Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit Deutsche Rentenversicherung Berlin, 26.01.2017 Dr. Ulrich Walwei Ausgangspunkt  Arbeits...
Author: Bastian Otto
3 downloads 0 Views 1MB Size
Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

Deutsche Rentenversicherung

Berlin, 26.01.2017

Dr. Ulrich Walwei

Ausgangspunkt



Arbeitsmarkt ist volatil und ständig von Wandelprozessen betroffen



Vielfältige Faktoren interagieren mit Beschäftigung und Arbeitslosigkeit



Welche Konsequenzen könnte die fortschreitende Digitalisierung für den Arbeitsmarkt haben?

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

2

Digitale Technologien: Ein weites Feld

Quelle: IAB-Kurzbericht 22/2016

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

3

Worum geht es konkret bei der Digitalisierung?



Weitgehende "Computerisierung" des Wirtschaftsgeschehens durch Mikroprozessoren und Sensorik



Interaktion und Konnektivität erreichen völlig neue Dimensionen



Entwicklungsfelder mit hohem Potenzial: Machine Learning, Artificial Intelligence, Mobile Robotics



Digitalisierung wird aller Voraussicht nach zum wichtigsten Treiber des technischen Fortschritts



Veränderungen betreffen nicht nur die Produktion (Industrie 4.0), sondern die gesamte Ökonomie (Wirtschaft 4.0)

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

4

Relevante Aspekte der Diffusion neuer Technologien



Wirtschaftliche Möglichkeiten und Grenzen



Unterschiede nach Marktsegmenten (Regionen, Branchen)



Tempo - evolutionäre oder disruptive Entwicklungen



Rechtliche Rahmenbedingungen und Handlungsspielräume



Gesellschaftliche Akzeptanz

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

5

Betriebliche Nutzung moderner digitaler Technologien

Quelle: IAB-Kurzbericht 22/2016, Daten: IAB-ZEW-Betriebsbefragung „Arbeitswelt 4.0“

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

6

Technischer Fortschritt und Arbeitsmarkt



Technische Entwicklung steigert Produktivität und ist damit ein wichtiger Treiber für das Wirtschaftswachstum



Arbeitsplatzsparende und arbeitsplatzgenerierende Effekte technischen Fortschritts stehen sich gegenüber



Asymmetrische Wirkungen mit Blick auf Sektoren, Berufe und Qualifikationen

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

7

Arbeitsmarkteffekte der Digitalisierung: Schwerpunkte bisheriger Untersuchungen



Substitutionspotenziale bei bestehender Beschäftigung



Gesamtwirtschaftliche Wirkungen



Umschichtungen in der Beschäftigungsstruktur

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

8

Substituierbarkeitspotenzial nach Anforderungsniveau der Berufe

Quelle: Dengler & Matthes (2015)

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

9

Substituierbarkeitspotenzial nach Berufssegmenten

Quelle: Dengler & Matthes (2015)

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

10

Betroffenheit der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Deutschland vom Substituierbarkeitspotenzial der Berufe

1) Eine Differenzierung der Betroffenen nach Anforderungsniveau der Berufe finden Sie in einer zusätzlichen Abbildung im Internet. 2) Anteil der Tätigkeiten, die schon heute potenziell von Computern erledigt werden könnten. Quelle: Dengler & Matthes (2015)

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

11

Beschäftigungseffekte eines Digitalisierungsszenarios im Vergleich zu einer Basisprojektion bis 2030 (Nettoeffekte sowie Gewinne/Verluste)

Quelle: IAB-Forschungsbericht 13/2016

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

12

Effekte des Digitalisierungsszenarios auf die Zahl der Erwerbstätigen nach Anforderungsniveaus - im Vergleich zu einer Basisprojektion

Quelle: IAB-Forschungsbericht 13/2016

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

13

Effekte des Digitalisierungsszenarios auf die Zahl der Erwerbstätigen nach Berufshauptfeldern - im Vergleich zu einer Basisprojektion

Quelle: IAB-Forschungsbericht 13/2016

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

14

Weitergehende Auswirkungen der Digitalisierung für die Arbeitswelt



Transaktionskosten, insbesondere Informationskosten, sinken mit der Folge, dass marktförmige Transaktionskosten attraktiver werden (Coase 1988; Williamson 2002)



Verrichtung von Arbeit ist nicht mehr auf bestimmte Räume oder bestimmte Zeit begrenzt



Körperlich schwere oder gefährliche Arbeit kann durch "intelligente" Maschinen erledigt werden

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

15

Digitalisierung und ihre Konsequenzen für die Bewältigung struktureller Arbeitsmarktprobleme



Interessierende Strukturprobleme: - Fachkräfteengpässe, - Persistenz der Arbeitslosigkeit, - Ungleichheiten in der Beschäftigung.



Vorgehen: - jeweilige Ausgangssituation, - Benennung relevanter Treiber der Entwicklung, - mögliche Effekte der Digitalisierung.

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

16

Fachkräfteengpässe (1): Ausgangssituation



Betriebe berichteten in D zuletzt häufiger über Stellenbesetzungsprobleme - als in der Vergangenheit (Brenzel et al. 2015) - und als in anderen Ländern (Cedefop 2015).



Befunde liefern für D keine Belege für flächendeckenden Fachkräftemangel, wohl aber für Engpässe in bestimmten Marktsegmenten (insbesondere in regionalen und berufsfachlichen Teilarbeitsmärkten).

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

17

Fachkräfteengpässe (2): Betriebliche Stellenbesetzungsprobleme wachsen 2010 bis 2015, Anteil an allen Neueinstellungen in % 45

40

35 Deutschland insgesamt Ostdeutschland

30

Westdeutschland

25

20 2010

2011

2012

2013

2014

2015

Quelle: IAB-Stellenerhebung 2015

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

18

Fachkräfteengpässe (3): Relevante Treiber



Aufnahmefähigkeit des (Teil-)Arbeitsmarktes (betrieblicher Bedarf)



Qualität der Arbeitskräftenachfrage (Spezifität der Anforderungen und Konzessionsbereitschaft der Betriebe)



Quantität und Qualität des Arbeitskräfteangebotes (Demografie, berufliche/regionale Mobilität und Konzessionsbereitschaft der Bewerber/Beschäftigen)



Institutionelle Veränderungen, die Knappheitsverhältnisse beeinflussen (Beispiele: „Rente mit 63“, „Einführung Mindestlohn“)

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

19

Fachkräfteengpässe (4): Mögliche Effekte der Digitalisierung



Hinweise, dass digitale, kreative und soziale Kompetenzen stärker gefragt sein werden



Tendenz zu höheren Qualifikationsanforderungen setzt sich vermutlich fort (wohl auch in neuen Tätigkeitsfeldern)



Anforderungen könnten sich schnell und fundamental verändern



Frage wird sein, ob (berufliche) Bildung qualitativ und im erforderlichen Tempo mithalten kann und sich hinreichend am betrieblichen Bedarf ausrichtet

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

20

Persistenz der Arbeitslosigkeit (1): Ausgangssituation



Zuletzt kaum noch Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit



Schwach sinkende Zahl von Langzeitleistungsbeziehern



Relativ geringe Abgangsraten in Beschäftigung und hohes Verbleibsrisiko von Langzeitarbeitslosen/-beziehern



Multiple Risiken erschweren (Re-)Integration

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

21

Persistenz der Arbeitslosigkeit (2): Relevante Treiber



Aufnahmefähigkeit des Arbeitsmarktes und Sortierprozesse



Einstiegsbedingungen



Verfügbarkeit von Einstiegspositionen



Individuelle Wettbewerbsnachteile

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

22

Persistenz der Arbeitslosigkeit (3): Risikomerkmale von ALG-II-Beziehern für Übergang in Beschäftigung Gesundheitliche Einschränkungen (***) Höheres Alter: 51-64 Jahre (***) Langzeitleistungsbezug (***) Fehlender Berufsabschluss (**) Mutter, in Partnerschaft mit Kindern unter 3 (**) und über 3 Jahre (*) Sprachdefizite (*) Pflegetätigkeit

Fehlender Schulabschluss Signifikanzniveau:

*** (hoch)

** (mittel)

* (schwach)

Quelle: Beste/Trappmann 2016

Kontraste am Arbeitsmarkt: Verfestigung von Arbeitslosigkeit und Fachkräftesicherung der Wirtschaft

23

Persistenz der Arbeitslosigkeit (4): Mögliche Effekte der Digitalisierung



(Qualifikatorische) Einstiegshürden dürften im Durchschnitt steigen



Risiko einer verstärkten Obsoleszenz von Qualifikationen durch das Tempo der Veränderungen



Jedoch: Verbesserte Chancen für Menschen mit physischen Beeinträchtigungen und Personen mit Betreuungsaufgaben

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

24

Erwerbsformen (1): Ausgangssituation



Langfristiger Trend zugunsten atypischer Erwerbsformen



Damit teilweise einhergehend: Langfristiger Trend in Richtung mehr Lohnungleichheit



Zuletzt Anzeichen, dass sich beide Trends nicht mehr fortsetzen

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

25

Erwerbsformen (2): Entwicklung von „Normalarbeit“ und „atypischer Beschäftigung“ in Deutschland - 1998 bis 2014, Wachstumsraten in %

60% 48%

50% 40%

36%

30% 20% 1998/2006

9%

10%

8%

0% -10%

2006/2014

0% -8%

-20% Normalarbeitsverhältnisse

Atypische Erwerbsformen

Atypische Erwerbsformen ohne reguläre Teilzeit

Quelle: Destatis 2014 (Sonderauswertung aus dem Mikrozensus)

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

26

Erwerbsformen (3): Relevante Treiber



Veränderte Zusammensetzung der Erwerbstätigkeit nach Geschlecht, Alter, Qualifikation und Sektoren (Walwei 2013)



Institutionelle Reformen (De- und Re-Regulierung)



Betriebliche Einsatzmotive und Personaldispositionen



Präferenzen von Erwerbspersonen im Lebensverlauf



Marktmacht und Handlungsoptionen (Houseman/Osawa 2003)

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

27

Erwerbsformen (4): Einfluss struktureller Veränderungen der Erwerbstätigkeit auf die Entwicklung verschiedener Erwerbsformen Ergebnisse auf der Basis von Shift-Share-Analysen für den Zeitraum 1991-20111) Strukturveränderungen der Erwerbstätigkeit

Befristung 2)

Shift-Effekt auf Erwerbsformen Geringfüg. Reguläre Teilzeit 4) 3) Leiharbeit Besch./ (< 32h/W) Mini-Jobs

SoloSelbständigkeit

Anstieg des formalen Qualifikationsniveaus

+

0

-

0

0

Steigender Frauenanteil

0

0

++

0

0

Alterung

--

0

-

0

-

Wachsender Dienstleistungsbereich

+

k.A.

++

0

0

1) < -25% = -- ; ≥ -25% < -5% = - ; ≥ -5% < 5% = 0 ; ≥ 5% < 25% = + ; ≥ 25 > 45% = ++ 2) Einschl. befristet Beschäftigter in Leiharbeit 3) Keine Information über die Verteilung von Leiharbeit auf sektoraler Ebene vorhanden 4) Einschl. Teilzeitbeschäftigter mit gleichzeitiger befristeter Beschäftigung und Leiharbeit Quelle: Walwei 2013

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

28

Digitalisierung und Erwerbsformen (1): Konsequenzen



Strukturelle Verschiebungen in der Erwerbstätigkeit



„Crowdworking/-sourcing“



Heimarbeit und mobiles Arbeiten



Mesung von Arbeitszeiten

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

29

Digitalisierung und Erwerbsformen (2): Strukturelle Verschiebungen in der Erwerbstätigkeit



Sektoraler "Shift" zugunsten des Dienstleistungsbereichs



Tendenziell wachsende Qualifikationsanforderungen



Veränderungen in der Berufsstruktur begünstigen Frauenerwerbstätigkeit Teilzeitaffine Arbeitsmarktsegmente werden durch Digitalisierung tendenziell gestärkt

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

30

Digitalisierung und Erwerbsformen (3): „Crowdsourcing“ und „Crowdworking“



Online-Plattformen vermitteln als Intermediär zwischen Angebot und Nachfrage unternehmerisches Risiko wird den Marktparteien zugewiesen; Plattformen können exponentiell wachsen, ohne dass Betriebskosten proportional steigen



Crowdsourcing ist nun neben der Leiharbeit eine weitere ad-hoc abrufbare Personalreserve Bis dato kein Aufwuchs bei Solo-Selbständigen. Crowdworker sind wohl überwiegend nebenberuflich tätig (Leimeister et al. 2015). Affin sind Geschäftsfelder mit hohem Dienstleistungsanteil und geringem Investitionsbedarf. Selbständige Tätigkeiten von „Freelancern" könnten zunehmen.

Aktuelle Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt

31

Digitalisierung und Erwerbsformen (4): Heimarbeit und Mobiles Arbeiten



Arbeit ist in immer stärkeren Maße ungebunden von Zeit und Raum



Mobiles Arbeiten nicht für alle Berufsgruppen realisierbar ‐ Verbreitung bisher vor allem in Berufen mit hoher Qualifikation, hohem Zeitdruck, hoher Autonomie und bei Frauen mit Kindern



Nutzung von „Homeoffice“ hat zuletzt nicht zugenommen; dennoch gibt es Potenziale ‐ DIW schätzt, dass 4,5 bis 5,0 Beschäftigte zumindest teilweise von zu Hause arbeiten

‐ Doppelt so viele würden gerne noch Heimarbeit machen ‐ Heimarbeit evtl. neue Alternative zur Teilzeitbeschäftigung

Aktuelle Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt

32

Digitalisierung und Erwerbsformen (5): Messung von Arbeitszeit



Herkömmliche Taktungen der Arbeitszeit („9-to-5-Jobs“) stehen auf dem Prüfstand  Outputorientierung könnte an Bedeutung gewinnen, mit abhängiger Beschäftigung vereinbar? – mehr Vertrauensarbeitszeit bzw. „Result-Only-Work-Environments“ (ROWE)  Erreichbarkeitsinteressen von Betrieben könnten der Nutzbarmachung von Freiheitsspielräumen seitens der Beschäftigten entgegen stehen

Aktuelle Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt

33

Fazit 

Technologische Arbeitslosigkeit unwahrscheinlich, solange Chancen der Digitalisierung genutzt werden;



Risiko von Fachkräfteengpässen, wenn (Aus-)Bildung nicht im erforderlichen Tempo mithält; erhöhte Nachfrage an digitalen und nicht-digitalisierbaren (kreativen und sozialen) Kompetenzen;



Stärkere Verfestigung von Arbeitslosigkeit, weil Anforderungen an Bewerber wachsen und sich Qualifikationen entwerten;



Suche nach neuem Flexibilitätskompromiss bezogen auf Arbeitszeit und Arbeitsort;



Neue Formen der Selbstständigkeit bieten Innovationschancen, die aber ggf. neue Formen der sozialen Sicherung erfordern.

Auswirkungen der Digitalisierung auf die Erwerbsarbeit

34

Suggest Documents