Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie

Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie von Herbert Hof, Rüdiger Dörries erweitert, überarbeitet Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie – Hof / Dörri...
Author: Stefanie Falk
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Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie von Herbert Hof, Rüdiger Dörries

erweitert, überarbeitet

Duale Reihe Medizinische Mikrobiologie – Hof / Dörries schnell und portofrei erhältlich bei beck-shop.de DIE FACHBUCHHANDLUNG

Thieme 2004 Verlag C.H. Beck im Internet: www.beck.de ISBN 978 3 13 125313 2

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B 3 Die Antigenerkennung durch Lymphozyten

Die Antigenerkennung durch Lymphozyten

3

Die Antigenerkennung durch Lymphozyten

Angesichts der Tatsache, dass noch nicht im Detail besprochen wurde, wie sich aus einer Stammzelle B- und T-Lymphozyten entwickeln, erscheint die Beschäftigung mit den Umständen der Antigenerkennung etwas verfrüht. In diesem Kapitel wird jedoch klar, dass die Ontognese lymphoider Zellen ohne die Grundsätze der Antigenerkennung nicht verständlich ist.

3.1

Antigenerkennung durch B-Lymphozyten

3.1 Antigenerkennung durch B-Lymphozyten

Die Erkennung von Antigenen durch B-Lymphozyten folgt den Prinzipien der Antigen-Antikörperbindung, da der Antigenrezeptor der B-Zelle (BCR) strukturell einem Antikörpermolekül gleicht.

B-Zellrezeptoren (BCR) sind im Gegensatz zu T-Zellrezeptoren (TCR) in der Lage, lösliche Antigene zu binden. Daher kann ein B-Lymphozyt ein komplettes, in Lösung befindliches Viruspartikel oder eine Bakterienzelle über den BCR an seiner Oberfläche binden. Die Vorgänge der Antigenbindung am BCR entsprechen den Antikörper-Antigen-Wechselwirkungen, da die strukturellen Unterschiede zwischen membranständigem BCR und sezerniertem Antikörper am carboxyterminalen Ende lokalisiert sind (BCR hydrophob, Antikörper hydrophil).

Die Antigenbindungsstelle des BCR wird durch die dreidimensionale Struktur der aminoterminalen Enden von schwerer und leichter Polypeptidkette geformt (Abb. B-3.1).

Antigenbindungsstelle des BCR: Die dreidimensionale Struktur der Antigenbindungsstelle wird von den Aminosäuresequenzen der beiden schweren und leichten Polypeptidketten und deren Wechselwirkungen untereinander bestimmt (Abb. B-3.1). Aufgrund dieses Konstruktionsprinzips ergibt sich für jeden BCR eine sehr individuelle Bindungsgrube für dreidimensionale Fremdstrukturen, die wie ein Schlüssel in das Schloss der Antigenbindungsstelle passen müssen.

Die Antigenbindungsstelle kann aufgrund ihres beschränkten Raumes nicht ein komplettes partikuläres Antigen, sondern lediglich submolekulare Strukturen binden. Solche passenden Teilstrukturen heißen antigene Epitope.

Antigenes Epitop: Natürlich ist in der Bindungsstelle nicht genügend Platz für das gesamte Antigen, sondern nur für eine Teilstruktur, die aus einer begrenzten Anzahl von Bausteinen (Aminosäuren, Zuckerresten, etc.) besteht. Diese passende Teilstruktur des Antigens wird als antigenes Epitop bezeichnet. Bei großen Proteinen oder gar Viren und Bakterien ist eine Vielzahl unterschiedlicher antigener Epitope zu finden, von denen jedes in einen individuellen BCR hineinpasst.

B-3.1

B-3.1

Bindung eines antigenen Epitops in der Antigenbindungsstelle eines Antikörpers

Epitop aus dem gp41 von HIV

VL

CL

CH

VH

VL

CL

VH

CH

HIVEpitop

Die variable Domäne der leichten Kette (VL) und die variable Domäne der schweren Kette (VH) eines Antikörpermoleküls bilden die Bindungstasche für die nicht kovalente Einlagerung einer antigenen Struktur. Dargestellt ist das Fab (fragment antigen binding) eines Antikörpers mit Spezifität für ein antigenes Epitop aus dem Hüllprotein gp41 des Humanen Immundefizienzvirus (HIV). Die zugrunde liegenden Sequenzdaten für das 3D-Modell wurden der Molecular Modeling Database (MMDB) des National Center for Biotechnology Information (NCBI) entnommen. Das 3D-Modeling wurde mit dem Programm Cn3D durchgeführt, ebenfalls beim NCBI erhältlich.

Hof/Dörries, Duale Reihe: Medizinische Mikrobiologie (ISBN 3-13-125313-4), c 2005 Georg Thieme Verlag

B 3.2 Antigenerkennung durch T-Lymphozyten

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Antikörper-Antigen-Bindung: Die Bindung des antigenen Epitops ist eine nicht kovalente Interaktion, die von mindestens vier verschiedenen Kräften bestimmt wird: Elektrostatische Anziehungskräfte, Wasserstoffbrückenbildung, van-der-Waals-Kräfte und schließlich hydrophobe Wechselwirkungen. Die Bindung des Antigens an den BCR bzw. den Antikörper ist reversibel, d. h. sie kann durch verschiedene Mechanismen wieder aufgehoben werden (z. B. Veränderungen des pH oder der Salzkonzentration).

Die Bindung von antigenen Epitopen in der Antigenbindungsstelle des BCR ist nicht kovalent und reversibel. Die Bindungsstärke wird von elektrostatischen Kräften, Wasserstoffbrückenbildung, van-derWaals-Kräften und hydrophoben Wechselwirkungen bestimmt.

Hypermutationsaktivität: Im Gegensatz zum TCR wird im Verlauf einer Immunantwort die Passform der engagierten BCRs immer besser. Dieser Umstand ist Resultat einer bemerkenswerten Mutationsaktivität in wenigen eng umschriebenen Bereichen der Sequenzen, die für die Antigenbindungsstelle kodieren. Diese Hypermutationsaktivität während der Vermehrung der antigenaktivierten B-Zelle führt zu Veränderungen in der Aminosäuresequenz des antigenbindenden Bereiches. B-Zellen, die dabei Rezeptoren mit besserer Passform generieren als der Ursprungsrezeptor, werden durch den besseren Kontakt mit dem Epitop bei der Expansion bevorzugt. Zu einem Austausch von Aminosäuren kommt es besonders häufig in bestimmten Abschnitten der variablen Bereiche von schwerer und leichter Kette, den sog. hot spots. Diese Regionen werden auch complementary determining regions (CDRs) genannt, da sie die Hauptinteraktionspunkte mit dem antigenen Epitop darstellen. Die weniger häufig mutierenden Bereiche der variablen Regionen werden auch als frame work (FR-Regionen) bezeichnet.

Die Passform der Antigenbindungsstelle wird bei einer antigenspezifischen Aktivierung und Vermehrung der B-Zelle durch Hypermutationsereignisse verändert. Solche Zellen, die einen besser passenden Rezeptor generieren, werden bei Vermehrung und Differenzierung bevorzugt.

Signalübertragung durch den BCR: Die Bindung eines Antigens an den BCR löst über Hilfsrezeptoren eine Signalkaskade aus, die bis in den Kern der Zelle reicht und dort die An- und Abschaltung der Transkription verschiedener Gene auslöst. Die mit der Signalübertragung in den Zellkern verbundenen Veränderungen des Proteinexpressionsmusters leiten die B-Zelle schließlich in einen Zustand über, der – je nach Umgebung und Art des Antigens – unterschiedliche Konsequenzen haben kann. Das Spektrum der möglichen Antworten reicht von der Einleitung des programmierten Selbstmords (Apoptose) bis hin zur klonalen Expansion und nachfolgend zur Differenzierung in eine antikörperproduzierende Zelle. Außerdem spielen für die Weichenstellungen bei der B-Zellantwort auch T-Lymphozyten eine ganz entscheidende Rolle (s. S. 114).

Die Bindung eines Antigens am BCR führt zu einer Signalübertragung in den Zellkern und damit zu Veränderungen in der transkriptionellen Aktivität der Zelle. Die damit verbundenen Änderungen in der Proteinexpression können abhängig vom Antigen unterschiedliche Effekte haben und reichen von der Apoptose bis hin zur klonalen Expansion und Differenzierung in eine antikörpersezernierende Plasmazelle.

3.2 Antigenerkennung durch T-Lymphozyten

3.2

Antigenerkennung durch T-Lymphozyten

Da eine T-Zelle nicht in der Lage ist, ein Viruspartikel oder eine Bakterienzelle direkt zu binden, ist sie darauf angewiesen, kleinste Bruchstücke des Antigens (i. d. R. kurze Peptide aus wenigen Aminosäuren) zusammen mit MHC-Molekülen (major histocombatibility complex) auf der Zelloberfläche präsentiert zu bekommen.

Der TCR kann nur antigene Bruchstücke erkennen (antigene Peptide), die in Molekülen des Haupthistokompatibilitätskomplexes (MHC) eingelagert sind.

3.2.1 MHC-Moleküle

3.2.1 MHC-Moleküle

n Synonym: HLA (human leukocyte antigens), Transplantationsantigene.

m Synonym

Die erstmals im Zusammenhang mit der Immunantwort bei Transplantationen aufgefallenen MHC-Moleküle werden als zelleigene Proteine am endoplasmatischen Retikulum (ER) synthetisiert und gelangen über den Golgi-Apparat an die Zelloberfläche. n Merke: Die MHC-Moleküle sind von grundsätzlicher Bedeutung für eine T-Zell-vermittelte Immunantwort.

m Merke

Hof/Dörries, Duale Reihe: Medizinische Mikrobiologie (ISBN 3-13-125313-4), c 2005 Georg Thieme Verlag

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B 3 Die Antigenerkennung durch Lymphozyten

MHC-Klasse-I-Moleküle

MHC-Klasse-I-Moleküle

Zur Expression der MHC-Klasse-I-Moleküle s. Tab. B-3.1.

Vorkommen: MHC-Klasse-I-Moleküle finden sich auf nahezu allen kernhaltigen Zellen des Körpers (Tab. B-3.1).

n Merke

n Merke: Antigene Peptide in Klasse-I-Molekülen werden von CD8+-T-Lymphozyten erkannt. Das CD8-Molekül übernimmt durch Interaktion mit dem MHC-Klasse-IMolekül eine stabilisierende Funktion bei der Bindung des TCR an das MHCMolekül.

B-3.1

B-3.1

Expression von MHC-Molekülen

Zelltyp

Klasse I

Klasse II

+++

(+)*

Zellen des Immunsystems T-Lymphozyten B-Lymphozyten

+++

+++

Makrophagen

+++

++

Dendritische Zellen

+++

+++

Leberzellen

+



Nervenzellen

(–)#



Erythrozyten





Andere Zellen

* humane T-Lymphozyten sind Klasse II positiv induzierbar bei geschädigten Nervenzellen

#

MHC-Klasse-I-Moleküle sind heterodimere Moleküle aus einer schweren a-Kette und einem nicht kovalent assoziierten b2-Mikroglobulin (Abb. B-3.2).

Aufbau: Es handelt sich um heterodimere Moleküle aus einem stabilisierenden b2-Mikroglobulin und einer schweren im MHC-Komplex kodierten a-Kette, welche den peptidbindenden Spalt ausbildet (Abb. B-3.2).

Bis auf wenige Ausnahmen exprimieren alle Zellen MHC-Klasse-I-Moleküle.

Der Mensch exprimiert auf seinen kernhaltigen Zellen 3 verschiedene KlasseI-Moleküle (HLA-A, -B und -C), die sich vor allen Dingen in der Struktur ihrer Bindungsstelle für antigene Peptide unterscheiden. Da mütterliche und väterliche Klasse-I-Moleküle gleichzeitig exprimiert werden (kodominante Expression), tragen kernhaltige Zellen sechs MHC-Klasse-I-Moleküle, die unterschiedliche Peptide binden können.

Die a-Kette bildet den peptidbindenden Spalt aus. Peptide, die in den Spalt eines bestimmten MHC-Klasse-I-Moleküls passen, weisen an den Kontaktstellen zum MHC-Molekül ähnliche oder sogar identische Aminosäurseitenketten auf.

Peptidbindender Spalt: In den Spalt passen Peptide, die eine Länge von 8–10 Aminosäuren besitzen und deren Enden mit Verankerungsstellen (bestimmte Aminsosäureseitenketten) mit dem MHC-Molekül in enge Wechselwirkung treten. Alle Peptide, die in ein bestimmtes MHC-Klasse-I-Molekül passen, besitzen an den Verankerungsstellen zum MHC-Molekül gleiche oder zumindest sehr ähnliche Aminosäureseitenketten. Sollte das antigene Peptid nicht exakt die richtige Länge haben aber die richtigen Aminosäuren in den Verankerungsstellen besitzen, kann das Peptid oftmals durch „Verbiegen des Rückrats“ bzw. durch Überragen aus der Tasche mit dem Carboxyende im Spalt gebunden werden. Häufig haben Peptide, die in ein MHC-Klasse-I-Molekül passen, am Carboxyende hydrophobe Eigenschaften. Aufgrund dieser Bindungseigenschaften können in einem MHC-Klasse-I-Molekül relativ viele Peptide binden und den CD8+-T-Lymphozyten präsentiert werden. Die Einlagerung eines Peptids übt stabilisierende Wirkung auf das heterodimere MHC-Molekül aus.

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B 3.2 Antigenerkennung durch T-Lymphozyten

B-3.2

Struktur der MHC-Moleküle der Klassen I und II

Peptid aus Influenza α1

Peptid aus EBV

α2

α1 β1

α2 β2Mikroglobulin

α3

β2

Klasse I

Klasse II

NH2

NH2

α2-Domäne

α1-Domäne

α3-Domäne

β2-Mikroglobulin

α2-Domäne

β1-Domäne

α3-Domäne

β2-Domäne

Zellmembran COOH

COOH

Das MHC-Klasse-I-Molekül besteht aus einer schweren a-Kette mit 3 Domänen a1, a2 und a3 und einem nicht kovalent angelagerten b2-Mikroglobulin. Die a1- und a2-Domänen bilden die Bindungstasche für antigene Epitope aus, die vom TCR im Kontext mit dem MHC-Molekül erkannt werden. In der 3D-Darstellung des Moleküls ist in die Bindungstasche ein Epitop aus dem EpsteinBarr Virus (EBV) eingelagert. Klasse-II-Moleküle setzen sich aus einer a- und b-Kette mit jeweils 2 Domänen (a1, a2 bzw. b1, b2) zusammen. Der peptidbindende Spalt wird von der a1- und der b1-Domäne gebildet. Im 3D-Modell ist ein Peptid aus dem Influenzavirus in der Bindungstasche enthalten. Die zugrunde liegenden Sequenzdaten für die 3D-Modelle wurden der Molecular Modeling Database (MMDB) des National Center for Biotechnology Information (NCBI) entnommen. Das 3D-Modeling wurde mit dem Programm Cn3D durchgeführt, ebenfalls beim NCBI erhältlich.

MHC-Klasse-II-Moleküle

MHC-Klasse-II-Moleküle

Vorkommen: Ihre Expression erfolgt durch immunologisch relevante Zellen (Tab. B-3.1).

Zur Expression der MHC-Klasse-II-Moleküle s. Tab. B-3.1.

n Merke: Antigene Peptide in MHC-Klasse-II-Molekülen werden von CD4+-T-Lymphozyten erkannt.

m Merke

Auch hier sorgt das CD4-Molekül durch Interaktion mit dem MHC-Klasse-IIMolekül für eine Stabilisierung des Antigenrezeptor/MHC-Komplexes.

Aufbau: Das Klasse-II-Molekül setzt sich aus zwei Ketten (a- und b-Kette) zusammen, die ebenfalls im MHC-Komplex kodiert sind. Beide Ketten haben einen Transmembranteil, mit dem sie in der Zellwand verankert sind (Abb. B-3.2). Mindestens drei verschiedene Klasse-II-Moleküle (DP, DQ und DR) werden auf antigenpräsentierenden Zellen des menschlichen Immunsystems exprimiert. Wie die Klasse-I-Moleküle auch unterscheiden sie sich in der Feinstruktur ihrer peptidbindenden Taschen und werden ebenfalls kodominant exprimiert.

MHC-Klasse-II-Moleküle sind Heterodimere aus einer a- und einer b-Kette, die am aminoterminalen Ende den peptidbindenden Spalt ausbilden (Abb. B-3.2). Ihre Expression ist auf Zellen des Immunsystems beschränkt.

Peptidbindender Spalt: Bei Klasse-II-Molekülen wird der peptidbindende Spalt durch Beteiligung beider Ketten gebildet. Er ist an den Enden offen, so dass die gebundenen Peptide wesentlich länger sein können als im Klasse-I-Molekül.

Die Peptide, die in den Spalt passen, sind länger als diejenigen, die in die KlasseI-Moleküle passen, da der peptidbindende

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