeamter 19 Jahre

42

männlich

ja

44

männlich

ja

Fahndungsbeamtin

Berufserfahrung

4 Jahre

Leitungsfunktion

Die Dienststellen wurden aufgrund möglicher Rückschlüsse nicht näher bezeichnet.

Anlage 5 – Datenblatt Experteninterview

Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit Interviewleitfaden für Experteninterviews mit Beamten der PI Fahndung Rosenheim und Traunstein sowie der Bundespolizei Interviewte Person Name:1 Expertenstatus/Funktion: Berufserfahrung in der einschlägigen Funktion: Geschlecht: m w Alter: Datum der Befragung: Ort der Befragung: Zeit: bis

Einverständniserklärung: Das Interview soll auf Tonband aufgenommen und sinngemäß niedergeschrieben werden. Die Aufnahme dient ausschließlich Auswertungszwecken zur o.g. Masterarbeit und ist lediglich dem Verfasser und den beiden Gutachtern der Arbeit zugänglich. In der Masterarbeit wird der Inhalt der Interviews so dargestellt, dass kein Rückschluss auf die interviewte Person möglich ist. Der Interviewpartner wünscht eine Anonymisierung seiner persönlichen Daten ja ist mit der Aufnahme auf Tonträger einverstanden ja autorisiert den Interviewer für eine sinngemäße Zusammenfassung des Interviews ja

nein nein nein

______________________________ Unterschrift des Interviewpartners

Anmerkungen:

1

Anonymität wird auf Wunsch zugesichert, der Name/persönliche Daten dienen nur der internen Dokumentation

Anlage 6 - Interview 1

Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit Interviewleitfaden für Experteninterviews mit Beamten der PI Fahndung Rosenheim und Traunstein, sowie der Bundespolizei Interview 1 Einleitung Ich beschäftige mich im Rahmen meiner Masterarbeit mit dem Thema: „Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit“. Hierbei untersuche ich die erfolgskritischen Faktoren für eine erfolgreiche Fahndungsarbeit am Beispiel bayerischer Dienststellen. Ich möchte mich hierbei auf strategische Gesichtspunkte konzentrieren und verhaltenspsychologische Aspekte aufgrund ihrer Vielschichtigkeit außen vor lassen.

1. Leitfrage (Begrifflichkeiten) Ich benutze in meiner Untersuchung den Begriff der spezialisierten Fahndungsarbeit. Wie würden Sie diesen Begriff definieren? Wir müssen in relativ kurzer Zeit viele Entscheidungen treffen, z.B. auf der Einreiseseite aus einer Vielzahl von Fahrzeugen das „Richtige“ herauszusuchen und dies auch kontrollieren. Das macht es speziell. Die Anhaltung unterliegt hier vielen Einflüssen, die ich so als Streifenbeamter (Anm. Landespolizei) nicht habe.

2. Leitfrage (organisatorische und kognitive Faktoren) In meiner Untersuchungshypothese gehe ich davon aus, dass sowohl organisatorische Faktoren, wie auch kognitive Faktoren des Kontrollpersonals einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg durchgeführter Fahndungskontrollen haben. Wie sehen Sie den Einfluss dieser Faktoren? Mögliche Aspekte: Erfahrung in der Tätigkeit als „Schleierfahnder“ Talent/Fingerspitzengefühl Fachwissen/Spezialisierung

Art der Kontrolle (z.B. Anhalte- /Standkontrolle)1 Auswahl des Kontrollorte (z.B. Ein-/Ausreise) Äußere Umstände (z.B. Lichtverhältnisse, Geschwindigkeit der Fahrzeuge) Diensteinteilung (Wechselschicht/Tagesdienst/ Sonderdienst) Kontrollzeit Verkehrsverhältnisse Ausrüstung (z.B. Fahrzeuge/Car-PC/Stereomikroskop) 1

kursiv: Wesentliche Aspekte der Fragebogenaktion

2 Regelmäßige Durchmischung der Streifenbesatzungen Zusammenarbeit mit anderen Behörden (z.B. Zoll, BAG) Vertiefende Fragen:  Welche Faktoren sind für Sie am wichtigsten?  Welche Kontrollform ist für Sie am erfolgreichsten? Es ist wichtig, dass das „Drumherum“ passt, die Ausstattung. Das fängt mit einem guten Fuhrpark an, geht über den Car-PC, der uns Abfragen auch ohne Leitstelle ermöglicht. Wir haben in jedem Auto ein Mobiltelefon, wir haben Lupen und UV-Licht. Es ist wichtig für unsere Arbeit, diese Hilfsmittel zu haben. Auch ist es wichtig, dass wir sehr viel Rückhalt von Seiten der Dienststellenführung haben. Wir können uns ganz auf die Fahndungsarbeit konzentrieren und können das machen, was wir machen wollen. Wir suchen uns unsere Arbeit selber. Wir haben somit Gestaltungsfreiheit. Wir haben auch die Möglichkeit die Arbeit abzugeben (Anmerk.: zur Sachbearbeitung auf der Dienststelle) so ist man nicht lange mit der Sachbearbeitung gebunden. Auch wichtig ist die „rund um die Uhr Besetzung“ der Abfragestelle und ein eigener Abfragekanal. Sehr wichtig sind auch geeignete Anhalteplätze. Wir haben hier auf der Einreiseseite einen eigens hierfür geschaffenen Platz mit Beleuchtung. Auch die anliegenden Gemeinden unterstützen uns, indem sie uns z.B. an der Ausfahrt einen Platz aufkiesen. Es ist auch wichtig für mich, wie ich mit dem Kollegen (Anm.: Streifenpartner) auskomme, ob er motiviert ist oder auch nicht so. Ein wichtiger Faktor ist auch ein Wechsel der Streifenbesatzungen, dass man Erfahrungen sammelt wie Kollegen in anderen Schichten arbeiteten. Wir haben viele Multiplikatoren für die verschiedenen Fachgebiete wie KfzFahndung, Rauschgift, Urkundsdelikte. Da ist es gut, wenn man „durchtauscht“. Die Durchmischung ergibt sich aufgrund der oftmaligen Personalknappheit automatisch, so fährt man mit jedem Kollegen irgendeinmal, hiervon profitiere ich. Im Vergleich der Anhaltearten (Anm.: Kontrollstelle vs. Selektivkontrolle durch Beobachtung vom Fahrbahnrand aus) bin ich der Meinung, das die Selektivkontrolle am meisten bringt. Ich kann hierzu ein aktuelles Beispiel bringen: Wir haben letzte Woche eine Standkontrolle auf der Ausreiseseite durchgeführt, mit sehr vielen Beamten und wir haben eine große Menge Fahrzeuge und Personen kontrolliert. Unter dem Strich ist hierbei nicht besonders viel „hängen geblieben“. Man kann sagen, dass eine große Menge an kontrollierten Fahrzeugen nicht automatisch eine hohe Trefferquote bringt. Es ist also besser viele Fahrzeuge passieren zu lassen, um auf den „Richtigen“ zu warten, als möglichst viele Fahrzeuge zu kontrollieren. „Qualität vor Quantität“! Zum Anhalteort (Ein- oder Ausreise): Die Einreise hat einen sehr hohen Stellenwert, denn wir wollen ja die Einreise von Straftätern nach Deutschland verhindern. Die Einreiseseite wird priorisiert. Sollte überdies noch Personal im Dienst sein, wird auch die Ausreiseseite besetzt. Die Einreiseseite halte ich für die „erfolgreichere“ Seite. Zur Diensteinteilung: Ich denke man kann den Erfolg der Fahndungskontrollen nicht auf einen bestimmten Zeitraum festlegen. Wir haben versucht, gewisse Schwerpunktzeiten festzulegen, mussten aber feststellen, dass 24 Stunden rund um die Uhr der „große Fang“

3 kommen kann. Mann kann dies nicht auf einen bestimmten Zeitraum festlegen. Für mich ist der Wechselschichtdienst ist die beste Form, den gesamten Zeitraum abzudecken. Zur Erfahrung: Von einem erfahrenen Kollegen lernt man am meisten, wobei Erfahrung allein kein Garant für Erfolg ist. Die Erfahrung/das Fingerspitzengefühl lässt sich auch nicht nur am Dienstalter festmachen. Es kann auch selbstverständlich ein junger Kollege über große Erfahrung verfügen. Es ist für mich kein zwingender Zusammenhang zwischen der Dienstzeit auf der Dienststelle und der Erfahrung. Es hängt sehr viel von der Motivation des Einzelnen ab, auch Erfahrungen zu sammeln. Es muss ein Gleichgewicht zwischen Erfahrung und „Lust auf was Neues“ vorhanden sein. Zur Motivation: Es lässt sich nicht generell sagen, dass jüngere Beamte motivierter sind als ältere, dass hängt sehr von der einzelnen Person ab. Was ist das Wichtigste für Sie, in Hinblick auf den Fahndungserfolg? Gesund nach Hause zu kommen. Wir fahren hohe Geschwindigkeiten, wissen nie, mit wem wir es zu tun haben. Das darf man nicht außer Acht lassen. 3. Leitfrage (Erfolg) Wann sehen Sie Ihre Fahndungskontrollen als erfolgreich an? Mögliche Aspekte: Zählbare Ergebnisse Kein Ergebnis als Indiz für abschreckende Wirkung Möglichst viele durchgeführte Kontrollen pro Schicht/pro Tag Qualitativ hochwertige Aufgriffe Vertiefende Fragen:  Glauben Sie, man kann generell eine sog. Trefferquote angeben? Ich meine damit das Verhältnis zwischen angehaltenen Fahrzeugen zu zählbaren Ergebnissen. Wenn ja, wie hoch schätzen Sie Ihre eigene Trefferquote ein?  Was meinen Sie, ist die Hauptaufgabe der Schleierfahndung eher die präventive oder die repressive Wirkung? Es läuft zwangläufig auf einen Aufgriff hinaus. Ich möchte als Fahnder, dass bei den Kontrollen auch etwas hängenbleibt, also eine Festnahme oder ein gestohlenes Auto. Daran wird man auch gemessen. Es ist mir aber auch wichtig, dass wir positive Rückmeldungen der kontrollierten Personen bekommen. Zum präventiven Aspekt unserer Kontrollen glaube ich, dass es die richtigen Straftäter nicht abhalten wird. Eine rein abschreckende Wirkung unserer Kontrollen halte ich für nicht zutreffend. Die Qualität eines Aufgriffs, dass heißt für mich ein herausragender Fall, ist für mich wichtig. Ein herausragender Fall ist ein Aufgriff, der auf der dienststelleneigenen Homepage eingestellt wird z.B. eine große Menge Rauschgift, ein gestohlenes Auto, eine hohe Freiheitsstrafe. Wenn ich die Auswahl hätte, wären mir wenige, dafür spektakuläre Aufgriffe wichtiger, als viele unspektakuläre Aufgriffe, wobei diese schon in der Statistik wichtig sind.

4

Zur Trefferquote: Ich traue mir keine Angabe der Trefferquote zu. Wenn ich jedoch dazu genötigt würde, würde ich für den Zeitraum der letzten 12 Monate eine persönliche Trefferquote von 1: 20 (Anm.: Verhältnis Kontrollierte Fahrzeuge zu zählbaren Ergebnissen) schätzen. Zur Zielrichtung der Schleierfahndung: Ich sehe meine Aufgabe eher im repressiven Bereich.

4. Leitfrage (Aus- und Fortbildung) Ich möchte hier auf die möglichen Einflussfaktoren der Aus- und Fortbildung eingehen. Welche Faktoren halten Sie für wichtig? Mögliche Aspekte: Fortbildung im Rahmen von Multiplikatoren (Urkunden, Kfz., BtM) Dienstunterrichte/Briefings/Lagevorträge Ich halte die interne Fortbildung für sehr wichtig, hier die Möglichkeit mit anderen Kollegen Streife zu fahren. Dienstunterrichte führen wir weniger durch. Dafür halte ich die Briefings über neue Erkenntnisse und auch die Berichte aus der Lage für sehr wichtig. Besonders die eigene Dienststellen-Homepage im Intrapol, die durch die verschiedenen Multiplikatoren der Dienststelle aktualisiert wird. Auch die Lagebeiträge sind für mich sehr wichtig. Externe Fortbildungen halte ich zwar auch für wichtig, hier steht meiner Meinung aber der Erfahrungsaustausch im Vordergrund. Die internen Fortbildungen halte ich jedoch insgesamt für gewinnbringender. 5. Leitfrage (Motivation) Wie wichtig ist für Sie die persönliche Motivation für erfolgreiche Fahndungskontrollen? Vertiefende Frage:  Was sind für Sie persönlich die erfolgsmotivierenden Faktoren? Mögliche Aspekte: Persönlicher Nutzen Politische Vorgaben Persönliche Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit Stolz, Angehöriger einer „Spezialdienststelle“ zu sein Sinnhaftigkeit der Tätigkeit (i.S. wichtiger Beitrag für die Innere Sicherheit)

Gruppen-/Zusammengehörigkeitsgefühl Stellung (Status) innerhalb der Dienststelle Die Motivation ist für mich ein wesentlicher Aspekt. Für meine persönliche Motivation ist wesentlich, dass dies die Tätigkeit ist, die ich machen will, die mir Spaß macht. Natürlich möchte man auch eine gewisse Anerkennung im Kollegenkreis. Natürlich spielt der persönliche Vorteil, hier das dienstliche Fortkommen eine große Rolle. Letztendlich wird

5 man doch daran gemessen, was man macht und wie viel man macht. 6. Leitfrage (Einflussfaktoren Kontrollklientel) Ich möchte nun auf mögliche Einflussfaktoren eingehen, die durch das Kontrollklientel gesetzt werden. Ich denke da an äußerliche Faktoren wie Bekleidung, Aussehen und das Fahrzeug, in dem der/die zu kontrollierenden Personen unterwegs sind. Wie hoch schätzen Sie den Einfluss dieser Faktoren ein, wenn Sie sich entschließen, ein Fahrzeug anzuhalten? Mögliche Aspekte: Geschlecht des Fahrers Alter des Fahrers Anzahl der Fahrzeuginsassen Äußeres Erscheinungsbild (Kleidung, gepflegtes/ungepflegtes Aussehen) Vermutete Nationalität der Fahrzeuginsassen Verhalten (z.B. unsichere Fahrweise, wirkt nervös) Marke, Typ des Fahrzeuges Alter, Zustand des Fahrzeuges Fahrzeugwert Farbe des Fahrzeuges Motorisierung (Benzin/Diesel) Fahrtrichtung (Ein-/Ausreise) Geschwindigkeit des Fahrzeuges Kennzeichen des Fahrzeuges „Passung“ von Fahrer und Fahrzeug

Zur Situation der Auswahl zur Kontrolle aus dem Fließverkehr: Hier hat so jeder sein eigenen „Raster“. Als erstes sehe ich mir das Auto an, der nächste Blick geht auf das Kennzeichen, was habe ich für Nationalität, wenn mir dann in der kurzen Zeit die Möglichkeit bleibt, sehe ich mir auch noch das Gesicht des Insassen an. Danach entscheide ich mich zur Anhaltung oder nicht. Natürlich ist es wesentlich, ob nur lauter Frauen oder Männer im Fahrzeug sitzen. Ich werde mir dann eher die Männer „anschauen“, wobei ich nicht genau weiß, warum. Auch spielt die vermutete Nationalität der Fahrzeuginsassen eine Rolle. Man muss hierbei hinterfragen, warum eine bestimmte Nationalität, hier zu uns (Anm.: nach Deutschland) fährt. Bei einem osteuropäischen Fahrzeug z.B. frage ich mich, weshalb er bei uns einreist. Es kann ein Geschäftsmann sein, jedoch auch eine Person, die bei uns Straftaten begehen könnte. Zum Verhalten der Fahrzeuginsassen: Bei Tageslicht kann man zum Teil die Reaktionen feststellen, auch bei niedriger Geschwindigkeit. Aber auf das Verhalten lege ich gar nicht so viel wert, wenn die Person und das Auto bereits passen, ist das Verhalten nicht so wesentlich. Zur Passung Fahrzeugführer und Fahrzeug: Das passt eher in den Bereich der Kfz.Fahndung. Wenn ich z.B. ein hochwertiges Fahrzeug sehe, dass mit einer sehr jungen Person besetzt ist und vielleicht nicht passend gekleidet sind.

6

Vertiefende Frage:  Wenn Sie das Fahrzeug bereits angehalten haben und nach einem ersten Blick auf die mitgeführten Fahrzeugpapiere keinen Normverstoß feststellen können. Wie groß ist der Einfluss der o.g. Faktoren auf Ihre Entscheidung, die Person/das Fahrzeug dennoch genauer zu überprüfen? Wenn wir ein Fahrzeug zur Kontrolle auswählen und es stellt sich heraus, dass es sich lediglich um eine Familie auf der Durchreise handelt, dann wird sich die Kontrolle sehr schnell mit der Überprüfung der Personalien erledigt haben. In der Regel ist es jedoch so, dass wir alle Fahrzeuge genau kontrollieren, denn ein zweiter Blick bringt immer mehr. Außergewöhnliches Verhalten wäre natürlich schon ein Indiz, vertiefend zu kontrollieren. Meist liegt aber kein auffälliges Verhalten vor. Ich glaube jeder hat hier sein eigenes „Raster“, hat eigene Erfahrungswerte. Ich glaube man kann sagen, wenn ich bei der Auswahl des Fahrzeuges aus dem Fließverkehr überzeugt bin, dass das Fahrzeug/die Insassen kontrollwürdig sind, das ich immer genau kontrolliere. Die Einflussnahme des Gegenübers bei der Kontrolle schätze ich hierbei gar nicht so hoch ein. 7. Leitfrage (polizeiliche Datenbestände) Welche Bedeutung messen Sie den Überprüfungsmöglichkeiten in polizeilichen Datenbeständen in Hinblick auf die Verdachtsgewinnung zu? Vertiefende Fragen:  Wie hilfreich sind diese vor der Anhaltung?  Wie hilfreich sind diese nach erfolgter Anhaltung? Vor der Anhaltung: Hier findet die Überprüfung meist über die Feststation statt, weil dies schneller geht. Die Möglichkeiten der Abfrage sind hier begrenzt. Möglich ist auf jeden Fall die Abfrage zur Sachfahndung. Bei einem deutschen Kennzeichen kann ich zusätzlich eine Halterfeststellung machen. Nicht immer ist jedoch der Fahrer auch der Halter. Die Aussagekraft ist hierbei beschränkt. Wichtig ist es vor allem in Bezug auf das Vorhandensein einen personengebundenen Hinweises wie bewaffnet, gewalttätig hat. Festgestellte KANEintragungen sind für mich lediglich ein Indiz unter anderen. Nach erfolgter Anhaltung: Abfragemöglichkeiten sind sehr hilfreich, hier besonders der Car-PC und das Fast-IDVerfahren.

Anlage 6 - Interview 2

Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit Interviewleitfaden für Experteninterviews mit Beamten der PI Fahndung Rosenheim und Traunstein sowie der Bundespolizei Interview 2 Einleitung Ich beschäftige mich im Rahmen meiner Masterarbeit mit dem Thema: „Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit“. Hierbei untersuche ich die erfolgskritischen Faktoren für eine erfolgreiche Fahndungsarbeit am Beispiel bayerischer Dienststellen. Ich möchte mich hierbei auf strategische Gesichtspunkte konzentrieren und verhaltenspsychologische Aspekte aufgrund ihrer Vielschichtigkeit außen vor lassen.

1. Leitfrage (Begrifflichkeiten) Ich benutze in meiner Untersuchung den Begriff der spezialisierten Fahndungsarbeit. Wie würden Sie diesen Begriff definieren? Die Spezialisierung sehe ich in der Konzentration auf die klassischen Bereiche wie Fahndung nach Personen, die in das Feld der illegalen Migration fallen, der Urkundenfälschung, Kfz.Fahndung und der Betäubungsmittelkriminalität.

2. Leitfrage (organisatorische und kognitive Faktoren) In meiner Untersuchungshypothese gehe ich davon aus, dass sowohl organisatorische Faktoren, wie auch kognitive Faktoren des Kontrollpersonals einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg durchgeführter Fahndungskontrollen haben. Wie sehen Sie den Einfluss dieser Faktoren? Mögliche Aspekte: Erfahrung in der Tätigkeit als „Schleierfahnder“ Talent/Fingerspitzengefühl Fachwissen/Spezialisierung

Art der Kontrolle (z.B. Anhalte- /Standkontrolle)1 Auswahl des Kontrollorte (z.B. Ein-/Ausreise) Äußere Umstände (z.B. Lichtverhältnisse, Geschwindigkeit der Fahrzeuge) Diensteinteilung (Wechselschicht/Tagesdienst/ Sonderdienst) Kontrollzeit Verkehrsverhältnisse Ausrüstung (z.B. Fahrzeuge/Car-PC/Stereomikroskop) 1

kursiv: Wesentliche Aspekte der Fragebogenaktion

2 Regelmäßige Durchmischung der Streifenbesatzungen Zusammenarbeit mit anderen Behörden (z.B. Zoll, BAG)

Erfahrung in der Tätigkeit als Schleierfahnder ist sehr hilfreich. Talent würde ich nicht so wichtig sehen, viel mehr das Fingerspitzengefühl, hängt auch mit der bereits genannten Erfahrung zusammen. Fachwissen halte ich für sehr wichtig. Ich kann nur ein guter Urkunden- oder Kfz.-Fahnder sein, wenn ich das umfassende Fachwissen hierzu habe. Zur Art der Kontrolle glaube ich, dass durch die Höhe der Kontrollfrequenz bei einer Kontrollstelle diese effektiver ist. Bei der Auswahl des Kontrollortes, ob Einreise- oder Ausreiseseite, kommt es in erster Linie auf die Zielrichtung der Fahndung an. Suche ich gezielt nach illegaler Migration, muss ich mich auf die Einreiseseite begeben, will ich frisch gestohlene Fahrzeuge oder Rauschgiftkuriere die aus Holland kommen feststellen, muss ich auf die Ausreiseseite gehen. Rein statistisch ist die Einreisekontrolle erfolgreicher, weil hier durch das Deliktsfeld der illegalen Migration eine höhere Aufgriffszahl zu verzeichnen ist. Ich glaube, dass die Einreisekontrolle wichtiger ist. Es ist für uns als „Bundesrepublik“ wichtiger zu überwachen was „rein“ kommt. Die Möglichkeit, ein relativ breites Deliktsfeld zu überwachen ist auf der Einreiseseite höher, als auf der Ausreiseseite. Die äußeren Umstände wie z.B. die Lichtverhältnisse sind äußerst wichtig. Nimmt man eine Stelle die unbeleuchtet ist und man nimmt noch starken Regen dazu, dann kann man die Fahndung vergessen. Dann kann man nur noch im Trüben fischen, oder gut zu kontrollierende Fahrzeuge wie Reisebusse kontrollieren. Bei hoher Verkehrsdichte ist die Aufgriffsdichte am geringsten, weil es hier schwierig wird, die Richtigen „herauszuholen“. Das lässt sich auch statistisch belegen. Diese wären zwar unterwegs, können jedoch einfach schwieriger festgestellt und kontrolliert werden. Bezüglich der Diensteinteilung kann man sagen, dass unser Klientel immer fährt. Die Erfahrung zeigt, dass viele den Schutze der Nacht suchen und die Wahrscheinlichkeit, einen guten Aufgriff zu haben ist in der Nacht prozentual etwas höher, wobei unsere Aufgriffe zeigen, dass man keinen bestimmten Zeitraum festlegen kann. Es dürfte vielleicht der Zeitraum des späten Nachmittages bis in die Nacht hinein statistisch der beste Zeitraum sein. Etwas weniger geht am Vormittag. Der Zeitpunkt von Kontrollstellen wird aber schon aus dem Grunde der Verkehrsdichte auf verkehrsärmere Zeiträume gelegt. Zur Ausrüstung: Sie ist sehr hilfreich, aber nicht unbedingt Voraussetzung, um erfolgreich zu sein. Hier kommt es mehr auf die Motivation und auf das Fachwissen an. Mir hilft das beste Stereomikroskop nichts, wenn ich nicht weiß, auf was ich schauen soll. Das „A und O“ sind die Leute die dahinter stehen. Zur Durchmischung der Streifenbesatzungen bin ich eher dafür, weniger zu durchmischen, da es mir wichtiger ist, feste Partner zu haben, um zu wissen, wie dieser in kritischen Situationen reagiert. Das ist mir wichtiger, als eine möglichst große Palette von Streifenkonstellationen zustande zu bringen. Für den Erfahrungsaustausch haben wir andere Medien wie Unterrichte und Briefings. Die Zusammenarbeit mit dem Zoll finde ich schon wichtig, da dieser unsere Kontrollen, besonders die Kontrollstellen unterstützt. Hilfreich ist der Zoll z.B. bei der Wiederverplombung von Lkw nach einer Durchsuchung oder bei der Durchsuchung von Fahrzeugen.

3

Vertiefende Fragen:  Welche Faktoren sind für Sie am wichtigsten?  Welche Kontrollform ist für Sie am erfolgreichsten? Für mich besonders wichtig sind die äußeren Umstände, das Fachwissen und dazu in Ergänzung die Ausrüstung, ansonsten ist das Zusammenspiel mehrerer Faktoren wichtig.

3. Leitfrage (Erfolg) Wann sehen Sie Ihre Fahndungskontrollen als erfolgreich an? Mögliche Aspekte: Zählbare Ergebnisse Kein Ergebnis als Indiz für abschreckende Wirkung Möglichst viele durchgeführte Kontrollen pro Schicht/pro Tag Qualitativ hochwertige Aufgriffe Wenn ein zählbarer Erfolg da ist, dann ist das ein Erfolg. Freilich kann man interpretieren, wenn ich nichts habe, dann gibt es keine Kriminalität, aber ich glaube das sieht keiner so. Der qualitativ hochwertige Aufgriff ist wesentlich besser, spektakulärer und besser verwertbar, als wenn ich 20 „08/15-Aufgriffe“ habe, die zwar statistisch zu Buche schlagen, aber die Qualität in keinster Weise ersetzen können. Ich glaube aber auch, dass eine motivierte Gruppe, die viele qualifizierte Aufgriffe sucht, die unspektakulären Aufgriffe automatisch hat. Vertiefende Fragen:  Glauben Sie, man kann generell eine sog. Trefferquote angeben? Ich meine damit das Verhältnis zwischen angehaltenen Fahrzeugen zu zählbaren Ergebnissen. Wenn ja, wie hoch schätzen Sie Ihre eigene Trefferquote ein?  Was meinen Sie, ist die Hauptaufgabe der Schleierfahndung eher die präventive oder die repressive Wirkung? Ich würde mir nicht zutrauen, eine aussagekräftige Trefferquote anzugeben, da hier viele Faktoren eine Rolle spielen. Man hat Tage da hat man eine Trefferquote von 1:5 und dann wieder Tage da kontrolliert man 50 Fahrzeuge und hat keinen Treffer. Bezüglich der Zielrichtung glaube ich, dass der Schwerpunkt unserer Tätigkeit eher auf der repressiven Seite liegt, wobei ich glaube, dass das eine das andere ergänzt. Wenn wir viel kontrollieren und verfolgen, wird dies auch der Prävention dienen.

4 4. Leitfrage (Aus- und Fortbildung) Ich möchte hier auf die möglichen Einflussfaktoren der Aus- und Fortbildung eingehen. Welche Faktoren halten Sie für wichtig? Mögliche Aspekte: Fortbildung im Rahmen von Multiplikatoren (Urkunden, Kfz., BtM) Dienstunterrichte/Briefings/Lagevorträge Was das rechtliche angelangt, bringt der Fahndungsbeamte das wesentliche Wissen mit oder erhält es durch Seminare am Fortbildungsinstitut in Ainring. Das Fachspezifische erhält man durch die Multiplikatoren auf der Dienststelle. Ein ganz wichtiger Faktor sind die täglichen Briefings, die die Lageauswertung der vergangenen Tage näher bringt. Hier werden neue Trends, neue Schmuggelverstecke und dergleichen angesprochen, sowie aktuelle Fahndungen. Wir hatten schon einige schöne Aufgriffe, die aus der aktuellen Fahndung stammen, weil explizit dieser Fall einige Stunden zuvor im Briefing angesprochen wurde.

5. Leitfrage (Motivation) Wie wichtig ist für Sie die persönliche Motivation für erfolgreiche Fahndungskontrollen? Vertiefende Frage:  Was sind für Sie persönlich die erfolgsmotivierenden Faktoren? Mögliche Aspekte: Persönlicher Nutzen Politische Vorgaben Persönliche Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit Stolz, Angehöriger einer „Spezialdienststelle“ zu sein Sinnhaftigkeit der Tätigkeit (i.S. wichtiger Beitrag für die Innere Sicherheit)

Gruppen-/Zusammengehörigkeitsgefühl Stellung (Status) innerhalb der Dienststelle

Für mich ist die persönliche Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit wichtig. Auch die Tatsache Angehöriger einer Spezialdienststelle zu sein ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Es ist bei mir schon ein gewisser Stolz da. Mir ist auch wichtig, die Sinnhaftigkeit der Tätigkeit zu sehen. Ich glaube an die Sache, die ich mache. Persönlicher Nutzen ist für mich nicht im Vordergrund, auch nicht die politischen Vorgaben.

5 6. Leitfrage (Einflussfaktoren Kontrollklientel) Ich möchte nun auf mögliche Einflussfaktoren eingehen, die durch das Kontrollklientel gesetzt werden. Ich denke da an äußerliche Faktoren wie Bekleidung, Aussehen und das Fahrzeug, in dem der/die zu kontrollierenden Personen unterwegs sind. Wie hoch schätzen Sie den Einfluss dieser Faktoren ein, wenn Sie sich entschließen, ein Fahrzeug anzuhalten? Mögliche Aspekte: Geschlecht des Fahrers Alter des Fahrers Anzahl der Fahrzeuginsassen Äußeres Erscheinungsbild (Kleidung, gepflegtes/ungepflegtes Aussehen) Vermutete Nationalität der Fahrzeuginsassen Verhalten (z.B. unsichere Fahrweise, wirkt nervös) Marke, Typ des Fahrzeuges Alter, Zustand des Fahrzeuges Fahrzeugwert Farbe des Fahrzeuges Motorisierung (Benzin/Diesel) Fahrtrichtung (Ein-/Ausreise) Geschwindigkeit des Fahrzeuges Kennzeichen des Fahrzeuges „Passung“ von Fahrer und Fahrzeug

Das finde ich eine hochinteressante Frage. Wichtig ist auf jeden Fall, mit welcher Zielrichtung ich fahnde. Bin ich ein Kfz.-Fahnder und suche ein frisch verschobenes Fahrzeug, dann werde ich mein Augenmerk hauptsächlich auf das Fahrzeug richten mit in der Regel männlichen Einzelfahrern. Bin ich ein Rauschgiftfahnder, suche ich nach Typen, die eher nicht in hochwertigen Fahrzeugen unterwegs sind. Da ist auch das Geschlecht des Fahrers eher unwichtig. Die Passung von Fahrer und Fahrzeug ist eher im Bereich der KfzFahndung wichtig. Schaut man auf der Einreiseseite auf den Deliktsbereich der illegalen Einreise/Schleusung, dann ist natürlich die Anzahl der Fahrzeuginsassen entscheidend. Hier sind die Merkmale des Fahrzeugs vollständig uninteressant. Selbst der Allroundfahnder ohne bestimmten Schwerpunkt „checkt“ diese Punkte ab. Wenn ein Fahrzeug an ihm vorbei fährt, dann hackt er im Sekundenbruchteil ab, dort könnte ich in Richtung Kfz.-Fahndung schauen, weil Einzelfahrer, hochwertiges Fahrzeug, oder es befinden sich fünf Personen im Fahrzeug, das könnte eine Schleusung sein. Der Kontrollbeamte legt das Fahrzeug automatisch in eines dieser Fachbereiche ab und da sind die Einzelkriterien völlig unterschiedlich und nicht miteinander vergleichbar. Als Beispiel die Farbe des Fahrzeuges. Als Kriterium eigentlich völlig unwichtig, jedoch in der Kfz.Fahndung wichtig, da Fahrzeuge verschoben werden, deren Farbe momentan „in“ ist. Als Beispiel für die Reaktion von Lageinformationen dient das Beispiel einer Schleusungsserie, bei der die geschleusten Personen angaben, von einem roten Fahrzeug mit einer Frau als Fahrzeugführerin geschleust worden zu sein. Das Fahndungsverhalten wurde entsprechend angepasst und nach einer Woche wurde die Frau gefasst. Man kann feststellen, dass diese Kontrollen nie willkürlich sind, sie sind immer motivgesteuert und auf die jeweiligen Erkenntnisse abgestellt. Man kann direkt Einfluss

6 nehmen auf die Fahndungsraster der Beamten. Vertiefende Frage:  Wenn Sie das Fahrzeug bereits angehalten haben und nach einem ersten Blick auf die mitgeführten Fahrzeugpapiere keinen Normverstoß feststellen können. Wie groß ist der Einfluss der o.g. Faktoren auf Ihre Entscheidung, die Person/das Fahrzeug dennoch genauer zu überprüfen? Man kann sagen, habe ich das Fahrzeug in der Zielrichtung, nach der ich es ausgewählt habe, dann kontrolliere ich entsprechend. Habe ich einen „Fehlgriff“ gemacht, dann arbeite ich eine standardisierte Kontrolle ab, beende die Kontrolle jedoch zeitig. Sollten sich jedoch die o.g. Aspekte in irgendeiner abweichenden Form zeigen, lege ich die Zielrichtung meiner Fahndung neu fest.

7. Leitfrage (polizeiliche Datenbestände) Welche Bedeutung messen Sie den Überprüfungsmöglichkeiten in polizeilichen Datenbeständen in Hinblick auf die Verdachtsgewinnung zu? Vertiefende Fragen:  Wie hilfreich sind diese vor der Anhaltung?  Wie hilfreich sind diese nach erfolgter Anhaltung? Vor der Anhaltung: Ich habe vor der Anhaltung im Wesentlichen nur das Kennzeichen. Eine Abfrage ist hier sehr wichtig. Wenn hier herauskommt, der Fahrer hat z.B. 25 Unterlagen wegen Rauschgift oder er ist schon dreimal aufgetaucht als Kfz-Verschieber oder mehrfach als Schleuser, dann beeinflusst das meine Entscheidung, diesen anzuhalten. Andersherum werde ich ihn aber trotzdem anhalten, wenn ich ihn als kontrollwürdig erachte, er aber keine Unterlagen aufweist. Die Erkenntnisse aus den Datenbeständen beeinflussen mich lediglich, in die Richtung zu schauen, in der der Fahrzeuginsasse Unterlagen aufweist. Nach der Anhaltung: Auch nach der Anhaltung sind Erkenntnisse aus den Fahndungsbeständen ein Indiz, in diese Richtung besonders zu kontrollieren, obwohl ich andere Bereiche nicht außen vor lasse. Ergänzung: Die Schleierfahndung ist eine gute Einrichtung, wird aber die stationären Grenzkontrollen nicht ersetzen können, weil einfach die Kontrollfrequenz nicht erreicht wird. Auch die äußeren Umstände sind bei weitem ungünstiger. Auch gebe ich zu bedenken, dass rein statistisch jetzt viele Aufgriffe vorhanden sind, die zu Zeiten von stationären Grenzkontrollen an der Grenze zurückgewiesen wurden und keine Straftat darstellten. Jetzt werden sie im Inland aufgegriffen und als Fahndungserfolg statistisch gezählt.

Anlage 6 - Interview 3

Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit Interviewleitfaden für Experteninterviews mit Beamten der PI Fahndung Rosenheim und Traunstein sowie der Bundespolizei Interview 3: Einleitung Ich beschäftige mich im Rahmen meiner Masterarbeit mit dem Thema: „Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit“. Hierbei untersuche ich die erfolgskritischen Faktoren für eine erfolgreiche Fahndungsarbeit am Beispiel bayerischer Dienststellen. Ich möchte mich hierbei auf strategische Gesichtspunkte konzentrieren und verhaltenspsychologische Aspekte aufgrund ihrer Vielschichtigkeit außen vor lassen.

1. Leitfrage (Begrifflichkeiten) Ich benutze in meiner Untersuchung den Begriff der spezialisierten Fahndungsarbeit. Wie würden Sie diesen Begriff definieren? Das Hauptaugenmerk meiner Tätigkeit liegt auf der Fahndung. Bei einem „normalen“ Polizisten ist die Fahndung Nebenprodukt. Ich kann mich ganz auf die Fahndung konzentrieren.

2. Leitfrage (organisatorische und kognitive Faktoren) In meiner Untersuchungshypothese gehe ich davon aus, dass sowohl organisatorische Faktoren, wie auch kognitive Faktoren des Kontrollpersonals einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg durchgeführter Fahndungskontrollen haben. Wie sehen Sie den Einfluss dieser Faktoren? Mögliche Aspekte: Erfahrung in der Tätigkeit als „Schleierfahnder“ Talent/Fingerspitzengefühl Fachwissen/Spezialisierung

Art der Kontrolle (z.B. Anhalte- /Standkontrolle)1 Auswahl des Kontrollorte (z.B. Ein-/Ausreise) Äußere Umstände (z.B. Lichtverhältnisse, Geschwindigkeit der Fahrzeuge) Diensteinteilung (Wechselschicht/Tagesdienst/ Sonderdienst) Kontrollzeit Verkehrsverhältnisse Ausrüstung (z.B. Fahrzeuge/Car-PC/Stereomikroskop) 1

kursiv: Wesentliche Aspekte der Fragebogenaktion

2 Regelmäßige Durchmischung der Streifenbesatzungen Zusammenarbeit mit anderen Behörden (z.B. Zoll, BAG) Einen INPOL-Treffer zu landen, das kann jeder. Da ist es rein die Frage der Menge der Abfragen. Entscheidend ist das Fingerspitzengefühl des Fahnders. Es ist wichtig, dass man sich ein Fahndungsschema zurecht legt. Der Fahnder muss für sich wissen, wann er eine Kontrolle intensiviert. Für mich ist auch sehr wichtig, dass ich die „Geschichte“ des Kontrollierten überprüfe bezüglich Reiseweg, passt das Gepäck usw. Hier spielt sicher ein Teil Erfahrung mit. Für mich ist es heute am wichtigsten, mit den Leuten zu sprechen, dass ich möglichst viele Informationen bekomme, um diese dann abzugleichen mit dem was ich vorfinde. Die Ausrüstung ist sicherlich mit ausschlaggebend für den Erfolg der Schleierfahndung, denn wenn ich das Auto nicht habe, um hinterher zu kommen, wenn ich die Anhaltevorrichtung nicht habe, dann kann ich keine Kontrollen durchführen. Die Ausstattung ist jedoch keine Garantie für den Erfolg, sie kann lediglich unterstützen. Die Diensteinteilung erfolgt im 24-Stunden-Dienst. Man kann keine zeitliche Festlegung machen, wann man erfolgreich ist, es sei denn ich möchte auf bestimmte Reisewellen wie Reisebusse oder dergleichen achten. Bei mir in der Schicht muss und soll jeder mit jedem Streife fahren. Das ist mir sowohl aus menschlicher als auch fachlicher Sicht wichtig. Das hat den Effekt, dass man von einander lernt. Wobei sich diesbezüglich meine Meinung etwas geändert hat. Ich bin zwischenzeitlich davon abgekommen konsequent immer wieder systematisch die Streifenbesatzungen durchzumischen, da ein eingespieltes Team auch effektiver arbeiten kann. Die Verkehrsverhältnisse sind ausschlaggebend für den Fahndungserfolg. Bei viel Verkehr wird es schwieriger, effektiv zu kontrollieren. Das liegt weniger daran, dass weniger Kontrollklientel unterwegs ist, sondern nur daran, dass es schwerer ist, die Fahrzeuge auszuwählen. Vertiefende Fragen:  Welche Faktoren sind für Sie am wichtigsten?  Welche Kontrollform ist für Sie am erfolgreichsten?

Am wichtigsten finde ich das Gespräch mit dem Gegenüber, soweit dies sprachlich möglich ist und den anschließenden Abgleich mit den vorgefundenen Gegebenheiten. Bezüglich der Kontrollform wäre mir am liebsten die Form der Kontrollstelle. Hier benötigt man am wenigsten Zeit, hat das meiste Personal vor Ort. Ich halte sie für effektiver und auch sicherer als die Selektivkontrollen.

3. Leitfrage (Erfolg) Wann sehen Sie Ihre Fahndungskontrollen als erfolgreich an? Mögliche Aspekte: Zählbare Ergebnisse Kein Ergebnis als Indiz für abschreckende Wirkung

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Möglichst viele durchgeführte Kontrollen pro Schicht/pro Tag Qualitativ hochwertige Aufgriffe Es ist für mich der zählbare Erfolg. Durch unsere Kontrollen glaube ich nicht, Straftaten verhindern zu können. Ich habe vielleicht noch einen Verdrängungseffekt, in Endeffekt zählt jedoch der Aufgriff. Ich sehe auch die Hauptaufgabe in der repressiven Ausrichtung. Vertiefende Fragen:  Glauben Sie, man kann generell eine sog. Trefferquote angeben? Ich meine damit das Verhältnis zwischen angehaltenen Fahrzeugen zu zählbaren Ergebnissen. Wenn ja, wie hoch schätzen Sie Ihre eigene Trefferquote ein?  Was meinen Sie, ist die Hauptaufgabe der Schleierfahndung eher die präventive oder die repressive Wirkung? Ich glaube nicht, für mich eine Trefferquote angeben zu können. Das ist zu unterschiedlich. Auch wenn ich einen bestimmten Zeitraum z.B. 12 Monate nehme, glaube ich nicht, eine seriöse Angabe machen zu können. 4. Leitfrage (Aus- und Fortbildung) Ich möchte hier auf die möglichen Einflussfaktoren der Aus- und Fortbildung eingehen. Welche Faktoren halten Sie für wichtig? Mögliche Aspekte: Fortbildung im Rahmen von Multiplikatoren (Urkunden, Kfz., BtM) Dienstunterrichte/Briefings/Lagevorträge Ich halte sowohl das Multiplikatorenkonzept als auch Dienstunterrichte und Briefings für extrem wichtig. Die Multiplikatoren halten Unterrichte, gewinnen Erkenntnisse, stellen diese in der Dienststelleneigenen Homepage des Intrapol ein. Ich bin überzeugt davon, dass dies neben dem angesprochenen Fingerspitzengefühl und anderen Faktoren das wichtigste ist, gerade um Fachwissen aufzubauen. Ebenso wichtig finde ich die Lageerkenntnisse, um „in der Lage zu leben“. Diese ändert sich ständig. Es ist wichtig, diese Erkenntnisse regelmäßig im Rahmen von Briefings bekannt zu geben. 5. Leitfrage (Motivation) Wie wichtig ist für Sie die persönliche Motivation für erfolgreiche Fahndungskontrollen? Motivation ist für mich der entscheidende Punkt. Je motivierter der Kollege ist, desto mehr Erfolg wird er haben.

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Vertiefende Frage:  Was sind für Sie persönlich die erfolgsmotivierenden Faktoren? Mögliche Aspekte: Persönlicher Nutzen Politische Vorgaben Persönliche Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit Stolz, Angehöriger einer „Spezialdienststelle“ zu sein Sinnhaftigkeit der Tätigkeit (i.S. wichtiger Beitrag für die Innere Sicherheit)

Gruppen-/Zusammengehörigkeitsgefühl Stellung (Status) innerhalb der Dienststelle Primär ist für mich wichtig meine Motivation in der Sinnhaftigkeit meiner Tätigkeit zu sehen. Persönlicher Nutzen spielt mit Sicherheit eine Rolle, darf aber meiner Ansicht nach nicht im Vordergrund stehen. Ich freue mich auch, wenn z.B. die PIF in Passau einen guten Aufgriff hat, weil das auf die gesamte Polizei zurückfällt. Die positive Rückmeldung für gute Arbeit ist für mich ausschlaggebend für meine Motivation. 6. Leitfrage (Einflussfaktoren Kontrollklientel) Ich möchte nun auf mögliche Einflussfaktoren eingehen, die durch das Kontrollklientel gesetzt werden. Ich denke da an äußerliche Faktoren wie Bekleidung, Aussehen und das Fahrzeug, in dem der/die zu kontrollierenden Personen unterwegs sind. Wie hoch schätzen Sie den Einfluss dieser Faktoren ein, wenn Sie sich entschließen, ein Fahrzeug anzuhalten? Mögliche Aspekte: Geschlecht des Fahrers Alter des Fahrers Anzahl der Fahrzeuginsassen Äußeres Erscheinungsbild (Kleidung, gepflegtes/ungepflegtes Aussehen) Vermutete Nationalität der Fahrzeuginsassen Verhalten (z.B. unsichere Fahrweise, wirkt nervös) Marke, Typ des Fahrzeuges Alter, Zustand des Fahrzeuges Fahrzeugwert Farbe des Fahrzeuges Motorisierung (Benzin/Diesel) Fahrtrichtung (Ein-/Ausreise) Geschwindigkeit des Fahrzeuges Kennzeichen des Fahrzeuges „Passung“ von Fahrer und Fahrzeug

5 Jeder macht seine „Schublade“ auf. Ich schaffe mir aufgrund meiner Erfahrungen viele „Schubladen“. Passt der Inhalt der Schublade auf das Gegenüber, entschließe ich mich zur Anhaltung. Diese Entscheidung fällt innerhalb von einer oder zwei Sekunden. Das Zutreffen der Faktoren hängt stark von der Zielrichtung der Fahndung ab. Je nach Zielrichtung der Fahndung haben die Faktoren eine unterschiedliche Gewichtung. Die Schubladen stellen hier die verschiedenen Zielrichtungen dar, z.B. Kfz.-Verschiebung. Sehr wichtig für mich ist es, den Inhalt dieser „Schubladen immer wider zu hinterfragen, passt das noch so wie ich mache? Muss ich mein Kontrollverhalten verändern? Interessant ist, dass dieses „Beuteschema“ deliktsabhängig bei vielen Beamten gleich ist. „Wenn man nebeneinander im Fahrzeug sitzt, zuckt der Andere, und man weiß, was ihm durch den Kopf geht“. Das Schema gründet sich meiner Meinung nach auf persönlichen Erfahrungen, wo war ich schon einmal erfolgreich, oder wo waren andere bereits erfolgreich, entweder Kollegen oder Lageerkenntnisse. Vertiefende Frage:  Wenn Sie das Fahrzeug bereits angehalten haben und nach einem ersten Blick auf die mitgeführten Fahrzeugpapiere keinen Normverstoß feststellen können. Wie groß ist der Einfluss der o.g. Faktoren auf Ihre Entscheidung, die Person/das Fahrzeug dennoch genauer zu überprüfen? Es besteht natürlich immer die Möglichkeit des „Fehlgriffs“. In diesen Fällen werde ich die Kontrolle schnell abhandeln. In anderen Fällen versuche ich so viele Personaldokumente zu bekommen wie möglich. Die Faktoren, die das Gegenüber setzt, sehe ich auch dann nicht als so wichtig. Ich habe mich entschieden, ein Fahrzeug anzuhalten, ich mache die Kontrolle auch dann so. Dahingehend habe ich mein Verhalten auch etwas geändert. Das Aussehen der Person ist für mich gar nicht mehr so ausschlaggebend, es sei den er zeigt besondere Auffälligkeiten wie z.B. feine Kleidung, aber rissige, schmutzige Hände. Nervosität alleine reicht nicht, viele Personen reagieren nervös, wenn sie von der Polizei kontrolliert werden. 7. Leitfrage (polizeiliche Datenbestände) Welche Bedeutung messen Sie den Überprüfungsmöglichkeiten in polizeilichen Datenbeständen in Hinblick auf die Verdachtsgewinnung zu? Vertiefende Fragen:  Wie hilfreich sind diese vor der Anhaltung?  Wie hilfreich sind diese nach erfolgter Anhaltung?

Vor der Anhaltung: Die Datenbestände dienen mir zuallererst zu Eigensicherungsgründen, können mir aber auch in Einzelfällen den Grund geben, ein Auto anzuhalten, z.B. wenn der Fahrzeughalter ausländischer Nationalität ist. Denn wenn beispielsweise in der Nacht ein Iraker unterwegs ist, sind erfahrungsgemäß weitere Iraker mit im Fahrzeug und es besteht die Möglichkeit der Einschleusung. Gerade in der Nacht, wo man wenig andere Hinweise erkennen kann, ist eine Abfrage des

6 Halters ein Mitentscheidungsgrund für eine Anhaltung oder den Verzicht darauf. Nach der Anhaltung: Hier ärgert es mich oft, wenn ich unvollständige Ausschreibungen habe, z.B. vom BKA. Hier sind oft nur ein Datum und ein Aktenzeichen ausgeschrieben. Dies hilft mir dann nicht weiter. Die Abfrage gehört für mich immer zum Gesamtbild der Kontrolle.

Anlage 6 - Interview 4

Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit Interviewleitfaden für Experteninterviews mit Beamten der PI Fahndung Rosenheim und Traunstein sowie der Bundespolizei Interview 4: Einleitung Ich beschäftige mich im Rahmen meiner Masterarbeit mit dem Thema: „Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit“. Hierbei untersuche ich die erfolgskritischen Faktoren für eine erfolgreiche Fahndungsarbeit am Beispiel bayerischer Dienststellen. Ich möchte mich hierbei auf strategische Gesichtspunkte konzentrieren und verhaltenspsychologische Aspekte aufgrund ihrer Vielschichtigkeit außen vor lassen.

1. Leitfrage (Begrifflichkeiten) Ich benutze in meiner Untersuchung den Begriff der spezialisierten Fahndungsarbeit. Wie würden Sie diesen Begriff definieren? Ich sehe die spezialisierte Fahndungsarbeit in der Spezialisierung auf die Deliktsbereiche der damaligen Grenzpolizei, wie Kfz-Verschiebung, Drogenkuriere und die Schwerpunktbildung auf die Fahndung selbst. Andere polizeiliche Aufgaben wie Familienstreitigkeiten etc. stehen bei uns nicht im Vordergrund bzw. sind überhaupt nicht zu bearbeiten. 2. Leitfrage (organisatorische und kognitive Faktoren) In meiner Untersuchungshypothese gehe ich davon aus, dass sowohl organisatorische Faktoren, wie auch kognitive Faktoren des Kontrollpersonals einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg durchgeführter Fahndungskontrollen haben. Wie sehen Sie den Einfluss dieser Faktoren? Mögliche Aspekte: Erfahrung in der Tätigkeit als „Schleierfahnder“ Talent/Fingerspitzengefühl Fachwissen/Spezialisierung

Art der Kontrolle (z.B. Anhalte- /Standkontrolle)1 Auswahl des Kontrollorte (z.B. Ein-/Ausreise) Äußere Umstände (z.B. Lichtverhältnisse, Geschwindigkeit der Fahrzeuge) Diensteinteilung (Wechselschicht/Tagesdienst/ Sonderdienst) Kontrollzeit Verkehrsverhältnisse Ausrüstung (z.B. Fahrzeuge/Car-PC/Stereomikroskop) 1

kursiv: Wesentliche Aspekte der Fragebogenaktion

2 Regelmäßige Durchmischung der Streifenbesatzungen Zusammenarbeit mit anderen Behörden (z.B. Zoll, BAG) Alle hier aufgelisteten Faktoren müssen als Bündel vorliegen. Erfahrung ist hierbei sehr, sehr wichtig. Man kann sehr viel von den alten Schleierfahndern lernen. Talent spielt glaube ich weniger eine Rolle. Aber das gewisse Fingerspitzengefühl muss da sein. Da reichen keine ein bis zwei Monate bis man das hat. Fachwissen ist natürlich “überlebensnotwendig“ in der Schleierfahndung. Dafür sehe ich weniger Wichtigkeit in der Diensteinteilung, der Kontrollzeit und den Verkehrsverhältnissen. Wir haben Aufgriffe, ganz unabhängig von diesen Umständen. Ich hatte zu jeder Tages- und Nachtzeit meine Aufgriffe, die waren alle von der Tageszeit unabhängig. Vielleicht noch bei den Schleusungen, die werden vielleicht vermehrt in der Nacht stattfinden. Auch glaube ich, dass es bei starkem Reiseverkehr genauso möglich ist, erfolgreich zu sein. Zwar ist die Arbeit anstrengender, aber die „Fälle“ fahren genauso vorbei. Gute Ausrüstung halte ich für wichtig. Neben guten und sicheren Fahrzeugen, ist der Car-PC ein gutes Hilfsmittel. Für die Verdachtsgewinnung sind diese Ausrüstungsgegenstände jedoch nicht so wichtig. Vertiefende Fragen:  Welche Faktoren sind für Sie am wichtigsten? Hier ist mir das Fachwissen besonders wichtig zusammen mit der Erfahrung. Ausrüstung ist für mich ebenso wichtig, denn ich möchte auch sicher unterwegs sein.  Welche Kontrollform ist für Sie am erfolgreichsten? Die Kontrollstellen finde ich erfolgreicher als andere Kontrollformen. Hier glaube ich auch Fahrzeuge zu kontrollieren, die ich ansonsten nicht anschauen würde. Die Hauptkriterien sind für mich, dass die Fahrzeuge etwas langsamer sind und ich so etwas mehr Zeit habe, mich für oder gegen eine Anhaltung zu entscheiden. Außerdem finde ich es für die Kollegen wesentlich sicherer. 3. Leitfrage (Erfolg) Wann sehen Sie Ihre Fahndungskontrollen als erfolgreich an? Mögliche Aspekte: Zählbare Ergebnisse Kein Ergebnis als Indiz für abschreckende Wirkung Möglichst viele durchgeführte Kontrollen pro Schicht/pro Tag Qualitativ hochwertige Aufgriffe Erfolgreich bin ich, wenn ich zählbare Ergebnisse vorweisen kann. Ich glaube zwar auch an eine Verdrängungswirkung durch unsere Kontrollen, aber an eine Verhinderung von Straftaten glaube ich weniger. Ich möchte auch innerhalb der Ergebnisse möglichst hochwertige Aufgriffe haben. Ich selbst kontrolliere relativ wenig, warte lieber auf den qualitativ hochwertigen Aufgriff.

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Vertiefende Fragen:  Glauben Sie, man kann generell eine sog. Trefferquote angeben? Ich meine damit das Verhältnis zwischen angehaltenen Fahrzeugen zu zählbaren Ergebnissen. Wenn ja, wie hoch schätzen Sie Ihre eigene Trefferquote ein? Es ist schwierig eine Trefferquote anzugeben. Aber ich würde für meine Tätigkeit auf eine Quote von 1: 10 – 15 schätzen.  Was meinen Sie, ist die Hauptaufgabe der Schleierfahndung eher die präventive oder die repressive Wirkung? Ich glaube wir sind zu 95% repressiv unterwegs. Vielleicht schrecken wir zwar einige ab, bei uns nichts zu machen, aber der Schwerpunkt liegt klar auf der Strafverfolgung.

4. Leitfrage (Aus- und Fortbildung) Ich möchte hier auf die möglichen Einflussfaktoren der Aus- und Fortbildung eingehen. Welche Faktoren halten Sie für wichtig? Mögliche Aspekte: Fortbildung im Rahmen von Multiplikatoren (Urkunden, Kfz., BtM) Dienstunterrichte/Briefings/Lagevorträge Ich halte sowohl die Multiplikatorenfortbildung als auch Briefings und Dienstunterrichte für sehr wichtig. Ebenso wichtig ist mir die tägliche Lagebesprechung. Die Fortbildung durch die Multis ist besonders wichtig für unser Fachwissen und zur Ausbildung unseres Fingerspitzengefühls. Die Lageerkenntnisse haben unmittelbare Auswirkung auf unser Kontrollverhalten. Z.B. wurde bekannt, dass aus der Schweiz hochwertige Fahrzeuge verschoben werden. Haben wir bislang diese Fahrzeuge vielleicht nicht so genau kontrolliert, tun wir dies jetzt aufgrund dieser Erkenntnisse. Ich bin der Meinung, jeder hat ein gewisses Grundraster, das auch nicht so einfach zu verändern ist. Jedoch können wir mit neuen Erkenntnissen z.B. aus der Lage dieses Raster auf aktuelle Entwicklungen anpassen. Ich hatte auch persönlich bereits Erfolge, die auf ein lagemäßiges Ansprechen beruhten, z.B. im Schleusungsbereich.

5. Leitfrage (Motivation) Wie wichtig ist für Sie die persönliche Motivation für erfolgreiche Fahndungskontrollen? Wer unmotiviert in den Dienst geht, der wird auch keine Erfolge haben.

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Vertiefende Frage:  Was sind für Sie persönlich die erfolgsmotivierenden Faktoren? Mögliche Aspekte: Persönlicher Nutzen Politische Vorgaben Persönliche Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit Stolz, Angehöriger einer „Spezialdienststelle“ zu sein Sinnhaftigkeit der Tätigkeit (i.S. wichtiger Beitrag für die Innere Sicherheit)

Gruppen-/Zusammengehörigkeitsgefühl Stellung (Status) innerhalb der Dienststelle Am meisten motivieren mich gute Aufgriffe. Natürlich möchte ich auch dienstlich fortkommen, aber auch die persönliche Erfüllung ist für mich motivierend. Der Gedanke, z.B. 10 Kilogramm Drogen vom Markt zu nehmen und damit vielleicht ein Menschenleben zu retten motiviert mich. Auch die Stellung innerhalb der Dienststelle ist wichtig. 6. Leitfrage (Einflussfaktoren Kontrollklientel) Ich möchte nun auf mögliche Einflussfaktoren eingehen, die durch das Kontrollklientel gesetzt werden. Ich denke da an äußerliche Faktoren wie Bekleidung, Aussehen und das Fahrzeug, in dem der/die zu kontrollierenden Personen unterwegs sind. Wie hoch schätzen Sie den Einfluss dieser Faktoren ein, wenn Sie sich entschließen, ein Fahrzeug anzuhalten? Mögliche Aspekte: Geschlecht des Fahrers Alter des Fahrers Anzahl der Fahrzeuginsassen Äußeres Erscheinungsbild (Kleidung, gepflegtes/ungepflegtes Aussehen) Vermutete Nationalität der Fahrzeuginsassen Verhalten (z.B. unsichere Fahrweise, wirkt nervös) Marke, Typ des Fahrzeuges Alter, Zustand des Fahrzeuges Fahrzeugwert Farbe des Fahrzeuges Motorisierung (Benzin/Diesel) Fahrtrichtung (Ein-/Ausreise) Geschwindigkeit des Fahrzeuges Kennzeichen des Fahrzeuges „Passung“ von Fahrer und Fahrzeug

5 Man muss hier klar differenzieren, nach was man fahndet. Bei der Einreise fahndet man mehr nach Schleusungen und Kfz. Im Kfz-Bereich sind Faktoren wie Fahrzeug, Kennzeichen, Fahrer, äußeres Erscheinungsbild wichtig. Auch die Passung von Fahrer und Fahrzeug ist hier besonders wichtig. Man kann sagen, all diese Punkte sind je nach Fahndungszielrichtung unterschiedlich wichtig. Vertiefende Frage:  Wenn Sie das Fahrzeug bereits angehalten haben und nach einem ersten Blick auf die mitgeführten Fahrzeugpapiere keinen Normverstoß feststellen können. Wie groß ist der Einfluss der o.g. Faktoren auf Ihre Entscheidung, die Person/das Fahrzeug dennoch genauer zu überprüfen? Hier achte ich schon darauf, wie sich der Fahrzeuginsasse verhält, ob er z.B. nervös ist. Es ändert sich jedoch zu den ersteren Auswahlkriterien zunächst wenig. Habe ich mich zur Anhaltung entschieden, bleibe ich meistens auch dabei und kontrolliere dann auch meist gleich intensiv. Ich habe hier ein gewisses Grundgerüst, das ich dann auch abarbeite. Es sei denn das Gegenüber zeigt Auffälligkeiten, wie z.B. starke Nervosität. Insoweit kann das Gegenüber die Intensität der Kontrolle schon beeinflussen. 7. Leitfrage (polizeiliche Datenbestände) Welche Bedeutung messen Sie den Überprüfungsmöglichkeiten in polizeilichen Datenbeständen in Hinblick auf die Verdachtsgewinnung zu? Vertiefende Fragen:  Wie hilfreich sind diese vor der Anhaltung?  Wie hilfreich sind diese nach erfolgter Anhaltung? Vor der Anhaltung: Sollte die Abfrage ergeben, dass die Person bereits Einträge z.B. i.S. Drogen hat, wird man genauer schauen, die Person evtl. zu einer näheren Durchsuchung auf die Dienststelle nehmen. Generell ist die Überprüfung im PC lediglich ein Hilfsmittel. In der Nacht bringt mir gerade die Möglichkeit der Halterfeststellung etwas, da ich sonst wenige Anhaltspunkte habe. Insofern hat eine Unterlage des Fahrzeughalters auch einen Einfluss auf die Anhaltung. Dies ist jedoch nur ein geringer Teil für den Entschluss, die Person anzuhalten. Unter Umständen kann die negative Halterauskunft jedoch auch den Entschluss fördern, das Fahrzeug nicht anzuhalten. Nach der Anhaltung: Auch hier ist die Möglichkeit der Überprüfung nur ein Teil der Verdachtsgewinnung. Das meiste wird weiterhin im Kopf entschieden, ist eine Sache des persönlichen Gefühls.

Anlage 6 - Interview 5

Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit Interviewleitfaden für Experteninterviews mit Beamten der PI Fahndung Rosenheim und Traunstein sowie der Bundespolizei Interview 5: Einleitung Ich beschäftige mich im Rahmen meiner Masterarbeit mit dem Thema: „Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit“. Hierbei untersuche ich die erfolgskritischen Faktoren für eine erfolgreiche Fahndungsarbeit am Beispiel bayerischer Dienststellen. Ich möchte mich hierbei auf strategische Gesichtspunkte konzentrieren und verhaltenspsychologische Aspekte aufgrund ihrer Vielschichtigkeit außen vor lassen.

1. Leitfrage (Begrifflichkeiten) Ich benutze in meiner Untersuchung den Begriff der spezialisierten Fahndungsarbeit. Wie würden Sie diesen Begriff definieren? Die gezielte Anhaltung von Personen und Fahrzeugen anhand von Faktoren wie Fachwissen, Lagearbeit und persönlicher Erfahrung.

2. Leitfrage (organisatorische und kognitive Faktoren) In meiner Untersuchungshypothese gehe ich davon aus, dass sowohl organisatorische Faktoren, wie auch kognitive Faktoren des Kontrollpersonals einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg durchgeführter Fahndungskontrollen haben. Wie sehen Sie den Einfluss dieser Faktoren? Mögliche Aspekte: Erfahrung in der Tätigkeit als „Schleierfahnder“ Talent/Fingerspitzengefühl Fachwissen/Spezialisierung

Art der Kontrolle (z.B. Anhalte- /Standkontrolle)1 Auswahl des Kontrollorte (z.B. Ein-/Ausreise) Äußere Umstände (z.B. Lichtverhältnisse, Geschwindigkeit der Fahrzeuge) Diensteinteilung (Wechselschicht/Tagesdienst/ Sonderdienst) Kontrollzeit Verkehrsverhältnisse Ausrüstung (z.B. Fahrzeuge/Car-PC/Stereomikroskop) Regelmäßige Durchmischung der Streifenbesatzungen 1

kursiv: Wesentliche Aspekte der Fragebogenaktion

2 Zusammenarbeit mit anderen Behörden (z.B. Zoll, BAG) Die Erfahrung ist ganz wichtig, sowohl aus persönlichen Werten als auch aus einem Wissensschatz, der aus Dienstunterrichten, Expertenausbildung, Multiwesen, Fortbildungsveranstaltungen usw. resultiert. Erfahrung hängt sehr zusammen mit dem Fachwissen. Erfahrung ist zum einen abhängig von der Zeit, die der Beamte auf der Dienststelle ist und auch wie stark ihn diese Arbeit interessiert, sich mit Trends und Phänomenen beschäftigt, die in anderen Bereichen auftreten. Das Fingerspitzengefühl, das beherzigen von dem, was man gelernt hat, ist ebenfalls sehr wichtig. Talent ist hier weniger wichtig, vielmehr das Interesse an der Arbeit, sich ständig fortzubilden. Fachwissen und Spezialisierung sind ebenfalls sehr wichtig. Viele Bereiche bauen aufeinander auf. Wer z.B. im Kfz.-Wesen erfolgreich sein will, der muss sich auch im Urkundsbereich auskennen. Es wäre aber der falsche Weg, sich nur einem Deliktsfeld zu widmen. Der gute Fahnder ist der gute Allrounder, hat er überdies noch ein Spezialfeld, ist er ein Top-Mann. Die Verkehrsdichte hat wesentlichen Einfluss auf die Wirksamkeit unserer Kontrollen. Wir müssen dann auf die andere Fahrtrichtung ausweichen. Die Kontrollen gestalten sich dann sehr umständlich und werden dann auch zwangsläufig weniger erfolgreich. Das heißt jedoch nur, dass die Anhaltung schwierig ist, das Kontrollklientel ist auch bei diesen Verhältnissen unterwegs. Bezüglich der günstigsten Kontrollzeit bilde ich mir ein, dass während der Nachtstunden mehr kontrollwürdige Fahrzeuge unterwegs sind als tagsüber oder an Sonn- und Feiertagen. Grundsätzlich kann jedoch zu jeder Tages- und Nachtzeit der gute Aufgriff kommen. Ich glaube lediglich die Einschleusungen werden überwiegend in den Nachtstunden stattfinden. Die Ausrüstung ist sehr wichtig in Hinblick auf den Fahndungserfolg. Das Fahrzeug muss bezüglich der Motorisierung und Ausstattung hochwertig sein, auch im Hinblick auf die passive Sicherheit. Auch andere Hilfsmittel wie Mikroskope und dergleichen sind unheimlich wichtig. Der Car-PC bietet Zugangsmöglichkeiten in Dateien wie DOKIS und andere, die die Fahndungsarbeit erleichtern. Die Ausstattung bietet eine gute Grundlage für erfolgreiches Fahnden, wenn das Personal noch entsprechend gut ist, motiviert ist, ist dies ein guter Grundstock für erfolgreiches Arbeiten. Den Schwerpunkt sehe ich jedoch deutlich beim Personal. Die Lichtverhältnisse sind überaus wichtig. In der Nacht beschränkt sich sonst die Fahndung auf Merkmale wie Fahrzeug und Kennzeichen und das ist dann wirklich schwierig. Auch bin ich der Meinung, dass es besser ist, feste Fahndungsteams zu haben, da sich diese Beiden dann über die Zielrichtung einig sind und diese dann auch entsprechend eingespielt sind.

Vertiefende Fragen:  Welche Faktoren sind für Sie am wichtigsten? Am wichtigsten sehe ich die persönliche Motivation.

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 Welche Kontrollform ist für Sie am erfolgreichsten? Ich halte die Beobachtung vom Fahrbahnrand und die selektive Anhaltung für sehr erfolgreich. Das Mitschwimmen im Verkehr ist nicht so erfolgreich, da wir nur einen begrenzten Dienstbereich haben und deshalb pro „Abfahren“ des Bereichs nur eine begrenzte Anzahl von Fahrzeugen gesichtet werden kann. Die Kontrollstelle finde ich jedoch auch sehr gut, da hier der gesamte Verkehr ausgeleitet und verlangsamt wird, man hat einen hohen Personaleinsatz und man kann sofort ohne großen Aufwand anhalten. Diese Art der Kontrolle ist für mich am erfolgreichsten. Auch bei Kontrollstellen ist es am besten, selektiv vorzugehen, da sonst innerhalb kürzester Zeit der Verkehr zum Erliegen kommt.

3. Leitfrage (Erfolg) Wann sehen Sie Ihre Fahndungskontrollen als erfolgreich an? Mögliche Aspekte: Zählbare Ergebnisse Kein Ergebnis als Indiz für abschreckende Wirkung Möglichst viele durchgeführte Kontrollen pro Schicht/pro Tag Qualitativ hochwertige Aufgriffe Erfolgreich sind die Fahndungskontrollen für mich, wenn zählbare Ergebnisse heraus kommen. Innerhalb der zählbaren Ergebnisse ist mir der qualitativ hochwertige, spektakuläre Aufgriff wichtiger. Allerdings muss dies mit weniger spektakulären Aufgriffen einhergehen. Nur alle paar Wochen ein hochwertiger Aufgriff und sonst gar nichts, wäre auch nicht der richtige Weg. Vertiefende Fragen:  Glauben Sie, man kann generell eine sog. Trefferquote angeben? Ich meine damit das Verhältnis zwischen angehaltenen Fahrzeugen zu zählbaren Ergebnissen. Wenn ja, wie hoch schätzen Sie Ihre eigene Trefferquote ein? Generell wäre es statistisch möglich, eine Trefferquote zu errechnen. Vielleicht kann man es ja auch grob angeben, denn man weiß, wie viel man ca. kontrolliert hat. Für mich würde ich, wenn ich einen Vorstoß wagen müsste und wenn die Kontrolle von Reisebussen mit dazuzählen würde, dann würde ich auf ca. 1:10 – 15 schätzen. Gezählt würden jedoch auch kleine Ergebnisse wie Aufenthaltsermittlungen und ähnliches.  Was meinen Sie, ist die Hauptaufgabe der Schleierfahndung eher die präventive oder die repressive Wirkung? Die Befugnis zur Schleierfahndung liegt im Polizeirecht. Die Schleierfahndung wird jedoch immer daran gemessen, wie viele Straftaten festgestellt, Sachen sichergestellt wurden. Deshalb sehe ich die Ausrichtung mehr repressiv.

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4. Leitfrage (Aus- und Fortbildung) Ich möchte hier auf die möglichen Einflussfaktoren der Aus- und Fortbildung eingehen. Welche Faktoren halten Sie für wichtig? Mögliche Aspekte: Fortbildung im Rahmen von Multiplikatoren (Urkunden, Kfz., BtM) Dienstunterrichte/Briefings/Lagevorträge Ganz speziell möchte ich das Multiplikatorenwesen hervorheben. Bei Gründung der PIFahndung wurde darauf geachtet, dass möglichst rund um die Uhr ein Multiplikator der verschiedenen Deliktsbereiche im Dienst ist, um eine Möglichkeit zu haben, schnell Informationen und einen kompetenten Ansprechpartner zu erhalten. Darüber hinaus finde ich die stattfindenden Multi-Tagungen für sehr wichtig, dort werden überregional Kontakte geknüpft und Informationen ausgetauscht. Auch möchte ich die Lagebeiträge der Multis auf der Dienststellen-Homepage, in den Briefings und Dienstunterrichten als wichtig hervorheben. Ich glaube auch, dass ich mit Zurverfügungstellung des Multiplikatorenwissens positiv auf das Kontrollverhalten der Fahndungsbeamten Einfluss nehmen kann und sich das auch positiv auf den Erfolg auswirkt. 5. Leitfrage (Motivation) Wie wichtig ist für Sie die persönliche Motivation für erfolgreiche Fahndungskontrollen? Vertiefende Frage:  Was sind für Sie persönlich die erfolgsmotivierenden Faktoren? Mögliche Aspekte: Persönlicher Nutzen Politische Vorgaben Persönliche Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit Stolz, Angehöriger einer „Spezialdienststelle“ zu sein Sinnhaftigkeit der Tätigkeit (i.S. wichtiger Beitrag für die Innere Sicherheit)

Gruppen-/Zusammengehörigkeitsgefühl Stellung (Status) innerhalb der Dienststelle

Bei mir ist das so, dass ich den Erfolg sehen will. Man hat irgendwelche Straftäter zur Strecke gebracht. Der Beitrag zur Inneren Sicherheit steht natürlich im Vordergrund. Mir ist wichtig, in meinem Beruf erfolgreich zu sein, weniger wichtig ist mir, was der Chef will. Natürlich hat es auch etwas mit der Stellung innerhalb der Dienststelle zu tun.

5 6. Leitfrage (Einflussfaktoren Kontrollklientel) Ich möchte nun auf mögliche Einflussfaktoren eingehen, die durch das Kontrollklientel gesetzt werden. Ich denke da an äußerliche Faktoren wie Bekleidung, Aussehen und das Fahrzeug, in dem der/die zu kontrollierenden Personen unterwegs sind. Wie hoch schätzen Sie den Einfluss dieser Faktoren ein, wenn Sie sich entschließen, ein Fahrzeug anzuhalten? Mögliche Aspekte: Geschlecht des Fahrers Alter des Fahrers Anzahl der Fahrzeuginsassen Äußeres Erscheinungsbild (Kleidung, gepflegtes/ungepflegtes Aussehen) Vermutete Nationalität der Fahrzeuginsassen Verhalten (z.B. unsichere Fahrweise, wirkt nervös) Marke, Typ des Fahrzeuges Alter, Zustand des Fahrzeuges Fahrzeugwert Farbe des Fahrzeuges Motorisierung (Benzin/Diesel) Fahrtrichtung (Ein-/Ausreise) Geschwindigkeit des Fahrzeuges Kennzeichen des Fahrzeuges „Passung“ von Fahrer und Fahrzeug

Ich glaube der Einfluss dieser Aspekte ist sehr hoch. Bei der Auswahl „ rastern“ die Augen über das Fahrzeug. Welcher Typ, ist es neu oder alt? Dann wandern die Augen über die Insassen runter zum Kennzeichen. Was ist das Herkunftsland, aus welcher Stadt kommt er. Dann wieder zurück zu den Personen, das Fahrzeug ist erfasst, auch das Kennzeichen. Alles weiter spielt sich dann in zehntel Sekundenbruchteilen ab. Dann fällt die Entscheidung anzuhalten oder nicht. So laufen die Kontrollen ab. Man hat aber nicht nur ein Raster, sondern mehrere. Wenn spezielle Fahndungen vorliegen, wird natürlich dieser spezielle Aspekt mit hineingenommen. Bei der regulären Fahndung spricht man sich innerhalb der Streifenbesatzung ab auf was besonders geachtet wird, z.B. Rauschgift oder Kfz., hier sind die Unterschiede eklatant, welche Fahrzeuge und Personen man kontrolliert. Das Raster ist stark von der Zielrichtung der Fahndung abhängig. Bei der Fahndung nach entwendeten Kfz. spielen Faktoren wie Fahrzeugbesetzung mit Alleinfahrer, Typ und Wert des Fahrzeugs eine große Rolle. Alle Merkmale spielen eine Rolle. Je nach Zielrichtung der Fahndung jedoch eine größere oder geringere. Als allgemeines „Überraster“ könnte man das am „breitesten“ angelegte Fahndungsraster nennen. Meiner Einschätzung nach entstehen diese Raster aufgrund eigener Erfahrungen durch Fahndungserfolge oder Misserfolge, durch Lagebilder oder aber auch durch außenpolitische Einflüsse. Wo gibt es Krisengebiete? Mit dieser Nationalität gibt es dann auch einen Anstieg der illegalen Einreisen.

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Vertiefende Frage:  Wenn Sie das Fahrzeug bereits angehalten haben und nach einem ersten Blick auf die mitgeführten Fahrzeugpapiere keinen Normverstoß feststellen können. Wie groß ist der Einfluss der o.g. Faktoren auf Ihre Entscheidung, die Person/das Fahrzeug dennoch genauer zu überprüfen? Diese Situation habe ich immer wieder. Offensichtlich wird nichts festgestellt. Die Person hat z.B. wenig Gepäck dabei, die Kontrolle ist an sich schnell vorbei. Aber die Person setzt einen Reiz durch irgendein Verhalten, durch irgendeine Antwort, die nicht plausibel ist. Z.B. Herkunfts- und Zielort. Hat aber das entsprechende Gepäck nicht dabei oder fängt gar zu zittern an. Diese Reaktionen führen dazu, dass wir unsere Kontrollen intensivieren. Dies muss auch nicht zwangsläufig krimineller Natur sein. Oft stecken auch Ehebetrug oder anderes dahinter.

7. Leitfrage (polizeiliche Datenbestände) Welche Bedeutung messen Sie den Überprüfungsmöglichkeiten in polizeilichen Datenbeständen in Hinblick auf die Verdachtsgewinnung zu? Vertiefende Fragen:  Wie hilfreich sind diese vor der Anhaltung?  Wie hilfreich sind diese nach erfolgter Anhaltung? Vor der Anhaltung: Insbesondere bei deutschen Fahrzeugen weiß ich sehr früh etwas über den Fahrzeughalter. Wenn das dann auch noch mit dem vorhandenen Fahrzeugführer identisch zu sein scheint, und liegen Erkenntnisse vor, dass Personen dieser Nationalität zu dieser Zeit geschleust werden sollen, ist dies natürlich hilfreich. Fällt die Person in mein Fahndungsraster wird sie auch abgefragt, fällt sie gar nicht erst hinein, frage ich sie auch nicht ab. Wenn dann zusätzlich noch Unterlagen für ein bestimmtes Delikt vorliegen, dann ist es für mich ein zusätzliches Indiz für eine Anhaltung. Nach der Anhaltung: Sind KAN-Bestände vorhanden, ist es natürlich wichtig, welche Delikte er bisher begangen hat. Andere Dateien wie Fahrverbote, Ausländerzentralregister sind wichtige Hilfsmittel. Ohne diese würde die Fahndung nicht gehen. Wenn bei der Schleierfahndung die EDV ausfällt, fällt auch die Fahndung aus.

Anlage 6 - Interview 6

Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit Interviewleitfaden für Experteninterviews mit Beamten der PI Fahndung Rosenheim und Traunstein sowie der Bundespolizei Interview 6: Einleitung Ich beschäftige mich im Rahmen meiner Masterarbeit mit dem Thema: „Verdachtsschöpfung und Kontrollverhalten in der spezialisierten Fahndungsarbeit“. Hierbei untersuche ich die erfolgskritischen Faktoren für eine erfolgreiche Fahndungsarbeit am Beispiel bayerischer Dienststellen. Ich möchte mich hierbei auf strategische Gesichtspunkte konzentrieren und verhaltenspsychologische Aspekte aufgrund ihrer Vielschichtigkeit außen vor lassen.

1. Leitfrage (Begrifflichkeiten) Ich benutze in meiner Untersuchung den Begriff der spezialisierten Fahndungsarbeit. Wie würden Sie diesen Begriff definieren? Der Begriff spezialisierte Fahndungsarbeit ist bei uns in der Bundespolizei nicht „eins zu eins“ umzusetzen. Wir haben im Rahmen der integrativen Aufgabenwahrnehmung zum einen grenzpolizeiliche Aufgaben, zum anderen Bahnpolizeiaufgaben zu erfüllen. Bei uns geht die Tendenz dahin, dass jeder Beamte alle Bereiche abdecken kann. Bei uns nennt sich die spezialisierte Fahndungsarbeit Binnengrenzfahndung. Aber auch hier ist eine Spezialisierung auf Kfz.-Fahndung, Urkundsdelikte usw. möglich.

2. Leitfrage (organisatorische und kognitive Faktoren) In meiner Untersuchungshypothese gehe ich davon aus, dass sowohl organisatorische Faktoren, wie auch kognitive Faktoren des Kontrollpersonals einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg durchgeführter Fahndungskontrollen haben. Wie sehen Sie den Einfluss dieser Faktoren? Mögliche Aspekte: Erfahrung in der Tätigkeit als „Schleierfahnder“ Talent/Fingerspitzengefühl Fachwissen/Spezialisierung

Art der Kontrolle (z.B. Anhalte- /Standkontrolle)1 Auswahl des Kontrollorte (z.B. Ein-/Ausreise) Äußere Umstände (z.B. Lichtverhältnisse, Geschwindigkeit der Fahrzeuge) Diensteinteilung (Wechselschicht/Tagesdienst/ Sonderdienst) 1

kursiv: Wesentliche Aspekte der Fragebogenaktion

2 Kontrollzeit Verkehrsverhältnisse Ausrüstung (z.B. Fahrzeuge/Car-PC/Stereomikroskop) Regelmäßige Durchmischung der Streifenbesatzungen Zusammenarbeit mit anderen Behörden (z.B. Zoll, BAG) Der Satz „Rechtssicherheit schafft Handlungssicherheit“ drückt für mich die Bedeutung des Fachwissens aus. Eine Spezialisierung auf Belange des Aufenthaltsgesetzes ist nötig. Den Aspekt des Talents würde ich mit Motivation ergänzen. Dies ist für mich ein ganz wichtiger Faktor. Erfahrung in der Tätigkeit finde ich, sind auf alle Fälle zu unterstreichen. In diesem Zusammenhang ist die Durchmischung der Streifenbesatzungen ein wichtiger Punkt, um ältere Kollegen mit jüngeren zu mischen. Sehr wichtig ist für mich ist auch die Zusammenarbeit mit anderen Behörden, da sich grenzüberschreitende Kriminalität ja nicht nur auf den Zuständigkeitsbereich der deutschen Behörden beschränkt. Somit ist nicht nur der Informationsaustausch mit innerdeutschen Behörden wichtig, sondern auch mit außerdeutschen Behörden. Zur Kontrollzeit: Nach unseren Statistiken können wir Schwerpunktzeiten nicht festmachen. Weder auf Wochentage noch auf bestimmte Zeiten. Wir können aufgrund Personalmangel nicht alle Züge kontrollieren und gehen nur in bestimmte Züge. Man könnte daraus dann den falschen Rückschluss ziehen, dass zu diesen Zeiten auch „mehr geht“. Der Einsatz technischer Hilfsmittel ist oftmals durch schlechte Lichtverhältnisse, Enge und Gedränge in den Abteilen nicht optimal. Ein großes Manko stellt die schlechte Funkverbindung in den Zügen dar. Wir sind deshalb gezwungen, viel über Handy zu machen, was aber ebenfalls stark eingeschränkt ist. Wir warten hier auf eine Neuentwicklung, die in kürze kommen soll, es handelt sich hierbei um ein modernes Abfrage-Notebook. So könnten wir auch jederzeit aktuelle Abfrageergebnisse erhalten. Bezüglich der Kontrollorte lassen sich auch bei uns in den Zügen eine Einreise- und eine Ausreiseseite feststellen. Wir legen unseren Schwerpunkt hierbei auf die Einreiseseite, weil es uns auch um die unerlaubten Einreisen und die Schleuserkriminalität geht. Ich persönlich habe aber die Meinung, dass man auch auf der Ausreiseseite sehr hochwertige Aufgriffe haben kann. Die Aufgriffsquote ist aber bei der Einreiseseite aufgrund der Schwerpunktsetzung höher. Vertiefende Fragen:  Welche Faktoren sind für Sie am wichtigsten?  Welche Kontrollform ist für Sie am erfolgreichsten?

Fachwissen und Spezialisierung steht für mich an erster Stelle, sowie Motivation und Erfahrung. Auch die Durchmischung der Streifenbesatzung ist für mich sehr wichtig.

3 3. Leitfrage (Erfolg) Wann sehen Sie Ihre Fahndungskontrollen als erfolgreich an? Mögliche Aspekte: Zählbare Ergebnisse Kein Ergebnis als Indiz für abschreckende Wirkung Möglichst viele durchgeführte Kontrollen pro Schicht/pro Tag Qualitativ hochwertige Aufgriffe Ich sehe meinen Erfolg in qualitativ hochwertigen Aufgriffen, z.B. Schleuser, größere Rauschgiftmengen, Bargeldkontrollen, auch der Aufgriff von mit Haftbefehl gesuchten Verbrechern. Ich glaube nicht an die Präventivwirkung dieser Kontrollen. Wenn man als Beispiel die Polizeiinspektion Fahndung in Urwies (Anm. Traunstein) nimmt: Seit Jahren äußerst erfolgreich, trotzdem fahren die Rechtsbrecher nach wie vor. Prävention sehe ich bei bekannt gemachten Schwerpunktkontrollen vielleicht, dann weichen die Leute aus, wie z.B. zur Fußball-EM. Mir ist es lieber wenige, qualitativ hochwertige Aufgriffe zu haben, als viele unspektakuläre Aufgriffe. Vertiefende Fragen:  Glauben Sie, man kann generell eine sog. Trefferquote angeben? Ich meine damit das Verhältnis zwischen angehaltenen Fahrzeugen zu zählbaren Ergebnissen. Wenn ja, wie hoch schätzen Sie Ihre eigene Trefferquote ein?  Was meinen Sie, ist die Hauptaufgabe der Schleierfahndung eher die präventive oder die repressive Wirkung? Mann kann natürlich eine Trefferquote angeben, denn statistisch lässt sich alles erfassen. Ich denke aber es ist schwierig ohne Statistikauswertung eine persönliche Trefferquote anzugeben. Ich würde sie so bei 1: 25-30 sehen. Politisch gesehen ist die Hauptaufgabe die Prävention, man soll die unerlaubte Einreise verhindern, dies lässt sich jedoch nicht immer realisieren. Wenn die Leute einmal unterwegs sind, lassen sie sich auch nicht mehr daran hindern einzureisen. Deshalb wird die tatsächliche Aufgabe mehr in der Repression liegen.

4 4. Leitfrage (Aus- und Fortbildung) Ich möchte hier auf die möglichen Einflussfaktoren der Aus- und Fortbildung eingehen. Welche Faktoren halten Sie für wichtig? Mögliche Aspekte: Fortbildung im Rahmen von Multiplikatoren (Urkunden, Kfz., BtM) Dienstunterrichte/Briefings/Lagevorträge

Ich finde die Multiplikatoren auf Dienststellenebene sehr wichtig. Auch Briefings, über neue Erkenntnisse finde sehr wichtig.

5. Leitfrage (Motivation) Wie wichtig ist für Sie die persönliche Motivation für erfolgreiche Fahndungskontrollen? Wurde bereits beantwortet. Vertiefende Frage:  Was sind für Sie persönlich die erfolgsmotivierenden Faktoren? Mögliche Aspekte: Persönlicher Nutzen Politische Vorgaben Persönliche Erfüllung in der beruflichen Tätigkeit Stolz, Angehöriger einer „Spezialdienststelle“ zu sein Sinnhaftigkeit der Tätigkeit (i.S. wichtiger Beitrag für die Innere Sicherheit)

Gruppen-/Zusammengehörigkeitsgefühl Stellung (Status) innerhalb der Dienststelle

Für mich ist wichtig, einen kleinen aber wichtigen Beitrag für die Innere Sicherheit zu leisten, den gefährlichen Rechtsbrecher dingfest zu machen. Das ist für mich auch die Triebfeder meines Berufes. Die persönliche Erfüllung sehe ich wieder als weniger wichtig an, wobei ich meinem Beruf an sich einen hohen Stellenwert einräume. Den persönlichen Nutzen erhofft man sich manchmal, der ist allerdings meistens sehr gering. Den Stolz, Angehöriger einer erfolgreichen Dienststelle zu sein, würde ich auch als Motivationsgrund sehen. Eine eher untergeordnete aber vorhandene Rolle spielt für mich die Stellung innerhalb der Dienststelle.

5 6. Leitfrage (Einflussfaktoren Kontrollklientel) Ich möchte nun auf mögliche Einflussfaktoren eingehen, die durch das Kontrollklientel gesetzt werden. Ich denke da an äußerliche Faktoren wie Bekleidung, Aussehen und das Fahrzeug, in dem der/die zu kontrollierenden Personen unterwegs sind. Wie hoch schätzen Sie den Einfluss dieser Faktoren ein, wenn Sie sich entschließen, ein Fahrzeug anzuhalten? Mögliche Aspekte: Geschlecht des Fahrers Alter des Fahrers Anzahl der Fahrzeuginsassen Äußeres Erscheinungsbild (Kleidung, gepflegtes/ungepflegtes Aussehen) Vermutete Nationalität der Fahrzeuginsassen Verhalten (z.B. unsichere Fahrweise, wirkt nervös) Marke, Typ des Fahrzeuges Alter, Zustand des Fahrzeuges Fahrzeugwert Farbe des Fahrzeuges Motorisierung (Benzin/Diesel) Fahrtrichtung (Ein-/Ausreise) Geschwindigkeit des Fahrzeuges Kennzeichen des Fahrzeuges „Passung“ von Fahrer und Fahrzeug

Es kommt hier immer auf die Zielrichtung der Fahndung an. Wenn ich auf die unerlaubte Einreise abziele, wird natürlich die Nationalität eine Rolle spielen. Wenn ich auf andere Kontrollen wie Bargeld oder BtM abziele, ist mir das Aussehen überhaupt nicht wichtig, ebenso wenig das Aussehen oder das Geschlecht. Man kann also sagen, diese Aspekte haben je nach Zielrichtung eine unterschiedliche Gewichtung. Eine große Rolle spielt für mich das Verhalten. Wenn ich jemanden sehe, der schon nervös „hin und her“ rutscht oder sein Verhalten ändert, ist das für mich ein sehr wichtiger Kontrollfaktor.

Vertiefende Frage:  Wenn Sie das Fahrzeug bereits angehalten haben und nach einem ersten Blick auf die mitgeführten Fahrzeugpapiere keinen Normverstoß feststellen können. Wie groß ist der Einfluss der o.g. Faktoren auf Ihre Entscheidung, die Person/das Fahrzeug dennoch genauer zu überprüfen? Man kann diese „Nase“ nicht definieren. Man wundert sich selbst manchmal, warum man gerade hier weiterkontrolliert hat. Worauf diese „Nase“ beruht, kann ich nicht genau sagen, natürlich spielt aber Erfahrung eine große Rolle. Irgendwo leitet man von verschiedenen Verhaltensmustern der Leute etwas ab. Vielleicht spielt auch noch die Motivation eine Rolle.

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Man kann auch durchaus gleiche Reaktionen bei erfahreneren Streifenpartnern feststellen, wenn es darum geht, eine Person auszuwählen. Viele jüngere Kollegen gehen vielleicht mehr auf das „Äußere“ und würden an anderen Personen vielleicht vorbeigehen.

7. Leitfrage (polizeiliche Datenbestände) Welche Bedeutung messen Sie den Überprüfungsmöglichkeiten in polizeilichen Datenbeständen in Hinblick auf die Verdachtsgewinnung zu? Ich halte diese Überprüfungsmöglichkeiten für enorm wichtig, weil natürlich personengebundene Hinweise Rückschlüsse auf die möglichen Taten der Person zulassen. Enorm wichtig auch aus Gründen der Prävention, aber auch in Hinblick auf die mögliche Straftatenbegehung. Wenn jemand mehrere Einträge wegen Betäubungsmittel hat und er zusätzlich noch auf einer bestimmten Reiseroute unterwegs ist, dann sind das für mich ganz wichtige Anhaltspunkte für eine nähere Kontrolle. Diese Erkenntnisse bilden jedoch nur einen Baustein. Es kommen andere Bausteine dazu: Wie verhält er sich bei der Kontrolle, wird er nervös, aggressiv oder wie auch immer.

Anlage 7 – Statistikauszug BLKA München

Auszug aus den Statistiken Quelle: Lagebild 2008, Bayerisches Landeskriminalamt, Dezernat 54 „Zentrale Fahndungskoordination“. Hinweis: Bei den nachfolgenden Zahlen handelt es sich um Gesamtfallzahlen aus Bayern.

1. Schleuserkriminalität

Schleuserkriminalität 2000 1800 1600 1400 1200 1000 800 600 400 200 0

Schleuserfälle

Schleuser

Geschleuste

2008

591

591

1589

2007

769

809

1800

Abbildung 1: Schleuserkriminalität: Schleuser/Geschleuste, Jahresvergleich 2007/2008

Anlage 7 – Statistikauszug BLKA München

Unerlaubte Einreise, Top 10 der Tatverdächtigen in Bayern 3000

2500 2000 1500 1000 500 0

IRQ

SRB

TUR

CHN

RUS

UKR

IND

VNM

ALB

HRV

2008 2507

1350

1286

901

672

475

410

333

313

292

2007 1735

1295

1114

722

555

400

278

199

267

384

Abbildung 2: Unerlaubte Einreise/Unerlaubter Aufenthalt, Top 10 der Tatverdächtigen in Bayern, Jahresvergleich 2007/2008, nach Nationalitäten.

2. Dokumentenkriminalität

Urkundsdelikte Auswertung nach Dokumentenarten 2500 2000 1500 1000 500 0 Reisedokumente

Führerscheine

Kfz-bezogenen Dokumente

Sonstige Dokumente

Aufenthaltstitel/Vi sa

2008

2235

2062

1382

684

321

2007

2111

1855

1763

776

311

Abbildung 3: Urkundsdelikte, Auswertung nach Dokumentenarten 2008/2007.

Anlage 7 – Statistikauszug BLKA München

Urkundsdelikte Auswertung nach Herkunftsländern der Tatverdächtigen 2500 2000 1500 1000 500 0 Deutschland

Rumänien

Türkei

Serb./Monte negr.

Irak

Tschech. Rep.

Bulgarien

Polen

2008

2185

382

259

258

247

148

110

102

2007

1974

301

244

280

296

167

66

108

Abbildung 4: Urkundsdelikte, Auswertung nach Herkunftsländern der Tatverdächtigen.

3. Kfz-Verschiebung

Fahndungserfolge Kfz-Verschiebung in Bayern 700 600 500 400 300 200 100 Gesamt

2006

2007

2008

656

692

700

Abbildung 5: Fahndungserfolge in Bayern im Zusammenhang mit Kfz.-Verschiebung, Gegenüberstellung der letzten drei Jahre.

Anlage 7 – Statistikauszug BLKA München

180 160 140 120 100 80 60 40 20 0

Tatverdächtige Fahrzeugführer nach Nationalitäten

Deutschland

Rumänien

Italien

Tschech. Rep.

Polen

Serbien

Ungarn

Türkei

2008

163

84

59

33

50

18

18

23

11

14

2007

154

74

50

44

36

31

21

16

15

13

Bosn.Herz.

Andere

11

9

117

12

8

101

Slowakei Bulgarien Kroatien

Abbildung 6: Tatverdächtige Fahrzeugführer nach Nationalitäten, Jahresverglich 2007/2008.