AWP Soziale Sicherheit Erscheint alle 14 Tage

40. JAHRGANG | 3. DEZEMBER 2014 | NUMMER 22 AWP Soziale Sicherheit Erscheint alle 14 Tage Kommunikation An der Urne gewinnt, wer richtig kommunizier...
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40. JAHRGANG | 3. DEZEMBER 2014 | NUMMER 22

AWP Soziale Sicherheit Erscheint alle 14 Tage

Kommunikation An der Urne gewinnt, wer richtig kommuniziert, sagt Peter Metzinger*.

So kommunizieren PKs richtig Die 2. Säule wird immer mehr zum Spielball der Politik. Das Vertrauen in die eigene Pensionskasse ist bei einer Mehrheit der Bevölkerung zwar vorhanden, aber das Verständnis der komplexen Zusammenhänge fehlt. Meinungen zählen dann mehr als Fakten. Können Pensionskassen in einem solchen Umfeld überhaupt richtig kommunizieren? Ich meine ja. Vorausgesetzt folgende Fehler werden vermieden. Fehler 1: In den Kommunikationsabteilung vieler Pensionskassen wird viel zu häufig noch die Ansicht vertreten, es genüge, wenn man sich an das vom BVG vorgegebene Kommunikationsminimun halte. Dem ist nicht so. Das hat die letzte Abstimmung über den Mindestumwandlungssatz gezeigt. Der kommunikative Aufwand der Pensionskassen beschränkte sich auf ein Minimum. Die Aufklärung des Stimmvolkes wurde den politischen Akteuren mit ihren eigenen Agenden überlassen, mit der Folge, dass die Senkung des Umwandlungssatzes deutlich abgelehnt wurde. So, die Erkenntnis, sind die notwendigen Reformen kaum realisierbar. Jede Pensionskasse müsste es deshalb als eine Kernaufgabe erachten, ihre Anspruchsgruppen umfassend und verständlich zu informieren. Fehler 2: Je mehr Informationen, desto transparenter und verständlicher. Falsch! Zu viel Information schadet der Transparenz, weil die Zielgruppe sich in Details verliert und Zusammenhänge dann nicht mehr einfach zu verstehen sind. Auch das Verständnis leidet. Es kommt also auf die richtige Dosis an, ob etwas verstanden wird und ob das Zielpublikum noch «durchblickt». Was Pensionskassen von Christoph Blocher lernen können Fehler 3: Es ist ein Irrtum zu glauben, es spiele keine Rolle, wer die Zielgruppe ist. In den 90er Jahren übte Christoph Blocher seine Reden zuerst vor seinen Kindern. Nur wenn diese ihn verstanden, trat er damit an die Öffentlichkeit. Als Experten unterliegen wir gerne dem Fluch des Wissens. Wir können uns nicht in eine Zielgruppe hineinversetzen, die mit unserem Thema zum ersten Mal konfrontiert ist. Wer will, dass seine Botschaften richtig ankommen, muss sich deshalb zuerst intensiv mit der Zielgruppe beschäftigen und verstehen, wie sie «tickt», wie welcher Sprachstil ankommt. Erst dann kann man ein wenig hoffen, verstanden zu werden. Fehler 4: Es ist falsch zu glauben, es reiche, einseitig zu informieren. Warum? Kommunikation ohne Dialog ist nur reine Information. Wer den Dialog sucht, wird seine Zielgruppe besser ver-

stehen. Kommunikativ Einfluss nehmen ist nur so möglich. Fehler 5: Oft höre ich den Satz: Die Zielgruppe versteht sowieso nichts, also muss ich mir auch keine Mühe geben. Wer so denkt, macht es sich zu einfach. Grundsätzlich sind alle Versicherten an ihrer Pensionskasse und ihrer Rente interessiert. Man muss nur herausfinden, wie man die Themen richtig präsentiert. Mund-zu-Mund-Propaganda aktiv fördern Fehler 6: Meinungen entstehen aufgrund von Informationen, am besten schriftlichen. Falsch. Meinungsbildung findet mehrheitlich im persönlichen Gespräch statt. Es ist ein sehr kleiner Teil der Bevölkerung, der auch schriftliche Informationen zur Meinungsbildung heranzieht. Bringt man diese dazu, ihre Meinung zu verbreiten, dann sind die schriftlichen Informationen gut investiert. Fehler 7: Social Media sind etwas für die Jungen, bald kein Thema mehr, kosten zu viel Zeit und es wird nur irrelevantes Zeug verbreitet. Wer sich mit Social Media beschäftigt, wird bald feststellen, dass jedes dieser Vorurteile falsch ist. Seit 2004 setzen wir Social Media als festen Bestandteil des Kommunikationsmixes ein. Der ASIP betreibt die Informationswebsite mit-uns-fuer-uns. ch. Diese hatte vor der Abstimmung zum Umwandlungssatz 2010 sehr hohe Zugriffsraten. Danach brachen die Besucherzahlen ein. Erst als wir begannen, pro Woche 3-4 Blogbeiträge zu schreiben und diese über Facebook und Twitter zu verbreiten, stiegen die Besucherzahlen wieder. Heute sind sie deutlich höher als vor der Abstimmung. Social Media richtig eingesetzt, führt zu Mund-zuMund-Propaganda und zu Meinungsbildung. Erst so lernt man die Zielgruppe besser kennen und kann auch zielgruppen-orientiert kommunizieren. Wollen Pensionskassen vermeiden, dass die nächste Reform an der Urne versenkt wird, müssen sie sich diesen Herausforderungen stellen. * Peter Metzinger ist Kommunikationsprofi (u.a. für ASIP)

Themen aktuell 2 VERMÖGENSVERWALTUNG Optimierung möglich? Wie effizient Pensionskassen ihr Devisenmanagement führen. 6 2. SÄULE Wegen VegüV: Schichten kleine und mittlere Pensions kassen jetzt auf indirekte Aktienanlagen um? 9 POLITIK Günstiger Wohnraum dringend gesucht. Caritas nimmt Kantone in die Pflicht.

VERMÖGENSVERWALTUNG

Mehr Licht in die Devisen-Blackbox Devisen-Management Die Diskussion darüber, wie gut oder schlecht Pensionskassen ihre Devisen managen, ist alt. Neu hinzugekommen ist, dass die Kosten für Makler und Broker in der Betriebsrechnung ausgewiesen werden müssen. Dabei finden gewiefte Berater immer neue Ansätze, Sparpotenziale auszuschöpfen.

Aufgedeckt: Geheime Absprachen im Devisenmarkt.

Devisenmärkte hatten einst den Ruf, günstig, sehr effizient und praktisch nicht manipulierbar zu sein. Dieser Ruf ist spätestens seit den aufgedeckten Manipulationen der UBS im Devisengeschäft auch in der Schweiz geschädigt. Der Fall UBS zeigt: Wer Devisengeschäfte über einen einzigen Broker ausführen lässt – das kann der Global Custodian oder die Depotbank sein, begibt sich in eine einseitige Abhängigkeit (Principal-Agent-Problematik). Und die ist (fast) immer gefährlich. Der Devisenmarkt ist eine Blackbox. Selbst professionelle Anleger schauen zu wenig genau hin, wenn es zum Beispiel um die Absicherung von Fremdwährungen geht. UBS handelte gegen Kundeninteressen Die Eidgenössische Finanzmarktaufsicht (Finma) stellte im November 2014 fest, dass Mitarbeitende der Grossbank wiederholt und über eine längere Zeitperiode Devisenreferenzwerte manipuliert hatten. «Mitarbeitende verhielten sich entgegen den Interessen eigener Kunden», sagt Tobias Lux, Mediensprecher der Finma. Damit verstiess die UBS in schwerwiegender Weise gegen die Gewähr für eine einwandfreie Geschäftstätigkeit. «Jeder Stiftungsrat und Geschäftsführer einer Vorsorgeeinrichtung müsste sich spätestens jetzt die Frage nach der Best Execution im Wertschriftenhandel stellen», sagt Cengiz Temel, Währungsexperte bei der Beraterfirma Quaesta Capital. Für Temel ist klar: Devisengeschäfte sollten nach dem Prinzip Unabhängigkeit und Transparenz ausgeführt werden. Damit aber Best Execution im Devisenhandel möglich ist, braucht es Wettbewerb und Unabhängigkeit. Das heisst: Die 2  AWP Soziale Sicherheit | 22/2014

Bild: Keystone

Preisanfrage muss an mehrere mögliche Gegenparteien gehen, und die preisanfragende Partei muss von den möglichen Gegenparteien unabhängig sein. «Die Unabhängigkeit wird bei den marktüblichen FX-Management-Dienstleistungen der Depotbanken verletzt, weil auch die hauseigene Investment Bank als Gegenpartei zugelassen ist», sagt Ueli Mettler, Partner des Consultingunternehmens c-alm. Das heisst, der Kunde muss darauf vertrauen, dass in diesem Innenverhältnis wirklich faire Konditionen resultieren. Die Beteuerungen der Depotbank, dass mehrere Gegenparteien angefragt werden und die hauseigene Investment Bank den best-offerierten Preis unterbieten muss, um den Zuschlag zu erhalten, hält Mettler nur für schwer überprüfbar und damit nicht stichhaltig. Im Fall UBS hat sich das «blinde» Vertrauen für einige Kunden jedenfalls nicht ausbezahlt. Ihre Devisentransaktionen haben mehr Kosten verursacht als nötig. Welche Pensionskassen zu den geprellten UBS-Kunden zählen, ist offiziell nicht bekannt. Klar ist: «Die Stiftungsräte der beruflichen Vorsorge müssen aus den Ereignissen der Vergangenheit endlich die Konsequenzen ziehen», sagt Temel und fordert konkret auch Berater auf, mehr Verantwortung zu übernehmen. An Professionalität mangelt es nicht generell Berater Stephan Skaanes, Partner der Consultingfirma PPCmetrics, relativiert: «Viele Pensionskassen verfügen seit etlichen Jahren über einen unabhängigen FX-Overlay-Manager, der mit unterschiedlichen Gegenparteien handelt. Hier gibt es viele bekannte internationale und lokale Anbieter mit einer hervorra-

VERMÖGENSVERWALTUNG

genden Reputation.» Laut Skaanes delegieren auch viele Pensionskassen grosse Teile ihrer Devisentermingeschäfte an Vermögensverwalter, die oft unabhängig von der Depotbank sind. Zwischen der Pensionskasse und dem Vermögensverwalter besteht perfekte Interessensgleichschaltung, weil die Vermögensverwalter gegen einen Hedged-Benchmark gemessen werden und hohe Kosten sofort zu Performance-Abweichungen führen würden. Dennoch kommen verschiedene Währungsspezialisten zum Schluss, dass der UBS-Skandal kein Einzelfall ist: Vergleicht man die bei der Abrechnung der Währungstransaktionen verwendeten Wechselkurse mit solchen, die sich zur selben Zeit im Markt idealerweise hätten realisieren lassen, ergibt sich eine einseitig schiefe Verteilung zu Lasten der Auftraggeber (siehe Grafik unten). Und wenn die Devisengeschäfte zu relativ günstigen Kursen abgerechnet wurden, so zu meist ungünstigen Konditionen. Die Höhe der Spreads (Geld-/ Briefkurs) und der Marge sind oft nicht klar. Aufruf an kleine und mittlere PKs Das liegt in der Natur des FX-Geschäftes: Der faire Marktpreis zum Zeitpunkt der Ausführung ist nie bekannt. Auch das Monitoring von Forex-Kursen ist wegen fehlender oder ungenügender Information auf den Handelsbestätigungen erschwert. Sicher ist: Die Transaktionsanalysen einzelner Währungsspezialisten zeigen bei kleinen und mittleren Pensionskassen Einsparungspotenziale (siehe Ausgabe 14/2013). Die Ergebnisse sollten sich Pensionskassen zu Gemüte führen, da sie seit 2013 die

Vermögensverwaltungsaufwendungen gemäss Art. 48a BVV2 aufzeigen müssen. Das heisst, in der Betriebsrechnung müssen die Kosten für die Makler- und Brokertätigkeit ausgewiesen werden, weil sie die Anlage-Performance beeinflussen. Mit anderen Worten, wenn Potenzial für Kostenersparnis vorliegt, muss es wahrgenommen werden. Wenn also FX Best Execution, das heisst der Abschluss zum besten Marktpreis, mit dem Global Custodian oder der Depotbank nicht der Normalfall ist, dann muss nach Alternativen gesucht werden. Bankunabhängige FX Manager gibt es im Markt schon länger (beispielsweise Record Currency Management). «Einer Pensionskasse mit eigener Anlageverwaltung steht es zudem auch frei, das FX Management selbst beziehungsweise in direkter Zusammenarbeit mit einem Prime Broker abzuwickeln», sagt Berater Mettler von c-alm. Volumenunabhängiges DevisenPrime-Brokerage Seit Oktober 2014 seht das Angebot «FXBE I FX Best Execution» zur Verfügung, eine Kombination aus dem Best Execution der Quaesta Capital AG und dem FX Prime Brokerage der Zürcher Kantonalbank. «Normalerweise ist das FX Prime Brokerage Geschäft volumenabhängig» sagt Cengiz Temel von Quaesta Capital. Das heisst, dass ein FX Prime Brokerage erst dann umgesetzt werden kann, wenn das Handelsvolumen eine bestimmte Grösse hat. Dies sei bisher nur den grossen institutionellen Kunden vorbehalten gewesen. Mettler kommentiert: «Das Paket Quaesta

Capital als unabhängier FX Overlay Manager (=Auftraggeber) und die ZKB als Abwicklungspartner (Prime Broker) erfüllen grundsätzlich die beiden Bedingungen (Unabhängigkeit, Wettbewerb), die für Best Execution notwendig sind.» Operative Herausforderungen Für Stephan Skaanes, Partner PPCmetrics, sind zusätzlich operative Aspekte zu beachten: Wie fliessen beispielsweise Devisentermingeschäfte in das laufende Reporting des Kunden? Ein separates Reporting eines Anbieters nütze dem Kunden oft wenig, wenn er diese Daten mit Aufwand und Kosten dann daneben noch ins globale Reporting verbuchen/übernehmen muss, gibt Skaanes zu bedenken. Auch gelte es operationelle Risiken beispielsweise bei der Schnittstelle in die Wertschriftenbuchhaltung zu beachten. «Wir raten unseren Kunden nicht pauschal zu einer Lösung, sondern wir analysieren im Einzelfall, was für den Kunden am besten ist», so Skaanes. Wichtig sei vor allem, dass beim Kunden allfällige hohe FX-Kosten erkennbar sind. Schlechte FXAusführungen sind durch «richtiges Setzen von Benchmarks» und durch Stichprobenkontrollen ersichtlich. Gemäss seiner Erfahrungen verhält sich die überwiegende Mehrheit der Pensionskassen diesbezüglich sehr professionell: «Aussagen, dass hier flächendeckend hunderttausende von Franken gespart werden können, stehen wir deshalb mit einer gewissen Portion Skepsis gegenüber.» Susanne Kapfinger

Studie zeigt: FX Best Execution ist nicht der Normalfall Die theoretisch zu erwartende Kursverteilung müsste eine symmetrische Abweichung vom Mittelwert ergeben (obere Grafik). Der Vermögensverwalter Russell Investments hat 40 000 Transaktionen von institutionellen Investoren auf die Ausführungseffizienz untersucht. Die Messung zeigt eine asymmetrische Abweichung vom Mittelwert (siehe unten). Dies beweist die systematisch unvorteilhafte Ausführung von FX-Kundenaufträgen.

Quelle: Russell Investments

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POLITIK

Streitpunkt Gesamtpaket Altersreform Der Bundesrat hält an seinen Reformplänen fest, obwohl er von links bis rechts kritisiert wird. Berset will keine Reform-Häppchen, das Stimmvolk laut Umfrage auch nicht – die Bürgerlichen aber bleiben dabei: Es braucht verschiedene, überschaubare Reformpakete.

Alles oder Nichts: Trotz massiver Kritik hat der Bundesrat in der Botschaft keine Änderungen mehr vorgenommen. Bild: Keystone

Der Bundesrat hat dem Parlament sein definitives Projekt für eine Reform der Altersvorsorge vorgelegt. Sozialminister Alain Berset sieht nun Parteien und Organisationen in der Pflicht, eine mehrheitsfähige Lösung mitzutragen. Mit anderen Worten: Die Parameter sind gesetzt. Die Feinarbeit liegt jetzt bei den Parlamentariern. Sie müssen sich über die Details einigen, sich beweglich zeigen und bereit sein für Kompromisse. Die Frage, die es zu allererst zu klären gilt: Gesamtpaket oder Paketierung? Zwar erhält die Gesamtschau über die 1. und 2. Säule allseits Unterstützung, denn die Bevölkerung will wissen, wie hoch ihre gesamten Altersleistungen sind, so der allgemeine Tenor. Das Vorhaben, alle in der Borschaft vorgeschlagenen Reformpunkte gleichzeitig anzupacken, stösst jedoch auf bürgerlichen Widerstand. Befürworter und Gegner der Paketlösung Für FDP, SVP, Economiesuisse und den Arbeitgeberverband ist das Gesamtpaket kein gangbarer Weg. Aus Sicht der FDP ist das Festhalten am gewählten Weg «unverständlich», stattdessen wäre eine Priorisierung sowie eine Portionierung der Massnahmen notwendig. Gegen eine Aufsplittung sprechen sich die SP, CVP, die Grünen sowie die Gewerkschaften aus. Sie unterstützen den gesamtheitlichen Ansatz und erklären eine Portionierung als politisch chancenlos. Positiv äussern sich auch Pro Senectute und der Schweizerische Pensionskassenverband ASIP über die Richtungsentscheide des Bundesrates. Sie warnen aber, die verschiedenen Angriffe von links und rechts könnten die Vorlage als Ganzes gefährden. Dies sei angesichts der Notwendigkeit der Reformen dringend zu vermeiden. 4  AWP Soziale Sicherheit | 22/2014

Keine Einigkeit bei Politologen Dass die politischen Parteien in dieser Phase der Diskussion (noch) auf ihren Positionen verharren, ist normal. Das Aufeinanderzugehen ist das Ergebnis der politischen Beratungen, und hier wird es Kompromisse geben (müssen). Nicht nur die Politik vertritt unterschiedliche Positionen, auch in der Wissenschaft ist man sich uneins. Silja Häusermann, Politologin an der Universität Zürich, ist für die Vorsorgereform vorsichtig optimistisch: Zwar lägen die Extrempositionen weit auseinander, der Wille zur Reform sei aber grundsätzlich vorhanden. Mehrheitlich akzeptiert sei auch der Plan, die 1. und 2. Säule gemeinsam zu reformieren, stellt sie fest. «Entscheidend für den Erfolg an der Urne ist aber letztlich, ob die Reform als ausgewogen angesehen wird». Das Reformpaket müsse für die Bevölkerung neben Einschnitten auch Kompensationen vorsehen. Der Lausanner Universitätsprofessor Giuliano Bonoli hingegen vertritt die Meinung, dass es dem Bundesrat schwer fallen wird, im Parlament eine Mehrheit für die Vorlage zu finden, «weil die meisten Elemente des Projekts auch Verlierer schaffen werden». Gemäss einer gängigen Ansicht sei die AHV noch nicht in einer genügend dramatischen Lage, damit die Politik sich ihrer Probleme annehme, glaubt der Experte für Sozialpolitik. Erfolgschancen haben aus Sicht von Bonoli allerdings einige Elemente des Paketes. Er nennt das allgemeine Rentenalter 65 verbunden mit einer Flexibilisierung zwischen 62 und 70. Bevölkerung sagt «heute» Ja zur Reform Während Parteien, Verbände und Politologen das Reformpaket kritisieren, findet das Projekt im Volk derzeit eine Mehrheit, wie eine repräsentative Umfrage des gfs.bern zeigt. So sind 62% der Stimmberechtigten sehr oder eher einverstanden mit den Plänen des Bundesrates, 28% eher nicht oder gar nicht einverstanden. Zwar lag die Botschaft zum Zeitpunkt der Befragung noch nicht vor, aber die Kernelemente waren bereits bekannt. Unterstützt wird auch das Vorgehen: So teilt das Stimmvolk die Ansicht, dass ein Paket mehr Chancen hat auf eine politische Mehrheit als Einzelvorlagen. Die kleine Kammer wird die Rentenreform im kommenden Jahr als Erstrat behandeln. Beobachtern zufolge hat Berset gute Chancen, die Reform mehr oder weniger intakt durch den Ständerat zu bringen. Thomas Peterhans

Schweizer Anlagestiftung für Immobilienanlagen im Ausland

10 Jahre AFIAA Auslandsimmobilien – attraktive Portfolioergänzung AFIAA investiert seit 10 Jahren weltweit in solide Premium-Gewerbeliegenschaften an bester Lage. Langfristige Mietverträge sichern einen hohen stabilen Cashflow und überdurchschnittliche Gesamtkapitalrenditen. Steuerbefreiten schweizerischen Pensionskassen bietet AFIAA ein attraktives Anlageinstrument mit klarem Profil, um ihr Portfolio gezielt zu ergänzen. Der AFIAA Anlagestiftung für Immobilienanlagen im Ausland sind bis heute 35 Schweizer Pensionskassen angeschlossen, die zusammen ein Gesamtkapital von deutlich über CHF 100 Mia. verwalten. Aktuell umfasst das Portfolio 30 Direktanlagen mit nachhaltigem Wachstumspotential in Nordamerika, Europa und Australien. Das Gesamtanlagevolumen beträgt aktuell CHF 1.3 Mia.

AFIAA Anlagestiftung für Immobilienanlagen im Ausland Gartenhofstrasse 17 | 8004 Zürich | Schweiz Tel. +41 44 245 4944 | Fax +41 44 245 4949 | [email protected] | www.afiaa.com Bild: Neues AFIAA-Objekt Espace & Explorer, Lissabon, Portugal

Bild: Keystone

VegüV umgehen, leicht gemacht Vergütungsverordnung (VegüV) Stiftungsräte müssen ab 2015 neue Pflichten übernehmen: Die Stimm- und Offenlegungspflicht. Nun werden die internen Reglemente umgeschrieben. Da die VegüV aber nur bei direktem Aktienbesitz Anwendung findet, kann man sich den Pflichten durch eine Hintertür entziehen. Das Jahr ist fast vorbei. Das heisst: Die Jahresabschlüsse stehen an. Diese sind neu mit zusätzlichem Aufwand verbunden. Ab 2015 muss die VegüV umgesetzt werden. Die Verordnung gegen übermässige Vergütungen in börsenkotierten Aktiengesellschaften (VegüV) ist am 1. Januar 2014 in Kraft getreten und kommt ab 1. Januar 2015 zur Anwendung. Die VegüV ist eine Übergangs-Verdordnung, die in Kraft bleibt, bis das Parlament die Umsetzung der Minder-Initiative auf Gesetzesebene geregelt hat. Die VegüV bringt einerseits neue Aktionärsrechte: Dazu zählen die jährliche und individuelle Wahl der VR-Mitglieder, Abstimmungen über die Vergütung des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung sowie die Definition neuer Statuten zur Umsetzung der Minder-Initiative. Andererseits entstehen den Vorsorgeeinrichtungen (VE), die dem Freizügigkeitsgesetz unterstellt sind, in diesem Zusammenhang neue Pflichten: Die Stimm- und Offenlegungspflicht. Vier zwingende Regelungen Bis 1.1.2015 müssen die betroffenen VE regeln, wie sie ihre Stimmrechte im Interesse der Versicherten wahrnehmen und ihr Stimmverhalten gegenüber den Versicherten offenlegen wollen. Aus Sicht des Pensionskassenverbandes Asip sind die folgenden Punkte zwingend zu regeln: • Beschlussfassung über Grundsätze zur Wahrnehmung der Stimmrechte 6  AWP Soziale Sicherheit | 22/2014



Entscheidungsprozess bezüglich konkreter Wahrnehmung der Stimmrechte (insbesondere bezgl. Stimm- und Wahlpflicht und der massgebenden Traktanden gemäss VegüV) • Prozess der Offenlegung (Berichterstattung gegenüber den Versicherten) • Anpassung allfälliger «Securities Lending»-Bestimmungen (z.B. Rückruf von ausgeliehenen Wertpapieren für den Zeitpunkt der GV). «Wir empfehlen, diese Punkte formell zu beschliessen und im Anlage- oder allenfalls Organisationsreglement zu konkretisieren», sagt Hanspeter Konrad, Direktor Asip. Der Asip fordert die Vorsorgeeinrichtungen schon seit Jahren auf, ihre Stimmrechte wahrzunehmen. Um die VE bei der Umsetzung der Stimmrechtsausübung zu unterstützen, führt der Asip seit 2005 eine Angebotsübersicht der professionellen Aktionärsdienste in der Schweiz, welche laufend aktualisiert wird. Nun hat der Verband auch eine Umsetzungshilfe veröffentlicht. Sie enthält mögliche Reglementsbestimmungen, ergänzt mit einem Kommentar. Aber auch die regionalen BVG- und Stiftungsaufsichtsbehörden betreiben Aufklärungsarbeit. So wurde zum Beispiel Dominique Biedermann, Direktor Stiftung Ethos, nach Bern eingeladen, um am BVG-

Seminar der bernischen Aufsichtsbehörde über das Thema zu referieren: Die Pensionskassen stehen in der Verantwortung mitzuhelfen, übermässige Vergütungen zu vermeiden, da sie laut Biedermann einen bedeutenden Stimmanteil besitzen. Pensionskassen besitzen zirka 7% der Schweizer Börsenkapitalisierung. 2013 betrug die Beteiligung an den grossen schweizerischen Generalversammlungen im Durchschnitt 60%. «Wenn alle Pensionskassen ihre Stimmrechte ausüben, repräsentieren sie etwa 12% der vertretenen Stimmen», sagt Biedermann. Damit können Pensionskassen etwas im Interesse der Aktionäre bewirken. Praktische Umgehungsmöglichkeiten Offen bleibt, ob für kleine und mittlere VE der Aufwand zur Wahrnehmung der Stimm- und Offenlegungspflichten nicht zu gross ist. Das kann dazu führen, dass sie ihre Aktienpositionen verkaufen. Da bei indirekt gehaltenen Schweizer Aktien keine Stimm-pflicht besteht, liegt die Versuchung nahe, direkten Aktienbesitz durch ein indirektes Aktienportfolio zu ersetzen. Da aber indirekte Anlagen teurer sind wie Direktanlagen, würde dies dazu führen, dass die Vermögensverwaltungskosten kleiner und mittlerer VE steigen. Trotzdem wird das Ausweichen auf indirekte Anlagevehikel in so manchem Stiftungsrat ernsthaft geprüft. Das ist sicher nicht im Sinne der VegüV, könnte aber im Interesse der Versicherten sein. Susanne Kapfinger

PUBLIREPORTAGE

Droht Europa ein Japanszenario? Ähnliche Parallelen – Raschere Bankenrestrukturierung spricht aber gegen Deflation in Europa Unternehmen ausserhalb des Finanzsektors das Überleben sicherte. Erst 2003 hat sich Japan dazu entschieden, die Altlasten mit einem «Bad-Bankenansatz» aus dem Weg zu räumen. Fast zum Nulltarif setzte die japanische Regierung grosse Konjunkturprogramme auf, um die Nachfragelücke zu füllen, die durch den Schuldenabbau entstanden war. Die expansive Fiskalpolitik verhinderte eine deflationäre Spirale und trieb die Staatsverschuldung in die Höhe.

Urs Brunner, Marktstrategie Rahn & Bodmer Co.

In Anbetracht der Wachstumsschwäche in Europa und der damit wieder aufkeimenden Risiken wird die Debatte über die längerfristigen Perspektiven anhalten. Besonders mit Blick auf die Deflationsgefahren wird immer wieder auf Parallelen zu Japan nach dem Platzen der Immobilienblase zu Beginn der 90er Jahre hingewiesen. Die Ursachen und Parallelen zwischen Japan damals und Europa heute sind zwar in einigen Punkten recht ähnlich, die Probleme in Europa sind aber bei weitem nicht so ausgeprägt wie sie in Japan waren. Nach den Krisen, die im Grunde genommen in beiden Fällen den Auswirkungen der zu expansiven Notenbanken bzw. des zu billigen Geldes zuzuschreiben waren, sahen sich sowohl Japan als auch Europa mit einem überdimensionierten und geschwächten Bankensystem konfrontiert. Japan hat das Problem der «Zombie-Banken» lange Zeit nicht gelöst. Etwa ein Viertel der japanischen Bankaktiva war notleidend und die Notenbank sowie die Regulatoren kehrten die Probleme unter den Tisch. Die faulen Kredite wurden nicht abgeschrieben, was den «Zombie-Banken», aber auch vielen nicht mehr existenzfähigen

Im Unterschied zu Japan hat Europa die Probleme erkannt Europa strebt mit höheren Kapitalerfordernissen (Basel III), dem Bankenabwicklungsmechanismus, der europaweiten Bankenaufsicht und einem jährlichen Bankenstresstest eine Gesundung des Bankensektors an. Damit werden auch die Voraussetzungen für eine ausreichende Kreditversorgung in den Peripherieländern Europas geschaffen. Die wichtigen Eckpfeiler der Bankenrestrukturierung sind zwar eingeschlagen, die Genesung wird aber noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Die Bedeutung einer raschen Bankensanierung haben die skandinavischen Länder Anfang der 90er Jahre unter Beweis gestellt, als die Banken nach dem Platzen der Immobilienblase radikal rekapitalisiert wurden, sodass sich die Konjunktur rasch wieder erholte. Gleichgelagert sind auch die demografischen Probleme, die die Gesamtnachfrage beeinträchtigen: Sowohl in Japan als auch in Europa weist die Bevölkerung einen rückläufigen Trend und eine fortschreitende Überalterung auf. Letztere misst man üblicherweise mit der Altersabhängigkeitsquote, d.h. der Quotient der über 65-Jährigen zu den Erwerbsfähigen. Dieser steigt in Japan stark an und wird in rund 5 Jahren die Schwelle von 50% erreichen, während die Überalterung in Europa weniger ausgeprägt ist. Japan steht damit vor schier unlösbaren Vorsorgeproblemen. Auch Europa wird diese Entwicklung zu spüren bekommen, dies allerdings bei weitem nicht so stark wie Japan. Insgesamt ist die Gefahr einer Deflation in Europa zwar noch nicht gebannt, die ausschlaggebenden Gründe für eine lange Deflationsphase sind in Europa aber deutlich weniger evident.

Demografische Entwicklung im Vergleich (Projektionen der UNO) Altersabhängigkeits-Ratio*

Bevölkerungswachstum (indexiert 2010=100)

80 *Quotient über 65-Jährige/ Erwerbsfähige (15-64-Jährige)

125

70

60 Japan

100

50 Europa 40

China

75

USA

30

Indien 20

50

10

0

1950

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25 1950

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KRANKENVERSICHERUNG

Mehr Pflegeausgaben pro Kopf BFS Aktuell Die neue Spitex-Statistik zeigt ein klares Bild: Der Gesamtaufwand pro Klient wächst konstant weiter. Neu ist, dass durch die Neuordnung der Pflegefinanzierung neben den Krankenversicherungen auch die öffentliche Hand und die Klienten für die Kosten aufkommen müssen. Im Jahr 2013 wurden in der Schweiz 261 408 Personen von der Spitex gepflegt und betreut. Dies entspricht laut aktueller Spitex-Statistik des Bundesamtes für Statistik (BFS) knapp 3,2% der Gesamtbevölkerung. Drei Viertel der Klienten sind 65-jährig und älter und beanspruchen 82% der verrechneten Stunden für SpitexLeistungen. Mehr als die Hälfte der verrechneten Stunden werden für über 80-Jährige erbracht (siehe Grafik 1). Pro Jahr beziehen die 80-Jährigen und älteren Klienten durchschnittlich 60 Stunden Spitex-Leistungen, die unter 65-Jährigen 39 Stunden. Die insgesamt 17,9 Mio verrechneten Stunden wurden zu 66% für pflegerische Leistungen, zu 30% für hauswirtschaftliche/sozialbetreuerische Leistungen und zu 4% für weitere Leistungen (Sozialdienste, therapeutische Dienstleistungen, Fahrdienste, Notrufsysteme usw.) eingesetzt. Ohne Spitex läuft kaum etwas Das BFS erfasst in der «Statistik der Hilfe und Pflege zu Hause» seit 2010 nicht nur die gemeinnützigen Unternehmen (Spitex), sondern auch die privatwirtschaftlichen Unternehmen und selbstständigen Pflegefachpersonen. Von den 1 566 Leistungserbringern, die an der Erhebung teilgenommen haben, waren 37% gemeinnützige Unternehmen, 19% erwerbswirtschaftliche Unternehmen und 44% selbstständige Pflegefachpersonen.

Grafik 2: Hilfe und Pflege zu Hause – Aufwand und Ertrag (2001-2013)

Der Pro-Kopf-Aufwand für eine im eigenen Haushalt gepflegt Person nimmt seit 2001 stetig zu. In 2013 betrug der Gesamtaufwand pro Klient 7 390 CHF, womit der Gesamtaufwand gegenüber 2001 um 2 716 CHF stieg. Quelle: Bundesamt für Statistik

Bezüglich Leistungsvolumen (in Vollzeitäquivalent-Stellen gerechnet) wurden rund 85% von den gemeinnützigen Unternehmen erbracht, 13% entfallen auf die erwerbswirtschaftlichen Unternehmen und 2% auf die selbstständigen Pflegefachpersonen. Relativ geringer Gesamtkostenanteil Der Gesamtaufwand beläuft sich auf 1,93 Mrd Franken, was ungefähr 2,8% der totalen Kosten des Gesundheitswesen entspricht. Zwischen 2001 und 2013 erhöhte sich der Gesamtaufwand pro Klient relativ konstant von 4 674 CHF im Jahr 2001 auf

Grafik 1: Spitex-Leistungen – Klienten und Stunden nach Altersklasse

Mit zunehmendem Alter steigt die Beanspruchung von Hilfe und Pflege zu Hause. Nur ein Viertel der Klienten sind unter 65 Jahren und sie beanspruchen knapp 20% der verrechneten Stunden für Spitex-Leistungen.

Quelle: Bundesamt für Statistik

8  AWP Soziale Sicherheit | 22/2014

7 390 CHF im Jahr 2013 (siehe Grafik 2). Auch der Gesamtertrag zeigt eine kontinuierliche Zunahme mit einem aussergewöhnlichen Wachstum von 34% im Jahr 2011 von 3 569 Franken auf 4 785 Franken. Dies ist laut BFS die Folge der Neuordnung der Pflegefinanzierung: Zusätzlich zur Abdeckung der Pflegekosten durch die obligatorische Krankenversicherung beteiligen sich seit 2010 an den Pflegekosten auch die Klienten sowie die Kantone und Gemeinden. Wichtige Rolle der öffentlichen Hand Der Gesamtertrag von 1,950 Mrd CHF stammt zum grössten Teil (66%) aus den erbrachten Dienstleistungen und zu 31% von der öffentlichen Hand. Die restlichen 3% sind Mitgliederbeiträge, Spenden oder Kapitalerträge. Dabei fliessen die Beiträge der öffentlichen Hand (Kantone und Gemeinden) fast ausschliesslich in die Kassen gemeinnütziger Unternehmen. Insgesamt bezahlten die Kantone und Gemeinden 846,8 Mio CHF für die Spitex-Leistungen. Dies sind 7% mehr als im Jahr 2012. Die Pflegeleistungen (1,01 Mrd Franken) werden mit 712,2 Mio CHF von den Versicherern finanziert. Die Kantone und die Gemeinden übernehmen 236,2 Mio CHF, aber das Finanzierungssystem der öffentlichen Hand ist nicht in allen Kantonen einheitlich geregelt. Susanne Kapfinger

POLITIK

Wohnraum in einigen Gemeinden absichtlich vernichtet wurde, um Armutsbetroffene fern zu halten. Das Hin- und Herschieben von benachteiligten Menschen zwischen den Gemeinden wird durch kleinräumige Wohnpolitiken begünstigt. Verantwortlich für die Verknappung des preisgünstigen Wohnraums ist auch der stetig wachsende Bedarf an Wohnfläche pro Person. So hat die durchschnittliche Wohnfläche pro Person innerhalb der letzten 20 Jahre um fünf Quadratmeter zugenommen.

Bild: Keystone

Günstig wohnen: Kantone in der Pflicht Armutspolitik Caritas fordert von den Kantonen zur Armutsbekämpfung neue Konzepte in der Wohnpolitik. Das Ziel: Die Erstellung von preisgünstigem Wohnraum. Caritas hat ihre jährlichen Beobachtungen zur Armutspolitik vorgelegt. Sie sind dieses Jahr dem Zusammenhang von Wohnen und Armut gewidmet. Basis des Berichts ist eine Umfrage bei allen Kantonen. Fazit: Nur eine Minderheit der Kantone betreibt eine aktive Wohnpolitik, die darauf abzielt, entweder Armut zu verhindern oder Armut zu bekämpfen. Wohnen als Element der Armutspolitik 590 000 Menschen sind in der Schweiz aktuell von Armut betroffen, über eine Million ist von Armut bedroht. Viele dieser Menschen leben in prekären Wohnsituationen oder riskieren aufgrund hoher Wohnkosten in die Armut abzurutschen.

Eine Analyse des Bundesamtes für Statistik (BFS) zu den Einkommen und Lebensbedingungen in der Schweiz kommt zum Schluss, dass rund 6% aller Schweizer in einer überbelegten Wohnung leben. Eine Wohnung gilt gemäss BFS dann als überbelegt, wenn unter Berücksichtigung der Haushaltsgrösse sowie des Alters und der familiären Situation der Bewohner eine Mindestzahl von Räumen unterschritten wird. Dies ist der Fall, wenn beispielsweise eine Einzelperson oder Paare ohne Kinder über weniger als zwei Räume oder Paare mit zwei Kindern unter zwölf Jahren über weniger als drei Räume verfügen. Besorgt nimmt die Caritas zur Kenntnis, dass in den letzten Monaten günstiger

Fehlende Konzepte der Kantone Der Zusammenhang von Wohnen und Armut wird selten konzeptionell angegangen. Caritas hat die in den Kantonen üblichen Strategien im Bereich Wohnen und Armut untersucht: Mit Basel-Stadt besitzt nur ein einziger Kanton eine Strategie, die Wohnen und Armut explizit verbindet. Zehn Kantone haben den Zusammenhang zwar erkannt und die Problematik aufgegriffen, sind aber noch weit von einer kantonalen Strategie entfernt. Zehn Kantone fördern höchstens den preisgünstigen Wohnungsbau und leisten punktuelle Subjekthilfe. Fünf Kantone sind im Bereich Wohnen und Armut gar nicht aktiv. Um armutsgefährdeten Menschen preisgünstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen und Armutsbetroffene gezielt zu unterstützen, braucht es deshalb kantonale Strategien, ist das Hilfswerk überzeugt. «Armut und Wohnen» müsse konzeptionell mit verbindlichen Zielen und Massnahmen sowie einer systematischen Überprüfung hinsichtlich ihrer Wirksamkeit angegangen werden. Caritas fordert die Kantone deshalb auf, Wohnen ganzheitlich als Armutsprävention und Armutsbekämpfung anzugehen. Das Ziel: Genügend sowie qualitativ guten und preisgünstigen Wohnraum zur Verfügung zu stellen, der für Armutsbetroffene erschwinglich ist. Susanne Kapfinger

Master/Diploma of Advanced Studies

MAS/DAS Pensionskassen Management Start 5. Lehrgang: 9. März 2015 Info-Veranstaltungen: 8. Dezember 2014 und 19. Januar 2015 17.15 Uhr im Au Premier, Zürich www.hslu.ch/pensionskassen, T +41 41 757 67 67, [email protected]

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ANLAGE AKTUELL

Anlage Aktuell

Sozialhilfe

Nicht realistisch bilanzierte Verpflichtungen – eine nebulöse Transparenz

Aargau: Quote bleibt trotz mehr Fällen stabil

Erinnern Sie sich an die Zeiten als Pensionskassen ihre Obligationen zum Nennwert in den Büchern hatten? Dies hatte den grossen Vorteil, dass Obligationen auf der Aktivseite und Renten auf der Passivseite der Bilanz nach demselben Prinzip bewertet waren. Bei fallenden Zinsen konnte der Marktwert der Obligationen aber deutlich über dem Buchwert liegen und so der Verkauf der Obligationen eine Sanierungsmassnahme darstellen. Umgekehrt führten steigende Zinsen dazu, dass der Bilanzwert den Marktwert deutlich überstieg. Die Nachteile des Buchwertprinzips überstiegen die Vorteile bei weitem, so dass mit der ersten BVG-Revision im Sinne der Transparenz konsequent auf Marktwertbewertung umgestellt wurde. Tempi passati? Auf der Aktivseite ja. Verpflichtungen können hingegen weiterhin zu «Nennwerten» bewertet werden. Wenn der technische Zinssatz für die Rentenbewertung zum Umwandlungssatz einer Kasse passt, wird das Altersguthaben «pari» (technisch neutral) in eine Rente umgewandelt. Auf diesem «Buchwert» (technischen Vorsorgekapital) der Rente schuldet die Kasse über die ganze Laufzeit den fixen «Kuponzins» (technischer Zinssatz) und bei einem «Verkauf» der Rente auf dem (Rückversicherungs-) Markt würde in der Regel ein erheblicher Buchverlust realisiert. Wäre die Belastung für die Kasse nun eine andere, wenn dieselbe Rente sofort zum «Marktwert» in die Bilanz genommen worden wäre? Natürlich nicht. Aber man hätte vielleicht sofort

erklären müssen, wer den Verlust trägt. Und das ist immer schwieriger, als ihn über viele Jahre zu «amortisieren». Gemäss Botschaft zur Reform der Altersvorsorge 2020 soll die Reduktion des Mindestumwandlungssatzes auf 6% die «intransparente Umverteilung zwischen Aktiven und Rentenbeziehenden verhindern». Schattenboxen im Nebel? Reduziert wird die Umverteilung allemal. Aber wie kann von einer vollständigen Verhinderung die Rede sein, solange keine klare Sicht herrscht? Wenn der neue Umwandlungssatz auf einer impliziten Rendite von 3,5% bis 4% abstellt, gleichzeitig aber festgestellt wird, dass die erwartete Rendite eines Portfolios mit Aktienanteil von 25% über die nächsten 20 (!) Jahre je nach Szenario zwischen 2,2% und 3,0% beträgt, sieht man eher die Nebelmaschine als den Scheinwerfer vor sich. Es ist unbestritten, dass es sich hierbei um eine Kompromisslösung handelt. Möglicherweise ist der angestrebte (wichtige) Schritt sogar der weiteste, den man wagen konnte, ohne am Ende sicher abgestraft zu werden. Aber solange wir uns im dichten Nebel bewegen, nützt alles Gestikulieren nichts. Zuerst muss Transparenz hergestellt werden, angefangen mit realistisch bilanzierten Verpflichtungen. Und dann kann objektiv diskutiert werden, welches Mass an Umverteilung im System erträglich, gewünscht oder auch unvermeidbar ist. Marco Jost, Leiter Actuarial Consulting Stephan Skaanes, Leiter Investment Consulting & Controlling PPCmetrics / www.ppcmetrics.ch

Arbeitsmarkt

Unternehmen bei AHV-Anmeldung entlasten Der Ständerat möchte Unternehmen bei der AHV-Administration entlasten. Er hat eine Motion von Paul Niederberger (CVP/NW) mit 26 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung angenommen. Dieser hält es insbesondere für unnötig, dass Unternehmen neu eintretende Arbeitnehmende innert Monatsfrist der Ausgleichskasse melden müssen. Der 10  AWP Soziale Sicherheit | 22/2014

Bundesrat will diese Frist nicht aufheben, weil die systematische Überwachung des Arbeitsmarkts seiner Ansicht nach für die Bekämpfung der Schwarzarbeit wichtig ist und die Meldung keine bedeutende administrative Erleichterung für die Unternehmen darstelle. Nun muss der Nationalrat über die Motion entscheiden. pet

Im Kanton Aargau haben letztes Jahr 12 750 Personen verteilt auf 7 762 Fälle Sozialhilfe bezogen. Gegenüber 2012 entspricht dies einer Zunahme von 3,3% bei den Fallzahlen und 4,4% bei den Personen. Die Sozialhilfequote bleibt dennoch unverändert bei 2,0% und liegt damit weiterhin deutlich unter der gesamtschweizerischen Quote von 3,1%. Dies zeigen die Resultate der Schweizerischen Sozialhilfestatistik des Bundesamtes für Statistik (BFS). Die Sozialhilfequote ist der Anteil der mit Sozialhilfe unterstützten Personen an der ständigen Wohnbevölkerung. Kinder im Vergleich stark betroffen Knapp ein Drittel aller Personen in der Sozialhilfe, und weiterhin die mit Abstand grösste Altersgruppe, sind die Kinder. Ihre Anzahl hat gegenüber dem Jahr 2012 um 6,4% zugenommen. Die Sozialhilfequote der Kinder im Kanton Aargau beträgt 3,3% und liegt damit deutlich über dem kantonalen Durchschnitt von 2,0%. Die stärkste prozentuale Zunahme bei den Personenzahlen gegenüber dem Vorjahr gibt es bei den 26- bis 35-Jährigen mit 8,3%. Bei den Personen zwischen 36 und 64 Jahren zeigt sich gegenüber 2012 eine Zunahme von 4,3%. Weniger Junge und Alte landen bei der Sozialhilfe Dagegen hat die Anzahl der 18- bis 25-Jährigen in der Sozialhilfe gegenüber dem Vorjahr etwas abgenommen. Ebenfalls zurückgegangen ist die Zahl der über 65-jährigen Personen. Diese erhalten seit dem 1.1.2013 erweiterte kantonale Ergänzungsleistungen zur AHV. Die Unterstützungsquote der Alleinerziehenden betrug letztes Jahr 14,4%, 0,5% mehr als 2012. Die Quote ist damit viel höher als jene von Paaren mit Kindern, wo sie 1,1% beträgt. Auch die Unterstützungsquote der Paare ohne Kinder ist mit 0,6% deutlich tiefer. Die Quote der Einzelpersonen, die allein in einem Haushalt leben, beträgt 3,9%. Letztes Jahr gingen 22,4% der Aargauer Sozialhilfebezüger von über 15 Jahren einer Erwerbstätigkeit nach. Dieser Anteil nahm gegenüber dem Vorjahr um 1,1% ab. Von den erwerbstätigen Personen waren etwa 40% regelmässig angestellt, die anderen rund 60% arbeiten unregelmässig oder sind noch in der Lehre. pet

VERMISCHTES

Säule 3a

Swiss Re

Ausbau geplant

Erwartete Prämienzunahme im Lebengeschäft

Der Bundesrat erhält den Auftrag, in einem Bericht zu erörtern, ob und wie die Säule 3a in Zukunft ausgeweitet werden könnte. Der Ständerat hat ein Postulat von Joachim Eder (FDP/ZH) stillschweigend überwiesen. Ziel ist es, den zunehmenden Pflegekosten im Alter zu begegnen. Die 3. Säule ist zwar in der Bundesverfassung verankert, ein Basisgesetz dazu gibt es allerdings nicht. Das hat unter anderem zur Folge, dass die steuerliche Begünstigung unklar ist und unterschiedlich gehandhabt wird. So werden beispielsweise die Bezüge aus der Säule 3a kantonal unterschiedlich besteuert. Der Bundesrat soll nun prüfen, ob und wie für die 3. Säule eine eigene gesetzliche Grundlage geschaffen werden kann. Dabei ist insbesondere vertieft abzuklären, ob das eigenverantwortliche Sparen zur Altersvorsorge auch für die Pflege im Alter eingesetzt werden könnte. Ein Vorsorgesparen zur Deckung von Pflegekosten, welche über die in der obligatorischen Krankenversicherung gedeckten medizinischen Leistungen hinausgehen, soll mit klaren Regeln zur steuerlichen Begünstigung, zu Aufbau und Sicherung, zur Verwendung sowie zur Vererbung der nicht vollständig verwendeten Gelder definiert werden. Der Bundesrat hat sich bereit erklärt, den Auftrag entgegenzunehmen. sk

Familienzulagen

Anspruch einschränken Der Ständerat will verhindern, dass für ein Kind zwei Mal Familienzulage bezogen werden kann, wenn ein Elternteil bei einer internationalen Organisation in der Schweiz arbeitet. Er hat ein Postulat von Liliane Maury Pasquier (SP/GE) stillschweigend überwiesen. Heute ist es möglich, dass der Ehemann einer internationalen Funktionärin der UNO Anspruch auf eine Familienzulage hat, auch wenn seine Ehefrau bereits von ihrer Arbeitgeberin eine entsprechende Leistung erhält. Der Bundesrat, der den Vorstoss ebenfalls zur Annahme empfohlen hatte, muss nun einen Bericht vorlegen, in dem die Unklarheiten im Familienzulagengesetz aufgezeigt werden. Diese sollen schliesslich beseitigt werden. sk

Kurt Karl, Chefökonom Swiss Re, rechnet 2015 mit steigenden Prämien. Bild: Keystone

Der Rückversicherer Swiss Re erwartet einen weiteren Anstieg der Versicherungsprämien in den nächsten beiden Jahren. 2015 dürften die Prämien im Lebenversicherungsgeschäft weltweit um 4,3% wachsen, während sie im Nicht-Lebengeschäft um 2,8% zulegen dürften. Das Anziehen der Weltwirtschaft treibe das Wachstum der Versicherungsprä-

mien an, vor allem in den aufstrebenden Märkten, sagt Swiss Re-Chefökonom Kurt Karl in London. Aber die Profitabilität bleibe wegen der tiefen Zinsen eine Herausforderung. In der Lebensversicherung dürfte sich das Prämienwachstum von derzeit 4,8% auf 4,3% im Jahr 2015 verlangsamen. Allerdings ist dies deutlich mehr als im vergangenen Jahr, als die Prämien weltweit um ein halbes Prozent gesunken waren. Die Verlangsamung geht auf das Konto der Industrieländer, wo die Prämien 2015 lediglich um 3% zulegen dürften nach 3,9% in diesem Jahr. In den aufstrebenden Ländern werde sich dagegen das Wachstum von 9,1 auf 10,4% beschleunigen. Bei den Rückversicherungen bleibt das Prämienwachstum nach Ansicht der Swiss Re schwächer als bei den Erstversicherungen. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass in China weniger Rückversicherungsdeckung verkauft werde und die Preise in der Rückversicherung für Katastrophenschäden unter Druck blieben. sk

Pensionskasse BVK

Gerechter Urteilsspruch Der frühere CS-Bankdirektor Alfred Castelberg hat mittels falschen Börsenkursen die Pensionskasse BVK des Kanton Zürich und die Gebäudeversicherung um rund 15 Mio CHF geprellt. Das Bezirksgericht hat Castelberg wegen mehrfachen sowie gewerbsmässigen Betrugs und Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von weiteren vier Jahren verurteilt. Drei weitere CS-Angestellte wurden wegen Gehilfenschaft zu bedingten Geldstrafen verurteilt. Das eröffnete Urteil ist eine Zusatzstrafe zu einem bereits rechtskräftig gewordenen Urteil. Der Gerichtsvorsitzende Sebastian Aeppli sprach von einem erheblichen Verschulden Castelbergs, der eine grosse Anzahl von betrügerischen Handlungen ausgeführt und dabei einen hohen Schaden angerichtet habe. Eine Opfermitverantwortung der BVK verneinte das Gericht ausdrücklich. Aufgrund des erhöhten Vertrauens in die täuschende Bank hätten die Geschädigten die Machenschaft nicht durchschauen können. sk

Impressum Herausgeber Hansjürg Saager Atlas-Service AG, Zürich Redaktion Susanne Kapfinger (sk), Thomas Peterhans (pet) AWP Soziale Sicherheit Sihlquai 253, 8005 Zürich 043 960 59 79 [email protected] www.soziale-sicherheit.ch Marketing Hügli Kommunikation Häisiwil 122, 4917 Melchnau BE 062 923 73 35 [email protected] Abonnemente Anita Dürst, Atlas-Service AG Postfach 282, 8044 Zürich 044 265 28 00 [email protected] Herstellung Triner AG 6431 Schwyz www.triner.ch

22/2014 | AWP Soziale Sicherheit 11

istfunds.ch

Erfahrung bedeutet für uns, dass die Qualität unserer Produkte und Services höchsten Ansprüchen gerecht wird. Wie in der Natur gilt es auch in der Personalvorsorge, Erfahrungen zu nutzen. Schon seit über 45 Jahren bieten wir als erstes und grösstes von Pensionskassen gegründetes Schweizer Kompetenzzentrum für die 2. Säule hochwertige Vorsorgeprodukte und Dienstleistungen durch

ausgewiesene Fachexperten an. Unser Erfahrungsschatz gepaart mit einem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein bildet die Basis für nachhaltigen Erfolg. IST – unabhängig und kompetent