AWP Soziale Sicherheit Erscheint alle 14 Tage

37. Jahrgang | 7. DEZEMBER 2011 | Nummer 22 AWP Soziale Sicherheit Erscheint alle 14 Tage 2 Verwaltungskosten: sparpotenzial Ja, Aber 5 Leistungs...
Author: Arthur Heintze
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37. Jahrgang | 7. DEZEMBER 2011 | Nummer 22

AWP Soziale Sicherheit Erscheint alle 14 Tage

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Verwaltungskosten: sparpotenzial Ja, Aber

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Leistungsprimat auf dem Totenbett

Strukturreform

Die KMU zahlen am Ende einen hohen Preis Von Hansjörg Schenker «Das grosse Schrumpfen». So überschrieb eine Wirtschaftszeitung ihren Beitrag zu den schweizerischen Vorsorgeeinrichtungen. Schuld daran sei u.a. die steigende Regulierung. Dagegen ist nichts einzuwenden. Leider. Die Strukturreform, von der weitere Bestimmungen in wenigen Wochen in Kraft treten, wirft ihre Schatten voraus. Und sie wird Opfer fordern. Das heisst, für die eine und andere Vorsorgeeinrichtung das Ende einläuten. Vielfalt oder Einheitsbrei? Die Politiker sind sich darüber nicht einig, ob dies ein Verlust oder ein Gewinn sei. Denn Grösse, so die einen, verheisse Professionalität und damit Qualität. Wenn dem allerdings so wäre, müssten alle KMU schon längst von der Bildfläche verschwunden und durch viel erfolgreichere international tätige Grossunternehmen ersetzt worden sein. Erfolg, das beweisen täglich 98% der Schweizer Unternehmen, hat wenig bis gar nichts mit Grösse zu tun. Es ist gerade die enorme Vielfalt unserer KMU-Wirtschaft, die ihre Vitalität, ihre Flexibilität, ihre Innovationskraft und ihren Erfolg ausmacht. Eine Vielfalt, die letztlich nicht nach 08/15-Lösungen in der beruflichen Vorsorge ruft, sondern nach ebenso vielfältigen, bedürfnisnahen Varianten und Variablen. Von der Chance zur Last Soweit die Theorie. Und die Praxis? Nehmen wir als Beispiel eine Vorsorgeeinrichtung eines grösseren KMU und werfen wir einen Blick auf deren Herausforderungen in den letzten Jahren:

Die Vorsorgeeinrichtung war in den siebziger Jahren als patronale Kaderstiftung gegründet worden. Eine reine Alterssparstiftung mit Arbeitgeberbeiträgen und Kapitalbezug beim Erreichen des Pensionsalters. Mit dem Obligatorium 1985 musste die Stiftung neue Auflagen erfüllen. Die gesamte Administration und das Controlling mussten erweitert werden. Neue und zusätzliche Reglemente wurden nötig. Ende der 90er Jahre wieder neue Vorschriften: Die Stiftung musste nun auch einen Risikoteil enthalten und die Arbeitnehmer mussten – aus steuerlichen Gründen – ebenfalls einen Teil der Beiträge übernehmen. Erneut wurden neue Reglemente nötig. Seither wieder neue Vorschriften: Ein Rechnungslegungsstandard muss eingehalten werden. Die Kosten für die externe Buchhaltung und die Revision steigen stark. Grossaufwand für Kleinststiftung An sich nichts Spezielles, das haben alle anderen Vorsorgeeinrichtungen auch erlebt – in der einen oder anderen Form. Wäre da nicht die Grösse der Einrichtung: Weniger als 1,5 Mio. Franken werden hier für 6 bis 8 Personen verwaltet. Zu deren Vorteil und Nutzen – solange die Administration nicht mehr Geld verschlingt, als das Ersparte erwirtschaftet. Warum hat der Unternehmer diese Stiftung nicht längst aufgelöst und sich einer Sammelstiftung angeschlossen? Weil er so und nur so die für ihn sehr wichtige, aus Konkurrenzgründen überlebensnotwendige Flexibilität bei gleichzeitiger umfassender Vertraulichkeit gewährleisten kann. Jetzt kündigt sich die Strukturreform an. Die kantonale Aufsicht stellt neue Forderungen und Bedingungen, für deren Erfüllung sie enge Fristen einräumt. Der Unternehmer, der zusammen mit seinem Kollegen die Stiftungsratsarbeit machte, muss

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Frischer Wind Im Gesundheitswesen

definitiv auf seine Einzelunterschrift verzichten. Das kompliziert die Abläufe und verursacht weitere administrative Aufwändungen. Die Berichterstattung an die kantonale Aufsicht muss stark ausgebaut werden. Das beschäftigt den externen Experten und die Revisionsstelle: Zusatzkosten. Die Aufsicht will genau wissen, ob nicht doch irgendwo Retrozessionen geflossen sind. Der Stiftungsrat muss betreffend allen involvierten Personen belegen (lassen), dass dem nicht so war. Kosten statt Rendite Die Stiftung muss eine angemessene interne Kontrolle einrichten und diese durch die Revision prüfen lassen. Der externe Experte muss der Aufsicht melden, wenn der Stiftungsrat seiner Empfehlung betreffend Verzinsung der Guthaben nicht gefolgt ist. Der bisherige Vermögensverwalter muss belegen, dass er die nötigen Bedingungen gemäss BVV2 erfüllt, damit er diese Aufgabe auch künftig erfüllen darf. Der Stiftung «nahestehende Personen» müssen der Aufsicht gemeldet werden; ebenso alle Mutationen bei der Verwaltung. Die Stiftungsräte und die externe Verwaltungsstelle müssen ihre Interessenverbindungen offenlegen und diese der Revisionsstelle melden. Die nützliche Flexibilität ist weg. Die Rendite sinkt. Die Kosten steigen. Ob die Stiftung, die hier als Beispiel für viele steht, diese «Reglementskur» übersteht? Wohl kaum. Ob davon jemand einen Nutzen hat, wird sich weisen. Wer den Schaden hat, ist klar: Der Unternehmer und sein Kader. Die Reglementierer haben seinen Spiess massiv eingekürzt. Auf dem Arbeitsmarkt der besten Kader wird er nun öfters den Kürzeren ziehen – gegenüber der öffentlichen Hand wie gegenüber den grossen internationalen Unternehmen. Denn um hier konkurrenzfähig zu sein, hat er die Vorsorgeeinrichtung geschaffen. – Dabei hat niemand erklärt, die neue Regelung sei nicht KMU-konform.

VeRwaltungskosten RubRiktitel

Struktur der Kosten bei Unternehmen und Vorsorgeeinrichtungen

Wenig Aufwand x grosse Zahl = hohe Kosten Die grössten kosten in der 2. säule verursachen ein- und austritte und die Änderung von lohn und beschäftigungsgrad. Dies zeigt eine studie* des bundes. Die gesamten Verwaltungskosten betragen 1,8 Mrd. Franken pro Jahr. nur mit einer grundsätzlichen Reform der 2. säule liesse sich der aufwand deutlich senken. das. Die Studie von BSV und Seco untertungsaufgaben von Unternehmen und 14 Ereignisse gegliedert. Ereignisse sind Gesucht den allgemeinen Verwaltungsaufwand, der bei Pensionskassen und Unterschehen im Leben von Versicherten wie nehmen entsteht. Das Augenmerk gilt der Eintritt in eine Vorsorgeeinrichtung oder Struktur des Aufwands: Für welche ArbeiPensionierung. Im Gegensatz zu den Auften fallen welche Kosten an? Nicht einbegaben, die für Vorsorgeeinrichtungen und zogen sind die Kosten für die VermögensUnternehmen unterschiedlich sind, lösen Aufgaben (siehe B W verwaltung Studie zu den Ereignisse sowohl bei VorsorgeeinrichtunVermögensverwaltungskosten in «AWP gen als auch bei Unternehmen einen AufRegistrierte Vorsorgeeinrichtungen 1 Datenu. individuelle Nr. Kontenführung 256.6 235.2 wand aus. Soziale Sicherheit» 11/2011) und für 2 Liquiditätsmanagement 7.8 8.5 Marketing und Werbung. 3 Zahlungsverkehr 70.8 68.2 4 FürInformationen u. Auskünfte an aktive Versicherte, u. 157.5 178.9 die Berechnung wurde die Verwal-Rentenbezüger Kostenstruktur der Ereignisse Unternehmen Je nach Ereignis benötigen 43.3 die Vorsorgetungstätigkeit in 14 Verwaltungsaufgaben 5 Jahresabschluss-Vorarbeiten 51.2 6 Sonstige Verwaltungsaufgaben 23.4 25.6 von Vorsorgeeinrichtungen, 5 Verwaleinrichtungen und Unternehmen unter7 8 9

Laufende Buchhaltungsarbeiten Jahresabschlussarbeiten registrierte VE Administrative Betreuung u. Information von Stiftungsrat / VerwalB W tungskommission 13.8 13.9 10 1 Eintritte Aufsicht über Verwaltung u. Buchhaltung 23.6 22.0 11 2 Austritte Erlass u. Aktualisierung von Reglementen u. Richtlinien Lohn / Beschäftigungsgrad 85.5 79.1 12 3 Änderung Vertragswesen 1.3 0.7 13 4 Heirat Kontakte zu Dritten 3.7 2.6 14 5 Scheidung Information u. Sanierungsmassnahmen bei Unterdeckung 6 Einlagen in 2. SäuleVorsorgeeinrichtungen 0.1 0.1 Total registrierte 7 Einkauf Leistung, vorzeitige Pensionie4.2 4.2 Unternehmen rung 1 8 Verpfändung Meldung vonWEF Ereignissen bei Versicherten an die Vorsorgeeinrich0.2 0.4 tung 9 Vorbezug WEF 5.0 6.4 2 10 Pensionierung Sonstiger Verkehr mit der Vorsorgeeinrichtung und mit Dritten mit Kapitalbezug 2.4 2.0 3 11 Pensionierung Information und Beratung der Arbeitnehmer mit Rente 3.1 2.2 4 12 Invaliditätsfall BVG-spezifische Aufgaben von Lohnbuchhaltung und Personal4.5 6.9 administration 13 Todesfall 1.6 1.7 5 14 Teilliquidation Überprüfung der BVG-Lösung und der Vorsorgepläne 16.7 28.1 Total Unternehmen Total der Ereignisse 166.0 170.2

B W

Unternehmen B W 10.8 9.0 10.5 8.0 46.5 26.6 0.6 0.5 0.6 0.2 0.0 0.0 2.1 2.4 0.0 0.2 0.6 0.8 0.4 0.3

0.1 0.4 0.5 0.7 0.4 0.2

73.3

49.0

84.6 85.3 53.1 62.1 VE und Untern. 34.2 34.1 B W 24.6 22.9 32.5 34.1 30.0 37.234.1 34.7 132.1 105.7 12.4 8.5 1.2 56.4 2.0 53.6 2.9 15.7 4.2 17.1 0.1 885.4 0.1 897.2 6.3 6.7 81.1 0.4

5.2 45.6 3.0 44.0 3.9 37.3 4.9 1.9 72.016.7 280.0 239.3

74.3 0.3 6.8 43.4 2.5 41.2 2.9 34.7 7.2 1.9 76.7 28.1 270.4 219.2

Wert basiert auf der Stundenzahl gemäss Befragung der Vorsorgeeinrichtungen bzw. Unternehmen Wert basiert auf der Stundenzahl gemäss Experten-Workshop

Tabelle 1: Kosten für die Bearbeitung von Ereignissen durch registrierte Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen in Mio. Franken, 2009.

Abbildung 1: Häufigkeit der Ereignisse pro Jahr, die bei aktiven Versicherten von registrierten Vorsorgeeinrichtungen auftreten, 2009.

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schiedlich viel Zeit für die Verarbeitung. Auf den Einzelfall bezogen, erfordern Invaliditäts- und Todesfälle sowie häufig auch WEF-Vorbezüge einen grossen Aufwand. Gesamthaft gesehen, verursachen aber Änderungen von Lohn und Beschäftigungsgrad den grössten Anteil der Kosten, nämlich 106 bis 132 Mio. Franken (siehe Tabelle 1). Die Verarbeitung von Ein- und Austritten kostet 53 bis 59 Mio. Franken jährlich. Der Zeitaufwand pro Ereignis ist zwar unterdurchschnittlich, die Multiplikation mit der grossen Zahl solcher Ereignisse ergibt aber die hohen Kosten (siehe Abbildung 1). Bedeutende Ressourcen beanspruchen auch die Teilliquidationen, nämlich 17 bis 28 Mio. Franken. Invaliditätsfälle und WEF-Vorbezüge treten dagegen vergleichsweise selten auf und kosten deshalb im Verhältnis zum gesamten Aufwand wenig. Der gesamte Aufwand für die Verarbeitung von Ereignissen durch registrierte Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen beläuft sich auf 219 bis 239 Mio. Franken. Davon tragen die Vorsorgeeinrichtungen 70 bis 75%, die Unternehmen 25 bis 30%. Kostenstruktur der Aufgaben Im Aufwand für die Aufgaben sind sowohl Aufgaben enthalten, die durch Ereignisse verursacht werden, als auch Aufgaben, die nicht an ein Ereignis gekoppelt sind. Beispiele dafür sind Laufende Buchhaltung, Jahresabschluss, Erlass von Reglementen und Anpassung von Vorsorgeplänen. Registrierte Vorsorgeeinrichtungen leisten für die Bearbeitung aller Aufgaben jährlich einen Aufwand von 885 bis 897 Mio. Franken (siehe Tabelle 2). Für Unternehmen betragen diese Kosten 270 bis 280 Mio. Franken. Erstmals liegen damit Angaben zu den Kosten bei den Unternehmen vor. Bei den Vorsorgeeinrichtungen verursachen die «Daten- und individuelle Kontenführung» mit 235 bis 257 Mio. Franken und «Informationen und Auskünfte an aktive Versicherte, Rentenbezüger und Unternehmen» mit 158 bis 179 Mio. Franken pro Jahr beinahe die Hälfte des gesamten Aufwandes für die Bearbeitung der Aufgaben. Laufende Buchhaltungsarbeiten, Zahlungsverkehr, Kontakte zu Dritten und Jahresabschlussarbeiten machen je zwischen 53 und 85 Mio. Franken aus; sie vereinen weitere rund 30% der Gesamtkosten für die Bearbeitung der Aufgaben.

Verwaltungskosten Rubriktitel Bei den Unternehmen kostet die Aufgabe «Meldung von Ereignissen bei Versicherten an die Vorsorgeeinrichtung» am meisten, nämlich 74 bis 81 Mio. Franken. Ähnlichen Aufwand verursacht die Überprüfung der BVG-Lösung und der Vorsorgepläne (72 bis 76 Mio. Franken). Die Verfasser der Studie betonen, dass im Gegensatz zu allen anderen Aufgaben keine gesetzliche Pflicht eine regelmässige Überprüfung verlangt. Zeitaufwand nach Typ Der jährliche Zeitaufwand für die Bearbeitung aller Verwaltungsaufgaben pro aktivem Versicherten und Rentner ist bei Vorsorgeeinrichtungen des öffentlichen Rechts am tiefsten, gefolgt von den Vorsorgeeinrichtungen eines Arbeitgebers. Im Vergleich dazu weisen die Gemeinschaftsund Sammeleinrichtungen gemäss Studie einen deutlich grösseren Arbeitsaufwand auf. Gesamtkosten von 1,8 Mrd. Neben der Kostenstruktur bei Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen beziffert die Studie auch die gesamten Verwaltungskosten in der 2. Säule. Die Verfasser addieren die 280 Mio. Franken Aufwand der Unternehmen mit dem Aufwand der Vorsorgeeinrichtungen gemäss Pensionskassenstatistik des Bundes und den Kosten bei den Lebensversicherern gemäss Finma-Bericht (siehe Abbildung 2). Die gesamten Kosten betragen 1,8 Mrd. Franken. Pro Versicherten ergibt dies 391 Franken. Wenig Reduktionspotenzial Die grossen Verwaltungsaufwand verursachenden Aufgaben und Ereignisse hängen laut Studie teilweise mit den Grundpfeilern der 2. Säule wie dem Kapitaldeckungsverfahren, der Selbstständigkeit der Vorsorgeeinrichtung und mit der Vielzahl und Vielfalt von Vorsorgeeinrichtungen und Vorsorgelösungen zusammen. Eine punktuelle Vereinfachung der Gesetzgebung brächte keine nennenswerte Kostenreduktion. «Eine markante Reduktion des Verwaltungsaufwandes wäre deshalb nur mit einschneidenden Vereinfachungen im System der beruflichen Vorsorge zu bewerkstelligen», schreiben die Verfasser. Als Beispiele nennen sie die Standardisierung von Reglementen und die Reduktion der Zahl der Vorsorgeeinrichtungen. Sie betonen zudem, dass 40% der gesamten Kosten bei den Lebensversicherern entstehen. Die genaue Struktur die-

B

W

256.6 7.8 70.8 157.5

235.2 8.5 68.2 178.9

43.3 23.4 84.6 53.1 34.2

51.2 25.6 85.3 62.1 34.1

32.5 37.2 12.4 56.4 15.7 885.4

34.1 34.7 8.5 53.6 17.1 897.2

81.1

74.3

45.6 44.0 37.3

43.4 41.2 34.7

72.0 280.0

76.7 270.4

Aufgaben

Registrierte Vorsorgeeinrichtungen 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Daten- u. individuelle Kontenführung Liquiditätsmanagement Zahlungsverkehr Informationen u. Auskünfte an aktive Versicherte, Rentenbezüger u. Unternehmen Jahresabschluss-Vorarbeiten Sonstige Verwaltungsaufgaben Laufende Buchhaltungsarbeiten Jahresabschlussarbeiten Administrative Betreuung u. Information von Stiftungsrat / Verwaltungskommission Aufsicht über Verwaltung u. Buchhaltung Erlass u. Aktualisierung von Reglementen u. Richtlinien Vertragswesen Kontakte zu Dritten Information u. Sanierungsmassnahmen bei Unterdeckung Total registrierte Vorsorgeeinrichtungen

Unternehmen 1

2 3 4 5

B W

Meldung von Ereignissen bei Versicherten an die Vorsorgeeinrichtung Sonstiger Verkehr mit der Vorsorgeeinrichtung und mit Dritten Information und Beratung der Arbeitnehmer BVG-spezifische Aufgaben von Lohnbuchhaltung und Personaladministration Überprüfung der BVG-Lösung und der Vorsorgepläne Total Unternehmen

Wert basiert auf der Stundenzahl gemäss Befragung der Vorsorgeeinrichtungen bzw. Unternehmen Wert basiert auf der Stundenzahl gemäss Experten-Workshop

Tabelle 2: Kosten für die Bearbeitung der Aufgaben, in Mio. Franken, 2009.

Unternehmen

Registrierte und nicht registrierte Vorsorgeeinrichtungen

280

Lebensversicherer

7921

7352

1807

0 200 400 600 800 1000 1200 1400 1600 1800 Mio. CHF pro Jahr Abbildung 2: Verwaltungsaufwand in der 2. Säule nach Kostenträger, 2009. 1 Kosten gemäss Pensionskassenstatistik des Bundes. Für die Berechnung der Gesamtkosten greift die Studie auf die Pensionskassenstatistikzurück, u.a. damit nicht Überschneidungen zwischen den Kosten der Vorsorgeeinrichtungen und der Lebensversicherer vorkommen. 2 Kosten der Lebensversicherer ohne Abschlusskosten von 183 Mio. Franken. Laut Studienverfasser können diese Abschlusskosten nicht als Verwaltungskosten im engeren Sinn bezeichnet werden.

ser Kosten lasse sich mangels Grundlagen nicht ermitteln. «Voraussetzung für eine allfällige Reduzierung des Administrationsaufwandes bei den Lebensversicherungs-Gesellschaften für die 2. Säule wäre eine punkto Verwaltungsaufwand transparentere Rechnungslegung und Statistik und damit auch eine grössere Transparenz für die Akteure auf dem Beschaffungsmarkt.» *Daniel Hornung et.al.: Verwaltungskosten der 2. Säule in Vorsorgeeinrichtungen und Unternehmen, BSV/Seco, Bern, 2011.

>> www.bsv.admin.ch

Befragung und Workshops Die Studie basiert auf einer Befragung von 16 Vorsorgeeinrichtungen und 15 Unternehmen. Deren Ergebnisse wurden in zwei ExpertenWorkshops diskutiert, validiert und ergänzt. Auf dieser Grundlage erfolgte die Hochrechnung des Verwaltungsaufwands. Die Erhebung lehnt sich an die Methode des Regulierungskostenmodells (RKM) an. Das Modell schätzt die Kosten von Handlungen, zu denen die Normadressaten gesetzlich verpflichtet sind. Zusätzlich berücksichtigt die Studie alle weiteren zu erfüllenden Aufgaben.

Fortsetzung auf Seite 4

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Verwaltungskosten Rubriktitel

BSV nimmt oberste Organe der Vorsorgeeinrichtungen in Pflicht

Konkurrenz ist eine gute Voraussetzung Welche Erkenntnisse zieht das Bundesamt für Sozialversicherungen aus der neuen Studie über die Verwaltungskosten? «AWP Soziale Sicherheit» hat bei Colette Nova, Vizedirektorin und zuständig für die 2. Säule, nachgefragt. AWP Soziale Sicherheit: 391 Franken durchschnittliche Verwaltungskosten in der 2. Säule pro Person. Eine Überraschung? Colette Nova: Nein, die Höhe der durchschnittlichen Verwaltungskosten ist keine Überraschung, die Zahlen waren ja weitgehend bekannt. Die Studie zielte vielmehr darauf ab herauszufinden, welches die grossen Kostenblöcke in der 2. Säule sind. Da resultierten durchaus interessante Er-

kenntnisse, etwa auch, was den Verwaltungsaufwand der Arbeitgeber für die 2. Säule betrifft. Deutlich überschätzt wurden die Kosten für den Vorbezug von PK-Geldern für die Wohneigentumsförderung. In der Gesamtbetrachtung fallen diese Kosten kaum ins Gewicht. Im Einzelfall können die Kosten sehr wohl relativ hoch sein. Vielleicht hat die Ein-

Interne Prozesse optimieren und Sparpotenzial überprüfen ew. Massiv sparen könnte man bei den Verwaltungskosten nur mit einer markanten Vereinfachung des Systems, etwa mit einer Standardisierung der Reglemente, folgert die Studie des Bundes. Gerade das aber ist bei Betroffenen umstritten. «Damit würde massiv in den Gestaltungsspielraum der Führungsorgane eingegriffen. Es wäre der erste Schritt zu einer politische verordneten Gleichschaltung der Kassen. Das liegt nicht im Interesse der Versicherten», sagt Hanspeter Konrad, Direktor des Schweizerischen Pensionskassenverbands ASIP. Klar gegen eine Einheitslösung ist auch Kurt Gfeller, Vizedirektor beim Schweizerischen Gewerbeverband: «Die Flexibilität darf einen gewissen Preis haben.» Die Versicherten schätzten die Möglichket individueller Leistungspläne in der 2. Säule, deshalb sei es gerechtfertigt, dass die Verwaltungskosten erwas höher seien. Gfeller ortet besonders bei den Lebensversicherern noch ein gewisses Potenzial, gibt aber zu, dass die Komplexität des Systems 2. Säule insgesamt hoch sei. Bei der Bedeutung der Kosten der Wohneigentumsförderung gehen die Meinungen auseinander. Laut Studie sind sie im Verhältnis zu den Gesamtkosten marginal. Anders sieht dies der ASIP. Hanspeter Konrad: «Die Abwicklung der Wohneigentumsförderungsbezüge WEF ist im Einzelfall besonders aufwendig und entsprechend teuer. Es ist zu prüfen, ob gewisse Auflagen wie Meldepflichten oder das Einholen von

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Bestätigungen gestrichen werden könnten.» Auch der Gewerbeverband hält an WEF fest und meint, den Aufwand dafür könne man problemlos verursachergerecht abwickeln. Ganz wirkungslos wird die Studie bei den Vorsorgeeinrichtungen nicht bleiben, wie Hanspeter Konrad betont: «Aufgrund der Studienergebnisse empfehlen wir den Pensionskassen, ihre internen Prozesse zu überprüfen und allfälliges Einsparpotenzial zu eruieren.» Zudem überprüfe man, in welcher Form die Ergebnisse in den politischen Prozess einfliessen könnten. Ein klares Sparpotenzial bei den Verwaltungskosten ortet der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB. Doris Bianchi, Sozialversicherungsspezialistin beim SGB, kann sich vorstellen, dass man in der 2. Säule zu Branchenlösungen kommen könnte, um so die Professionalisierung zu fördern und die Kosten zu optimieren. Eine Einheitskasse kann sie sich aufgrund der Grösse einer solchen Einrichtung hingegen kaum vorstellen (vgl. auch nebenstehendes Interview mit Coletta Nova). Grosse Sorgen machen ihr vor allem die kleinen Einkommen. Angesichts der erheblichen Verwaltungskosten müsse man sich die Frage stellen, ob sich für Arbeitnehmende mit sehr kleinem Einkommen bzw. Teilzeitbeschäftigte eine 2. Säule überhaupt lohne. Deshalb müsse die Frage auf den Tisch, ob für diese Einkommensklassen nicht ein Ausbau der AHV die bessere Lösung wäre.

Colette Nova Vizedirektorin Bundesamt für Sozialversicherungen

schätzung auch damit zu tun, dass man sich in den Vorsorgeeinrichtungen fragt, ob ein WEF-Vorbezug noch direkt etwas mit Vorsorge zu tun hat. Die Studie kommt auf ein geringes Sparpotenzial. Man müsste schon an der grossen Zahl der Pensionskassen rütteln. Die Vielfalt der Vorsorgeeinrichtungen ist politisch gewollt. Zudem schätzen es die Versicherten, in der 2. Säule z.B. massgeschneiderte Vorsorgepläne zu haben. Oder denken Sie an die erwähnten Vorbezüge für Wohneigentum. Aber Sparpotenzial gibt es? In der Pflicht sind auch die Führungsorgane der Kassen. Das oberste Organ der Vorsorgeeinrichtung muss für Kosteneffizienz in der Verwaltung sorgen. Zudem schafft heute auch das Internet Transparenz: Die Kassen messen ihre Kosten an denen anderer Kassen. Es gibt heute schon Pensionskassen, die arbeiten günstiger als die 1. Säule, deren Verwaltungskosten rund 130 Franken pro Versicherten und Jahr ausmachen. Welche Erkenntnisse aus der Verwaltungskostenstudie fliessen nun in den Bericht des Bundesrats zur Zukunft der 2. Säule ein? Wir werden nicht die Abschaffung des heutigen Systems beantragen. Aber wir werden auf die Kostenblöcke hinweisen und Vorschläge machen. Politisch wird eine Einheitskasse, die 700 Milliarden Franken verwalten würde, kaum ein Thema sein. Aber die obersten Organe der bestehenden Vorsorgeeinrichtungen sind in der Pflicht, ihre Kosten im Griff zu halten. Eine Vielfalt an Pensionskassen, die in einem Konkurrenzverhältnis stehen, ist dafür eine gute Voraussetzung. Interview: Erich Wiederkehr

Pensionskassen

Beitragsprimat nimmt auch bei öffentlich-rechtlichen Kassen zu

Leistungsprimat auf dem Totenbett Hat das Leistungsprimat bald ausgedient? 2010 ging die Zahl der Kassen mit Leistungsprimat von 26% auf 19% zurück, wie aus dem Swiss Pension Fund Survey von Aon Hewitt hervorgeht. ew. Die Tendenz zum Beitragsprimat hält an. 2005 waren zwei Drittel der Pensionskassen mit ungefähr der Hälfte der Versicherten im Beitragsprimat ausgestaltet, 2011 sind es 81% mit insgesamt 76% der Versicherten. Von den 19% Pensionskassen, die im Leistungsprimat geführt werden, sind ein Drittel (32%) öffentlichrechtliche Vorsorgeeinrichtungen. Durchschnittlich versicherte ein Pensionskasse, die am Swiss Pension Fund Survey 2011/12 von Aon Hewitt teilgenommen hatte, 15 700 Personen. Der Wechsel zum Beitragsprimat war ausgeprägter als bei den letzten Erhebungen. Dies ist einerseits eine Folge der Finanzkrise von 2008 und der hohen Volatilität der Finanzmärkte. Für Pensionskassen ist es schwierig, mit Leistungsprimatplänen turbulenten Entwicklungen an den Finanzmärkten standzuhalten. Andererseits bringt die Umstellung die Absicht der Arbeitgeber zum Ausdruck, eine bessere Kontrolle über die finanzielle Lage der Pensionskasse zu erhalten. Noch 15% bei privatrechtlichen PK Eine alleinige Betrachtung der Ergebnisse der privatrechtlichen Pensionskassen lässt das baldige Verschwinden des Leistungsprimatsystems in diesem Sektor voraussagen. Nur noch 15% der privatrechtlichen Pensionskassen sind bei der Altersvorsorge im Leistungsprimat ausgestaltet. 2009 waren es noch 22% und 2007 sogar 33%. Bei den öffentlich-rechtlichen Vorsorgeeinrichtungen ist eine ähnliche Tendenz zu erkennen, obschon sich der Wechsel langsamer vollzieht und noch beinahe die Hälfte (44%) im Leistungsprimat geführt werden. Im Jahr 2009 waren es noch 57% und 2007 sogar 73%. Seit 2007 beträgt der durchschnittliche relative Rückgang des Anteils an Leistungsprimatkassen auf zwei Jahre gesehen rund 20% im öffentlich-rechtlichen Sektor und rund 30% im privatrechtlichen Sektor. Die rasche Umstellung zum Beitragsprimat bei privatrechtlichen Vorsorgeeinrichtungen betrifft besonders kleine und mittlere Kassen. Bei grossen Kassen ist die

Tendenz, genau wie bei öffentlich-rechtlichen, zurückhaltender. Technischer Zins sinkt Wegen der Entwicklung der Wirtschaftslage seit dem Jahr 2000 werden die Pensionskassen mit einer grossen Herausforderung konfrontiert, nämlich der Senkung des technischen Zinssatzes. Obwohl die Fachrichtlinie Nummer 4 der Schweizerischen Kammer der Pensionskassen-Experten (in Kraft ab dem 1. Januar 2012) für das Jahr 2012 einen technischen Referenz-

zinssatz von 4,25% berücksichtigt, wird eine rasche Senkung auf Werte zwischen 3,0% und 3,5% erwartet. 2007 verwendeten noch 80% einen technischen Zinssatz von 4%, heute sind es noch ein Drittel. Zwei Drittel der Pensionskassen wenden einen tieferen technischen Zinssatz an mit einem durchschnittlichen Wert von rund 3,6%. 40% der Pensionskassen verwenden einen technischen Zinssatz von 3,5% und beinahe 20% einen noch tieferen Satz. Zudem kommt die Absicht, den technischen Zinssatz zu senken, klar zum Ausdruck. So wird eine Senkung von 42% der Kassen beabsichtigt, wobei der angestrebte Zinssatz durchschnittlich bei 3,4% liegt. Am Swiss Pension Fund Survey 2011/12 haben 216 Pensionskassen teilgenommen, mit insgesamt mehr als 1,2 Mio. Versicherten und einem kumulierten Vermögen von 297 Mrd. Franken.

Rentenklau stoppen AWP Soziale Sicherheit: Sie sprechen von Rentenklau an den Jungen. Werner Hertzog: Im Beitragsprimat ist die Verzinsung des Altersguthabens seit Jahren wesentlich tiefer als der für die Renten relevante technische Zinssatz; der Umwandlungssatz wird in den überobligatorischen Plänen laufend gesenkt. Rechnen kann jeder selber.

Werner Hertzog Managing Director Aon Hewitt Switzerland AG

Eine Generationensolidarität war im BVG nie vorgesehen. Was lief falsch? Man hat einfach geglaubt, dass die Anlagemärkte mehr Performance hergeben und hat mit zu optimistischen Annahmen operiert. Gleichzeitig rechneten viele damit, dass dadurch die versicherungstechnischen Löcher gestopft werden können. Die Wette ist nicht aufgegangen und jetzt braucht es einen neuen Business Case.

2. Säule. Will man das? Ich plädiere für den ersten Weg.

Welche Lösungsansätze sehen Sie? Bezogen auf die faktisch existierende Generationensolidarität gibt es im Wesentlichen nur zwei vernüftige Wege: Entweder verzichtet die Politik auf eine Übersteuerung der aktuariellen Parameter oder sie lässt zu, dass die Rentenbeziehenden im Sanierungsfall mitzahlen. Das Abschaffen der Renten­garantie wäre aber langfristig gesehen eine Art Dolchstoss für die

Wie sehen Sie unter diesen Vorzeichen die Zukunft der 2. Säule? Ich bin Optimist. Alt Nationalrat Otto Fischer hat bei seiner Abschiedsrede im Rat gesagt: «Wissen Sie – der Souverän ist auch nicht dümmer als wir!» Ich glaube daran, dass wir alle zur Vernunft kommen und den Gürtel etwas enger schnallen werden. Je früher desto besser.

Muss man in der 2. Säule komplett umdenken, wenn der dritte Beitragszahler auf längere Zeit schwächelt? Wenn alle Beteiligten zur Vernunft kommen und etwas zurückstecken – nein. Wenn alle nur auf ihren eigenen Profit schielen, dann wandern wir in griechische Gefilde.

Interview: Erich Wiederkehr

22/2011 | AWP Soziale Sicherheit 5

Aufsicht

Tätigkeitsbericht 2010 der Aufsicht Berufliche Vorsorge

Unentbehrliche Wertschwankungsreserven Viele Pensionskassen haben zu wenig Wertschwankungsreserven. Die Aufsicht Berufliche Vorsorge im BSV musste deshalb im vergangenen Jahr wiederholt Mahnungen aussprechen. ew. Bei den meisten Pensionskassen seien die Wertschwankungsreserven gegenwärtig entweder nicht vollständig geäufnet oder deren Berechung sei noch nicht an die neue Anlagestrategie angepasst worden. Dies hält die Aufsicht Berufliche Vorsorge (ABV) des BSV in ihrem kürzlich publizierten Jahresbericht 2010 unmissverständlich fest, im letzten Jahresbericht übrigens vor Inkrafttreten der neuen Aufsichtsstruktur mit der Oberaufsichtskommission (vgl. Interview mit Pierre Triponez in AWP 21/2011). Die Wertschwankungsreserven seien aber zentral und deren Bedeutung würde in Zukunft noch zunehmen. Denn je höhere Risiken eine Vorsorgeeinrichtung angesichts der schlechten Ertragsaussichten auf den Finanzmärkten eingehe, umso unentbehrlicher sei die Wertschwankungsreserve. Ermahnungen erteilt Mehrere Vorsorgeeinrichtungen, welche die notwendigen Wertschwankungsreserven nicht geäufnet hatten, mussten laut ABV im Laufe des Jahres 2010 an ihre Pflichten erinnert werden. Kurzfristig möge eine Unterlassung dieser Pflicht keine Folgen haben, bei einer erheblichen Verminderung der Aktiven könne sie jedoch für das Überleben einer Pensionskasse entscheidend sein, hält die ABV fest.

Dabei bedeute das Erreichen des finanziellen Gleichgewichts nicht, dass für die betroffene Vorsorgeeinrichtung die finanzielle Stabilität garantiert sei, schreibt die ABV. Denn je höher die eingegangenen Risiken sind, umso stärker ist sie den Wertschwankungen der Aktiven ausgesetzt. Dies erklärt auch die Bedeutung und Notwendigkeit der Wertschwankungsreserven. Es sei deshalb ratsam, die ergriffenen Sanierungsmassnahmen weiterzuführen, bis die Vorgaben erfüllt seien, schreibt die ABV. Dabei verweist sie auf die Mitteilungen über die Berufliche Vorsorge des BSV (Nr.104 vom 5.3.2008): «Sofern der Deckungsgrad mindestens 110% beträgt und die Wertschwankungsreserve zu mindestens 75% des aktuellen Zielwerts geäufnet ist, können vom Ertragsüberschuss des laufenden Jahres 50% für eine Leistungsverbesserung verwendet werden. Die restlichen 50% müssen für die Äufnung der Wertschwankungsreserve bis zum Erreichen des Zielwertes verwendet werden.» Bei 18 Vorsorgeeinrichtungen waren 2010 Sanierungsmassnahmen im Gang, 2009 waren es noch 22 und 2008 sogar 75. Nur drei von der ABV beaufsichtigte Vorsorgeeinrichtungen wiesen 2010 eine Unterdeckung von weniger als 90% auf. Als Folge der Finanzkrise und der Ver-

Sanierungsmassnahmen 2008–2010. Quelle BSV

schlechterung der Deckungsgrade wurde innerhalb der ABV eine «Fachgruppe Unterdeckung» gebildet. Diese prüft die Sanierungspläne und stellt sicher, dass die Unterdeckung innerhalb einer vernünftigen Frist von 5-7 Jahren behoben werden kann. Die ABV beaufsichtigt national und international tätige Einrichtungen. Dazu gehören insbesondere Sammelstiftungen von Versicherungen und Banken, Gemeinschaftsstiftungen von Berufsverbänden, Vorsorgeeinrichtungen des Bundes (Nationalbank, Publica, SBB, Suva). 2010 standen insgesamt 202 Einrichtungen unter der Aufsicht der ABV. Diese verwalteten ein Vermögen von 337 Mrd.Franken, 23,4 Mrd. Franken mehr als im Vorjahr. Interessenkonflikte vermeiden Ein besonderes Augenmerk der ABV gilt der Problematik der Interessenkonflikte. Vorsorgeeinrichtungen müssen deshalb eine genügende Organisation haben. Die ABV hat aus diesem Grund in den vergangenen zwei Jahren nur noch Neugründungen von Sammelstifungen zugelassen, wenn keine Doppelfunktionen vorlagen. Eine Unternehmung, die mit Entscheidungsträgern im Stiftungsrat vertreten ist, darf also nicht gleichzeitig Empfängerin von Aufträgen der Vorsorgeeinrichtung sein. Der Tätigkeitsbericht 2010 der ABV als direkte Aufsichtsbehörde des Bundes ist der letzte, da wie eingangs erwähnt mit der Strukturreform die Aufsichtskompetenzen neu geordnet werden. Für die ABV hat dies einen Personalabbau zur Folge. >> www.bsv.admin.ch/aufsichtbv

Deckungsgrad nach Anzahl (links) und Bilanzsumme (rechts) der Vorsorgeeinrichtung. Quelle: BSV

6  AWP Soziale Sicherheit | 22/2011

Standpunkt

Jenseits von Managed Care Von Michael Sonntag

Ein vertrautes Bild: Der Blutdruck sinkt ständig tiefer, trotz immer höherer Dosen vermeintlich altbewährter Medikamente. Höchste Zeit also, sich einmal Gedanken über die gestellte Diagnose und die angewandten therapeutischen Massnahmen zu machen. Noch wichtiger ist es aber, dass wir uns grundsätzlich über unser Menschenbild bewusst werden. Dieses bestimmt nämlich unser Denken, unser Handeln und die angewandten ökonomischen und Management-Modelle. Anders gesagt: Was kann unser Gesundheitswesen von der Medizin und von modernen Managementkonzepten lernen? Steuern oder vertrauen? Dabei kommen folgende Grundannahmen vor: Der Typ X (nach Douglas Mc Gregor): Unselbständig, uneinsichtig, egoistisch, reiner Kostenfaktor und somit zu kontrollieren und zu bestrafen. Stichworte: Taylorismus, Command and Control, angebliche Effizienz, Managed Care mit Budgetverantwortung, Erhöhung des Selbstbehaltes bei freier Arztwahl, DRG, Zentralisierung, Einheitskasse, Organisations- und Managementmodelle aus der Zeit der Industrialisierung – und immer mehr Produktion von wertlosem Unsinn. Der Typ Y (nach Douglas Mc Gregor) oder der Typ I (nach Daniel H. Pink): Mitdenkend, durch intrinsische Motivation, persönliche Werte und Haltungen («purpose») geleitet, selbstbestimmt, selbstverantwortlich und autonom handelnd. Stichworte: Engagement, Selbstverantwortung, Selbstbestimmung, freie Arztwahl, Verzicht auf Micromanagement (Kontrolle); dezentrale, selbstorganisierende, selbstregulierende, vollständig auf Kunden und Mitarbeiter ausgerichtete, Wertegesteuerte Organisations- und Managementmodelle; Beyond-Budgeting-Managementmodell. Auch müssen wir uns wieder auf das besinnen, was gesundes menschliches Funktionieren voraussetzt: verlässliche, vertrauensvolle, emotional tragende, nahe Beziehungen. Stich-

worte hier sind: Freie Arztwahl mit gut entwickelter, auf gegenseitigem Vertrauen und Committment aufbauender Arzt-Patient-Beziehung, kundenzentriertes Management, ein kooperativer, auf emotional tragenden Beziehungen basierender Führungsstil, die sogenannte High Performance Leadership (nach Prof. G. Kohlrieser, IMD Lausanne). Weg vom Budget-Denken Solange wir uns nicht von dem veralteten Typ X–Menschenbild und der damit verbundenen Command-andControl-Kultur dezidiert lösen, wird keine Veränderung stattfinden – und der Blutdruck wird weiter sinken, wohl bis zum Exitus. Der schwierigste Schritt hierbei ist, sich vollständig vom Budget-Denken, also der Kontrolle über Geld, zu lösen. Es braucht den Mut zu einer komplett neuen Denkweise. Beispiele, dass dies selbst innert kurzer Zeit erfolgreich möglich ist, gibt es genug – auch im Gesundheitswesen. So stockte ein grosser Gesundheitsversorger in Seattle das ambulant tätige ärztliche Personal um 50% auf. Mehrkosten: 16 Dollar pro Patient und Jahr. Einsparungen binnen eines Jahres: 54 Dollar, allein durch 30% weniger Notfalleinweisungen. Diejenigen Akteure im Gesundheitswesen (insbesondere die Krankenkassen), die es wagen würden, entsprechende «Beyond-ManagedCare»-Projekte interdisziplinär umzusetzen, könnten viel Geld verdienen – durch verringerte Kosten, Gewinnen vieler neuer («Typ I»)-Kunden und durch die Kooperation mit wirklich guten, nachhaltig denkenden und handelnden Ärzten.

Michael Sonntag Dr. med., Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, Bern

Anlage Aktuell

Fremdwährungen absichern? Wegen massiven Konjunkturrisiken und Deflationsängsten hat die Schweizerische Nationalbank am 6. September 2011 angekündigt, den Euro ab einem Wechselkurs von 1.20 Franken pro Euro mit Interventionsmassnahmen stützen zu wollen. Innerhalb von 15 Minuten nach der Ankündigung stieg der Wechselkurs von 1.10 auf 1.20 Franken pro Euro. Diese Ereignisse zeigen, dass das Fremdwährungsrisiko in einem Portfolio nicht unterschätzt werden darf. Als zugrundeliegender akademischer Ansatz gilt die Theorie der ungedeckten Zinsparität, nach der bei Anlagen in Fremdwährungen – gegenüber vergleichbaren Anlagen in Schweizer Franken – keine Zusatzrendite generiert wird. Somit wird das Fremdwährungsrisiko nicht durch eine positive Risikoprämie entschädigt und sollte folglich minimiert werden. An dieser Stelle kommt die Absicherung des Fremdwährungsrisikos ins Spiel. Ob eine Absicherung aufgrund dieser Erkenntnis sinnvoll ist, hängt schliesslich von den Faktoren Machbarkeit, Aufwand und gewählte Bewirtschaftungsmethode ab. Bei der Machbarkeit setzt man voraus, dass die Währungsallokation und die Fremdwährungserträge mit genügender Präzision identifiziert und quantifiziert werden können, beispielsweise bei Obligationen. Sonst muss man auf Annahmen betreffend Allokation und Ertrag zurückgreifen und ein schwer einschätzbares Prognoserisiko hinnehmen, wie bei Aktien. Betreffend Aufwand gilt der Grundsatz, dass die Absicherung von Fremdwährungen in Schwellenländern wegen relativ hoher Kosten eher zu vermeiden ist. Gleiches gilt für Fremdwährungen mit geringen Nominalbeträgen. Als Letztes muss die Art der Bewirtschaftung beachtet werden. Während bei Portfolios mit passiver Bewirtschaftung die Absicherung der Fremdwährungspositionen empfehlenswert ist, ergibt sie bei einem aktiven Währungs-Management im Prinzip keinen grossen Sinn. Dass dieses aktive Management letztlich erfolgreich ist, kann jedoch nicht gewährleistet werden. LCP Asalis AG, Zürich www.asalis.ch

22/2011 | AWP Soziale Sicherheit 7

KRANKENVERSICHERUNG Rubriktitel

Allianz Schweizer Krankenversicherer: Reformen im Gesundheitswesen

Solidarität muss neu überdacht werden Die Allianz Schweizer Krankenversicherer (ASK) will die Handhabung von Einheitsprämie, Prämienverbilligung und Risikoausgleich überdenken. Damit bezieht die aus Groupe Mutuel, Helsana und Sanitas bestehende neugegründete Kraft im Schweizer Gesundheitswesen erstmals Position. AWP Soziale Sicherheit: Wieso braucht es einen neuen Zusammenschluss von Krankenversicherern? Reto Dietschi: Die ASK wurde gegründet, um mehr Innovation und weniger Ideologie in die gesundheitspolitische Diskussion in der Schweiz einzubringen. Wir verfügen zwar über ein qualitativ hochstehendes Gesundheitssystem und die Bevölkerung ist sehr zufrieden damit. Aber es gibt auch Schwächen. Diese möchten wir direkter und innovativer angehen, als es in der Vergangenheit oft der Fall war. Wo liegt der Unterschied zum Krankenkassenverband Santésuisse? Santésuisse vertritt in erster Linie die Grundversicherung. Die ASK hat einen anderen Anspruch, indem sie auch die Anliegen der Zusatzversicherung aufnimmt. Der Hauptunterschied besteht auch darin, dass wir nur drei Mitglieder sind, im Gegensatz zu Santésuisse mit rund 60 Mitgliedern. Die Voraussetzungen sind damit besser, neue Ideen rascher zu entwickeln und umzusetzen. Wie soll das Gesundheitswesen der Zukunft aussehen? Das Grundziel der Krankenversicherung muss erhalten bleiben, d.h. unabhängig von den finanziellen Möglichkeiten des Einzelnen eine hochstehende Grundversorgung für Jung und Alt sicherzustellen. Aber wir wollen auch ein finanzierbares System. Der Fokus muss darauf gelegt werden, dass man nicht alles machen kann, was denkbar ist. Sie sagen, die Generationensolidarität sei heute überstrapaziert.

8  AWP Soziale Sicherheit | 22/2011

Die Generationensolidarität war durchaus gewollt. Aber die Situation gerade für junge Familien ist schwierig geworden, da wir mit der Einheitsprämie eine starke Verlagerung von Jung zu Alt im Umfang von jährlich 6 Milliarden Franken haben. Ob das gewollt war, ist fraglich. Dazu kommen weitere Umverteilungsmechanismen, etwa durch die Möglichkeit, sich über hohe Rabatte bei den Franchisen zu entlasten. Schliesslich müssen diese Ungerechtigkeiten über die individuelle Prämienverbilligung und damit über das Steuersystem wieder ausgeglichen werden. Man verschiebt somit Milliarden von der einen zur anderen Seite. Es fehlt die Transparenz. Die ASK will hier eine saubere Auslegeordnung machen und dann auch die Lösungen vorschlagen. Ohne staatliche Leitplanken geht es aber in der Gesundheitsversorgung nicht. Der Staat muss primär dafür sorgen, dass es keine Unterversorgung gibt. Aber muss der Staat jedes Detail regeln? Wir glauben, dass ein freiheitliches und auf Wettbewerb basierendes System besser funktioniert. Zudem ist Konkurrenz unter den Krankenversicherern wohltuend, nicht im Sinne der Risikoselektion, sondern weil sie verhindert, dass ungerechtfertigte Leistungsansprüche von 2 Milliarden Franken ausbezahlt werden. Die Krankenversicherer müssen aber für die Kostensteigerung als Prügelknaben herhalten. Vielleicht ist es den Krankenversicherern noch zu wenig gelungen, ihre wichtige Rolle aufzuzeigen. Da besteht Nachholbedarf. Der Rechungssteller ist selten beliebt.

Reto Dietschi Direktor Allianz Schweizer Krankenversicherer

Wenn die Leute aber gut informiert sind, sehen sie die Bedeutung der Krankenversicherer sehr wohl. Sie sind sich auch bewusst, dass man ein gut funktionierendes System nicht durch etwas mit ungewissem Ausgang ersetzen sollte. Alle sprechen im Moment von Managed Care. Wie steht die ASK dazu? Die ASK sagt ja zu Managed Care, wenn auch nicht mit grosser Begeisterung. Im Detaillierungsgrad wurde teilweise übertrieben. Positiv ist, dass die Wahlfreiheit für die Versicherten grundsätzlich gewährleistet bleibt. Die Reformkräfte haben sich durchgesetzt. Wir wollen nicht zu den Verweigerern gehören, die aus ideologischen Gründen nein sagen. Mit der Volksinitiative über die Einheitskasse kommt ein noch grösserer Brocken auf die Krankenversicherer zu. Die Idee einer Einheitskasse bzw. von 26 kantonalen Einheitskassen, wie es die Volksinitiative vorsieht, steht im Widerspruch zu unseren Grundsätzen. Wahlfreiheit und Konkurrenz würden aufgehoben. Nehmen Sie als Beispiel einer Einheitskasse die Invalidenversicherung mit ihren riesigen Problemen. Ich glaube nicht, dass man hier von einem leuchtenden Beispiel eines gesunden Sozialwerks sprechen kann. Deshalb glaube ich auch nicht, dass die Schweizerinnen und Schweizer bei der Krankenversicherung einen solchen Weg beschreiten möchten. Interview: Erich Wiederkehr

2. säule Kollektivversicherung

Was ändert und was gleich bleibt

Begrenzung der Gewinne gefordert

Diese BVG-Masszahlen gelten ab 2012 Männer 2011 Frauen 65 64

Männer 2012 Frauen 65 64

13 920 27 840

13 920 27 840

20 880 24 360 83 520 3 480 59160 835 200

20 880 24 360 83 520 3 480 59160 835 200

2,0% 17 012 17 730 488,9% 509,5% 276 686 288 171 467,7% 487,1%

1,5% 17 540 18 259 504,0% 524,7% 285 825 297 323 483,1% 502,6%

tal von 2,51 auf 2,45% gesunken. Der Referenzzinssatz beträgt somit kaufmännisch gerundet 2,5%. Für die Mietenden entsteht im Grundsatz ein Senkungsanspruch im Umfang von 2,91%.

Laut einer Analyse der Gewerkschaft Travail Suisse entnehmen die Lebensversicherer der 2. Säule jährlich mindestens 600 Mio. Franken als Gewinn, den sie ihren Aktionären zuführen. Das sei für die Tätigkeit in einer Sozialversicherung eindeutig zuviel. Insgesamt sind nach Angaben von Travail Suisse den Aktionären allein zwischen 2005 und 2010 fast 2,5 Mrd. Franken zugeflossen. Die Gewerkschaft fordert die Umsetzung von zwei Massnahmen: • Die Prämien für Invalidität und Todesfall sollen auf maximal 120% der tatsächlich erbrachten Leistungen beschränkt werden. «Heute betragen die Prämien für Invalidität und Tod das doppelte der tatsächlich von den Lebensversicherern ausgerichteten Leistungen.» Der Gewinn von jährlich rund 600 Mio. Franken werde hauptsächlich durch massiv überhöhte Risikoprämien gespiesen. «Die Finma, welche den Auftrag hat, missbräuchliche Prämien zu verhindern, hat bis jetzt die überhöhten Risikoprämien der Lebensversicherer geduldet.» • Die zulässigen Gewinne der Lebensversicherer aus der 2. Säule sollen an die Höhe des Mindestzinses gekoppelt werden (2011: 2%, 2012: 1,5%). «Heute entnehmen die Lebensversicherer der 2. Säule weit mehr Mittel, als ihnen vom Parlament ursprünglich zugedacht war.» Durch die Veränderung der Mindestquoten-Regelung seien über 2 Mrd. Franken mehr an die Lebensversicherer geflossen als vorgesehen. Die gesetzlichen Grundlagen müssten deshalb angepasst und eine für die Versicherten faire Überschussbeteiligung festgeschrieben werden, fordert Travail Suisse. Für Travail Suisse ist klar: «Solange die Lebensversicherungsgesellschaften in der 2. Säule massiv überhöhte Gewinne abführen, sind Leistungskürzungen bei den Versicherten nicht akzeptabel und in der breiten Bevölkerung chancenlos.» Aus diesem Grund seien die Gewinne der Lebensversicherer der Knackpunkt jeglicher Revision der 2. Säule. Die Politik müsse in diesem Punkt einsichtige Lösungen finden, wenn die Blockade überwunden werden solle.

>> www.referenzzinssatz.admin.ch

>> www.travailsuisse.ch

BVG-Rücktrittsalter Jährliche AHV-Altersrente Minimale Maximale Lohndaten der Aktiven Eintrittsschwelle; minimaler Jahreslohn Koordinationsabzug Max. versicherter Jahreslohn in der obligatorischen BV Min. koordinierter Jahreslohn Max. koordinierter Jahreslohn Max. in der beruflichen Vorsorge versicherbarer Jahreslohn BVG-Altersguthaben (AGH) BVG-Mindestzinssatz Min. AGH im BVG-Rückstrittsalter in % des koordinierten Lohns Max. AGH im BVG-Rücktrittsalter in % des koordinierten Lohns

BVG-Altersrente und anwartschaftliche BVG-Hinterlassenenrenten Renten-Umwandlungssatz in % des AGH im BVG-Rentenalter Min. jährliche Altersrente im BVG-Rücktrittsalter in % des koordinierten Lohns Min. anw. jährliche Witwen- und Witwerrente Min. anw. jährliche Waisenrente Max. jährliche Altersrente im BVG-Rücktrittsalter in % des koordinierten Lohns Max. anw. jährliche Witwen- und Witwerrente Max. anw. jährliche Waisenrente

6,95%

6,90%

6,90%

6,85%

1182 34,0% 709 236 19 230 32,5% 11 538 3846

1223 35,1% 734 245 19 884 33,6% 11 930 3977

1210 34,8% 726 242 19 722 33,3% 11 833 3944

1251 35,9% 750 250 20 367 34,4% 12 220 4073

20 000

20 100

20 100

20 300

Barauszahlung der Leistungen Grenzbetrag des AGH für Barauszahlung Beitrag Sicherheitsfonds BVG Für Zuschüsse wegen ungünstiger Altersstruktur Für Leistungen bei Insolvenz und für andere Leistungen Max. Grenzlohn für die Sicherstellung der Leistungen

0,07% 0,01% 125 280

0,07% 0,01% 125 280

6682 33 408

6682 33 408

Steuerfreier Grenzbetrag Säule 3a Oberer Grenzbetrag bei Unterstellung unter 2. Säule Oberer Grenzbetrag ohne Unterstellung unter 2. Säule Keine Änderung gegenüber 2011

Änderung gegenüber 2011

>> www.bsv.admin.ch

Mieten

Referenzzinssatz auf 2,5% gesenkt Der Bund hat den Referenzzinssatz per 2. Dezember 2011 von 2,75 auf 2,5% gesenkt. Der Referenzzinssatz basiert auf dem vierteljährlich erhobenen Durchschnittszins der inländischen Hypothekarforderungen. Dieser Durchschnittszins ist Ende September gegenüber dem Vorquar-

22/2011 | AWP Soziale Sicherheit 9

Stationäre Grundversorgung 2010

Spitex-Statistik

Drei Fragen

Länger im Spital

80% gemeinnützig

Wie wichtig ist Ihnen persönlich soziale Sicherheit? Die soziale Sicherheit ist ein wichtiges Element in meiner Zukunftsplanung. Die vorhandene Grundversorgung erlaubt es mir, mein Leben so zu gestalten, dass nicht nur die Vorsorge für das Alter im Mittelpunkt steht.

Der durchschnittliche Spitalaufenthalt ist im Jahr 2010 erstmals seit zehn Jahren wieder gestiegen, nämlich von 7,3 auf 7,7 Tage. Dies geht aus der Statistik des Bundesamts für Statistik (BFS) hervor, welche die Daten von 286 Schweizer Spitalbetrieben erfasst. In den psychiatrischen Spezialkliniken haben sich die Aufenthalte im Schnitt um 2,8 auf 40,1 Tage verlängert. Insgesamt wurden 2010 rund 1,3 Mio. stationäre Behandlungsfälle in Allgemeinspitälern verzeichnet, 1,3% mehr als im Vorjahr. Während die durchschnittliche Aufenthaltsdauer bei den grossen Allgemeinspitälern um 0,8 Tage zunahm, nahm sie bei den kleinen weiterhin ab. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren betrug die durchschnittliche Aufenthaltsdauer in den Akutspitälern noch beinahe 9 Tage und in den psychiatrischen Betrieben mehr als 42 Tage. Überdurchschnittlich von einem Spitalaufenthalt betroffen waren 40- bis 50-jährige Männer, zum Beispiel wegen Verletzungen des Knies oder Unterschenkels, sowie über 80-jährige Patientinnen, diese oft wegen Schenkelhalsfrakturen. 2010 arbeiteten 174  000 Personen in Schweizer Spitälern, was 138 500 Vollzeitstellen entsprach. Die Gesamtkosten der Spitäler beliefen sich auf 13,2 Mrd. Franken (+4% gegenüber dem Vorjahr).

2010 betreuten 1162 Spitex-Leistungserbringer nahezu 263 000 Personen oder 3,3% der Bevölkerung. Gut 36 000 Mitarbeitende waren dafür im Einsatz. 80% des Leistungsvolumens des gesamten Bereichs wurde von gemeinnützigen Organisationen erbracht. Dies geht aus der SpitexStatistik 2010 des Bundesamts für Statistik (BFS) hervor. Die Statistik beinhaltet ab den Daten 2010 zusätzlich zu den bisherigen gemeinnützigen und öffentlich-rechtlichen Organisationen für Hilfe und Pflege zu Hause auch die erwerbswirtschaftlichen Organisationen und die selbstständigen Pflegefachpersonen. Die selbständigen Pflegefachpersonen bilden die zweitgrösste Gruppe (377 Pflegefachpersonen respektive 32%), und die ebenfalls erstmalig befragten 168 erwerbswirtschaftlichen Organisationen machen 15% aller Lei­stungserbringer aus. Die gemeinnützigen Organisationen entsprechen 13 000 Vollzeitstellen. Sie betreuten während 13 Mio. Stunden 220 000 Klienten. Die Erhöhung der Anzahl teilnehmender Leistungserbringer im Jahr 2010 bewirkte eine generelle Volumenzunahme bei den Vollzeitstellen (+21%), den betreuten Personen (+23%) und den geleisteten Stunden (+23%).

Was finden Sie am schweizerischen Sozialversicherungssystem vorbildlich? Die Verknüpfung von staatlicher, betrieblicher und persönlicher Vorsorge scheint mir ein optimaler Weg. Da zudem jede der drei Säulen für sich unabhängig ist und nach anderen Prinzipien funktioniert, sind die Risiken besser aufgefangen. Durch geschäftliche Kontakte habe ich das Vorsorgesystem in den USA kennen gelernt. Der einzelne Arbeitnehmer trägt dort eine grössere Eigenverantwortung. Dies kann Vorteile haben, für mich überwiegen aber die Risiken. Bei unserem System sehe ich die Vorteile, dass der Arbeitnehmer zwar einen persönlichen Beitrag leisten kann, dass er aber auch ohne diesen Beitrag zu einer akzeptablen Grundversorgung kommt. Je mehr er selber beiträgt, um so breiter ist die Absicherung. Wenn Sie Didier Burkhalter wären, was würden Sie am Sozialversicherungssystem so rasch als möglich ändern? Einerseits müsste geprüft werden, ob Parameter wie Verzinsung und Umwandlungssatz nicht länger Bestand haben können, als dies derzeit der Fall ist, und zum andern, ob es nicht noch weitere Möglichkeiten gäbe, den persönlichen Beitrag auszuweiten.

Lohnstrukturerhebung 2010

Fast jeder dritte Arbeitnehmer mit Bonus 2010 belief sich der durchschnittliche Brutlohn unter 4000 Franken liegt, betrug tomedianlohn gemäss BFS auf 5979 Fran10,7%. Das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern hat sich von 2008 bis 2010 ken. Im Zeitraum von 2000 bis 2010 nahm der Lohn für Stellen mit höchstem Anfordurchschnittlich um 0,9 Prozentpunkte derungsniveau stärker verringert. Rund ein Drittel der ArbeitnehMedienmitteilung BFS zu als jener für Stellen mit tiefem Anforderungsniveau. Der menden (30,6%) erhielt einen Bonus. Anteil der Stellen, bei denen der BruttoMonatlicher Bruttolohn nach Ausbildung und Geschlecht 2010 G1 Zentralwert (Median), in Franken – Privater und öffentlicher Sektor (Bund) zusammen Total

Männer Frauen

Andere Ausbildungsabschlüsse Ohne abgeschlossene Berufsausbildung Unternehmensinterne Ausbildung Abgeschlossene Berufsausbildung Matura Lehrerpatent Höhere Berufsausbildung, Fachschule Fachhochschule (FH), PH

Peter Kopp Partner FIBA Finanzberatung Basel AG

Universitäre Hochschule (UNI, ETH) 0

2000

4000

Quelle: Schweizerische Lohnstrukturerhebung Monatlicher Bruttolohn nach Ausbildung und Geschlecht 2010

10  AWP Soziale Sicherheit | 22/2011

6000



8000

10000

12000 © BFS BFS Quelle:

Monatlicher Bruttolohn nach Grossregionen 2010 Privater und öffentlicher Sektor (Bund) zusammen

G2 Zentralwert (Median),

Fiskalquote 2010

Überwachung in der IV

Belastung nur leicht gestiegen

Detektiv zulässig

Die Fiskalquote der öffentlichen Haushalte der Schweiz beträgt 2010 voraussichtlich 29,8% des Bruttoinlandproduktes (BIP). Damit ist sie mit einem Wachstum von 0,1 Prozentpunkten gegenüber 2009 relativ stabil geblieben, wie die eidgenössische Finanzverwaltung mitteilt. Die leichte Zunahme sei auf das Wachstum der Steuereinnahmen in den Kantonen und Gemeinden zurückzuführen. Beim Bund und den Sozialversicherungen hingegen entwickeln sich die Quoten rückläufig, da die Einnahmen aus Steuern und Abgaben 2010 in diesen Sektoren weniger stark

angestiegen sind als das Bruttoinlandprodukt. Im internationalen Vergleich liegt die Schweizer Fiskalquote nach wie vor deutlich unter dem OECD-Durchschnitt von 33,7%. Die Fiskalquote stellt die Steuereinnahmen und Sozialversicherungsabgaben im Verhältnis zum BIP dar. Sie umfasst sämtliche Steuern sowie die obligatorischen Sozialversicherungsbeiträge an AHV, IV, EO, ALV, Familienzulagen in der Landwirtschaft und die Mutterschaftsversicherung des Kantons Genf.

Die Invalidenversicherung (IV) darf eine Person, die des Missbrauchs verdächtigt wird, auch bei Arbeiten auf dem Balkon ihrer Wohnung observieren lassen. Dies hat das Bundesgericht in einem neuen Urteil festgehalten. Im strittigen Fall hatte sich eine Frau bei der kantonalen IV-Stelle St. Gallen für eine Rente angemeldet. Da ihre Leiden medizinisch nur teilweise erklärt werden konnten, ordnete die IV eine Observierung an. Ein Privatdetektiv filmte sie in der Folge unter anderem dabei, wie sie auf dem Balkon ihrer Wohnung offenbar problemlos Reinigungsarbeiten erledigte. Das kantonale Verwaltungsgericht hatte zunächst entschieden, das Observierungsmaterial dürfe nicht verwendet werden, da mit den Aufnahmen vom Balkon der strafrechtlich geschützte Privatbereich der Betroffenen verletzt worden sei. Laut Bundesgericht sind Observierungen durch die IV im «öffentlich einsehbaren privaten Raum» jedoch nicht grundsätzlich ausgeschlossen. >> www.bger.ch (Urteil 8C_272/2011 vom 11.November 2011)

Impressum

Fiskalquote der Schweiz im internationalen Vergleich, 2010. Quelle: Eidg. Finanzverwaltung

Krankenversicherung: Auswertung von Offertanfragen

Wechsel ab 10% Prämienerhöhung Ab 10% Prämienanstieg ziehen die Versicherten einen Wechsel in Betracht. Dies geht aus einer Auswertung von Offertanfragen durch das Online-Vergleichsportal bonus.ch hervor. bonus.ch hat das Verhältnis der Offertanfragen zur Gesamtzahl der ausgeführten Prämienvergleiche auf seinem Portal analysiert. Unter den Personen, deren Prämienerhöhung für 2012 unter 5% liegt, schliessen nur 7,3% ihre Suche nach einer niedrigeren Prämie mit einer Offertanfrage ab. Mit 11,3% ist der Prozentsatz an Offertanfragen am höchsten bei denjenigen Personen, deren Prämienerhöhung 10% übersteigt. Das zeigt laut bonus.ch, dass immer noch zu wenige Versicherte von ihrem Sparpotenzial profitieren. Be-

denke man, dass die Leistungen der Grundversicherung gesetzlich festgelegt und folglich für alle Krankenkassen gleich sind, sei es erstaunlich, dass fast 90% der Versicherten auf eine jährliche Ersparnis von durchschnittlich 560 Franken verzichten. Über 80% der Offertenanfragen betreffen die Alternativmodelle, insbesondere das «Hausarzt-Modell» (46%). Bei den Franchisen ist es die Franchise 2500 Franken, für welche die meisten Offertenanfragen eingehen (über 30%). So sind es vor allem die jungen und gesunden Personen, die vom grössten Sparpotenzial profitieren können.

Herausgeber Hansjürg Saager Atlas Service AG, Zürich Redaktion Dr. Hansjörg Schenker (shj) Daniel Schnyder (das) Erich Wiederkehr (ew) AWP Soziale Sicherheit Postfach 7654, 3001 Bern 031 550 10 60 [email protected] www.soziale-sicherheit.ch Marketing Hügli Kommunikation Häisiwil 122, 4917 Melchnau BE 062 923 73 35 [email protected] Abonnemente Anita Dürst Atlas-Service AG Postfach 282, 8044 Zürich 044 265 28 00 [email protected] Herstellung Stämpfli Publikationen AG 3001 Bern www.staempfli.com

>> www.bonus.ch 22/2011 | AWP Soziale Sicherheit 11

SOZIALVERSICHERUNGEN

Internationale Finanzmärkte drücken auf die Sozialversicherungsstatistik

Kapital ist volatiler geworden Die Enwicklung des schweizerischen Sozialversicherungskapitals ist volatiler geworden. Dies zeigt ein Blick in die Gesamtrechnung der Sozialversicherungen. ew. Erstmals waren im Jahr 2009 die Einnahmen der Sozialversicherungen tiefer als im Vorjahr, wie die Schweizerische Sozialversicherungsstatistik 2011 festhält (vgl. AWP 21/2011). Daraus Schlüsse für die längerfristige Entwicklung der Sozialversicherungen zu ziehen, wäre allerdings voreilig, heisst es im Bericht, denn das Jahr 2009 sei in finanzieller Hinsicht ein ausserordentliches Jahr gewesen. Denn in den vergangenen vier Jahren hatte die Zuwachsrate der Einnahmen diejenige der Ausgaben übertroffen. Die ersten Anzei-

chen deuten darauf hin, dass das Jahr 2009 ein Ausnahmejahr gewesen ist, nachdem die ersten Ergebnisse von 2010 bereits positiv ausgefallen sind. Mit Abstand am meisten zum Ausgabenwachstum trug 2009 die Berufliche Vorsorge (BV) mit 12% bzw. 4,6 Mrd. Franken bei, die höchste Zuwachsrate wies hingegen die Arbeitslosenversicherung mit 57,7% auf (+2,6 Mrd. Franken). Die Finanzkrise wirkte sich 2008 ganz direkt auf die Sozialversicherungen aus, doch bereits 2009 trat wieder eine Erho-

Entwicklung der Gesamtrechnung der Sozialversicherungen 1999-2009. Quelle: BSV

lung ein. Der Wertzuwachs der Anlagen in der BV war 2009 sogar der höchste je von der BV erwirtschaftete Wertzuwachs. Mit netto 44,8 Mrd. Franken übertraf er den bisherigen Rekordwert von 42,3 Mrd. Franken aus dem Jahr 2005. Auswirkungen der Finanzkrise Massgeblichen Einfluss auf die Sozialversicherungsstatistik hat die Berufliche Vorsorge (BV). Das Finanzkapital der BV macht 89% des Gesamtkapitals der Sozialversicherungen aus. Die nebenstehende Grafik verdeutlicht die beiden Kapitalkrisen von 2001/2002 (-14,6%) und 2008 (-15,1%). Im Ausmass sind sie somit vergleichbar. Um die Kapitalwertverluste der vergangenen Krise vollständig wettzumachen, dauerte es nach der New-Economy-Krise drei Jahre. Die Finanzkrise 2008 hat den Schweizer Sozialversicherungen Verluste von 104 Mrd. Franken beschert. Angesichts des bisherigen Börsengangs im laufenden Jahr 2011 ist mit mindestens drei Jahren Erholungszeit zu rechnen. Insgesamt verlief der Börseneinbruch 2008 deutlich steiler als derjenige von 2001/2002. Im Ganzen gesehen ist die Entwicklung des schweizerischen Sozialversicherungskapitals volatiler geworden. Rekordhohe Sozialleistungsquote Die Sozialleistungsquote erreichte 2009 den Stand von 21,7% des Bruttoinlandprodukts. Dieser Anstieg um 1,4 Prozentpunkte ist die drittgrösste seit 1990 festgestellte Zunahme. Zu erklären ist der hohe Anstieg mit der Entwicklung des BIP. 2009 schrumpfte das BIP um 1,6%. Selbst bei einem Nullwachstum der Sozialversicherungsfinanzen wären deshalb die Quoten angestiegen. Wegen des sinkenden BIP hätte somit im Jahr 2009 bereits ein Nullwachstum der Sozialversicherungsausgaben zu einem Anstieg der Sozialleistungsquote von 20,3% auf 20,7% geführt. Der Anstieg im Jahr 2009 liegt jedoch tiefer als das bisher erreichte Maximum. In den Jahren 2003, 2004 und 2005 hatte die Sozialleistungsquote über 21,7% gelegen. Höchststand war im Jahr 2004 mit einer Sozialleistungsquote von 22,1%. In den vergangenen 20 Jahren zwischen 1990 und 2009 war das Jahr 2009 das einzige Jahr mit einem rückläufigen BIP. > www.bsv.admin.ch/dokumentation/ zahlen/00095/00420

Entwicklung des Finanzkapitals aller Sozialversicherungen 1987-2009. Quelle: BSV

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