DENKMALPFLEGE Bauzustand des Meißner Doms um 1380 aus »Die Restaurierung des Doms zu Meißen 1990–2002« (IRB Verlag)

BAUPHYSIK und Denkmalpflege Dr.-Ing. Helmut Künzel, Valley

Teil 8.1 – Fachwerk, eine historische Baukonstruktion Fachwerkhäuser repräsentieren eine historische Bau- und Handwerkskunst und sind eine Zierde für alte Städte und Dörfer. Unsere heutigen Wohnbedürfnisse unterscheiden sich jedoch deutlich von den früheren, was beim Instandsetzen und Renovieren von Fachwerkhäusern zu bedenken und zu berücksichtigen ist.

Dr.-Ing. Helmut Künzel

1. Bau- und Wohnverhältnisse in der Vergangenheit (speziell Fachwerkbau) Die verwendeten Baustoffe im Fachwerkbau richteten sich nach den früheren Anforderungen und Möglichkeiten sowie den damaligen Wohnbedürfnissen. Bauliche Veränderungen und Instantsetzungen sind erforderlich, wenn man einen den heutigen Verhältnissen angepassten Wohnkomfort anstrebt.

1.1 Früheres Bauen Hauptgesichtspunkt beim früheren Bauen bis etwa Ende des 19. Jahrhunderts

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war die Standsicherheit. Bei mehrgeschossigen Häusern war die Wanddicke von der Stockwerkszahl abhängig. So betrug zum Beispiel bei einem fünfgeschossigen Ziegelhaus die Wanddicke im Erdgeschoss 50 cm und im Dachgeschoss die Hälfte. Bei Fachwerkhäusern wurde die Standsicherheit durch das Holzfachwerk gewährleistet. Da diese im Allgemeinen bei Ständerdicken von 14 bis 18 cm ausreichend war, hat auch die Ausfachung und damit die gesamte Wanddicke dieses Maß. Eine nicht zu vernachlässigende Erschwernis beim Bauen war bei den damaligen Straßenverhältnissen und Transportmöglichkeiten der Baustofftransport. Verständlich, dass deshalb der Fachwerkbau mit den dünnen, tragfähigen Wänden eine solche Verbreitung gefunden hat. Hinzu kam, dass der für die Ausfachung oft verwendete Lehm meist an der Baustelle vorhanden oder nicht weit entfernt war. Nach dem Errichten des Fachwerks war

die Hauptarbeit – was die Standsicherheit betrifft – getan und es konnte Richtfest gefeiert werden. Das Ausfachen war dann nur noch eine Frage der Zeit und des Arbeitseinsatzes und konnte mit Lehm auch in Eigenleistung erfolgen. Um das Gewicht zu reduzieren und die Zugfestigkeit zu erhöhen (Armierung) wurden organische Faserstoffe beigemischt. Am häufigsten wurde Stroh verwendet, aber auch Ginster, Heidekraut, Fichten- und Tannenzweige, Kartoffelkraut, Bohnenstroh und Hobelspäne kamen in Frage [1]. Außer Lehmausfachungen waren auch Ausmauerungen durch Ziegel, Natur- und Bruchsteine üblich, sowie ganz unterschiedliche Materialien wie Holzabschnitte oder Biberschwanzziegel [2]. Offensichtlich gab es keine besonderen Auswahlkriterien oder Qualitätsanforderungen an die Ausfachung, wie zum Beispiel der Wärmeschutz. Die häufige Verwendung von Lehm erfolgte wohl hauptsäch-

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1.2 Früheres Wohnen Der Wärmedämmung wurde - wie dargelegt - beim früheren Bauen keine besondere Beachtung geschenkt. Durch die Ofenheizung mit hohem Strahlungsanteil kam es auch gar nicht so sehr auf die Wärmedämmung der Umfassungsflächen an: Die Strahlungswärme des Ofens lieferte die früher gewünschte »thermische Behaglichkeit«. Bei größeren Ansprüchen wurde ein Raum in der Wohnung als Bohlenstube ausgeführt, mit wärmegedämmten Wänden wie bei einem Blockhaus [2]. Außer der Wohnstube und der Küche waren weitere Räume einer Wohnung – zum Beispiel die Schlafräume - in der Regel unbeheizt. Dass es dabei nicht immer ohne Feuchteschäden abging, geht aus der Schilderung eines um 1900 in einem alten Fachwerkhaus aufgewachsenen Mannes hervor [3]: »Im Herbst, da fing das an mit der Feuchtigkeit, solche

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Landkarten an den Wänden! Da frisst sich die Feuchtigkeit durch den Putz und macht so komische Muster. Als Kind, wenn ich krank war, im Bett, hab ich die immer studiert«. Dass die Landkarten durch Wärmebrücken in den inhomogenen Gefachen zustande kamen, ist heute unschwer zu erklären. Die Feuchteproduktion und damit die Feuchtebelastung in Wohnungen war früher ungleich geringer als heute. Bis etwa Ende des 19. Jahrhunderts gab es mehrheitlich kein fließendes Wasser in den Häusern, sondern das Wasser mußte von einem nahen Brunnen geholt werden. Dies schränkte verständlicherweise den Wasserverbrauch stark ein. Einen Baderaum mit Wanne und Dusche gab es natürlich nicht und die Wäsche wurde in einem eigenen Waschhaus oder am Bach gewaschen. Beim Kochen wurde sicher mehr Feuchte produziert als heute. Bedenkt man aber, dass durch den Kochherd gleichzeitig viel Wärme produziert wurde und dass durch den Kaminzug und durch Undichtheiten eine ständige Durchlüftung des Hauses erfolgte, dann wird verständlich, dass sich Feuchteprobleme wohl in Grenzen gehalten haben, und vielleicht war man auch weniger empfindlich gegenüber Feuchteschäden.

belastung von innen durch Tauwasser betraf in der Regel nur die Gefache und nicht die besser wärmedämmende, tragende Holzkonstruktion (man erinnere sich an die Landkarten in Abschnitt 1.2). Insofern war ein Feuchteschaden leicht zu diagnostizieren und zu beheben. Außerdem konnte das Holz, das außen und innen höchstens durch eine dünne Putzschicht abgedeckt war, nach beiden Seiten gut trocknen. Ein offensichtlich unzureichender Regenschutz beziehungsweise eine zu starke Regenbelastung konnte durch konstruktive Maßnahmen behoben werden, bevor durch langfristige Einwirkung Schäden entstanden sind. Auf diese Weise haben Fachwerkhäuser oft jahr-

1.3 Regenschutz Wegen der unvermeidlichen Schwindfugen zwischen Fachwerk und Ausfachung und der geringen Wanddicke bieten Fachwerkwände keinen besonderen Regenschutz. Man kann eine Fachwerkfassade mit einer gerissenen Putzfassade vergleichen, bei der über die Risse zusätzlich Regenfeuchte in das Mauerwerk eingebracht wird. Deshalb sind bei stärkerer Regenbeanspruchung zusätzliche Maßnahmen erforderlich, zum Beispiel Wandbekleidungen wie in Bild 1 oder besondere Schutzkonstruktionen auf der Giebelseite, wie in Bild 2. Auch eine geschlossene Putzschicht über Fachwerk und Ausfachung verbessert den Regenschutz deutlich. Eine solche wurde früher in der Regel durch Schilfrohrmatten als Putzträger erzielt.

Bild 1: Regenschutz durch Schieferplattenbekleidung auf der Wetterseite eines Fachwerkhauses im Freilichtmuseum Hessenpark

1.4 Folgerungen für den Bauerhalt Bei Fachwerk ohne Zusatzdämmung, im Folgenden auch einschichtiges Fachwerk alter Art bezeichnet, war praktisch nur mit einer Feuchtebelastung von außen infolge Beregnung zu rechnen. Eine Feuchte-

Bild 2: Konstruktiver Regenschutz auf der Giebelseite, wie in der Schweiz üblich

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Bild 3: Bewohntes altes Fachwerkhaus in Hessen mit Strohlehm-Ausfachung. Der Kalkputz hat sich zum Teil abgelöst, ausgehend von den Rändern. Der Fassadenzustand lässt erkennen, dass die bei Lehmausfachungen erforderliche Wartung seit Längerem unterblieben ist.

hundertelang ohne Schäden überdauert. Dies steht im Gegensatz zu den heutigen Verhältnissen, wo Regenfeuchte und Wohnfeuchte als Schadensursache nicht unmittelbar sichtbar sind (verdeckte Schäden) und oft erst erkannt werden, wenn die Standsicherheit des Holzes bereits gefährdet ist. Bei Verwendung von Lehm zur Fachwerkausfachung ist wegen der Witterungsanfälligkeit dieses Materials eine Wartung und gegebenenfalls Nachbesserung der Fassade erforderlich. Dies war früher sicher bei kleineren Bauten kein Problem. Das Unterlassen entsprechender Nachbesserungen ist aber bei vielen alten Fachwerkbauten zu erkennen (Bild 3).

2. Heutige Bau- und Wohnverhältnisse Baustofftransport und Standsicherheit sind heute keine Probleme mehr beim Errichten eines Gebäudes. Der Rohbau ist der kürzeste Zeitabschnitt bei einem Neubau. Die meiste Zeit benötigen der Ausbau, die Heiz- und Haustechnik. Der mit dieser Technik ermöglichte Wohnkomfort führt zu anderen Raumklimabedingungen als früher, insbesondere zu einer stärkeren Beheizung aller Räume und zu einer größeren Feuchteproduktion. Der Temperatur- und Feuchtegradient zwischen Raumluft und Außenluft ist damit wesentlich größer und verursacht entsprechende Wärme- und Feuchteströme durch die Außenbauteile. Zur Energieeinsparung wurde die Wärmedämmung der Außenbauteile in den letzten Jahrzehnten zunehmend erhöht. Dies erfolgte einmal durch leichtere Mauersteine und zum anderen durch Verwendung von Dämmstoffen. Beide Maßnahmen haben in der

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Bild 4: Einspritzen von Gefachmörtel in ein Gefach gegen eine innenseitig angebrachte Gipskartonplatte.

Regel einen größeren Feuchtetransport infolge Wasserdampfdiffusion nach außen zur Folge. Bei so genannten monolithischen Wandkonstruktionen, die aus einer gleichzeitig tragenden und dämmenden Schicht bestehen (zum Beispiel Wände aus porosierten Ziegeln oder Leichtbeton) führt die Erhöhung der Wärmedämmung nur zu einer größeren Wanddicke ohne weitere technische Konsequenzen. Bei Schichtkonstruktionen (Wände aus tragenden und wärmedämmenden Schichten - außen, innen oder im Kern) sind hingegen Überlegungen über den Feuchtetransport durch Wasserdampfdiffusion und Kapillarleitung anzustellen, um nachteilige Feuchteanreicherungen zu vermeiden. Zu diesen Fragen wurden in den letzten Jahrzehnten umfangreiche Untersuchungen durchgeführt. Danach kann beurteilt werden, wie eine Konstruktion zweckmäßig aufzubauen ist und ob gegebenenfalls Dampfbremsen oder sonstige Maßnahmen erforderlich sind.

3. Instandsetzen und Renovieren von Fachwerkbauten Die aus dem heutigen Wohnungsbau bekannten bauphysikalischen Kriterien gelten natürlich auch für den Fachwerkbau, allerdings mit eingeschränkter Auswahlmöglichkeit: In den meisten Fällen geht es nämlich darum, das Fachwerk sichtbar zu erhalten, weshalb eine Dämmung meist nur raumseitig erfolgen soll. Eine wesentliche Erschwernis kommt aber noch hinzu, die damit zusammenhängt, dass es sich in vielen Fällen um denkmalgeschütze Gebäude handelt. Deshalb soll möglichst die Originalsubstanz erhalten und Baustoffe und Handwerkstechniken

wie beim Original angewandt werden. Diese Forderung hatte viele Fehlentwicklungen bei der Fachwerksanierung zur Folge, unter anderem die Ablehnung von Dampfbremsen und eine Fehleinschätzung des Baustoffes Lehm, wie in den folgenden Abschnitten im Einzelnen erläutert wird. Diese Einstellung hat sich verständlicherweise auch auf die Vorgehensweise bei Fachwerkhäusern übertragen, die nicht unter Denkmalschutz stehen und ist somit weit verbreitet.

3.1 Gefachdämmung Wie bereits ausgeführt, ist die frühere Verwendung von Lehm nicht auf dessen besondere Eignung zurückzuführen, sondern in erster Linie auf die kostengünstige Verfügbarkeit und die auch für NichtFachkräfte mögliche Verarbeitung. Oft vorgebrachte Argumente für Lehm, dass er Feuchtigkeit vom Fachwerkholz aufnimmt beziehungsweise fernhält und sich bei Wasseraufnahme die Schwindfugen infolge des Quellens von Lehm schließen, halten einer kritischen Beurteilung nicht stand (siehe auch [4]). Aus früherer Sicht diente die Ausfachung neben dem Wandabschluss in erster Linie zur Aussteifung und damit zur Stabilisierung des Fachwerks. Dafür war eine Lehmstakung oder jede mit Lehm oder Kalkmörtel verbundene Ausmauerung geeignet. Aus heutiger Sicht kommt die Wärmedämmung der Ausfachung als weiterer wichtiger Gesichtspunkt hinzu. Wenn eine Ausfachung komplett erneuert wird, dann sollten hierfür Mauersteine verwendet werden mit einer Wärmeleitfähigkeit ähnlich der des Holzes. Auch das Verfüllen mit einem Gefachemörtel, das in der Ausführung der früheren

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DENKMALPFLEGE Lehmausfachung nahekommt, ist eine geeignete Alternative (Bild 4). Damit bekommt die Fachwerkschicht eine gewissermaßen einheitliche Wärmedämmung. Bei allen Ausfachungen hat sich die Anordnung von Dreikantleisten an den Gefachseiten zur Stabilisierung der Ausfachung und Erhöhung des Regenschutzes bewährt.

3.2 Außendämmung Bei einer Dämmung des Fachwerks auf der Außenseite kann dieses innen sichtbar gemacht werden und kommt durch die Außendämmung in einen warmen Bereich, so dass das Holz einen ständig geringeren Feuchtegehalt erreichen kann als auf der Außenseite. Wärmedämmverbundsysteme, Wärmedämmputze oder Dämmschichten unter einer Außenbekleidung sind hierfür geeignet. Der Außenputz oder die Außenbekleidung übernehmen dann den Regenschutz. Der Wärmeduchlasswiderstand (R-Wert) der Außendämmung ist nicht - wie bei Innendämmung - nach oben zu begrenzen. Wichtig ist aber ein guter Regenschutz; denn wenn die Dämmschicht Regenfeuchte aufnehmen kann, dann besteht bei Besonnung der Fassade infolge von Umkehrdiffusion die Möglichkeit einer zeitweiligen Befeuchtung der Holz-Außenseite. Langfristig kann dies eine Schädigung des Holzes zur Folge haben.

3.3 Innendämmung Bei raumseitiger Dämmung des Fachwerks kann für das Holz von beiden Seiten eine erhöhte Feuchtebelastung auftreten, sowohl von innen (Wohnfeuchte) als auch von außen (Regenfeuchte). Von innen, weil die Dämmung meist dampfdurchlässiger ist als das Holz oder die Gefach-Ausmauerung und deshalb eindif-

fundierende Raumluftfeuchte am Holz kondensieren kann und von außen wegen des in der kalten Jahreszeit durch die Dämmung reduzierten Heizwärmestroms, wodurch die Trocknung von regenfeuchtem Holz verzögert werden kann. Beide Effekte sind bei der Wahl der Zusatzdämmung zu berücksichtigen. Deshalb erfordert die Anordnung einer Innendämmung bei Fachwerkwänden eingehendere Überlegungen als bei anderen Wandbildnern. 3.3.1 Wohnfeuchte Für die in eine Fachwerkkonstruktion eindiffundierende Wohnfeuchte ist das Wasserdampfdruckgefälle nach außen und der Diffusionswiderstand der inneren Wandschicht (Dämmung und Putz) bis zur Innenoberfläche des Fachwerkholzes maßgebend. Bei nicht kapillarleitfähigen Dämmstoffen (zum Beispiel Mineralwolle) kann der Feuchtetransport nur durch Dampfbremsen reguliert werden, bei kapillarleitfähigen Stoffen (auch oft kapillaraktive Stoffe genannt, wie Porenbeton, Kalziumsilikat) kann Tauwasser gegebenenfalls von der Tauebene entgegen dem Dampfdruckgefälle zurückgeleitet werden. Diese beiden Möglichkeiten: - nicht kapillarleitende Stoffe+Dampfbremse oder - kapillaraktive Stoffe ohne Dampfbremse werden oft als Alternativen gegenübergestellt. Dabei werden kapillaraktive Stoffe häufig bevorzugt, weil sie vermeintlich zum alten Fachwerk besser passen als ein moderner Dämmstoff mit Dampfbremse. Zu dieser Einschätzung wird im Folgenden Stellung genommen. Durch den kapillaren Feuchte-Rücktransport ist beispielsweise der Bau von Porenbeton-Flachdächern trotz äußerer Abdichtung durch eine Dachhaut bei durchschnittlichen Raumklimaverhältnissen oh-

Bild 5: Schemadarstellung und Erläuterung des Feuchtetransports bei Porenbeton-Flachdächern.

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ne raumseitige Dampfsperre möglich. Die Funktionsweise wird durch die schematische Darstellung in Bild 5 erläutert. Wesentlich ist, dass bei einem Flachdach Tauwasser in der obersten Schicht des Porenbetons entsteht, wo dieser mit der darüberliegenden Abdichtung verklebt ist. Dies ist gleichzeitig ein Beispiel für ein Bauteil, bei dem eine rein diffusionstechnische Bewertung nach DIN 4108-3 nicht ausreichend ist, sondern Vorgänge des Kapillartransports einbezogen werden müssen. Bei innengedämmtem Fachwerk kann dies im Prinzip genauso funktionieren, wenn ein dichter Kontakt zwischen der raumseitigen Holzoberfläche beziehungsweise der Ausfachung und der Dämmung dauerhaft gesichert ist. Dies ist aber bei dem unterschiedlichen Schwindverhalten von Holz und Ausfachung und den bei Fachwerkkonstruktionen möglichen bewitterungsabhängigen Bewegungen schwer vorstellbar. In [5] wird zwischen dem einschichtigen Fachwerk und der Innendämmung eine 15 mm dicke Koppelschicht aus Lehmputz vorgeschlagen, deren dauerhafte Funktionsfähigkeit aber nicht nachgewiesen ist. Deshalb kann bei Fachwerkwänden – im Gegensatz zu PorenbetonFlachdächern – die Möglickeit einer Feuchte-Rückleitung durch kapillaraktive Dämmstoffe nicht sicher kalkuliert, sondern allenfalls als zusätzliche Maßnahme betrachtet werden. Eine sichere Maßnahme ist dagegen die raumseitige Anordnung einer Dampfbremse oder einer Dämmschicht vor dem Fachwerk mit entsprechendem Diffusionswiderstand (sd-Wert). Um einerseits das Diffusionsgefälle zum Fachwerk klein zu halten und andererseits den Wärmetransport dorthin wegen der Trocknung von Regenfeuchte nicht zu sehr zu reduzieren, soll die Wärmedämmung

Bild 6: Schemadarstellung der Wirkung einer feuchteadaptiven (variablen) Dampfbremse - im Winter sperrend, im Sommer durchlässig (nach [7])

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Richtlinie

R-Wert der Innendämmung R [m2K/W]

sd-Wert der Innenschicht [m]

DIN 4108-3

≤ 1,0

1,0 bis 2,0

WTA

≤ 0,8

0,5 bis 2,0

der raumseitigen Dämmmschicht einen gewissen R-Wert nicht überschreiten und einen gewissen sd-Wert nicht unterschreiten. Als einzuhaltende Grenzwerte werden in DIN 4108-3 und in dem WTA-Merkblatt [6] die in Tabelle 1 aufgeführten Werte angegeben, die etwas voneinander abweichen, woraus deutlich wird, dass hier ein Bemessungsspielraum gegeben ist. Die Normwerte gelten allgemein, die WTAWerte beziehen sich mehr auf kapillaraktive Stoffe. Im Übrigen sind es pauschale Richtwerte, von denen in Einzelfällen auch abgewichen werden kann, wenn dies begründet und nachgewiesen ist. Wenn zum Beispiel so gut wie keine Regenbeanspruchung besteht – zum Beispiel bei einem Fachwerkhaus in dichter Bebauung – und/ oder wenn eine variable (feuchteadaptive) Dampfbremse zur Anwendung kommt. Eine solche Dampfbremse hat einen von der umgebenden Luftfeuchte abhängigen sd-Wert. Bei trockener Luft in einem beheizten Raum im Winter ist der sd-Wert relativ hoch und bremst das Eindiffundieren von Wohnfeuchte in die Konstruktion. Wenn sich (Regen-)Feuchte in der Konstruktion anreichert, ermöglicht ein kleiner sd -Wert eine Trocknung nach innen (Bild 6), Näheres in [7]. 3.3.2 Regenfeuchte Die Schlagregen-Beanspruchung einer Fassade wird nach DIN 4108-3 bekanntlich nach drei Beanspruchungsgruppen bewertet. Die geringste Beanspruchung – Gruppe I – trifft im Allgemeinen in Gebieten mit Jahresniederschlägen unter 600 mm zu. Eine solche Beanspruchung kann aber für Wetterseiten von Fachwerkhäusern schon zu groß sein. Eine pauschale Beurteilung nach Gebieten oder Regenmengen ist aber für Fachwerkfassaden wenig geeignet. Wenn man bedenkt, dass die Regenbeanspruchung mit der Gebäudehöhe zunimmt und je nach Umgebungsbebauung und damit Beeinflussung der Windführung auch die Seiten des Hauses unterschiedlich beaufschlagt werden können [8], wird deutlich, dass im Einzelfall die Regenbeanspruchung einer Fassade sorgfältig abgeschätzt werden muss.

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Literaturhinweise Tabelle 1: Einzuhaltende Stoffkennwerte der Innenschicht vor dem Fachwerk bei Konstruktionen mit Innendämmung

Einen Hinweis dazu kann der Zustand benachbarter Gebäude geben, insbesondere die Art und Intensität der höhenabhängigen Baustoffverwitterung (auch der Fensteranstriche) und ob im Umfeld Fassadenbekleidungen üblich und deshalb wohl notwendig sind. Kritisch zu bewerten ist, wenn die Fassade zuvor schon gewisse Feuchteschäden erkennen ließ, dann ist nach dem Aufbringen einer Zusatzdämmung auch der Regenschutz zu verbessern. Nicht immer muss dies die ganze Fassadenfläche betreffen, oft genügt die Bekleidung der oberen Geschosse oder der Giebelfläche, bei Abführung des Ablaufwassers an der Bekleidungsunterseite. Außenputz oder Anstrich sollten nicht ausgesprochen wasserabweisend sein. Nach DIN 4108-3 ist bei Beanspruchungsgruppe I ohnehin kein wasserabweisender Putz gefordert. Bei einer Fachwerkfassade reduziert eine gleichmäßig flächige Wasseraufnahme das Ablaufen des Regenwassers an der Fassade und damit ein stärkeres Belasten der Schwindfugen zwischen Fachwerk und Ausfachung. Die naheliegende und immer wieder erwogene Möglichkeit, die Schwindfugen abzudichten, ist nach bisher vorliegenden Untersuchungsergebnissen nicht praktikabel [8]. Selbst wenn man die Anschlüsse zwischen Gefach und Ausfachung sorgfältig abdichtet, bleiben die arbeitenden Fugen im Holz. Man kann auch nicht voraussetzen, dass Fugenabdichtungen dauerhaft sind; sie bedürfen nach DIN 4108-3 der Kontrolle und Wartung. Das ist bei den vielen Fachwerkfugen kaum realisierbar. Fortsetzung in Heft 3/2006 (Juni) Dr.-Ing. Helmut Künzel ehemaliger Leiter der Freilandversuchsstelle Holzkirchen des Fraunhofer-Instituts für Bauphysik IBP Schäfflerweg 5, 83626 Valley Tel. 080 24/28 58

[1] Beidatsch, A.: Wohnhäuser aus Lehm, Berlin 1946 [2] Museum der Stadt Waiblingen, Museumsführer [3] »Das häusliche Glück«, 1882, als Faksimile 1975 herausgegeben, Rogner und Bernhard Verlag München, mit Aussagen von Zeitzeugen 1900. [4] Künzel, H.: Das Märchen vom Lehm. db 9 (2001), S. 106-112. [5] Häupl, P., Stopp. H.,Petzold, H.:Thermische Sanierung von Fachwerkwänden mit kapillaraktiver Innendämmung. Fachwerkinstantsetzung nach WTA, Band 2, IRB-Verlag 2002. [6] WTA-Merkblatt 8-1-96D. Bauphysikalische Anforderungen an Fachwerkfassaden. [7] Künzel, H.M.: Trocknungsfördernde Dampfbremsen - Einsatzvoraussetzungen und feuchtetechnische Vorteile in der Praxis. wksb 46 (2001), S. 15 - 23. [8] Künzel, H.: Der Feuchtehaushalt von Holz-Fachwerkwänden. Fachbuchreihe »Bauforschung für die Praxis«, Band 23, IRB-Verlag Stuttgart 1996. Berichtigung/Ergänzung der Tabelle 4 (Heft 5/2005, Seite 35) »Beheizen von Kirchen«

Bild 4: Zeitverläufe (Wochenmittelwerte) über ein Jahr von Lufttemperatur, relativer und absoluter Luftfeuchte in der Kirche St. Michael in Schönberg im Vergleich zur Außenluft. In der Heizperiode sinkt die relative Raumluftfeuchte mit erkennbaren außenluftbedingten Schwankungen langsam ab (Nachlassen der Desorption). Die absolute Feuchte der Raumluft ist infolge der Desorption in der Heizperiode im Mittel höher als die der Außenluft.

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