MÄRZ 2015



DURCHS HERZ

FRANKREICHS

Eine Rhône-Flusskreuzfahrt, von der Gourmetmetropole Lyon bis in die archaische Deltalandschaft der Camargue, zeigt die schönsten Seiten des Südens aus einer ganz eigenen Perspektive. Foto: Mittelalter in der Provence: Arles

2

doppio / dezember 2014

EDITORIAL Boris Henn Executive Producer doppioTV

Willkommen bei doppio! In dieser März-Ausgabe wollen wir mit Ihnen insbesondere eine Reise durch Deutschland, Österreich und Frankreich unternehmen. Die Nordseeinsel Sylt spielt dabei ebenso eine Rolle wie ein Besuch in der Spielestadt Ravensburg und am Bodensee, der als Filmkulisse immer beliebter wird. Deutschland - Heimat zum Neu entdecken! Aber wir nehmen Sie auch mit in den hohen Norden Europas: Begleiten Sie uns auf Tour nach Riga, das Herz Baltikums, sowie nach Norwegen. Wir alle von doppio wünschen Ihnen viel Spaß beim Entdecken und Genießen!

Seite

BODENSEE: Heimatfilme, Tatort-Krimis und James Bond-Filmcrews lieben den Bodensee und seine malerische Umgebung.

Seite

12

RAVENSBURG: Die Stadt in Oberschwaben begeistert mit Mittelalterflair, hochkarätiger Kunst und einem Haus voller Spiele.

Seite

14 RIGA:

Das Herz des Baltikums gilt als eine der schönsten Städte Nordeuropas und verzückt mit Ihrer Mischung aus Mittelalter, Jugendstil und Holzarchitektur.

Seite

Herzlich, Boris Henn

10

16 OSLO:

Seite

4

RHONE: Auf Rhone-Flusskreuzfahrt durch das Herz Frankreichs: Von der Gourmetmetropole Lyon bis in die archaische Deltalandschaft der Camargue.

Seite

8

SYLT: Ein altes Kapitänshaus in Westerland ist ein Ort voller Geschichten und Farben. Wer hier wohnt, wird Teil einer kleinen Familie.

Die Stadt am Fjord liegt traumhaft - umgeben von Berghängen und grünen Wäldern. Doch Norwegens Hauptstadt lockt auch mit Kultur!

Seite

18

OBERKÄRNTEN: Ein Kräuterdorf voller Duft und Farbe - im kleinen Ort Irschen steht alles im Zeichen von Thymian, Minze, Kapuzinerkresse und Co.

Seite

22

STEIERMARK: Das berühmte Kürbiskernöl wird im südlichsten Winkel der Steiermark hergestellt. Zwischen Weinbergen und Kürbisfeldern, gibt es den Berufsstand der Ölmüller, die diese einzigartige Delikatesse produzieren.

4

doppio / märz 2015

DURCHS HERZ

FRANKREICHS Das Luxushotelzimmer ist immer dabei: Eine Rhône-Flusskreuzfahrt, von der Gourmetmetropole Lyon bis in die archaische Deltalandschaft der Camargue, zeigt die schönsten Seiten des Südens aus einer ganz eigenen Perspektive.

Die „Stella” auf der „Route Méditerranée“

Gelegentlich ist ein leises Gurgeln zu hören. Ein paar weiße Bläschen sortieren sich auf der nur einen Arm breit entfernten Wasseroberfläche in einer Linie und hüpfen über die flachen Wellen davon. Durch die weit geöffnete Glastür scheint die Sonne und malt zitternde Kringel aufs Bett. Weinberge ziehen langsam vorüber, Dörfer mit gedrungenen Kirchtürmen, Gutshäuser mit efeubeschatteten Mauern. Das schrille Knattern eines Mopeds auf der staubigen Landstraße, die die Rhône begleitet, durchschneidet kurz die Stille. Dann ist wieder nur das schwache Gurgeln zu vernehmen und, wenn man ganz genau hinhört, das leise, stetige Brummen des Schiffsmotors. So viel Beschaulichkeit stürzt den Flusskreuzfahrer in einen Konflikt: Einerseits hat das stille, beharrliche Vorwärtsgleiten etwas Hypnotisches, Einschläferndes. Während das Zentrum der Empfindungen, das breite, bequeme Bett in der aufgeräumten, mediterran heiteren Kabine unbeweglich bleibt - abgesehen von den kaum merklichen Vibrationen,

die an das beruhigende, einlullende Schaukeln einer Wiege aus Kindertagen erinnern -, bewegt sich die Welt im Zeitlupentempo vorüber. Fast so, als ob ein Theaterregisseur die Kulissen seines Hauses präsentiert. Der Stundentakt ändert sich nicht, aber eine Überfülle an Zeit scheint den Urlaub auszudehnen. Zeit, in aller Ruhe die mitgebrachten Bücher zu lesen. Oder einfach nur zu dösen, allein oder zu zweit in der Kabine, in größerer Gesellschaft von Mitreisenden im Liegestuhl auf dem Sonnendeck. Andererseits gibt es so viel zu sehen. Der Fluss, eine Lebensader Südfrankreichs, seit Jahrtausenden Verkehrsund Handelsweg von großer Bedeutung, heute gesäumt von weiteren wichtigen Verkehrswegen: Autobahnen und dem Schienenstrang des Superschnellzugs TGV. Erfreulicherweise halten sich Straße und Schiene meist im Hintergrund, nur gelegentlich sieht man den silberblauen TGV mit atemberaubender Geschwindigkeit in der Ferne vorüberzischen.

doppio / märz 2015 Fluss mit wilder Vergangenheit Kaum vorstellbar, dass der gemächliche Strom - dem der Wind Mistral hier im Süden aber auch ruppige Wellen aufsetzen kann -, als eisiger Gebirgsbach dem Rhône-Gletscher im schweizerischen Wallis entsprungen, einst richtig wild und kaum schiffbar war. Eine gewaltige Flutwelle hatte im 17. Jahrhundert die berühmte Brücke von Avignon um einige ihrer Bögen reduziert. Die Zähmung des Flusses durch zahlreiche Schleusen - von Lyon bis ins Delta sind es ein Dutzend - beschert den Reisenden kleine Aufwacher. Doch man muss nicht einmal aufstehen, um das ganz kleine Abenteuer zu genießen, das aber niemand für gefährlich hält, auch wenn jedes Mal die ganze Geschicklichkeit des Kapitäns gefordert ist. Das Vertrauen in seine nautischen Fertigkeiten ist groß; passieren könnte eh nichts Schlimmes, allenfalls riebe sich der Rumpf an der rauen Betonwand der Schleusenkammer, die auf beiden Seiten nur 20 cm entfernt ist. Doch das Schiff ist auf seiner Rostocker Werft passend zu den Schleusen gebaut worden.

FRANKREICH

5

ders als die der Bewohner. Für diese ist der Fluss Verkehrsweg oder -hindernis, die Promenaden sind Erholungszonen; für den Schiffsreisenden ist er das Einfallstor für den Kurzausflug in Kultur und Geschichte. Mehr als ein Appetitanreger für den Vorsatz, später einmal mit Muße wieder herzukommen, sind die Landgänge kaum, hier schlägt die Zeit auf einmal einen schnelleren Takt. Lyon ist Ausgangs- und Endpunkt der Reise, zweitgrößte Stadt Frankreichs, bürgerlich, mit großer Prachtentfaltung auf den Boulevards und Plätzen, mit kleinen Gassen und Durchgängen, den Traboules, in der als Unesco-Weltkulturerbe geadelten Altstadt, die während der deutschen Besetzung im Zweiten Weltkrieg den Widerständlern gute Rückzugsmöglichkeiten boten. Feinschmecker schätzen Lyon, nicht nur wegen des berühmten Sohnes der Stadt, Paul Bocuse, der neben seinem Haupthaus ein paar Kilometer außerhalb auch einige weniger teure Brasserien im Zentrum betreibt.

Der Fluss, das sind für den Kulturbeflissenen vor allem die Städte mit ihren vielen Kunstschätzen an seinen Ufern. Dabei ist die Perspektive der Reisenden eine gänzlich an-

Lauschige Winkel in der Gourmetmetropole Lyon

Lyon, die zweitgrößte Stadt Frankreichs

Fotos: A-Rosa Schifffahrt

6

doppio / märz 2015

Abendstimmung an Deck der „Stella”

Schwere Entscheidungen am Büffet

Foto: A-Rosa Schifffahrt

Zeit, hier essen zu gehen, bleibt nicht. Allerdings reizt das auch kaum, angesichts der ausgezeichneten Küche an Bord der „Stella“. Im Marktrestaurant mit seinem südländischen Flair müssen Mahlzeit für Mahlzeit am Büffet schwerwiegende Entscheidungen getroffen werden. Erfahrene Urlauber wissen, dass sich Schiffsreisen meist nicht nur in Tagen, sondern auch in Kilo berechnen lassen. Wer doch an die Kalorien denkt, kann sich eines der mitgeführten Fahrräder mieten und die Landgänge in Aktivurlaub ummünzen, sich im bordeigenen Spa durchkneten lassen, ein paar Bahnen im Swimmingpool ziehen oder auf dem an Deck ausgerollten Putting Green üben.

Papststadt, deren Panorama erst in langsamer Vorbeifahrt genossen wird, bevor die „Stella“ umdreht und festmacht. Im Kopf meldet sich eine musikalische Erinnerung aus Kindertagen: „Sur le pont“; mancher denkt an Mireille Mathieu, wie sie „Oui, j’ai gardé l’accent“, ihre Hymne auf den Süden, sang. In ihrer Geburtsstadt denkt kaum noch jemand an den „Spatz von Avignon“. Prächtig sind die steinernen Kulissen, Kirchen, der Papstpalast, zu kurz ist die Zeit für den Landausflug. Und befremdlich der Gedanke, dass in dieser privilegierten Region Frankreichs, die von so vielen Touristen besucht und geliebt wird, der fremdenfeindliche Front National regelmäßig so außerordentlich viele Wählerstimmen gewinnt.

Das vorbeiziehende Panorama bietet neben den harmonischen Bildern von sanfter Landschaft und beschaulichen kleinen Orten auch architektonische Zeugnisse, die belegen, dass Frankreich nicht nur Europas Agrarland Nummer eins ist, sondern genauso eine moderne Industrienation. Gewaltige Fabrikanlagen stören ab und an das freundliche Bild und die beleuchteten Kühltürme von Atomkraftwerken, die den Fluss säumen und aufheizen. Nach einem kurzen Besuch in Viviers mit seiner römischen Brücke und dem Bischofspalast taucht Avignon auf, die alte

Auf der Weiterreise gen Süden folgt Arles mit seiner gewaltigen römischen Arena und der heiteren, provenzalischen Architektur, das licht- und farbenverliebte Maler wie Vincent van Gogh inspiriert hat. Wer will, unternimmt Tagesausflüge nach Marseille, um an der Cannebière eine Bouillabaisse zu essen und den sensationellen Blick von der Kathedrale Notre-Dame de la Garde auf die Mittelmeermetropole zu genießen, oder an die Côte d’Azur mit Nizza und dem bizarren Operetten- und Geldstaat Monaco. Dafür müssen allerdings stundenlange Busfahrten in Kauf genommen werden.

FRANKREICH

doppio / märz 2015 Wilde Mustangs, Flamingos und Mücken Nicht weit von den Städten lockt indes eine stille, geradezu archaische Landschaft. Die „Stella“ fährt bis Port St. Louis, zum südlichsten Punkt der Reise, das nur acht Kilometer vom Mittelmeer entfernt liegt. Von hier aus lässt sich die Camargue erkunden, für die Sportiven mit dem Fahrrad, die Bequemeren mit dem Jeep. Der Fahrer spricht nur Französisch – ein Kontrast zum Schiff, wo Deutsch nicht nur unter den Passagieren, sondern auch mit den Mitgliedern der Crew Umgangssprache ist. Doch hier im sehr straff gepolsterten Auto ist die abgeschiedene Luxuswelt fern, hier brennt die Sonne kräftig auf den Kopf. Dafür gibt es authentische Bilder einer eindrucksvollen, überbordenden Natur: Inseln, die in der flirrenden Hitze über den flachen Teichen zu schweben scheinen, Flamingos, die geziert durch das flache Wasser stelzen und gelegentlich in rosafarbenen Wolken den strahlend blauen Himmel verdecken, Myriaden von Stechmücken. Und natürlich Pferde: Die berühmten weißen Mustangs haben einen eigenen Kopf, lassen sich von den Gauchos mit ihren langen Lanzen nur schwer dirigieren. Aber sie dienen als beliebtes Fotomotiv, zumindest, wenn sie ruhig in langer Reihe am Horizont dahinziehen. Dann Saintes-Maries-dela-Mer, Wallfahrtsort, berühmt für seine Zigeunertreffen. Archaisch mutet die kleine Kirche an, Hunderte brennender Kerzen heizen die Grotte unter dem Gotteshaus auf. Eine tiefe, wilde Frömmigkeit ist hier noch zu spüren. Die Rhône hat ihr Ziel erreicht und verströmt sich in einem ausgedehnten Delta ins Meer, die Kreuzfahrtpassagiere strömen in die Zivilisation und aufs Schiff zurück. Bücher bleiben vorerst ungelesen, erst einmal müssen die Eindrücke sortiert werden, vom Süden Frankreichs, aus einer ungewohnten Perspektive. Text: Bernhard Mogge

FÜR IHR UNTERNEHMEN? Wir machen dies professionell und kostengünstig für Sie.

SPRECHEN SIE UNS AN... Publishers Partners GmbH D - 12489 BERLIN Am Studio 20 Tel. 030 6704 4200

D - 67480 EDENKOBEN Weinstraße 109 Tel. 06323 988 41 16

INFO Route Méditerranée mit der „STELLA“ Lyon-Port St. Louis-Lyon, Vollpension, in der ZweibettAußenkabine 8 Tage ab 1599 Euro pro P. Weitere Rhône-Touren unter anderem:

Route RENDEZ-VOUS 6 Tage ab 624 Euro

Route GOURMET

8 Tage, ab 1499 Euro Spa und die meisten anderen Leistungen wie Ausflüge kosten extra. A-Rosa Tel. 0381/2026020 www.a-rosa.de/kreuzfahrten

7

8

doppio / märz 2015

Eine SYLTER PENSION der anderen Art

Alt und pfiffig... Es war einmal … ein altes Kapitänshaus auf Sylt. Das Haus Noge in Westerland ist ein Ort voller Geschichten und Farben. Wer hier wohnt, wird Teil einer kleinen Familie und kann sich trotzdem ganz frei bewegen. Frühstücksecke zum Verweilen

Schon der auf der Straße geparkte rot-blaue Ford Taunus Transit Bus aus den 50er-Jahren - bei Bedarf ‘Pick up’ Service für Gäste - lässt ahnen: Das Haus Noge ist anders. Individuell, ein wenig schräg, bloß kein Mainstream. Sehr sympathisch ist das und ganz weit weg von jeglicher Schicki-Micki Attitüde, mit der man Sylt gerne verbindet.

Für Puristen: Zimmer Nummer 14

Wie überall im Haus Noge, gibt es auch im Kapitänszimmer viel zu sehen: Was macht die Frau im Kamin …?

Wer Wert auf klassisches Hotelleben legt, für den ist die kleine Pension in einem Kapitänshaus aus dem 19. Jahrhundert definitiv nichts. Nur wenige Meter von Westerlands Einkaufsmeile Friedrichstraße und unweit der Strandpromenade fühlen sich Freigeister und Individualisten hier dagegen umso wohler. Frühstück (ein prima Buffet) gibt es bis um zwölf; Freitagsabends findet ein gemeinsames Hausessen statt, sofern sich genügend Gäste dafür zusammen finden. Michael Kiso, der Geschäftsführer, kocht, kümmert sich auf sehr angenehm zurückhaltende Art und hat hier nach vielen Jahren in großen, internationalen Hotels seinen ganz persönlichen Wohlfühlort gefunden. Genau wie viele Stammgäste, für die das Haus Noge acht Zimmer bereit hält: Jedes hat seinen ganz eigenen Charakter; alle sind mit einer sehr gekonnten Mischung aus Antiquitäten und Kuriositäten eingerichtet. Viel Altes gibt es; altbacken ist es trotzdem nie. Im Gegenteil, das Ganze hat Pfiff. Hinter den charmanten Ideen steht der

SYLT 9

doppio / märz 2015

Viele historische Häuser gibt es in Westerland leider nicht mehr - zum Glück hat dieses überlebt.

Besitzer, Chef einer Hamburger Werbeagentur, der das gesamte Inventar auf Auktionen, Flohmärkten und Messen erstanden hat. Von außen glaubt man kaum, dass in dem kompakt wirkenden Haus wirklich Platz ist für acht Zimmer. Und ja, es wird zum Teil etwas eng, aber die Räume sind einfach extrem charmant und so geschickt designt, dass die Größe zweitrangig ist: Da gibt es zum Beispiel die Nummer 11, das Kapitänszimmer, mit einer Sammlung an Bildern alter Seebären, oder das Friesenzimmer, in dem passend zum Namen gußeiserne Ofenplatten und ein wunderbares ‘Durcheinander’ an Kacheln im Bad eine wichtige Rolle spielen. Wer’s gerne puristischer hat, findet im Schwarz-Weiss Zimmer, eines der größten im Haus, viele historische Fotos auf viel weißer Wand. Wogegen die Nummer 16, ein Balkonzimmer mit separatem Bad, ein blau-türkiser Traum für Freunde von Farbe und Mustern ist. Irgendwie am schönsten aber und Herzstück des Hauses ist der Frühstücksraum, genauso bunt und eklektisch wie die Zimmer. Tipp: ein runder Tisch ganz hinten links mit Blick nach draußen auf die kleine Terrasse und einer gemütlich mit Kissen belegten Holzbank. Hier kann man sein Frühstück genießen, Zeitung lesen und den Blick schweifen lassen. Neben einer skurrilen Sammlung von Puppenköpfen fallen auf den vielen Fotos an der Wand dann auch direkt eine Reihe bekannter Gesichter in’s Auge: Günter Pfitzmann, Angelika Milster, Klausjürgen Wussow - so einiges an deutscher Prominenz traf sich bei Paul Paulsen, der ab 1986 gemeinsam mit seinem Partner Egon das Haus Noge für 23 Jahre führte. Aus dieser Zeit stammen auch die traditionellen Freitagsessen, die anscheinend gerne mal zu feucht-fröhlichen Feiern mutierten. Parties werden in der Pension inzwischen wohl eher nicht mehr gefeiert. Dafür ist aus dieser Zeit der Name geblieben - Noge ist Egon auf rückwärts - und irgendwie auch der Geist von Freiheit und Individualismus, der das Haus Noge so sympathisch anders macht. Text: Barbara Geier / Fotos: Haus Noge

Haus Noge

INFO HAUS NOGE Dr.-Ross. Str. 31, Tel.: 046 51 - 928 60 www.haus-noge-sylt.de, [email protected] Hochsaison: Einzelzimmer ab EUR 85, Doppelzimmer ab EUR 128, inkl. Frühstück. Preise Nebensaison (Oktober bis April, außer Weihnachten & Ostern) auf Anfrage.

10

doppio / märz 2015

ZUM DREH AN DEN SEE Foto: Intern. Bodensee Tourismus GmbH

James Bond bei den Bregenzer Festspielen.

Maria, eine junge Frau, lebt bei ihrem Großvater am Bodensee. Der ist Fischer, hat das unehelich geborene Mädchen großgezogen. Wie ihr Großvater, so verdient auch Maria ihr Geld mit dem täglichen Auslegen der Netzte und dem Verkauf des Fangs auf dem Markt in Bregenz. Ein Fischzüchter, der die Marktpreise drückt, macht der jungen Frau das Leben schwer. Der Sohn des Fischzüchters aber ist in die schöne, unnahbar wirkende Maria verliebt und versucht, ihr zu helfen. Nach einer Reihe von Verwicklungen finden die beiden zueinander und miteinander das große Glück. Das ist, in kurze Form gebracht, die Handlung des Heimatfilms „Die Fischerin vom Bodensee“, der 1956 vor der Kulisse von Friedrichshafen, Hagnau, den Pfahlbauten von Unteruhldingen und an anderen Schauplätzen am Bodensee gedreht wurde. Fürs romantische Tete-a-Tete - die erste Liebensnacht der Protagonisten - hatte die Crew von

Ob Heimatfilm der 1950er, Tatort oder James Bond – der lieferte schon für viele Film- und Fernsehproduktionen stimmungsvolle Kulissen.

Pfahlbauten Unteruhldigen

Foto: Achim Mende

Regisseur Harald Reinl seinerzeit die der Halbinsel Mettnau vorgelagerte Liebensinsel ausgewählt. Weil ihnen die natürliche Frühlingskulisse dort nicht opulent genug erschien, legten die Requisiteure den Bäumen noch allerhand künstlichen Blumenschmuck an. Den Namen Liebensinsel trug das rund 2600 Quadratmeter große Eiland aber schon lange bevor der rührselige Streifen gedreht wurde. Offenbar hatten nicht erst die Heimatfilmer das unbewohnte Fleckchen im Untersee als geeigneten Ort für amouröse Begegnungen entdeckt. Für den Fremdenverkehr in der Bodenseeregion war der Film eine ziemlich nachhaltige Marketinginitiative. Jahrzehntelang wurde die Heimatschmonzette immer wieder mal in den dritten Fernsehprogrammen ausgestrahlt und brachte die attraktiven Schauplätze in die deutschen Wohnzimmer.

BODENSEE 11

NACH DER LIEBE KAMEN MORDE In den 1960er Jahren war der Heimatfilm passé, die Filmschaffenden wendeten sich anderen Genres zu. Der Bodensee aber blieb weiterhin gefragte Film- und Fernsehkulisse. Unter anderem bei den Machern der TV-Krimireihe „Tatort“. Seit 2002 ermittelt Kriminalhauptkommissarin Klara Blum, gespielt von Eva Mattes, in Konstanz und Umgebung. Seit 2004 steht ihr dabei Hauptkommissar Kai Perlmann, in der Gestalt von Schauspieler Stephan Bezzel, zur Seite. Zwei Folgen Bodensee-Tatort pro Jahr ließ der Südwestfunk produzieren. Oft war es gerade der Kontrast zwischen der malerischen Umgebung und der Grausamkeit eines Verbrechens, den Drehbuchschreiber effektvoll in Szene setzten. In der Folge „Das schwarze Haus“ - dem 19. Tatort vom Bodensee - ermitteln die TVKommissare in einer Künstlerkolonie, wo ein Maler heimtückisch ermordet wurde. Der Fernsehgemeinde wird der Campingplatz Sandseele auf der Insel Reichenau zunächst als perfektes Idyll präsentiert: Leichter Nebel liegt über dem Wasser, die Sonne scheint, Vögel zwitschern. Plötzlich ein lauter Knall, eine Stichflamme lodert gen Himmel. Der Campingwagen, in dem ein Musiker wohnt, ist explodiert, kein Unfall, wie sich bald herausstellt …

ETWAS MOGELN MUSS SEIN Ein bisschen Trickserei gehört auch beim Tatort dazu, wenn es darum geht, die schönen Bodenseelandschaften effektvoll ins Drehbuch zu integrieren. So lässt man Kommissarin Blum auf ihrem Weg von Konstanz in die Schweiz über den von Pappeln gesäumten Damm fahren. In Wirklichkeit führt der Damm auf die Insel Reichenau und endet dort. Aber das wissen nur die Ortskundigen. Das Gros der Tatort-Zuschauer wundert sich über die Dienstfahrt auf der wunderschönen Alleenstraße sicherlich nicht. Für die im Februar 2013 erstmals ausgestrahlte Tatort-Folge „Die schöne Mona ist tot“ wählten die LocationScouts die Marienschlucht am Südufer des Überlinger Sees aus. In der Tatort-Welt ist dort ein Auto von einer Klippe in den See gestürzt. In Wirklichkeit gibt es über der spektakulären Schlucht gar keine Straße, auf der ein Auto fahren und in die Tiefe stürzen könnte. Weil der Drehort in einem

Naturschutzgebiet liegt, musste das Tatort-Team strenge Auflagen erfüllen - eine Spezialfirma hatte den Wagen vor dem „Absturz“ von sämtlichen umweltschädlichen Flüssigkeiten befreit.

ECHTER ZOLL BEI FALSCHEN KOMMISSAREN Dass die Behörden das Treiben der Tatort-Crew mit Argwohn beäugen, kommt trotzdem gelegentlich vor, sagt Henry Gerlach, der mit Fans der Serie in Konstanz „Tatort-Führungen“ macht. So war der Zoll sofort zur Stelle, als beim Tatort-Dreh im Hafen von Konstanz eine Yacht, die man zuvor eigens zu diesem Zweck aus dem schweizerischen Romanshorn geholt hatte, per Kran aus dem Hafenbecken gehievt wurde. „Wenn ein Schweizer Schiff in einem deutschen Hafen aus dem Wasser gehoben wird, handelt es sich um einen Import, und dann wird Einfuhrzoll fällig“, klärt Gerlach auf. „Die Fernsehcrew musste also Überzeugungsarbeit leisten und den Männern vom Zoll klarmachen, dass die Yacht beim Dreh lediglich aus dem Wasser gehoben, nicht aber an Land gebracht werden sollte. Am Ende des Drehtages käme sie ohnehin wieder in die Schweiz zurück. Die Beamten hätten dann stundenlang am Hafen verweilt, um das Geschehen rund um die Yacht im Blick zu behalten. Ob professionelles Misstrauen oder Spaß am Zuschauen der Grund dafür waren? Das weiß auch der Konstanzer Tatort-Experte nicht.

Der kanadische Regisseur David Cronenberg kam vor ein paar Jahren an den Bodensee, um einige Szenen seines Films „A dangerous method“ (deutsch „eine dunkle Begierde“) zu drehen. Eigentlich sind Wien und der Zürichsee die Orte der Geschichte die Anfang des 20. Jh. spielt und sich um den Psychiater C.G. Jung und dessen Affäre mit einer Patientin dreht. Die Gegend am Zürichsee war Cronenbergs Location-Scouts zu stark zersiedelt. In Überlingen und Konstanz fanden sie geeignete Drehorte. Das Konstanzer Humboldt-Gymnasium „spielt“ in dem Film die Burghölzli-Klinik, ein psychiatrisches Krankenhaus in Zürich und einst Wirkungsstätte von Psychiater Jung. Daniel Craig, alias James Bond 007, ließ Regisseur Marc Forster 2008 für den Streifen „Quantum of Solace“ (deutsch „ein Quantum Trost“) auf der spektakulären Bregenzer Seebühne agieren. Während einer Aufführung von „La Traviata“ spielt sich eine wilde Verfolgungsjagd zwischen dem SuperSpion und „den Bösen“ ab. Text: Susanne Kilimann

INFO

doppio / märz 2015

In Konstanz gibt es Tatortführungen. Termine kann man bei der Tourist Info erfragen: Bahnhofsplatz 3 Tel. 07531/13300 www.konstanz-tourismus.de

Müster Konstanz

Foto: Achim Mende

12

doppio / märz 2015

SPIELWIESE MIT TÜRMEN Stadttore und Türme, manche rund, manche eckig, bunt verziert oder karg, mit Schießscharte oder Pechnase ausgestattet - Ravensburg begeistert Besucher mit mittelalterlicher Kulisse und Spielefans mit Memory, Malefiz & Co. Keine Frage, die 212 Stufen erfordern etwas Kondition. Die sportliche Übung lohnt sich aber - zumindest an Tagen mit klarer Sicht. Vom 51 Meter hohen Blaserturm im Herzen von Ravensburg kann man weit ins Land schauen, manchmal sogar bis zum knapp 20 km entfernten Bodensee. Der Blaserturm war einst Teil der mittelalterlichen Befestigungsanlage. Wie so vieles in der oberschwäbischen Stadt, hat auch dieses Bauwerk die Zeiten überdauert. Denn Ravensburg ist von Weltkriegsbomben verschont geblieben. Das Haus, das sich unten an den Turm duckt, ist das „Waaghaus“. Im späten 15. Jahrhundert errichtet, war es das erste Kaufhaus der Ravensburger. Dem Turm gegenüber hält das Zunfthaus der Lederinnung - schlicht „Lederhaus“ genannt - die Stellung. Genau wie das rote, spätgotische Rathaus, das ebenfalls hier, am Marienplatz, dem Lauf der Zeiten trotzt, legt es Zeugnis von der wirtschaftlichen Blütezeit ab. Im späten Mittelalter nämlich

brachte die „Große Ravensburger Handelsgesellschaft“, die sich auf Leinenhandel spezialisiert hatte und Niederlassungen in ganz Europa unterhielt, beträchtlichen Reichtum in die Stadt - bis sie dann 1530 sang- und klanglos von der Weltbühne verschwand. Zerwürfnisse der Ravensburger Handelsfamilien und die zunehmende Konkurrenz der St. Gallener und der Augsburger haben dem prosperierenden Unternehmen ein klägliches Ende bereitet. Bei einem geführten Rundgang oder auf eigenen Faust können Besucher heute mit dem mittelalterlich geprägten Städtchen auf Tuchfühlung gehen. Dazu gehört natürlich auch, dass man sich genügend Zeit nimmt, für die vielen kleinen Läden, die Restaurants und Cafés rund um den Marienplatz. Gute schwäbische Küche gibt’s im Gasthof „Zum Engel“. Bei schönem Wetter lässt man sich am besten an einem Tischchen draußen nieder. Dort hat man das quirlige Geschehen gut im Blick. Früher oder später kreuzen sich die Wege „aller“ Ravensburger auf dem Marienplatz, er ist die zentrale Schnittstelle, bildet den Übergang zwischen der um 1250 gegründeten Oberstadt mit den vornehmen Patrizierhäusern im Osten und der rund 100 Jahre jüngeren Unterstadt im Westen, wo kleine Handwerkerhäuser das Bild prägen. Am Marienplatz beginnt die Marktstraße - der mittelalterliche Prachtboulevard der Oberstadt. Noch heute wird hier - immer samstags - zwischen stattlichen Bürgerhäusern Wochenmarkt gehalten. Am Anfang der Straße (Nr.13) steht das Alte Theater, „Brotlaube“ genannt, weil es zunächst allein dem Verkauf von Bäckereiwaren diente, bis

RAVENSBURG 13

doppio / märz 2015 1698 dann erstmals ein Theaterstück in dem Saal des frühbarocken Bauwerks aufgeführt wurde. Haus Nummer 45 bietet Eingang ins Humpis-Quartier. Sieben Gebäude aus verschiedenen Jahrhunderten sind bilden ein einzigartiges Wohnensemble und sind zu einem Museumskomplex vereint. Der Innenhof zwischen den hutzeligen Fachwerkhäusern und dem stattlichen Bau an der Straße, der noch bis 2005 bewohnt wurde, wird modern und sehr gelungen von einem Glasdach beschirmt. An Audiostationen erzählen „die einstigen Bewohner“ ihre Lebensgeschichte und lassen so das Ravensburg vergangener Epochen lebendig werden.

Am Ende der Marktstraße hält seit fast 600 Jahren das Obertor mit dem wehrhaften Erker, Pechnase genannt, die Stellung. Die Mehlsackstraße führt zum nächsten Turm, einem weißen, runden Vertreter, den die Ravensburger „Mehlsack“ getauft haben. Als Aussichtsturm leistete auch er bis vor kurzem gute Dienste, nach einer nicht bestandenen Brandschutzprüfung bleibt die Mehlsacktür derzeit aber leider geschlossen. Unterhalb des Turms liegt die Burgstraße. Dort hat das alte Ravensburg kürzlich Zuwachs bekommen. 2013 eröffnete hier das Kunstmuseum, ein Neubau, der sich harmonisch in das historische Areal einfügt. Dem Stuttgarter Architekturbüro Lederer, Ragnarsdóttir und Oei brachte dieses Projekt den Deutschen Architekturpreis ein. Innen beherbergt das Haus eine der größten Privatsammlungen Süddeutschlands - die des Werbeberaters Peter Selinka, der ein Faible für die Expressionisten hatte. Text: Susanne Kilimann Fotos: Roland Halbe

Humpis Quartier

Kunstmuseum Ravensburg

TOURIST INFORMATION Kirchstr. 16, Tel. 0751/828 00, www.ravensburg.de Montag - Freitag 9.00 - 17.30 Uhr, Samstag 10.00 - 13.00 Uhr Blaserturm Marienplatz 28, April - Oktober täglich 11 - 16 Uhr Eintritt 1,50 Euro / Kinder frei Humpis Quartier, Marktstr. 45, www.museum-humpis-quartier.de Di-So 11 - 18 Uhr, Do bis 20 Uhr, Eintritt 4 Euro / Kinder frei Kunstmuseum, Burgstr. 9, www.kunstmuseum-ravensburg.de Di-So 11 - 18 Uhr, Do bis 19 Uhr, Eintritt 6 Euro / Kinder frei Museum Ravensburger, Marktstr. 26, www.ravensburger.de täglich 11 - 18 Uhr, Eintritt 7,50 Euro / Kinder 5,50 Euro

EINKEHRTIPP: Gasthof Zum Engel, Marienplatz 71 Telefon: 0751/36 36 130, www.engel-ravensburg.de

INFO

Ebenfalls an der Marktstraße findet sich das Haus der Ritter Schellenberg zu Kißlegg mit prächtiger Fassadenmalerei. Die vornehme Adresse ist seit 1883 Stammsitz des Buch- und Spieleverlags Otto Maier Ravensburger AG. Und wer kennt dessen Spiele nicht? Drinnen lädt das Museum Ravensburger ein, in der Welt von Memory und Malefiz zurückzukehren, sich per Audioguide erklären zu lassen, wie ein Spiel entsteht oder selbst mal als lebensgroße Spielfigur auf dem Brett zu stehen. Und die Frage, warum Puzzleteile immer ineinander passen, beantwortet die Heimstatt der Spiele auch.

14

RIGA

DAS HERZ DES BALTIKUMS

Schwarzhäupterhaus

Jugendstilfassade, Elsbeta 10

Die Metropole des Baltikums an der Mündung der Daugava gilt als eine der schönsten Städte Nordeuropas und verzückt mit ihrer Mischung aus Mittelalter, Jugendstil und Holzarchitektur. Dom, Schloss, Petrikirche, Freiheitsdenkmal und die vielen Cafés, Restaurants und Kneipen sind die Besuchermagneten. Das Schwarzhäupterhaus am Rathausplatz ist in vielerlei Hinsicht ein Symbol der lettischen Hauptstadt. Schwarzhäupter nannten sich früher die unverheirateten Kaufleute, die in Gilden zusammengeschlossen waren. Ihr Haus war immer einer der Brennpunkte des kulturellen Lebens der Stadt und zeugte vom Reichtum seiner Besitzer. Hier wurden Konzerte gegeben und hohe Gäste empfangen, außerdem beherbergte das Haus eine der größten Sammlungen wertvoller Silbergegenstände. Dann kam der Zweite Weltkrieg und am 29. Juni 1941 wurde das Schwarzhäupterhaus vollständig zerstört. Lange Jahre blieb der einstige Prachtbau eine Ruine, denn während der Sowjetzeit hatten die Rīgaer andere Sorgen. Erst nach der Unabhängigkeit wurde das Wahrzeichen wieder aufgebaut und im Dezember 1999 feierlich eingeweiht. Heute ist seine reich verzierte Backsteinfront mit den prächtigen Skulpturen wieder ein Schmuckstück des Rathausplatzes und ein

Symbol für den Willen Rigas wieder eine der schönsten Metropolen des Baltikums zu werden. Auf diesem Weg ist die Stadt schon ein gutes Stück vorangekommen, denn zum 800jährigen Jubiläum im Jahre 2001 hat sich die Jugendstilstadt an der Daugava mächtig herausgeputzt und auch in den Jahren danach hat sie weitere Fortschritte gemacht.

Drei goldene Sterne für die Freiheit Die breite, träge fließende Daugava trennt das alte Rīga von den architektonisch wenig reizvollen Neubauvierteln. Einen schönen Blick auf die Altstadt, aus der viele unterschiedliche Kirchtürme hervorstechen, kann man von einer der Brücken über den Fluss werfen. Überquert man den Fluss, ist man zu Fuß in wenigen Minuten mitten im Zentrum. Die kopfsteingepflasterten Gassen, in denen sich schon vor Jahrhunderten Handwerker, Händler und Seefahrer aus aller Herren Länder drängelten, sind gesäumt von pracht-

vollen Bauten: Dom, Schloss, Petrikirche, Jakobikirche, Schwedentor, Pulverturm, das alte Zollgebäude und natürlich das Schwarzhäupterhaus sind Ziele eines jeden Stadtbummels, wobei unterwegs immer wieder offene Plätze, kleine Parks und gemütliche Freiluftcafés zum Verweilen einladen. Auf dem Brivibas bulvaris, einer der Lebensadern der Stadt, gelangt man schließlich zur Laima-Uhr, einem der beliebtesten Treffpunkte von Rīga und danach zur Freiheitsstatue. An der Spitze der schlanken Steinsäule reckt die Gestalt der Freiheit drei goldene Sterne als Symbol der historischen Provinzen Kurzeme, Latgale und Vidzeme in den Himmel. In den 1930er Jahren erbaut, war dieses Monument immer ein unübersehbares Zeichen der Letten für das Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit. So war es auch nur logisch, dass hier viele Demonstrationen gegen die Sowjetunion stattfanden. Es mag nicht das schönste Wahrzeichen der Stadt sein, aber für die Rigaer ist es das Wichtigste.

doppio / märz 2015

SCHLÄGT IN

Jugendstilfassade

Die Hauptstadt des Jugendstils Einmalig in ganz Europa sind die Jugendstilbauten Rīgas, denn nirgendwo sonst findet man so viele wunderschön restaurierte Jugendstilhäuser wie hier. In den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg erlebte Rīga einen regelrechten Bauboom. Während dieser Zeit entstanden zahlreiche Mietshäuser, die deutschen und lettischen Architekten waren seinerzeit von der lettischen Volksbaukunst und vom belgischen und österreichischen Jugendstil beeinflusst. Die prachtvollsten Gebäude entwarf Michail Eisenstein, der Vater des Regisseurs Sergej Eisenstein, allein in der schönsten Rīgaer Straße, der Alberta iela, stammen sechs Mietshäuser von ihm. Sehenswerte Fassaden, die oft vor opulenten Ornamenten, Löwenköpfen und Phantasiegestalten überquellen, befinden sich in erster Linie nördlich der Altstadt in der Alberta iela und der Elizabetes iela, aber auch in der Marijas iela und der Brīvības iela. Wer auf die Suche nach diesen Kleinodien des Jugendstils geht, wird in fast jeder Straße der Rīgaer Innenstadt fündig und auch der Blick in so manchen Hausflur lohnt, denn auch dort warten kunstvolle Fabelwesen, Nymphen und

15

RIGA

Brücke über die Daugava

Satyrn. Gute Architektur sei gefrorene Musik, sagt man, wenn dies stimmt, ist Rīga eine perfekte Sinfonie.

Musik, Schnaps und Schokolade Nicht umsonst wurde Rīgas Altstadt in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen, aber die lettische Hauptstadt ist nicht nur ein lebendiges Museum, sie ist auch eine äußerst quirlige Metropole – vielleicht die einzige, aber auf jeden Fall die größte des Baltikums. So ist es nicht verwunderlich, dass die Besucherzahlen von Jahr zu Jahr steigen und auch die Zahl der Kreuzfahrttouristen, die hier einen Zwischenstopp einlegen, wird immer größer. Wer das Rīga der Einheimischen erleben möchte, sollte zu den ehemaligen Zeppelinhallen aus dem Ersten Weltkrieg gehen. In und um die riesigen Hallen befindet sich der Zentralmarkt der Stadt mit einem schier unbegrenzten Angebot an Lebensmitteln. Viele Händler kommen von weit her, um hier ihre Waren anzubieten und auch wer nichts kaufen möchte, kommt in dem Gewühl auf seine Kosten. Hier findet man natürlich auch die traditionsreiche Laima-Schokolade oder den Kräuterlikör „Melnais Balzāms“, eine hochprozentige lettische Spezialität, die so gut

wie jedes Wehwehchen lindern soll. Musikliebhaber sollten vor der Abfahrt unbedingt noch Ausschau nach einer CD vom letzten großen Sängerfest halten, denn für die Letten ist Musik ein ganz wichtiger Bestandteil ihrer Kultur, die ihnen half, die nationale Identität auch in Zeiten der Fremdherrschaft zu bewahren. Zudem ist es ein unvergessliches musikalisches Erlebnis, den größten Chören der Welt zu lauschen, die oft aus mehreren zehntausend Sängern bestehen. Text und Fotos: Christian Nowak

INFO TOURISTENINFORMATION RIGA 6 Rātslaukums (Rathausplatz) Tel. +371 6703 7900 [email protected] Mai-Sept. täglich 10.00-19.00 Uhr, sonst bis 18.00 Uhr www.liveriga.com

16

doppio / märz 2015

Blick aufs Rathaus von Aker Brygge

Schöner kann eine Stadt kaum liegen! Das Zentrum schmiegt sich um den hufeisenförmigen Fjord, die Außenbezirke ziehen sich die Berghänge hinauf und verlieren sich im Grün der Wälder. Doch seit einigen Jahren verlässt sich Oslo nicht mehr nur auf seine einmalige Lage, kulturelle Großprojekte verändern die Stadt.

NORWEGEN: OSLO - eine Stadt im Wandel Wie ein Amphitheater zwischen Meer und Wald wirkt die norwegische Hauptstadt, mit den weithin sichtbaren Wahrzeichen des klobigen Rathauses am Fjordufer und der kühn geschwungenen Holmenkollenschanze hoch über der Stadt. In den letzten zehn Jahren ist Oslo um rund 150 000 Einwohner gewachsen und Prognosen gehen davon aus, dass dieser Trend auch in den nächsten Jahren anhalten wird. Ähnlich verhält es sich mit den Touristenzahlen, obwohl die norwegische Hauptstadt zu den teuersten Städten der Welt zählt, zieht sie ständig mehr Besucher an. Die reichlich sprudelnden Öleinnahmen sorgen für gut gefüllte Kassen, Staatsverschuldung ist für die Norweger ein Fremdwort. So bleibt genügend Spielraum für kulturelle Großprojekte und eine Rundumerneuerung der Stadt. Seit einigen Jahren investiert die Stadt viel Geld in das Projekt Fjordbyen - die

Stadt am Fjord. Es ist das größte städtebauliche Konzept, seit König Christian IV. Anfang des 17. Jahrhunderts das alte Kristiania nach einem verheerenden Brand hinter der Festung Akershus neu errichten ließ. Seit dieser Zeit war Oslo zwar die unumstrittene Hauptstadt des Landes, doch das Fjordufer wurde immer mehr zu einer tristen Gegend mit Hafenanlagen, Industriegebieten, Eisenbahngleisen und einem Gewirr von Autobahnen. Dies soll sich in den nächsten Jahren grundlegend ändern. Die Seeseite der Stadt soll zur Schokoladenseite werden und vor allem wieder für die Allgemeinheit zugänglich sein. Diese Revitalisierung der Wasserlagen am Fjord und an den Flüssen, insbesondere entlang der Flüsse Akerselva und Alnaelva, wird das Stadtbild in struktureller, funktioneller sowie ästhetischer Hinsicht komplett verändern.

OSLO 17

doppio / märz 2015

Das neue Wahrzeichen der Stadt Seit den 1950er Jahren ist das Rathaus aus rotbraunen Ziegelsteinen das Wahrzeichen der Stadt. Was musste der klobige Bau nicht alles an Kritik einstecken und auch heute noch haben die Osloer ein eher zwiespältiges Verhältnis zu ihrem Wahrzeichen. Mit der Fertigstellung der Oper im Jahr 2008 besitzt Oslo nun ein neues Wahrzeichen an ebenso prominenter Stelle, das im Gegensatz zum Rathaus aber von Anfang an mit Lob überschüttet wurde. Der von dem international anerkannten Architekturbüro Snøhetta geplante mormorweiße Bau am Fjord hat mittlerweile fast ein Dutzend Preise eingeheimst. Mit der Oper ist den Osloern der große Wurf gelungen, die Vorstellungen sind fast immer ausverkauft, das Haus gilt als architektonisches Meisterwerk und neues Wahrzeichen der Stadt und lädt Besucher zudem noch als begehbares Kunstwerk zum Verweilen und Schauen ein. Im Rahmen des Projektes Fjordbyen spielt die neue Oper als Prestigeobjekt zwar eine wichtige Rolle, macht aber nur einen kleinen Teil aus. So soll sich die Umgebung der Oper – der Stadtteil Bjørvika – nach und nach in ein attraktives und lebendiges Viertel mit Wohnungen, Büros, Geschäften und Restaurants verwandeln. Dazu gehört auch die Fertigstellung eines weiteren Tunnels, durch den mehr als 100 000 Autos pro Tag aus der Hafengegend verbannt werden. 2008 hat die Stadt Oslo beschlossen, für die Kunstwerke von Edvard Munchs und die Stenersen-Kunstsammlung ein neues Museum im Stadtteil Bjørvika zu bauen. Den internationalen Wettbewerb gewann der spanische Architekt Juan Herreros mit seinem Entwurf „Lambda“, einem 57 m hohen Glasgebäude. Allerdings konnten sich nicht alle mit dem extravaganten Entwurf anfreunden, deshalb wurden die Pläne für einige Jahre auf Eis gelegt. Weitere Projekte in Planung sind das neue Nationalmuseum sowie der Neubau der Deichmannschen Bibliothek, die 2018 bzw. 2019 fertig werden sollen.

INFO TOURIST INFORMATION VISIT OSLO

Oper in Oslo

Im Bahnhof Oslo S Tel. +47 815 30 555 www.visitoslo.com Täglich 9.00-18.00 Uhr

Vorbild Aker Brygge Angefangen hat die Umgestaltung der Stadt mit Aker Brygge. Vor gut 20 Jahren befand sich jenseits des Hafenbeckens Pipervika noch eine der größten Werften des Landes. Als sie schließen musste, entstand aus der ehrwürdigen Schiffswerft ein komplett neuer Stadtteil, der durch seine faszinierende Mischung aus alten Backsteinbauten und moderner Glas- und Stahlarchitektur beeindruckt. Die Osloer, vor allem die Jüngeren, haben diese Vergnügungsmeile begeistert angenommen. Sobald die Sonne sich blicken lässt, schlendern sie über die Uferpromenade, genießen die wärmenden Sonnenstrahlen auf den Bänken, schnuppern die Seeluft vom nahen Fjord, lauschen dem Live-Jazz von den Pontons und

genießen ein Bier im Freien. Mittlerweile wird auch in Aker Brygge wieder gebaut, um das Angebot an Wohnungen und Büros, teils auf künstlichen Inseln, zu erweitern. Schon fertig ist der Stadtteil Tjuvholmen, der sich an Aker Brygge anschließt. Die Gebäude wurden von mehr als 20 verschiedenen Architekten entworfen und zeigen eine gelungene Mischung an derzeitigen Trends in der europäischen Architektur. Blickfang ist das vom Stararchitekten Renzo Piano entworfene und mittlerweile eröffnete Astrup Fearnley Museum. Text und Fotos: Christian Nowak

Tjuvholmen

18

doppio / märz 2015

KRÄUTERDORF IRSCHEN: Ein Dorf voller Duft und Farbe

„ Stiefmütterchen für die Haut, Pfingstrose für Schönheit und Liebe“

OBERKÄRNTEN 19

doppio / märz 2015

Im kleinen Ort Irschen in Oberkärnten steht alles im Zeichen von Thymian, Minze, Kapuzinerkresse und Co. Ein Kräuterdorf voller Duft und Farbe.

Was in Irschen in der Luft liegt, grenzt an Reizüberflutung für die Nase. Ein betörender Mix aus lieblichem Lavendel, dem süßen Aroma von Rosen, dem würzigen Duft von Salbei, wildem Thymian, Ananasminze und Zitronenmelisse. «Wir nehmen das schon gar nicht mehr wahr», sagt Alexandra Regenfelder lachend. «Ist das nicht eine Schande?» Und wie! Die gelernte Köchin, die Seifen, Badekugeln und Marmeladen aus Blüten und Kräutern herstellt, spricht stellvertretend für ihre Irschner Mitbürger, von denen eigentlich jeder irgendwas «mit Kräutern macht». Denn der kleine Ort in Kärnten, auf einem sonnigen Hang der Kreuzeckgruppe gelegen, nennt sich seit 20 Jahren «Natur- und Kräuterdorf». Ursprünglich eine aus der Not geborene Idee. «Wenn du im eher untouristischen Teil Kärntens liegst, ein bisschen ab von den ganzen Badeseen, dann musst du dir was überlegen», erklärt Naturtourismusberater Eckart Mandler. Deshalb hatte er 1992 die Idee, das alte Kräuterwissen, das in seinem Heimatort seit Jahrhunderten vorhanden war, zu nutzen. Bücher wurden gewälzt, alte Bäuerinnen befragt, eine Studie zu Heil- und Wildkräutern mit der Universität für Bodenkultur in Linz durchgeführt. Und seitdem duftet und blüht es in Irschen was das Zeug hält.

Ein Ort voller Kräuterfeen Zehn offizielle „Kräuterfeen“ - keine Kräuterhexen wohlgemerkt - betreiben hier eine bezaubernde Form moderner Magie. Eine von ihnen ist die Bergbäuerin Rosmarie Kranabetter. Auf über 1100 Höhenmetern liegt ihr malerischer Hof - beeindruckendes

Bergpanorama samt gemütlich dahinfließender Drau inklusive. Je höher die Lage, desto intensiver das Kraut, so die goldene Regel. Rosmarie tritt auch gleich zum Beweis an und führt uns in ihren 1000 Quadratmeter großen Kräutergarten. „Schon mal Bananenminze gekostet? Damit lassen sich Desserts und Kuchen wunderbar süßen“, verrät sie und rupft sogleich ein Blättchen besagter Pflanze aus. „Malve unterstützt Lunge, Bronchien, Magen und Darm. Zitronenmelisse ist herzstärkend, und Frauenmantel kann sogar bei Depressionen im Klimakterium helfen.“ Nicht, dass es schon so weit wäre, aber gut zu wissen. Bis zu 15 Frauen aus dem Dorf helfen der sympathischen Kräuterfrau bei der Ernte – unentgeltlich und voller Begeisterung. Hilde Winkler etwa ist die Expertin für die komplizierteren Pflanzen. Brennnessel- oder Mariendistelsamen erntet sie, was gleichermaßen Geduld und Geschick erfordert. Hermine Kranabetter, von allen nur die „Schneider-Mama“ genannt, ist die älteste der fleißigen Erntehelferinnen. Mit Mitte siebzig geht sie noch jeden Tag zu Fuß den steilen Weg vom Dorf zum hoch gelegenen Bergbauernhof hinauf. Wie sie in tomatenrotem Kittel vor grasgrüner Landschaft himmelblaue Kornblumen erntet, hat schon was. Das finden auch Karin und Manfred Gebauer aus dem Allgäu. Die beiden Rentner sind in Kärnten gestrandet – auf dem Weg nach Kroatien hat eine Verletzung an Karins Bein die beiden zum Bleiben gezwungen. Nun besuchen sie Rosmaries Kräutergarten, und siehe da, schnell stellt sich heraus, dass Karin selbst Kräuterfachfrau ist und etwa hundert Sorten in ihrem heimischen

Garten zieht. Sofort beginnt sie mit Rosmarie eine Fachsimpelei, tauscht Erfahrungen aus und verrät der interessierten Kärntnerin ihr Rezept für Rosenblütengelee. Kräuterfrauen unter sich.

Hochprozentiges und Heilendes In die weibliche Domäne hat es aber auch ein Quoten-Mann geschafft. Walter Heregger betreibt unten im Dorf einen Gasthof. Jeden Donnerstag bietet er eine Verkostung seiner selbstgebrannten Kräuterschnäpse an. 17 an der Zahl. Die Kräuter zieht er im eigenen Garten oder sammelt sie bei Wanderungen mit Gästen in der freien Natur. Sein Klassiker ist der „Zehn Kräuter Schnaps“ mit Koriander, Angelika, Alpenbeifuß, Melisse, Johanniskraut, Nelken, Himmelbrand, Steinraute, Wacholder und Kardamom. Vier Wochen ansetzen, abfiltern und dann noch mal vier bis fünf Wochen ruhen lassen. „Wichtig ist, dass man jeden Tag probiert, ob‘s gut schmeckt“, verrät er mit einem Augenzwinkern. Und fügt hinzu: „Die Deutschen nehmen immer meinen ‚AntiStress-Schnaps‘, die Italiener den Enzian und die Holländer und Belgier alles, was süß ist.“ Apropos Enzian – hier ist Vorsicht geboten, denn der ist nur was für ganz Harte. Medizin pur. Gerade die Heilwirkung von Kräutern und Pflanzen ist es, die die Naturheiltherapeutin Annette Wallner interessiert. Zusammen mit ihrem Mann Edi hat sie den über 300 Jahre alten Fundahof restauriert und darin eine kleine Praxis eingerichtet. Aus den Irschner Kräutern stellt sie homöopathische Mittel, Blütenessenzen, Salben, Tinkturen und vor

20

doppio / märz 2015

Hermine im Kornblumenfeld

allem Räucherwerk her. Ähm, Räucherwerk? «Das Räuchern ist eine uralte, keltische Tradition, bei der durch Verbrennen von Kräutern eine Verbindung zu den Geistern hergestellt wurde», erzählt Annette. «Die Menschen richteten dann Bitten an die Geister – zum Beispiel die Heilung einer Krankheit.» Aha. Der kleine Schwatz mit heidnischen Geistern ist aber heute nicht mehr ihr Primär-Ziel, oder? Die hübsche blonde Frau lacht. «Nein. Ich räuchere, weil es klärend, desinfizierend und entspannend wirkt. Wenn du dich zum Beispiel mit deinem Partner gestritten hast, dann ist es gut, Melisse und Johanniskraut zu räuchern. Das neutralisiert die bösen Worte.» Tatsächlich ist es in Kärnten noch heute üblich, in den so genannten Raunächten, also Weihnachten, Silvester und Dreikönig, mit großen Räucherpfannen durch Haus und Stall zu ziehen. Bei Annette geht es aber auch eine Nummer kleiner. Rasch holt sie ein handliches Räuchergefäß, Brennkohle und getrocknete Kräuter aus dem Haus. Als sie eine Schnitt-

lauchblume verbrennt, gibt es mal wieder eine Überraschung. «Riechst du es?», fragt Annette. «Es duftet nach italienischer Pizza. Wenn mein Mann nicht mit mir essen gehen will, verbrenne ich eine Schnittlauchblüte, und er bekommt sofort Hunger.» Ganz schön clever.

Betörender Duft Auch bei den Produkten von Andrea Huber kommt der Speichelfluss schnell in Gang. Die Aromapraktikerin stellt Hydrolate her –Pflanzenwasser, die weniger stark konzentriert sind als ätherische Öle. Die Hydrolate benutzt sie in der Kosmetik, als Raumduft oder in der Aromaküche. „Gestern hat meine Schwester ein Risotto mit Rosmarinhydrolat gekocht“, erzählt sie. „Und von mir gab‘s hinterher Hollernockerln mit Obstsalat und Vanillehydrolat.“ Klingt das nach einem Gedicht? Wer Kräuterküche, NaturkosmetikHerstellung oder Räucherwerk selbst ausprobieren will, kann in Irschen eine Vielzahl an Seminaren, Workshops

und Führungen besuchen. Oder sich einfach per Rundgang durch den hübschen Ort inspirieren lassen. Etliche Kräuterstationen vermitteln Wissenswertes rund um Wirkungsweise und Anwendungsmöglichkeiten, verwöhnen das Auge mit blühender Farbpracht und die Nase mit aromatischem Duft. Folgt man letzterer, landet man automatisch irgendwann im Kräuterhaus Pfarrstadl, wo all die wunderbaren Produkte der Irschner Kräuterfeen zu kaufen sind. Und hier beginnt dann erst die echte Qual der Wahl. Das Kräutersalz? Die Lavendelseife? Den Gute-Laune-Kräutertee? Am besten gleich alles einpacken! Text und Fotos: Alexa Christ

Nur unsere Gäste sind glamouröser.

Behrenstrasse 37 Bebelplatz /Unter den Linden 10117 Berlin Tel: +49 30 460 60 90 www.hotelderome.de

22

doppio / märz 2015

Vom Arme-Leute-Essen zum kulinarischen Kick hat der Steirische Ölkürbis eine erstaunliche Karriere hingelegt. Im südlichsten Winkel der Steiermark produziert der Berufsstand der Ölmüller daraus das einzigartige Kürbiskernöl.

GRÜNES GOLD DER BERGE Von Hobbyköchen wie Spitzengastronomen geschätzt: Steirisches Kürbiskernöl. Foto: Thomas Kunz

Wofür die Menschen im heutigen Mexiko und dem südlichen Nordamerika vor rund 10.000 Jahren die Frucht verwendet haben, ist nicht überliefert. Bitter soll sie gewesen sein, und man hat wohl viele Jahrhunderte lang versucht, ihr diese Bitterkeit auszutreiben. Die spanischen Eroberer des frühen 16. Jahrhunderts fanden die Riesenbeere so interessant, dass sie sie nach Europa mitbrachten. Still und fleißig hat sie sich dann überall kultivieren lassen, doch wohl in Erinnerung an ihre Herkunft nur in wärmeren Regionen. Die Familie der Cucurbitaceae mit ihren fünf domestizierten Unterarten wuchs und wuchs, und heute ist sie gut etabliert in den Küchen der Welt. Die feinsten Exemplare kommen als Suppe daher, als Gemüse auch, und sie schauen etwas verächtlich auf ihre ungehobelten Geschwister, die sich aushöhlen lassen und mit einer Kerze im Innern an Halloween brave Leute erschrecken.

Das „grüne Gold der Steiermark“ wird abgefüllt.

Foto: Thomas Hartlieb

Die wohl vornehmste der Unterarten ist Cucurbita pepo var. styriaca: der Steirische Ölkürbis. Seine noch junge Karriere verdankt er einer Mutation, bei der die sonst kürbisübliche holzige Schale um den Samenkern verschwunden ist und nur noch ein dünnes Silberhäutchen den Kern zu schützen versucht. So kann der Mensch leicht an das gelangen, was ihn mehr noch als das

STEIERMARK 23

doppio / märz 2015

Alte Maschinen im Ölmuseum auf dem Mühlenboden

Fruchtfleisch interessiert: den Samen. Der wird gewaschen, getrocknet, gemahlen, geröstet, gesalzen, gewässert, geknetet, gerührt und gepresst, und am Ende des langwierigen Verfahrens tropft das dunkelgrüne bis rötlichbraune Kürbiskernöl in die Flaschen. Eine Banderole mit der Bezeichnung „g.g.A.“ - geschützte geografische Angabe, ein herausragendes EU-Qualitätssiegel - sagt, dass dieses Öl aus der Steiermark kommt. Hier im südlichsten Winkel Österreichs sind Böden und Klima bestens geeignet, hier ist auch das Know-how versammelt, das der sonst eher belanglosen Frucht die kulinarische Köstlichkeit abgewinnt.

Foto: Thomas Kunz

die sich anderes nicht leisten konnten. Die Kürbisbauern brachten den Rohstoff in die Mühle, stellten auch Hilfskräfte für den aufwendigen Verarbeitungsprozess, und zogen am Ende mit ihrem Jahresvorrat an Öl wieder davon. Oft wurde es gestreckt oder diente als Ersatz für Schweineschmalz. Produktion und Nutzung haben sich im Lauf der Jahre geändert, die Herstellung ist mit maschineller Hilfe viel einfacher geworden. Die bei zirka 50 Grad getrockneten Kürbiskerne lassen sich lange lagern, so kann das Öl immer frisch hergestellt werden. Täglich werden etwa beim Ölmüller Thomas Hartlieb in Heimschuh 16-18 Chargen Kürbiskerne à 60 Kilo verarbeitet. Aus den rund 1000 Kilogramm Kernen entstehen 400 Liter Öl.

Beliebt bei Spitzengastronomen Rund fünfzig Ölmühlen gibt es in der südlichen Steiermark, die Ölmüller wirken teilweise in dritter, vierter Generation, verkaufen ihr Öl, das sie auch gern „grünes Gold“ nennen, im eigenen Laden oder exportieren es sogar weltweit. Alle legen größten Wert darauf, nur heimische Kürbiskerne zu verwenden und diese schonend und naturbelassen zu verarbeiten. Viele Köche - Profis wie heimische Herdwerker - schwören auf das besondere Aroma des Steirischen Kürbiskernöls: nussig, sehr intensiv, mit feinen Röstnoten. Den Geschmack testet man am besten mit einem eingetunkten Stück Brot. Zum Braten und Kochen kann man es nicht verwenden, es ist zum Verfeinern gedacht: zur Eierspeise, an Salat und Gemüse, ein paar Tropfen in der Suppe, auch als Brotaufstrich und sogar an Süßspeisen wie Eis oder Crème brûlée. Auch Ärzte sind überzeugt, dass man sich mit dem Öl etwas Gutes tut: Sehr viel Vitamin E ist drin, etwa 80 % an einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren, und natürlich kein Cholesterin. Was heute als besonders raffiniert und köstlich daherkommt, galt lange Zeit als das „Öl der armen Leute“ - weil

Ölmüller Thomas Hartlieb an einer alten Verarbeitungsmaschine Foto: Kunz

24

doppio / märz 2015

INFO Der Hofladen und das Museum der Ölmühle Hartlieb sind täglich (außer Sonntag) geöffnet. Rund 20.000 Besucher kommen jährlich nach Heimschuh. (Anreise über Graz oder Klagenfurt) Bei Führungen durch den Mühlenbetrieb mit seinen acht Mitarbeitern werden die einzelnen Produktionsschritte erklärt.

www.hartlieb.at

Urkunden auf dem Mühlenboden Das Zwischenprodukt, eine eher unansehnliche grüne Pampe, besteht aus gemahlenen, mit Wasser und Salz gemischten Kernen und wird in einer schweren Gusspfanne geröstet und gerührt. Die Rückstände vom Auspressen werden als tierisches Kraftfutter verwendet. Weil dieser „Presskuchen“ früher durch Schlagen auf einen Holzkeil entstand, hat sich die Berufsbezeichnung „Ölschläger“ etabliert. So kann sich Thomas Hartlieb nicht nennen; seine Ölmühle in Heimschuh war früher ein Sägewerk. Erst 2004 stellte der 47-jährige gelernte Holz- und Sägetechniker den Mühlenbetrieb ausschließlich auf die Produktion von Kürbiskernöl und Kürbisprodukten um. Zahlreiche Urkunden mit Auszeichnungen für sein Öl hängen auf dem als Museum hergerichteten Mühlenboden. Dort sind auch die alten Geräte, mit denen das Öl früher mühselig gewonnen wurde, zu bewundern. Wie in alten Zeiten werden die Kerne in großen Säcken gelagert und das Öl in Blechkannen aufbewahrt. Für die Vermarktung der steirischen Delikatesse haben sich Marketingfachleute den Begriff „Steirische Ölspur“ einfallen lassen. Fünf Ölmühlen, 14 Ölspurbauern und 22 Ölspurwirte in den neun Ölspurgemeinden bilden die Gemeinschaft, die auch zwei „Ölspurbotschafter“ - Spitzengastronomen außerhalb der Steiermark - ernannt hat und beispielsweise „Kürbinarische Wochen“ veranstaltet. Am schönsten aber ist es, im goldenen Herbst zur Zeit der Kürbisernte durch die Steiermark zu wandern, einzukehren und die köstlichen Speisevariationen mit dem Öl des Cucurbita pepo zu erkunden. Text: Bernhard Mogge

25

doppio / märz 2015

fe Sound up your li

Erstklassiger Sound für Deinen Urlaub - wo und wann immer Du willst! DELUXE MUSIC EDITION DELUXE MUSIC Compilation auf Micro-SD Karte inklusive!

17

5 Sound/Playtime

18

3 Sound/Playtime

BIGBASS XL universe BIGBASS universe

Erhältlich bei: Nur beim XL!

www.sound2go.net

IMPRESSUM Verlag und Herstellung: PUBLISHERS PARTNERS GmbH

www.millei-diamonds.com [email protected] Millei Diamonds AG Baarerstrasse 75 CH-6300 Zug T +41 41 710 23 73 F +41 41 560 88 007

Branch Office Germany Wilhelm-Leuschner-Straße 14 D-60329 Frankfurt a.M. T +49 69 201 74 50 F +49 69 201 74 510

Redaktion Doppio Weinstrasse 109 67480 Edenkoben Tel. 06323 988 41 16 [email protected] Verantwortlich i.S.d.P.: Dr. Sibylle Peter-Koesters