Discussion Papers 14/2005

BORIS TRAUE

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG SUBJEKTTHEORETISCHE ARBEITSFORSCHUNG UND PERSPEKTIVEN IHRER WISSENSSOZIOLOGISCHEN/ DISKURSANALYTISCHEN ERWEITERUNG

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BORIS TRAUE

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG SUBJEKTTHEORETISCHE ARBEITSFORSCHUNG UND PERSPEKTIVEN IHRER WISSENSSOZIOLOGISCHEN/ DISKURSANALYTISCHEN ERWEITERUNG EXPERTISE IM AUFTRAG DES VOM BMBF GEFÖRDERTEN PROJEKTS GENDA – NETZWERK FEMINISTISCHE ARBEITSFORSCHUNG



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DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Autor: Boris Traue, Graduate [email protected]

School

of

Social

Sciences,

Universität

Bremen,

Herausgeber: GendA – Netzwerk feministische Arbeitsforschung am Institut für Politikwissenschaft der Philipps-Universität Marburg Technische Bearbeitung: Annette Müller Marburg : GendA – Netzwerk feministische Arbeitsforschung, Stand August 2004 Diese Veröffentlichung kann unter folgender Adresse im PDF-Format heruntergeladen werden: http://www.gendanetz.de/files/document56.pdf

Anschrift: GendA – Netzwerk feministische Arbeitsforschung Institut für Politikwissenschaft der Philipps-Universität Marburg Wilhelm-Röpke-Str. 6 G

35032 Marburg E-Mail: [email protected] Hompepage: www.gendanetz.de

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DISCUSSION PAPERS ZU DIESER REIHE

GendA - Netzwerk feministische Arbeitsforschung beschäftigt sich aus genderorientierter, feministischer Sicht mit der Konzeption und der Gestaltung von Arbeit und ihrer wissenschaftlichen Bearbeitung. Seit geraumer Zeit beherrscht die grundlegende Transformation der Arbeit, des Arbeitssystems und der Arbeitsorganisation moderner Gesellschaften und ihrer Arbeitskultur zentrale wissenschaftliche Debatten. Diese Debatten zeichnen sich allerdings immer noch durch eine weitgehend fehlende geschlechtssensible Perspektive aus. Nach wie vor basieren die Forschungen oftmals auf androzentrischen Grundlagen, die unhinterfragt bleiben, oder aber die Geschlechterperspektive wird nur unzureichend integriert. Auf diese Weise wird jedoch der Blick auf bestimmte Probleme und Schieflagen des Wandels der Arbeit und damit auch der Weg für eine zukunftsfähige Arbeitsforschung verstellt. Das Anliegen von GendA – Netzwerk feministische Arbeitsforschung ist deshalb, auf der Basis feministischer Kritik und den daraus folgenden Erkenntnissen eine genderkompetente Perspektive auf Arbeit und ihren Wandel zu entwickeln. Es soll aufgezeigt werden, wo es einer grundlegenden Re-Konstruktion und einer Re-Vision des Gegenstandbereiches der Arbeitsforschung, des ihr zugrunde liegenden Arbeitsbegriffs, ihrer Fragestellungen und ihrer Methodologie bedarf und wie diese aussehen könnten. Ein wesentlicher Bestandteil der Arbeit ist der Transfer zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit und zwischen Wissenschaft und Praxis. In den Discussion Papers werden deshalb konzeptionelle Überlegungen aus dem Projekt und Sachstandsberichte präsentiert. Des Weiteren werden Expertisen, die das Projekt GendA - Netzwerk feministische Arbeitsforschung vergeben hat, veröffentlicht.

Zunächst hat GendA – Netzwerk feministische Arbeitsforschung eine Reihe von Expertisenaufträgen an WissenschaftlerInnen vergeben, um ein möglichst breites Spektrum der vorhandenen Gender Kompetenz auf dem disziplinär sehr heterogenen Gebiet der Arbeitsforschung zu erarbeiten. In den Expertisen fragen wir den Forschungsund

Diskussionsstand

in

einzelnen

wissenschaftlichen

Disziplinen

und

deren

wissenschaftlichen bzw. institutionellen Einrichtungen ab. Die Expertisen mit dem Titel „Arbeit und Arbeitsforschung aus feministischer und gender-orientierter Sicht“ dienen dazu, einen Überblick über den Stand der mit „Arbeit“ befassten feministischen und



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

gender-orientierten Forschung zu erhalten und gleichzeitig die Gender Kompetenz auf dem Gebiet der Arbeitsforschung zu stärken. Die Kenntnis über den Verlauf der Diskurse und die sozialen und ökonomischen Umstände unter denen sich diese Diskurse entwickelten, ist von zentraler Bedeutung für die Debatte um die Zukunft der Arbeit.

Die Inhalte der Discussion Papers sollen Anregungen zu weiterführenden Diskussionen geben und haben zum Teil Werkstattcharakter.

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INDEX

1

EINLEITUNG: SUBJEKTTHEORETISCH INFORMIERTE UND GENDERORIENTIERTE ARBEITSFORSCHUNG ALS TEILDISZIPLINEN ......................................................................... 9 1.1

2

INHALT DER EXPERTISE ..........................................................................................9

SUBJEKTTHEORETISCHE ANSÄTZE IM ÜBERBLICK ...................... 11 2.1

IMMER ÄRGER MIT DEM SUBJEKT.................................................................... 11

2.2

SUBJEKT UND SUBJEKTIVITÄT: GRUNDANNAHMEN................................... 12

2.3

KONZEPTUELLER RAHMEN ................................................................................ 13

2.3.1

Historische Bestimmungen von Subjektivität ............................................... 14

2.3.2

Subjektivität und Phänomenologie .............................................................. 15

2.3.3

Subjektivität und Pragmatismus.................................................................... 16

2.3.4

Poststrukturalistische Subjektivitätskonzepte ............................................... 17

2.3.5

Biographieforschung/arbeitsbezogene Sozialisationsforschung............. 20

2.4

METHODOLOGISCHER STAND DER SUBJEKTORIENTIERTEN UND BIOGRAPHIEANALYTISCHEN ARBEITSFORSCHUNG ................................... 21

2.4.1

Erste Konturierungen subjektorientierter Arbeits- und Berufssoziologie in den achtziger Jahren.................................................................................... 22

2.4.2

Der Übergang zur Programmatik der Biographieforschung..................... 23

2.4.3

Die Methodologie der Lebenslauf- und Biographieforschung als Arbeitsforschung ........................................................................................... 24

3

2.4.4

Die Kreativitätsannahme der Biographieforschung ................................... 24

2.4.5

Der Beitrag biographischer Analysen für die Arbeitsforschung................ 25

AKTUELLER STAND UND ZENTRALE FORSCHUNGSFELDER SUBJEKT-THEORETISCH INFORMIERTER ARBEITSFORSCHUNG .... 26 3.1

SUBJEKTORIENTIERTE INDUSTRIESOZIOLOGIE............................................. 26

3.1.1

Arbeiterbewusstseinsforschung.................................................................... 26

3.1.2

Subjektorientierte Berufs- und Arbeitsforschung in München .................... 26

3.1.3

Biographieanalytische Arbeitsforschung .................................................... 27



3.1.4

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Der ,gesamte Lebenszusammenhang’ in der arbeitssoziologischen Biographieforschung.....................................................................................28

3.2

ENTGRENZUNG...................................................................................................30

3.2.1 3.3

Der Topos der Entgrenzung .........................................................................30

SUBJEKTIVIERUNG DER ARBEIT..........................................................................32

3.3.1

Baethges These der normativen Subjektivierung ........................................32

3.3.2

Normative Subjektivierung als Anspruch der Arbeitenden........................32

3.3.3

Subjektivierung als Verwertungsanspruch der Betriebe .............................34

3.3.4

Die neuere Subjektivierungsdiskussion: Arbeit als Intensifikationspotential.................................................................................34

3.3.5

Kritik an der Definition von „Subjektorientierung“ in der Typologie von Kleemann/Matuscheck/Voß ................................................................37

3.4

ERWEITERUNG DES SUBJEKTIVIERUNGSKONZEPTS IN RICHTUNG EINER ,IDEOLOGISIERTEN SUBJEKTIVITÄT’......................................................39

3.5 4

PROFESSIONSSOZIOLOGISCHE FORSCHUNG ............................................41

GENDERORIENTIERTE ARBEITSFORSCHUNG .............................. 42 4.1

INDUSTRIESOZIOLOGISCHE ARBEITERINNENFORSCHUNG .....................43

4.1.1

Gleichheit in der Differenz – Differenz in der Gleichheit...........................44

4.1.2

Die Herausbildung grundlegender Fragestellungen ..................................44

4.1.3

Frühe Beiträge zur Erhebungs- und Forschungsmethodik...........................45

4.2

DIE VEREINBARKEITSDEBATTE............................................................................46

4.3

WEIBLICHES ARBEITSVERMÖGEN UND DOPPELTE SOZIALISATION.........46

4.3.1

Die Entdeckung des weiblichen Arbeitsvermögens ....................................46

4.3.2

Zur doppelten Sozialisation von Frauen .....................................................47

4.4

DISKONTINUIERLICHE ERWERBSBIOGRAPHIEN UND UNGLEICHHEIT ....48

4.5

DER HISTORISCHE BLICK IN DER FEMINISTISCHEN WISSENSCHAFT.......49

4.6

GEFÜHLSARBEIT ALS SUBJEKTIVIERUNGSKONZEPT UND DIE GRENZEN DER STRENG SUBJEKTORIENTIERTEN FORSCHUNG.................50

4.7

GENDER, BIOGRAPHIE UND MIGRATION......................................................50

4.7.1

Linked Lives ....................................................................................................51

4.7.2

Migration und Arbeit ....................................................................................51

7

8

5

POTENTIALE DER VERKNÜPFUNG VON GENDERORIENTIERTER UND SUBJEKTORIENTIERTER ARBEITSFORSCHUNG ................... 52 5.1

GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN UND DIAGNOSEN ................... 52

5.1.1

Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit in historischer und geschlechterpolitischer Perspektive ............................................................. 52

5.1.2

Arbeitslosigkeit und diskontinuierliche Erwerbsbiographien ..................... 52

5.1.3

Persistenz geschlechtsspezifischer Ungleichheit......................................... 53

5.1.4

Wissensgesellschaft, Netzwerkgesellschaft und neue Dienstleistungsberufe.................................................................................... 54

5.1.5 5.2

Überkreuzung von Ungleichheitsdimensionen ........................................... 54

ZUR VERKNÜPFUNG SUBJEKTORIENTIERTER UND GENDERORIENTIERTER PERSPEKTIVEN IN DER ARBEITSFORSCHUNG ..... 55

5.2.1

Die Vernachlässigung der Genderkategorie in der Subjektivierungsdebatte ............................................................................... 55

5.2.2

Die Relationalität von Lebensführung: “Linked Lives“ ................................ 56

5.2.3

Genderorientierte Perspektiven auf Arbeitsorganisation und Professionalität .............................................................................................. 56

5.2.4

Potentiale der historischen Perspektive ....................................................... 58

5.2.5

Die Verknüpfung von Diskursanalyse/ Wissenssoziologie und subjektorientierter Forschung ....................................................................... 58

6

GRENZEN SUBJEKTTHEORETISCHER UND BIOGRAPHIEANALYTISCHER FORSCHUNG UND PERSPEKTIVEN IHRER WISSENSSOZIOLOGISCHEN/ DISKURSANALYTISCHEN ERWEITERUNG ................................... 59

7

LITERATURVERZEICHNIS ............................................................ 65



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DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

EINLEITUNG: SUBJEKTTHEORETISCH INFORMIERTE UND GENDERORIENTIERTE ARBEITSFORSCHUNG ALS TEILDISZIPLINEN

Der Gegenstandsbereich der Arbeitsforschung wie auch ihre Perspektiven und Methoden sind sehr vielfältig. Die Arbeitsforschung ist ein multidisziplinäres Unternehmen, das seit den 70er Jahren in Forschungsnetzwerken, Lehrstühlen und mittlerweile auch Studiengängen Themengebiete zusammenbringt, die zuvor relativ isoliert im Rahmen von Einzeldisziplinen untersucht wurden. Diese Datierung sollte aber nicht über die Tatsache hinwegtäuschen, dass die Thematisierung von Arbeit als Bestimmungsgrund menschlicher Existenz in der Entstehung der Humanwissenschaften (als epistemischer Konstellation) Ende des 18.Jahrhunderts zum Tragen kam und später durch Ricardo, Marx und viele andere weitergeführt wurde. Es ist nicht Ziel dieses Textes, die Arbeitsforschung in ihrer ganzen Breite, die ja mindestens die politische Ökonomie der Arbeit, die Arbeitsmarktforschung, industrielle Beziehungen, Industriesoziologie, arbeitsbezogene Lebenslaufsoziologie, die arbeitsbezogene Geschlechtersoziologie, Arbeits- und Organisationspsychologie, Berufsund Professionssoziologie sowie die ,alten’ Disziplinen der Ergonomie, Arbeitsmedizin, etc. umfasst, darzustellen. Es werden hier nur die Teilbereiche der sozialwissenschaftlichen Arbeitsforschung thematisiert, die im theoretischen und methodologischen Sinn subjekttheoretisch informiert und/oder genderorientiert sind, also solche Zweige der Arbeitsforschung, die mit der einen oder anderen Spielart des Subjektbegriffs und/oder des Geschlechterbegriffs methodisch und theoretisch arbeiten. Ich verwende nicht durchgehend den Begriff „subjektorientierter“ Sozialwissenschaft bzw. Arbeitsforschung, da dieser Begriff in der deutschen Literatur zwar eine sachlich und theoretisch kohärente, aber teils auch enggeführte und damit erweiterungsbedürftige Lesart subjekttheoretischen Denkens repräsentiert.

1.1 INHALT DER EXPERTISE Im Rahmen der Arbeitsforschung wurden seit Ende der 1970er Jahre subjekttheoretische Perspektiven aufgegriffen und weiterentwickelt (Giegel/Billerbeck/Frank 1988: Industriearbeit und Selbstbehauptung; Beck-Gernsheim 1981: Der geschlechtsspezifische Arbeitsmarkt. Zur Ideologie und Realität von Frauenberufen; Becker-Schmidt/BrandesErlhoff/Karrer et al. 1982: Nicht wir haben die Minuten, die Minuten haben uns. Zeitprobleme und Zeiterfahrungen von Arbeitermüttern in Fabrik und Familie; Bolte 1983:

9

10

Subjektorientierte Soziologie - Plädoyer für eine Forschungsperspektive; Brose 1983: Die Erfahrung der Arbeit). Diese Forschungen etablierten sich institutionell und publizistisch mit einer Reihe von Forschungsprojekten, Sonderforschungsbereichen und Monographien. Die subjektorientierte Perspektive wurde in dieser Zeit theoretisch und methodologisch unter Rückgriff auf Sozialphänomenologie, Pragmatismus und benachbarte Strömungen begründet. Seit Anfang der 1990er Jahre gibt es neue Bewegung um die Thematik der Subjektivität, die mit dem Begriff der ,Subjektivierung’ verbunden ist. Während das Ziel subjektorientierter Arbeitsforschung in den achtziger Jahren darin bestand, die subjektive Perspektive methodologisch im Rahmen der Arbeitsforschung zu etablieren, ist die gegenwärtige Debatte als Reflexivierungsschleife zu begreifen: Die (gezielte) Einbindung und Verwertung von Subjektivität im Arbeitsprozess wurde zum Gegenstand dieser Debatte gemacht. Eine Reihe von Konferenzen und Sammelbänden um die Themen Entgrenzung und Subjektivierung dokumentieren diese Entwicklung (Baethge 1991: Arbeit, Vergesellschaftung, Identität - Zur zunehmenden normativen Subjektivierung der Arbeit; Deutschmann 2002: Postindustrielle Industriesoziologie; Kleemann/Matuschek/Voß 2001: Subjektivierung von Arbeit - Ein Überblick zum Stand der soziologischen Diskussion; Moldaschl/Voß 2002: Subjektivierung von Arbeit; Gottschall/Voß 2003: Entgrenzung von Arbeit und Leben. Zum Wandel der Beziehung von Erwerbstätigkeit und Privatsphäre im Alltag). Im

vorliegenden

Text

sollen

Grundbegriffe

und

wesentliche

Entwicklungen

subjekttheoretischer, biographieanalytischer und genderorientierter Arbeitsforschung dokumentiert werden. Nach einer allgemeinen Darstellung von Subjektkonzeptionen in unterschiedlichen Theorietraditionen soll die Entwicklung der Gegenstandsbereiche und Terminologie subjekt- und genderorientierter Arbeitsforschung skizziert werden. In einem weiteren Kapitel werden die Defizite der subjektorientierten Arbeitsforschung dargestellt. Im

darauf

folgenden

Abschnitt

werden

solche

Beiträge

genderorientierter

Arbeitsforschung dargestellt, die eine Erweiterung subjektorientierter Forschung oder eine Kritik geschlechtsblinder sozialwissenschaftlicher Forschung leisten. Am Abschluss dieses Abschnitts und in der Schlussbemerkung folgen Überlegungen, wie die subjektorientierte Arbeitsforschung durch eine bessere Verknüpfung mit geschlechtersoziologischen Ansätzen und durch eine verstärkte Öffnung hin zu wissenssoziologischen und diskursanalytischen Ansätzen erweitert werden kann.



2

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

SUBJEKTTHEORETISCHE ANSÄTZE IM ÜBERBLICK

2.1 IMMER ÄRGER MIT DEM SUBJEKT Es ist an dieser Stelle, wie bei der Darstellung jedes wissenschaftlichen Grundbegriffs, schwierig, den Begriff des Subjekts (bzw. von Subjektivität) zu erläutern, ohne auf die philosophische und sozialwissenschaftliche Begriffsgeschichte einzugehen (vgl. für ausführlichere Darstellungen in sozialisationstheoretischer und wissenschaftshistorischer Perspektive Foucault 1973: Archäologie des Wissens; Geulen 1999: Subjekt-Begriff und Sozialisationstheorie). Im folgenden Abschnitt soll in einer abkürzenden Verfahrensweise auf verschiedene Traditionslinien des Subjektbegriffs hingewiesen werden. Subjektkonzepte sind in reichhaltigen Traditionslinien entfaltet worden. Die Literaturlage ist, auch durch die Erscheinung von Gesamtausgaben oder Aufsatzsammlungen relevanter Autoren wie Freud, Dewey, Mead, Beauvoir, Schütz, Foucault u.a. meist gut. Ein wesentliches Charakteristikum subjekttheoretischer Ansätze ist eine Skepsis gegenüber positivistischen Positionen. Jede subjekttheoretische Position muss sich mit den Bedingungen der eigenen Wissensproduktion auseinandersetzen, da sie Bedingungen von Sinnproduktion zum Thema hat. Daher sind diese Traditionen meist mit einem reflexiven Verständnis von wissenschaftlicher Praxis ausgestattet. Allerdings gibt es im subjekttheoretischen ,Lager’ seit einiger Zeit Unruhe, die sich aus dieser Reflexivität speist: die Entwicklungen, die u.a. in der industriesoziologischen Literatur unter dem Stichwort ,Subjektivierung’ zusammengefasst werden und die theoriegeleitete Infragestellung von Subjektivitätskonzepten erzwingen eine kritische Infragestellung des Subjektbegriffs selbst. Die Attraktivität des Subjektkonzepts liegt bzw. lag in der theoretisch angelegten Möglichkeit, über die je eigene, aber gesellschaftlich geprägte Subjektivität ein Bewusstsein dieser Geprägtheit gewinnen zu können und die „blinde“ Prägungskraft gesellschaftlicher Verhältnisse reflexiv einholen zu können. Subjekttheorien sind in dieser Hinsicht der aufklärerischen Tradition verpflichtet. In den letzten zwanzig Jahren zeigt sich aber, dass die Entwicklung des Kapitalismus und die zunehmende Reflexivierung der Moderne ,Subjektivität’ selbst mehr und mehr rationalisiert. Die angebliche ,Natur des Menschen’, seine Subjektivität, wird dadurch einer Bearbeitung und Nutzung durch gesellschaftliche und individuelle Produktion zugänglich gemacht. Dies wird unter anderem an den institutionalisierten Versuchen deutlich, das ,Gold in den Köpfen’ betriebswirtschaftlich zu nutzen. Michel Foucault hat diese Schattenseiten der Aufklärung ans Licht gezerrt. Unter dem Einfluss der Vernunftkritik, die Subjektivität selbst nicht als Territorium unbeherrschter menschlicher

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12

Natur, sondern als ein Effekt von Macht und Disziplinen beschreibt, werden in subjektorientierten Ansätzen allmählich Zweifel an der normativen Aufwertung von Subjektivität in Gang gesetzt. Dies führt seit einiger Zeit zu einer erneuerten Rezeption sogenannter poststrukturalistischer Ansätze (z.B. Foucault, Derrida, Deleuze, Butler, Spivak). Dabei steht die begriffliche Fassung der Doppelbedeutung des Subjekts als Unterworfenes und eben deshalb auf eine bestimmte Art und Weise Handlungsfähiges im Vordergrund. Diese Konzeptualisierung des Subjekts, als durch Diskursstrategien Geformtes und durch eigenes Handeln Konstituiertes, ermöglicht eine Analyse der sprachlichen und praktischen Konstitution von Subjektivität, die die gegenwärtigen Modernisierungen des Kapitalismus und der Lebensverhältnisse berücksichtigt. Diese Problematik der ,Unterwerfungsfunktion’ der Subjektivitätssemantik (anders ausgedrückt: der normativen und regulativen Dimensionen der Institutionalisierung von Subjektivität), die zugleich die inhärente Problematik des Subjektkonzepts markiert, soll in der Schlussbemerkung diskutiert werden. Eine letzte Vorbemerkung ist schließlich erforderlich: Das Subjektkonzept wird selbstverständlich nicht in allen Traditionen mit dem Begriff ,Subjekt’ bezeichnet. Wenn die Rede vom Subjekt ist, haben wir es eher mit einem Topos zu tun, also mit einem semantischen Feld, das es erlaubt, eine Reihe von Fragen zu stellen, und das außerdem eine Reihe von traditionellen Antworten nahe legt, die diese Fragen jedoch selbstverständlich nicht erschöpfen können. Der Topos des Subjekts ist ein thematischer ,Kern’, von dem ausgehend sich verschiedene Strömungen der Humanwissenschaften kristallisiert haben. Es wird also im Folgenden darum gehen, den Topos des Subjekts anhand unterschiedlicher humanwissenschaftlicher Zugänge zu umreißen.

2.2 SUBJEKT UND SUBJEKTIVITÄT: GRUNDANNAHMEN In subjekttheoretischen Termini zu sprechen, bedeutet im Allgemeinen, anzuerkennen, dass Menschen in ihrem Fühlen und Denken von ihrer Umwelt und Geschichte geprägt sind, dass sie ihre Umwelt aber auch gestalten können. Sie beziehen sich aktiv auf ihre Umwelt, indem Sie Erleben veräußern und sich dadurch ihre Welt aneignen. Dabei wird weiter davon ausgegangen, dass die Art und Weise, zu erleben und Erlebnisse zu veräußern, von der jeweiligen historischen Geschichte und Konstellation geprägt ist. Subjektivität ist eine Eigenschaft von Personen, allerdings nicht im Sinne ihrer Persönlichkeitsstruktur oder ähnlicher substantieller Eigenschaften, sondern im Sinn ihres Verhältnisses zu sich selbst oder ihres Verhältnisses zur Welt.



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Durch die Fähigkeit zur Veräußerung entsteht die Möglichkeit, sich reflexiv auf die Umwelt zu beziehen. Subjektivität bezeichnet also die Fähigkeit, Erleben zu veräußern und sich dadurch die Sozialwelt anzueignen. Jede genuin subjektbezogene Forschung bezieht sich, da sie kein absolutes anthropologisches Konzept des Menschen unterschiebt, auf die historische Situiertheit jedes spezifischen Individuums (das sich durch Geschlecht, Alter, historische Lagerung, Gesellschaftsform, Gruppenzugehörigkeit etc. ansatzweise kategorisieren lässt). Es ist deshalb gemeinhin sinnvoller, von ,Subjektivität’ als von ,Subjekt’ zu sprechen, weil sich der Subjektbegriff ja gerade dadurch auszeichnet, keine substantialistischen Aussagen über ,den Menschen’ zu machen, wie dies in vielen Bereichen der Sozial- und Humanwissenschaften getan wird. Als gemeinsamen Nenner des vielschichtigen und unterschiedlich verwendeten Subjektbegriffs kann also die Doppelbedeutung von Subjekt als Unterworfenem und Handelnden ausgemacht werden. Als sozial Geformtes und historisch Situiertes ist das Individuum seinen Lebensumständen unterworfen, und doch kann es sie im Rahmen gewisser Grenzen verändern. Das Subjekt ist einerseits Produkt seiner Umwelt, andererseits kann es sie gestalten. Die Gestaltung der Umwelt können Menschen sich zurechnen, sie können für ihr Handeln verantwortlich gemacht werden. Diese Verantwortlichkeit ist in die sprachliche und auch in die soziale Grammatik von Subjektivität eingeschrieben (in der Grammatik bedeutet Subjekt jenes Wort im Satz, das im Nominativ steht, d.h. auf die Frage »Wer...?« antwortet). Die Struktur von Subjektivität zeichnet sich dadurch aus, dass die Trägerin von Subjektivität in Kommunikationen eingebettet ist, in der sie aufgefordert ist, sich in ihrer besonderen Ausprägung zur Geltung zu bringen. Im folgenden Abschnitt sollen theoretische und methodologische Begründungen verschiedener Varianten subjektorientierter Soziologie insbesondere in Bezug auf Arbeitsforschung vorgestellt werden.

2.3 KONZEPTUELLER RAHMEN Im folgenden Abschnitt sollen die wichtigsten Definitionen von Subjektivität kurz skizziert werden. Das Schaubild stellt diese im Überblick dar. Hauptthematisierungsmöglichkeiten des Gegenstands der Subjektivität sind in der historischen Herangehensweise, dem hier nicht thematisierten Strukturalismus (Freud, Lacan etc.), der Phänomenologie, dem Pragmatismus und den strukturalismuskritischen/poststrukturalistischen Ansätzen zu finden.

13

14

Konzepte von Subjektivität

Biographieforschung/ Sozialisationsforschung

Pragmatismus: (Mead, Dewey, Goffman)

Subjektivität

Sozialphänomenologie/ Sozialkonstruktivismus: (A. Schütz, Berger/Luckmann)

Historische

,Poststrukturalistische’ Ansätze (Foucault,

Bestimmungen

Subjektivität

Deleuze, Spivak, Butler)

(z.B. Weber, Elias, Beauvoir, Hausen)

2.3.1 Historische Bestimmungen von Subjektivität Unter diesen breiten Oberbegriff fallen Ansätze, die am Beginn der Erschließung einer modernen sozialwissenschaftlichen Subjektforschung Anfang des letzten Jahrhunderts neben phänomenologischen, pragmatistischen und „strukturalistischen“ Ansätzen (z.B. die Psychoanalyse) eine außerordentlich wichtige Rolle gespielt haben. Max Weber hat diese Perspektive stark geprägt. Seine groß angelegten Studien zu Entstehung des okzidentalen Rationalismus (vgl. Weber 1988: Gesammelte Aufsätze zur Religionssoziologie; Weber 1972: Wirtschaft und Gesellschaft) sind grundlegende Arbeiten, die das Verhältnis sozioökonomischer Entwicklungsprozesse und Mentalitäten bzw. Subjektivitäten erhellen. Insbesondere die religionssoziologischen Studien dienten bekanntlich dazu, diese Zusammenhänge zu erhellen, indem Rationalitätsformen in ihrem sinngenetischen

Zusammenhang

Kontextuierung in

von

mit

Wirtschaftssystemen

religiösen (die

Glaubenssystemen

Wiederum

in

und

Zusammenhang

ihrer mit



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DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Glaubenssystemen stehen) verstanden werden. Diese kurzen Hinweise auf Webers ausführlich interpretiertes Werk müssen hier genügen. Norbert Elias ist ein weiterer bekannter Protagonist einer Perspektive, die eine ,Geschichte der Gegenwart’ zum Ziel hat. Seine durchaus umstrittenen Thesen zur Zivilisierung und heute erreichten Zivilisiertheit des modernen Menschen würden viele nicht zur subjektwissenschaftlichen Forschung rechnen, weil er eben nicht die Handlungsfähigkeit dieses Subjekts feiert, sondern das etwas tragische allmähliche Sich-Einlassen von Personen auf gesellschaftliche Beschränkungen ihrer Handlungsfähigkeit beschreibt, das ihnen im Übrigen durchaus Nutzen bringt (Rechtssicherheit, Daseinsvorsorge, Gesundheitsversorgung, etc.) und wohl auch nur deshalb akzeptiert wird. Auch Elias gehört zu den Autoren, die das allmähliche Einleben der verschiedenen Generationen in die modernen Verhältnisse als ambivalente Angelegenheit beschreibt, als Angelegenheit des Gewinns und des Verlustes. In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts hat diese Forschungslinie Autorinnen sehr viel zu verdanken. Insbesondere Simone de Beauvoir zählt zu den Pionierinnen der Erforschung der historischen Genese der Geschlechterdifferenz, einer bekanntermaßen eminent wichtigen Strukturkategorie von Subjektivität. In ihrem berühmten Werk „Das andere Geschlecht“ (Beauvoir 1949) zeichnet sie die Linien der Arbeitsteilung zwischen Männern und Frauen, der wissenschaftlichen und literarischen Klassifikation der „Frau“ und der Reproduktion dieser Strukturen in Sozialisationsprozessen nach. Die Wirkungsgeschichte dieses Buchs kann vermutlich kaum überschätzt werden und ist insbesondere für die Geschlechterforschung ein ,klassischer’ Bezugspunkt. In den nächsten Abschnitten wird deutlich, dass vor allem die französische Sozialtheorie und Teilbereiche feministischer Theorie bzw. Gendertheorie der historischen Perspektive verpflichtet sind.

2.3.2 Subjektivität und Phänomenologie In

der

Tradition

der

Sozialphänomenologie

(Berger/Luckmann

1969:

Die

gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit ; Srubar 1988: Kosmion; Schütz/Luckmann 1984: Strukturen der Lebenswelt) ist Subjektivität Voraussetzung für die Konstitution sozialer Wirklichkeit. Ausgangspunkt der sozialphänomenologischen Forschung ist die Frage,

wie

soziale

Wirklichkeitskonstruktionen)

Welten auf

(als der

konsensuelle,

Grundlage

nicht

individueller

hinterfragbare Erfahrung

und

wechselseitiger Konstruktionsprozesse („Typisierung“) entstehen. Der Erfahrungsbegriff

16

wurde dabei von der phänomenologischen Philosophie Husserls übernommen. Mit dessen Maxime ,ad fontes’ (,zu den Quellen’) sollte die Erkenntnismöglichkeit von Welt nicht im empirischen Experiment, sondern in den Gehalten des eigenen Bewusstseins (Retentionen, Protentionen) zu finden sein. Alfred Schütz führt demgemäß Erfahrungen auf aus dem Bewusstseinsstrom herausgehobene Erlebnisse zurück. Diese Erfahrungen werden symbolisch fixiert, um sie erinnerbar zu halten und kommunizierbar zu machen. Beim Prozess des Kommunizierens typisieren Individuen ihre Erfahrungen – und sich – wechselseitig. Dieser Prozess der Typisierung geht im Rahmen einer einheitlichen Sozialwelt reibungslos vor sich. Allerdings kann es passieren, dass die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Sozialwelten Individuen mit unterschiedlichen Relevanzen ausstattet. Diese

widersprüchlichen

Relevanzen

können

eingespielte

Typisierungsprozesse

aufsprengen; auf diese Weise ist in Schütz´ Konzept Kreativität denkbar. Das sozialphänomenologische Konzept von Erfahrung (und damit Subjektivität) ist am engsten auf die Erforschung partikularer Lebenspraktiken ausgerichtet und hat sich deshalb für die Untersuchung der zersplitterten Lebenswelten der Moderne bewährt. Methodisch ist dieser Ansatz in den letzten Jahren insbesondere in Deutschland ausführlich begründet und weiterentwickelt worden (vgl. Hitzler/Reichertz/Schröer 1999: Hermeneutische Wissenssoziologie: Standpunkte zur Theorie der Interpretation).

2.3.3 Subjektivität und Pragmatismus Im Pragmatismus wird der Subjektivitätsbegriff nicht explizit benutzt; stattdessen wird meist von Identität und Werten gesprochen. Die Anlage der pragmatistischen Subjektivitätstheorie soll im Folgenden zunächst exemplarisch anhand von George Meads Kommunikationstheorie erläutert werden. Die Identität, also die Selbstbezüge und Vorlieben eines Individuums, bilden sich im Zuge von Sozialisationsprozessen heraus. Diese zeichnen sich dadurch aus, dass Individuen nach und nach in die Lage kommen, die Perspektive einer anderen Person auf eigene Verhaltensweisen antizipieren zu können (,taking the role of the other’). Dabei bilden sich je nach Milieuzugehörigkeit partikulare Identitäten heraus, die aber im Zuge einer ,gelingenden’ Individuierung zu universalistischen Identitäten synthetisiert werden, indem sich das Individuum an der Vorstellung orientiert, eine Handlungsweise zu wählen, die möglichst alle Perspektiven der Beteiligten berücksichtigt. Diese Vorstellung einer Orientierung an den Perspektiven aller wird mit dem Ausdruck ,generalized other’ bezeichnet. Anders als die bewusstseinsphilosophisch geprägten Subjektivitätstheorien sind die Konzepte der Pragmatisten intersubjektivitätstheoretisch angelegt. Intersubjektivitätstheorien machen es



17

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

sich zur Aufgabe, die Möglichkeit der Übereinstimmung von Perspektiven theoretisch zu rekonstruieren. Die Identität eines Individuums ist im Rahmen pragmatistischer Konzepte ethisch imprägniert. Ein erwachsenes Individuum muss sich demnach als ganze, verantwortliche Person präsentieren und definieren. Insbesondere bei J. Dewey, aber auch bei G.H. Mead sowie dem Neopragmatisten Hans Joas wird die kreative Dimension des Handelns stark betont. In dieser Konzeption wird Identitätsbildung als Prozess beschrieben, bei dem neue Identitäten als soziale Problemlösung entstehen (Mead Mind 1966: Self, and Society). Für Dewey entstehen Werte in Erfahrungen ,erschütternder Intersubjektivität’. Werte sind in diesem Verständnis normativ aufgeladene Relevanzen, die sich auf eine geteilte Praxis beziehen. Werte, die zunächst nur in Interaktionen erfahrbar sind, leiten Individuen auf die Verwirklichung bzw. Umsetzung dieser Werte im gesellschaftlichen Institutionensystem. Die Erfahrungsmöglichkeiten und Kompetenz, die in einer Subjektivität angelegt sind, erweisen sich also als anpassungsfähig und kritikfähig – wenn sich eine Praxis mit Anderen ergibt, die neue Identitäten und neue Kooperationsformen vorstellbar machen. Subjektivität, bzw. Identität, die im pragmatistischen Verständnis im Gegensatz zu weiten Teilen der psychologischen Tradition nicht verdinglicht wird – bei Mead ist das Self ein sozialer Prozess, der sich in Individuen niederschlägt! (Mead Mind, Self, and Society)weist in diesem Verständnis einen imaginären und utopischen Aspekt auf. Subjektivitäten enthalten also im Zusammenspiel die Möglichkeit, eine neue Praxis zu erahnen und letztlich zu entwerfen und umzusetzen. Die normativen Annahmen pragmatistischer Sozialtheorie (,auch partikulare Identitätsbildung steuert auf die Erreichung eines Universalismus hin’) verstellen leicht den Blick auf machtbasierte Aushandlungs- und Durchsetzungsprozesse. Die Machtdimension ist im klassischen Pragmatismus weitgehend ausgespart. Theoretisch hat die ,Kulturhistorische Schule’ von Leontjew und seinen KollegInnen (ebenfalls eine Philosophie der klassischen Moderne) sehr viele Ähnlichkeiten mit dem amerikanischen Pragmatismus. Die Ähnlichkeiten und Besonderheiten können im vorliegenden Rahmen leider nicht ausgeführt werden.

2.3.4 Poststrukturalistische Subjektivitätskonzepte Die

Einordnung

,poststrukturalistischer’

Konzepte

in

eine

subjektorientierte

Sozialwissenschaft ist nicht unumstritten. Die französische Sozialtheorie, die mit den Namen von Foucault, Deleuze, Bourdieu und anderen verbunden wird, ist bekanntlich

18

von einigen als Hauptschuldiger am ,Tod des Subjekts’ ausgemacht worden, hat sie doch die Lieblingsidee der liberalen westlichen Gesellschaftsprojekte, das autonome, aktive Subjekt empfindlich getroffen. Subjektivitätskonzeptionen im Rahmen französischer Sozialphilosophie, die oft unter dem Titel Poststrukturalismus geführt werden (Foucault 1974: Die Ordnung des Diskurses; Deleuze 1993: Postskriptum zur Kontrollgesellschaft; Foucault 1977: Der Wille zum Wissen. Sexualität und Wahrheit 1; Lacan 1973: Schriften I; Spivak 1990: The Post-Colonial Critic; Rodriguez 1999: Intellektuelle Migrantinnen – Subjektivitäten im Zeitalter der Globalisierung), sind im Vergleich zu anderen Positionen in der deutschen Sozialwissenschaft immer noch relativ schwach vertreten. In den letzten Jahren hat sich allerdings eine Rezeption eingestellt, die insbesondere Foucaults Beiträge gelassener evaluiert, als dies bisher der Fall war. Sozialwissenschaftliche Ansätze, die in einer groben Vereinfachung unter dem Sammelbegriff ,Poststrukturalismus’ zusammengefasst werden – soviel kann vielleicht im Sinne einer hilfreichen Übervereinfachung gesagt werden – zeichnen sich durch eine erkenntnispolitische Strategie aus, die Nietzsche mehr zu verdanken hat als Hegel oder Husserl

(den

philosophischen

Sozialphänomenologie).

Bezugsautoren

Nietzsches

Skeptizismus

des

Pragmatismus

gegenüber

dem

und

der

Subjekt

als

Ausgangspunkt der Begründung der Möglichkeit von Vernunft, und sein Plädoyer für die Dekonstruktion historisch entstandener Wahrheitsspiele, die den Subjektivitätsdiskurs ausmachen, hatte für Foucault und AutorInnen mit ähnlichem Interesse an einer Dekonstruktion des modernen Subjekts prägenden Einfluss. Im Folgenden Abschnitt soll vor allem Foucaults Position referiert werden, da diese neben den Ansätzen von Deleuze und Lacan am einflussreichsten ist und sich außerdem in empirischer Forschung plausibel anwenden lässt. Foucault ist an einer Geschichte der Subjektivität, die aus Machtbeziehungen erwächst, interessiert. Diese Macht geht allerdings nicht von bestimmten Personen aus, sondern sie residiert in ,verteilten’ gesellschaftlichen Praktiken. Foucault versteht Macht vorrangig als Zwang,

der

aus

diskursiven

Praktiken

erwächst,

die

Personengruppen

und

Erfahrungsweisen kategorisieren und sozial voneinander trennen, die definieren, wer sprechen darf, und worüber legitimerweise gesprochen werden kann. In seinen späteren Schriften (um 1978) spricht er von Gouvernementalitäten (Gouvernement + mentalité), also von Regierungsformen, allerdings nicht im naiven, formal-politischen Sinn, sondern im Sinn von Praktiken, die die Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Ordnung ermöglichen, ohne dass sichtbare Macht oder gar Herrschaft ausgeübt werden müsste. Er sieht das Individuum im Zentrum der Gouvernementalitäten der Moderne. Anders als die



19

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Pragmatisten feiert er das Subjekt nicht als problemlösenden Akteur, sondern begreift es primär als Unterworfenes, das sich als solches aber gegen die es unterwerfenden Praktiken wehren kann. Foucaults Subjekte unterwerfen sich allerdings auch selbst, indem sie sich selbst auf bestimmte Weisen regieren. Darin stimmt er beispielsweise mit Norbert Elias (Elias 1967: Der Prozess der Zivilisation) (den er aus anderen Gründen kritisiert) und

soziologischen

Autoren

wie

Alois

Hahn

(Alois

1987:

Identität

und

Selbstthematisierung) überein. Foucault arbeitet eine Geschichte des Subjekts heraus, an deren Ende die moderne, humanwissenschaftliche Auffassung vom Menschen steht. Für diese Analysen, die sich von der Entstehung der Erfahrung und Kategorie des Wahnsinns über die subjektivierenden Überwachungspraktiken hin zu einer ,Hermeneutik des Selbst’ erstrecken, sind die Begriffe „Wissen“ und „Macht“ tragende Kategorien (Die Entwicklung seines Werks wurde ausführlich als Abfolge von ,archäologischen’, ,genealogischen’ und ethischen Fragestellungen thematisiert). Die Moderne ist für Foucault durch die Entstehung von Prozeduren

zur

Generierung

von

Wissen

gekennzeichnet

(,Macht-

und

Wissensdispositive’). Die wissenschaftlichen und staatlichen Datensammlungen, allen voran die Humanwissenschaften, ermöglichen jedem einzelnen Menschen eine gesteigerte Selbstkontrolle und Macht über sich selbst, die ihn aber zugleich disziplinieren. Diese Disziplinierung beinhaltet, dass für die Subjekte andere Lebensformen, als die von den Disziplinen durch Wissen und Normen implizit konstruierten, undenkbar werden. Während Pragmatisten von einer zunehmenden Autonomie der Individuen im geschichtlichen Prozess und im individuellen Entwicklungsprozess ausgehen, sehen Foucauldianer dieselben Prozesse tendenziell als zunehmende Unterwerfung. Allerdings kann Foucault – und dies spricht gegen die häufige Einordnung Foucaults als (Neo)Strukturalisten – auch handlungstheoretisch gelesen werden. Das Subjekt ist bei Foucault ein Effekt von Macht (bspw. von ,Geständnisprozeduren’), aber es zeichnet sich auch durch die Fähigkeit zu Widerstand aus, durch die Fähigkeit, nicht dermaßen regiert zu werden. Wo Macht ist, ist auch Widerstand. Diese Akteursqualität unterscheidet Foucaults Ansatz von gesellschaftstheoretischen Positionen, die das Subjekt als passiv definieren, gesellschaftlichen Mächten unterworfen, die sich den Handlungsstrategien von Individuen entziehen. Die Annahme einer Fähigkeit, sich der Macht zu widersetzen, durch die Menschen konstituiert werden, teilt Foucault im Übrigen mit pragmatistischen Autoren wie Erving Goffman

(beispielsweise

mit

seinem Konzept

der

Rollendistanz).

Wenn

die

20

geschichtsphilosophischen Implikationen des kulturellen Texts des Pragmatismus und der Foucault´schen Theorie einmal eingeklammert werden, zeigt sich, dass Foucaults Theoriepositionen durchaus zur Korrektur und Ergänzung pragmatistisch-interpretativer Positionen geeignet sind, dass Foucault insbesondere in seinem ,Spätwerk’ auf eine optimistischere Sicht auf Sozialität zusteuerte, und dass somit eine Vermittlung zwischen pragmatistisch-interpretativen und Foucauldianisch-machttheoretischen Ansätzen möglich ist. Dies haben manche AutorInnen aus dem Umfeld des symbolischen Interaktionismus auch anerkannt (vgl. zusammenfassend Denzin/ Norman 1992: Symbolic Interactionism and Cultural Studies. The Politics of Interpretation). Foucaults Anregungen für die interpretative Soziologie (und demnach auch die subjektorientierte Arbeitsforschung) sind noch nicht ausgeschöpft. Erst in letzter Zeit gibt es ernsthafte Versuche, die Foucault-Rezeption wieder aufzunehmen (in der Industriesoziologie z.B. Moldaschl 2003: Foucaults Brille).

2.3.5 Biographieforschung/arbeitsbezogene Sozialisationsforschung Biographieforschung bezieht sich sowohl auf Sozialphänomenologie als auch auf den Pragmatismus. Strukturalistische Ansätze haben die Entstehung der deutschen Biographieforschung ebenfalls geprägt, vor allem in den Arbeiten Alois Hahns. In der industriesoziologischen Biographieforschung waren insbesondere identitätstheoretische Ansätze

von

Bedeutung

(Giegel/Billerbeck/Frank

1988:

Industriearbeit

und

Selbstbehauptung; Brose 1983: Die Erfahrung der Arbeit; 1989: Der Lohnarbeiter als Subjekt. Von der Analyse des Arbeiterbewusstseins zur Biographieforschung), die in der Lage waren, die Eigensinnigkeit der Bewusstseinsbildung in der Arbeiterschaft aufzuklären. In der ABO-Psychologie und der Betriebspädagogik gibt es ebenfalls AutorInnen, die sich dem biographischen Paradigma verpflichtet fühlen und sie als arbeitsbezogene Sozialisationsforschung praktizieren (Hoff/Lempert/Lappe 1991: Persönlichkeitsentwicklung in Facharbeiterbiographien; Ernst H. Hoff und Lothar Lappe in der ABO-Psychologie, Wolfgang Lempert in der Betriebspädgogik). Die Autoren dieser Gruppe haben wesentliche Beiträge zu einer subjektwissenschaftlichen Arbeitsforschung geliefert. In ihren Einzelfallstudien beobachten sie die Passungsverhältnisse zwischen beruflichen und familialen Sozialisationsprozessen und betrieblichen Arbeitsbedingungen. In

der

Sozialpsychologie

hat

ansonsten

Heiner

Keupp

ein

prononciertes

Forschungsprogramm vorgeschlagen (Keupp 1994: Reflexive Sozialpsychologie). Keupps



21

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Arbeiten sind wie auch Jürgen Straubs Arbeiten (der sich nicht mit Arbeit beschäftigt hat) in der deutschen Psychologie Außenseiterpositionen geblieben. Moldaschls Einschätzung, dass ein Großteil der ABO-Psychologie sich nicht als subjektwissenschaftliche Forschung reflektiert (vgl. Moldaschl 2002: Subjektivierung. Eine neue Stufe in der Entwicklung der Arbeitswissenschaften?), entspricht m.E. der Forschungslage. Das heißt allerdings nicht, dass

andere

Strömungen

der

ABO-Psychologie

(ausgenommen

jener

subjekttheoretischen, die aus Unkenntnis vernachlässigt wurden) sich nicht mit Technologien der Subjektivierung beschäftigen würden, ganz im Gegenteil. Sie haben diesen Sachverhalt nur theoretisch kaum oder gar nicht eingeholt. Zusammenfassend

lässt

sich

folgendes

Festhalten:

subjekttheoretisch

geprägte

Arbeitsforschung kann als theoretische Perspektive begriffen werden, deren Vertreter es sich zum Ziel machen, die wechselseitige Konstitution von Subjekt und Struktur im Rahmen von Arbeitsverhältnissen, und in einem weiteren Sinn: im Rahmen der politischen Ökonomie von Gesellschaften in den Blick zu nehmen. Diese Minimaldefinition stimmt mit den einschlägigen programmatischen Schriften zur ,Münchner’ subjektorientierten Soziologie

überein

(Bolte/Treutner

1983:

Subjektorientierte

Arbeits-

und

Berufssoziologie; Voß/Pongratz 1997: Subjektorientierte Soziologie). Jenseits dieser Minimaldefinition gehen die Auslegungen des Programms einer subjektorientierten Arbeitsforschung recht weit auseinander, wobei vielfältige Überschneidungen und Kombinationsmöglichkeiten existieren.

2.4 METHODOLOGISCHER STAND DER SUBJEKTORIENTIERTEN UND BIOGRAPHIEANALYTISCHEN ARBEITSFORSCHUNG In den folgenden Abschnitten sollen methodologische Ansätze dargestellt werden, die im Rahmen subjektorientierter theoretischer Ansätze entwickelt wurden. Dabei soll in Grundzügen die (Weiter-)Entwicklung methodologischer Ansätze im deutschen Sprachraum dargestellt werden. Als Ausgangspunkt der methodologischen Darstellung soll die sehr allgemeine Definition von ,subjektorientierter Arbeits- und Berufssoziologie’ dienen, die in den achtziger Jahren von Bolte et al. entwickelt wurde.

22

2.4.1 Erste Konturierungen subjektorientierter Arbeits- und Berufssoziologie in den achtziger Jahren Bolte und seine Mitarbeiter haben diese Konzeption (Bolte/Treutner 1983: Subjektorientierte Arbeits- und Berufssoziologie) im Rahmen eines mehrjährigen Forschungsprojekts (SFB 101 an der Universität München, sozialwissenschaftliche Berufsund Arbeitsforschung) entwickelt. Sie ist als Minimaldefinition subjektorientierter Arbeitsforschung – die sich mittlerweile diversifiziert hat – als Grundlage für weitere methodische Reflektion nützlich. Bolte erklärt zunächst metatheoretisch, das „wechselseitige Konstitutionsverhältnis von Mensch und Gesellschaft besonders ins Blickfeld zu rücken“ (Bolte 1983: Subjektorientierte Soziologie - Plädoyer für eine Forschungsperspektive, 15). Damit deckt sich der Versuch seiner Arbeitsgruppe mit verschiedenen anderen Versuchen aus dieser Zeit, Struktur und Handlung als ,gleichberechtigte’ Faktoren zur Erklärung sozialer Ordnung heranzuziehen. Dazu solle geklärt werden, „in welcher speziellen Weise [gesellschaftliche Strukturen oder Strukturelemente] menschliches Denken und Handeln prägen“ (Ebd. 16). Damit ist zunächst nur die Wirkung von Struktur auf Handeln angesprochen. Außerdem solle analysiert werden „wie Menschen bestimmter sozio-historisch geformter Individualität innerhalb dieses strukturellen Rahmens agieren und so u.a. zu seiner Verfestigung oder Veränderung beitragen“ (Ebd., 16). Der Ausdruck „sozio-historisch geformte Individualität“ verweist auf die kontextuelle und temporale Dimension dessen, was wir als Subjekt bezeichnen. Diese Idee der Bildung eines Subjekts mit spezifischen, im Rahmen der Individualgeschichte variablen, Motivstrukturen ist spezifisch für eine subjektorientierte Soziologie und unterscheidet diese Konzeption beispielsweise von akteurstheoretischen Konzeptionen, die ein „Modell“ des Akteurs postulieren, das dann jeweils nur durch wandelnde Kontext- und Sachbezüge spezifiziert wird. Der strukturelle Rahmen ermöglicht und begrenzt also das Handeln der Individuen – eine Argumentationsfigur mit langer Tradition in der Soziologie. Die Individualität einer Person leitet diese zu einem Handeln an (so wird impliziert), das die Strukturen, die zu seiner Entstehung geführt haben, reproduzieren oder transformieren. Mit dem Thema Reproduktion ist die Beharrungskraft gesellschaftlicher Strukturen angesprochen, zu der Individuen nolens volens oder absichtlich beitragen. Die Thematik der Transformation verweist auf die Kernannahme jeder konstitutionslogischen Soziologie; die wechselseitige Konstitution von Struktur und Handlung (weniger bekannt als Giddens ,Strukturationstheorie’ ist Anselm Strauss´ Konzept der „negotiated order“, das im Kern



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

sehr ähnlichen Ideen folgt (Strauss et al. 1963: The Hospital and its Negotiated Order). Im letzten Teil von Boltes Programmatik heißt es, es solle untersucht werden, „wie schließlich die betrachteten Strukturen selbst einstmals aus menschlichen Interessen, Denkund Verhaltensweisen hervorgegangen sind“ (Ebd. 16). Dieser Gemeinplatz wird im Zusammenhang mit dem Münchner Projektzusammenhang verständlicher: im Münchner SFB 101 wurden u.a. die Zuschnitte von Frauen- und Männerberufen sowie verschiedenen Berufsgruppen analysiert. Dabei ist den Autorinnen aufgefallen, dass der Zuschnitt von Tätigkeiten, die ein Beruf umfasst, keineswegs immer einer technologischen, sachlichen oder sonstigen Strukturlogik folgt, sondern einfach das Resultat von Zufällen oder Interessenskonstellationen sein kann. Die Unterstellung einer umfassenden Strukturlogik, wie sie im Strukturfunktionalismus oder in der marxistischen Industriesoziologie üblich war, sollte nach Bolte also zurückgestellt werden zugunsten der Annahme einer irgendwie ausgehandelten oder institutionalisierten Ordnung. Mit dieser Herangehensweise positioniert sich Bolte in der Nähe des sozialwissenschaftlichen Institutionalismus (vgl. Meyer, John W. 1992: The Life Course as a Professionalized Cultural Construction; North 1990: Institutions, institutional change and Economic achievement), der von einer allmählichen Verfestigung und Verselbständigung von temporären Funktionsweisen und Interessenskonstellationen ausgeht. Die Stärke subjektorientierter Soziologie liegt damit darin, im Hinblick auf die Handlungsmuster und –motive von Akteuren nicht spekulativ vorgehen zu müssen, wie dies für Akteursmodelle gilt, die nicht rekonstruktiv arbeiten. Jene haben ihre Berechtigung für Handlungsbereiche, in denen ein Handlungstyp, z.B. rationale Nutzenmaximierung, als ausschließliche Handlungsorientierung gegeben ist. Im Hinblick auf die Frage der Arbeitsforschung nach dem Arbeiterbewusstsein bzw. der Konstitution von Gruppeninteressen ist es nicht verwunderlich, dass gerade in der soziologischen Arbeitsforschung die Nähe zur bzw. die Verquickung mit der Biographieforschung so außerordentlich nahe lag.

2.4.2 Der Übergang zur Programmatik der Biographieforschung Seit der programmatischen Skizze von Bolte und seinen MitarbeiterInnen hat sich die subjektorientierte Arbeitsforschung erheblich weiterentwickelt. Die Bestimmung von Subjektivität ist in Boltes Vorschlag weitgehend offen geblieben. Was genau macht eine „sozio-historische Individualität“ aus? Die Frage nach der Einheit der Person bleibt bei

23

24

Bolte noch weitgehend ausgeklammert. Diese Frage bleibt in dem Strang von (Münchner) Soziologie, der mit der Individualisierungsthese und der Idee der reflexiven Moderne verbunden ist, bis heute unterbelichtet. In Boltes Vorschlag wird außerdem suggeriert, berufliche Akteure würden nur in dem Rahmen handeln, für den sie jeweils sozialisiert sind. Individuen handeln aber nicht nur jeweils in den Kontexten, die zur Herausbildung von Partialidentitäten geführt haben. Jene Handlungsmuster und –strategien, die in einem beruflichen Handlungsfeld relevant sind, müssen im Zusammenhang des gesamten biographischen Relevanzsystems gesehen werden. Dieses Relevanzsystem sollte nicht als ,Handlungszentrum’ missverstanden werden. Dieses Verständnis von diskontinuierlichen Sozialisations- und Handlungskontexten, die die Selbständige Konstruktion der Einheit der Person durch das Subjekt selbst erfordert, ist das Erbe der Soziaphänomenologie und des amerikanischen Pragmatismus.

2.4.3 Die Methodologie der Lebenslauf- und Biographieforschung als Arbeitsforschung Die allgemeine Methodologie der Biographieforschung ist in verschiedenen Lehrbüchern und Sammelbänden gut dokumentiert und soll deshalb nicht Gegenstand des folgenden Abschnitts sein. Im Weiteren sollen nur die für die Arbeitsforschung bedeutsamen Aspekte hervorgehoben werden. Die Annahme eines historischen Subjekts, dass durch Selektionshandlungen in seiner sozialen Welt und durch Identitätsbildung im ,Inneren’ in seinen Handlungsmöglichkeiten geprägt ist, wird im Großteil der Lebenslaufsoziologie anerkannt. Allerdings wird diese Konzeption teilweise noch mit einer kausalistischen Note versehen, indem angenommen wird, dieses historische Subjekt sei dadurch in seinem Handeln determiniert. Gesteht man allerdings einmal ein, dass die Selbstbezüge eines Subjekts modifiziert werden können, dass bestimmte Verengungen der Handlungsfreiheit durch biographische Lernprozesse wieder ausgeweitet werden können, ist die Annahme einer Kausalität nicht mehr aufrechtzuerhalten.

2.4.4 Die Kreativitätsannahme der Biographieforschung Deshalb muss eine subjektorientierte Soziologie prinzipiell eine ,Kreativitätsannahme’ aufrechterhalten: prinzipiell sei das Handeln von Subjekten in Kreativitätsprozessen veränderbar. Zu untersuchen ist dann die Frage, weshalb es empirisch für bestimmte



25

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Subjekte nicht mehr revidierbar ist. Um diesem empirischen Verfehlen der Kreativitätsunterstellung Rechnung tragen zu können, wurden im Rahmen der subjektorientierten Soziologie auf eine Reihe von Theorien über die Konstitution von Subjektivität zurückgegriffen: Meads Identitätstheorie, bestimmte Topoi der Psychoanalyse, Kompetenztheorien, die Gestaltpsychologie, konstruktivistische Sozialisationstheorien sowie Bourdieus Habitustheorie werden oft herangezogen, um die Genese von Handlungsfähigkeit (agency) und ihre Begrenztheit zu erklären. Die Konstitution des Subjekts wird dabei, zumindest im Rahmen der Biographieforschung, der prominentesten Strömung subjektorientierter Soziologie im deutschsprachigen Raum, als Resultat der aktiven Auseinandersetzung des Subjekts mit sozialen Strukturen begriffen (Hurrelmann 1986: Das Modell des produktiv realitätsverarbeitenden Subjekts in der Sozialisationsforschung).

2.4.5 Der Beitrag biographischer Analysen für die Arbeitsforschung Die Bedeutsamkeit der biographischen Methode für die Arbeitsforschung liegt – vereinfacht gesagt – darin, dass die Eigensinnigkeit des Handelns methodisch zunächst vollständig anerkannt wird, um erst dann eine Kontextualisierung dieses Handelns in Arbeitsprozessen

oder

der

Arbeitswelt

vorzunehmen.

Die

Rekonstruktion

des

biographischen Sinns, den Erfahrungen in der Arbeitswelt annehmen, ermöglicht eine spezifische Bestimmung der gesellschaftlichen Bedeutung von Wandlungsprozessen der Arbeitswelt und der politischen Ökonomie. Die Spezifik dieses Zugangs liegt darin, dass die Vermittlung allgemeiner Strukturen gesellschaftlicher Arbeitsverhältnisse mit den vorherrschenden Subjektivitätstypen einer historischen Zeit (die ja auch durch andere Institutionen des Lebenslaufs wie Familie, Bildungssystem, Wohlfahrtsstaat etc. geprägt sind) untersucht werden kann.

26

3

AKTUELLER STAND UND ZENTRALE FORSCHUNGSFELDER SUBJEKT-THEORETISCH INFORMIERTER ARBEITSFORSCHUNG

Der aktuelle Forschungsstand im Bereich subjektorientierter Arbeitsforschung soll im folgenden Abschnitt unter Berücksichtigung der Entwicklung der Arbeitsforschung in den letzten zwanzig Jahren dargestellt werden.

3.1 SUBJEKTORIENTIERTE INDUSTRIESOZIOLOGIE 3.1.1 Arbeiterbewusstseinsforschung In den sechziger und frühen siebziger Jahren hat die deutsche industriesoziologische Forschung, die in der unmittelbaren Nachkriegszeit selbstverständlich wenig konturiert war, an

kritische und emanzipatorische Ideen angeschlossen. Ihre Protagonisten

begannen, sich für Arbeiterbewusstsein zu interessieren. Dieses Interesse war u.a. von der Erwartung getragen, in der Arbeiterklasse eine gesellschaftliche Gruppe vorzufinden, die das falsche Bewusstsein der bürgerlichen Gesellschaft ablegen könne. Im Rahmen dieser sehr orthodox-marxistischen Forschung (z.B: Flatow/Huisken 1973: Zum Problem der Ableitung des bürgerlichen Staats) wurde versucht, das Bewusstsein der Arbeiter aus ihren objektiven Lebensbedingungen abzuleiten. Charakteristisch für diese Art empirischer Forschung war, dass sie Elemente von Bewusstsein, meist Interessen, deren Bedeutsamkeit für Arbeiter unterstellt wurde, als unvermittelt und widersprüchliche Elemente im Bewusstsein nebeneinander stehen ließ. Wie sich diese zu einer Sinneinheit verknüpfen, bzw. die spezifische Gebrochenheit von Partialidentitäten wurde nicht thematisiert. Diese Form der Subjektforschung erfasst so zwar Elemente von Subjektivität, konnte aber das Subjekt als synthetisierende Kraft gar nicht in den Blick bekommen. Damals stellte sich dann heraus, dass die Arbeiter nicht die erhofften Bewusstseinsformen zeigten, dass vielmehr eine große Variabilität zwischen den Arbeitern bestand.

3.1.2 Subjektorientierte Berufs- und Arbeitsforschung in München Seit Ende der siebziger und achtziger Jahre setzte sich allmählich die Auffassung durch, dass es ein typisches Arbeiterbewusstsein nicht gibt, dass vielmehr, parallel zum Individualisierungsprozess in der Angestelltenschaft, auch bei den Arbeitern eine starke Differenzierung von Haltungen zu erwarten sei. Seit Mitte der 70-er Jahre hat sich eine



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

zunehmend mikrosoziologische bzw. subjektorientierte Sichtweise auf die Themen Arbeit und Beruf etabliert. Vertreter der subjektorientierten Berufssoziologie wie Ulrich Beck, Michael Brater, Hansjürgen Daheim, und vor allem feministische Soziologinnen wie BeckGernsheim, Rerrich, Axeli-Knapp haben die Definition des Gegenstands Arbeit breiter ausgelegt und z.B. auch Arbeit und Arbeitsteilung im Haushalt erfasst. Die neuere Diskussion orientierte sich an den Frage, wie weit die Arbeit noch die individuellen Lebenszusammenhänge prägt, wie weit sie noch klassen- und milieubildend wirkt und welche gesellschaftlichen Veränderungen oder Strukturbedingungen die Verschiebung des Wertehorizontes veranlassen.

3.1.3 Biographieanalytische Arbeitsforschung In den industriesoziologischen Studien dieser Zeit wurden sozialphänomenologische und, dem nahe stehend, biographieanalytische Ansätze in die Industriesoziologie eingebracht. Die Industriesoziologie hat andererseits auch die Biographieforschung nachhaltig beeinflusst. Dies ist leicht daran zu erkennen, dass viele heute einflussreiche BiographieforscherInnen sich in der Industrie- und arbeitssoziologischen Forschung dieser Jahre etabliert haben. In dieser Zeit der Umorientierung der deutschen Industriesoziologie verlor die Vorstellung an Kraft, der Arbeitsprozess selbst schaffe - als auf andere Lebensbereiche durchschlagender Sozialisationskontext - ein typisches Bewusstsein. Die Biographieforschung ersetzte die Suche nach der interessensbildenden Prägekraft der Arbeitssphäre. Was machte die Methoden der Biographieforschung für die Arbeitsforschung der achtziger attraktiv? Die Biographieforschung orientiert sich am symbolisch-interaktionistischen und sozialphänomenologischen Theorierahmen. Allerdings wird der Identitätsbegriff in den Begriff ,biographischer Prozess’ transformiert; vielschichtige Einheiten und Differenzen bestimmen die biographischen Selbstbezüge und Handlungsmuster einer Person. Die Biographieforschung ist seit ihrer Renaissance in den achtziger Jahren mit industriesoziologischer Forschung verbunden worden. In mehreren großen Studien (Giegel/Billerbeck/Frank 1988: Industriearbeit und Selbstbehauptung; Hack/Brose/Czasny et al. 1984: Leistung und Herrschaft. Soziale Strukturzusammenhänge subjektiver Relevanz bei jüngeren Industriearbeitern; Brose 1983: Die Erfahrung der Arbeit) wurde der Versuch unternommen, die „Erfahrung der Arbeit“ (Brose 1983: Die Erfahrung der Arbeit) und ihre Strukturbedingungen mit der Struktur von Subjektivität zu verknüpfen.

27

28

3.1.4 Der ,gesamte Lebenszusammenhang’ in der arbeitssoziologischen Biographieforschung Das Individuum wurde dabei zunehmend als aktiver Interpret des gesamten je eigenen Lebenszusammenhangs entdeckt. Die Erfahrungen in der Arbeitswelt sollten dabei als ein Kontext gelten, den Individuen im Licht ihrer anderen lebenszeitlich angesammelten Erfahrungen interpretieren. Die Vorstellung eines besonders wirkmächtigen Kontexts Arbeit wurde in diesem Rahmen allerdings in einem gewissen Sinn aufrechterhalten: die Zwänge und Bedingungen der Arbeitsorganisation, so argumentierten z.B. Brose (1998) und Giegel et al. (a.a.O.), begrenzen die Deutungskapazitäten und die Lebensführungsoptionen der Arbeiter (und Angestellten). Insbesondere Brose versuchte an den Topos der objektiven Bedingung, die ihre subjektiven Korrelate hat, mit dem Konzept der Zeitperspektive anzuknüpfen. In dieser Perspektive, die Arbeits- und Existenzbedingungen mit den Prozessen der Selbstdeutung verknüpfte, konnte denn auch die überraschende Unterstützung der kapitalistischen Arbeitsordnung durch die Arbeiter und die überraschende Legitimität der gesellschaftspolitischen Ordnung für einen Großteil der Bevölkerung erklärt werden: Biographische Gestaltungsprinzipien und Selbstbezüge organisieren aber die unterschiedlichen Interessen und Überzeugungen einer Person so, dass dieses Verweisungssystem von Interessen und Überzeugungen relativ widerspruchsfrei ist. HannsGeorg Brose formuliert diese Konzeption in seinem Aufsatz „Der Lohnarbeiter als Subjekt. Von der Analyse des Arbeitsbewusstseins zur Biographieforschung“ folgendermaßen: „Sich als Person zu behaupten, muss ihm wichtiger sein, als ein möglichst hohes Einkommen zu erzielen. Erst mit der Entfaltung des höherstufigen Interesses an der Behauptung der Identität gewinnt das Subjekt die Fähigkeit der Selbstdistanzierung. Subjektivität ist nicht eine Ansammlung von Interessen, Anschauungen usw., sondern ist die Kraft, unter Festhalten einer leitenden biographischen Orientierung seine Interessen, Anschauungen usw. zu regulieren. Indem das Subjekt eine für es verbindliche biographische Orientierung entwickelt, werden die verschiedenen Sinnelemente wie Interessen, Anschauungen usw. so einreguliert, dass sie einen in sich kohärenten Sinnzusammenhang ergeben. Jedes Element muss auf die anderen so verweisen, dass es sie bestätigt und umgekehrt. [Hervorhebungen d.A.]“ (Brose 1989: Der Lohnarbeiter als Subjekt. Von der Analyse des Arbeiterbewusstseins zur Biographieforschung).



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Brose argumentiert also, dass die Selbstbehauptung der Person an das Festhalten an regulativen Prinzipien der Identität gebunden ist. Diese regulativen Prinzipien wiederum stehen in Bezug zu normativen Grundlagen kapitalistisch organisierter Gemeinwesen, wie zum Beispiel dem Leistungsprinzip. Die biographische Identität wird also als Form gedacht, die zwischen Handlungskontext und Gesellschaftsstruktur vermittelt. Mit dieser Argumentationsfigur kann Brose auch das scheinbare Paradoxon erklären, weshalb Arbeiter Werthaltungen einnehmen, die ihren objektiven Interessen widersprechen. Er zeigt in verschiedenen Fallstudien, dass das Leistungsprinzip zentraler Bestandteil der Identitätskonstruktion eines Arbeiters sein kann. Ist dies der Fall, ist es diesem Individuum kaum möglich, am Leistungsprinzip prinzipielle Kritik zu üben, da dies in Konflikt mit zentralen Identitätskriterien treten würde. Das Konzept einer biographischen Identität hat gegenüber eingeschränkteren Subjektansätzen entscheidende Vorteile: Der Zusammenhang zwischen Handlungsmustern in verschiedenen Lebensbereichen erschließt sich einer sinngenetischen Analyse. Ohne Biographiekonzept ist lediglich eine statistische Verknüpfung von Lebensbereichen möglich, nicht aber eine Analyse, durch die die sinngebende Tätigkeit des Akteurs verständlich wird. In Biographieanalysen können die subjektivitätsbildenden Wirkungen unterschiedlicher Sozialisationskontexte eines Subjekts aufeinander bezogen werden, indem die sprachlichen Selbstbezüge eines biographischen Erzählers als Verarbeitung der Erfahrungen in diesen Kontexten begriffen werden. Mit dem Ansatz der Biographieanalyse wurde die Arbeiterbewusstseinsforschung einerseits methodisch vehement kritisiert, andererseits aber auch mit anderen Mitteln fortgeführt. Fortgeführt wurde sie in dem Sinn, dass die Mitwirkung an Verhältnissen, die den objektiven Interessen von Arbeitern widersprechen, durch die Analyse biographischer Prozesse verständlich wird. Insbesondere unter dem Einfluss systemtheoretischer Konzepte (siehe z.B. Brose/Wohlrab-Sahr/Corsten 1993: Soziale Zeit und Biographie) wurde Subjektivität denn auch als relativ einheitliches System selbstregulativer Prinzipien begriffen, das sich in sozialisatorischen Prozessen herausbildet und über die Lebensspanne relativ stabil bleibt. Die neuere arbeits- und bildungsbezogene Biographieforschung diskutiert verstärkt die diskursive Subjektkonstitution qua Vergeschlechtlichung (bspw. Dausien 1996: Biographie und Geschlecht. Zur biographischen Konstruktion sozialer Wirklichkeit in Frauenlebensgeschichten), qua Ethnizität (bspw. Rodriguez 1999: Intellektuelle Migrantinnen - Subjektivitäten im Zeitalter von Globalisierung), qua Beruf (bspw. Corsten 1998: Die Kultivierung beruflicher Handlungsstile; Traue 2002: Enttäuschungen und

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30

Aufbrüche. Lebensverläufe, biographische Konstruktionen und Vertrauen junger Erwachsener in Ostdeutschland) und qua Bildungsklasse (bspw. Pfahl 2002: StigmaManagement im Jobcoaching. Berufsorientierung benachteiligter Jugendlicher).

3.2 ENTGRENZUNG 3.2.1 Der Topos der Entgrenzung Das Konzept der Entgrenzung bezeichnet in der arbeitswissenschaftlichen Diskussion zweierlei Sachverhalte: 1) Das Schwinden der klaren Grenze von Arbeitstätigkeiten einerseits und „privatem Leben“ andererseits, also von Tätigkeiten, die sich nicht klar der Arbeitssphäre zuordnen lassen. 2) Zum anderen wird mit diesem Konzept auf neue betriebliche Strategien verwiesen, die das Verhältnis von Erwerbssphäre und privatem Leben einer Wandlung unterziehen. Dazu zählen a) Strukturen im Rahmen der neuen Organisationskulturen, also hoch flexible Arbeitszeiten, Projektorganisation und Teamarbeit, b) neue Formen von Arbeitsverhältnissen, also generell gesprochen ein Outsourcing der betrieblichen Nutzung von Arbeitskraft (z.B. durch Zeitarbeit und Scheinselbständigkeit, freiberufliche Tätigkeit und Selbständigkeit), c) ein Verwischen der räumlichen Grenzen von Erwerbstätigkeit und privatem Leben: Telearbeit, zunehmende Mobilität im beruflichen Alltag.

Durch diese Entwicklungen zeigt die historisch, d.h. mit der Industrialisierung entstandene räumliche, zeitliche, soziale und sachliche Trennung der beiden Bereiche Auflösungstendenzen. Im Rahmen dieser Diskussion wird im Allgemeinen angenommen, dass dieser Wandel in der betrieblichen Organisation und zugleich der Lebensführung von Individuen erhebliche Folgen haben wird. Diese Folgen wurden bereits in einer Reihe von Monographien untersucht (Hörning/Gerhardt/Michailow 1990: Zeitpioniere. Flexible Arbeitszeiten neuer Lebensstil; Voß 1994: Das Ende der Teilung von „Arbeit und Leben“? An der Schwelle zu einem neuen gesellschaftlichen Verhältnis von Betriebs- und Lebensführung, 269-274; Negri/Lazzarato/Virno 1998: Umherschweifende Produzenten. Immaterielle Arbeit und Subversion; Voß 1998: Die Entgrenzung von Arbeit und Arbeitskraft. Eine



31

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

subjektorientierte Interpretation des Wandels von Arbeit; Hochschild 2002: Keine Zeit. Wenn die Firma zum Zuhause wird und zu Hause nur Arbeit wartet; Schönberger 2003: Arbeit und Freizeit - Integration oder Entgrenzung? Wandel der Erwerbsarbeit: Überlegungen für eine subjektorientierte Empirische Kulturwissenschaft/Europäische Ethnologie; Schönberger/Springer 2003: Handlungsräume subjektivierter Arbeit in der Wissensökonomie. Eine Einführung). Diese vermuteten Folgen erstrecken sich auf Identitätsmuster, die Gestaltung individueller und kollektiver sozialer Beziehungen, das Geschlechterverhältnis sowie die politische Ökonomie von Arbeit und Kapital. Neben der theoretischen Definition von Entgrenzung, die vornehmlich mit Mitteln des historischen Vergleichs der Organisation von Leben und Arbeit operiert, gibt es seit ca. fünf Jahren viele Versuche, Formen von Entgrenzung auf betrieblicher Ebene und auf Ebene von Lebensführung empirisch zu belegen. Diese Diskussion changiert zwischen einer kapitalismuskritischen Perspektive, die teils vage an die Subjektivierungsdiskussion (siehe unten) anschließt, teils wird auf die Entgrenzung auch die Hoffnung auf einem Wandel des rigiden Arbeitsverständnisses entwickelter Gesellschaften gerichtet (z.B. Hörning/Gerhardt/Michailow 1990: Zeitpioniere. Flexible Arbeitszeiten - neuer Lebensstil; Negri/Lazzarato/Virno 1998: Umherschweifende Produzenten. Immaterielle Arbeit und Subversion). Arlie Hochschild kommt aufgrund ihrer bekannten ethnografischen Studie „The time bind“ zu einem Schluss, der zu den gängigen Interpretationsfolien eigentümlich quer liegt: die neue Organisationskultur (flache Hierarchien, Betonung kommunikativer Kompetenzen) einerseits und verlängerte Arbeitszeiten andererseits führen zu einer Aufwertung der Erwerbsarbeit in dem Sinn, dass diese als quasi-lebensweltliche, d.h. expressive und erfüllende empfunden wird, während Haushaltstätigkeit und Familienleben zunehmend als durchrationationalisierter Bereich erlebt wird (Hochschild 2002: Keine Zeit. Wenn die Firma zum Zuhause wird und zu Hause nur Arbeit wartet). Die „Kartierung“ von Entgrenzungsprozessen ist zurzeit in vollem Gange und bei weitem noch

nicht

abgeschlossen.

Dabei

steht

u.a.

noch

zur

Disposition,

ob

Entgrenzungsprozesse auch Individuen betreffen, die in relativ traditionellen Bereichen staatlich geregelter Arbeit verbleiben? In der Frage der Entgrenzung muss das historisch gleichzeitige

Vorhandensein

fordistischer,

bürokratischer,

und

subjektivierter

Arbeitsverhältnisse berücksichtigt werden, um die jeweiligen Bezüge von Entgrenzung klarzustellen. Die Interpretation der Entgrenzung als Wandel in der Koordination sozialer Prozesse ist noch nicht geklärt. Nötig wäre eine Einordnung der Verschiebung von Privatheit und Arbeit in Makroprozesse in der politischen Organisation moderner

32

Gesellschaften. Insbesondere die ,Mikroprozesse’ von Entgrenzung auf der Ebene von Lebensläufen

und

Lebensführung

sollten

auf

Makroprozesse

gesellschaftlicher

Koordination von Ökonomie und Politik bezogen werden.

3.3 SUBJEKTIVIERUNG DER ARBEIT Eine andere Debatte, die sachliche Parallelen zur Diskussion über Entgrenzung aufweist, ist seit etwa drei Jahren in eine ,heiße Phase’ eingetreten. In etwa seit Martin Baethges viel beachtetem Aufsatz zur ,normativen Subjektivierung’ setzte diese Debatte ein. Einige Jahre vor der deutschen Debatte wurden ähnliche Themen in Großbritannien unter dem Titel „Labor Process Debate“ verhandelt. Während in Deutschland allerdings der Bezugspunkt Habermas (bei Baethge) und die kritische Industriesoziologie waren, griff man in Großbritannien bereits Foucaults Machtanalysen auf, die in Deutschland erst jetzt allmählich fruchtbar gemacht werden. Die Subjektivierungsdebatte knüpft (selbstverständlich) an klassische Topoi der soziologischen Tradition an: die fortschreitende Rationalisierung okzidentaler Gesellschaften (Weber), die Kolonialisierung der Lebenswelt (Habermas) sowie marxistische Konzepte, beispielsweise den Begriff der ,Subsumption’ (von Subjektivität unter ein Produktionsregime).

3.3.1 Baethges These der normativen Subjektivierung Baethge greift die Diskussion um die zunehmende Individualisierung von Lebensentwürfen und damit die relative Abkoppelung der Bewusstseinsformen von den Produktionsverhältnissen auf und gibt ihr eine neue Wendung. Diese Wendung haben verschiedene ForscherInnen explizit oder eher implizit vollzogen. Im Folgenden sei auf Baethges Argument eingegangen, weil es am breitesten rezipiert wurde und für die heutige Forschungslandschaft richtungweisend war.

3.3.2 Normative Subjektivierung als Anspruch der Arbeitenden Mit dem Begriff der ,normativen Subjektivierung’ vermutet Baethge, dass bestimmte Schichten von Angestellten den Anspruch, sich selbst persönlich zu entfalten, in die Arbeitswelt tragen und dort geltend machen. Baethge definiert „zunehmende normative Subjektivierung des unmittelbaren Arbeitsprozesses“ (1991: 260) als die Entwicklung, die



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

gekennzeichnet ist, durch die „Geltendmachung persönlicher Ansprüche, Vorstellungen und Forderungen in der Arbeit, im Gegensatz zu solchen Momenten von Handlungsspielraum und Berücksichtigung persönlicher Bedürfnisse, die aus dem funktionalen Interesse des Arbeitsprozesses zugestanden werden“ (ebd: 273f.). Diese These stützt sich auf die empirische Beobachtung, dass viele Arbeitende verstärkt berufsinhaltliche, kommunikative und expressive Ansprüche an die Arbeit stellen. Sie wollen „innerlich an der Arbeit beteiligt sein, sich als Person in sie einbringen können und über sie eine Bestätigung eigener Kompetenzen erfahren“ (ebd.: 262). Die Arbeitenden wollen als „ganze Person“ mitsamt ihrer Emotionalität behandelt werden und ihre Persönlichkeit auch im Rahmen der Arbeit entfalten können. Davon erhoffte sich nicht nur Baehtge eine kritische Unterwanderung betrieblicher Verwertungsansprüche an der Arbeitkraft von Angestellten und Arbeitern: „In den hochentwickelten Arbeitsgesellschaften des Westens kommt es im Zuge fortschreitender gesellschaftlicher Modernisierung zu einer zunehmenden normativen Subjektivierung des unmittelbaren Arbeitsprozesses. Diese hebt zwar die fortbestehende Fremdbestimmung der Arbeit nicht auf, bewirkt aber in zentralen Bereichen eine Aufweichung ihrer etablierten Ausdrucksformen und Regulationsmuster im Betrieb und stellt den traditionellen Modus von Identitätsbildung und Vergesellschaftung in und durch Arbeit in Frage. Daraus ergeben sich weitreichende Folgen sowohl für die politische Integration als auch für die soziologischen Kategorien zur Interpretation der Entwicklung kapitalistischer Gesellschaft“ (Baethge 1991, S 6). Man sieht leicht, dass Baethge sich hier auf die Dichotomie von Lebenswelt und System bezieht. Subjektivierung bedeutet dann, dass lebensweltliche Ansprüche, die noch nicht durch systemische Imperative gezähmt und rationalisiert wurden, vermittels der Anspruchshaltung von Beschäftigten zur Reform kapitalistischer Wirtschaftsorganisationen führen. Deshalb geht Baethge anhand seiner Beobachtungen davon aus, dass in modernen Arbeitsprozessen Möglichkeiten zur Entwicklung von Identität bestehen, dass diese eher wachsen als zurückgehen. Er behauptet damit die Möglichkeit der Selbstbestätigung innerhalb der Arbeit, denn „im subjektzentrierten Arbeitsverständnis verwischen unter Umständen die Grenzen zwischen Erwerbsarbeit und nicht erwerbswirtschaftlichen Beschäftigungen. Da seine Träger tätigkeitsorientiert sind, d.h. ihre Fähigkeiten und Neigungen in sinnvollen Tätigkeiten entfalten wollen, können sie ihre Energien flexibel handhaben

33

34

und suchen sich wechselweise Kompensate“ (vgl. ebd.: 272). Er stellt damit die Frage, ob es weiterhin gerechtfertigt sei, weiter von der Fremdbestimmtheit der Arbeitenden auszugehen, wenn diese sich einzig auf die Organisationsform der Tätigkeit als abhängige Arbeit beziehe. Mit Bezug auf die Kolonialisierungsthese vertritt Baethge die These, dass expressive Bedürfnisse, die in der kolonialisierten Lebenswelt unbefriedigt geblieben seien, sich gewissermaßen ,rächen’, indem sie in die Sphäre zweckrationalen Arbeitshandelns eindringen. Diese Ansprüche können laut Baethge zu einer Modifikation bisheriger Organisationsformen und damit zu einer Revision von Steuerungsprinzipien führen.

3.3.3 Subjektivierung als Verwertungsanspruch der Betriebe Baethge beobachtet allerdings auch, dass die Befriedigung von Subjektivierungsansprüchen der Beschäftigten zum Bestandteil von Unternehmensstrategien geworden ist. Die Unternehmen gehen auf diese Ansprüche ein, „nicht zuletzt, um die produktiven Potenzen des individuellen Selbstdarstellungsinteresses rationalistisch einzufangen und sich verfügbar zu machen“ (ebd.: 273). Die Veränderungen in der Organisationsstruktur der Arbeit werden in dieser Perspektive also als doppelter Prozess konzipiert – einerseits von Angestellten erwünscht, andererseits von den Organisationen entwickelt, um die Subjektivität ihrer Mitglieder für Innovationsprozesse und Konkurrenzsteigerung zu nutzen.

3.3.4 Die neuere Subjektivierungsdiskussion: Arbeit als Intensifikationspotential Das eben erwähnte, zweite, machttheoretische Argument der „fremdorganisierten Selbstorganisation“ ist im weiteren Verlauf der arbeitssoziologischen Diskussion stärker in den Vordergrund gerückt worden. Kleemann, Matuschek und Voß definieren Subjektivierung in ihrem sehr umfassenden Übersichtsartikel folgendermaßen: „Formal betrachtet beschreibt dabei der Prozessbegriff „Subjektivierung“ eine „Intensivierung“ (in jeweils zu spezifizierenden Qualitäten) von Wechselverhältnissen zwischen Subjekt und Arbeit: Die Individuen tragen mehr „Subjektives“ in die Arbeit hinein und/oder die Arbeit fordert immer mehr „Subjektives“ von den Individuen. Dies



35

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

geschieht jeweils vor dem Hintergrund, dass gesellschaftsprägende intermediäre Faktoren – also institutionelle Strukturen, kulturelle Normierungen usw. – wegfallen. [...] „Subjektivität bedeutet mithin eine einseitige [Hervorhebung d.A.] Relationierung, die ihren Ausgangspunkt allein bei der Person nimmt und auf dieser Grundlage Verhältnisse der Person zu sich selbst und zu anderen in den Blick nimmt. Demgegenüber fokussiert der im Folgenden zentrale Begriff der „Subjektivierung“ auf Wechselverhältnisse zwischen Person und Betrieb. Letztlich geht es um die „Passung“ zwischen arbeitender Person – ihren subjektiven Leistungen, Fähigkeiten, Sinndeutungen und Einstellungen – und betrieblichem Arbeitsplatz – dessen Anforderungen an Arbeitskraft und strukturierende Wirkung für subjektive Handlungsspielräume.“ (Kleemann/Matuschek/Voß 2002: Subjektivierung von Arbeit - Ein Überblick zum Stand der soziologischen Diskussion)

Dieses Zitat zeigt, dass die Autoren auf beide ,Seiten’ von Subjektivierung eingehen, wie Baethge sie bereits eingeführt (bzw. popularisiert) hatte. Dabei betonen sie allerdings die strukturelle Seite der Einforderung subjektivierender Arbeitsleistung durch die Betriebe. Die Autoren ziehen viele empirische Studien zusammen, die sich auf den Subjektivierungsbegriff beziehen lassen. Diese Studien sollen im Folgenden nicht noch einmal rekapituliert werden (sie sind größtenteils in diesem Text an anderer Stelle angeführt); stattdessen ist die Lektüre des 40-Seitigen Forschungsberichts der Autoren und ergänzend Moldaschls methodologischen Artikels (Moldaschl 2002: Subjektivierung. Eine neue Stufe in der Entwicklung der Arbeitswissenschaften?) empfehlenswert. Kleemann et al. (2002) fassen als Ergebnis ihres Übersichtartikels unterschiedliche Formen und Funktionen von Subjektivierung zusammen:

Praxis

Diskurs

aktiv

Strukturierende Subjektivität

Reklamierende Subjektivität

Passiv

Kompensatorische Subjektivität

Ideologisierte Subjektivität

Aus: Kleemann et al. (2002) 1. Kompensatorische Subjektivität Diese Subjektivitätsform zeichnet sich dadurch aus, dass Personen kommunikative Leistungen ausführen müssen, die aufgrund immer komplexer werdender technischer Vorgaben notwendig werden (vgl. z.B. Knoblauch 1996: Arbeit als Interaktion. Informationsgesellschaft, Post-Fordismus und Kommunikationsarbeit).

36

„Die Funktion kompensatorischer Subjektivität ist dabei, explizit oder implizit regulierend

zur

flexiblen

Problembewältigung

einzugreifen.

Betriebliche

Anforderungen bzw. Strukturen sind dabei für die Arbeitenden, die dies leisten müssen, relativ unveränderbar vorgegeben, so dass die regulierenden Eingriffe einseitige Anpassungsleistungen im Rahmen des Tätigkeitsvollzugs der Individuen – qua vermehrter Einbringung bzw. „Selbst-Formung“ von Subjektivität – darstellen.“ (Ebd., 85). Der passive Charakter dieser Form von Subjektivierung sei also darin begründet, dass die Arbeitsprozesse die kommunikativen Tätigkeiten eindeutig vorstrukturieren. 2. Strukturierende Subjektivität ,Subjektive Leistungen’ sind hier auf das „Handeln von Personen in Bezug auf die praktische Organisation der Arbeitstätigkeit selbst, der Gestaltung der alltäglichen Lebensführung (insbesondere in der synchronen Verbindung von „Arbeit“ und „Leben“) sowie des Lebensverlaufs (insbesondere hinsichtlich der diachronen Einbindung von Erwerbsarbeit in den individuellen Lebensverlauf).“ (ebd., 86) bezogen. Als Funktion dieser Art von Subjektivierung geben die Autoren an, dass Personen durch entsprechende individuelle Strukturierungsleistungen für den Ablauf der Arbeit selbst Sorge tragen müssen und dadurch ihre Arbeitskraft in betriebliche Erfordernisse einpassen müssen. Die Autoren unterhalten Hoffnungen, dass „diese individuelle Aneignung gesellschaftlicher Vorgaben gewisse Spielräume für einen allmählichen kollektiven alltagspraktischen Wandel, der die Funktionalität bestehender Strukturen in Frage stellen könnte“ (ebd.) enthält. Diese Einschätzung findet sich u.a. auch bei Antonio Negri und seinen KollegInnen aus dem Umfeld des italienischen Post-Operaismus (Negri/Lazzarato/Virno 1998: Umherschweifende Produzenten. Immaterielle Arbeit und Subversion). 3. Reklamierende Subjektivität Diese Form von Subjektivität entspricht Baethges „normativer Subjektivierung“ (vgl. oben). 4. Ideologisierte Subjektivität Diese vierte Form von Subjektivierung ist von Kleeman et al. nicht ausgearbeitet, die Literatur dazu nicht ausgewertet, da sie sich nur auf Subjektivierungsformen beziehen, die durch wenig reflexives, ,alltägliches’ Handeln von Individuen hervorgebracht, ausgezeichnet sind („Auswahlkriterium der „Subjektorientierung“, ebd.). Diese Form bezöge sich „auf eine einseitige, „passive“ Anpassung der Person an vorgegebene Strukturen von Arbeit und Beschäftigung auf der diskursiven bzw.



37

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Sinndeutungsebene, die möglicherweise auch reflexiv den Prozess einer zunehmenden „Subjektivierung von Arbeit“ thematisieren würde. Berührt werden dadurch Prozesse kollektiver und/oder individueller soziokultureller bzw. sozialisatorischer Prägungen in Reaktion auf sich ändernde Anforderungen der gesellschaftlichen Arbeit sowie Prozesse einer (zum Teil auch gezielt ideologischen) diskursiven soziokulturellen Überformung faktischer Prozesse des Wandels von Arbeit und Beschäftigung – beispielsweise im Zuge des allseits zunehmenden Diskurses über „Individualität“ und „individuelle Verantwortung“, „Marktförmigkeit“ und „Wettbewerb“, „Flexibilität“ und „Innovativität“, „Selbständigkeit“ und „Unternehmertum“ usw.“ (ebd., 87).

3.3.5 Kritik an der Definition von „Subjektorientierung“ in der Typologie von Kleemann/Matuscheck/Voß Weshalb die Autoren diese vierte ,Grundform’ von Subjektivierung aus dem Bereich „subjektorientierter Arbeitsforschung“ ausschließen, während die ebenso „passive“ kompensatorische Subjektivität Bestandteil derselben zu sein scheint, ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar; diese etwas arbiträre Unterscheidung ist möglicherweise der praxisphilosophischen Ausrichtung des von den Autoren vertretenen Verständnisses von Subjektorientierung geschuldet. Mit der Ausklammerung der diskursiven Dimension als Konstituens von Subjektivität aus dem Bereich subjektorientierter Forschung definieren die Autoren allerdings ein enggeführtes Verständnis subjektorientierter Soziologie. Eine Erweiterung

der

Subjektivitätskonzeption

auf

stärker

diskursiv

hergestellte

Subjektivierungsformen ist in Kleemann et al.s Konzeption allerdings nicht ausgeschlossen, sondern liegt begrifflich nahe, wie die Autoren selbst andeuten. Die zentralen Unterscheidungen des oben vorgestellten Schemas sind einleuchtend, teils aber auch problematisch: Mit der Unterscheidung zwischen „aktiven“ und „passiven“ Formen von Subjektivierung werden heteronome und autonome Formen von Subjektivierung unterschieden. Dies ist als analytische Unterscheidung einleuchtend. Das Konzept der Subjektivierung verweist sowohl auf das gesteigerte Anspruchsniveau von Personen auf Selbstverwirklichung (wie in der Wertewandels-Debatte diskutiert) als auch auf die Inwertsetzung und Nutzung dieser Subjektivitätspotentiale im Rahmen kapitalistischer Arbeitsarrangements. Das theoretische Problem besteht primär darin, die Verquickung von Autonomie und Heteronomie im Prozess der Subjektivierung theoretisch zu begreifen. Dabei ist es in der

38

Tat sinnvoll, analytisch zwischen aktiven und passiveren Aneignungsformen bzw. eigentlich: zwischen Aspekten von Autonomie und Heteronomie unterscheiden zu können. Es ist aber wenig sinnvoll, diese Unterscheidung ontologisch zu verwenden. Dies hieße anzunehmen, es gebe Formen von Subjektivierung, die per se aktivisch sind, und solche, die

per

se

passivisch

seien.

Kleemann

et

al.

sprechen

allerdings

von

„Erscheinungsformen“ (ebd. 32) und „Funktionsfeldern“ von Subjektivität und trennen beides nicht. Dadurch bleibt unklar, ob die Unterscheidung zwischen aktivischen und passiven, rein reaktiven Formen von Subjektivität, nicht doch ontologisch gemeint ist, bzw. so verwendet wird. Die Unterscheidung zwischen „Praxis” und “Diskurs“ (die zweite Dimension des Vierfelderschemas) kann letztlich nicht als Dichotomie verstanden werden. Praxis und Diskurs sind allenfalls Extreme auf einer kontinuierlichen Achse, die von einer ,reinen’ Praxis über Formen bezeichneter Praktiken bis hin zu einem ,reinen’ Diskurs reichen würden, wenn es nicht letztlich unmöglich wäre, von reiner Praxis oder reinem Diskurs zu sprechen. Jeder Diskurs ist als Ordnung von Aussagen eine Form der organisierten Praxis, und jede Praxis kann nur in sinnhaften Schemata realisiert werden – jedenfalls dann, wenn es sich um „Arbeit“ handelt, also um planvolle und zielgerichtete Tätigkeit. Es mag einleuchtend erscheinen, die Praxis des Holzfällers für irgendwie praktischer zu halten als die Verteidigungsrede eines Rechtsanwalts, und doch handelt es sich nur um graduelle Unterschiede im Komplexitätsgrad der Sinnhaftigkeit des jeweiligen Handelns. Ein empirisches Argument bestärkt die Annahme, dass die Diskursivität der Arbeit nicht von ihrem Praxischarakter abgespalten werden kann: durch die Informatisierung und Tertiarisierung der Arbeit hat ein immer größerer Anteil der Arbeit kommunikative Vorgänge zum Inhalt oder erfordert kommunikative Vorgänge zur Aufrechterhaltung der Arbeitstätigkeit. Der provisorische Begriff der „ideologisierten Subjektivität“ selbst knüpft an die Tradition der Ideologiekritik an, die erhebliche Selbstsicherheit in der Unterscheidung zwischen Fetisch und wahrem Wissen beansprucht. Mit dem Ausschluss der diskursiv auferlegten und von Subjekten angeeigneten Subjektivität schreiben die Autoren vermutlich eine ausdrucksanthropologische Tradition fort, die Marx bereits von Hegel übernommen hatte. Vereinfachend gesagt wird in dieser Tradition der Praxis der Vorrang vor der Sprache bzw. dem bloßen sprechen zugebilligt. Die privilegierte Praxis, mit Hilfe derer sich Akteure artikulieren, kann dann als Arbeit bezeichnet werden, während die Sprache als institutionalisiertes Sprechen die Artikulation, die aus der Praxis erwächst, tendenziell verhindert. Diese Theorieanlage ist in sich schlüssig; allerdings wird dadurch die konstitutive Kommunikativität des

Arbeitshandelns ausgeblendet. In



39

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Arbeitswelten,

die

zunehmend

auf

Sprech-,

Dokumentations-,

und

Berechnungshandlungen beruhen, führt diese Ausblendung zu ernsthaften empirischen Blindheiten. Im folgenden Abschnitt soll aufgezeigt werden, wie die Leerstelle der „diskursiven“, „passiven“ Subjektivität programmatisch gefüllt werden kann.

3.4 ERWEITERUNG DES SUBJEKTIVIERUNGSKONZEPTS IN RICHTUNG EINER ,IDEOLOGISIERTEN SUBJEKTIVITÄT’ Die diskursive Dimension von Subjektivierung ist im Rahmen der Arbeitsforschung bisher wenig diskutiert worden, zumindest wenn man ein Verständnis von Diskurs ansetzt, das über die Rekonstruktion so genannter autobiographischer Rede hinausgeht. Es gibt allerdings eine Reihe von Untersuchungen der letzten Zeit, die diese strukturelle diskursive Ebene

ausführlich

thematisieren

und

sie

außerdem

in

Zusammenhang

zur

Handlungsebene setzen. Dazu zählen neben Boltanski und Chiapellos Analysen von Managementliteratur (Boltanski/Chiapello 2003: Der neue Geist des Kapitalismus) die Arbeiten aus dem Umfeld der Foucauldianischen Gouvernementalitätsforschung (Rose 1989: Governing the Soul; Bröckling/Krasman/Lemke 2000: Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen) und neo-institutionalistische Analysen (bspw. aus dem Umfeld John Meyers an der Stanford University: z.B. Meyer 1992: The Life Course as a Professionalized Cultural Construction; Luo 2004: The rise of Personal Development Training in Organizations: A Historical and Institutional Perspective on Workplace Training Programs). Boltanski und Chiapello rekonstruieren aus der Managementliteratur der letzten zwanzig Jahren Veränderungen in der Legitimation kapitalistischen Wirtschaftens und Arbeitens. Sie charakterisieren den normativen Rahmens der gegenwärtig in modernisierten Gesellschaften dominierenden Form der Arbeitsorganisation als „Projektbasierte Polis“. Die Autoren verstehen es, die ,aktiven’ sowie die passiven Aspekte der „neuen ideologischen Konfiguration“ (Ebd. 89ff) in ihrer widersprüchlichen Einheit zu analysieren und die Genese dieser Einheit als Reaktion auf die Kritik an der bürokratischen Organisationsform der Ökonomie zu rekonstruieren. Bei Boltanski und Chiapello scheinen denn auch die potentiell emanzipatorischen Aspekte der neoliberalen Umstrukturierung von Ökonomie und Gesellschaft auf. Sie beziehen die gesteigerte ökonomische und gesellschaftliche Bedeutung der Symbolproduktion in ihre Analyse

systematisch

ein,

indem

sie

der

Managementliteratur

einen

gesellschaftskonstitutiven Status zubilligen, neben einem bloß legitimatorischen.

40

Ideologische Subjektivität im Sinn von Kleemann et al. wäre aus Ihrer Perspektive konstitutiver Bestandteil von Subjektivität in postinudstriellen Informationsgesellschaften. Andere Autoren haben an Michel Foucaults Studien zur Gouvernementalität angeknüpft und

diese

zu

einem

Forschungsprogramm

(Gouvernmentality

Studies;

„GS)

weiterentwickelt (Rose 1989: Governing the Soul; Bröckling/Krasman/Lemke 2000: Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen). In diesem Rahmen wurden unter anderem die ,Programme’ der

Persönlichkeitsbildung

anhand von Selbsthilfeliteratur (Bröckling, ebd.) und anhand der Disziplin der Psychologie (Rose 1989, Greco 2000) auf veränderte Rahmenbedingungen der politischen Ökonomie postindustrieller Gesellschaften bezogen. Diese Forschungstradition steuert zur industriesoziologischen Diskussion eine politische Perspektive bei, in deren Rahmen Kategorien wie Subordination und Emanzipation breiter gefasst werden können als dies in der industriesoziologischen Diskussion bisher getan wurde. In der Industriesoziologie findet zurzeit eine vorsichtige Rezeption dieser Tradition statt (vgl. Moldaschl 2002: Foucaults Brille. Eine Möglichkeit, die Subjektivierung von Arbeit zu verstehen). In der Biographieforschung schließlich erarbeiten v.a. jüngere WissenschaftlerInnen Konzeptionen

einer

Biographieforschung,

die

mit

der

Diskursanalyse

und

Wissenssoziologie in ein fruchtbares Verhältnis gesetzt wird (vgl. bspw. Freitag 2003: Contergan. Eine genealogische Studie des Zusammenhangs wissenschaftlicher Diskurse und biographischer Erfahrungen; Rodriguez 1999: Intellektuelle Migrantinnen – Subjektivitäten im Zeitalter der Globalisierung). Diese

vier

(und

andere)

Perspektiven

ermöglichen

eine

Erweiterung

der

arbeitssoziologischen Forschung in zwei Richtungen: Der aktuelle Wandel der Formen des Wirtschaftens, der mit der zunehmenden Bedeutung von Informationstechnologie für Produktion und Wertschöpfung verbunden ist, wird durch die Einbeziehung einer diskursanalytischen und machtanalytischen Perspektive adäquat berücksichtigt. Dies ist erstens möglich, indem Zeichen und Bedeutungsproduktion als konstitutiver Bestandteil der Produktionsverhältnisse in Analysen der Arbeitsverhältnisse einbezogen werden. Zweitens muss eine Machttheorie zum Zuge kommen, die Machtverhältnisse nicht als Nullsummenspiel begreift, sondern die die Möglichkeit einer Machtausübung über sich selbst gegen sich selbst beinhaltet. Diese Konzeption ist insbesondere im Rahmen so genannter poststrukturalistischer Perspektiven entfaltet worden, die sich methodologisch in die Entwicklung der kritischen Diskursanalyse (im



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

englischsprachigen Raum „CDA“, vgl. Torfing 1999: New Theories of Discourse) niedergeschlagen haben. Im Abschlusskapitel sollen diese Fragen noch einmal aufgegriffen werden.

3.5 PROFESSIONSSOZIOLOGISCHE FORSCHUNG Die professionssoziologische Forschung trägt in Teilbereichen zu einer subjektorientierten Arbeitsforschung bei. Die letzten zehn Jahre haben einen Aufschwung der professionssoziologischen Perspektive mit sich gebracht, gemessen an der Anzahl der Publikationen, gerade auch im Bereich genderorientierter Professionsforschung (Giddens 1991: Modernity and Self-Identity; Witz 1992: Profession and Patriarchy; Hitzler 1994: Wissen und Wesen des Experten, 13-31; Wetterer 1995: Die soziale Konstruktion von Geschlecht in Professionalisierungsprozessen; Degele/Münch/Pongratz et al. 2001: Soziologische Beratungsforschung. Perspektiven für Theorie und Praxis der Organisationsberatung; Nassehi/Brüggen/Saake 2002: Beratung zum Tode. Eine neue ars moriendi?, 63-85; Wetterer 2002: Arbeitsteilung und Geschlechterkonstruktion. "Gender at Work" in theoretischer und historischer Perspektive; Pfadenhauer 2003: Professionalität). Bei der Thematisierung von Beratung, Expertenschaft und der Entstehung einer ,Expertengesellschaft‘ (Hitzler 1994: Wissen und Wesen des Experten, 13-31, 16) wurde nur teilweise an eliten- und religionssoziologische Stränge aus den ersten zwei Nachkriegsjahrzehnten (Schelsky 1975: Die Arbeit tun die anderen. Klassenkampf und Priesterherrschaft der Intellektuellen) angeknüpft. Während Schelsky den charismatischen Aspekt des Expertentums herausarbeitet, wird in der klassischen Professionssoziologie der Aspekt der Rationalisierung bzw. Verwissenschaftlichung von Berufshandeln stark gemacht (Parsons 1939: The Professions and Social Structure, 457-467). Die Professionsforschung ist unter subjektsoziologischen Aspekten insofern interessant, als die Strategien, mit denen (Semi-)Professionelle ihren Anspruch auf Professionalität durchsetzen (eine Fragestellung des ,power approach' im Rahmen der symbolischinteraktionistischen Professionsforschung) einerseits als Leistung des Subjekts gewürdigt werden, andererseits schlüssig gezeigt werden kann, wie das Gelingen der Selbstdarstellung von Professionellen davon abhängt, ob die Akteure im Gefüge der gesellschaftlichen Diskurse für sich eine angemessene Subjektposition (vgl. Foucault 1981: Archäologie des Wissens) vorfinden und diese mit Geschick ausfüllen und für sich institutionell besetzen.

41

42

In dieser Perspektive zeigt sich, dass auch der Rückgriff auf wissenschaftlich abgesichertes Wissen als Bestandteil einer Durchsetzungsstrategie von Professionellen gegenüber anderen Professionellen und ihrer Öffentlichkeit begriffen werden muss. Michaela Pfadenhauer hat Professionalität in ihrer richtungsweisenden professionssoziologischen Arbeit in diesem Sinn in dramatologischer Absicht (in Anschluss an E. Goffman) als „Kompetenzdarstellungskompetenz“ bezeichnet (Pfadenhauer 2003: Professionalität. Eine

wissenssoziologische

Rekonstruktion

institutionalisierter

Kompetenzdarstellungskompetenz, 13). Die Professionsforschung, in Deutschland auch durch die Gründung einer sehr aktiven Arbeitsgemeinschaft zur Professionssoziologie (www.professionssoziologie.de) wieder besser vertreten, bietet einige viel versprechende Weiterentwicklungen einer subjektsoziologischen Perspektive, die bisher noch zu sehr auf das Wechselspiel von sozialstruktureller Handlungsbeschränkung und individueller kreativer ,Überwindung’ dieser Beschränkungen fixiert ist, ohne systematisch die diskursive Konstruktion von Subjektivität und Autorität in Rechnung zu stellen.

4

GENDERORIENTIERTE ARBEITSFORSCHUNG

Im Folgenden werden die Beiträge der Frauen- und Geschlechterforschung zur subjektorientierten Arbeitsforschung dargestellt. Der Schwerpunkt liegt auf den Aspekten, in denen sie parallel zur subjektorientierten Forschung lief und jenen, in denen sie alternative Perspektiven vorschlug. Ausgewählte geschlechtersensible theoretische und methodologische Beiträge zur genderorientierten Arbeitswissenschaft und Kritik feministischer ForscherInnen an ,konventioneller’ Sozialforschung sollen in Grundzügen dargestellt werden. Ziel der Darstellung ist es, Anknüpfungspunkte zwischen genderorientierter und subjekttheoretischer Arbeitsforschung aufzuzeigen. In den letzten beiden Abschnitten wurde gezeigt, dass subjektorientierte Forschung sich inhaltlich, methodisch und erkenntnislogisch durch drei Spezifika auszeichnet: •methodisch:

oft offene Befragung, Befragungsformen, die eine Rekonstruktion des

Handlungssinns erlauben •inhaltlich:

Erfahrungen und Strategien von Individuen in ihrem Kontext

•erkenntnislogisch:

Rekonstruktion des Handlungssinns

Genderorientierte Forschung war seit ihren Anfängen struktur- und subjekttheoretisch



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

interessiert, da die Besonderheit der gesellschaftlichen Position der Frauen aus der Erfahrung von Frauen und aus ihrer gesellschaftlichen strukturellen Lage rekonstruiert werden musste. Die marxistisch geprägte Industriesoziologie mit ihrem Interesse an der Dialektik des Subjekt-Objekt-Verhältnisses und damit an (Klassen-)Bewusstseinsbildung bot für die feministischen Soziologinnen der siebziger Jahre einen Bezugs- und Anknüpfungspunkt. Die Tatsache, dass in der Marxschen politischen Ökonomie unbezahlte Tätigkeiten immerhin als ,Reproduktion’ und damit als wesentlicher Teil der gesellschaftlichen Arbeitsteilung thematisiert wurden, ermöglichte (unter anderem) die wissenschaftliche Artikulation der Ungleichheits- und Machtthematik. Die im Zusammenhang mit der Studenten- und Frauenbewegung aufgekommenen Fragen nach der Verteilung gesellschaftlichen Reichtums und zwischenmenschlicher Herrschaft konnten deshalb zumindest zeitweise mehr oder minder bruchlos im institutionellen Rahmen der Industriesoziologie untergebracht werden. Das teilweise der Industriesoziologie implizite politische Programm, die Bildung eines Klassenbewusstseins zu unterstützen, fand ihre Entsprechung in der Hoffnung feministischer Forscherinnen, ein Geschlechterbewusstsein finden und verändern zu können. Diese Hoffnung einer direkten Bewusstseinsbildung wurde jedoch im Rahmen der genderorientierten Arbeitsforschung relativ schnell wieder aufgegeben. Zentrales Erkenntnisinteresse stellte daraufhin die Thematisierung der Ungleichheit von Männern und Frauen in der Produktions- und Reproduktionssphäre dar. Vor allem die materiale und theoretische Rekonstruktion der alltäglichen Widersprüche und Konflikte, die sich für erwerbstätige Frauen ergeben, waren ein wichtiger Fokus der Studien der siebziger und achtziger Jahre.

4.1 INDUSTRIESOZIOLOGISCHE ARBEITERINNENFORSCHUNG Die empirischen Studien über Arbeiterinnen aus der Zeit des Beginns der neuen Frauenbewegung in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren (Stiegler 1976: Die Mitbestimmung der Arbeiterin. Frauen zwischen traditioneller Familienbindung und gewerkschaftlichem Engagement im Betrieb; Eckart/Jaerisch/Kramer 1979: Frauenarbeit in Familie und Fabrik. Eine Untersuchung von Bedingungen und Barrieren der Interessenvertretung von Industriearbeiterinnen; Becker-Schmidt/Brandes-Erlhoff/Karrer et al. 1982: Nicht wir haben die Minuten, die Minuten haben uns. Zeitprobleme und

43

44

Zeiterfahrungen von Arbeitermüttern in Fabrik und Familie) stehen im Kontext der industriesoziologischen Arbeiterforschung. Diese Forschung hätte wissenschaftslogisch auch früher einsetzen können, aber da Frauen erst ab Mitte der siebziger Jahre in Folge der Bildungsexpansion (beruflichen) Zutritt zum Wissenschaftssystem erhielten, konnte es eine breit vertretene genderorientierte Arbeitsforschung vor Mitte der siebziger Jahre überhaupt nicht geben. Diese Strömung begriff die Arbeiterinnenbewusstseinsforschung auch als politisches Projekt.

4.1.1 Gleichheit in der Differenz – Differenz in der Gleichheit Eckhard und ihre Kolleginnen befinden, „dass alle berufstätigen Frauen im Laufe ihres Lebens eine Reihe von typischen Konfliktsituationen zu bewältigen haben, die als Folge der materiell-institutionell und ideologisch abgesicherten Arbeitsteilung entstehen“ (Eckart/Jaerisch/Kramer 1979: Frauenarbeit in Familie und Fabrik. Eine Untersuchung von Bedingungen und Barrieren der Interessenvertretung von Industriearbeiterinnen). Bereits diese ersten Forschungen, die im Rahmen eines differenztheoretischen Erkenntnisinteresses angelegt waren, ergaben allerdings auch Befunde, die auf eine ,Differenz in der Gleichheit’ hinwiesen. Vor allem Positionen im Lebenszyklus (v.a. in Bezug auf Familienphasen) bewirken recht unterschiedliche Interessenskonstellationen von Frauen, die eine gemeinschaftliche Bewusstseinsbildung nicht eben erleichtern. Dieses Ergebnis war für die Forscherinnen damals recht überraschend, da ihr Theorierahmen von der Annahme einer Subjekt-Objekt-Dialektik geleitet war, m.a.W. von der Annahme, dass die Frauen durch ihre gesellschaftliche Bestimmung als Reproduktionsarbeiterinnen auch gemeinsame Interessen entwickeln müssten, wenn sie in die Erwerbsarbeit gingen. Nicht nur Barbara Stiegler, die eine der wenigen quantitativen (und weniger subjekttheoretisch als akteurtheoretisch geprägten) Arbeiten zu diesem Themenkomplex vorgelegt hat, war von dieser scheinbar ausbleibenden Bewusstseinsbildung recht enttäuscht (Stiegler 1976: Die Mitbestimmung der Arbeiterin. Frauen zwischen traditioneller Familienbindung und gewerkschaftlichem Engagement im Betrieb).

4.1.2 Die Herausbildung grundlegender Fragestellungen Der Ursprung des industriesoziologischen Interesses der Forscherinnen lag darin, soziale Ungleichheit zu thematisieren. Allerdings argumentierten genderorientierte



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Arbeitsforscherinnen seltener mit dem Klassenbewusstseinsbegriff. Wichtiger waren vor allem zwei Fragestellungen, deren Einfluss bis heute reicht: 1) Die Diskussionen um Kompetenzen und Lebenserfahrungen von Frauen und die gesellschaftliche Verwertung oder Missachtung dieser Kompetenzen und Erfahrungen. Zu dieser Thematik gehören die Diskussionen um doppelte Vergesellschaftung, geschlechtsspezifische Berufswahl und unbezahlte Reproduktionsarbeit. Außerdem lässt sich die Kritik am drei-Phasen-Modell des Lebenslaufs von Kohli und anderen in diese Fragestellung einordnen. Diese erste Fragestellung bezieht sich innerhalb feministischer Theorie oft eher auf differenztheoretische Ansätze. 2) Die Analyse vergeschlechtlichter Strukturen in der Arbeitswelt und in Bezug auf ganze Lebensarrangements. Zu dieser Analyse gehören die Erforschung horizontaler und vertikaler Segregation auf dem Arbeitsmarkt, die Untersuchung von Einkommensunterschieden, die Arbeitsteilung zwischen Arbeitswelt und Haushalten sowie die Persistenz geschlechtlicher Symbolisierungen in der Arbeitswelt.

4.1.3 Frühe Beiträge zur Erhebungs- und Forschungsmethodik In diese Zeit der ,frühen’ Arbeiterinnenforschung fällt auch die Entwicklung wesentlicher Instrumente qualitativer Sozialforschung, die in die Biographieforschung eingegangen sind. Weyrather kann dies in ihrer hervorragenden Dokumentation bestätigen: „Die beiden letzten Studien [siehe unten, B.T.] haben die methodischen Möglichkeiten der empirischen Sozialforschung weiterentwickelt, da sie anders als die empirischen Untersuchungen über männliche Arbeiter dieser Zeit sich auf den ganzen Lebensbereich der Interviewten bezogen“ (Weyrather 2003: Die Frau am Fließband. Das Bild der Fabrikarbeiterin in der Sozialforschung 1870-1985). Diese Neuerungen bezogen sich darauf, 1. den gesamten Lebenszusammenhang der Befragten zu ,erfassen’, nicht nur einen thematischen Ausschnitt, wie etwa die Berufskarriere, 2. die Beziehungsdynamik der Interviewsituation zu reflektieren.

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4.2 DIE VEREINBARKEITSDEBATTE Die Entdeckung der Interessensdivergenz von Frauen in unterschiedlichen Phasen des Lebenzyklus inspirierte die feministischen Forscherinnen der frühen achtziger Jahre zur Etablierung der Vereinbarkeitsforschung (Becker-Schmidt/Brandes-Erlhoff/Karrer et al. 1982: Nicht wir haben die Minuten, die Minuten haben uns. Zeitprobleme und Zeiterfahrungen von Arbeitermüttern in Fabrik und Familie). Die Vereinbarkeitsthematik wurde in den letzten zehn Jahren aus der Genderthematik teils herausgelöst, teils aus ihr verallgemeinert, um in die allgemeine Entgrenzungsdebatte einzumünden, die für die gegenwärtige Diskussion in der Arbeitsforschung so bestimmend ist. Es ist deutlich zu sehen, wie die genderorientierte Arbeitsforschung in den siebziger Jahren Akzente setzen konnte und Themen eingeführt hat, die inzwischen zum common sense der Arbeitsforschung gehören.

4.3 WEIBLICHES ARBEITSVERMÖGEN UND DOPPELTE SOZIALISATION 4.3.1 Die Entdeckung des weiblichen Arbeitsvermögens Der in den achtziger Jahren von Beck-Gernsheim und Becker-Schmidt entwickelte und später von anderen übernommene differenztheoretische Begriff des weiblichen Arbeitsvermögens stellt den Versuch dar, die Fähigkeit zur Reproduktionsarbeit, als auch die Reproduktionsarbeit, selbst aufzuwerten und analytisch das Verhältnis von Erwerbsarbeit, Reproduktionsarbeit und Subjekt in den Blick zu nehmen. Weibliches Arbeitsvermögen wird als Set von Kompetenzen gedacht, die einerseits in der gesellschaftlichen Arbeitsteilung genutzt wurden – vor allem in unbezahlter Haus- und Pflegearbeit (z.B. Rerrich 1994: Zusammenfügen, was auseinanderstrebt: Zur familialen Lebensführung von Beschäftigten.; Krüger 2001: Frauen zwischen Arbeitswelt und Familie). Anderseits werden diese Kompetenzen – wenn sie auf dem Arbeitsmarkt gebracht werden, schlecht entlohnt. Der Begriff wurde folgendermaßen eingeführt: Ausgehend von einer Trennung bzw. Gegenüberstellung von Erwerbs- und Privatsphäre und Berufs- und Familienarbeit wird ein gesellschaftlich hervorgebrachtes spezifisch weibliches Arbeitsvermögen konstatiert (BeckGernsheim/Ostner 1978: Frauen verändern, Berufe nicht? Ein theoretischer Ansatz zur Problematik von ,Frau und Beruf', 257-287), das schließlich im Zuge der Pluralisierung weiblicher Lebensläufe auch in eine Vielzahl spezifisch weiblicher Arbeitsvermögen



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

differenziert werden kann (Ostner 1991: Weibliches Arbeitsvermögen und soziale Differenzierung, 192-207); Arbeit wird dabei aus der Subjektperspektive als Triade der Dimensionen von Tätigwerden, Anerkennung und Aneignung verstanden (Becker-Schmidt 1983: Entfremdete Aneignung, gestörte Anerkennung, Lernprozesse).

4.3.2 Zur doppelten Sozialisation von Frauen Knapp stellt den stärker sozialisationstheoretischen Erklärungsmustern feministischer Ansätze schließlich das begriffliche Paar von Arbeitskraft und Arbeitsvermögen gegenüber (Knapp 1987: Arbeitsteilung und Sozialisation: Konstellationen von Arbeitskraft und Arbeitsvermögen im Lebenszusammenhang von Frauen). Die frühe Zuständigkeit für das Ausdrücken von Gefühlen, die Pflege von Hilfsbedürftigen etc. im familialen und ausserfamilialen sozialisatorischen Kontexten neben der Sozialisation auf berufliche Ziele hin wird auch als ,doppelte Sozialisation’ von Frauen bezeichnet (Becker-Schmidt 1987: Die doppelte Vergesellschaftung - die doppelte Unterdrückung: Besonderheiten der Frauenforschung in den Sozialwissenschaften; Knapp 1990: Zur widersprüchlichen Vergesellschaftung von Frauen; Krüger/Born 1990: Probleme der Integration von beruflicher und familialer Sozialisation in der Biographie von Frauen). Dieses letzte Konzept ist für die sozialisationstheoretische Debatte von großer Bedeutung gewesen. In letzter Zeit sind Konzepte der Geschlechtsspezifik von Arbeitstätigkeiten, Kompetenzen und Zuschreibungen in der Gender-Perspektive neu artikuliert worden – die Fähigkeiten und Zuschreibungen sind nun nicht mehr an das biologische Geschlecht gebunden, sondern können sich jedem Subjekt anhaften (vgl. Schürmann 2002: Das Erfinden von Haushalt. Arbeitsteilung und Deutungsmuster gleichgeschlechtlicher Paare.) In derselben Zeit wurde auch das Konzept der Doppelbelastung entwickelt (vgl. BeckGernsheim 1981: Der geschlechtsspezifische Arbeitsmarkt. Zur Ideologie und Realität von Frauenberufen; Diezinger/Eckart/Kramer et al. 1982: Die Arbeit der Frau in Betrieb und Familie). Dieses Konzept wurde später unter dem Titel Vereinbarkeitsproblematik in der Arbeitsforschung der 1990er Jahre sehr prominent.

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48

4.4 DISKONTINUIERLICHE ERWERBSBIOGRAPHIEN UND UNGLEICHHEIT Diese Forschungen ermöglichten die bis heute sehr wichtige Kritik am drei-Phasen-Modell des Lebenslaufs (Krüger/Born 1990). Diese Kritik machte die Tatsache stark, dass weibliche Erwerbsverläufe, da von Kindererziehungszeiten unterbrochen, oft diskontinuierlich sind. Diese diskontinuierlichen Erwerbsverläufe fordern die Entfaltung besonderer praktischer und symbolischer Strukturierungsfähigkeiten heraus, führen aber auch zu struktureller Benachteiligung. Diese ,Entdeckung’ hat die Arbeitsforschung auf vielfältige Weise herausgefordert und befruchtet: 1. Die Erhebung und Analyse von Längsschnittdaten wurde als Notwendigkeit begriffen. 2. Die Analyse von Arbeitszeiten und Zeitverwendung avancierten zu einem eigenständigen und faszinierenden Thema. 3. Die Möglichkeit, dass Subjekte sich anders als bislang gedacht, nämlich komplexer und unter Aufbietung stärkerer Selbststrukturierungsleistungen um Erwerbsarbeit bilden, musste systematisch berücksichtigt werden.

Die Befunde der ungleichheitsorientierten Arbeitsforschung können als Ergebnis der Anwendung von Subjektivitätskonzepten verstanden werden. Auch die Untersuchung beispielsweise der ,Gläsernen Decke’, die die Schwierigkeiten von Frauen beim Aufstieg in Führungspositionen bezeichnet, konnte nur im Rückgriff auf eine Analyse der historischen Subjektivität der Beteiligten gelingen; sowohl auf seitens weiblicher Beschäftigter als auch seitens der Gatekeeper.

Zusammen mit dem historischen Ansatz (vgl. nächster Paragraph) wurden diese Forschungen von einer breiten (internationalen) Literatur mit Analysen zur Arbeitsmarktsegregation komplimentiert (Gottschall 1990: Frauenarbeit und Bürorationalisierung; Diezinger 1991: Frauen: Arbeit und Individualisierung. Chancen und Risiken. Eine empirische Untersuchung anhand von Fallgeschichten; Rees 1992: Women and the Labour Market; Godfrey 1993: Die neuen Unternehmerinnen; Haug/Wollmann 1993: Hat die Leistung ein Geschlecht? Erfahrungen von Frauen; Konek/Kitch 1994: Women and Careers; Jacobs 1995: Gender Inequality at Work; Crompton 1997: Women and Work in Modern Britain; McDowell 1997: Capital Culture. Gender at Work in the City; Schmidt 1997: Landwirtinnen. Chancen und Risiken von Frauen in einem traditionellen Männerberuf; Ernst 1999: Geschlechterverhältnisse



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DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

und Führungspositionen. Eine figurationssoziologische Analyse der Stereotypenkonstruktion; Greenhaus/Parasuraman 1999: Research on Work, Family and Gender: Current Status and Future Directions; Walsh/James 2000: Women Choose Low Pay?). Diese Literatur ist größten Teil nicht subjektorientiert, ist hier aber aufgeführt, um die Komplementarität subjektorientierter Forschung zu stärker strukturanalytischen Forschungsperspektiven aufzuzeigen.

4.5 DER HISTORISCHE BLICK IN DER FEMINISTISCHEN WISSENSCHAFT Ein Verdienst feministischer Arbeits-, Sozialisations- und Ungleichheitsforschung liegt darin, die historische Perspektive auf die Subjektforschung angewandt zu haben. Mittels historischer Analysen wurden die Lebensverhältnisse, beruflichen Tätigkeiten und Erfahrungsformen von Frauen rekonstruiert. Ein zentrales Ergebnis dieser Studien war, dass Frauen symbolisch eine Mittlerstellung zwischen Natur und Gesellschaft zugeschrieben wurde. Sie partizipierten vermittelt über Männer an Gesellschaft. Damit waren – nun auch „wissenschaftlich“ - Formen von Subjektivität entdeckt, die sich durch die Bewältigung von Vermittlungsaufgaben auszeichneten, darin oder dagegen aber auch Widerstandpotentiale entfalteten. Die Dekonstruktion von Geschlechterkonstruktionen konnte also nur über den Weg einer Analyse

der

historischen

Herausbildung

von

Geschlechterkonstruktionen

(am

bekanntesten: Hausen 1976: Die Polarisierung der "Geschlechtscharaktere" - Eine Spiegelung der Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben) geleistet werden. Zahlreiche Studien schlossen explizit oder implizit an Hausens richtungweisende Arbeiten an und zeigten, wie die Verfestigung von Geschlechterkonstruktionen im Institutionensystem (z.B. im System der Berufe in einer Gesellschaft) vonstatten geht (Beck-Gernsheim 1981: Der geschlechtsspezifische Arbeitsmarkt. Zur Ideologie und Realität von Frauenberufen; Hardach-Pinke 1993: Die Gouvernante. Geschichte eines Frauenberufs; Haug/Wollmann 1993: Hat die Leistung ein Geschlecht? Erfahrungen von Frauen; Hausen/Krell 1993: Frauenerwerbsarbeit: Forschungen zu Geschichte und Gegenwart; Krüger 2001: Frauen zwischen Arbeitswelt und Familie). Die historische Perspektive im Rahmen der Geschlechterforschung hat also wesentliche inhaltliche und methodische Anstöße für subjektorientierte Arbeitsforschung geliefert.

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4.6 GEFÜHLSARBEIT ALS SUBJEKTIVIERUNGSKONZEPT UND DIE GRENZEN DER STRENG SUBJEKTORIENTIERTEN FORSCHUNG In der US-amerikanischen Forschung hat Arlie Hochschild schon früh auf die Widersprüche von Dienstleistungsarbeit im kapitalistischen Produktionsprozess hingewiesen: in ihrer berühmten Studie über Stewardessen zeigt sie, dass diese Dienstleisterinnen ,Gefühlsarbeit’ leisten (Hochschild 1990: Das gekaufte Herz. Zur Kommerzialisierung der Gefühle). Sie müssen in der Interaktion mit den Kunden Persönlichkeitseigenschaften demonstrieren, die als typisch weiblich markiert sind. Dieses Schauspielern, lange genug eingeübt, kolonisiert dann gewissermaßen die Subjektivität der Arbeitenden. Diese Studie kann als bahnbrechend für die Etablierung der Thematik von ,Subjektivierung’ gelten, obwohl Hochschild in den meisten Beiträgen zum Thema Subjektivierung nicht erwähnt wird, und wenn, nicht an zentraler Stelle. Der Begriff ,weibliches Arbeitsvermögen’ weist starke Parallelen zu den heute im angelsächsischen und deutschen Sprachraum verwendeten Termini ,immaterielle Arbeit’, affektive Arbeit’ (Negri/Hardt) und ,Gefühlsarbeit’ (Hochschild) auf. Die allgemeine Rezeption dieser Begriffe (außerhalb der feministischen Arbeitsforschung) ist neben der Erklärungskraft dieser Begriffe auch dem Strukturwandel der Arbeit geschuldet. Im Zuge der Tertiarisierung und Subjektivierung von Arbeit sind ,weibliche’ Kompetenzen ins Zentrum des kapitalistischen Verwertungsinteresses getreten. Beim Versuch, diese Entwicklungen zu fassen, greifen mittlerweile auch Arbeitsforscher jeder Couleur auf diese Begriffe zurück. Die Logik des Arguments hat sich allerdings geändert. Mit dem Begriff Gefühlsarbeit steht nicht eine Aufwertung typisch weiblicher Tätigkeiten im Vordergrund, sondern die Dekonstruktion dieser Kompetenzen und Erfahrungen als Effekte moderner bzw. kapitalistischer Arbeitsorganisation.

4.7 GENDER, BIOGRAPHIE UND MIGRATION Von der genderorientierten Biographieforschung gingen in den letzten Jahren wichtige Impulse aus. Insbesondere die Dekonstruktion von scheinbar normalen Koordinaten des Lebenslaufs ist diesen Forschungen zu verdanken (nicht erschöpfend: Dausien 1996: Biographie und Geschlecht; Wohlrab-Sahr 1993: Biographische Unsicherheit; Rodriguez Gutierrez 1999: Intellektuelle Migrantinnen; Dausien 2001: Bildungsprozesse in Lebensläufen von Frauen. Ein biographietheoretisches Bildungskonzept). Diese Forschungen, deren Vorgehensweise methodisch teilweise unterschiedlich ist und hier



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

nicht im Detail dargestellt werden kann, zeigten die geschlechtsspezifischen Voreingenommenheiten klassischer, androzentrischer Lebenslaufkonzepte.

4.7.1 Linked Lives Die in den letztem Jahren expandierte Forschung zu ,linked lives’ kritisiert androzentrische und individualistische Lebenslaufkonzepte aus einer interaktionistischen Perspektive. Die Abhängigkeit von Männern und insbesondere Frauen von den Lebensläufen und damit geschlechterdifferenten Erwerbs- und Lebenschancen ihrer PartnerInnen und Familien wurde in dieser Perspektive systematisch erfasst (Elder 1974: Children of the Great Depression; Moen/Erickson 1995: Linked Lives: A trans-generational Approach to Resiliency; Krüger 2001: Frauen zwischen Arbeitswelt und Familie).

4.7.2 Migration und Arbeit In den letzten Jahren sind die Themen Migration und Globalisierung immer stärker auf die Agenda genderorientierter Arbeitsforschung geschrieben worden. Dabei stehen die Arbeitssituation von Migrantinnen und Verschiebungen in der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern im Vordergrund. Migranten und insbesondere Migrantinnen übernehmen immer größere Anteile der körperlich belastenden einfachen Dienstleistungstätigkeiten in postindustriellen Gesellschaften des Nordens. Im Rahmen der Arbeitsforschung werden die Bedingungen dieser Arbeit und die Erfahrungen, die MigrantInnen damit machen, untersucht. Die Berücksichtigung der Migration wird zunehmend in Zusammenhang gebracht mit der Arbeitsteilung zwischen Frauen. Einige größere Studien laufen derzeit oder wurden bereits abgeschlossen, die sich mit bezahlter Hausarbeit von Migrantinnen befassen, die die Haushalte von berufstätigen Frauen instand halten und teilweise deren Kinder betreuen (Hochschild/Ehrenreich (2002): Global Woman. Nannies, Maids, and Sex Workers in the New Economy). Während etwa die (Männerdominierte) deutsche Industriesoziologie gerade in neuerer Zeit Theoretisierungen der Konstellation Kapital-(subjektivierte) Arbeit wieder konzeptuell stark macht, ist genderorientierte Arbeitsforschung nach wie vor mit vielfältigen Abhängigkeitsverhältnissen befasst. Die Konstellation von Männern und Frauen in Haushalten und (bezahlten) Arbeitsverhältnissen werden dabei verknüpft mit der Frage, in welches Verhältnis Migrantinnen zu diesen Arbeits- und Lebensverhältnissen gesetzt sind.

51

52

5

POTENTIALE DER VERKNÜPFUNG VON GENDERORIENTIERTER UND SUBJEKTORIENTIERTER ARBEITSFORSCHUNG

Bevor Perspektiven für subjekt- und genderorientierte Arbeitsforschung aufgezeigt werden sollen, seien noch einmal zusammenfassend einige grundlegende Themen aktueller Gesellschaftsdiagnose, säkulare Trends gesellschaftlicher Entwicklung und theoretische Weiterentwicklungen benannt. Wie diesen Anregungen und Herausforderungen begegnet werden könnte, soll im verbleibenden Teil dieses Ausblickkapitels teils angedeutet, in Bezug auf zentrale Themen teils ausgeführt werden.

5.1 GESELLSCHAFTLICHE ENTWICKLUNGEN UND DIAGNOSEN 5.1.1 Entgrenzung und Subjektivierung von Arbeit in historischer und geschlechterpolitischer Perspektive Die Auflösung der historisch entstandenen Abgrenzungen zwischen der Erwerbssphäre und der Sphäre des ,privaten Lebens’ bzw. von Arbeitstätigkeiten und „lebensweltlichen“, noch nicht rationalisierten Tätigkeiten hat sich als wichtige gesellschaftliche Entwicklung erwiesen. Die mit Entgrenzung und Subjektivierung beschriebenen Prozesse wurden oben skizziert. Die schwierige Frage, wie Entgrenzung und Subjektivierung zu definieren seien, ist letztlich nur durch eine Einbeziehung der Geschlechterperspektive anzugehen, da das (implizite) Konzept der vollständigen Abgrenzung zwischen Produktions- und Reproduktionssphäre als Konsequenz einer im 19. Jahrhundert durchgesetzten Geschlechterpolitik angesehen werden muss. Jede Sicht auf Entgrenzung, die die Trennung beider Sphären nicht im Licht dieses sozialhistorischen Prozesses betrachtet, bleibt hilflos bei der Aufgabe der Einordnung dieses Wandels von politischer Ökonomie (Verhältnis von Produktion und Reproduktion) und Lebensführung.

5.1.2 Arbeitslosigkeit und diskontinuierliche Erwerbsbiographien Die Persistenz von Massenarbeitslosigkeit und die Prekarisierung von Erwerbslebensläufen sind eine beständige Herausforderung an die Sozialwissenschaften, die Konsequenzen dieses Zustands der Arbeitsgesellschaft für die Betroffenen und die jeweiligen Gemeinwesen (Kommunen, Nationalstaaten, Transnationale



DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

Zusammenschlüsse) zu erforschen. Insbesondere die Diskontinuität von Erwerbsbiographien (vgl. Herkommer 1999: Soziale Ausgrenzungen; Mutz/LudwigMayerhofer/Koenen et al. 1995: Diskontinuierliche Erwerbsverläufe; Bonß Heinze/Rolf G.: Arbeitslosigkeit in der Arbeitsgesellschaft) hat sich als dauerhaftes Phänomen herausgestellt. Einerseits wirft die Diskontinuität für viele Betroffene Probleme in der individuellen sozialen Absicherung auf. Andererseits liegt im langsamen Abschied vom Modell des männlichen Alleinernährers und der darauf folgenden ,Feminisierung’ der Arbeitswelt auch die Chance, die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung der Nachkriegsgesellschaft zu reformieren. Prekäre und diskontinuierliche Beschäftigung sowie neue Formen und Modelle von Lebensführung (Brose/Wohlrab-Sahr/Corsten 1993: Soziale Zeit und Biographie; Hörning/Gerhardt/Michailow 1990: Zeitpioniere. Flexible Arbeitszeiten - neuer Lebensstil) hängen eng mit der Entgrenzungsthematik zusammen. Dabei bleibt aber oft noch ungeklärt, inwiefern Entgrenzungsprozesse als partieller Abschied aus der Arbeitsgesellschaft zu interpretieren sind, oder im Gegenteil als Intensivierung des Selbstverwertungsdrucks auf Individuen, der nicht mehr notwendigerweise durch die Kontrolle einzelner Betriebe ausgeübt wird.

5.1.3 Persistenz geschlechtsspezifischer Ungleichheit Der Abbau der Benachteiligung von Frauen geht langsamer vor sich als von vielen Protagonistinnen (und Protagonisten) der Geschlechterforschung erwartet, insbesondere in Deutschland. Dabei zeigen sich eben nationale Unterschiede, die darauf verweisen, dass die historische Pfadabhängigkeit von Wohlfahrts- und Arbeitsmarktregimes diese Persistenz mit sich bringt. Neben der Makroebene zeigen sich auch Persistenzen bzw. Reproduktionen geschlechtsspezifischer Ungleichheit auf der Mikroebene (Interaktion in Organisationen) und Mesoebene (Berufe und Karrierewege), die in den letzten Jahren relativ eingehend untersucht wurden (vgl. z.B. Witz 1992: Professions and Patriarchy; Wetterer 1995: Die soziale Konstruktion von Geschlecht in Professionalisierungsprozessen, Wetterer 2002: Arbeitsteilung und Geschlechterkonstruktion. "Gender at Work" in theoretischer und historischer Perspektive).

53

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5.1.4 Wissensgesellschaft, Netzwerkgesellschaft und neue Dienstleistungsberufe Im Zuge des Wandels der Produktionsbasis moderner Gesellschaften hin zu wissensintensiver Arbeit (Stehr 1994: Arbeit, Eigentum und Wissen: zur Theorie von Wissensgesellschaften) stellen sich an eine Arbeitssoziologie neue Herausforderungen. Mit der Herausbildung einer neuen Gruppe von Angestellten, den so genannten Wissensarbeitern (Scarbrough 1999: Knowledge as Work: Conflicts in the Management of Knowledge Workers), muss die Frage nach der Autonomie von Arbeitsprozessen neu gestellt werden, da die Wissensarbeiter (die zahlenmäßig (noch) eine relativ kleine Gruppe der arbeitenden Bevölkerung ausmachen) einerseits einen hohen Grad an Autonomie besitzen, andererseits aber auch ihren Organisationen hochgradig ausgesetzt sind. Ein anderer Aspekt der Informatisierung wurde mit dem Stichwort Netzwerkgesellschaft thematisiert. Emanuel Castels dreibändiges Werk (Castells 1997: The Power of Identity: The Information Age) verweist auf die Konsequenzen der neuen Informationstechnologien für die Konstitution von Gesellschaft

5.1.5 Überkreuzung von Ungleichheitsdimensionen Die feministische bzw. genderorientierte Biographie- und Arbeitsforschung (u.a. Dausien 1996: Biographie und Geschlecht; Wohlrab-Sahr 1993: Biographische Unsicherheit; Rodriguez

Gutierrez

1999:

Intellektuelle

Migrantinnen;

Gildemeister

1988:

Geschlechtsspezifische Sozialisation. Neuere Beiträge zur Entstehung des "weiblichen Sozialcharakters") hat m.E. die Einsicht etabliert, dass Lebensläufe als Ausdruck der Überkreuzung von Struktur- und Ungleichheitsdimensionen zu begreifen sind. Diese Sichtweise erzwingt eine konzeptuelle Erfassung von vielfältigen Lebensläufen und schützt die Arbeitsforschung potentiell davor, sich in empirisch wenig fruchtbaren Paradoxien zu verlieren, die das Resultat von Übervereinfachungen sind. Die Unterstellung eines Hauptwiderspruchs (dem Gegensatz von Kapital und Arbeit), die allerdings in dieser Einfachheit explizit nur noch von Außenseitern der Arbeitwissenschaft vertreten wird, wäre eine solche Vereinfachung.



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DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

5.2 ZUR VERKNÜPFUNG SUBJEKTORIENTIERTER UND GENDERORIENTIERTER PERSPEKTIVEN IN DER ARBEITSFORSCHUNG 5.2.1 Die Vernachlässigung der Genderkategorie in der Subjektivierungsdebatte Die geschlechtersoziologische Perspektive wird in der aktuellen Debatte zum Thema ,Subjektivierung’ leider in weiten Teilen noch nicht ausreichend berücksichtigt. Moldaschl beispielsweise ignoriert in seinem ansonsten aufschlussreichen und in vieler Hinsicht klärenden Aufsatz zu Subjektivierung (Moldaschl 2002: Subjektivierung. Eine neue Stufe in der Entwicklung der Arbeitswissenschaften?) die Geschlechterperspektive vollständig und verweist auch nicht auf geschlechtersoziologische Pionierarbeiten in dieser Thematik (bspw. Hochschild 1990: Das gekaufte Herz. Zur Kommerzialisierung der Gefühle). Dadurch gerät aus dem Blick, dass die Kategorie der Erwerbsarbeit, die von ,subjektiven’ Anteilen im Arbeitsprozess vollständig abgeschnitten ist, und in deren Rahmen Arbeitsbeziehungen ausschließlich zweckrationalen Charakter haben, auf einem androzentrischen Konzept von Arbeit beruhen, also letztlich auf einer soziologischen Fiktion. Die Diskurslage hat dadurch eine gewisse unfreiwillige Komik: Zuerst hat eine männlich

dominierte

Industriesoziologie

den

Idealtypus

zweckrationaler,

interessenorientierter Erwerbsarbeit konzeptuell aufgerichtet, nur um heute in großes Erstaunen auszubrechen, wenn diese Fiktion angesichts der Veränderungen in der Arbeitswelt offensichtlich in Reibung mit der sozialen Wirklichkeit gerät. Die Subjektivierungsdebatte ist nicht überflüssig, denn die Tatsache, dass das Kapital subjektive Qualitäten von Arbeitnehmern zunehmend ,in Wert setzt’ ist ein Novum in der Geschichte fortgeschrittener Gesellschaften, zumindest in der Beschäftigung von Männern. Dass dies aber bei den Arbeitnehmern eine Wertschätzung eben dieser subjektivierenden Eigenschaften der Arbeitsorganisation auslösen kann, ist im Licht der Einsichten genderorientierter Arbeitsforschung tatsächlich eine alte Einsicht. Es käme im Gegenteil darauf an, zu konstatieren, dass es Subjektivierung im Sinne einer subjektivierenden Aneignung von Arbeitsprozessen immer schon gab, dass es aber doch notwendig ist, die Kontrolle und soziale Formung dieser Subjektivierung viel genauer zu studieren, als dies bisher geschehen ist. Dies wäre m.E. auch konzeptuell konstruktiver, als sich primär an den Paradoxien des ,unternehmerischen Selbst’ abzuarbeiten.

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5.2.2 Die Relationalität von Lebensführung: “Linked Lives“ Das aus der Lebenslaufsoziologie stammende ,linked lives’-Konzept (Elder 1973: Children of the Great Depression; Moen/Erickson 1995: Linked Lives: A transgenerational Approach to Resiliency; Born 2001: Das Lebenslaufregime der Verflechtung: Orte, Ebenen und Thematisierungen; Krüger 2001: Frauen zwischen Arbeitswelt und Familie) könnte für die Arbeitsforschung zweifellos große Bedeutung erlangen. Grundidee dieses Konzepts ist die Auffassung, dass sich biographisches Handeln (und damit auch Arbeitshandeln) von Akteuren nicht ohne die Abhängigkeit, aber auch die Unterstützung von Partnern, Familienmitgliedern und FreundInnen begreifen lässt. Die Vorstellung, dass individuelle Biographien mit anderen verknüpft sind, korrigiert die Neigung der Biographieforschung,

letztlich

ein

individualistisches

Konzept

des

Akteurs

zu

reproduzieren, das zu korrigieren sie doch unter anderem angetreten war.

5.2.3 Genderorientierte Perspektiven auf Arbeitsorganisation und Professionalität Die Forschung zu Geschlechterkonstruktionen in Bezug auf verschiedene Aspekte der Organisation von Arbeit und Professionalität hat sich als sehr fruchtbar herausgestellt und gehört mittlerweile zum Kanon der Arbeitsforschung. Zu nennen sind dabei Arbeiten zu den Bereichen: a) Betrieb und Organisation (Gottschall 1990: Frauenarbeit und Bürorationalisierung; Jacobs 1995: Gender Inequality at Work; Schmidt 1997: Landwirtinnen. Chancen und Risiken von Frauen in einem traditionellen Männerberuf; Baier 1999: On the Gendered Substructure of Organization: Dimensions and Dilemmas of Corporate Masculinity; Bradley 1999: Gender and Power in the Workplace. Analysing the Impact of Economic Change; Ernst 1999: Geschlechterverhältnisse und Führungspositionen. Eine figurationssoziologische Analyse der Stereotypenkonstruktion; Hochschild 2002: Keine Zeit. Wenn die Firma zum Zuhause wird und zu Hause nur Arbeit wartet; Wetterer 2002: Arbeitsteilung und Geschlechterkonstruktion. "Gender at Work" in theoretischer und historischer Perspektive), b) Hausarbeit (Becker-Schmidt/Brandes-Erlhoff/Karrer et al. 1982: Nicht wir haben die Minuten, die Minuten haben uns. Zeitprobleme und Zeiterfahrungen von Arbeitermüttern in Fabrik und Familie; Rerrich 1994: Zusammenfügen, was auseinanderstrebt: Zur familialen Lebensführung von Beschäftigten; Kurz 1998: Das Erwerbsverhalten von Frauen in der



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DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

intensiven Familienphase. Ein Vergleich zwischen Müttern in der Bundesrepublik und den USA; Greenhaus/Parasuraman 1999: Research on Work, Family and Gender: Current Status and Future Directions; Krüger 2001: Frauen zwischen Arbeitswelt und Familie; Schürmann 2001: Die Konstruktion von Haushalt; Hochschild/Ehrenreich 2002: Global Woman.

Nannies,

Maids,

Ludwig/Schlevogt/Klammer

and et

Sex

al.

Workers

2002:

in

the

Managerinnen

New des

Economy; Alltags;

Gerhard/Knijn/Weckwert 2003: Erwerbstätige Mütter. Ein europäischer Vergleich) c) Arbeitsmarkt und gesellschaftliche Arbeitsteilung: (Beck-Gernsheim 1981: Der geschlechtsspezifische Arbeitsmarkt. Zur Ideologie und Realität von Frauenberufen; Diezinger 1991: Frauen: Arbeit und Individualisierung. Chancen und Risiken. Eine empirische Untersuchung anhand von Fallgeschichten; RabeKleberg 1992: Frauenberufe - Zur Segmentierung der Berufswelt; Rees 1992: Women and the Labour Market; Knapp 1993: Segregation und Bewegung: Einige Überlegungen zum

"Gendering"

von

Arbeit

und

Arbeitsvermögen;

Rabe-Kleberg

1993:

Verantwortlichkeit und Macht. Ein Beitrag zum Verhältnis von Geschlecht und Beruf angesichts der Krise traditioneller Frauenberufe; Konek/Kitch 1994: Women and Careers;

Crompton

1997:

Women

and

Work

in

Modern

Britain;

Greenhaus/Parasuraman 1999: Research on Work, Family and Gender: Current Status and Future Directions; Stroh/Reilly 1999: Gender and Careers: Present Experiences and Emerging Trends; Holtgrewe/Voswinkel/Wagner 2000: Anerkennung und Arbeit; Sperling/Owen 2000: Women and Work: The age of post-feminism; Walsh/James 2000: Women Choose Low Pay?) und d) in der Ordnung von Professionen (Corsten 1999: Berufliche Sozialisation; Witz 1992: Profession and Patriarchy; Godfrey 1993: Die neuen Unternehmerinnen; Harding 1994: Das Geschlecht des Wissens: Frauen denken die Wissenschaft neu; Wetterer 1995: Die soziale Konstruktion von Geschlecht in Professionalisierungsprozessen; Adler 1999: Global Leaders: Women of Influence; Ernst 1999: Geschlechterverhältnisse und Führungspositionen. Eine figurationssoziologische Analyse der Stereotypenkonstruktion; Kuhlmann 1999: Profession und Geschlechterdifferenz. Eine Studie über die Zahnmedizin; Meyer-Ehlert 2001: Profession und Geschlecht) Diese Arbeiten sind teils mit einer subjektorientierten Perspektive verknüpft, zum größten Teil aber stärker strukturtheoretisch orientiert. Konstruktivistische und strukturanalytische Arbeiten können sinnvollerweise mit subjektorientierten Vorgehensweisen verknüpft werden, wenn a) wechselseitige Zuschreibungs- bzw. Typisierungsprozesse zu beobachten sind, bei

58

denen Subjektivitäten entstehen, die diese Zuschreibungen stabilisieren b) geschlechterdifferente Sozialisationsprozesse zu unterschiedlichen Handlungsstrategien von Männern und Frauen führen, oder c) Die Möglichkeit der aktiven Veränderung von Strukturen durch Akteure konzeptualisiert werden soll.

5.2.4 Potentiale der historischen Perspektive In der Arbeitsforschung der (grob) letzten dreißig Jahre hat genderorientierte Arbeitsforschung die historische Perspektive konsequent verfolgt. Die historische Perspektive erlaubt es, gegenwärtige Entwicklungen als Konsequenz eines einmal eingeschlagenen Entwicklungspfads zu erkennen. Michel

Foucaults

,archäologische’

und

,genealogische’

Analysen

bieten

für

genderorientierte Arbeitsforschung ebenfalls einen methodischen Anknüpfungspunkt. Die Verknüpfung der Genderperspektive mit Foucaults methodischem Zugang ist als methodologische Grundlegung teilweise schon geleistet worden (vgl. Bührmann 2002: Der Kampf um „weibliche Individualität“. Ein Beitrag zur Analyse des (Trans)Formierungsgeschehens moderner Subjektivierungsweisen im Deutschland um die Jahrhundertwende).

5.2.5 Die Verknüpfung von Diskursanalyse/ Wissenssoziologie und subjektorientierter Forschung Die Verknüpfung von Wissenssoziologie bzw. Diskursanalyse (beide können hier zusammengenommen werden, da sie eine ähnliche Stellung im Verhältnis zur Arbeitsforschung einnehmen) und Biographieforschung ist in der Geschlechter- und Ethnizitätsforschung sowie in den Disability-Studies bereits viel weiter gediehen als im Gros der subjektorientierten Arbeitsforschung. Diese Verknüpfung ist für den Bereich der subjektorientierten Forschung richtungweisend, da sie das Dilemma zwischen der Annahme einer Ursprünglichkeit der Erfahrung und der diskursiven Erzeugung von Erfahrung produktiv wendet. Handlungsfähigkeit ist in diesem Verständnis nicht trotz der Einfassung des Handelns in Strukturen und Diskurse möglich, sondern Handeln ist möglich, weil sich Gesellschaftsmitglieder mit den Zumutungen der disziplinierenden Diskurse und der beschränkten Möglichkeiten auseinandersetzen müssen. Dies heißt selbstverständlich nicht, dass die Zunahme von Einschränkungen die Handlungsfähigkeit



59

DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

erhöht; Handlungsfähigkeit können nur solche Gesellschaftsmitglieder erringen, die Gelegenheit und das Recht zu Sprechen haben. Die Annahme, dass diese Verknüpfung viel versprechend ist, wird

außerdem dadurch nahe gelegt, dass viele jüngere

ForscherInnen zurzeit diesen Weg einschlagen. Die Details dieser Verknüpfung sind in den Kapiteln 3.4. und 6 ausführlicher diskutiert, weshalb hier auf eine Wiederholung bzw. Vorwegnahme verzichtet wird.

6

GRENZEN SUBJEKTTHEORETISCHER UND BIOGRAPHIEANALYTISCHER FORSCHUNG UND PERSPEKTIVEN IHRER WISSENSSOZIOLOGISCHEN/ DISKURSANALYTISCHEN ERWEITERUNG

Diese Schlussbemerkung hat weniger den Charakter eines referierenden Berichts und mehr den einer zusammenfassenden Einschätzung der Stärken und Schwächen gegenwärtiger

subjektorientierter

Forschung.

Abschließend

sollen

Entwicklungsmöglichkeiten dieser breit gefächerten Forschungstradition aus Sicht des Autors dargestellt werden. Die Begriffe Identität und Subjekt markieren einen epochalen Schritt in der Geistesgeschichte; das Konzept der Subjektivität erlaubt die Repräsentation des Menschen, der sich weder als Naturwesen noch als göttliches Wesen begreifen will, aber auf keinen dieser beiden Bezüge verzichten will. Sowohl die sozialen Bedingungen, die sich als „Natur“ des Menschen im Subjekt niedergeschlagen haben, als auch die Vernunftbegabung und die Wertbindungen finden sich im Konzept der „Subjektivität“ wieder. Das Subjektivitätskonzept ist damit auch Bestandteil eines der einflussreichsten Autonomiekonzepte der okzidental geprägten Kulturen. Es sucht den Ort der Autonomie im Individuum. Aufgabe soziologische Aufklärung ist in diesem Verständnis von Autonomie, die Bedingungen zu thematisieren, unter denen Subjektivitäten entstehen, die zu vernünftigem Handeln befähigen. Dieses Autonomiekonzept ist in den letzten dreißig Jahren in eine Krise geraten, da unklar geworden ist, welche Bedingungen die Entfaltung von Identität und Subjektivität ermöglichen sollen und wie Autonomie zu definieren ist. Worin liegt die Problematik des

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traditionellen Subjektivitätskonzepts in der empirischen subjektorientierten Forschung? Diese Forschungsrichtung setzt an den Konstruktionsleistungen des Subjekts analytisch an. Dabei bleibt tendenziell wenig berücksichtigt, wie sehr der soziale Kontext das jeweilige Handeln vorstrukturiert hat. Die Strategie der Subjektivitäts- und v.a. der Identitätsforschung zielte bis in die 80er Jahre (und teilweise bis heute) hauptsächlich darauf ab, das Subjekt als Ort einer Identitätsfindung zu begreifen, an deren Zielpunkt das Subjekt eine Identität ge- und erfunden hatte, die es zur Reflektion seiner historischen und gesellschaftlichen Position befähigte;

damit

sollte

zugleich

die

Möglichkeit

gegeben

sein,

an

gesellschaftverändernden Prozessen aktiv teilzunehmen. Die Identität sollte also als Einheitskonzept die Partikularität der Individualität und die Universalität gesellschaftlicher Moralität auf einen Nenner bringen. Dazu war es nötig, einen normativ aufgeladenen Identitätsbegriff zu vertreten (der im Subjektbegriff in der Sozialisationsforschung meist mitgedacht wird bzw. wurde). Durch diese normative Überdetermination des Identitätsbegriffs war es also möglich, real existierende Sozialisationsprozesse als defizitäre Formen von Identitätsbildung zu kritisieren und so auch eine Kritik an den ,beschädigenden’ Strukturen einer modernen Gesellschaft zu leisten, die eine gelingende Versöhnung zwischen der Partikularität des aus sozialen Bindungen freigesetzten Individuum und der Universalität einer denkbaren zukünftigen Gesellschaft (in der Diagnose dieser Identitätstheorie) meist nicht zulässt. Diese

Forschung

ignorierte

dadurch

aber

tendenziell,

dass

sich

Vergesellschaftungsprozesse soweit verändert haben, dass das Identitätskonzept zur Beschreibung von realen gesellschaftlichen Wandlungsprozessen immer weniger taugte, es sei denn im Sinne einer Traditionsbewahrung oder als Niedergangsgeschichte. Wie ist die subjektorientierte (Arbeits-)Forschung diesem Problem begegnet? Zunächst einmal durch eine Einklammerung der normativen Maßstäbe einer gelingenden Sozialisation in der Biographieforschung, indem also vom Konzept der Identität auf das Konzept der Biographie umgestellt wurde. VertreterInnen der Biographieforschung erheben den Anspruch, dieses Problem einer normativen Überdetermination des Identitätskonzepts durch eine angemessenere Theoriesprache ersetzt zu haben. Wolfram Fischer-Rosenthal fasst zusammen, dass „gegenwärtige Gesellschaften ihre Entwicklung – im bisherigen europäischen Schematismus also das Problem der fortschreitenden Dissoziation von Subjekt und Gesellschaft inklusive der genannten Enttäuschungen – unter anderem damit



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DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

bearbeiten, dass sie lebenslaufbezogene Selbst- und Fremdschematisierungen [Hervorhebung d. A.] entwickeln und diese zunehmend akzentuieren, also zur Lösung von Konstitutions-, Koordinations- und Ordnungsfragen heranziehen. Bei diesen jetzt pauschal Biographien genannten Schematisierungen und den Operationen biographischer Arbeit, die sie erzeugen, lassen sich die Aktionspotentiale

und

Sprecherkompetenzen

der

erfahrungsfähigen

und

mitteilungsfähigen Gesellschaftsmitglieder verbinden mit im institutionellen Prozess hervorgebrachten lebenszeit- und altersbezogenen Schemata, wie sie etwa typisch in Ausbildungsfahrplänen oder beruflichen Karrieren vorliegen“ (Fischer-Rosenthal 1999:

Melancholie

und

dezentrierte

biographische

Selbstbeschreibung.

Anmerkungen zu einem langen Abschied aus der selbstverschuldeten Zentriertheit des Subjekts, 245). In dieser Theoriesprache ist die Idee einer kohärenten Identität, die Ziel der Bemühungen von Gesellschaftsmitgliedern und von Gesellschaftspolitik sein soll also ersetzt durch das Konzept ,Biographie’, das die Kohärenz des identitären Selbst gewissermaßen verzeitlicht: die Kohärenz besteht nur noch darin, die Ereignisse der Lebensgeschichte anderen gegenüber in eine verständliche (sprachliche) Ordnung zu bringen, die an gesellschaftlichen Institutionen des Lebenslaufs orientiert sein wird. Auch an die Arbeit als Sozialisationskontext

wurden

in

diesem

Sinn

die

theoretisch

formulierten

Kohärenzbildungsansprüche heruntergeschraubt. Diese

Verzeitlichung

des

Kohärenzproblems

hat

eine

Aufweichung

der

Kohärenzannahme zur Folge, denn die Stimme des Anderen, der mich auffordert, mich als Person zu erkennen zu geben (meine ,Identität’ anzuzeigen), fragt dann nicht mehr „Wer bist du?“, sondern: „Wie bist du dazu gekommen, das zu tun, was du jetzt tust?“. Diese Aufweichung ist mit einer Pluralisierung von Deutungsmöglichkeiten verbunden, die mit der realen Differenzierung von Lebensläufen korrespondiert. Allerdings wird diese Pluralität

durch

die

normierenden

Symbolisierungen

von

lebenslaufbezogenen

Institutionen (Bildung, Arbeitsmarkt, Wohlfahrtsstaat) wieder begrenzt und strukturiert. Fischer-Rosenthal kommt in der Frage nach der Erklärungskraft der Biographieforschung zu folgendem Ergebnis: „Auf der Ebene soziologischer Konzepte betrachtet, liegt das Biographiekonzept im Kreuzungsbereich des Konzepts persönlicher Identität und sogenannter strukturaler gesamtgesellschaftlicher Bedingungen. Wenn dieser Gedankengang stimmt, dann wäre das Biographiekonzept bei entsprechend weiterer methodischmethodologischer Ausarbeitung und empirischer Überprüfung in der Lage, den

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gegenwärtigen sozialen Konstitutionsprozess rekonstruktiv so zu erfassen, dass System- und Aktionsanteile repräsentiert sind, ohne dass eine Seite bevorzugt oder ausgeklammert wird. Der Autor ist der Überzeugung, dass die jüngere soziologische Biographieforschung hier bereits eindeutige und überprüfbare Ergebnisse vorgelegt hat“ (Ebd., 246). Für die Auffassung, die Biographieforschung sei besser geeignet, Konstitutionsprozesse von Subjektivität in ihrem gesellschaftlichen Kontext zu erfassen als der Identitätsbegriff, spricht einiges. Zu überlegen bleibt allerdings, wie die „weitere methodischmethodologische Identitätsbegriffs

Ausarbeitung“ (Einheit

der

aussehen Person,

könnte.

Einheit

Die

der

Einheitsvorstellung

Handlung)

ist

durch

des die

Biographieforschung zugunsten des Konzepts einer narrativen, flexiblen, ,gebastelten’ Selbstthematisierung verflüssigt worden, die Handlungsautonomie vor allem in Bezug auf die Gestaltung des eigenen Lebensstils und Lebenslaufs herstellt. Die (arbeitsbezogene) Biographieforschung ist einerseits als Handlungstheorie, andererseits als Strukturtheorie angelegt, und es bleibt bis jetzt noch klärungsbedürftig, wie die Handlungsfähigkeit biographischer Akteure zu definieren ist, insbesondere in Bezug auf den Stellenwert der gesellschaftlichen Organisation von Arbeit und kultureller Kategoriensysteme. Denn wenn die Fähigkeit zur biographischen Selbstthematisierung ein wesentliches Element der Handlungsfähigkeit moderner Gesellschaftsmitglieder darstellt, ist

die

Verfügbarkeit

von

Vokabularen,

bzw.

Semantiken

(Luhmann)

bzw.

Subjektpositionen (z.B. Foucault), die horizontal und vertikal verteilt sind, ein wesentlicher Prüfstein von Handlungsfähigkeit. Um dieses Problem theoretisch und methodologisch besser zu klären, müsste das Verhältnis

von

Erfahrung

und

Sprache

besser

ausgearbeitet

werden.

Das

Erfahrungskonzept ist für die meisten Formen subjektorientierter Forschung nach wie vor zentral. Erneut Fischer-Rosenthal: „Interessant wird allerdings die Sache [Ebenen der Konstitution von Biographie, B.T.] allerdings erst – und damit wird das hier genannte Biographiekonzept erst erreicht, [sic] wenn die zweite Ordnungsebene des ,Er-Lebens’, das heißt des Erfahrens und Engagierens jener Gegebenheiten und Schemata berücksichtigt wird“ (ebd.: 247). Die Erfahrung wird hier als Ursprung von Kreativität, als Ausgangspunkt (bzw. Ursprung) einer neuen Strukturbildung definiert. Das Dilemma liegt nun darin, dass wenige ForscherInnen das Erfahrungskonzept aufgeben möchten, um die Kategorie der Agency, der Handlungsfähigkeit nicht zu verlieren, dass aber andererseits auch argumentiert werden kann, dass ,Erfahrung’ durch



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DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

gesellschaftliche Diskurse, die in Schemata der Selbstthematisierung übersetzt werden, viel weiter als gedacht vorstrukturiert wird. Seit einiger Zeit mehren sich zudem (empirisch und theoretisch formulierte) Hinweise, dass das Selbstverhältnis in der postfordistischen Arbeitswelt zum Gegenstand intensiver Bemühungen um eine Nutzbarmachung geworden ist. Diese Entwicklung, um es noch einmal zusammenzufassen (vgl. für eine ausführlichere Darstellung die Absätze über Subjektivierung), besteht in folgender Konstellation: Das Selbstverhältnis des Menschen – seine Ich-Identität („Self“), seine Subjektivität – das Anfang des Jahrhunderts erst wissenschaftlich ,entdeckt’ bzw. wissenschaftlich (mit)konstruiert wurde, ist in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zunehmend zum Gegenstand gesellschaftlicher Bearbeitung avanciert. Durch die ,Entdeckung’ der Subjektivität, die mit dem Bedeutungsverlust religiöser und metaphysischer Weltdeutungen in Verbindung gebracht werden muss, war zugleich die reflektierte Einflussnahme auf diesen Teil der menschlichen ,Natur’ in greifbare Nähe gerückt. Diese Einflussnahme, die die Formen einer relativ zielgerichteten ,Bearbeitung’ und einer neuen, instrumentellen ,Religiosität’ annahm, wurde dann realisiert: Wissenschaftliche Diskurse ,plädieren’ (implizit normativ) für die eine oder andere Variante von Biographie und Identität (vgl. Meyer 1992: The Life Course as a Professionalized Cultural Construction), therapeutische Verhältnisse ,heilen’ den Menschen, die Sozialtechnologien der Wohlfahrtsstaaten ermöglichten eine zielgerichtete Beeinflussung und Aufklärung von Bevölkerungen (vgl. Rose 1989: Governing the Soul). Die gerade ,entdeckte’ Subjektivität wurde also nach und nach gewissermaßen in den Sog der Reflexivität der Moderne gezogen, die auf Rationalität und Beherrschbarkeit (im guten und schlechten Sinn) ausgerichtet ist. In der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts zeigte sich insbesondere, dass in der Organisation der Arbeit Subjektivität mehr und mehr als Produktionspotential einbezogen wird. Subjektivitäten werden außerdem nach ihrer Qualität bewertet, indem Kriterien für Normalität entwickelt wurden, die bestimmte Gruppen von Individuen aus der hergestellten gesellschaftlichen Normalität ausschließen. Die

Situation

der

Ausgeschlossenen,

die

sich

mit

den

Normalitätsfiktionen

auseinandersetzen müssen, kann weder mit einer rein sozialstrukturellen noch mit einer subjektorientierten Forschung, die sich auf Konstruktionsleistungen des Subjekts beschränkt, erforscht werden. Es ist daher geboten, bei der weiteren Thematisierung von Subjektivität diese Bearbeitbarkeit des Selbstverhältnisses durch Machtkonstellationen und Diskurse in Rechnung zu stellen. Die in der pragmatistischen Tradition betonte Kreativität und beständig sich erneuernde

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Kraft zur Neuorientierung findet nicht mehr nur im Modus einer unbeobachteten, gewissermaßen freischwebenden Intersubjektivität statt. Diese Kreativität hat im Gegenteil rituelle Formen gefunden, sie ist Gegenstand von Sozialtechnologien, und sie findet im Einflussbereich sozialer Formationen wie der Ökonomie statt. Das Selbstverhältnis spiegelt sich somit vielfach in sich selbst und in den institutionellen Rahmenbedingungen. Die sozialen

Begrenzungen

des

Reichtums

der

Kreativität

und

ihre

vielfältige

Instrumentalisierung sollte thematisiert werden, wenn die subjektorientierte Perspektive weiterhin als kritische Perspektive gelten soll. Ähnliches gilt für die Sozialphänomenologie. Die Konstitutionsleistungen des Bewusstseins sind zunehmend Gegenstand der Bearbeitung, d.h. der zielgerichteten Aktivität. Das konstituierende Bewusstsein kann daher nicht mehr als unhinterfragter Boden der Wirklichkeitskonstruktionen hingenommen werden.

Dies

gilt

auch

für

die

wissenssoziologische

Erweiterung

der

Sozialphänomenologie, die diese Kritik teilweise schon verarbeitet hat. Die Autoren der klassischen Wissenssoziologie (v.a. Scheler und Mannheim) postulierten noch, dass die „Realfaktoren“ (Scheler) der Ökonomie, des Rechts, der Wissenschaft etc. die Wissensbestände nur einschränken können, dass sie aber keine eigenen konstitutiven Effekte auf die Bildung von Wissensbeständen haben. Diese Auffassung muss heute wohl revidiert

werden.

Es

sollte

deutlich

geworden

sein,

dass

Analysen

von

Subjektivierungsstrategien, die in postfordistischen Ökonomien wirksam werden, mit der Analyse der Konstruktionsleistungen von Individuen verknüpft werden müssen. Die Verknüpfung von Methoden der Diskursforschung mit subjektwissenschaftlichen Ansätzen ist angesichts dieser Herausforderung eine viel versprechende Perspektive.



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DAS SUBJEKT IN DER ARBEITSFORSCHUNG

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