Einführung Was brauchen Eltern, damit eine sichere Bindung gelingt?

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Author: Bastian Hermann
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Weit blicken – früh handeln Einführung Elternstärkung und frühe Förderung Nürnberg 21.06.2013

Einführung Was brauchen Eltern, damit eine sichere Bindung gelingt? Fabienne Becker-Stoll Staatsinstitut für Frühpädagogik

© Fabienne Becker-Stoll 2013

Fotos: Jochen Fiebig, IFP, 2007 in Krippen der LHM

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Grundzüge der Bindungstheorie • Der Mensch ist von Geburt an mit zwei grundlegenden Verhaltenssystemen ausgestattet, die sein Überleben und das seiner Art sichern – Bindungsverhaltenssystem

– Explorationsverhaltenssystem

© Fabienne Becker-Stoll 2013

(Bowlby 1987/2003)

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Grundzüge der Bindungstheorie • Das Bindungsverhaltenssystem ermöglicht es dem Kind von Geburt an, Bindungsverhalten gegenüber einer oder einigen wenigen Personen zu zeigen. – Bindungsverhalten zielt darauf ab, die Nähe einer bevorzugten Person zu suchen, um dort Sicherheit zu finden. • Die meisten Kinder entwickeln in den ersten neun Lebensmonaten Bindungen gegenüber Personen, die sich dauerhaft um sie kümmern. – Dabei ist das Kind aktiv und hat die Initiative bei der Bildung von Bindung.

• Durch Fremdheit, Unwohlsein oder Angst wird das Bindungssystem aktiviert, und die Erregung wird durch Wahrnehmung der Bindungsperson – durch Nähe, liebevollen Körperkontakt und Interaktion mit ihr – beendet. © Fabienne Becker-Stoll 2013

(Bowlby, 1951,1987/2003; Ainsworth 1964/2003)

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Bindung und Exploration Aktiviert durch Unwohlsein

Aktiviert durch anregende Umwelt und Spielpartner

Bindungsverhaltenssystem Explorationsverhaltenssystem

Deaktiviert durch Kontakt zur Bindungsperson © Fabienne Becker-Stoll 2013

Deaktiviert durch Unwohlsein (Bowlby, 1951,1987/2003)

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Was kennzeichnet gutes oder schlechtes Elternverhalten?

© Fabienne Becker-Stoll 2013

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Das Konzept der Feinfühligkeit (Ainsworth, 1977,1978/2003)



Die Fähigkeit und Bereitwilligkeit der Betreuungsperson, die Mitteilungen und das Verhalten des Säuglings – wahrzunehmen und – richtig zu deuten,

– und darauf prompt – und angemessen zu reagieren. •

Die Feinfühligkeit der Eltern wirkt sich neben den Temperamenteigenschaften des Kindes auf die Bindungsqualität zwischen Kind und Elternteil aus. © Fabienne Becker-Stoll 2013

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Väterliche Feinfühligkeit (Kindler & Grossmann, 2002)

• In westlichen Gesellschaften zeichnen sich die Vater-Kind-Beziehungen durch einen hohen Anteil spielerischer Interaktion aus, also durch größere Nähe zur Exploration. • Viele Väter neigen dazu, die Neugier und die Fähigkeiten des Kindes eher herauszufordern, als sein nach körperlicher Nähe strebende Verhalten zu unterstützen (Kindler, 2002). Forschungsergebnisse zeigen: Zusammenhänge zwischen der feinfühligen Ermutigung des Vaters zur Qualität der Exploration und dem weiteren Verlauf der Bindungs- und Sozialentwicklung sowie der emotionalen Sicherheit des Kindes in neuartigen Situationen (Grossmann, 2002). © Fabienne Becker-Stoll 2013

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Auswirkung feinfühliger Zuwendung auf das kindliche Gehirn (Braun et al. 2002) Durch die feinfühlige Interaktion mit dem Kind trainiert die Mutter das Gehirn des Kindes. Sie stimuliert im Gehirn des Kindes primäre und sekundäre Sinnes- und Bewegungszentren, das Limbische System, und Regionen im präfrontalen Cortex. Die Stimulation dieser drei Hirnregionen führt zu neuen Vernetzungen. Das gleichzeitige Aktivieren von verschiedenen Nervenzellen führt zu bleibenden Strukturveränderungen. © Fabienne Becker-Stoll 2013

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Frühkindliche emotionale Erfahrungen beeinflussen die funktionelle Entwicklung des Gehirns (Braun et al. 2002)

Verdichtung der Neuronalen Netzwerke im Gehirn des Kindes Gewicht des Gehirns bei Geburt 400g, mit zwei Jahren 1000g Abbildung 1: Medianansicht des menschlichen Gehirns mit den wichtigsten limbischen Zentren. Diese Zentren sind Orte der Entstehung von positiven (Nucleus accumbens, ventrales tegmentales Areal), und negativen Gefühlen (Amygdala), der Gedächtnisorganisation (Hippocampus), der Aufmerksamkeits- und Bewusstseinssteuerung (basales Vorderhirn, Locus coeruleus, Thalamus) und der vegetativen Funktionen (Hypothalamus). (Aus Roth, 2001, nach Spektrum/Scientific American, 1994, verändert). © Fabienne Becker-Stoll 2013

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Was brauchen Eltern um feinfühlig zu sein/zu werden? Elterliche Feinfühligkeit ist veränderbar und erlernbar! (z.B. van den Boom, 1994)

Elterliche Feinfühligkeit wird (mit-)bestimmt durch • die eigene Bindungsgeschichte (z.B. Fonagy et al. 1991)

• Stress, Überforderung bzw. „Helfer am Nest“ (z.B. Grossmann & Grossmann, 2012)

• professionelle Hilfe, die eine sichere Basis für Mutter und Kind darstellen kann (z.B. Suess et al. 2010) © Fabienne Becker-Stoll 2013

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Wie PAT Eltern hilft, ihre Feinfühligkeit zu verbessern • durch einen Zuwachs an Wissen über kindliche Entwicklung und kindliche Bedürfnisse • durch konkrete Hilfe in Notzeiten • durch den Aufbau sozialer Netzwerke • durch ressourcenorientierte Arbeit mit den Eltern über einen langen Zeitraum © Fabienne Becker-Stoll 2013

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Earned Security – Erarbeitete Sicherheit  Die Bindungstheorie ist keine Theorie früher Prägung, sondern ein entwicklungspsychologisches Denkmodell von Entwicklungsverläufen, die offen sind für Veränderungen.  Bindungssicherheit kann insbesondere im Kontext enger emotionaler Beziehungen (z.B. Erzieher, Therapeuten, Partnerschaften oder Freundschaften) auch im weiteren Verlauf des Lebens erreicht werden.

 Die späte Erfahrung eine sichere Basis zu haben steht hier im Vordergrund

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Entwicklungspfade statt Prägung Alter

pathologischer Bereich © Fabienne Becker-Stoll 2013

Normbereich

pathologischer Bereich

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Stabilität und Veränderung von Bindungssicherheit Laut Bowlby ist das Bindungssystem vor allem in frühen Entwicklungsstufen sensitiv gegenüber Veränderungen in der Umwelt und wird erst im Laufe des Lebens stabiler und resistenter gegenüber äußeren Einflüssen. (Bowlby, 1973, zitiert nach Fraley &Brumbaugh, 2004).

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Ein Plädoyer für frühe Intervention/Prävention! • frühe Interventionen zeigen die größten Effekte (z.B. Heckman 2011, Wise et al., 2005)

• die Arbeit mit der ganzen Familie kann dysfunktionale Muster durchbrechen (z.B. Layzer et al., 2001) • jede Familie braucht unterschiedliche, individuell abgestimmte Interventionen und Hilfestellungen

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Warum wirkt PAT? Die Effektstärken von Maßnahmen verdoppeln sich (Layzer et al., 2001), wenn - die Maßnahme früh beginnt PAT beginnt in der Schwangerschaft

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die Selbstentwicklung der Eltern im Programm enthalten ist Parents as Teachers, dieses Ziel ist bereits im Namen enthalten

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Elterngruppen enthalten sind und professionelles Personal die Gruppen leitet fester Bestandteil des PAT-Programmes

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sich die Eltern gegenseitig unterstützen, Netzwerke bilden wird als ein Ziel von PAT angegeben

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Implikationen für Präventions- und Interventionsprogramme • Programme sollten Eltern befähigen, feinfühlig zu sein • Dies kann durch Wissensvermittlung, Sensibilisierung für kindliche Bedürfnisse, praktische Lebenshilfe und Arbeit an den Bindungsmodellen der Eltern geschehen • Eine intensive und vertrauensvolle Beziehung zu Mutter und Kind ist dazu unerlässlich

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit

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