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Abb. 1 u. 2: TBS-Logo und rechts der unscheinbare Eingang im Hof

Die Backliner, Teil 4: TBS, „Total Band Service“, Berlin Von Nicolay Ketterer. Fotos: U. Boek, N. Ketterer

Ulrich Schwartau, ein Rock’n’Roller Zeit seines Lebens, schmeißt zusammen mit seiner Frau Anke den Backline-Verleih in der Hauptstadt mit ihrer großen Club- und Fernseh-Szene. Da laufen einem irgendwann alle Künstler über den Weg – darunter Springsteen, Lou Reed, Prince oder Charlie Watts, erzählt er. Ulrich Schwartau ist jemand, der für Led Zeppelin als Stage-Hand gearbeitet und das letzte Konzert von Hendrix auf Fehmarn gesehen hat – und sich genau deswegen der Legendenbildung entzieht.

Eine Frau schreit ihren Mann an. Eine monströse Klingel vom Typ „weitläufiger Schulpausenhof“ schellt das Büro zusammen, martialisch, wie bei einem Feueralarm. „Ich sag demnächst auch, dass ich aus Karlsruhe komme, dann krieg ich vielleicht ebenfalls was zu essen. Mann, Mann, Mann!“, meint Ulrich Schwartau lakonisch. Der Eindruck täuscht: Anke Schwartau hält ihren Mann nicht bei Wasser und Brot, und auch sonst kümmert sie sich liebevoll um ihn, den Chef, ohne den nichts geht. Er sagt, sie ist die Chefin, ohne die nichts geht. Beides stimmt wahrscheinlich. Sie kümmert sich um das Büro, um alle Details und darum, dass der Laden läuft, packt gerne zu und mit an, geht raus, macht Jobs. Die beiden schaffen das Kunststück, typisch berlinerisch und gleichzeitig liebenswürdig zu wirken (Abb. 3, 4).

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„Du musst schreien, Uli ist schwerhörig.“ Die Jahrzehnte im Rock’n’Roll-Geschäft haben ihren Tribut gefordert. Er war vor seinem Leben als Verleiher selbst auf Tour mit einer Rockabilly-Band. „Begriffe wie ‚Roadie‘ gab es damals schon.“ Aber das war alles weit weniger professionalisiert. Für Led Zeppelin, Man und T-Rex hat er die Bühne mit aufgebaut, in seinen frühen Jahren. Heute würde man „Stage-Hand“ dazu sagen. Er verwahrt sich gegen die Verklärung, wonach der, der damals bei den vergangenen Rock-Helden live dabei war, ebenfalls so eine Art Held wird. „Ich hab auch das letzte Konzert von Hendrix erlebt, auf Fehmarn.“ Es war einfach ein Job. „Dass der mal eine Legende wird, das wusste keiner.“ Er hat Musikinstrumenten-Kaufmann gelernt, bei einem Händler gearbeitet. „1972 gab es noch kein En-

Abb. 3: Rock’n’Roller mit Leib und Seele, Ulrich Schwartau (Foto: Uwe Boek)

Abb. 4: Schwartau „Extra“? Ohne die heimliche Chefin Anke Schwartau, die sich um alle TBS-Belange kümmert, geht gar nichts

dorsement. Wir hatten im Musikalienhandel irgendwelche Verstärkermodelle. Die großen Bands haben damals in Hamburg gespielt und wir haben denen das Zeug hingestellt.“ Jubiläum mit TBS hatte er gerade, 25 Jahre, aber nur, weil er irgendwann die Firma gegründet hat. Gemacht hat er das ja schon vorher. 45 Jahre Berufsleben sind es mittlerweile. Gerade steht ein DHL-Lieferwagen vor der Tür, der Fahrer verlädt mit Anke Schwartau zusammen ein Bühnenelement. Das stammte von Crystal Sound, Abb. 5: Schlagzeug-Cases, im Hintergrund eine Band hat es irrtümlich bis Berlin Rockabilly-Banner und Fell-Vorrat (Foto: Uwe Boek) mitgeschleppt. „Wir Backliner teilen uns ja relativ gut den deutschen Markt auf“, erzählt Ulrich Schwartau. Sie müssen sich gelegentlich mit Geräten aushelfen. „Man hat auch Künstler, aufgrund der „Personifizierung“ wohl nur schwer zu die lassen sich auf keine Alternativen ein.“ Im Lager- Geld machen lassen. Seit dieser Geschichte sieht bestand befinden sich alle Standards, neben dem gän- Ulrich Schwartau die Sache mit den Instrumenten gigen Besteck sind auch Seltenheiten dabei, ein eher pragmatisch. „Materielles ist ersetzbar.“ blauer Rickenbacker 4003 Bass etwa (Abb. 7) oder ein Schlagzeug des amerikanischen Custom-Herstellers „Ich bin nach der Bundeswehr nach Berlin gekomSpaun. Schwartaus eigener alter Bass, ein Fender Pre- men. Die meisten sind vorher nach Berlin gegangen“, cision, hat schon lange ausgedient, er hängt in einer erzählt er, weil es in der heutigen Hauptstadt damals Vitrine im Büro (Abb. 10). noch die Wehrdienst-befreite Zone gab. Dort hat er im Einzelhandel gearbeitet, dann der fließende ÜberEine alte teure Gibson ES-175, Baujahr 1953, wurde gang zum Backline-Verleih. Am Anfang hat er noch ihm gestohlen, vor zehn Jahren bei einem Einbruch, alles angeboten, deswegen heißt es auch „Total Band zusammen mit sieben anderen Gitarren. Das tat weh. Service“, mittlerweile ist es Tour- und Backline-SerSammler zahlen bis zu 35.000 US-Dollar für die alte vice. „Mit Backline hat sich niemand beschäftigt. Das Gibson. Schwartau hatte sie von Robben Ford, dem war eher: ‚Wir haben auch ein Schlagzeug, nimm det Blues-Gitarristen, bekommen, das Instrument selbst mal!’“ Er hat damals noch PA und Licht gemacht. Aber bei Ford in Texas abgeholt. Damals hat die Presse über der Backline-Bereich war eine Marktlücke, eine Niden Diebstahl berichtet, der „Tagesspiegel“, weil es sche. Das hat ihn einfach auch viel mehr begeistert. ungewöhnlich ist, dass jemand einbricht, um alte, „Mich interessieren eher Gitarren als Mischpult und spezielle Gitarren zu stehlen. Den alten Fender Pre- Lautsprecher. Das war immer so.“ Vintage? „Man cision Bass mit den ganzen Autogrammen drauf, lie- braucht ein paar Oldtimer, eine Hammond B-3, diverse ßen die Diebe damals zurück – der hätte sich Rhodes, also Sachen, die so nicht mehr gebaut werden

Abb. 6: Lager-Impressionen (Foto: Uwe Boek)

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Abb. 7: Seltenheit: Rickenbacker 4003 Bass (Foto: Uwe Boek)

Abb. 8: SchlagzeugHardware-Cases, darüber Snares, Toms und ganz oben Bass Drums (Foto: Uwe Boek)

Abb. 10: In „Rente“– Ulrich Schwartaus alter Fender „Preci“-Bass (Foto: Uwe Boek)

und schon ‚vintage‘ sind, aber immer noch angefragt werden.“ Bei Gitarren gebe es immer mal ein paar Highlights, da müsse man dann mitziehen. Ansonsten: „Marshall, Fender, Gibson, Ampeg. Schlagzeug hat sich ein bisschen verlagert, es werden heute gerne sogenannte ‚Vintage-Marken‘ wie Gretsch und Ludwig genommen.“ Was seine Highlights waren? Kann er gar nicht sagen. „Dadurch, dass wir in Berlin sitzen, hat man zwangsläufig irgendwann mal alles auf dem Tisch.“ Das „Live 8“-Festival, Fanmeilen, die Bands, die in den Clubs hier spielen, von Prince im Showcase abends im Club, über Tom Jones und Rod Stewart. Sheryl Crow hat er eine komplette kleine Band-Bestückung geliefert, JazzSchlagzeug, Bass-Combo für Kontrabass, E-Piano. Für Springsteen hat er damals, 1995, die NiedeckenGeschichte gemacht, den Videodreh zu „Hungry Heart“ in dem Berliner „Café Eckstein“ zur Veröffentlichung als Single von Springsteens „Greatest Hits“Album. Niedecken war optisch sein Rhythmus-

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Abb. 9: Memo zur anstehenden Überprüfung (Foto: Uwe Boek)

gitarrist, seine „Leopardenfellband“ stellte die BandOptik für den Clip. Typisch Springsteen, er hat nach dem Videodreh dort noch ein halbes Konzert gegeben für die Leute. „Der brauchte einfach nur eine E-Gitarre.“ Eine gebrauchte Naturholz-Tele, das, was er immer spielt. Sie hängt im Nebenraum, in einer Vitrine an der Wand. Mittlerweile haben auch Lou Reed und Carl Perkins darauf „gedengelt“ (Abb. 12). In Berlin steht vor allem das Tagesgeschäft an. „Wir haben hier eine große Clubszene.“ Da kommen die Bands tatsächlich nur mit den Drumsticks und einer Gitarre im Gepäck. „Die fliegen hier ein, spielen einmal und sind wieder weg.“ Hinzu kommt RecordingAusstattung für einen Tag. Das sei ein anderes Geschäft als bei seinen Kollegen in West- und Süddeutschland, erzählt er. Da mache man mehr Touren. TBS beliefert auch das in Berlin produzierte Fernsehen, etwa Frühstücksfernsehen, Sat.1, ZDF. Das, was MTV früher gemacht hat, bevor man dazu überging, nur noch „Reality-Bullshit“ aus den USA zu senden. Tape TV, ZDF Neo, „Über den Dächern“. „Kleines Besteck, Cajón, E-Piano und Gitarre, und dann sitzen die da im

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Abb. 12: Auf der haben schon Lou Reed, Bruce Springsteen und Carl Perkins „gedengelt“: ESP T-Style, mittlerweile ausgemustert (Foto: Uwe Boek)

Info www.tbs-backline.de

Abb. 11: Kabelvorrat, Setup-Arbeitsplatz (Foto: Uwe Boek)

Sonnenuntergang auf Berlins Dächern und performen.“ Sie liefern auch optische Ausstattung für FotoShootings, haben viele Deko-Instrumente für Videodrehs, billige Gitarren mit auffälliger Optik. Da wird dann gar keine Marke angefragt, sondern – Ulrich Schwartau imitiert den distinguierten Tonfall des Nichtkenners: „Wir brauchen eine blaue Gitarre!“ Etwa ein Videoclip für Nivea. „Die ist dann für den Bruchteil einer Sekunde zu sehen, aber sie muss eben blau sein. Unter den Seltenheiten haben sie auch ein Gold Sparkle DW Drumset, das wird nicht zuletzt auch wegen der edlen Optik angefragt. Das Kit ist optisch ideal für GalaShows, wo der Glitzer-Effekt zählt. Auf einer BenefizGala-Show wurden Trommeln geklaut, erzählt Anke Schwartau. „Ein Herz für Kinder – aber kein Herz für Backliner!“ Es sei unfassbar, was geklaut würde, wenn man nicht auf seinen Kisten sitze und hinschaue. Backline dient als ein günstiger „Ersatzteilmarkt“: Potiknöpfe von Verstärkern, Pitch-Bend-Hebel eines Keyboards, Gitarren-Kabel und Drum-Schlüssel. Das sei bestimmt nicht immer Absicht, aber Ersatzteile von Firmen, wo die Beschaffung lange dauert und die Teile auch teuer sind – etwa bei DW-Schlagzeugen –, sammelt mancher ein. Drei- bis vierhundert Mal im Jahr Minimum, sagt sie, kommt der Drum Key nicht mit zurück. Das summiert sich, das sehen die Leute im Einzelnen nicht. Ob Ulrich Schwartau an einzelnen Instrumenten hängt? „Nö, nicht mehr. Am Anfang hängt immer Herzblut dran. Bei einer guten Gitarre ist es dann manchmal traurig, wie Leute damit umgehen. Stichwort Gürtelschnalle. Ist den Leuten egal. Daran muss man sich einfach gewöhnen. Mit den Schlagzeugen hat man immer viel Arbeit, weil es immer viele Teile sind.“ Es sei ja alles ersetzbar. Und wirklich ganz teure alte Gitarren verleihe eh keiner. „Selbst meinen alten Fender Precision Bass, den ich seit 30 Jahren nicht mehr gespielt habe, habe ich mal für einen Videodreh herausgegeben, weil die einen gebraucht aussehenden Bass

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haben wollten.“ Der kam dann mit zwei Saiten weniger zurück. Das Zeug wird gebraucht, einige gehen damit besser um, andere nicht. Es seien immer solche Kleinigkeiten: „Jeder Musiker sollte eigentlich wissen, dass man keine Getränke auf einem Verstärker abstellt oder auf einem eingeschalteten Keyboard.“ Und trotzdem schüttle man manchmal nur den Kopf, wenn man die Sachen zurückkriegt. „Mit meiner ersten Band haben wir noch ein richtiges Klavier auf die Bühne gehoben. Wir haben uns die Pfoten kaputt gemacht, wir konnten gar nicht mehr spielen, so schwer war das Ding!“ Einen digitalen Flügel haben sie mittlerweile auch im Programm, da braucht man den Klavierstimmer nicht. „Das ist das alte Problem bei den Yamaha CP-70 und CP-80.“ Die elektrifizierten Flügel, wie sie im Pop-Bereich etwa von den Simple Minds, Genesis oder ABBA verwendet wurden, haben einen eigenen schlanken Klang, der Stil prägend war. „Da gibt es auch wieder einen Trend hin“, meint Ulrich Schwartau, leicht verwundert, leicht bewundernd. „Als das CP-70 rauskam, war das der Wahnsinn. Das war die ‚Prüfung‘ für angehende Backliner – ein CP-70 alleine auf- und abbauen.“ Da sind zwei Teile, das Untergestell, das ähnlich aussieht wie ein Rhodes, und die Harfe, die man einhängen muss und dann umklappen kann. Aber man muss die Reihenfolge beim Auf- und Abbau der Teile genau wissen. Sie machen seit über 20 Jahren das Berliner Jazz-Fest, da habe man dann alle Koryphäen einmal durch, mit allen Befindlichkeiten. Den inzwischen verstorbenen Louis Bellson, die richtig alte Jazz-Garde aus der Ära von Gene Krupa, die „Roots“ der modernen Schlagzeuger. Oder die modernen wie Dennis Chambers. „Bis hin zu Charlie Watts, der, glaube ich, gar nicht wusste, wo er sich an dem Tag befand. Der hat ja ein Jazz-Trio, den haben die in England aus dem Pub geholt und in den Flieger gesteckt. ‚Heute Berlin!’“

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Jimmy Smith, der gestorbene Hammond-Mann, hat seine Orgel gespielt. Booker T. fand er klasse. Das seien die Veranstaltungen, die muss er dann auch selbst erleben, meint er. Da geht ihm das Herz auf. „Ich habe so oft Chuck Berry gemacht. Der ist ja die Legende überhaupt“, meint er als Rock’n’Roll-Fan. Oder Jerry Lee Lewis: „Dem haben wir noch einen Flügel aufs Hotelzimmer gebracht, damit er üben kann.“ Das sind alles Leute, die stramm auf die 80 zugehen oder diese schon überschritten haben und ihren früheren Ruhm verwalten. Lewis wusste den Aufwand zu schätzen: „Der hat mir noch eine schöne Zigarre hingelegt und ein altes signiertes Foto.“

Alles dreht sich nur um deine Musik Abb. 13: zweite Reihe mit noch mehr Drums, Hardware, Amp Cases (Foto: Uwe Boek)

Ulrich Schwartau hat lange überlegt, wie man sein Berufsbild eigentlich erklärt. Ein Nicht-Musiker kann mit dem Begriff Backliner nichts anfangen. „Tournee-Ausstattung“ hat es der „Tagesspiegel“ damals genannt. Kann man denn davon leben? Das sei dann naturgemäß die nächste Frage. „Wir müssen“, lacht Anke Schwartau. Ihr Mann ist ein Haudegen der alten Schule, ein Rock’n’Roller, der vom Leben gelernt hat. Von Buddy Holly und Eddie Cochran hat er sich die Todesdaten in den Arm tätowieren lassen. Das sind seine Heroes, sagt seine Frau. Er dokumentiert damit ein kleines Stück Rock’n’Roll-Geschichte. Die Namen vieler aktueller Bands wisse er gar nicht. „1970 hat für mich musikalisch alles aufgehört“, meint er, mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Sie hören beim Vorbereiten gerne laute Rockmusik in der Halle. Auch wenn er das Touren schon vor Jahrzehnten aufgegeben hat; eigentlich ist er, gemeinsam mit Anke Schwartau, immer noch schwer auf Tour, in der ■ Lagerhalle draußen im Industriegebiet.

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