Das junge Magazin des Deutschen Bundestages Thema: Abgeordnete

Das junge Magazin des Deutschen Bundestages Thema: Abgeordnete Eine Sitzungswoche im Parlament → Seite 8 In Sitzungswochen herrscht Hochbetrieb im B...
Author: Babette Peters
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Das junge Magazin des Deutschen Bundestages Thema: Abgeordnete

Eine Sitzungswoche im Parlament → Seite 8 In Sitzungswochen herrscht Hochbetrieb im Bundestag. Wir begleiten vier Abgeordnete durch die Woche und wollen für euch he­rausfinden, was sie tun, was ihnen besonders Spaß macht und was sie vielleicht schwierig finden. ← So arbeiten Abgeordnete in ihren Wahlkreisen Seite 28 Für ihren Wahlkreis brennen alle Abgeordneten. Denn hier sind sie für die Wahl zum Deutschen Bundestag angetreten. Vier junge Abgeordnete erzählen, was sie an ihrer Region am meisten mögen, wo es Probleme gibt und wie sie mit den Menschen vor Ort in Kontakt treten.

Wie wird man eigentlich Politiker? → Seite 20 Viele Abgeordnete sitzen schon seit Jahren im Bundestag, andere sind zum ersten Mal dabei. Mitmischen-Moderator Andreas Korn fragt „alte Hasen“ und „Parlamentsneulinge“, warum sie Politiker geworden sind und was sie im Parlament voneinander lernen können.

Eigentlich landet ja fast alles, was die Welt bewegt, auf den Tischen der Abgeordneten. Wir zeigen euch, wie der Bundestag die Arbeit organisiert. Wir fragen Abgeordnete, warum sie in die Politik gegangen sind, und finden heraus, dass große Politik nicht im Plenarsaal beginnen muss. Natürlich erfahrt ihr auch, was es mit den Diäten auf sich hat. Und wenn ihr richtig punkten wollt, dann lest am besten unser Parlamentsdeutsch, oder macht bei un­serem Quiz mit, und gewinnt tolle Preise. Wer noch mehr wissen will, klickt sich einfach von den Seiten des Magazins auf mitmischen.de, das Jugendportal des Bundestages. Hier findet ihr weitere Magazininhalte und könnt das Parlament verstehen, erleben und darüber diskutieren. Und solltet ihr den Bundestag mal be­suchen, dann könnt ihr Selfies von euch machen. Wie das aussehen kann, seht ihr hier in diesem Heft. Viel Spaß beim Lesen! Euer Mitmischen-Team

Inhalt 4 Im Blick Themen, die Abgeordnete bewegen 8 Hochbetrieb im Bundestag Eine Sitzungswoche im Parlament 14 Experten-Talk Was sind Diäten? 16 Porträt Schreibtischtypologie 20 Mitmischen fragt nach Wie wird man eigentlich Politiker? 26 Parlamentsdeutsch Wichtige Vokabeln und Wissenswertes rund um den Bundestag 28 Im Einsatz für die Menschen vor Ort So arbeiten Abgeordnete in ihren Wahlkreisen 31 Quiz 32 Jetzt kommst du! So kannst du aktiv in der Politik mitmischen 34 In Szene gesetzt #Bundestags-Selfie #Berlin #Mitmischen

Im September 2017 ist es wieder so weit: Deutschland wählt den Bundestag – und vielleicht seid ihr das erste Mal mit dabei. Min­ destens 598 Abgeordnete ziehen dann ins neue Parlament. Mitmischen, das junge Magazin des Bundestages, will für euch herausfinden, wie die Arbeit der Abgeordneten aussieht.

Impressum Herausgeber: Deutscher Bundestag, Referat Öffentlichkeitsarbeit Texte: Leon Hanschmann, Laura Heyer, Leonard Kehnscherper, Ines Küster, Stefan Marschall, Georgia Rauer, Noah Schöppl inhaltliches Konzept und Redaktion: Georgia Rauer Gestaltungskonzept und Layout: Regelindis Westphal Grafik-Design /  Katrin Bosse, Berno Buff, Norbert Lauterbach Bundestagsadler: Urheber Prof. Ludwig Gies, Bearbeitung 2008 büro uebele Fotos: Titel Deutscher Bundestag /_ideazione. / Sebastian Fischer, S. 2 l., S. 28 Team Ryglewski; S. 2/3 u., S. 20–25 DBT / Marco Urban; S. 3 o., S. 8–9, S.12 o.  l. DBT / Marc-Steffen Unger; S. 3 u. Annegret Hultsch; S. 4 l. picture alliance /  dpa / Waltraud Grubitzsch; S. 4 M. picture alliance; S. 5 o. picture alliance /  AP Photo / Keith Srakocic; S. 5 u. Fotolia / Andrey Popov; S. 6 o. Fotolia /visdia; S. 6 u. Gerhard Lehrke (Berliner Newsroom GmbH); S 7 o. Bundeswehr 2012 / Bienert; S. 7 u. mauritius images / Juice Images; S. 10–11, S. 12 u., r., S. 13–15 DBT / Simone M. Neumann; S. 16–19 DBT / Jörg F. Müller; S. 18 u. Fotolia / frantic01010, S. 26/27 DBT / Edgar Zippel; S. 29 DBT / Thomas Imo /  photothek. net; S. 30 o. Frank Nürnberger; S. 30 u. Ronja Kemmer; S. 31 Fotolia /  Dada Lin; S. 32 l. Christian Mang; S. 32 o. Deutsche Jugendfeuerwehr; S. 32/33 u. Fotolia / simoneminth; S. 33 o. ullstein bild / Jürgen Heinrich; S. 33 M. Peter Missy; S. 33 u. Dimitrij Konsewitch; S. 34–35 DBT/Anke Jakob Druck: Druckhaus Waiblingen, Remstal-Bote GmbH Stand: März 2017 © Deutscher Bundestag, Berlin; alle Rechte vorbehalten. Diese Publikation ist Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Bundes­ tages. Sie wird kostenlos abgegeben, ist nicht zum Verkauf bestimmt und darf nicht zur Wahlwerbung eingesetzt werden. Die Publikation stellt keine rechtsverbindlichen Aussagen des Heraus­­gebers dar; sie dient lediglich der Information und der Urteilsbildung.

Editorial

Am schnellsten von A nach B kommt man auf längeren Strecken häufig mit dem Auto und dem Zug. Sollen dafür neue Straßen oder Schienen gebaut werden? Wo müssen Straßen erweitert werden, weil es ständig Stau gibt? Wo sind die Schienen in keinem guten Zustand? Solche Themen diskutieren die Abgeord­ neten im Rahmen des Bundes­ verkehrswegeplans. Damit wird die Verkehrsinfrastruktur bis 2030 geplant und festgelegt, wie viel Geld in welche Projekte investiert werden soll. Insgesamt geht es dabei um rund 270 Milli­ arden Euro für Straßen, Schienen und Wasserstraßen.

Von der Landwirtschaft bis zum Klagerecht von Umweltverbänden – der Bereich Umweltschutz ist vielfältig. Ein ganz großes Thema ist hier der Klimawandel. Der CO2-Ausstoß soll besonders im Verkehr und in der Energieerzeugung ver­ringert werden. Der Bun­ destag hat einstimmig das Pariser Klimaschutzabkommen ange­ nommen und debattiert über den Klimaschutzplan 2050. Beim ­Thema Fracking wurde diskutiert, ob diese Fördermethode von Ölund Gasvorkommen mithilfe von Druck und Chemikalien Risiken für die Umwelt mit sich bringt und deshalb in Deutschland generell verboten werden sollte.

Wer seinen Job verliert, hat unter anderem Anspruch auf Arbeitslosengeld II, auch Hartz IV genannt. Es soll ein Leben ermöglichen, dass der Würde des Menschen entspricht. Wie viel Geld das ist, darüber wird im Bundestag immer wieder diskutiert. Auch darüber, welche Maßnahmen ergriffen wer­ den, wenn beispielsweise Arbeitslose Jobangebote ablehnen. Die Abgeordneten beschäftigen sich aber auch damit, wie Familien unterstützt werden können oder wie lange man arbeiten muss, bevor man in Rente gehen kann.

Die Katze im Sack gekauft? Damit das nicht passiert, kümmert sich der Bundestag um den Verbraucher­ schutz, zum Beispiel darum, welche Angaben auf der Verpackung stehen müssen und welche rechtlichen Möglichkeiten Verbraucher haben, wenn sich Verkäufer nicht an die ge­ setzlichen Vorgaben halten. Immer mehr Menschen shoppen online. Wie sieht es dort mit dem Datenschutz und dem Rückgaberecht aus? Und wenn man online eine Reise bucht und es doch nicht so toll wird wie versprochen, kann man sich dann beim Reiseportal beschweren? Auch das ist ein Diskussionspunkt beim Thema Verbraucherschutz.

Im Blick Themen, die Abgeordnete bewegen Ganz schön viel los in der Welt. Ob weltweite Entwicklungen wie der Klimawandel, europäische Themen wie die Zukunft der Europäischen Union nach dem „Brexit“ oder deutsche Angelegenheiten wie der Infra­ struktur­ausbau – der Deutsche Bundestag muss sich mit all diesen Themen beschäftigen. In einer vierjährigen Wahlperiode lesen die derzeit 630 Ab­ geordneten deshalb über 12.000 Drucksachen und beschäftigen sich mit mehr als 900 Gesetzentwürfen. In den über 180 Plenarsitzungen und rund 1.600 Ausschusssitzungen geht es um alles von Innen- und Außenpolitik über Wirtschaft und Bildung bis hin zu Umwelt und Kultur. 4

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Ohne Moos nichts los. Deshalb beschäftigt sich der Bundestag damit, wie die Wirtschaft ­gefördert werden kann, aber auch, wo sie geregelt werden muss. Beispiele sind Freihan­ delsabkommen für die För­ derung des internationalen Handels, die Einhaltung des Wettbewerbsrechts und die Be­ steuerung von Unternehmen. Wichtig für die Wirtschaft ist auch die Energiepolitik. Dazu gehören unter anderem das Erneuerbare-Energien-Gesetz und die Planung von Wind­ energietrassen.

Die Außenpolitik beschäftigt sich mit den Beziehungen zu anderen Staaten, mit der friedlichen Zusammenarbeit beispielsweise in der EU, aber auch mit zivilen und militärischen Maßnahmen in Kriegen und Konflikten. Der Bundestag stimmt darüber ab, wo und in welchem Umfang die Bundeswehr im Ausland eingesetzt wird. Besonders aktuell ist dabei die Terrorismusbekämpfung. So beteiligt sich Deutschland beispielsweise am internationalen Militäreinsatz gegen die Terror­ organisation „Islamischer Staat“ in Syrien.

Jederzeit im Netz, auch im öffent­ lichen WLAN? Der Bundestag dis­ kutiert, wie dafür Rechtssicher­ heit geschaffen werden kann. Es geht aber nicht nur um die Städte, sondern auch um den Ausbau der Hochgeschwindigkeitsnetze in der Provinz. Und um Themen, die alle Internetnutzer beschäfti­ gen, zum Beispiel: Wie geht man mit Fake News, Social Bots, also automatisiert verbreiteten Beiträ­ gen, und Hasskommentaren um? Auch die digitale Sicherheit ist ein wichtiges Thema; dazu ge­ hören der Datenschutz und die Abwehr von Hackerangriffen.

Wie können Flüchtlinge in den Ar­ beitsmarkt integriert werden? Wel­ che Staaten sind sichere Herkunfts­ länder? Wie werden Abschiebungen durchgeführt? Welche Unterstützung benötigen unbegleitete minderjährige Flüchtlinge? Die Flüchtlingspolitik ist nicht nur ein europäisches, ­sondern auch ein innenpolitisches Thema, mit dem sich der Bundestag beschäftigt. In der Innenpolitik geht es zum Beispiel aber auch darum, wer die deutsche Staatsbürgerschaft bekommen kann oder wie viel Geld, Personal und Befugnisse die Bundes­ polizei und der Ver­fassungsschutz benötigen.

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Was steht in dieser Woche an? Annalena Baerbock (Bündnis 90 / Die Grünen) sichtet mit ihren Mitarbeitern die Post ...

Auch für Maik Beermann (CDU/CSU) beginnt die Sitzungswoche mit der ­Büro­besprechung, ­bevor er zu seinen ­Terminen eilt, ...

Montag, 10.00 Uhr, Termine besprechen

Montag, 9.30 Uhr, Briefing

... zum Beispiel zur Sitzung der Arbeitsgruppe ­Digitale Agenda.

... und bespricht die Termine der kommenden Sitzungswoche.

Montag, 9.00 Uhr, Post sichten

Montag, 10.30 Uhr, von Sitzung zu Sitzung

Hochbetrieb im Bundestag Eine Sitzungswoche im Parlament Etwa 22 Mal im Jahr fahren alle Bundestags­ abgeordneten zur Sitzungswoche nach Berlin. Was die Parlamentarier in ihrer prall gefüllten Woche tun, was ihnen besonders Spaß macht und ob sie manchmal Heimweh haben, hat ­Mitmischen-Autor Leo für euch herausge­fun­den – und vier Abgeordneten in ­ einer ­Sitzungswoche über die Schulter ­geschaut.

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Montag Während der Sitzungswochen herrscht Montag, 15.30 Uhr, im Gespräch mit Fraktionskollegen Hochbetrieb im Bundestag. Dann kommen alle 630 Abgeordneten aus ihren Wahlkreisen in ganz Deutschland nach Berlin. Einen der kürzesten Anreisewege hat Annalena Baerbock von der Fraktion Bündnis 90 / Die Grünen. „Ich habe das In einem Gespräch am Montagnachmittag informiert ­große Glück, Abgeordnete aus Brandenburg zu sein“, sich Beermann diesmal über die Arbeitsbedingungen sagt die 36-Jährige. Sie pendelt mit dem Regional­ von Schornsteinfegern. In einem anderen Termin express und ihrem Fahrrad während der Sitzungs­ trifft sich der 35-Jährige mit anderen Fraktionskollewochen jeden Morgen von Potsdam, der Hauptstadt gen in der Arbeitsgruppe eHealth, wo es zum BeiBrandenburgs, in die Bundeshauptstadt Berlin. spiel um die digitale Kommunikation mit Ärzten Nach der – mehr oder weniger langen – Anreise ergeht. wartet alle Abgeordneten ein straffes Programm. Zu„In der Sitzungswoche ist es für mich besonders erst ist etwas Zeit für Büroarbeit, das heißt E-Mails schön, wenn ich konkrete Wünsche und Ideen einbeantworten und Briefpost lesen. Danach besprechen bringen kann, die von Menschen aus meinem Wahldie Abgeordneten gemeinsam mit ihren Mitarbeitekreis stammen“, sagt Maik Beermann. Um 19.30 Uhr, ­­­r­innen und Mitarbeitern die Termine der Woche und wenn viele Menschen in Berlin schon Feierabend was noch vorbereitet werden muss. haben, trifft sich Beermann noch mit seiner LandesAuch für Maik Beermann von der CDU/CSU-Fraktion gruppe, zu der alle CDU-Abgeordneten aus Niederbeginnt die Woche mit einer ganzen Termin-Palette. sachsen gehören. 9

... findet noch ein wichtiger Termin zum bundesweiten Gedenktag „Nein zur ­Gewalt gegen Frauen“ der Frauenrechtsorganisation Terre des Femmes statt. ... und in den Ausschüssen ­beraten die Abgeordneten ­Gesetzentwürfe.

Mittwoch, 15.00 Uhr, Plenum

Dienstag, 15.00 Uhr, Gespräch mit Kollegen

Am Mittwoch findet eine Sitzung im Plenarsaal statt, in der die ­Bundesregierung befragt wird, ...

Bevor sich ­Niema Movassat und seine Fraktions­ kollegen ­dienstags im Fraktionssaal der Linken ­treffen, ...

Dienstag, 11.30 Uhr, Treffen

Mittwoch, 11.30 Uhr, im Ausschuss

„Von Rente über TierDienstag Dienstag schutz, Jugendaustausch ist der Tag der FrakDienstag, 16.30 Uhr, Fraktionssitzung und Bildung bis zur Vertionen. Um acht Uhr kehrspolitik. Ich fühle früh treffen sich die mich dann immer wie ein Abgeordneten in vie­ Schwamm und sauge alles auf.“ Das sieht auch Maik len kleinen Arbeitsgruppen und -kreisen zu allen Beermann so: „Die Fraktionssitzung gehört für mich ­mög­lichen gesellschaftspolitischen Themen. Niema zu den Terminen, wo alles angesprochen wird und ­Movassat von der Fraktion Die Linke geht am Diensein großer Meinungsaustausch stattfindet.“ Dabei tag beispielsweise zuerst in eine Arbeitsgruppe für ­diskutieren die Abgeordneten manchmal auch heftig Entwicklungspolitik und danach in den Arbeitskreis miteinander. Denn nur, weil man in derselben Frak­ für Internationale Politik. Dort bespricht der 32-Jäh­ tion ist, hat man nicht automatisch auch die gleiche rige gemeinsam mit anderen Abgeordneten seiner Meinung. „Politik lebt vom Meinungsaustausch“, Fraktion Themen, die ihnen allen besonders wichtig erklärt Annalena Baerbock. „Bei diesem Austausch sind. Am Nachmittag geht es dann für alle Abgeordlerne ich nicht nur ganz viel; man kommt dadurch neten in die Fraktionssitzungen. Sie gehören zu den auch auf neue Ideen.“ Da brauchen die Abgeordneten Herzstücken der Sitzungswoche. schon mal ein bisschen „Sitzfleisch“ – denn die In den Fraktionssitzungen sagen alle Abgeordneten Fraktionssitzungen dauern meistens drei bis vier einer Fraktion, was sie beispielsweise von geplanten Stunden. „Ohne seine Gremien könnte das Parlament Gesetzen halten. „Hier kommt ganz viel Wissen zuaber auch nicht arbeiten“, fügt Niema Movassat hinzu. sammen“, sagt Michelle Müntefering von der SPD. 10

Mittwoch Am Mittwoch mischen sich die Partei­ farben. Denn jede Fraktion entsendet mehrere Abgeordnete in die verschiedenen Fachausschüsse des Bundestages. Dort beraten sie gemeinsam über geplante Gesetze. Die verschiedenen Ausschüsse von Landwirtschaft über Gesundheit bis Verteidigungs­ politik spiegeln die vielfältigen Themen wider, die im Bundestag behandelt werden. Jeder Abgeordnete ist für einen bestimmten Politikbereich als Berichterstatter seiner Fraktion tätig und auf diesem Gebiet Experte. So ist Maik Beermann im Ausschuss Digitale Agenda beispielsweise Berichterstatter der CDU/CSU-Fraktion für moderne Informationstechnologie in der Landwirtschaft. „Meine Kollegen zu informieren und Themen dadurch voranzubringen, das macht mir in der Sitzungswoche am meisten Spaß“, sagt Beermann. Übrigens: Die Ausschüsse sind meist thematisch an die verschiedenen Ministerien der Bundesregierung angelehnt. So können sich die Abgeordneten

ganz gezielt mit einzelnen Gesetzesvorschlägen der Regierung beschäftigen. Die Plenardebatten sind öffentlich; wichtige Debatten laufen auch in den Fernsehnachrichten. Oft sitzt nur ein kleinerer Teil der Abgeordneten im Plenum, nämlich die, die sich intensiv um das Thema kümmern. Die anderen Abgeordneten arbeiten in der Zeit in ­ihren Ausschüssen oder sind in Fachgesprächen zu ihren speziellen Themen. Neben den Abgeordneten haben auch die Mitglieder der Bundesregierung und des Bundesrats einen Platz im Plenarsaal. Sie sitzen auf der Regierungsbank und auf der Bundesratsbank rechts und links vom Bundestagspräsidenten. Die Bundesregierung trifft sich am Mittwochvormittag im Kanzleramt zu sogenannten Kabinettssitzungen. Unmittelbar danach können die Abgeordneten sie zu Beginn der Plenar­sitzung am Mittwoch zu aktuellen Themen befragen. Manchmal gibt es im Plenum auch sogenannte Aktuelle Stunden, in denen Themen besprochen werden, die die 11

Die Sitzungswoche in Berlin endet freitags mit einer ­Plenarsitzung und weiteren wichtigen Terminen, …

Donnerstag, 16.30 Uhr, Besuch aus dem Wahlkreis

Freitag, 15.00 Uhr, der Wahlkreis wartet Donnerstag, 14.00 Uhr, Abstimmung

… und dann geht es für Michelle Müntefering und alle anderen Abgeordneten von Berlin wieder in ihre Wahlkreise.

Der Donnerstag gehört dem Plenum des Bundestages. Hier beraten die Abgeordneten vor allem Gesetzent­ würfe. Aber auch Besuchergruppen kommen ins Parlament, um ihre Abgeordneten zu treffen.

Freitag, 12.00 Uhr, im Interview

Reden machen viel Arbeit. „Gleichzeitig be­ schäftigt man sich noch einmal sehr intensiv Donnerstag, 9.00 Uhr, Plenarsaal mit allen Argumenten, kann seinen Standpunkt benennen und die Öffentlichkeit erreichen“, sagt Niema Movassat. Aber Parlamentarier reden nicht nur vor Kollegen Parlamentarier für besonders wichtig und dringend und Fernsehkameras, sondern auch mit jungen Be­ halten. Aktuelle Stunden gab es zum Beispiel zum suchern: Viele Abgeordnete laden Schulklassen aus Krieg in Syrien oder zum Klimawandel. ihrem Wahlkreis nach Berlin ein und zeigen ihnen ­ihren Arbeitsplatz. Mit Schulklassen zu diskutieren Donnerstag Donnerstag ist Plenarsitzungstag. Das macht Annalena Baerbock großen Spaß, es ist aber Plenum des Bundestages ist das größte politische auch eine Herausforderung. „Die Schüler nehmen Forum Deutschlands. Deshalb ist es für A ­ bgeordnete oft kein Blatt vor den Mund. Aber nur so können auch immer eine besondere Ehre, wenn sie hier eine Rede halten dürfen. Heute ist Michelle Müntefering mit sie jedem Politiker auf den Zahn fühlen. Und das sollen sie ja“, findet Baerbock. Das sieht auch Niema ihrer Rede dran. Sie spricht über die politische Lage Movassat so: „Die Diskussionen mit Jugendlichen in der Türkei, die sie als Politikerin schon oft besucht sind häufig spannend, und man wird immer wieder hat. Die 36-Jährige spricht frei, ihre Worte sind wohlmit neuen Fragen und Argumenten konfrontiert.“ überlegt. Doch obwohl die Abgeordneten bei i­ hren „Politik ist manchmal wie Sport: Saumäßig anstrenReden so souverän wirken, haben viele vorher Lampenfieber – auch wenn das nicht alle zugeben würden. gend, aber es macht einen auch ganz glücklich, wenn 12

wenn er nach einer Sitzungswoche ab und zu mal ein bisschen durchatmen kann. So geht es auch der Pendlerin Annalena Baerbock. „Meine Kinder sehe ich in den Sitzungswochen zu selten. Es schmerzt schon, wenn die Kleinste laufen lernt und ich davon so wenig mitbekomme“, erzählt sie. Was die junge Mutter dann aufheitert, sind die Handyfotos, die ihr Mann schickt: „Das hilft oft schon ganz gut gegen den Stress“, sagt Baerbock. Auch Maik Beermann hätte seine Familie gern öfter bei sich, echtes Heimweh hat er jedoch nicht. „Ein Arbeiter auf Montage ist jede Woche unterwegs und nur am Wochenende zu Hause. Da haben wir Parlamentarier es besser. Wir können in den Wahlkreiswochen bei unseren Familien sein“, findet Beermann. Den Vergleich zur Arbeit auf Montage zieht auch Müntefering. Sie kommt aus dem Ruhrgebiet, wo viele Arbeiter wohnen. Sie sagt immer: „Während der Sitzungswoche bin ich auf Montage unter der Kuppel.“ Damit meint sie die Kuppel des Bundestages.

wieder etwas geschafft ist – also etwas beschlossen und erreicht wurde!“, fasst Michelle Müntefering ihre Arbeit zusammen. Wirklich verzichten könnte sie allerdings auf die vielen Hundert E-Mails, auf stapelweise Akten und Berge von Wiedervorlage­ mappen. „Da bin ich froh über mein tolles Team, das mich kräftig unterstützt“, fügt sie hinzu. Freitag Auch am Freitag haben die Abgeordneten noch allerhand zu tun. Niema Movassat ist morgens zum Beispiel noch bei der Plenarsitzung und trifft sich danach mit seinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Abschlussgespräch. Anschließend gibt er einem Journalisten ein Interview. Und nachmittags fährt Movassat nicht etwa nach Hause in seinen Wahlkreis nach Nordrhein-Westfalen, sondern nach Hamburg zu einer Wochenendveranstaltung der Linken-Parteijugend. Dort wird er eine Rede halten. Hat der Politiker gar kein Heimweh? „Dafür habe ich gar keine Zeit“, sagt Movassat. Aber er freut sich, 13

Diät hat in diesem Fall nichts mit der Ernährung zu tun. Der Begriff kommt von dem lateinischen Wort für Tag: „dies“. Ursprünglich ­waren die Diäten „Tagegelder“, die Abgeordnete für die Zeit erhielten, in der sie im Parlament arbeiteten. Das waren früher nur wenige Tage im Jahr, Parlamente kamen selten zusammen. Inzwischen ist aus dem „Nebenjob Abgeordneter“ ein Vollzeitberuf geworden; ­Par­lamentarier ist man an 365 Tagen im Jahr. Aus den Tagegeldern wurde ein richtiges Einkommen. Trotzdem spricht man immer noch von Diäten oder auch von „Entschädigung“.

Experten-Talk Was sind Diäten? Abgeordnete bekommen für ihre Arbeit so etwas wie ein Gehalt. Und das nennt man Diäten. Hm!? Über Diäten, finden wir von ­Mitmischen, lässt es sich am besten bei einem Essen reden. Also ab ins Restaurant im Paul-Löbe-Haus. Hier treffen wir uns mit dem Politikexperten Stefan Marschall und fragen einfach nach: Sagen Sie mal, Herr Marschall, was hat es eigentlich mit den ­Abgeordneten und ihren Diäten auf sich? 14

Stefan Marschall ­(Jahrgang 1968) ist ­Politikwissenschaftler und ­beschäftigt sich seit Jahren wissenschaftlich mit Parlamenten. Er ist Professor an der Heinrich-Heine-Uni­ versität in Düsseldorf. ­Jedes Sommersemester erklärt er Studierenden, wie Politik in Deutschland funktioniert. Das ist der Schwerpunkt seiner Professur, und hierzu hat er auch ein Buch geschrieben.

Das Besondere ist, dass die Mitglieder des Bundestages über die Höhe der Diäten selbst und öffentlich entscheiden müssen. Selbst entschei­ den, wie viel man verdient! Hört sich gut an? Vielleicht. Es hat aber dazu geführt, dass die Abgeordneten die Diäten jahrelang nicht erhöht haben. Denn jede Erhöhung führte zu großen Diskussionen. Ab 2014 wurden deshalb die Diäten für die aktuelle Wahlperiode an die allge­ meine Gehaltsentwicklung angepasst. Das Grundgesetz fordert eine „angemessene“ Entschädigung. Zurzeit liegt die Höhe der Diäten bei rund 9.300 Euro im Monat. Das ist ver­ gleichbar mit dem Gehalt für andere staatliche Berufe mit großer ­Verantwortung. Zu den Diäten bekommen die Abgeordneten übrigens eine steuerfreie Kostenpauschale von rund 4.300 Euro monatlich und eine sogenannte Amtsausstattung, damit sie ihr Mandat gut ausüben können.

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Mehr Infos zu diesem Thema findest du auf mitmischen.de > Verstehen > Wissen > Die Abgeordneten

❚ Tim ❚ ist

Tim Ostermann (CDU/CSU) Reden schwingen und sonst nichts machen − das wäre einfach. Aber der parlamentarische Alltag hat damit nichts zu tun. Wenn es hochkommt, nehmen Reden bei Tim Ostermann drei bis fünf Prozent seiner Arbeit ein. Dafür findet ganz viel im Büro und in Sitzungssälen statt, denn Tim Ostermann ist Mitglied im Innenausschuss. Die Digitalisierung in seinem Büro ist weit fortgeschritten, und er setzt auf dem Schreibtisch auf Struktur: hier die Zeitungen, dort das Foto der Familie und natürlich all das, was aktuell bearbeitet werden muss. Aktentürme gibt es bei ihm nicht, die arbeitet er schnell ab − spätestens, wenn es am Freitag wieder in den Wahlkreis geht, ist der Schreibtisch frei. Das Härteste am Job ist für ihn die Trennung von der Familie. Zum Glück gibt es Telefon und FaceTime. 

Bei der ganzen Arbeit, die auf meinem Schreibtisch landet, muss ich die Schreibtischplatte immer noch irgendwie sehen können. Sonst erschlägt mich das.

Ostermann (J

verheiratet un

Susanna Karawanskij (Die Linke)

ahrgang 1979

)

d hat zwei K inder Jura und ist Rechtsanwal t ❚ ist seit 19 95 Mitglied de r CDU ❚ sitzt seit 2013 im Bun destag ❚ ist Mitglie d des Innena usschusses un Berichterstat d ter der CDU /CSU-Fraktio unter andere n m für Digital isierung der Verwaltung, Grundsatzan gelegenheite der IT, IT-Str n ategie und N etzpolitik ❚ Themen: Innere Siche rheit, Migrati Digitale Ver on, waltung ❚ studierte

Das Persönlichste und Bedeutendste, das ich jemals auf meinem Schreibtisch hatte, waren die Glückwunschkarten zur Geburt meiner Tochter.

Porträt Schreibtischtypologie Plenardebatten, Ausschussarbeit, Fraktionssitzungen … Die Abgeordneten des Bundestages haben alle Hände voll zu tun. Wie aber bereiten sie all die Sitzungen und Anhörungen vor? Wo genau arbeiten sie, wenn sie nicht im Plenum oder in einem Ausschusssaal sind? Wir haben für euch die Schreibtische von vier Bundestagsabgeordneten unter die Lupe genommen und uns angesehen, wo und wie sie arbeiten. Dabei sind wir auf ganz verschiedene Methoden gestoßen − von digitaler Ordnung bis zum strukturierten Chaos. 16

ang 1980) anskij (Jahrg aw ar K na ❚ Susan t ein Kind ratet und ha ❚ ist verhei ten und ist ikwissenschaf it ol P e rt ie ❚ stud iterin tliche Mitarbe wissenschaf r Linken 08 Mitglied de ❚ ist seit 20 destag 2013 im Bun ❚ sitzt seit erin Geschäftsführ mentarische ❚ ist Parla Die Linke der Fraktion chusses und s Finanzauss de d ie gl it M ❚ ist munales, in sschusses Kom au er nt U s de Obfrau ist dem sie auch schutz, , Verbraucher en nz na Fi : ❚ Themen d Ostdeutschlan

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Auf diesem Schreibtisch herrscht strukturiertes Chaos: Broschüren, Fachzeitschriften und Handbücher bilden einen bunten Kontrast zu den Fraktionsunterlagen und Bundestagsdrucksachen, die auf Susanna Karawanskijs Tisch liegen. Die Finanzpolitikerin baut da auf die ordnende Hand ihrer Büroleiterin, die ihr die Arbeit in unterschied­liche Stapel auf dem Schreibtisch vor­sortiert. Die arbeitet Susanna Karawanksij dann der Dringlichkeit nach ab – eine Handvoll Gummi­ bärchen als Nervennahrung darf da nicht fehlen. Und wenn sie dann am Freitag aus der Hauptstadt wieder in den Wahl­kreis fährt, ist bis auf einen kleinen Stapel nicht ganz so dringender Sachen meist alles erledigt.

Da wir vieles auf digitalem Weg machen, habe ich meist keine ­riesigen Papierstapel auf dem Tisch. Wenn es mal sehr stressig ist, kann es aber schon sein, dass mein ­ Schreib­tisch voll Papier ist.

Dennis Rohde (SPD) Einen Teil der Arbeit erledigt Dennis Rohde schon auf der Anreise aus seinem Wahlkreis nach Berlin. Während der Zugfahrt schafft er sich mit Tablet und Unterlagen­­ mappen einen mobilen Schreibtisch und bereitet die Sitzungswoche vor. Im Berliner Büro wartet dann ein perfekt vorbereiteter Arbeitsplatz auf ihn. Sein Team sortiert die Dokumente nach Dringlichkeit: hier die Mappe mit Unterlagen für die öffent­ liche Anhörung, die gleich beginnt, dort nach Themen und Terminen sortiert weitere Dokumente. Unverzichtbare Begleiter für die Arbeit des Haushalts­ politikers sind die dicken Bücher mit Gesetzestexten, darunter auch das Bundeshaushaltsgesetz. Wichtigster Gegenstand auf seinem Schreibtisch aber ist das ­Tablet, auch um möglichst viel Papier einzusparen.

❚ Luise

rgang 1984) d hat ein Kin d ❚ studierte Islamwissens chaften und ist Islamwisse nschaftlerin ❚ war Vorsi tzende des A llgemeinen Studierende nausschusses (AStA) der U ni Kiel ❚ ist seit 20 05 Mitglied vo n Bündnis 90  / D ie Grünen ❚ war von 2009 bis 2012 Abgeordnete ­Schleswig-H de s olsteinischen Landtags ❚ sitzt seit 2013 im Bun destag ❚ ist Mitglie d des Innena usschusses un des Petitions d ausschusses ❚ ist flücht lingspolitisch e Sprecherin Bündnis 90 / D der Fraktion ie Grünen ❚ vertritt di e Fraktion im Europarat in Straßburg ❚ Themen: Flüchtlingsp ol itik, Asylpol Menschenrec itik, hte ❚ ist

Luise Amtsberg (Bündnis 90 / Die Grünen) Die Erdmännchen auf dem Mauspad vom WWF blicken aufmerksam in die Runde: Laptop, Dokumentenmappen, Telefon – viel mehr findet sich auf diesem Schreibtisch auf den ersten Blick nicht. Denn Luise Amtsberg braucht die reduzierte Ordnung auf dem Schreibtisch als Gegenpol für das kreative Chaos im Kopf. Täglich landen aktuelle Informationen zu bundespolitischen Themen und zu Angelegenheiten aus dem Wahlkreis auf ihrem Schreibtisch. Außerdem gestaltet die grüne Politikerin ihren Büroalltag der Umwelt zuliebe weitestgehend digital. Beim Fotografieren setzt sie dagegen offenbar auf analog. Und wer genau hinschaut, entdeckt noch einen kleinen Frosch auf ihrem Schreibtisch − ein Geschenk einer früheren Mitarbeiterin und Andenken an ihre politischen Anfänge in Schleswig-Holstein.

is Rohd

e (Jahr gang 19 86) währen d seiner Stadtsc Schulz hülersp eit recher ❚ stud ierte Ju ra und ist Rech ❚ ist se tsanwa it 2002 lt Mitglie d der S ❚ sitzt PD seit 201 3 im Bu ndestag ❚ ist M itglied d es Hau und de shaltsa s Rechn uss­ chu ungspr sses üfungs ❚ Them aussch en: Fin u sses a n zen, Mie Verbra uchersc te, hutz

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verheiratet un

Seit ich Abgeordnete bin, bin ich ein unglaublich ordentlicher Mensch geworden.

❚ Denn

❚ war

Amtsberg (Jah

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Krieg und Frieden, arm und »reich, soziale Gerechtigkeit – das waren schon immer die ­Themen, die mich interessiert ­haben.

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muss Ideen haben »Man und ­etwas verändern wollen. Nur ­diskutieren hilft nicht.«

Eva Bulling-Schröter, Die Linke, von 1994 bis 2002 und seit 2005 im Bundestag

Wolfgang Stefinger, CDU/CSU, seit 2013 im Bundestag

Mitmischen: Herr Stefinger, in dieser Gesprächsrunde sind Sie der jüngste Teilnehmer. Wie muss man Ihrer Meinung nach gestrickt sein, um in die Politik zu gehen? Stefinger: Man muss Ideen haben und etwas verändern wollen. Bei mir kam das Engagement durch die Pfarrjugend. Wir haben immer wieder diskutiert, was im Stadtviertel fehlt und was wir an Jugend- und Freizeiteinrichtungen bräuchten. Aber nur diskutieren hilft nicht. Mitmischen: Frau Bulling-­ Schröter, Herr Bartol, die Frage an Sie als erfahrene Parlamen­ tarier: Welche Eigenschaften sollte man als junger Mensch mitbringen, wenn man sich für die Politik ­entscheidet?

Gründe, in die ­ »Die Politik zu gehen, ändern sich nicht: Man entdeckt ­Missstände, die man ­verändern möchte. Sören Bartol, SPD, seit 2002 im Bundestag

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Mitmischen fragt nach Wie wird man eigentlich Politiker? Mit jeder Bundestagswahl findet sich das Parlament neu. Manche Abgeordnete sitzen schon seit vielen Jahren im Bundestag, andere sind zum ersten Mal dabei. Von den 630 Abgeordneten sind 229 „Parlamentsneulinge“ – so viele wie selten zuvor. Wie aber wird man Politiker? Was können erfahrene Parlamentarier von ­jungen Abgeordneten (und umgekehrt) lernen? Mitmischen-Moderator Andreas Korn diskutiert mit den „alten Hasen“ Sören Bartol (SPD) und Eva Bulling-Schröter (Die Linke) und den „Youngstern“ Wolfgang Stefinger (CDU/CSU) und Franziska Brantner (Bündnis 90 / Die Grünen) darüber und über andere spannende Dinge. 20

über dein Leben, bringe dich ein, »Bestimme sonst entscheiden andere über dich.« Franziska Brantner, Bündnis 90 / Die Grünen, seit 2013 im Bundestag

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Bulling-Schröter: Zuerst einmal sollte man begeisterungsfähig sein und Ausdauer haben. Und man muss stressfähig sein. Bartol: Ich glaube, man muss sich immer wieder neu motivieren, Dinge verändern zu wollen. Und man muss sich immer wieder ein Stück neu erfinden. Wenn man merkt, dass man in dem Hamsterrad ist und eigentlich nur noch das macht, was man immer gemacht hat, sollte man aufhören. Mitmischen: Frau Brantner, Sie sind zum ersten Mal Abgeordnete im Bundestag. Wie sehen Sie das? Brantner: Man sollte Spaß am Über­zeugen und Überzeugt-­ Werden ­haben. Man muss gutes Durch­setzungsvermögen und Stress­resistenz haben und gern mit Menschen reden. Mitmischen: Sie alle haben sich schon sehr früh für eine Partei entschieden. Wie findet man als junger Mensch seine politische Heimat? Woher wussten Sie, wo Sie hin­gehören? Bartol: Meine Mutter war eine sehr aktive Sozialdemokratin. Ich bin also mit Politik aufgewachsen. Irgendwann wollte ich mich dann selbst engagieren. Mit 14 war ich das erste Mal politisch aktiv; damals gab es auch Probleme im Jugendbereich, und irgendwann habe ich festgestellt, dass die SPD die Partei ist, der ich am nächsten stehe. Und so bin ich in die SPD eingetreten. Das ging allerdings nicht von heute auf morgen, sondern das war ein längerer Prozess.

Mitmischen: Herr Stefinger, wie haben Sie Ihre Partei gefunden? Stefinger: Bei mir war das auch eine Sozialisation durch das Elternhaus. Allerdings waren meine Eltern nicht in der Partei, sondern im vorpolitischen Raum aktiv: Pfarrei, Pfarrgemeinderat, Sportverein, Schützenverein, Theaterkreis, Feuerwehr … So bin ich ins Ehrenamt reingewachsen. Das ist bei uns in der Familie schon immer so gewesen. Auch meine Großeltern waren in verschiedenen Institutionen aktiv. Mitmischen: Frau Bulling-­ Schröter, wie war das bei Ihnen? Bulling-Schröter: Ich bin als Jugendliche politisiert worden. Ein Grund für mich, links zu werden, war, dass ich Franz Josef Strauß auf einer Kundgebung gesehen habe. Er sagte über Menschen, die gegen ihn demonstrierten: „Diese Leute müssen weg!“ Da war mir klar: Dem, der andere Meinungen nicht gelten ließ, etwas entgegenzusetzen, etwas zu verändern an dieser Arroganz der Macht, das ist die richtige Einstellung. Und natürlich gab es damals auch konkrete Fragen; es gab wenige Lehrstellen, die Frage von arm und reich, der Putsch in Chile … Mitmischen: Frau Brantner, wie haben Sie Ihre politische Heimat gefunden? Brantner: Ich war damals aktiv vor Ort, für ein autonomes Jugendkulturzentrum, für einen Jugendgemeinderat; damals waren auch Vertreter von fast allen Jugendorganisationen der Parteien mit dabei. Man merkt schnell, mit wem man gut Dinge voranbringen kann, die einem wichtig sind. Irgendwann geht man dann zu Treffen der unterschiedlichen Organisa­ tionen und bleibt dort hängen, wo man sich inhaltlich und persönlich am wohlsten fühlt. Mitmischen: Gibt es heute andere Gründe als früher, in die Politik zu gehen, oder sind die Gründe nach wie vor die gleichen?

Bartol: Ich glaube, die Gründe, sich politisch zu engagieren, ­ändern sich nicht. Man entdeckt Missstände, die man verändern möchte. Das kann man im Verein und im ehrenamtlichen Engagement genauso wie in den Parteien. Parteien sind eine ganz wichtige Institution. Leider ist die Bindungswirkung etwas verlorengegangen. Viele, gerade auch junge Leute engagieren sich mit ganz viel Herzblut und voller Kraft für ein Projekt. Das ist toll. Aber die Idee, langfristig in einer Institution zu bleiben, geht verloren. Da würde ich mir manchmal etwas mehr Durchhaltewillen wünschen – auch wenn es mal nicht so gut läuft. Mitmischen: Gehen wir noch mal zurück zu den Anfängen. Was war Ihr erster Kontakt zur Politik? Bartol: Das war die Arbeit im Bereich von Schulpolitik, also Schülervertretung und so. Ich glaube, die meisten Menschen machen ihre ersten Erfahrungen im Bereich der Kommunalpolitik. Also da, wo man Politik direkt erlebt. Da, wo das Freibad geschlossen werden soll oder der Jugendclub in einem miesen Zustand ist. Oder wo vielleicht Flüchtlinge aufgenommen werden, wo man helfen, sich engagieren will.

Mitmischen: Frau Brantner, an welchem Punkt haben Sie ge­ dacht: „Das will ich zu meinem Beruf machen.“? Brantner: Eine Zeit lang habe ich mich bei der Grünen Jugend engagiert, im Landesvorstand und im Bundesvorstand. Danach habe ich Abi gemacht und bin zum Studium ins Ausland gegangen, wo ich

Im Paul-Löbe-Haus diskutierten die Abgeordneten mit Moderator Andreas Korn über ihre Arbeit im Bundestag und im W ­ ahlkreis.

dann auch gearbeitet habe. Das „Nein“ beim Referendum gegen die EU-Verfassung in Frankreich 2005 hat mich wachgerüttelt. Wenn wir nichts tun, zerbricht Europa. Das war der Punkt, wieder selbst aktiv Parteipolitik zu machen. Ich habe aber immer politische Arbeit gemacht, viel Frauenrechtsarbeit, viel Friedensarbeit ... Das war zwar politiknah, aber nicht im Parlament. Schließlich wollte ich selbst aktiv Politik im Parlament mitgestalten. Mitmischen: Herr Stefinger, wie kamen Sie von der Pfarrjugend in die Politik? Stefinger: Ich bin in einem Stadtrandbezirk von München aufgewachsen, der häufig von der Stadt 22

vergessen wurde, was Einrichtungen oder Busverbindungen angeht. Da haben wir sehr oft in der Pfarrjugend diskutiert, was wir bräuchten. Und irgendwann habe ich gesagt, wir müssen raus aus dem Hinterzimmer; wir müssen uns mal die Parteien anschauen und mit denen Kontakt aufnehmen. In der CSU habe ich ziemlich schnell Ansprechpartner gefunden. Und es war relativ klar für mich, dass das meine Partei ist. Mitmischen: Frau BullingSchröter, wie waren Ihre ersten Kontakte? Bulling-Schröter: Ich bin mit 16 oder 17 in die Sozialistische Deutsche Arbeiterjugend (SDAJ) ein­getreten. Eigentlich kam das über die Schule. Ich musste ein Referat über Planwirtschaft halten und hatte damals wenig Ahnung, aber die Enkelin eines bekannten Linken aus der Region sagte, ihr Opa würde mir helfen. Und so bin ich zur SDAJ gekommenn, die mir sympathisch war. Denn hier ging es vor allem um Krieg und Frieden, um soziale Gerechtigkeit und um arm und reich – Themen, die mich immer schon sehr inte­ ressiert ­haben. Mitmischen: Aber wollten Sie auch konkret etwas verändern? Bulling-Schröter: Ja, natürlich! Gleiche Chancen in der Ausbildung, mehr Demokratie und Mitbestimmung. Auch damals schon. Wir wollten Sozialismus und eine Aufarbeitung der Nazi-Zeit. Ich habe dann in der Gewerkschaft mitgearbeitet, bin später Betriebsrätin geworden, habe mich ganz konkret für eine Angleichung der Löhne für Frauen eingesetzt. Ich war bei Demos gegen Krieg, Aufrüstung und atomare Abschreckung dabei und bin parteipolitisch aktiv geworden. 1994 war ich dann Spitzenkandidatin der PDS in Bayern. Und am Wahl­ abend habe ich überraschend erfahren: Jetzt bin ich im Bundestag. 23

Auf einmal war ich Chefin, hatte mehrere Wahlkreisbüros, musste Personal einstellen … Wenn man vorher Betriebsrätin war, ist das alles nicht so einfach. Mitmischen: Herr Stefinger, wie war die erste Zeit für Sie im Bundestag? Stefinger: Wenn man neu in den Bundestag kommt, braucht man schon das erste Jahr, um sich zurechtzufinden und zu verstehen, wie das Parlament arbeitet. Mitmischen: Dafür braucht man ein Jahr? Bulling-Schröter: Mindestens! Stefinger: Allein, bis man die Räume findet, weiß, wie das alles abläuft … Bei der CSU wurden wir von Abgeordneten als Paten begleitet. Ich hatte das Glück, dass ich von den vier Münchner CSU-Abgeordneten der einzige Neue war. So hatte ich praktisch drei, die mich begleitet haben. Mitmischen: 22 Sitzungswochen im Jahr sind Sie in Berlin, den Rest des Jahres im Wahlkreis. Wie unterscheidet sich die Arbeit im Bundestag von der im Wahl­ kreis? Bartol: Die Arbeit in Berlin unterscheidet sich ganz klar von der Arbeit im Wahlkreis, wo wir auch gewählt worden sind. Natürlich versucht man dort, an vielen Stellen auch Dinge voranzubringen, die mit der Bundesebene zusammenhängen – vom Denkmalschutz bis hin zu Straßenprojekten, Infrastrukturprojekten und sozialen Dingen. Wir alle bieten Sprechstunden an, in denen Menschen mit ganz unterschiedlichen Pro­ blemen zu uns ins Büro kommen. Ich habe außerdem eine WhatsApp-Sprechstunde.

immer mit dem Kopf »Nicht durch die Wand, ein bisschen Druck rausnehmen – damit kommt man besser ans Ziel.

Neue Abgeordnete »bringen neue Ideen, aber auch eine frischere ­Herangehensweise an die Dinge.

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Eva Bulling-Schröter

kann Sachen »Maninfrage stellen, aber man muss auch bestehende Prozesse akzeptieren.

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Sören Bartol

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Wolfgang Stefinger

Brantner: Der große Unterschied ist: In Berlin hat man seine The­ mengebiete, und zu Hause im Wahlkreis ist man für alle Themen Bartol: Viele Leute haben ja ganz oft große Probleme. Die kommen Ansprechpartner – vom Teilhabedann ins Büro. Das ist eine offene gesetz über den Bundesverkehrswegeplan bis zu Energie. Im Wahl- Sprechstunde, in die jeder komkreis hat man ganz bunte Termine. men kann. Sehr oft habe ich mit Menschen zu tun, die total inte­ Ich gehe viel in Schulen, mache griert sind und plötzlich vor der Vorlesetage in der Kita, und natürAbschiebung stehen. Da versucht lich habe ich mich in den letzten man zu helfen und Lösungen zu eineinhalb Jahren um viele indivi­ duelle Fälle von Menschen auf der finden. Flucht gekümmert. Außerdem biete Mitmischen: Frau Bulling-­ ich einen Mix aus normalen Bürger­ Schröter ist schon seit fünf Wahl­ perioden im Bundestag. Und Herr sprechstunden und per Skype an. Das finde ich wichtig, weil man ein Bartol hat bereits Opposition und Regierung mitgemacht. Was kön­ ganz anderes Publikum erreicht. nen Sie beide, Frau Brantner und Bulling-Schröter: Mich schreiben Herr Stefinger, die erst seit 2013 ganz viele auch über Facebook an. im Bundestag sind, von den Und manches kann man telefonisch klären. Wenn man aber noch „alten Hasen“ lernen? Stefinger: Erfahrene Kollegen haUnterlagen braucht, dann komben mir in den letzten drei Jahren men die Menschen in die Bürgerimmer wieder gesagt: „Nimm da sprechstunde. mal ein bisschen Druck raus, verBrantner: Was ich übrigens versuch mal, das anders zu machen. mehrt bekomme, sind Anfragen Dann kommst du schneller oder von Schülern, die ein Referat mabesser ans Ziel, als wenn du mit chen müssen … dem Kopf durch die Wand gehst.“ Mitmischen: Und dann sollen Sie Für solche Hinweise bin ich dankdas Referat schreiben? bar. Ein Abgeordneter, der schon Brantner: Ja … (lacht). Nein, länger dabei ist, hat hier in Berlin ­wirklich, ich bekomme Anfragen „Frau Brantner, wie geht das denn?“ einen viel größeren Bekanntenkreis. Mir haben erfahrene KolleDann sage ich: „Komm, machen wir eine Viertelstunde per Skype.“ gen am Anfang sehr geholfen, ­indem sie hier und dort einen Und dann sind die total happy. Kontakt vermittelt haben. Das finde ich auch völlig okay, Brantner: Ich finde die Übersetwenn Schüler sagen: „Ich würde zungsarbeit wichtig, die wir leisten gern wissen, wie meine Abgeordmüssen. Die Reform von Hartz-­IV-­ nete das hier sieht.“ 24

lernen, »Man muss wie man die ­Menschen erreicht.« Franziska Brantner

Das ganze Interview sowie ­Informationen über die Ab­geordneten und die Themen, die hier besprochen wurden, findest du auf mitmischen.de > Verstehen > Wissen > Die Abgeordneten

Gesetzen zum Beispiel ist nicht einfach. Ist es verständlich, von „Mehrbedarf“ oder „Umgangs­ mehrbedarf“ zu sprechen? Das muss man lernen: Erreichen wir die Leute überhaupt noch? Wo­ rum geht es da? Sind wir verständlich? Ich weiß auch nicht, ob die „Alten“ alle Patentrezepte haben. Aber sie haben auf alle Fälle ein paar mehr Jahre Erfahrung und Übung. Mitmischen: Jetzt mal andersrum gefragt: Was bringt Ihnen der Austausch mit „Youngstern“, die plötzlich im Bundestag sitzen? Sie, Frau Bulling-Schröter, sind von allen hier am längsten dabei. Wie profitieren Sie von den „Parlamentsneulingen“. Bulling-Schröter: Vor allem bringen neue Abgeordnete viele neue Ideen, was zum Beispiel Neue Medien betrifft. Was man da alles machen kann: Facebook, Twitter und solche Dinge. Aber auch eine andere Herangehensweise: manchmal einfach frischer, jünger. Wie stelle ich freche Fragen – das gefällt mir persönlich sehr gut. Bartol: Es ist unglaublich wichtig, dass immer wieder neue Leute mit neuen, frischen Ideen ins Parlament kommen. Wir haben nach der letzten Wahl in der SPD-Bundestagsfraktion 87 neue Kolleginnen und Kollegen bekommen, die alle mit viel Kraft hierhergekommen sind und ganz viele Prozesse infrage stellen, was wir so abbuchen unter „Haben wir schon immer so gemacht“. Auf der anderen Seite müssen die, die schon länger dabei sind, natürlich dafür sorgen, dass auch weiterhin alles läuft. 25

Man darf Sachen infrage stellen, aber man muss auch dazu beitragen, dass diese Prozesse als etwas Positives gesehen werden. Ich glaube, die nächste Bundestagswahl wird einen großen Umbruch bringen; sehr viele altgediente Parlamentarier hören auf, die teilweise länger im Parlament sitzen, als ich alt bin. Und da werden natürlich die „Alten“ gefordert sein, diese vielen frischen, mit neuen Ideen kommenden Abgeordneten in die Fraktion zu integrieren, weiterzumachen und sich neu zu erfinden. Mitmischen: Vielen Dank für das Gespräch. Das Gespräch führte Andreas Korn für Mitmischen.

Mandat: Auftrag des Volkes Ein Mandat ist ein Auftrag, jemanden zu vertreten. Die Bundestagsabgeord­ neten haben das Mandat, die Interessen des deutschen Volkes zu vertreten. Die Abgeordneten sind in der Ausübung ihres Mandats frei. Das heißt, dass sie nicht an Weisungen – weder von einer Partei noch von anderen Organisati­ onen – gebunden, sondern nur ihrem Gewissen unterworfen sind. In den Bundestagswahlen bekommen die Ab­ geordneten also nicht nur den Auftrag, sondern auch das Vertrauen der Bür­ ger, das Richtige zu tun.

Bundestagswahl: Wie kommt man rein? Alle vier Jahre können die Wähler Ab­ geordnete bestimmen, die einen Sitz im Bundestag bekommen. Mit der Wahl er­ halten die Abgeordneten von den Wäh­ lern den Auftrag, die Interessen der Menschen in Deutschland zu vertreten und für sie beispielsweise bei der Ge­ setzgebung zu entscheiden. Sobald ihr 18 seid, könnt ihr nicht nur bestimmen, wer im Bundestag sitzen darf, sondern auch selbst gewählt werden. Dafür müsst ihr aber genügend Wähler davon überzeugen, bei der Bundestagswahl für euch zu stimmen.

Gut verteilt: Gebäude des Bundestages Der Bundestag ist auf insgesamt 26 ­Gebäude in Berlin verteilt. Neben dem Reichstagsgebäude schließt das viele weitere Bauten im Parlaments­ viertel ein, in denen ­beispielsweise Ausschüsse tagen und die Abgeordne­ ten ihre ­Büros haben. Dazu gehören das Paul-Löbe-Haus, das Marie-ElisabethLüders-Haus und das Jakob-KaiserHaus. Sie sind teilweise durch Brücken und ­unterirdisch durch ein Tunnel­ system verbunden.

Petition: Darf ich hier mitreden? Eine Petition ist eine schriftliche Bitte oder Beschwerde, die nach dem Grund­ gesetz jeder – auch wenn man noch nicht volljährig ist – einreichen darf. Beim Bundestag könnt ihr per Brief oder online eine Petition einreichen. Jede Petition wird parlamentarisch ­beraten. Wenn ihr für eure Online-­ Petition innerhalb von vier ­Wochen 50.000 Unterstützer findet, habt ihr ­sogar die Chance, euer Anliegen per­ sönlich in einer öffentlichen ­Sitzung des Petitionsausschusses vorzutragen.

Parlamentsdeutsch Wichtige Vokabeln und Wissenswertes rund um den Bundestag Was genau ist eine Petition oder ein Mandat? Gibt es Wörter rund um den Bundestag, die ihr vielleicht aus den Medien kennt, aber nicht immer gleich versteht? Das ist kein Wunder! Bei so vielen besonderen Begriffen, die im Bundestag verwendet werden, kommt es einem fast vor, als habe das Parlament eine eigene Sprache. Die Profis nennen das „Parlamentsdeutsch“. Hier ein kleiner Spickzettel zu wichtigen Vokabeln und Fakten rund um den Bundestag. 26

Der Bundestag und seine Mannschaft Insgesamt gibt es im Bundestag etwa 7.000 Büroarbeitsplätze. Neben den 630 Abgeordneten schließt das deren Mit­arbeiter sowie die Mitarbeiter der Fraktionen und der Verwaltung des Bundestages mit ein. Zum körperlichen Ausgleich stellt der Bundestag als guter Arbeitgeber übrigens auch Sportan­ lagen zur Verfügung. Seit 1967 gibt es sogar den FC Bundestag, eine Fußball­ mannschaft, die aus Abgeordneten be­ steht und die gegen Teams anderer Par­ lamente, andere Hobbymannschaften und zu Benefizzwecken antritt.

Mehr Infos gibt es im Lexikon auf mitmischen.de > Verstehen > Lexikon

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Vor Ort erfahren, was die Menschen bewegt Bunt, grün und vielseitig – so beschreibt Sarah Ryglewski ihren Wahlkreis. Die 33-jährige SPDPolitikerin ist Abgeordnete des Wahlkreises Bremen I. Die einzelnen Stadtteile könnten unterschiedlicher kaum sein: Während in einem Stadtteil Mühlen und Bauernhöfe stehen, sieht man im anderen vor allem moderne Hochhäuser. Was die Stadtteile eint, sind die engagierten Menschen: „Viele Leute sind sehr aktiv und setzen sich für Spielplätze und Freizeitangebote in ihren Wohn­ gebieten ein“, sagt Ryglewski. Besonders freut es die Abgeordnete, wenn junge Menschen ihre Wünsche umsetzen. „Im Stadtteil HornLehe haben Schüler das Musik­ festival ‚Horn to be wild‘ auf die Beine gestellt“, erzählt Ryglewski. Aus dem Festival-Verein hat sich sogar ein Jugendbeirat gebildet, in dem die Jugendlichen ihre Forderungen an die Politik formulieren. In ihrem Wahlkreis schaut ­Ryglewski, ob die im Bundestag beschlossenen Gesetze in der Praxis taugen. „Nur vor Ort erfahre ich, was die Menschen bewegt und wo der Schuh drückt“, sagt die junge Abgeordnete.

links: Sarah Ryglewski (SPD) spricht mit Schülern des HermannBöse-Gymnasiums in Bremen über TIPP, Brexit und Flüchtlinge.

Dieser Abgeordnete

Im Einsatz für die Menschen vor Ort So arbeiten Abgeordnete in ihren Wahlkreisen In Berlin findet der Großteil der parlamentarischen Arbeit statt; hier werden die Gesetze gemacht. Außerhalb der rund 22 Sitzungswochen in der Hauptstadt kümmern sich die Parlamentarier auch direkt um die Region, aus der sie kommen und in der sie für die Bundestagswahl angetreten sind. Egal, ob cooles Großstadt-Viertel oder bodenständiger Bauernhof: Für ihren Wahlkreis brennen alle Bundestags­abgeordneten. Vier junge Volksvertreter erzählen, was sie an ihrer ­Region am meisten mögen, wo es Probleme gibt – und wie sie mit den Menschen vor Ort in Kontakt treten. 28

kommt zu euch nach Hause Nur eineinhalb Stunden Autofahrt von Sarah Ryglewskis Wahlkreis entfernt liegt Hannover – niedersächsische Landeshauptstadt und Wahlkreis von Sven-Christian Kindler. Der 31-jährige Abgeordnete der Fraktion Bündnis 90 /­ Die Grünen ist in Hannover ge­ boren und aufgewachsen. Er ist stolz darauf, aus der „grünsten“ Stadt Deutschlands zu kommen. Mit Eilenriede hat Hannover sogar den größten Stadtwald Europas. Am liebsten mag Kindler den Stadtteil Linden, in dem er auch lebt.

unten: Sven-Christian Kindler (Bündnis 90/ Die Grünen) bringt zum Kaffeeklatsch mit Menschen aus dem Wahlkreis den Kuchen mit.

Doch nicht überall läuft es rund in Hannover: „Die Luft ist von den vielen Autoabgasen verschmutzt, und bezahlbare Wohnungen und Kitaplätze fehlen vielerorts“, sagt Kindler. Außerdem gebe es in Hannover oftmals zu wenig Geld für Sprachkurse und andere Maßnahmen, um ausländische Mitmenschen besser am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu lassen. Um mit den Menschen in seinem Wahlkreis ins Gespräch zu kommen, hat sich Kindler etwas ganz Besonderes ausgedacht: Bei seinem Angebot „Kaffeeklatsch mit Kindler“ können Hannoveraner den Abgeordneten für Diskussionen ins eigene Wohnzimmer einladen. Den Kuchen bringt 29

Kindler mit. „Dann reden wir über Gott, den Kapitalismus, die Welt und was sonst noch anfällt“, sagt Kindler.

Gegen Rechtsradikale auf die Straße gehen Den Wahlkreis von Norbert Müller muss man sich erstmal merken können. Er heißt Potsdam, Potsdam-Mittelmark II und TeltowFläming II und liegt in Brandenburg. Der Bundestag in Berlin ist von dort nur einen Katzensprung entfernt. Am meisten genießt der Linken-Politiker die weitläufige Natur und Ruhe in seinem auch

unten links: Ronja Kemmer (CDU/CSU) spricht mit der Ulmer Medizinerin Miriam Kalbitz über den neusten Stand der Traumaforschung.

unten: Norbert Müller (Die Linke) informiert die Menschen in seinem Wahlkreis auch direkt auf der Straße über seine Arbeit.

ländlich geprägten Wahlkreis. Doch auch in Müllers Wahlkreis ziehen immer mehr Menschen. „Die Politik stellt das vor viele Herausforde­ rungen“, sagt der 30-Jährige. Zum Beispiel haben viele Auszubildende und Studierende Schwierigkei­ ten, eine Wohnung zu finden. In seinem Wahlkreis setzt sich Müller außerdem dafür ein, dass die Bundeswehr einen ihrer Übungsplätze schließt. Das Gelände soll dann in ein angrenzendes Naturschutzgebiet integriert werden. Bei seinem vollen Terminkalender muss Müller – wie viele Abgeordnete – Prioritäten setzen: „Zu reinen Presseterminen wie Grundsteinlegungen von neuen Gebäuden gehe ich meistens nicht“, sagt der Abgeordnete. An Gedenkveranstaltungen für die Opfer des Na­tionalsozialismus nimmt Müller dagegen so oft wie möglich teil. Es ist ihm sehr wichtig, an die Verbrechen des Faschismus zu ­erinnern: „Dazu gehört auch, dass ich auf der Straße stehe und demonstriere, wenn Rechtsradi­ kale aufmarschieren“, sagt der Brandenburger.

Alles gelesen? Dann kennst du dich jetzt aus in Sachen Bundestag und Abgeordnete. Teste dein ­Wissen im Mitmischen-Quiz. Beantworte alle Fragen, und finde das passende Lösungs­ wort. Schicke eine E-Mail mit der richtigen ­Antwort, deinem Namen und deiner Adresse* an [email protected], und mit etwas Glück gewinnst du eine von 25 coolen ­Sporttaschen.

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Achtung: Teilnahmeschluss ist der 30. September 2017.

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vertreterin auch gut ausgebaute Straßen und Verkehrswege. Berufe reinschnuppern „Und wir leben im Jahr 2017. Da braucht es überall eine vernünftige Anbindung ans InterRonja Kemmer ist das jüngste net!“, fordert sie. ­Mitglied des Bundestages. Die Besonders spannend findet es CDU-Politikerin ist Abgeordnete der Stadt Ulm und des Alb-Donau- Kemmer, in fremde Berufe rein­ zuschnuppern. Sie begleitete Kreises in Baden-Württemberg. schon Polizisten und Trauma­ Kemmer zog erst vor zwei Jahren forscherinnen in ihrem Job, für einen verstorbenen CDU-Kolum deren Arbeitsbedingungen legen in den Bundestag ein. In ihkennenzu­lernen. Auf einem Bauren Wahlkreis ist sie dann auch sofort umgezogen. Ihre Topthemen ernhof durfte die Abgeordnete sogar Mähdrescher fah­ren. „Solfür die Region hat Kemmer fest che Geräte sind aber für größere im Blick: „Ich setze mich für unMenschen ausgelegt. Zumindest sere Wirtschaftsbetriebe ein, denn hatte ich ganz schöne Schwierigdie sorgen für Arbeitsplätze und keiten, ans Gaspedal zu kommen“, den Wohlstand in der Region“, fügt Kemmer lächelnd hinzu. sagt sie. Wichtig sind der VolksBei der Arbeit in fremde

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Quiz

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1

4

6

U 598 A 630 O 755

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Abgeordnete arbeiten während der Sitzungs­ wochen in Berlin und die andere Zeit … W im Europaparlament P im Landtag A D S in ihrem Wahlkreis

Das Geld, das Abgeord­ nete für ihre Arbeit be­ kommen, nennt man … E Diäten

Lösung:

2

Wie viele Abgeordnete gibt es zurzeit im Deutschen Bundestag?

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?!

N L Low Carb F Kostgeld

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Wie viele Fraktionen sitzen im 18. Deutschen Bundestag? H 3 T 4 K 5

*Die Daten dienen ausschließlich zur Auslosung der Gewinner und der Übersendung der Preise. Anschließend werden die Daten gelöscht.

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Was gehört zu den Hauptaufgaben des Deutschen Bundestages? Z Parteien zu gründen und zu verbieten N Den Bundespräsiden­ ten zu wählen und zu kontrollieren E Gesetze zu beraten und zu verabschieden

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Wo machen die Abgeord­ neten die Hauptarbeit an den Gesetzen? T In den Ausschüssen G Im Plenarsaal M In den Fraktions­ sitzungen

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Welche Farbe haben die Stühle im Plenarsaal? R Schwarz V Rot B Blau

Du willst etwas bewegen? Du hast den Schulabschluss in der Tasche, aber du weißt noch nicht, in welche Richtung es ­beruflich gehen soll? Dann passt das freiwillige soziale Jahr (FSJ) perfekt zu dir. Es richtet sich an alle jungen Menschen zwischen 16 und 26 Jahren und bietet einen Weg, sich beruflich zu orientieren und dabei etwas für die Gemeinschaft zu tun. In die gleiche Richtung gehen auch das freiwillige ökologische Jahr (FÖJ) und der Bundesfrei­ willigendienst (BFD).

In Deutschland gibt es über 600.000 registrierte Vereine. Jedes Jahr kommen neue hinzu. Ob Sport­ verein, Freiwillige Feuerwehr oder Technisches Hilfswerk (THW) − gemeinsam haben viele Vereine, dass sie der Gemeinschaft dienen. Jugendliche sind laut Studien bereits jetzt die Gruppe, die sich am meisten engagiert. Beim THW und den Feuerwehren ist das Engagement übrigens besonders groß: Jedes siebte Mitglied ist jünger als 18 Jahre.

Für andere da zu sein spielt auch in der Kirche eine große Rolle. Die Kirche lebt vom Ehrenamt. Das kann die Arbeit in der Kirchengemeinde beim Gottesdienst oder bei anderen sozialen Projekten sein. Vielleicht hast du es selbst erlebt und wurdest bei der Konfirmation oder Kommunion von älteren Jugendlichen betreut? Andere engagieren sich in der Telefonseelsorge oder kümmern sich um Flüchtlinge. Hier findet sich für jeden eine Aufgabe.

Entweder hast du einen, du bist selbst einer oder die Erinnerungen an ihn sind noch frisch: Schülersprecher setzen sich für die Schüler ein, für ein gutes Schulklima und eine gute Lernatmosphäre. Das Engagement im Schüler­ parlament, als Schulsprecher oder ganz klassisch als Klas­ sensprecher ist von großer Bedeutung. Du bist Schüler mit ausgeprägtem Gerechtig­ keitssinn? Dann engagier dich für deine Klassenkameraden, und beweg etwas in deiner Schule! Wer sind die JuSos oder die Junge Union? Keine Ahnung? Es sind beides Jugendorgani­ sationen der großen Volksparteien SPD, CDU und CSU. Auch Die Linke, Bündnis 90 / Die Grünen und viele andere Parteien haben Jugendverbände. Ganz egal, welche politische Einstellung: Für jeden ist etwas dabei. Man arbeitet in Parteigre­ mien, lernt den politi­ schen Alltag kennen, bewegt etwas und ­gewinnt Freunde fürs Leben.

Jetzt kommst du! So kannst du aktiv in der Politik mitmischen Große Politik beginnt nicht im Plenarsaal des Bundestages. Im Gegenteil: Die Gemeinde um die Ecke, die Flüchtlingsunterkunft im Bezirk oder die lokale Jugendgruppe einer Partei − es gibt viele Möglichkeiten, wie du dich einbringen kannst. Um selbst aktiv zu werden, reichen wenige Stunden Zeit in der Woche aus. Frag doch mal im Sportverein oder in der Kirchengemeinde nach. Demokratie lebt vom sozialen Engagement, und Unterstützung wird immer gebraucht. 32

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Thorben (17) aus Hannover → „Als Jugendlicher will man ja immer cool sein und taffe Sachen machen. Aber man sollte auch wissen, wo Politik entsteht und wie sie gemacht wird. Deshalb finde ich es wirklich toll, dass wir mit der Schule hier sind und in den Plenarsaal schauen können.“

Zaroh (18), Timo (17), Jan (19) und Hung (20) aus Berlin Ein Selfie da, wo sonst die Abgeordneten beraten – das geht nur im Bundestag. „Wir haben schon Politik­ unterricht in der Schule“, sagt Jan. „Aber jetzt kann man auch mal in echt sehen, was die ­Politiker so machen.“ Und auch Zaroh findet: „Was hier so läuft, ist total spannend."

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Alisha (22) und Rinkle (20) aus Indien „Der Bundestag ist natürlich die erste Attrak­ tion, die wir uns in Berlin anschauen. Mir war gar nicht bewusst, was für eine bewegte Geschichte das Gebäude schon erlebt hat“, meint Rinkle. „Deutschland ist schließlich in der ganzen Welt bekannt für sein politisches System, deshalb wollten wir unbedingt hier hin“, sagt auch Alisha.

Amy (14) aus Berlin „Im Moment mache ich ein dreiwöchiges Schülerpraktikum bei einer Bundestagsfraktion. In der Parlamentsbibliothek bin ich heute zum ersten Mal. ­Besonders schön sind die Einrichtung und die Architektur des Marie-Elisabeth-Lüders-Hauses, in dem die Bibliothek ja ist“, meint Amy. Politik findet sie super spannend. „Es ist echt wichtig, dass sich Jugendliche mit Politik aus­einandersetzen und sich auch mal ansehen, wo ­Gesetze gemacht werden.“



Jule (19) aus Berlin → „Ich mache zurzeit ein Praktikum in einem Abgeordnetenbüro. Das Praktikum habe ich durch meine Schule bekommen. Es ist unglaublich aufregend hier“, erzählt Jule an ihrem ersten Arbeitstag mitten im Herz des deutschen Parlaments. „Auch mit meinen Freunden rede ich viel über Politik. Nur wenn man Bescheid weiß, kann man sich eine eigene Meinung bilden.“

In Szene gesetzt #Bundestags-Selfie #Berlin #Mitmischen Du brauchst ein cooles Profilbild für Snapchat, Twitter oder Insta? Dann raus mit dem Smartphone und ab in die Kuppel! Jeder, der will, kann in Berlin Teil der Demokratie sein: Rund 350 Tage im Jahr ist der Bundestag für alle Besucher geöffnet. Triff Abgeordnete aus deinem Wahlkreis, besuch die Kuppel, oder mach eine Führung auf der Besuchertribüne im Plenarsaal mit, und schau vielleicht sogar den Abgeordneten zu. Hier kannst du live erleben, was man sonst nur im Fernsehen sieht, und Fragen stellen, die dein Politiklehrer oder deine Eltern nicht beantworten können. 34

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Du willst noch mehr über den Bundestag wissen? Dann besuch uns auf mitmischen.de. Oder geh auf www.bundestag.de. Hier kannst du unter der Rubrik Service Infomaterial über die A ­ ufgaben und die Arbeit des Bundestages herunterladen oder bestellen. Außerdem findest du unter der Rubrik Besuch alles Wissenswerte über einen Besuch beim Parlament.

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