DIE ICH BIN - WORTE JESU

St. Markus, München DIE „ICH BIN“WORTE JESU Das Licht der Welt Prof. Dr. Jan Rohls 11. Mai 2014 Jubilate Predigt über Johannes 8 Da redete Jesus ab...
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St. Markus, München

DIE „ICH BIN“WORTE JESU Das Licht der Welt Prof. Dr. Jan Rohls 11. Mai 2014 Jubilate

Predigt über Johannes 8

Da redete Jesus abermals zu ihnen und sprach: Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben. Johannes 8,12

Liebe Gemeinde! Die altrömische Liturgie der Osternacht beginnt vor der Kirche beim Osterfeuer. An ihm wird die Osterkerze mit Symbolen versehen: außer dem Kreuz und der Jahreszahl das Alpha und Omega als Zeichen für Christus. Dabei spricht der Liturg die Worte: „Christus, gestern und heute, Anfang und Ende, Alpha und Omega. Sein ist die Zeit und die Ewigkeit. Sein ist die Macht und die Herrlichkeit in alle Ewigkeit.“ Danach wird die Kerze am Feuer entzündet, und zwar mit den Worten: „Christus ist glorreich auferstanden vom Tod. Sein Licht vertreibe das Dunkel der Herzen.“ Mit der brennenden Osterkerze zieht dann die Gemeinde in einer feierlichen Prozession in die völlig dunkle Kirche ein. Dreimal bleibt der Zug der Gläubigen stehen: unmittelbar vor der Kirche, im Eingangsbereich und vor dem Altar, und der Liturg singt jeweils „Christus, das Licht“. Die Gemeinde antwortet mit „Dank sei Gott!“ Währenddessen gibt man das Licht der Osterkerze an die Kerzen weiter, die die Gläubigen in ihren Händen halten, so dass sich die Kirche in ein Lichtermeer verwandelt. Schließlich findet die Osterkerze ihren Platz auf dem Leuchter im Altarraum. Die Lichtfeier zu Beginn des alten Ritus der Osternacht symbolisiert die große Wende vom Tod zum Leben, von der Trauer zur Freude, vom Fasten zum Feiern, vom Bußpsalm zum Halleluja, vom Dunkel zum Licht. Christus ist das Licht. In Luthers Choral „Christ lag in Todesbanden“ heißt es: „So feiern wir das hoh Fest/ mit Herzensfreud und Wonne,/ das uns der Herr scheinen lässt./ Er selber ist die Sonne,/ der durch seiner Gnaden Glanz/ erleucht' unsre Herzen ganz;/ der Sünden Nacht ist vergangen. Halleluja.“ Und der katholische Barocktheologe Friedrich Spee dichtet zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges in seinem Osterlied: „Der Sonnenschein jetzt kommt herein,/ und gibt der Welt ein' neuen Schein.“ Dass Christus das Licht der Welt sei, entnimmt man dem Johannesevangelium. Dort sagt Jesus zu den Pharisäern: „Ich bin das Licht der Welt. Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben“ (Joh 8,12). Das „ich bin“ im Munde des johanneischen Jesus erinnert natürlich an das berühmte „ich bin“, mit dem der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs sich Mose im Dornbusch offenbart. Auch dort spielt das Licht eine Rolle. Der Engel des Herrn erscheint Mose in einer feurigen Flamme aus dem Dornbusch, der aber vom Feuer

nicht verbrannt wird. Als Mose Gott nach seinem Namen fragt, erhält er die dunkle Antwort: „Ich bin, der ich bin“. Und fast will es scheinen, als gehe es Jesus im vierten Evangelium darum, etwas Licht in das Dunkel dieser göttlichen Selbstvorstellung zu bringen, wenn er sagt: „Ich bin das Brot des Lebens“, „Ich bin der gute Hirte“, „Ich bin die Auferstehung und das Leben“, „Ich bin der Weg und die Wahrheit“, „Ich bin der Weinstock“ und eben „Ich bin das Licht der Welt“. „Ich bin das Licht der Welt“, das sagt Jesus im Vorhof des Tempels, für die Juden der Ort der Gegenwart Gottes. Während des Tempelweihfestes fanden hier Freudenfeiern statt. Man stellte vier riesige goldene Leuchter auf, die die Tempelmauern überragten und die ganze Stadt erleuchteten. Das Licht durchbrach die Finsternis. Daran mag der unbekannte Verfasser des vierten Evangeliums ebenso gedacht haben wie an die Verheißung für den Gottesknecht bei Deuterojesaja: „Ich mache dich zum Bund für mein Volk, zum Licht für die Völker, dass du die Augen der Blinden öffnen sollst und die Gefangenen aus dem Gefängnis führen und alle, die in der Finsternis sitzen, aus dem Kerker. Ich bin Jahwe, das ist mein Name“ (Jes 42, 6-8). Das Licht spielt in der Natur, im Leben eine zentrale Rolle, und daher wundert es nicht, dass ihm ein hoher symbolischer Wert beigemessen wurde. Die bedeutende Rolle, die ihm die Bibel zuschreibt, ergibt sich bereits aus dem Schöpfungsbericht im ersten Kapitel der Genesis. Da ist die Erde zunächst wüst und leer, und es war finster auf der Tiefe. „Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag“ (Gen 1,35). In seinem Oratorium „Die Schöpfung“ hat Joseph Haydn den plötzlichen Übergang vom Dunkel zum Licht genial inszeniert. Singt der Chor zunächst pianissimo bis zu der Stelle „und es ward“, bricht das Wort „Licht“ dann fortissimo in strahlendem C-Dur aus ihm heraus. Die chaotische, formlose Finsternis verwandelt sich plötzlich auf Gottes Geheiß in jenes blendende Licht, das alles Dunkel verscheucht. Soviel ist klar: es mangelt nicht an jüdisch-biblischen Bezügen, wenn der johanneische Jesus von sich sagt: „Ich bin das Licht der Welt“. Den frühen Hörern und Lesern des vierten Evangeliums in der Antike dürften diese Bezüge wohl bewusst gewesen sein. Zudem lag der mit tiefem Symbolgehalt befrachtete Gegensatz von Licht und Finsternis damals in der Luft. Für die jüdische Sekte in Qumran am Toten Meer war er genauso wichtig wie für die frühchristlichen Gnostiker. So bunt und vielfältig die Vorstellungswelt der Gnostiker auch sein mag, darin stimmen sie doch überein, dass alles darauf ankommt, aus dieser materiellen Welt der Finsternis erlöst zu werden in die geistige Welt des Lichts. Aus ihr sind die Menschen gefallen, und zu ihr sehnt sich der Gnostiker zurück dank jenes Lichtfunkens, der sein wahres Ich ist. Das Johannesevangelium gehört sicher in diese Sphäre dualistischen Denkens, des Denkens in Gegensätzen mit hinein. Hier das Licht und da die Finsternis, hier die Kinder des Lichts und da die Kinder der Finsternis. Das Entscheidende aber ist, dass es Christus ist, der als das Licht der Welt bezeichnet wird, ja, der sich selber so offenbart oder vorstellt. Mit dem Licht verbinden wir zweierlei: das Leben und das Sehen. Ohne Licht gäbe es kein Leben, und ohne Licht könnten wir auch nicht sehen. In einem übertragenen Sinne nennen wir auch die Erkenntnis ein Sehen, ein geistiges Sehen, und auch dieses geistige Sehen wäre nicht möglich ohne Licht, ohne geistiges Licht. Keine Erkenntnis ohne das Licht der Wahrheit, die unseren Geist erleuchtet. Im Johannesevangelium geht es ständig um Erkenntnis, und zwar um die Erkenntnis Gottes, des Vaters, die allein möglich ist durch den Sohn, Christus, das Licht der Welt und zugleich die Wahrheit. Nietzsche, der Pastorensohn, hat das Christentum abfällig Platonismus fürs Volk genannt. Und tatsächlich wird die Verwandtschaft zwischen Christentum und Platonismus nirgends deutlicher als am vierten Evangelium und seiner Wirkungsgeschichte. Denn es war Platon, der in seinem großen Dialog über den Staat das göttliche Prinzip der Welt, das Gute, mit der Sonne verglichen hatte. So wie die Sonne mit ihrem Licht die Ursache

von Leben und Sehen ist, so ist Gott oder das Gute die Ursache des Seins und der Erkenntnis. Das war eine Philosophie des geistigen Lichts, eine Lichtmetaphysik, mit der sich das johanneische Christentum mühelos zu einer Einheit verbinden konnte. Wer eine gotische Kathedrale betritt, muss wissen, dass die Gründerväter des gotischen Kirchenbaus von dieser Einheit zehrten. Sie kannten die Schriften jener christlichen Platoniker, die wie der verehrte Dionysios Areopagita Gott und Christus als das wahre Licht feierten. Der Abt Suger von Saint-Denis bei Paris, der einstigen Grablege der französischen Könige, konnte in ihnen lesen, dass alles von Gott, dem Vater der Lichter, und Christus, dem Licht der Welt, ausgehe, und da alles, von den Sternen bis zur Materie, an diesem schöpferischen Licht teilhabe, könne man auch vom Irdischen zum Göttlichen, vom Sichtbaren zum Unsichtbaren aufsteigen. Als der Abt nach 1130 mit dem Neubau der Kirche begann und damit den Grundstein der gotischen Architektur legte, da nahm er sich vor, fortlaufend die fertiggestellten Teile zu kommentieren. Zu den Türen des mittleren Westportals schrieb eine Anleitung für den Besucher: „Wer immer du seist, wenn du strebst, zu erheben den Ruhm dieser Tore,/ Staune nicht an das Gold und den Aufwand, sondern die Arbeit./ Edel erstrahlt das Werk, doch das Werk, das edel erstrahlet,/ Möge erleuchten die Geister, dass sie eingehen durch die wahren Lichter/ Zum wahren Licht, wo Christus das wahre Tor ist./ Wie es der Welt innewohnt, gibt das goldene Tor zu erkennen:/ Der schwache Geist erhebt sich zum Wahren durch das Materielle/ Und sehnend erhebt er sich durch das Licht aus seiner Versunkenheit.“ Abt Suger, Saint-Denis, Gotik: das ist Mittelalter. Doch nicht nur die Lichtmetaphysik, auch die Identifikation mit dem Licht der Welt, das die Finsternis durchbricht, reicht weit über das Mittelalter hinaus. Denn wenn eine Epoche das Licht verherrlichte, dann war es die Aufklärung. Die Finsternis, die mit dem Licht der Vernunft vertrieben werden sollte, das war nun die Finsternis des Mittelalters. Das geflügelte Wort vom finsteren Mittelalter machte im Zeitalter der Aufklärung die Runde. Das Mittelalter galt als die Epoche eines überholten Weltbildes, das durch Kopernikus, Kepler, Galilei und Newton zu Fall gebracht worden war. Die genannten Wissenschaftler hatten dank des Lichts der Vernunft die wahren Gesetze der Natur entdeckt. „Enlightenment“ - „Erleuchtung“ - heißt „Aufklärung“ auf Englisch, und der englische Dichter Alexander Pope prägte Anfang des 18. Jahrhunderts für die Rolle, die der göttliche Newton bei der Aufdeckung der Naturgesetze spielte, in folgende Verse: „Nature, and Nature's Laws lay hid in Night:/ God said, Let Newton be! And All was Light.“ Zu deutsch: „Natur und Naturgesetze waren verborgen in Nacht:/ Da sprach Gott: Newton sei! Und alles ward licht gemacht“. Es gibt einen berühmten Kupferstich von Daniel Chodowiecki vom Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Titel „Aufklärung“. Im Vordergrund sieht man eine Kutsche, vorweg einen Reiter auf seinem Pferd, im Hintergrund einen Kirchturm, und über einem bewaldeten Berg geht strahlend über dem Nebel die Sonne auf. Man reitet dem Licht der Aufklärung entgegen. Der Kupferstecher hat sein Bild selbst kommentiert. Er schreibt über die Aufklärung: „Dieses höchste Werk der Vernunft hat bis jetzt noch kein allgemeines verständliches allegorisches Zeichen (vielleicht weil die Sache selbst noch neu ist) als die aufgehende Sonne. Es wird auch wohl lange das Schicklichste bleiben, wegen der Nebel, die immer aus Sümpfen, Rauchfässern und von Brandopfern auf Götzenaltären aufsteigen werden, die sie so leicht verdecken können. Indessen wenn die Sonne nur aufgeht, so schadet Nebel nichts.“ Aufklärung, das heißt: die Nebel heben sich und das Licht gewinnt die Oberhand. Die in überkommenen Vorurteilen befangene Gesellschaft klärt sich auf. Was aber die Aufklärung bewirkt, das ist das Licht der Vernunft. Wenn sich nur das Licht der Vernunft ausbreitet, dann wandelt sich die Gesellschaft, dann wird ihr die Finsternis der Unvernunft ausgetrieben. Man kennt das aus Mozarts „Zauberflöte“, wo die Königin der Nacht nach dem Sieg Sarastros, des Repräsentanten des Lichts und der Humanität, einsehen

muss: „Zerschmettert, zernichtet ist unsere Macht,/ Wir alle gestürzet in ewige Nacht.“ Im Umkreis der Aufklärung konnte auch die Rede von Christus als dem Licht der Welt eine ganz neue Bedeutung gewinnen. Sie besagte jetzt, dass Jesus von Nazareth der religiöse Aufklärer war. Das ist eine Vorstellung, die sich zuerst in England findet und sich rasch den Weg auf den Kontinent bahnt. 1696 veröffentlichte John Toland ein Werk „Christianity not mysterious“, ins Deutsche übersetzt unter dem Titel „Das Christentum ohne Geheimnis“. In seiner ursprünglichen Gestalt, so wie Jesus es lehrte, enthielt das Christentum nicht Widervernünftiges oder Übervernünftiges. Es war – so Tolands These – durch und durch vernünftig, reine Vernunftreligion. Aber im Laufe der Geschichte wurde es aufgrund priesterlicher Herrschaftsinteressen nach und nach durch Geheimlehren verfälscht. Sophistische Haarspaltereien und Aberglauben fanden so Eingang ins Christentum und machten es zu einer Mysterienreligion. Dabei war Jesus selbst aufgetreten als ein Lehrer, der die jüdische Religion seiner Zeit aufgeklärt, vom Ballast priesterlicher Zeremonialgesetze befreit und ihren vernünftigen Kern freigelegt hatte. Er war das Licht der Welt, weil er die Menschen die einzig wahre Vernunftreligion gelehrt hatte, und die bestand für die englischen Aufklärer im Doppelgebot der Liebe als dem allgemeinverbindlichen Moralgesetz, an dem sich unser Leben zu orientieren hat. Jesus brachte so Licht in das Dunkel der überkommenen Religion. Was Newton für die Naturwissenschaft leistete – so könnte man überspitzt sagen –, das leistete Jesus für die Religion. Er lehrte die Religion der Gottes- und Nächstenliebe, die Humanitätsreligion. Man hat von konservativer Seite diese aufgeklärte Form der Christentums fast durchweg mit Spott übergossen. Doch wir sollten nicht vergessen, dass sie die Grundlage ist, auf der die deutsche Klassik von Lessing über Herder, Kant, Schiller, Beethoven und Goethe bis hin zu Hegel ihre eigene religiöse Gedankenwelt bildete. Damit sind wir im 19. Jahrhundert angelangt. Auf der Vorderseite Ihres Faltblatts finden Sie die schwache Kopie eines Gemäldes mit dem Titel „The Light of the World“, „Das Licht der Welt“ Man muss zwar ein begeisterter Anhänger der englischen Präraffaeliten sein, um es wirklich zu mögen. Aber es ist sicher das berühmteste britische Christusbild und der vollkommene Ausdruck der Frömmigkeit des viktorianischen Zeitalters. Es stammt von dem Maler William Holman Hunt, der es 1853 fertig stellte, nach dem er mehrere Jahre vergeblich versucht hatte, die Morgendämmerung wunschgemäß darzustellen. Das sollte ihm erst gelingen, als er das Bild mit auf eine Reise nach Palästina nahm und die Morgendämmerung bei Bethlehem erlebte. Das Gemälde hängt in der Seitenkapelle des Keble College in Oxford. Im Alter schuf Hunt eine lebensgroße Version seines Jugendwerkes, die 1906 auf eine Tournee durchs britische Empire geschickt wurde, bevor sie 1908 ihren Platz in der Londoner St. Paul's Cathedral fand. Auf dem Bild sehen wir den bärtigen Christus, bekleidet mit einem edelsteinbesetzten Mantel und durch die Krone als König erkennbar. Sein Haupt umgibt als Nimbus das Licht der Erlösung, und über dem Nimbus erkennen wir den Morgenstern in der Dämmerung, der den neuen Tag ankündigt, der mit Christus anbricht. Mit seiner linken Hand hält Jesus eine Laterne, in der das Licht des Gewissens leuchtet. Die Symbolik erschließt sich erst durch die Umgebung, in der Jesus auftritt. Wir sehen links welkes Gestrüpp, das die Vergänglichkeit und den Herbst des Lebens andeuten, und rechts unten am Boden herabgefallene Äpfel, die an den Sündenfall erinnern sollen. Mit seiner rechten Hand klopft Christus rostige Tür, wobei die Überwucherung mit Efeu zeigt, dass sie schon lange nicht mehr geöffnet wurde. Sie hat außen auch keine Klinge, mit der man sie öffnen könnte. Aufgeschlossen und geöffnet werden kann sie nur von innen. Die verschlossene Tür ist das menschliche Herz, das Christus, das erlösende Licht der Welt, erleuchten will. Die schwer lesbare Schriftzeile unter dem Bild zitiert die Offenbarung des Johannes: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. So jemand meine Stimme hören wird

und die Tür auftun, zu dem werde ich eingehen und das Abendmahl mit ihm halten, und er mit mir“ (Off 3,20). Gewiss, das ist eine sehr sentimentalische Form der Frömmigkeit, wie sie in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts die Menschen zu ergreifen vermochte, uns aber recht fremd ist. Aber die Botschaft des Bildes lässt sich auch weniger gefühlvoll vermitteln. Jesus, das Licht der Welt, will unser Gewissen erleuchten, Licht in unser finsteres Herz bringen, um uns zu neuen Menschen zu machen, die dem Doppelgebot der Liebe, dem kategorischen Imperativ der Humanität, folgen und so ein neues Leben beginnen. Um im Bild zu bleiben und es fromm zu formulieren: Er leuchtet uns den Weg der wahren Menschlichkeit, damit wir zu Kindern des Lichts werden. Jesus sagt zwar von sich: „Ich bin das Licht der Welt.“ Doch was das heißt, geht erst aus den folgenden Worten hervor: „Wer mir nachfolgt, der wird nicht wandeln in der Finsternis, sondern wird das Licht des Lebens haben.“ Licht, Liebe, Leben: diese drei gehören also zusammen. Christus ist das Licht der Welt, das uns den Weg der Liebe leuchtet, damit wir zum neuen Leben gelangen. „Licht, Liebe, Leben“: das war der Wahlspruch Johann Gottfried Herders, des mit Goethe befreundeten Weimarer Generalsuperintendenten. Das ist zugleich eine knappe Zusammenfassung dessen, was die Worte „Ich bin das Licht der Welt“ bedeuten. Denn das Licht der Laterne, die Christus auf Hunts Gemälde hält und mit der er uns leuchtet, ist nach der eigenen Deutung des präraffaelitischen Malers ja das Licht des Gewissens, das uns daran gemahnt, wie wir leben sollen, nämlich im Geist der Liebe. Denn – wie es im ersten Johannesbrief heißt –: „Gott ist Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm“ (1Joh 4,16).

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1. Juni 2014 Prof. Dr. Loren Stuckenbruck