AWP Soziale Sicherheit Erscheint alle 14 Tage

43 . JAHRGANG | 05. OKTOBER 2016 | NUMMER 18 AWP Soziale Sicherheit Erscheint alle 14 Tage AV2020 Schweizer sind bei Vorsorgefragen nicht doof Nich...
Author: Claus Schuster
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43 . JAHRGANG | 05. OKTOBER 2016 | NUMMER 18

AWP Soziale Sicherheit Erscheint alle 14 Tage

AV2020

Schweizer sind bei Vorsorgefragen nicht doof Nicht unerwartet weicht der Nationalrat in der Debatte zur Altersreform vom ständerätlichen Kurs ab: Er will das Rentenalter auf 67 Jahre erhöhen, sobald die AHV in finanzielle Schieflage gerät. Einen Zuschlag auf den AHV-Renten lehnte er ab. Zudem strich er die Witwenrenten zusammen. Appell an den Ständerat Die Reform der Altersvorsorge muss gelingen. Das sehen alle Beteiligten ein. Der Nationalrat ist bei der Behandlung der Reform «Altersvorsorge 2020» weitgehend den Anträgen seiner vorberatenden Kommission gefolgt. Er hat damit einerseits wichtige Entscheide des Ständerates bestätigt, anderseits aber auch verschiedene Differenzen geschaffen. Entscheidend ist nun, dass die Differenzbereinigung zu einem mehrheitsfähigen Gesamtpaket führt. Schade, weil der Nationalrat mit seinen Vorschlägen richtig liegt. Der Sicherungsmechanismus zur Finanzierung der AHV ist clever erdacht. Und die AHV-Rente auf dem heutigen Niveau zu belassen, ist vernünftig, wenn man keine Beitragserhöhung in Betracht zieht. Wichtig: Das vorgesehene Mehrwertsteuer-Prozent ist ein Demografie-Prozent und darf nicht für Erhöhungen des Leistungsniveaus missbraucht werden. Das wäre eine Zweckentfremdung. Da eine Erhöhung der AHV-Beiträge nicht zur Diskussion steht, muss auch nicht über eine Leistungserhöhung gestritten werden. Diese vom Nationalrat vorgeschlagenen Massnahmen sind vernünftig. Die Frage bleibt, wie vernünftig der Ständerat darauf reagiert und wieviel Vernunft man dem Stimmvolk zutraut.

AHV-Zuschlag nicht erwünscht Zuerst zum Stimmvolk: Schweizer haben in der Vergangenheit ein gutes Gespür gezeigt, zu erkennen, welche Massnahmen möglich und machbar sind. Die Ablehnung der AHVplus-Initiative hat dies deutlich gezeigt. Eine Erhöhung des Leistungsniveaus ist ohne Beitragserhöhung nicht machbar. Das Umlageergebnis ist seit 2015 negativ. Und die roten Zahlen werden fortgeschrieben bis vielleicht einmal ein zusätzliches Mehrwertsteuer-Prozent zu Mehreinnahmen führt. In der 2. Säule ist die Ausgangslage schwierig: Die Senkung des Umwandlungssatzes wurde in der Vergangenheit mehrmals abgelehnt. Doch seit der letzten Abstimmung hat sich einiges bewegt, auch das Problembewusstsein der Stimmbürger dürfte geschärft sein. Man darf sich hier nicht an Stimmergebnisse der letzten Jahre klammern. Stichwort: Die Umverteilung von Jung zu Alt nimmt zu – unter anderem auch wegen teils unterschiedlicher Verzinsungen der Alterskapitalien. Damit fühlen sich auch die älteren Generationen nicht wohl. Senkung trifft nicht alle gleich Die geplante Senkung des Mindestumwandlungssatzes trifft zudem nicht alle gleich stark. Je stärker der überobligatorische Teil im Altersvermögen, desto schwächer wirkt sich die Senkung des BVG-Umwandlungssatzes auf die Rente aus. Die volle Wirkung der Senkung spüren nur Versicherte der BVG-Kassen. Die Mehrheit der Kassen ist aber umhüllend. Das müsste in der ständerätlichen Diskussion stärker berücksichtigt werden. Einige Kassen mit Überobligatorium haben überdies ihre Umwandlungssätze bereits gesenkt. Die Versicherten verstehen die Auswirkungen der Negativzinspolitik der Nationalbank, weil sie als Privatanleger ebenfalls davon betroffen sind. Dass infolge auch die Anlagezinsen niedrig ausfallen und die Umwandlungssätze angepasst

werden müssen, ist nachvollziehbar. Vor diesem Hintergrund muss man auch die Erhöhung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 wie vom Nationalrat vorgeschlagen sehen: Das Verständnis dafür steigt. Dies, weil die Renten aus der beruflichen Vorsorge tendenziell sinken. Dann ist es naheliegend länger zu arbeiten, um das gewünschte Leistungsniveau noch zu erreichen. Nun muss der Ständerat vernünftig sein und von seinem AHV-Zuschlagsvorschlag absehen: Das Stimmvolk braucht keinen Deal, sondern eine zukunftsfähige Lösung. Dazu gehört kein AHV-Zuschlag. Susanne Kapfinger ist Ökonomin und leitet die Redaktion AWP Soziale Sicherheit

INHALT 1. Säule Mehreinnahmen der AHV

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Die AHV braucht Produktivitätswachstum. Weil durch höhere Löhne die AHV-Einnahmen steigen. 2. Säule 1e-Plan: Mögliche Umsetzung 4 Die geplante FZG-Revision erhöht die Anforderungen an Versicherte wie Pensionskassen. Krankenversicherungen Hoffnung: eHealth

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Die Digitalisierung bietet Chancen Gesundheitsleistungen günstiger anzubieten. Dazu braucht es aber Leitplanken. Ergänzungsleistungen Kritik an der EL-Reform Gemeinden und Kantone fordern Leistungskürzungen.

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1. SÄULE

Bild: Pixabay.com

Produktivitätswachstum: Ein wichtiger Treiber für Mehreinnahmen in der AHV Bildung, Forschung und Innovation (BFI) haben nicht viel mit der Finanzierung der AHV zu tun. Irrtum: Innovationen erhöhen die Produktivität einer Wirtschaft. Und je höher die Produktivität, desto höher das Lohnniveau und desto mehr Einnahmen fliessen in den AHV-Ausgleichsfonds. Produktivität ist eine der Schlüsselgrössen der AHV. Es ist deshalb wichtig, die Weichen richtig zu stellen. Dazu gehört auch die BFI-Vorlage des Bundesrates.

Vor der AHV liegen schwierige Jahre. Die 1. Säule des Schweizer Altersvorsorgesystems hat 2015 zum zweiten Mal in Folge ein negatives Umlageergebnis erzielt. Sie hat im vergangenen Jahr 579 Millionen Franken mehr ausgegeben, als sie eingenommen hat – und in den kommenden Jahren dürfte sich diese Situation noch deutlich verschärfen. Diese Entwicklung ist hauptsächlich vom Faktor Demografie getrieben, aber auch von der Produktivität der Wirtschaft. Die Finanzierung der AHV hängt grundlegend von der Anzahl erwerbstätiger Beitragszahler, der Anzahl Rentner, der Höhe der Beiträge und von der Rentenhö2  AWP Soziale Sicherheit | 18/2016

he ab. Das Hauptproblem der mittel- bis langfristigen Finanzierung der AHV liegt darin, dass immer weniger Erwerbstätige für immer mehr Rentner aufkommen müssen. Dieses Verhältnis wird einerseits von der Lebenserwartung und andererseits von der Geburtenanzahl und der Migration beeinflusst. Grundsätzlich herrscht Konsens über die steigende Lebenserwartung in der Schweiz. Dieser Trend belastet die AHV-Ausgabenseite immer stärker. Die Einnahmenseite wächst zwar ebenfalls, aber weniger stark. So hat etwa die stete Zuwanderung von Arbeitskräften zu einem Bevölkerungswachstum von etwa 1% beigetragen und die AHV-Einnahmen

gestärkt. Die Entwicklung der Erwerbstätigen hängt nicht zuletzt von der Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative ab, da die Migration mehr als 80% zum Bevölkerungswachstum beiträgt. Schwaches Lohnwachstum Ein weiterer Treiber für Mehreinnahmen ist das Lohnwachstum. Die Nominallöhne in der Schweiz sind basierend auf den Daten des Bundesamtes für Statistik (BFS) im 2. Quartals 2016 gegenüber dem Vorjahr um 0,5% gestiegen. Die Lohnentwicklung hält sich damit in etwa auf dem Niveau der vorangegangenen Quartale. Daran düfte sich in Zukunft nichts ändern. Laut Herbst-

prognose der Credit Suisse werden die Löhne auch 2017 bloss um 0,5% steigen. Die nominellen Lohnerhöhungen in der Schweiz sind zuletzt angesichts fehlender oder gar negativer Inflation gering ausgefallen. Was kann getan werden, um diesen Trend zu stoppen oder umzukehren? Im OECD-Vergleich geringere Zunahme der Arbeitsproduktivität Der Lohn ist der Preis für Arbeit. Sein wichtigster Bestimmungsfaktor ist der Wert, der von dieser Arbeit geschaffen wird – beispielsweise berechnet in Franken pro Stunde. Dieser Zusammenhang ist statistisch belegt und hochsignifikant: Eine um ein Prozent höhere Arbeitsproduktivität führt im Durchschnitt zu einem Zuwachs des Bruttolohns von rund einem Drittel Prozent.

Investitionen in Forschung und Entwicklung sind gut für die AHV

Von 1991 bis 2014 wuchs die reale Arbeitsproduktivität der Gesamtwirtschaft laut BFS mit 1,2% pro Jahr. Während der Rezessionsphase zwischen 2008 und 2009 brach das Wachstum der Arbeitsproduktivität stark ein und stabilisierte sich nach 2011 auf einem tiefem Niveau bei rund 0,9%. Allerdings gab es auch produktivere Jahre: So konnte zwischen 2001 und 2008 die Arbeitsproduktivität zuerst langsam und ab 2003 markant gesteigert werden (2004: 3%). Alles in allem hat sich aber die Arbeitsproduktivität der Schweiz im OECD-Ländervergleich seit 1970 schwächer entwickelt als in anderen Industrienationen. Die Produktivität hängt von vielen Faktoren ab. Ein wichtiger Faktor sind Investitionen in Technik, Maschinen und Ausbildung. Genau diese Investitionen machen Arbeit produktiver. Je höher die Produktivität und die Arbeitsproduktivität im speziellen ist, desto höher sind die Löhne und damit auch die AHV-Beiträge. Neben der Bevölkerungsentwicklung ist die Produktivität auf der Einnahmenseite somit eine Schlüsselgrösse für eine ausgeglichene

Finanzlage der AHV. Vor diesem Hintergrund sind Förderungen von Bildung und Innovationen auch gut für die AHV. Aus allen politischen Lagern wird bestätigt, dass Bildung, Forschung und Innovation (BFI) der wichtigste Rohstoff unseres Landes sind. Denn: Keine Produktivitätssteigerung ohne Innovation. Und keine Innovationen ohne Bildung. SKO fordert mehr Investitionen in Forschung und Entwicklung Die gute Nachricht: Der Bund hat Massnahmen zur Förderung von Bildung, Forschung und Innovation in die Wege geleitet. Und mit der sogenannten BFI-Vorlage wird der Finanzierungsrahmen über die Jahre 2017 bis 2020 für die Förderung von Bildung, Forschung und Innovation diskutiert und beschlossen. Die schlechte Nachricht: Das vorgesehene BFI-Ausgabenwachstum soll markant unter den bisherigen Werten liegen. Diese Tatsache wurde von einigen Verbänden – wie der Schweizerischen Kaderorganisation SKO – kritisiert. Sie verlangen nun Korrekturen. Die beachtlichen Reduktionen des Mittelwachstums im Bereich BFI stehen in grossem Widerspruch zur Strategie des Bundes, die BFI-Ausgaben aufgrund ihrer grossen volkswirtschaftlichen Bedeutung prioritär zu behandeln. So ist in den aktuellen Legislaturzielen des Bundesrates festgehalten, dass die Schweiz in Bildung, Forschung und Innovation führend bleiben soll. Laut SKO braucht es deshalb Korrekturen zu Gunsten der Berufsbildung, des ETH-Bereiches, der kantonalen Universitäten und der Fachhochschulen. «Die Eidgenössischen Räte sind aufgerufen, die Bedürfnisse anzuerkennen und entsprechend die Anträge zu den Bundesbeschlüssen für Berufsbildung, ETH-Bereich und HFKG (Hochschulförderungs- und koordinationsgesetz) zu unterstützen, welche die Aufstockung der finanziellen Mittel um insgesamt bis zu 355 Millionen Franken zum Ziel haben», fordert die SKO. Die im Reformpaket AV2020 vorgeschlagenen Massnahmen zur Sicherung der AHV-Finanzierung sind wichtig. Ebenso wichtig ist es aber auch, die Finanzierung im weiteren Kontext zu betrachten. Und dazu gehören Investitionen in die Ausbildung. Jeder Effizienzsteigerung geht eine Investition voran. Das Schlimmste, das der Schweiz passieren könnte ist, dass die Arbeitsproduktivität das hohe Lohnniveau nicht mehr rechtfertigt. Susanne Kapfinger

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Anlageberatung und Vermögensverwaltung

2. SÄULE

1e-Plan ohne Garantie: Anleitung zur Umsetzung Die vom Bundesrat geplante Revision des Freizügigkeitsgesetzes (FZG) sieht bei 1e-Plänen keine garantierten Mindestaustrittsleistungen mehr vor. Die Rahmenbedingungen für Vorsorgepläne mit individuell wählbarer Anlagestrategie werden verbessert, die Anforderungen an Versicherte wie Pensionskassen steigen. Mercer-Experte André Tapernoux erklärt, worauf es ankommt.

Wo liegt dann noch der Unterschied für den Versicherten zwischen 1ePlänen und den Sparmöglichkeiten, die in der 3. Säule geboten werden? 1e-Pläne sind standardisierter als die dritte Säule. Insofern gibt es weniger Wahlmöglichkeiten. Dafür erwarten wir einen Skaleneffekt. Diese Pläne dürften billiger werden. Vernünftige Standards tragen dazu bei, dass der Versicherte der Gefahr widersteht, zu aggressiv oder zu konservativ anzulegen. Der Versicherte hat also weniger Wahl, kann dafür aber mehr Nettorendite erwarten, weil die Kosten tiefer sind und er mit den Standardanlagen längerfristig eine vernünftige Mehrrendite erzielen kann. Susanne Kapfinger

wohl elektronisch verwalten, was den Aufwand reduzieren wird. Sofern dies reibungslos funktioniert, dürften sich die zusätzlichen Aufwendungen in Grenzen halten.

André Tapernoux Pensionskassen-Experte bei Mercer (ehemals Leiter Risk-Management OAK BV)

Was ändert sich bei 1e-Plänen mit dem neuen FZG konkret? Jeder Versicherte kann zwischen mehreren Anlagemöglichkeiten wählen. Bei jeder Ein- oder Auszahlung oder jedem Wechsel der Anlagestrategie müssen Anteile zeitnah gekauft bzw. verkauft werden. Das ist deutlich aufwändiger und verlangt, dass sämtliche Wechsel wie Austritte oder Vorbezüge sofort gemeldet werden. Zudem trägt der Versicherte das volle Risiko und muss entsprechend informiert werden. Lassen sich die gestiegenen Anforderungen beziffern? Dazu ist noch zu früh. Die Mehrzahl der Versicherten wird ihr Portfolio in Zukunft 4  AWP Soziale Sicherheit | 18/2016

Wie werden sich sich die individuellen Möglichkeiten auf das Verhalten der Versicherten auswirken? Schon jetzt existieren Lösungen, die es dem Versicherten erlauben, jederzeit webbasiert auf sein Konto zuzugreifen und notwendige Änderungen vorzunehmen. Das bedeutet für den Versicherten einen gewissen Mehraufwand. Angesichts der Bedeutung der zweiten Säule ist es aber sicher sinnvoll, sich rechtzeitig mit seiner Altersvorsorge zu befassen und entsprechende Massnahmen zu treffen. Deshalb werden Anbieter je länger, desto mehr auch weitere Informations- und Simulationsmöglichkeiten einbauen, so dass jeder seine Situation evaluieren kann. Was heisst das für Pensionskassen? Pensionskassen werden sich damit befassen müssen, inwieweit sie individuelle Anlageberatung anbieten können und wollen. Dazu können sie auch auf elektronische Tools und externe Hilfe zugreifen. Führt dies zu einer gesplitteten (separaten) Verrechnung von Verwaltungskosten bei Pensionskassen? Dort, wo 1e-Pläne und normale Vorsorgepläne innerhalb einer Stiftung geführt werden, ist unseres Erachtens eine separate Verrechnung notwendig, da sonst auf Kostenseite Solidaritäten (und Risiken) entstehen. Bei der Qualifizierung von solchen Plänen als «defined contribution plans» unter internationaler Rechnungslegung ist eine Abgrenzung der Kosten sogar Bedingung.

Kaderpläne im Umbruch Das Schweizer Parlament hat beschlossen, die Garantie auf Austrittsleistungen für sogenannte 1e-Pläne aufzuheben. 1e-Pläne sind für Lohnteile ab 126 900 CHF p. a. möglich und überlassen dem einzelnen Versicherten die Wahl der Anlagestrategie. Neu sollen die Versicherten bei den Kaderplänen die vollen Anlageund Langleberisiken tragen: Es wird keine im Voraus garantierten Kapitalien oder Renten mehr geben. Neue Sicherheiten Der Bundesrat muss noch Verordnungen erlassen und die Gesetzesrevision in Kraft setzen. Bei der Umsetzung gilt es die Vor- und Nachteile solcher Pläne abzuwägen: So fällt zwar jede Sicherheit von Garantien bei 1e-Plänen weg. Dafür gibt es neue Sicherheiten, da der Versicherte Anrecht auf Fonds hat und nicht mehr nur auf ein virtuelles Konto. Ebenso bieten 1e-Pläne Schutz vor intergenerationellen Solidaritäten. Und sie ermöglichen eine höhere Nettoverzinsung. Gesteigerte Anforderungen Eine Deckelung von garantierten Renten ist auch sinnvoll, da Personen mit höheren Löhnen tendenziell länger leben. Somit wird eine Solidarität «von unten nach oben» vermieden. Die neue Regelung hat aber auch den Nachteil, dass 1e-Pläne eine hohe Anforderungen an die Versicherten und die Administration von Pensionskassen stellen. sk

2. SÄULE

Bei den PK-Leistungen fährt die SBB rückwärts Die zunehmende Digitalisierung und Konkurrenzangebote stellen die SBB vor Herausforderungen. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, muss sie kräftig sparen: Neben Stellenabbau sollen Sozialleistungen gekürzt werden. Eine Arbeitsgruppe im Stiftungsrat der Pensionskasse SBB diskutiert die Umsetzung.

Der Preisdruck auf die SBB wird immer grösser. Fernbusse und Billigflieger sind für SBB-CEO Andreas Meyer nur die Vorboten: Auch selbstfahrende Fahrzeuge werden kommen, ist Meyer überzeugt. Und derartige Konkurrenz-Angebote könnten in Zukunft bis zu 50% billiger werden. «Wir müssen handeln; wir können es uns nicht leisten, die Preise jedes Jahr zu erhöhen», sagt Meyer. Die Konsequenz daraus lautet Effizienz- und Produktivitätssteigerung. Rund 22 Milliarden Franken will die SBB bis 2020 in Rollma-

terial, Infrastruktur und neue Angebote investieren. Das funktioniert nur über ein Sparprogramm, das mit dem «RailFit»Projekt umgesetzt werden soll. 1,2 Milliarden will die SBB bis 2020 jährlich weniger ausgeben und gleichzeitig 1 400 Stellen streichen. Der Abbau bringt Einsparungen in der Höhe von 470 Millionen Franken. Trotzdem will die SBB nicht von einem Ab- sondern von einem eigentlichen Umbau sprechen. Denn gleichzeitig würden auch 200 neue Stellen geschaffen.

Einsparungen bei Risikobeiträgen Um die SBB für die Zukunft fit zu machen, werden jedoch alle SBB-Mitarbeitenden zur Kasse gebeten. Denn zum RailFitProgramm gehört auch ein Abbau der Sozialleistungen: Die Angestellten sollen in Zukunft die Hälfte der Risikobeiträge für die Pensionskasse selber übernehmen. Dadurch erhalten sie netto 0,8% weniger Lohn. Das Unternehmen würde damit rund 30 Millionen Franken pro Jahr sparen. Diese Massnahmen sind aber noch nicht in Stein gemeisselt. Die Gewerkschaft des Verkehrspersonal (SEV) zeigt sich erstaunt über die Ankündigung. Die SBB hat die Vereinbarung mit der Pensionskasse über Berufsinvalidität gekündigt, sagt SEV-Vizepräsident Manuel Avallone. Nun befürchtet der SEV, dass betroffene Angestellte einfacher entlassen werden können. Daneben steht auch die Aufteilung der Risikobeiträge zur Diskussion. Aber all das ist zur Zeit Thema in einer Arbeitsgruppe im Stiftungsrat der SBB-Pensionskasse zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern. Thomas Paul

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KRANKENVERSICHERUNG

ganz anderen Seite: Die Digitalisierung der Gesundheitsbranche wird das Pricing im Gesundheitsmarkt auf den Kopf stellen und zwar schnell. Die Experten des Beratungsbüros Roland Berger rechnen vor: Das weltweite Marktvolumen des digitalen Gesundheitsmarktes soll sich bis 2020 mehr als verdoppeln. Von 80 auf 200 Milliarden Dollar. Das durchschnittliche Wachstum läge dabei bei jährlich 21%. Diese Prognose deckt sich in etwa mit denen anderer Beratungsfirmen, wie Arthur D. Little oder Deloitte.

Bild: Pixabay.com

Hoffnung: eHealth sorgt für günstigere Leistungen Laut aktueller Studie soll der digitale Gesundheitsmarkt bis 2020 um rund 20 Prozent pro Jahr wachsen. Das wird den Wettbewerb unter den Leistungserbringern enorm verschärfen. Davon profitieren könnten auch die Versicherten durch günstigere Leistungen.

Es wurde bereits vermutet, doch jetzt ist es offiziell: Der Prämiendruck in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung erhöht sich 2017. Die Zahlen des Bundesamtes für Gesundheit sprechen eine deutliche Sprache. Die Standardprämie – die Grundversicherung einer erwachsenen Person mit 300 Franken Franchise und Unfalldeckung – steigt im nächsten Jahr um durchschnittlich 4,5%. Die Erhöhung variiert dabei je nach Kanton zwischen 3,5% und 7,3%. In den letzten zehn Jahren betrug das Wachstum der Standardprämie 6  AWP Soziale Sicherheit | 18/2016

im Durchschnitt ein Prozentpunkt weniger, nämlich 3,6%. Das Kostenwachstum im Gesundheitssektor beschleunigt sich. Ausgaben drosseln Die medizinische Grundversorgung kostet immer mehr. Deshalb sucht der Bund eifrig nach Massnahmen, die diese Kostenexplosion dämpfen könnten (siehe AWP Soziale Sicherheit Ausgabe 17). Dazu gehören auch Steuerungsinstrumente zur Begrenzung der Menge an medizinischer Leistungen. Es gibt aber auch Hoffnung von einer

Digitalisierung betrifft alle Die zahlreichen Gesundheitsstudien zeigen, dass alle Unternehmen, aber auch Ärzte, Apotheker, Patienten und Versicherungen vom digitalen Wandel im Gesundheitsmarkt betroffen sind. So entwickeln Pharmakonzerne zusammen mit grossen Technologieanbietern bereits heute neue Produkte, um die Wirkung ihrer Medikamente zu testen. Durch die digitale Auswertung von Gesundheitsdaten lässt sich eine individuelle Medikation des Patienten machen, ohne dass dafür Ärzte oder Apotheker konsultiert werden müssen. Für Firmen, die medizintechnische Geräte produzieren, liegt die Zukunft in der Vernetzung. Ein Datenaustausch zwischen verschiedenen Geräten und eine Echtzeitüberwachung können nach einer Operation Schwerpunkte für die Nachbehandlung identifizieren. Einige Patienten holen sich schon heute weltweit Ärztemeinungen über das Internet ein. Mit zusätzlichen Daten sind komplette Online-Diagnosen mit neuen Bezahl-Modellen denkbar. Staat übernimmt Koordination Apotheker werden mithilfe eines 3D-Druckers Medikamente mit personalisierter Dosierung herstellen. «Sensoren, wie zum Beispiel in Fitnessarmbändern (Wearables), verstärken die Möglichkeiten der direkten Kommunikation zwischen Versicherungen und Kunden in der Prävention, aber auch im Leistungsfall. Alternative Versicherungsmodelle, bei denen Kunden eine Patientensteuerung in einem gewissen Umfang erlauben, gewinnen dadurch weiter an Bedeutung», sagt Urs Arbter, Schweizer Partner und Versicherungsexperte bei Roland Berger. Auch Versicherungskonzerne und Gesetzgeber müssen sich auf die neuen digitalen Optionen einstellen. Der Bund hat dies erkannt und für die Umsetzung seiner eHealth-Strategie «eHealth Suisse» (siehe Kasten) beauftragt.

POLITIK

Konkurrenz wird härter «Gleichzeitig öffnen sich die Grenzen in der Leistungserbringung weiter, internationale Trends werden auch in der Schweiz rasch Fuss fassen», so Arbters Prophezeiung. Es entsteht aber auch mehr Wettberwerb durch branchenfremde Anbieter im Umfeld von Start-ups. Die neuen Marktteilnehmer erhöhen die Konkurrenz. Dies wird zu einem Preiskampf führen. Weil: Unterstützt durch die neuen Technologien erhalten branchenfremde Akteure heute Zugang zu Fachwissen, das bis dato nur die Branche selbst hatte. Neben Start-ups werden aber auch grosse Technologiekonzerne zu Mitbewerbern: Apple, Google und IBM melden Ansprüche in der digitalen Medizin an. Roche hat sich beispielsweise mit SAP verbündet, um gemeinsam Diabetes-Erkrankte zu überwachen. Sanofi hat sich auf diesem Feld mit Google vereint und Bayer sucht ebenfalls die Zusammenarbeit. Die Hoffnung: Die Digitalisierung führt zu erhöhter Effizienz und macht Gesundheitsleistungen günstiger. Doch es ist ebenso möglich, dass die neuen Angebote dazu führen, dass noch mehr Gesundheitsleistungen bezogen werden. Damit die Kosten nicht weiter steigen, braucht es neue Schranken. Die vom Bundesrat in die Wege geleiten Massnahmen sind dazu ein Anfang. Susanne Kapfinger

«eHealth Suisse» Das Koordinationsorgan des Bundes für die Umsetzung der eHealthStrategie, «eHealth Suisse», umfasst Vertreter des Bundes und der Kantone und Delegierte von Leistungserbringern, Versicherern, Patienten- und Konsumentenorganisationen sowie Datenschützer. Aktuell hat eine Arbeitsgruppe Empfehlungen für den Bereich «Mobile Health» erarbeitet. Verbessert werden sollen vor allem die Transparenz der auf dem Markt angebotenen Anwendungen (Apps). Zudem thematisiert das Papier die Nutzung von mobil erfassten Daten im Rahmen des ePatientendossiers. Der Bericht wird in einer Online-Anhörung zwischen dem 15. September und 11. Dezember 2016 vernehmlasst. Der Link für die Teilnahme an der Anhörung kann unter der Mailadresse [email protected] bestellt werden. sk

Ständerat will Kranken ans Portemonnaie Der Ständerat macht beim Thema Franchisen vorwärts. Zwar hat der Bundesrat per Mitte 2017 eine Gesamtschau in Aussicht gestellt, doch die kleine Kammer will nicht warten und erhöht die tiefsten Franchisen in der Krankenversicherung.

Die Ratslinke war chancenlos: Mit 31 zu 12 Stimmen hat der Ständerat einer Motion von Ivo Bischofberger (CVP/AI) zur Erhöhung der tiefsten Franchisen in der Krankenversicherung deutlich zugestimmt. Sagt auch der Nationalrat Ja, wird der Bundesrat beauftragt, das Krankenversicherungsgesetz anzupassen: Die Franchisen sollen regelmässig der Kostenentwicklung der Krankenversicherung angepasst werden, insbesondere die Standardfranchise von 300 Franken. Die Belastung der Prämienzahler sei stark angestiegen, argumentierte Bischofberger. Darunter leide vor allem der Mittelstand, der keine Prämienverbilligungen erhalte. Damit die Krankenversicherung bezahlbar bleibe, müsse die Eigenverantwortung gestärkt werden. Wegen Bagatelle zum Arzt Das Kostenwachstum werde dadurch verschärft, dass viele wegen Bagatellen einen Arzt aufsuchten, sagte Bischofberger. Auch würden Mehrfachuntersuchungen kaum hinterfragt. So würden Leistungen zu Lasten der solidarisch finanzierten Krankenversicherung beansprucht, die unnötig seien. «Wer selbst bezahlt, stellt die kritischeren Fragen.» Die Mehrheit des Ständerates ist demnach überzeugt, dass höhere Franchisen bei den Versicherten für ein grösses Kostenbewusstsein sorgen werden.

«Wer selbst bezahlt, stellt die kritischeren Fragen»

Zu spät zum Arzt Gegen den Vorstoss stellte sich die Ratslinke. Sie plädierte dafür, den angekündigten Bericht des Bundesrates zum Thema abzuwarten. Es brauche eine Gesamtschau, sagte Hans Stöckli (SP/BE). So müsse bei der Festlegung der Franchise auch geprüft werden, ob diese für erkrankte Versicherte tragbar sei. Weiter gab Stöckli zu bedenken, dass höhere Franchisen unter Umständen zu Mehrkosten führen könnten, weil die Leute zu spät ärztliche Hilfe in Anspruch nähmen. Er machte ausserdem geltend, die Kostenbeteiligung sei in den vergangenen Jahren gestiegen. Das betonte auch Gesundheitsminister Alain Berset. Der Eindruck sei falsch, dass die Standardfranchise nicht gestiegen sei. Der Bundesrat überprüfe diese regelmässig und erhöhe sie wenn nötig. In den vergangenen Jahren habe der Bundesrat die ordentliche Franchise zweimal angepasst. Mit 300 Franken liegt diese heute doppelt so hoch wie 1996. Die von den Versicherten geleistete Kostenbeteiligung sei seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes leicht stärker gestiegen als die von den Versicherern vergüteten Leistungen – und stärker als die Löhne, gab der Bundesrat zu bedenken. Die Kostenbeteiligung sei um 111 Prozent angestiegen. Im selben Zeitraum hätten sich die Nominallöhne um lediglich rund 24 Prozent erhöht. Keine kurzfristigen Änderungen Im Parlament gibt es weitere Ideen zu Änderungen bei der Franchise. Die Gesundheitskommissionen von National- und Ständerat möchten die Möglichkeiten für eine kurzfristige Änderung der Franchise einschränken: Wer sich für eine hohe Krankenkassen-Franchise, ein Hausarzt- oder ein HMO-Modell entscheidet, soll künftig mindestens drei Jahre dabei bleiben müssen. pet

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ERGÄNZUNGSLEISTUNGEN VERSICHERUNGEN

Sparbemühungen gehen zu wenig weit Der Bundesrat hat die Botschaft zur EL-Reform verabschiedet. Die vorgeschlagenen Massenahmen gehen aber einigen Vertretern von Gemeinden und Kantonen zu wenig weit. Das Problem ist das Reform-Ziel: Die Regierung will verhindern, dass Vorsorgegelder verschwendet und EL bezogen werden. Nicht rütteln will man aber am Leistungsniveau der EL. Das ist manchen Ausgleichkassen ein Dorn im Auge. Nun muss das Parlament darüber befinden.

Die Kosten der Ergänzungsleistungen (EL) steigen stetig und belasten Bund, Kantone und Gemeinden. Dies jedoch zu ungleichen Teilen. Die Kosten tragen zu rund 70% die Kantone und Gemeinden. Am Steuer sitzt jedoch der Bund: Er hat die Botschaft zur EL-Reform verabschiedet. Doch bereits in der Vernehmlassung wurde Kritik laut. «Der Reformvorschlag des Bundesrates ist keine Reform. Es braucht deutlich mehr», sagt Andreas Dummermuth, Geschäftsleiter Ausgleichskasse & IV Stelle Schwyz, am Luzerner Forum für Sozialversicherungen und Soziale Sicherheit. Eingeschränkter Kapitalbezug in der 2. Säule Der Bundesrat will folgende Punkte ändern: Wer in den Ruhestand tritt, soll sein Altersguthaben aus dem obligatorischen Teil der beruflichen Vorsorge nicht mehr als Kapital beziehen können. Guthaben aus der überobligatorischen Vorsorge dagegen können weiterhin als Kapital bezogen werden. Heute müssen die Pensionskassen ihren Versicherten ermöglichen, mindestens ein Viertel des obligatorischen BVG-Guthabens in Kapitalform zu beziehen. Auch für den Fall, in dem jemand eine selbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt, will der Bundesrat den Vorbezug von Kapital aus dem obligatorischen Teil ausschliessen. Für den Erwerb von Wohneigentum hingegen soll ein Vorbezug aus der obligatorischen Vorsorge nach wie vor möglich sein. Niedrigere Freibeträge und weniger Schwelleneffekte Weiter sollen die Freibeträge auf dem Gesamtvermögen gesenkt werden: Für alleinstehende Personen von 37 500 auf 30 000 Franken und für Ehepaare von 60 000 auf 50 000 Franken. Die Freibeträge auf selbstbewohnten Liegenschaften dagegen bleiben unverändert bei 112 500, respektive 300 000 Franken, wenn ein Teil des Ehepaares in einem Heim oder Spital lebt. Heute werden in den meisten Kantonen geringe EL automatisch auf einen Mindestbetrag angehoben (Mindestgarantie). Dies bewirkt einen unerwünschten Schwelleneffekt. Diesen will der Bundesrat nun reduzieren. Und neu soll auch das Erwerbseinkommen von Ehegatten oder Ehegattinnen ohne eigenen EL-Anspruch künftig voll als Einnahme angerechnet werden. Heute geschieht das nur zu zwei Dritteln. Sparen will man auch bei den Krankenversicherungsprämien. Diese sollen die Kantone unter Berücksichtigung der effektiven Prämie den EL-Beziehenden bezahlen und nicht mehr in Form einer kantonalen oder regionalen Durchschnittsprämie. Die vorgeschlagenen Massnahmen führen gemäss Bundesrat im Jahr 2030 zu EL-Minderausgaben von 303 Millionen Franken. Davon entfallen 97 Millionen Franken auf den Bund und 206 Millionen auf die Kantone. Ausserdem sparen die Kantone nach Angaben des Bundes 161 Millionen Franken bei den Prämienverbilligungen. 8  AWP Soziale Sicherheit | 18/2016

GRAFIK 1: EL NACH VERSICHERUNGSZWEIG IN MIO CHF

GRAFIK 2: ENTWICKLUNG ANZAHL EL-BEZÜGER

Die EL-Ausgaben an AHV-Rentner steigen stärker als an IV-Rentner (siehe Grafik 1). Ebenso nimmt die Anzahl AHV-Rentner, die EL beziehen, stärker zu wie die Anzahl IV-Rentner (siehe Grafik 2). Quelle: Konferenz der Kantonalen Ausgleichskassen

Leistungsniveau ist keine heilige Kuh Die Kritiker der EL-Reform wünschen sich allerding einen liberaleren Ansatz. So fordert die Konferenz der kantonalen Ausgleichskassen, dass zuerst die eigenen vorhandenen wirtschaftlichen Mittel für die Existenzsicherung eingesetzt werden. Dazu gehören insbesondere alle Leistungen der drei Säulen der Altersvorsorge. Des weiteren soll die Höhe der anrechenbaren KVG-Prämie den Kantonen überlassen werden und ein Höchstwert für EL zu Hause eingeführt werden. Ebenso sollte das Leistungsniveau grundsätzlich in Frage gesetellt werden. Die Kritiker fordern auch Reformen bei den Heimkosten: Die Regelung für die Rechnungslegung und Berichterstattung der Heime muss national einheitlich sein. Das Problem der stark steigenden Ausgaben für im Heim lebende Personen hat der Bundesrat allerdings nicht in der EL-Refom gelöst. Dazu ist eine Vorlage im Parlament hängig. Es wird sich zeigen, wie das Parlament mit den Kritikpunkten umgeht. Susanne Kapfinger

VERMISCHTES

ASIP

PK-Verband: Nationalrätliches Reformpaket «Altersvorsorge 2020» ist nicht mehrheitsfähig Der Schweizerische Pensionskassenverband ASIP ist besorgt. Das im Nationalrat beschlossene Reformpaket «Altersvorsorge 2020» sei weit davon entfernt, ausgewogen zu sein. Ausgewogenheit aber sei die Voraussetzung dafür, dass Volk und Stände dem Paket zustimmen. Im Vordergrund steht für den ASIP die ganzheitliche Sicherung der Altersvorsorge im Bereich der 1. und 2. Säule unter Beibehaltung des Leistungsziels, vor allem in der 2. Säule. Positive Punkte trotz Vorbehalten Der ASIP begrüsst das einheitliche Referenzalter 65 und die Möglichkeit, auf Pensionskassenebene reglementarisch einen vorzeitigen Altersrücktritt ab Alter 60 anbieten zu können. Positiv sei, dass der Nationalrat die Stabilisierungsregel mit einer automatischen Erhöhung des Referenzrücktrittsalters vom Gesamtpaket abgespalten hat. Der ASIP unterstützt auch die vom Nationalrat beschlossene Anpassung des BVG-Mindest-Umwandlungssatzes an die weiterhin steigende Lebenserwartung und an die negative Entwicklung der Kapitalmärkte. Damit die Senkung des MindestUmwandlungssatzes sozialverträglich erfolgt und das Leistungsziel im BVG aufrechterhalten werden kann, seien flankierende Mass-

Weiterbildung 2016

nahmen nötig. Bezüglich der langfristig wirkenden Massnahmen hält der ASIP fest, dass sowohl die Beschlüsse beider Kammern umsetzbar sind. Wie bereits früher festgehalten, unterstreicht der ASIP, dass mit dem Verzicht auf den Koordinationsabzug unter gleichzeitiger Anpassung der Altersgutschriftensätze das Leistungsniveau für AHV-Jahreslöhne von rund CHF 85 000 beibehalten, für tiefere Lohnbereiche aber ausgebaut wird. Es sei politisch zu entscheiden, ob man – bei einer Vereinfachung des Systems – die Mehrkosten für die Sozialpartner und Leistungsverbesserungen bei tieferen Einkommen und Risikoleistungen in Kauf nehmen will. Klare Trennung der Säulen Eine Verbesserung der Altersvorsorge für Personen mit tiefen Einkommen, mit mehreren Arbeitsverhältnissen sowie für Teilzeitbeschäftigte über die AHV ist aus Sicht ASIP letztlich unter Berücksichtigung der Kostenfolgen durch die Sozialpartner zu beurteilen. Ein Erfolgsfaktor des Drei-Säulen-Systems ist die klare Trennung der drei Säulen. Für den ASIP ist entscheidend, dass die Kompensation der Senkung des BVG-Umwandlungssatzes zum Leistungserhalt innerhalb des BVG erfolgt. pet

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VERMISCHTES

Anlage Aktuell

Nationalrat

Die Limiten des FRP4-Referenzzinssatzes

Nein zum Elternurlaub

Ab 30.9.2016 beträgt der technische Zinssatz gemäss der Fachrichtlinie 4-Formel 2,25%. Dies bedeutet eine Senkung um 0,5% im Vergleich zum aktuell gültigen Wert von 2,75%. Mit der Fachrichtlinie 4 (FRP 4) legt die Kammer der Pensionskassen-Experten jeweils die Empfehlung für den technischen Referenzzinssatz für die kommenden Jahresabschlüsse fest. Die Berechnung des Referenzzinssatzes basiert dabei zu zwei Dritteln auf der durchschnittlichen Performance des Pictet BVG-25 plus Indexes der letzten 20 Jahre und zu einem Drittel auf dem aktuellen Niveau der zehnjährigen Zinssätze von Bundesobligationen. Der Wert wird jeweils per 30.9. eines Jahres für das folgende Jahr festgelegt. Folgende drei Aspekte sind bemerkenswert: Erstens: Im Vergleich zu Marktzinssätzen, welche tägliche Schwankungen aufweisen, war ein vermeintlicher Vorteil des FRP4-Referenzinssatzes, dass dieser sich «stetiger» verändern sollte. Die starke Veränderung von -0,5-Prozentpunkten zeigt jedoch, dass der FRP4-Referenzwert ebenfalls Schwankungen unterliegt. In den kommenden Jahren werden die hohen Renditen des Pictet Indexes der Neunzigerjahre aus der Durchschnittsbildung herausfallen. Bereits im Jahr 2017 wird deshalb der Referenzzinssatz mit einer hohen Wahrscheinlichkeit unter 2% fallen. Zweitens: Der Referenzzinssatz von 2,25% liegt deutlich über den aktuellen

Kapitalmarktzinsen (Verfallsrendite von 10-jährigen Staatsobligationen von rund -0,5% p.a.). Dies bedeutet, dass die Vorsorgeeinrichtungen für die Finanzierung des technischen Zinssatzes eine Risikoprämie von 2,75% erwirtschaften müssen. Vor zehn Jahren lag diese Risikoprämie bei bedeutend tieferen 1,25%, da damals die durchschnittlichen technischen Zinsen bei 3,75% und die Kapitalmarktzinsen bei 2,5% lagen. Drittens: Diese hohe zu erwirtschaftende Risikoprämie (2,75%) drängt die Vorsorgeeinrichtungen in risikoreichere Vermögensanlagen. Rentnerlastige Kassen verfügen oft nicht über die dafür notwendige Risikofähigkeit. Ein direkt an den Kapitalmarktzinssatz gebundener Referenzzinssatz (z.B. 10-jährige Zinssätze plus 1,25%) hätte den starken Anstieg der im Referenzzinssatz enthaltenen Risikoprämie verhindert. Obige Aspekte zeigen deutlich die Limitationen des Referenzzinssatzes gemäss FRP4, wobei insbesondere die variable implizite Risikoprämie problematisch ist. Wünschenswert wäre eine einheitliche Bewertung der Rentenverpflichtungen basierend auf Kapitalmarktzinssätzen oder zumindest ein Referenzzinssatz mit konstantem Aufschlag zum Zinsniveau. Stephan Skaanes und Alfred Bühler, beide bei PPCmetrics AG www.ppcmetrics.ch

Pensionskasse Stadt Bern

Positive Reaktionen zum Primatwechsel Die Pensionskasse der Stadt Bern soll 2019 auf das Beitragsprimat umgestellt werden. In der Vernehmlassung stiess das Vorhaben auf Akzeptanz. Mit der Vorlage ist laut Finanzdirektor Alexandre Schmidt ein Kompromiss in Bezug auf die finanzielle Tragbarkeit für die Arbeitgeberin und auf die Besitzstände der Mitarbeitenden gelungen. Die Leistungen für Mitarbeitende mit tieferen Einkommen werden besser. Für Mitarbeitende mit höheren Einkommen bleibt das 10  AWP Soziale Sicherheit | 18/2016

Leistungsniveau erhalten. Beim Beitragsprimat werden die Auszahlungen aufgrund der effektiv einbezahlten Beträge berechnet. Das angehäufte Altersguthaben wird bei der Pensionierung mit einem Umwandlungssatz in eine lebenslange Rente umgewandelt. Das Berner Stadtparlament wird im Laufe des kommenden Jahres über die Vorlage befinden und auch entscheiden, ob sie freiwillig dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wird. ch

Der Nationalrat will keinen Elternurlaub von 18 Monaten, von denen 6 Monate vom Vater bezogen werden müssten. Er lehnte eine Motion aus der Grünen Fraktion mit 134 zu 55 Stimmen ab. Auch der Bundesrat sprach sich gegen die Motion aus. Um Mütter im Erwerbsleben zu behalten, habe die Förderung einer bezahlbaren ausserfamiliären Kinderbetreuung Priorität, sagt Innenminister Alain Berset. Die Sozialkommission des Nationalrates lehnte bereits eine parlamentarische Initiative für bezahlte Elternzeit ab. Auf dem Tapet bleibt das Thema aber: Mehrere Verbände haben eine Volksinitiative für vier Wochen bezahlten Vaterschaftsurlaub lanciert. ch

Sozialhilfe

SKOS bleibt kantonal Der Nationalrat will die Sozialhilfe nicht auf Bundesebene regeln. Er hat eine Motion der GLP mit 126 zu 66 Stimmen abgelehnt, die ein Rahmengesetz forderte. Hintergrund war die Kritik an den Richtlinien der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (SKOS) und deren fehlende Legitimation. Die GLP befürchtete, dass die Kantone Gesetze erlassen könnten, was zu einer Art negativem Wettbewerb führen würde. ch

Nationalrat

Keine PK-Ombudsstelle Der Nationalrat will keine Ombudsstelle für die 2. Säule. Er hat ein Postulat von Silvia Schenker (SP/BS), die den Bundesrat mit der Überprüfung der Frage beauftragen wollte, mit 130 zu 64 Stimmen abgelehnt. Schenker argumentiert, es gelte angesichts der Komplexität der Materie zu verhindern, dass sich bei den Versicherten ein Gefühl des Ausgeliefertseins gegenüber den Pensionskassen einstellt. Es brauche daher eine unabhängige Stelle, die bei Unsicherheiten neutral vermitteln kann. Peter Schilliger (FDP/LU) hat das Postulat bekämpft. Er rief die Versicherten dazu auf, direkt den Kontakt mit den Vertretern der Vorsorgeeinrichtung zu suchen. ch

VERMISCHTES

Erhöhung Krankenkassenprämien

Nationalrat

Heftige Kritik und die Suche nach Auswegen

Ja zum Status Quo Vertrauensärzte sollen weiterhin von den Krankenkassen angestellt sein. Der Nationalrat hat mit 136 zu 57 Stimmen ein Postulat von Bea Heim (SP/SO) abgelehnt. Heim wollte klären lassen, ob die Gleichbehandlung der Patienten nicht besser gewährleistet ist, wenn die Vertrauensärzte für unabhängige Beratungs- und Schlichtungsstellen arbeiten würden. Heute seien die Vertrauensärzte für die Kassen da und nicht für die Patientinnen und Patienten. ch Pensionskasse Baselland

Chef geht in Rente Kantone beteiligen sich nur bei stationären Behandlungen. Patientenschützer wollen das ändern. Bild: key

Konsumenten- und Patientenschützer kritisieren die angekündigte Erhöhung der Krankenkassenprämien für 2017. Für sie ist nur ein Teil mit demographischem Wandel und medizinischem Fortschritt zu erklären. Die Ursachen sehen sie vor allem im falschen Finanzierungssystem. So spricht die Stiftung für Konsumentenschutz (SKS) denn auch von einem Versagen von Politik, Verwaltung und Leistungserbringer, welche griffige Massnahmen zur Kostensenkung verhindern würden. Die Regeln des Bundesamts für Gesundheit (BAG) würden Rekurse der Pharmaindustrie ermöglichen und damit Preiskorrekturen blockieren. Mit diesen «versteckten Pharma-Subventionen» könnten gemäss SKS mehrere hundert Millionen Franken gespart werden. Seit Jahren ist zudem klar, dass der Tarif für ambulante Leistungen TARMED nicht mehr zeitgemäss ist. Der letzte Revidierungsversuch sei diesen Sommer aufgrund der Verweigerung der Ärzteverbindung FMH gescheitert. Knatsch um Finanzierung In der Tarifstruktur sieht auch Margrit Kessler vom Patientenschutz den Hauptgrund für die Erhöhung der Prämien: «Das grosse Problem ist die Verschiebung von der stationären zur ambulante Behandlung», sagt Kessler. Bei einer stationären Behandlung beteiligen sich die Kantone zu 55% an den Kosten, bei einer ambulanten Behandlung tragen die Krankenkassen die vollen Kosten. Deshalb würden beispielsweise teure

Medikamente erst bei Austritt aus dem Spital abgegeben. Kessler möchte darum die Kantone auch bei einer ambulanten Behandlung zur Kasse bitten: Dadurch sinken die Prämien wieder. Ärzte klagen über die Papierflut Auch die Ärzteverbindung FMH hat diese Problematik erkannt und fordert eine einheitliche Finanzierung. FMH kritisiert zudem, dass Ärztinnen und Ärzte mit immer mehr administrativen Aufgaben belastet sind. Die Kosten tragen die Patienten. Ein Teil der erhöhten Krankenkassenprämien sei aber auf die älter werdende Bevölkerung und den zunehmenden Behandlungsmöglichkeiten zurückzuführen. Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren (GDK) zeigt sich indes skeptisch gegenüber den Forderungen zum Finanzierungssystem. «Für die GDK steht die Fianzierungsfrage nicht im Vordergrund, denn diese ändert grundsätzlich noch nichts an den entstehenden Kosten», sagte Stefan Leutwyler, stellvertrender Zentralsekretär der GDK. Der Krankenkassen-Dachverband Santésuisse hebt vor allem die Unterschiede in den Gesundheitskosten zwischen den Kantonen hervor. Diese seien auf unterschiedliche Angebotsstrukturen zurückzuführen wie beispielsweise die Zahl der Ärzte und die Spitalversorgung. Die Verwaltungskosten machn nur fünf Rappen eines Prämienfrankens aus, daher müssen die Prämien zwangsläufig der Entwicklung der Leistungskosten folgen. ch

An der Spitze der Basellandschaftlichen Pensionskasse (BLPK) kommt es nächstes Jahr zu einem Wechsel: Hans Peter Simeon, Vorsitzender der Geschäfsleitung, tritt im November 2017 im Alter von 62 Jahren in den vorzeitigen Ruhestand. Die Suche nach einem Nachfolger läuft. ch

Impressum Herausgeber Hansjürg Saager Redaktion Corina Hany (ch), Susanne Kapfinger (sk), Thomas Paul (lt), Thomas Peterhans (pet) AWP Soziale Sicherheit Sihlquai 253, 8005 Zürich 043 960 59 79 [email protected] www.soziale-sicherheit.ch Marketing Hügli Kommunikation Häisiwil 122, 4917 Melchnau BE 062 923 73 35 [email protected] Abonnemente Anita Dürst, Atlas-Service AG Postfach 282, 8044 Zürich 044 265 28 00 [email protected] Herstellung Triner AG, 6431 Schwyz www.triner.ch Online Insor AG, 8304 Wallisellen www.insor.ch

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