Barrieren bei Demenz

Barrieren bei Demenz 1. Erkennen und akzeptieren 2. Umstellen des Alltags 3. Einbeziehen der Familie 4. Fremde Hilfe annehmen und lernen loszulassen ...
Author: Elly Falk
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Barrieren bei Demenz 1. Erkennen und akzeptieren 2. Umstellen des Alltags 3. Einbeziehen der Familie 4. Fremde Hilfe annehmen und lernen loszulassen

5. Wohnraumgestaltung Barriere Nr. 1 - Schlafzimmer Barriere Nr. 2 – Badezimmer Barriere Nr. 3 – Treppenaufgang Barriere Nr. 4 - Anpassung der anderen Räume Barriere Nr. 5 – einrichten der Wohnung - Kompromisse finden Barriere Nr. 6 -

Zuschüsse von der Pflegekasse und öffentlichen Einrichtungen

Referat über Punkt 5 Ute Severin Stand 13.04.2009

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Für mich persönlich gibt es fünf Barrieren um zu einen Barriere freien Leben mit an Demenz erkrankten Menschen zu gelangen. Es sind erst einmal vier Hürden zu nehmen, die nicht das Wohnen betreffen. Die erste Hürde ist das Erkennen und Akzeptieren der Krankheit. Die Zweite Hürde ist die Umstellung des Alltags. Die dritte Hürde ist das Einbeziehen des Patienten in die eigene Familie die vierte Hürde war für mich die Schwerste: das Annehmen fremder Hilfe und lernen loszulassen. Dies alles waren Barrieren die wir, mein Mann, meine an Demenz erkrankte Mutter und ich als erstes an die Seite geräumt haben. Die fünfte Barriere, um die es am heutigen Abend geht ist die Wohnraumgestaltung. Hier befinden wir uns momentan mittendrin. Das Pflegen und das Zusammenleben mit an Demenz erkrankten Menschen ist im Alltag nicht immer leicht. Jeder der dieses erlebt hat oder derzeit damit lebt kennt die Probleme die sich ergeben. Um sich das Leben zu erleichtern wird oft gesagt dass man die Wohnung „Barrierefrei“ einrichten soll. Was bedeutet das, für an Demenz erkrankte Menschen. Hört man das Wort „Barrierefrei“ denkt man zuerst an Wohnungen ohne Stufen und Stolperkanten, flachen Duscheinstiege usw. Das alles trifft auf Gehbehinderte Menschen oder Rollstuhlfahrer zu. Die Barrieren bei Demenz Patienten liegen nach meinen Erfahrungen ganz woanders. Nämlich immer die Nähe von Patient und pflegendem Angehörigen zu allen Tageszeiten aufrecht zu erhalten, ohne dabei seinen eigenen Freiraum zu verlieren. Diese Barrieren werden erst nach und nach sichtbar und können auch erst nach und nach beseitigt werden. Für uns haben wir eine, wie uns scheint gute Lösung gefunden. -2-

Wir wohnten über zwei Etagen wobei die untere Etage unsere Wohnung war und die obere Etage die Wohnung meiner Eltern. Vor fünf Jahren wurde bei meiner Mutter die Diagnose Alzheimer Demenz gestellt, mein Vater war durch mehrere Herzinfarkte und Schlaganfälle begleitend von allen Folgekrankheiten der Diabetes Mellitus bereits Pflegebedürftig. Vor drei Jahren verstarb mein Vater. Der Gesundheitszustand meiner Mutter verschlechterte sich so schnell, dass sie innerhalb von zwei Jahren in die Pflegestufe zwei eingestuft wurde. Wir merkten, dass immer mehr alltags Situationen, die für sie sonst Routine waren, von ihr nicht mehr allein oder gar nicht mehr ausgeführt werden konnten. Immer mehr zog sie in unser Leben und damit in unserer Wohnung ein, da sie nicht mehr allein sein wollte und auch nicht mehr allein sein konnte. Lediglich ihr nach dem Tod meines Vaters neu eingerichtetes Schlafzimmer suchte sie des Nachts immer wieder in ihrer Wohnung auf und fühlt sich hier auch mit all den Fotos ihrer Familie, die auf einer alten, ihr vertrauten Vitrine stehen, Zuhause, jedoch auch Verlassen. Ständig kam die Frage ob wir auch oben schlafen. Da sich unsere Schlafzimmer jedoch in unserer Wohnung befanden musste ich ihr diese Frage verneinen. Somit war unsere Nachtruhe und auch die ihre nicht gesichert. Sie fühlte sich verlassen, geisterte durch ihre Wohnung und suchte uns überall. Es kam auch vor, dass wir nachts durch das öffnen unserer Wohnungstür wach wurden und meine Mutter in unserem Wohnzimmer saß und weinte, denn es war ja „Niemand da“. Wenn wir abends, bevor wir ins Bett gingen, noch mal nach ihr schauten, lag sie oft wach, und hatte Angst, da sie Schatten sah oder aber Geräusche hörte, die es einfach nicht gab. Später in der Nacht mussten wir 1- bis 2-mal nach oben, da sie den Toilettengang nicht mehr allein erledigen konnte. Auf einen anstehenden Toilettengang wurden wir aufmerksam, durch unruhiges getappel über uns. Also -3-

schliefen wir mit einem Ohr an der Korridortür und das andere an der Decke. Nur um alles im Blick zu haben. Der kalte Winter gab mir den Rest. Immer durch den kalten Flur, rauf und wieder runter, da war der Kreislauf in Schwung, d.h. für mich, dass es mit meiner Nachtruhe vorbei war, sobald der erste Toilettengang anstand und es danach mit dem Einschlafen einfach nicht mehr klappte. Wenn der Wecker morgens um halb sechs klingelte, hatte ich dass Gefühl gerade erst wieder eingeschlafen zu sein. So konnte es nicht weitergehen. Also planten wir Anfang des Jahres den Umbau der Wohnungen. Es sollte so werden, dass meine Mutter ihre vertrauten Bereiche weitestgehend behält, und trotzdem unsere Wohnung noch unsere eigene persönliche Note behält. Mit anderen Worten: „Es mussten Lösungen mit Kompromissen auf beiden Seiten her“. Ihr vertrautes Schlafzimmer sollte in ihrem Bereich bleiben, also musste unser Schlafzimmer nach oben, damit beide Parteien eine bessere Nachtruhe bekommen. Ihr Wohnbereich sollte unten in unserer Wohnung integriert werden, jedoch alles so großzügig wie möglich umgestaltet werden, sodass wir eine Rückzugsmöglichkeit für uns haben aber meine Mutter bei uns sein kann. Die Hürde Treppenhaus musste auch genommen werden. Diese sollte durch eine Treppe innerhalb des Wohnungsbereichs genommen werden. Dieses waren in diesem Projekt die ersten und wichtigsten Barrieren, die wir beseitigen mussten. Also wurde aus ihrem Wohnzimmer und ihrem Büro unser Schlafzimmer, da diese Räume direkt neben dem ihrem liegen. Seitdem schläft sie, wenn ich ins Bett gehe. Nachts muss ich Sie oft wach machen, damit wir einen Toilettengang erledigen können. Nach der Feststellung, „Ihr schlaft doch hier oben, woll“ dreht sie sich um und ist -4-

in kurzer Zeit wieder eingeschlafen. Da ich mir jetzt keine Gedanken mehr machen brauche, ob sie wieder eingeschlafen ist und auch mein Kreislauf durch die Treppensteigerei nicht so hochgefahren wird, haben wir alle eine bessere Nachtruhe. Sind ausgeglichener und nicht mehr so schnell gereizt. Auch meine Mutter ist besser drauf, und lacht viel mehr. Denn ich bin ja jetzt da! Ebenso musste etwas im Badbereich geschehen. Die zweite Barriere. Das Bad mit der riesigen nicht genutzten Badewanne, den riesigen Schrank, der den Raum so eng machte, dass ich mich kaum bewegen konnte, die Dusche mit dem viel zu hohen Einstieg, der ihr an manchen Morgen so viel Angst machte, dass sie nicht Duschen wollte. Dies konnte ich gut verstehen. Über eine Fußbank in die Dusche zu klettern ist auch ein sehr großer komplex an Bewegungsabläufen, die nicht immer so einfach hintereinander gesetzt werden können. Hier war eine Grundsarnierung erforderlich. Alte Keramik und die Fliesen raus. Wasserleitungen und Elektroleitungen verlegen usw. Eine neue größere Tür musste her. Das bedeutete viel Erfahrung musste in die Planung eingebracht werden, und wenn alles richtig laufen sollte, mussten auch die Handwerker koordiniert werden. Durch Zufall sprach ich den Schreiner an, der unsere, später noch einzubauende Treppe anfertigen soll, darauf an. Hier war ich an der richtigen Adresse. Er hatte sofort Lösungen, Tipps und Ideen für unser neues Bad parat, da er sich mit der Materie Barriere freies Wohnen gut auskennt und so Wohnfreiheiten zaubert. Auch wurde mir die gesamte Koordination der einzelnen Handwerker von ihm abgenommen. Wenn irgendwelche unvorhergesehenen Sachen passierten, wir haben schließlich ein über hundert Jahre altes Haus, da ist so etwas immer leicht möglich, wurden mir von ihm direkt Lösungen vorgeschlagen mit mir abgesprochen und dann von ihm angewiesen und von -5-

den betreffenden Handwerkern durchgeführt. Auch wenn wir selbst andere Ideen oder Wünsche hatten, wurde diese, nach dem Motto, „Geht nicht, gibt es nicht.“ berücksichtigt. So ist alles nach unseren Wünschen bis zum heutigen Stand der Renovierung erstellt worden. Wenn es fachlich machbar war. Bei den Bodenfliesen, die wir uns aussuchten, mussten wir darauf achten dass sie nicht glänzen, da hier eine Barriere sein konnte, denn alles was glänzt wird als Wasserfläche gesehen, und mit dem Wort „Vorsicht“ geht sie nicht weiter. Auch gibt es in ihrer Welt eine Farbbarriere. So durfte zwischen dem Flurboden und dem Badezimmerboden keine allzu große Farbabweichung sein, da hier eine Stufe vermutet wird, die bei fortgeschrittener Krankheit nicht genommen wird. Dies wurde mir bewusst, als ich merkte, dass Sie in unserem Badezimmer immer den Fuß hoch nahm um eine Treppe zugehen. Unser Flurbelag ist schiefer und unser Badezimmerboden ist weiß. Also Aufgepasst beim Fliesenkauf. So kommen dann zu den großen Barrieren immer wieder kleinere Barrieren, die man immer wieder erkennen und beheben muss. Eine Dusche auf Bodenebene, Behinderten Toilette und unterfahrbares Waschbecken wurde vorausschauend auf den weiteren verlauf der Krankheit schon einmal eingebaut. Eine verbreiterte Eingangstür ebenfalls. Und jetzt klappt auch unsere Morgen und Abend Toilette hervorragend. Wichtig bei diesen Bauabschnitten, war es, ihr jeden Abend zu zeigen, wie weit die Renovierung fortgeschritten ist, damit sie Schritt für Schritt die Veränderungen sieht und langsam begriff, dass sich etwas zu ihrem Vorteil verändert. Dieses haben wir von Beginn, also dem umräumen der Schlafzimmer bis zum heutigen Stand der Renovierung immer gemacht und werden es auch bis zum Ende weiterhin so handhaben. Sie freut sich, wenn ich ihr -6-

sage, dass wenn wir fertig sind es für uns alle einfacher wird und so die Möglichkeit besteht dass sie noch lange bei uns bleibt. Bis hierhin haben wir schon einmal viel geschafft und die größten Barrieren weggeräumt. Jedoch ist noch nicht Schluss. Die dritte Barriere ist die Verbindung der beiden Wohnungen ohne die Substanz zu schädigen. Wie gesagt unser Haus ist weit über 100 Jahre alt. Eine Treppe im Wohnbereich sollte erstellt werden. Jedoch musste auch eine Option auf einen eventuell später notwendigen Treppen Lift bestehen bleiben. Problem erkannt, Problem gebannt. Hierfür wurde, nach statischer Prüfung eine Decke durchgebrochen, was mit fürchterlich viel Staub und Dreck verbunden war. Jetzt Maß genommen für eine Innentreppe und weiter Planen. Die Treppe ist leider noch nicht fertig, da wir uns noch mitten in der Sanierung befinden. Außer einem riesigen Loch in der Decke kann man noch nichts erkennen. Aber bald ist Ostern. Dann wollten wir lt. Meinem Mann, fertig sein. Ich glaub es noch nicht- Ich hoffe auf Pfingsten?? Na ja, die Hoffnung stirbt zuletzt. Immer wieder zeige ich meiner Mutter das Loch in der Decke, um ihr zu zeigen, dass wir bald nicht mehr durch den kalten Flur nach oben müssen. Sie freut sich darauf. Die vierte Barriere ist die Neuaufteilung des Wohnbereichs. Dies ist für uns die größte Barriere überhaupt. Es sollte so sein, dass ständig die Verbindung zwischen uns und meiner Mutter bleibt, denn dieses ist bei der Krankheit die größte Herausforderung. Auch Rückzugsmöglichkeiten für mich und meinen Mann müssen eingeplant werden. Die Küche und der Essbereich muss so großzügig und übersichtlich gestaltet werden, dass Sie -7-

mich noch sehen kann, wenn ich bereits am aufräumen oder kochen bin, während sie noch am Esstisch sitzt. Ihr Wohnzimmer Sessel muss so platziert werden, dass sie mittendrin ist. Sitzt sie abseits, kann man nicht einmal an das Telefon gehen, ohne dass sie hinter einem herläuft und weint: Denn sie ist ja ganz alleine! Kann Sie jedoch von Ihrem Platz aus alles sehen, ist diese große Barriere beiseite gestellt. Der Wohnbereich wird kombiniert mit unseren und Ihren Möbel. Das bedeutet, dass man Kompromisse eingehen muss. Aber auch diese Hürde werden wir nehmen. Diese, die fünfte Barriere ist mehr praktischer Natur! Wie kombinieren wir unsere Möbel mit Ihren, ohne dass wir unseren Stil aufgeben und es ihr aber so gewohnt und gemütlich zu machen, dass sie sich so lange wie möglich bei uns wohl fühlt ohne ihre eigene Persönlichkeit und ihr eigenes Leben zu vermissen. Jedoch müssen auch unsere Bedürfnisse bedacht werden. Hier ist eine große Kompromissbereitschaft nötig. Dieses ist nicht nur Zeit Aufwendig, man benötigt auch viel Kraft für die großen Aufgaben der Eigenleistungen die aus finanziellen Gründen erbringen muss. Es besteht zwar die Möglichkeit Zuschüsse über die Pflegekasse als auch Zinsgünstige Darlehen aus öffentlichen Mitteln zu bekommen, dies reicht jedoch nicht aus. Auch hier muss man überlegen, welche Barriere ist die größte und muss als erstes beseitigt werden. Was muss ich an Leistungen Kaufen und was kann ich selbst. Dann immer Schritt für Schritt. Mit viel Humor, Optimismus und Liebe zu meiner Mutter, werden mein Mann und ich dass alles schon schaffen.

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