Aisthesis und die Grenzen der Interpretation

Projektskizze für einen später geplanten Antrag auf Errichtung eines neuen „Schlüsselthemas in den Geisteswissenschaften“bei der VolkswagenStiftung A...
Author: Insa Kohler
47 downloads 5 Views 109KB Size
Projektskizze für einen später geplanten Antrag auf Errichtung eines neuen „Schlüsselthemas in den Geisteswissenschaften“bei der VolkswagenStiftung

Aisthesis und die Grenzen der Interpretation

Martin Zenck, Dieter Mersch, Petra Maria Meyer und Elisabeth Oy-Marra

I. Thematischer Aufriss: Verstehensbegriffe diesseits der Hermeneutik und des Konzeptes ästhetischer Erfahrung … … … … … … … … … … … … ..… 2

II. Pluralität der Zugänge … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … ...4

III. Auszuarbeitende Diskursfelder: Medialität des Verstehens, Aisthesis und Archäologie der Sinne ..............................................................5

IV. Begründung des Untersuchungszeitraums … … … … … … … … … … ........8

V. Struktur der Forschungsansätze ...............................................................11 V. 1 Philosophie (Dieter Mersch): Brüchigkeit des Verstehens … … … … ....11 V. 2 Historische Musikwissenschaft/Musiktheaterwissenschaft (Martin Zenck): Taktilität und Geschmack als integraler Teil der Aisthesis. Ihre Bedeutung für die Wahrnehmung von Musik und die Grenzen eines rationalen Verstehensbegriffs … … … … … … … … … … … … … … … … .13 V. 3 Kunstgeschichte (Elisabeth Oy-Marra): Archäologie der Sinne. Darstellung und Ordnung der Sinne am Beispiel der 5-Sinne-Zyklen des 17. Jahrhunderts … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … ..14 V. 4 Medienwissenschaft/Theaterwissenschaft (Petra Maria Meyer): Sinnes-Wandel … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … ...15 V. 5 Systematische Zusammenführung der Einzelvorhaben … … … … ...… ..18

VI. Ziele und Resultate des Forschungsvorhabens … … … … … … … … … … 19 Literaturverzeichnis … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … … ...20

1

Projektskizze für einen später geplanten Antrag auf Errichtung eines neuen „Schlüsselthemas in den Geisteswissenschaften“bei der VolkswagenStiftung

Aisthesis und die Grenzen der Interpretation Martin Zenck, Dieter Mersch, Petra Maria Meyer und Elisabeth Oy-Marra

I. Thematischer Aufriss: Verstehensbegriffe diesseits der Hermeneutik und des Konzepts ästhetischer Erfahrung Seit Wilhelm Diltheys Begründung der Geisteswissenschaften galt „Verstehen“ als methodische Grundoperation und Ziel der Humanities. Anders als die zu erklärenden Objekte der Naturwissenschaften gehören die zu verstehenden Gegenstände der Geisteswissenschaften einer Lebenswelt an, die den Verstehenden als Teil mit umfasst. In diesem Sinne schließt Verstehen immer auch das Selbstverstehen des Verstehenden mit ein. Den hermeneutischen Zirkel aus Selbstauslegung und Auslegung des Gegenstandes im Verstehen hat Hans-Georg Gadamer als existentielle kulturelle Praxis der Geisteswissenschaften beschrieben, als das „Gespräch, das wir sind“. Die theoretische Fundierung, die Gadamer den Geisteswissenschaften gegenüber den Naturwissenschaften gegeben hat, darf in der Gegenwart nicht mehr als gesichert gelten. Seit dem ausgehenden 20. Jahrhundert hat das Verstehen seinen Status als Leitkategorie der Humanities verloren. Für diesen Positionsverlust sind weniger die Naturwissenschaften verantwortlich als Fragestellungen aus den Geistes- und Sozialwissenschaften selbst. Beginnend mit Jürgen Habermas’ideologiekritischer Hinterfragung der Versöhnungs- und Affirmationsbestrebungen im Prozess des Verstehens – ‚ alles Verstehen heißt alles Verzeihen’ – sind gegen den Universalitätsanspruch des Verstehens eine Reihe ernstzunehmender Kritiken vorgetragen worden. So hat der Poststrukturalismus die Prozesse der Bedeutung auf Effekte strukturaler Signifikationsprozesse zurückgeführt und damit die einseitig wirkungsgeschichtlichen Implikationen des Verstehens Gadamerscher Prägung außer Kraft gesetzt. Nicht nur ist mit der Geschichtlichkeit des Sinns zu rechnen, sondern auch mit seiner Medialität. Das Medium aber zeigt sich als aktiver Teil, der am Prozess der Vermittlung mitarbeitet und daher das Verstehen im Verlauf seiner Mediatisierung modifiziert. Der Dekonstruktivismus, der im Anschluss an Jacques Derrida in den 1990er Jahren vor allem in den USA die klassische Hermeneutik als vorrangige Interpretationsmethode entthronte, hat darüber hinaus im Sinne eines close reading versucht, die den Texturen eingeschriebenen, aber verborgenen Unterscheidungssysteme aufzudecken, um sie ihrer Struktur immanenter metaphysischer Vorannahmen zu entkleiden. Vom Problem des Fremden und der Alterität her hat Derrida wiederum mit Emmanuel Lévinas auf die durch keine Verständlichmachung einzuholende ‚ absolute Differenz’ des Anderen bestanden. Das unendliche hermeneutische ‚ Gespräch’findet daran insofern seine Grenze, als sich das Andere in seiner Heterogenität der Einverleibung durch den Dialog prinzipiell widersetzt. Verstehen und Interpretieren des Anderen, das sich am doppelten Ideal einer vollständigen Einbeziehbarkeit aller Teile ins Ganze und einer Identität von Auszulegendem und Auslegendem orientiert, erweist sich unempfänglich gegenüber allem, was sich nicht einfügen lässt und sich der Übereinstimmung entzieht. Das Nicht-Verstehbare ist die Grenze jedes auf Identität und Totalität zielenden Verstehens. Im Gegenzug hat sich als Chiffre für Nichtverstehbares seit gut zwei Jahrzehnten der Begriff der ‚ ästhetischen Erfahrung’(Jauss 1977; Bubner 1987) etabliert. So hat dieser unter der Hand begonnen, an die Stelle des problematisch gewordenen Verstehens zu rücken. Gegen die 2

Identitäts- und Totalitätslogik des Verstehens bringt der Begriff insbesondere die Kehrseite des Logos, die Materialität der (Sprach-)Zeichen und die Sinnlichkeit der Sinneswahrnehmung, die Aisthesis ins Spiel. Sind dadurch einerseits weitere wichtige Weichenstellungen in Richtung einer Erneuerung des Grundlagendiskurses in den Geisteswissenschaften vorgenommen und insbesondere die Revision des Aisthesis-Begriffs vorbereitet worden, bleibt jedoch der Begriff der ‚ ästhetischen Erfahrung’ als Gegenbegriff zum Verstehen aus mindestens zwei Gründen unbefriedigend. Erstens tendiert die Hyposthasierung der ästhetischen Erfahrung als Gegenpart zum diskursiven Verstehen zu einer doppelten Gefahr: a) einer Naturalisierung und Fundamentalisierung des Sinnlichen und Alogischen; und b) seiner nachträglichen Diskursivierung durch eine „Logik“des Nichtverstehens. Zweitens bleibt die ästhetische Erfahrung leer, solange sie sich der Frage des Sinns nicht stellt. Mit der Verengung des Verstehens auf das Verstehen einer sprachlichen Bedeutung ist die Frage nach dem Sinn auch der ästhetischen Erfahrung nicht obsolet. Vielmehr gilt es beide – ästhetische Erfahrung, oder genauer: Aisthesis einerseits und Verstehen bzw. Interpretation andererseits –miteinander ins Spiel zu bringen. Angesichts der scheinbaren Opposition zwischen Verstehen und ästhetischer Erfahrung setzt sich darum das interdisziplinäre Forschungsprojekt Aisthesis und die Grenzen der Interpretation zum Ziel, sowohl den Verstehensbegriff selbst neu zu befragen und jenseits des klassischen hermeneutischen Zugriffs nach Alternativen zu suchen, als auch den Begriff der ästhetischen Erfahrung durch den Aisthesis-Begriff zu überwinden. Die unter seinem Dach versammelten Forscher greifen damit eine für die Geisteswissenschaften essentielle und existentielle Grundlagenfrage auf. Methodisch vielversprechend erscheint es dabei, vor allem diejenigen Stellen ins Auge zu fassen, an denen sich Verstehen und Wahrnehmung (im weitesten Sinne von Aisthesis) wechselseitig schneiden. An ihren Schnittstellen sind Ansatzpunkte zu finden für eine theoretische Neubegründung des Verstehens in den Humanities. Ausgangspunkt des gemeinsamen Forschungsvorhabens bildet dabei die These von der prinzipiellen Brüchigkeit allen Verstehens. Diese ist in mehrfacher Weise auszumachen. Zum einen sperrt sich Verstehen offenbar jeder Totalisierung. Das gilt besonders mit Bezug auf die Erfahrung des Anderen sowie auf die Erfahrung der Künste. Weil diese an Alterität bzw. an Materialität und Medialität partizipieren, die sich schlüssiger Interpretation verweigern, bleibt ein nichtaufgehender Rest, der den Verstehensprozess in permanenter Unruhe hält. So bleiben Materialitäten, z.B. von ästhetischen Manifestationen sperrig und widerständig oder erzeugen einen Überschuss, der nicht wieder verstehend durch Sinnbezüge einholbar erscheint, sondern sie durchkreuzt. Jeder Verstehensprozess bleibt auf diese Weise fragmentarisch; er findet darin gleichzeitig seine Offenheit wie Unabschließbarkeit. Zum zweiten – und dies ist entscheidender – bleibt der Bezug, worauf sich Verstehen richtet und woran es sich entzündet, unklar. Dies gilt erneut in Ansehung der Materialität sowie der Medialität der Verstehensgegenstände. So erscheint nicht entscheidbar, was der Ausgangspunkt der verstehenden Bewegung genau sein kann, weil sich die zu verstehenden Gegenstände stets doppelt zeigen. Zeichen sind auch Dinge, Texte basieren auf der Ikonizität der Schrift, Bildern haftet eine in-transparente Objekthaftigkeit an, die Stimme ist auch Laut aufgrund des Körpers, der sie spricht, jede Handlung bedarf der leibhaften Gebärde usw. Mithin konstituiert sich ein Raum von Unbestimmbarkeiten, in dem jede Deutung eine chiastische Struktur erhält. Sinn und Nichtsinn bzw. Verstehen und Nichtverstehen (Mersch 2006) bilden folglich keine entscheidbare Alternative, sondern eine unentwirrbare Verflechtung.

3

Die Annahme einer solchen prinzipiellen Brüchigkeit des Verstehens verlangt neue Zugänge, die sich nicht zuletzt in Paradoxien zeigen, wie sie sich etwa innerhalb einer Medialität theatraler Zeichen niederschlagen (Meyer 2001). Das interdisziplinäre Forschungsvorhaben sucht solche Zugänge aus unterschiedlichen Richtungen zu entwickeln und zu diskutieren. II. Pluralität der Zugänge Erste Aufgabe des Forschungsprojektes ist es, sowohl den Begriff des ‚ Verstehens’als auch das Konzept der ‚ ästhetischen Erfahrung’zu revidieren und neu zu formulieren. Dazu haben sich in dieser Projektgruppe mit den Disziplinen Philosophie (Dieter Mersch), Historische Musikwissenschaft (Martin Zenck), Medienwissenschaft (Petra Maria Meyer), Kunstgeschichte (Elisabeth Oy-Marra) Forscherinnen und Forscher zusammengefunden, die nicht nur exemplarisch das Feld der Humanities aus unterschiedlichen Richtungen abdecken, sondern auch in ihrer bisherigen Arbeit zu weiten Teilen des Unterfangens entscheidende Aspekte beizutragen haben. Wichtig ist an dieser Stelle hervorzuheben, dass die genannten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit Jahren zusammenarbeiten und sich aus unterschiedlichen Forschungszusammenhängen kennen. Sie haben zudem bereits an dem von der VolkswagenStiftung (unter Az: II/80975) geförderten Colloquium über Verstehensbegriffe in den Kulturwissenschaften teilgenommen, worin mit der thematischen Differenzierung zwischen ‚ rationalem’ , ‚ performativem’und ‚ mimetischem Verstehen’ (Zenck 2006) signifikante Voraussetzungen für die hier vorgelegte Projektskizze erarbeitet wurden. Die vier Disziplinen repräsentieren darüber hinaus einen klassischen Querschnitt durch die Geisteswissenschaften. Alle Forscher sind an Kunstfragen sowie an der Begründung eines geisteswissenschaftlichen Zugangs zu ästhetischen Phänomenen im weitesten Sinne interessiert. Dieter Mersch hat im Bereich der Philosophie in den letzten Jahren an der Begründung einer philosophischen Ästhetik unter besonderer Berücksichtigung performativer Künste und der Gegenwartskunst gearbeitet, Martin Zenck aus historischer Perspektive der Musikwissenschaft/Musiktheaterwissenschaft (nicht zuletzt durch die Partizipation am sechs Jahre dauernden SPP Theatralität der DFG) an produktions- und rezeptionsästhetischen Fragen unter besonderer Berücksichtigung des Musiktheaters zwischen Barock und Neuer Musik; Elisabeth Oy-Marra als Kunsthistorikerin hat sich exemplarisch mit dem historischen Kunststreit und der Präferenz der Künste hinsichtlich ihrer Darstellungs- und Erkenntnisweise auseinandergesetzt, wie Petra Maria Meyer aus der Perspektive der Medienwissenschaft/Theaterwissenschaft (Habilitation in den Theaterwissenschaften) mit intermedialer Ästhetik, Medienkunst und Performance Art unter besonderer Berücksichtigung des acoustic turn. Sind die einzelnen Forscher damit einerseits an ähnlichen Fragen interessiert, erscheint andererseits der Pluralismus der Zugangsweisen notwendig, um der Vielfalt der unterschiedlichen Einzelmethoden in den Einzeldisziplinen gerecht zu werden. Die Philosophie als Grundlagenwissenschaft erweist sich dabei als zuständig für die Begriffsarbeit sowie für die Herausarbeitung der Aporien im Begriff des Verstehens und die aus einem erweiterten Konzept der Aisthesis hervorgehenden Grenzen der Interpretation. Die Historische Musikwissenschaft vermittelt zwischen der philosophischen Grundlagenwissenschaft und den Kunst-, Medien- und Theaterwissenschaften, insofern ihr konnotativer Textbegriff, der seit jeher den aus der Sprache hergeleiteten Verstehensbegriff problematisch erscheinen ließ, sich mit der Performativität musikalischer Aufführungen verbindet. Ebenso ergibt sich – ähnlich den Theaterwissenschaften – die Notwendigkeit einer Radikalisierung des Verstehensbegriffs, insofern beide mit einem doppelten Textbegriff arbeiten müssen: dem der Schauspieltexte/Partituren und dem der jeweiligen Aufführungs-„Texte“, worin eine eigene und zusätzliche Dimension der Aisthesis (der Körperwahrnehmung, der Taktilität etc.) die Grenzen der Interpretation noch schärfer hervortreten lässt. Die Aporien spitzen sich zudem noch dort zu, wo das Spannungsverhältnis von Text/Partitur und Aufführung im neuen,

4

textlosen und handlungsfreien ‚ Postdramatischen’Theater/Musiktheater und in der Performance Art aufgelöst erscheint. Hier berühren sich Theater- und Musikwissenschaft mit den Medienwissenschaften, soweit diese sich mit Intermedialität, den neueren Medienkünsten und dem ‚ medialen Wandel der Performance’befassen. Neue Konzepte, etwa der Befragung des ‚ Augenblicks’der Aufführung und des in Performances eingeschriebenen Körpergedächtnisses, die präskriptive Gesten und Ausdrucksformen einbeziehen müssen, überschreiten dabei den engen Rahmen klassischer Verstehensbegriffe. Hier findet parallel zum Postdramatischen Theater/Musiktheater eine grundsätzliche Verschiebung des ‚ Aisthetischen’in Bezug auf Sinngebung und Sinnerfahrung statt, die sich von einem geschlossenen und den Sinn in sich beschließenden Textbegriff vollkommen gelöst hat. Ähnliches ergibt sich hinsichtlich der Ästhetik des Films, die sich nicht nur auf Darstellung, Schnitt, Erzählstruktur etc. reduzieren lässt, sondern Sound, räumliches Dispositiv des Kinos etc. mit einbeziehen muss. Eine entscheidende Pointe ist dabei, dass die Auszeichnung eines einzelnen Sinns in der Beschreibung ästhetischer Phänomene auf einer Unterbrechung des Sinn-Kontinuums beruht und nicht auf der wechselseitigen Profilierung der „vielen“Sinne der „einen“Wahrnehmung. Dieser Ansatz einer ‚ komparativen Aisthesis’im Sinne einer umfassenden Wahrnehmungstheorie verbindet die Medienwissenschaft mit der Kunstgeschichte. Seit dem Paragonestreit ging es dabei nicht nur um die Präferenzen einer Kunst gegenüber anderen (Malerei, Plastik, Skulptur etc.), sondern auch um die Diskussion des einzelnen Sinns und seiner Wahrnehmungsqualitäten mit Bezug auf Nähe und Distanz innerhalb der Ordnung der Kultur (Leroi-Gourhan 1964, 1980 u. Hand, Schrift, Bild 2005). III. Auszuarbeitende Archäologie der Sinne

Diskursfelder:

Medialität des

Verstehens,

Aisthesis

und

Integraler Bestandteil des Forschungsvorhabens ist sowohl eine umfassende Theorie der Aisthesis als auch eine Reformulierung und Neubegründung von ‚ Verstehensbegriffen’ diesseits der klassischen Hermeneutik. Systematischer Fokus bildet dabei erstens die Untersuchung der Grenzen der Interpretation sowie zweitens die Herausarbeitung einer Pluralität der Verstehensbegriffe, die zum klassischen hermeneutischen Verfahren Alternativen bieten. ‚ Mimetisches’ und ‚ performatives’Verstehen, wie sie tentativ in dem von der VolkswagenStiftung geförderten Colloquium über ‚ Verstehensbegriffe in den Kulturwissenschaften’untersucht wurden, lassen sich nicht auf den an Text und Sprache orientierten Verstehensbegriff, wie ihn Gadamer philosophisch begründet hat, zurückführen. Beide setzen die Komplexität von Wahrnehmungen voraus, beide arbeiten mit gestischem Nachvollzug, mit Zeigehandlungen und deiktischen Strukturen, beide erheben keinen „Wahrheitsanspruch“ im Sinne der Heideggerschen „Entdecktheit“ des Sinns (aletheia), sondern bleiben partikular, auf Singularitäten und nichteinholbare Alteritäten bezogen. Grundsätzlich bleibt ihnen damit die Brüchigkeit des Verstehensprozesses bewusst, ja sie versuchen diese Brüchigkeit gerade wach zu halten und Verstehen als stets vorläufig und prekär zu konzipieren. Die Arbeitsgruppe hat sich nun vorgenommen, das Feld alternativer Verstehensbegriffe zu erweitern sowie die Frage des Verstehens und seiner Brüchigkeit zu verallgemeinern und in Bezug auf (1) die Medialität des Verstehens und (2) auf Aisthesis als umfassend sinnliche und ästhetische Wahrnehmung weiterzuentwickeln. Beide Aspekte gehören zusammen, erweisen sich als ineinander verschränkt. (1) Wie eingangs bereits erwähnt, haben Philosophie, Medien-, Kunst- und Theater-/ Musiktheaterwissenschaften in jüngster Zeit nachdrücklich auf die Medialität des Verstehens aufmerksam gemacht. Diese Fokussierung auf Medialität unterminiert das metaphysische Implikat von Totalitäts- und Identitätsansprüchen der klassischen Hermeneutik. Diese Unterminierung äußert sich zum Beispiel in der Thematisierung von nicht schon durch Interpretationen zugerichteten Wahrnehmungsmomenten, im Eigensinn der Stimme gegenüber

5

dem sprachlichen Sinn, in der Materialität und der Selbstreflexivität von Bildern, in der Materialität der Klänge sowie der Leiblichkeit und Taktilität der Musik etc. Insbesondere produziert die Potentialität der fünf Sinne einen Überschuss an Sinn, der verstehend nicht erfasst werden kann. An diesem Überschuss geraten die Geisteswissenschaften und die methodische Interpretation an ihre unabdingbare Grenze. Indessen hat jedoch die bloße Verabschiedung metaphysischer Annahmen im Verstehen – wie der Sinnunterstellung des Ganzen, der Identität von Form und Sinn etc. – nicht zu alternativen Konzepten geführt. Mit anderen Worten: Der Hinweis auf die Medialität des Verstehens erweist sich als nicht ausreichend, um die besondere Qualität eines anderen Verstehensbegriffs zu beschreiben. Zu fragen ist danach, wie Verstehen und welches Verstehen durch den Bruch/im Bruch des Mediums entsteht. Um solche Bruchstellen zwischen Verstehen und Medialität zu markieren, schlagen wir eine Differenzperspektive vor. Sie begreift Verstehen als den nie genau feststellbaren und sich stets augenblicklich konstituierenden Ort und Prozess einer Vermittlung von Sinn, die sich über eine mehrfache Teilung vollzieht: Die Teilung des Sinns in Sinnfragmente, die Teilung des zu Verstehenden in kognitive Sinnpotentiale und die Materialität des Mediums, die Teilung des Verstehenden in die symbolisierende Aktivität der Sinngenerierung und die semiotische Artikulation und Wahrnehmung des Körpers sowie die gemeinschaftliche (Auf-)Teilung des Verstehens zwischen den Einzelnen und den Vielen (Anderen). Verstehen –in dieser Perspektive mehrfacher Teilung oder ‚ Schneidung’–bildet sich, das ist unsere These, immer erst jeweilig und singulär in diesem „Raum“ von Differenzen. Er ist grundsätzlich ‚ chiastisch’konzipiert, d.h. in ihm kreuzen sich, als seine unterschiedlichen Dimensionen, verschiedene Schnittlinien, worin sich die Sinnfragmente, die Materialität und Medialität der Körper, die Wahrnehmung und die Differentialität von Einzelnen und Vielen ständig zu neuem und ‚ brüchigem’Sinn verbinden. Befördert und betrieben wird diese Verbindung durch die affektiven, somatischen, materiellen und an die Sinneswahrnehmung geknüpften Energien, die in der Reaktion auf die Teilung freigesetzt werden. Im Zentrum des Projekts und seiner Untersuchungen stehen somit die detaillierte und exemplarische Beschreibung solcher Teilungsvorgänge, die Analyse des ‚ geteilten’ , gleichsam prismatisierten Verstehens sowie die für einen solchen Verstehensbegriff konstitutive Rolle der Wahrnehmung im Sinne umfassender Aisthesis. Modellhaft lässt sich dieser Zusammenhang anhand der Stimme verdeutlichen, die – im Unterschied zu Medienmodellen wie der Schrift oder in jüngster Zeit des Computers – andere mediale, kulturelle und ästhetische Praktiken sinnfällig macht. Denn als basales Medium mündlicher Kommunikation hat die Stimme hinsichtlich der für sie typischen Präsenzsuggestion eine metaphysikkritische Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Besonders Jacques Derrida hat in seiner Auseinandersetzung mit Edmund Husserl die Fähigkeit der Stimme, zu suggerieren, dass Gesprochenes direkt aus der Seele des Sprechers zu uns dringt, kritisch diskutiert. Die Komplexität gegebener Verstehensprozesse beim Hören einer Stimme ist dadurch jedoch keineswegs erfasst. Bereits Immanuel Kant hatte im 18. Jahrhundert den Vorgang des Sprechens als eine Zusammenwirkung von „Artikulation, Gestikulation und Modulation“(Kant 1790, 1963, S. 176) bestimmt. In ihrer zentralen Stellung als modulierendes und gestisch verlautbarendes Artikulationsmedium fungiert die Stimme nie als neutrales Übertragungsmedium, sondern stets als Transformator, der artikulierten Worten wechselnden Ton und damit – unabhängig von der begrifflichen Bedeutung – auch wechselnden Sinn geben kann. Der Ton aber ist an Leiblichkeit gebunden, die in ihn eingeht und sich zugleich in ihm als Leib zurückhält. Leiblichkeit zeigt sich und unterschiebt damit dem Gesagten eine andere Dimension, die sich keineswegs interpretatorisch ausbuchstabieren lässt. Vielmehr erklingt die Stimme immer schon zweipolig-paradoxal und polyphon.

6

Diese Tatsache erweist sich nun einerseits als modellhaft für die behauptete ‚ Brüchigkeit’des Verstehens, andererseits für die konstitutive Bedeutung der Aisthesis. Im Sinne eines Chiasmus kreuzen sich in der Stimme Gesagtes und stimmlich Angezeigtes, wobei das eine dem anderen deutlich widersprechen kann. Das Angezeigte verweist auf die Wahrnehmung des Körpers: Es ist die Leiblichkeit der Sprache, die sich in der spontanen, transitorischen Stimmgeste noch stärker ausdrückt als in der handschriftlichen Geste. So lässt sie häufig verlautbaren, was das gesprochene Wort nicht sagen will, nicht zu sagen weiß oder untersagt. Die stimmliche Formung der Töne, die Intonation und Akzentuierung, die Verteilung der Pausen versinnlichen buchstäblich ein ‚ Anderes’ , eine Heterogenität im stimmlichen Vollzug. Schon alltägliches Sprechen erweist sich als ein komplexer, audio-visueller Vorgang. Mündliche Kommunikation adressiert sich folglich nicht nur ein mehrfaches Verstehen, das interdisziplinär aufzufächern ist, sondern erfordert alle Sinne der Aufmerksamkeit, die in jeden Akt der Verständigung ein singuläres Moment eintragen. Es macht sowohl die Grenzen des Verstehens deutlich als auch die Unumgänglichkeit aisthetischer Mitvollzüge. (2) Verlangt ist damit – so die zweite Einsatzstelle des Projekts – die systematische Begründung einer Aufmerksamkeitslehre. Sie wird in einer umfassenden ‚ Aisthesiologie’gesucht. Sie ist nicht auf Ästhetik im engeren Sinne reduzierbar, sondern in Richtung einer komplexen Wahrnehmungstheorie auszuarbeiten. Dem unterliegt die Grundannahme, dass Verstehen nicht ohne Wahrnehmung auskommt und dass Wahrnehmung – in einem weiten Sinne – eine basale Dimension aller Weltzugänge darstellt. Das bedeutet auch, die ästhetische Erfahrung nicht länger als eine ausschließliche Domäne der Ästhetik anzusehen und auf einen als autonom gedachten Bereich der Künste zu beschränken. Vielmehr hat die ästhetische Theorie im engeren Sinne in den letzten Jahren Anschluss an die Diskurse des Körpers, der Aisthesis im Sinne einer Phänomenologie der Wahrnehmung, der Medialität, des Politischen und der Gemeinschaft gesucht. Die Berührung mit diesen Diskursen und die Herausforderungen, die sich daraus ergeben, stellen uns vor die Aufgabe, den Begriff der ästhetischen Erfahrung in Richtung einer ‚ vielfach erweiterten Wahrnehmung’neu zu konzipieren. Im Bereich der Wahrnehmung stellt sich für die Arbeitsgruppe demnach eine vergleichbare Herausforderung wie im Bereich des hermeneutischen Verstehens. Sie geht in diesem Sinne von einem erweiterten Wahrnehmungsbegriff aus. Maurice Merleau-Ponty hat dabei deutlich gemacht, dass sich Wahrnehmung stets paradoxal vollzieht, insofern jedes wahrgenommene Ding selber zutiefst widersprüchliche Züge aufweist. Es oszilliert zwischen Immanenz und Transzendenz – der Immanenz, wie Merleau-Ponty sich ausdrückt, „weil das Wahrgenommene dem Wahrnehmenden fremd sein kann“, und der Transzendenz, „weil es immer ein Jenseits dessen umfasst, was wirklich gegeben ist“(Merleau-Ponty 1946, S. 34). Nicht nur das Verstehen erweist sich demnach als brüchig und von mehrfachen Differenzen durchpflügt, sondern auch die Wahrnehmung, weil sie eine irreduzible Trennung vom und Fremdheit zum Wahrgenommenen einschließt. Um eine erweiterte Wahrnehmungstheorie in dieser Hinsicht zu konzeptualisieren, geht die Arbeitsgruppe in zwei Schritten vor. Zum ersten steht im Zentrum die Annahme einer genuinen Synästhesie der Sinne, die gleichermaßen Sehen, Hören, Riechen, Tasten, Schmecken etc. umfasst, ohne einen bestimmten Sinn zu privilegieren oder eine hierarchische Ordnung zwischen ‚ diskursiven’ und ‚ nichtdiskursiven’ Sinnen zu postulieren. Hat die Beschreibung medialer Phänomene den Blick für die Bedeutung der Wahrnehmung im Ganzen geschärft, ist der synästhetische Aspekt, auf den die verschiedenen medialen und intermedialen Strategien abheben, noch nicht genügend untersucht worden. Zum zweiten wären Engführungen und Fehlläufe in der Auszeichnung einzelner Sinne historisch nachzuvollziehen und zu rekonstruieren und für eine allererst zu entwickelnde ‚ Aisthesiologie’ fruchtbar zu machen. Eine solche historische Rekonstruktion verlangt aber eine Archäologie der Sinne. Für eine Neukonzipierung der

7

Rolle der Wahrnehmung in der geisteswissenschaftlichen Theoriebildung erweist sich die Ausarbeitung einer solchen, bislang Desiderat bleibenden Archäologie der Sinne als unabdingbar. Von entscheidender Bedeutung ist dafür die Analyse der historischen Zäsuren und signifikanten Umbruchsstellen in der Geschichte der Wahrnehmung. Die Einzelwissenschaften neigen dazu, aufgrund ihrer spezifischen Objektfelder einzelne Wahrnehmungsformen verstärkt zu analysieren und ihre jeweilige Bedeutung hervorzuheben, ohne ihre besondere Historizität mit einzubeziehen. Weist etwa die Kunstgeschichte durch ihren Bezug auf Bilder und Skulpturen einseitig einen Primat des Sehens aus, problematisiert sie – schon aus Gründen disziplinärer Einschränkung – die Privilegierung des Auges in der europäischen Kultur kaum. Ähnliches gilt cum grano salis für die Musikwissenschaft und die Theaterwissenschaft. Die Verbindung des Sichtbaren mit dem Haptischen, des Hörbaren mit dem Taktilen usw. geschieht bestenfalls sporadisch. So gilt das Theater zumeist als Ort des Sehens und Hörens, nicht als die komplexe Dramaturgie eines Dispositivs, das auf den Körper der Beteiligten einwirkt und worin der Materialität und Medialität des Raumes, dessen Atmosphären etc. eine entscheidende Rolle zufällt. Gerade die Verbindung und Zusammenarbeit verschiedener Disziplinen und Forschungsausrichtungen unter dem gemeinsamen Dach der Arbeitsgruppe verspricht hier neue Akzente zu setzen und die traditionellen disziplinären Grenzen aufzusprengen. Zwar finden die verschiedenen Sinnesmodalitäten in der Wahrnehmung durchweg gemeinsame Schnittmengen, doch ist ebenso eine Hierarchisierung der Sinne zu beobachten, die nicht nur in den Wissenschaften, sondern auch in der kulturellen Praxis der Moderne mehr und mehr zur Degradierung der Geruchs-, Geschmacks- und Tastsinne, wie auch einem differenzierten Hörsinn zugunsten einer starken Gewichtung der Visualität und damit des Auges geführt hat. Ihr korrespondieren die überall zu beobachtende Dominanz der Bilder, die verschiedenen technischen und wissenschaftlichen Strategien der Sichtbarmachung des Unsichtbaren, der Einsatz zahlloser Illusions- und Speichermedien, die ausschließlich auf die ‚ Schaulust’ , Erweiterung und Täuschung von Auge und Ohr gerichtet sind. Während diese Bevorzugung besonders des Visuellen von den Forschungen der Neurophysiologie als anthropologisches Faktum hingestellt wird, ist stattdessen nach der historischen Gewordenheit solcher Ordnungen zu fragen. Dies lässt sich im Rahmen einer genealogischen Untersuchung leisten, deren Fokus die anvisierte Archäologie der Sinne darstellt. Sie geht von der Prämisse aus, dass die verschiedenen Wahrnehmungsordnungen historisch immer wieder neu ausgehandelt werden müssen. Methodisch bilden ihren Untersuchungsgegenstand überlieferte Wahrnehmungsdiskurse, denen eine größere Offenheit eigen war, als dies in unserer Zeit zu beobachten ist. Gerade die Analyse alternativer Diskurse bieten, ganz im Sinne Michel Foucaults Konzept einer ‚ Archäologie’ , Residuen eines ‚ anderen Denkens’– und mutatis mutandis einer ‚ anderen Wahrnehmung’– die für die gegenwärtigen Diskurse neue Impulse zu geben versprechen. IV. Begründung des Untersuchungszeitraums Die Festlegung der Untersuchungszeiträume der Einzelvorhaben auf die Epoche des Barock, die Zäsur um 1800 sowie das 20. Jahrhundert als Stationen einer Archäologie der Sinne hat dabei systematische Gründe, insofern sie historischen Diskontinuitätsstellen entsprechen, an denen exemplarisch das gemeinsame Projekt durchgeführt werden kann. Es sei im Folgenden anhand von drei Beispielen näher umrissen. Zugrunde liegt dem insbesondere die Annahme, dass sich die ‚ Ordnung der Sinne’ , die sich im Frühbarock als noch nicht fixiert erweist, im 18. Jahrhundert durchgreifend herausbildet, um im 20. Jahrhundert wieder brüchig zu werden. Wir haben es also mit unterschiedlichen Schnittstellen zu tun, die ihre je eigene kunst-, musik- und theater-

8

wissenschaftliche Behandlung verlangen und gerade dadurch gemeinsame Bezüge, Verwandtschaften und Ähnlichkeiten sichtbar machen. Das erste Beispiel betrifft die Privilegierung des Augensinns in der frühen Neuzeit. Gerade die Täuschbarkeit des Sehens durch die Überwältigung der Darstellung sowie die künstlichtechnologischen Armaturen des Fernrohrs, des Mikroskops, des konkaven und konvexen Spiegels bekräftigen diese Vorrangstellung. Ob sich eine solche Hierarchisierung der Sinne nur in der Kunsttheorie und der Poetik äußert oder ob die Malerei ihre jeweils eigenen Sinne bevorzugt, ist jedoch Gegenstand des seit der Renaissance mit Bezug auf antike rhetorische Quellen ausgefochtenen Paragonenstreits. In ihm werden die verschiedenen Erkenntnisleistungen der Sinne thematisch, so dass statt von deren Hierarchisierung viel eher von einem Prinzip der Komplementarität gesprochen werden kann. Es kommt nun nicht darauf an, was die eine Kunst – im Sinne der imitatio – gegenüber der anderen angemessener zur Geltung bringen kann, sondern dass eine Kunst etwas zur Darstellung erhebt, was der anderen vollkommen verschlossen bleibt. Dieser auszuarbeitende Diskurs geht vom Desiderat einer Spurensuche nach den Funktionsleistungen der verschiedenen Sinne in der Renaissancepoetik und barocken Topik aus. Mit der Entdeckung der unterschiedlichen Qualitäten der Sinne wurde nämlich ein Wahrnehmungshorizont eröffnet, der – gemäß des Gebots der Mimesis – weit über die abbildbare Wirklichkeit hinausgeht. Es scheint sich nun so zu verhalten, dass solche Spuren alternativer Wahrnehmungsqualitäten von der Gegengewalt des logifizierenden Denkens wenn nicht zerstört, so doch zumindest verdeckt worden sind. Weitere historische Schnittstellen für die zu entwickelnde Archäologie der Sinne, die sich nicht im Foucaultschen Verständnis der Genealogie von Diskursfeldern erschöpft, sondern in einer immer wieder aufzudeckenden Suche von Spuren einer Befreiung der Sinne zeigt, die seit Descartes teilweise vom „Blick des Geistes“verschüttet wurden, können dann vor allem im 18. Jahrhundert, im Theater der Wahrnehmung und im Mozartschen Musiktheater, und schließlich im 20. Jahrhundert, vor allem in der musique concrète instrumentale [et vocale] von Helmut Lachenmann herangezogen werden. Sowohl das in der Tradition der Commedia dell’arte stehende Volksstück und das von der relativ freien Aushandlung von Sinn bestimmte Musiktheater Mozarts als auch das Musiktheater Helmut Lachenmanns, Adriana Hölszkys oder Wolfgang Rihms folgen nicht der Tradition eines Theaters der Texte, sondern einer der umfassenden sinnlichen Wahrnehmung, womit Erkenntnisleistungen der Sinneswahrnehmungen produktionsästhetisch fruchtbar gemacht wurden. Indem hier die Musik ausschließlich der Gegenstand des Theaters und der möglichen Szenographie ist, weil narrative oder diskursive Texttypen nicht mehr zur formalen Konstruktion herangezogen werden (das textlose, von Sprache befreite Theater), berühren sich die gegenwärtige Kompositions- und Inszenierungspraxis im Schnittpunkt eines neuen ‚ Theaters der Wahrnehmung’ . Nicht nur ist der Hörsinn aufgerufen, sondern in der Übertragung auch der haptisch-taktile Haut-Sinn, der von den glatten oder rauen Texturklängen der Musik berührt wird, so dass die beiden von Leroi-Gourhan so genannten basalen Kulturordnungen einer primär facialen und audio-visuellen Weltorientierung sowie einer sekundär sensuell-taktilen und olfaktorischen Erfassung von Welt miteinander kommunizieren. Differenziert auszuarbeiten ist dabei die allzu vereinfachte, wenn nicht plakative Entgegensetzung zwischen Text-Theater und ‚ Wahrnehmungstheater’ , denn auch das rhetorisch-diskursive und dialogische Theater des 18. Jahrhunderts zielt auf Versinnlichung in der ‚ Gestalt’ . Obwohl man also durchaus der Auffassung sein kann, dass jedes Theater eines der Wahrnehmung ist, auch wenn es vornehmlich textorientiert ist (dies zeigt sich in der Verschiebung vom Texttheater zur Vorstellung von der ‚ Aufführung als Text’ ), so ließe sich für das 18. Jahrhundert genauer argumentieren, dass auch in der Blütezeit der Buch- und Lesekultur die mündliche Diktion (allerdings die immer noch an der Rhetorik orientierte), aber auch der Wortklang und

9

insbesondere die Geste eine wichtige Rolle spielten, so dass das aufgeklärte Bildungstheater audio-visuelle und haptisch-taktile Wirkungsdimensionen aufwies, die im Volks- oder Musiktheater und insbesondere auch in der Pantomime dominant werden. Diderot spricht sich insofern für die Pantomime als „Gemälde der Bewegungen“ aus. Schon in der Betrachtung der Taubstummensprache kommt er 1751 zum Schluss, dass sprachliche Aussagen, die sich auf einen konkreten Gegenstand oder auf einen allgemein bekannten, volkstümlichen Ausdruck beziehen, ohne große Probleme in einer Gestensprache vermittelt werden können, da sie auf Grund ihrer „Bildhaftigkeit“ (Diderot 1751) verständlich seien. Es zeigt sich zugleich, dass mit der geschätzten Bildlichkeit der Gestensprache hier keine sklavische Abbildfunktion gemeint ist. Gerade Bewegungen gesteht er zu, bekannte Beziehungen (rapports) zu verändern. Ein äußerst stark ausgeprägtes musikalisches Interesse führt zu manch modernen Reflexionen und der Würdigung einer Sensibilität der Taubstummen für eine „Musik für die Augen“(Meyer 2004). Die oben zunächst als allzu vereinfacht hingestellte These vom kontroversen Diskurs zwischen einem Theater der Texte und einem Theater der Wahrnehmung wäre also zugunsten einer Vorstellung zu differenzieren, der zufolge gerade der Wechsel der Medien einen interplay of senses voraussetzt, also die unterschiedlichen Erkenntnisleistungen der Sinne, seien sie hierarchisch, komplementär oder synästhetisch konzipiert. Dennoch kann ein gradueller Unterschied zumindest historisch gesetzt werden zwischen einem gestisch nach Modellen relativ frei improvisierten Theater und einem, in dem die gesprochene Sprache auf der Szene einen für das Verstehen zwar wichtigen, aber eben nur einen Ausschnitt aus einem integralen, performativen und theatersemiotischen System darstellt. Zu erinnern wäre an den Zusammenhang zwischen einem gleichsam improvisierten, auf der typisierten Szene relativ frei ausgehandeltem Theater (etwa die Auswirkungen von Flaminio Scalas Schauspieltraktat Il Théatro della Favole rappresentative, 1611) und der Praxis des freien Ausagierens von typisierten Grundszenen der Commedia dell’arte und seiner Wahrnehmung, welche sich noch während der Aufführung ohne intellektuelle Vorbildung ausschließlich von der Szene her erschließt. Geprüft werden muss also der durchgängige Zusammenhang zwischen einer offenen und weitgehend erst in der Institution des Theaters selbst entstehenden Produktionsform des Schauspiels/Singspieles, mit der die einzelnen Sinnesleistungen über Sinnübertragungen fruchtbar gemacht werden und einer spontanen Rezeption durch das Publikum, die auf der umfassenden Generierung der Szene auf dem Theater beruht. In dem Maße, wie ein Theater der Texte diskursive Lektüren und Sprechakte auf der Bühne voraussetzt, damit die jeweilige dramaturgische Einheit auch „verstanden“werden kann, bestimmt umgekehrt die offene und relativ spontane Produktionsform des Theaters seine unmittelbare audio-visuelle Wahrnehmung von Seiten des Publikums. So ist überliefert, dass Mozart nicht mit fertigen und abgeschlossenen Partituren zu Einstudierung seiner Opern in die Theaterhäuser von München und Wien kam. Weil der Vertrag (scrittura) sowohl die Komposition als auch das Dirigieren und Einrichten der Szene umfasste, ging Mozart vielmehr erst vor Ort nach Überprüfung auch der sängerischen und darstellerischen Qualitäten des Ensembles daran, die einzelnen Ensembles für die Aufführung festzulegen. Der daraus entstehende, sich aus dem spielerischen Wechsel von Festlegung und frei zu gestaltender musikalischer Szene hatte nicht nur ästhetische Konsequenzen für den Aufführungsraum, sondern auch für den Wahrnehmungs- und Verständnisraum des Publikums, welches das Spiel zwischen Fixierung und Improvisation kannte. Obwohl bei Mozart der allzu häufige Gebrauch von „Einlagen“relativ selten ist (vgl. die Wiener Einlage der Arie der Donna Elvira „In quali eccessi...“, die auch folgenreich für die musikalische Gesamtdramaturgie ist; Zenck 2006) und damit eine relativ geschlossene Gesamtform darstellt, in welcher improvisatorische Aspekte weitgehend zurückgedrängt wurden, spielt insbesondere das Zitationsverfahren (Armbruster 2001) auf eine interszenische und intermediale Wahrnehmungsfähigkeit an, mit der nicht nur das Ohr das entsprechende Zitat aus einer andern Oper wiederzuerkennen hatte, sondern das Auge die ganze mitkonnotierte Szene in die gerade gespielte zumindest in der Vorstellung einzublenden hatte. Grundlage dieser

10

Opernästhetik war also die umfassende Fähigkeit zur Synästhesie, ob sie nun auf einer angeregten Reizübertragung des einen auf den anderen Sinn beruhte oder generell über eine Vorstellungsübertragung verlief. Die hier aufgeführten verschiedenen Beispiele einer ‚ Archäologie der Sinne’stellen zugleich an die Geisteswissenschaften, die traditionell auf Paradigmen der Schrift und des Textes setzten und an ihnen ihre Verstehensbegriffe schärften, eine besondere Herausforderung. Das interdisziplinäre Forschungsvorhaben sucht diese Herausforderung aufzugreifen, indem es erstens den klassischen hermeneutischen Verstehensbegriff zu verschieben und über ein szenisches, mimetisches oder performatives Verstehen hinaus zu einem ebenso aisthetischen wie medialen Verstehen zu erweitern versucht, zweitens im methodischen Rückgang sowohl auf die Synästhesie und Pluralität der Wahrnehmung als auch ihrer verschiedenen Kulturordnungen im kulturellen Schnittpunkt um 1600, wo sich die alten, metaphysisch begründeten und signaturhaft eingeschriebenen Zeichen und die neuen Zeichen brechen, alternative Beschreibungsweisen zu finden. Die Zäsur um 1800 sowie die intermedialen Künste des 20. Jahrhunderts bilden dabei weitere wichtige Wegweiser, die deutlich machen, dass in der Verabschiedung der Buch- und Lesekultur nicht notwendig ein Zeichen des Verfalls gesehen werden muss, vielmehr kann in der Etablierung einer komplexen audio-visuellen und haptisch-taktilen Kultur die Wiedergewinnung eines meta-rationalen Wahrnehmungshorizonts veranschlagt werden, wie er genauso noch in der Aisthesis der barocken Topik gegeben war.

V. Struktur der Forschungsansätze: Der interdisziplinäre Diskurs der Arbeitsgruppe Die mit dieser Programmatik ansetzende interdisziplinäre Arbeitsgruppe sucht das Gesamtvorhaben auf der Grundlage verschiedener konkreter Projektarbeiten zu realisieren. Philosophie, Medienwissenschaft/Theaterwissenschaft, Kunstgeschichte, Historische Musikwissenschaft/Musiktheaterwissenschaft verbinden sich dabei zu einem konzertierten Forschungsansatz, dem es sowohl um die historische Herausarbeitung anderer Ordnungen der Sinne und, korrespondierend dazu, der Rekonstruktion von Verlusten und Vereinseitigkeiten geht, als auch um die systematische theoretische Begründung alternativer Verstehenskonzeptionen, die in der Aisthesis als einer Theorie der Aufmerksamkeit gründen. Der Fokus der Untersuchungen richtet sich dabei vor allem auf die verschiedenen Künste als ihr paradigmatisches Arbeitsfeld. Verstehen vollzieht sich nicht innerhalb eines geschlossenen Text-/Werkbegriffs, es erschöpft sich auch nicht in seinem Gegenbegriff der ästhetischen Erfahrung, vielmehr ist Verstehen zum einen der Bewegung im jeweiligen Medium überantwortet, in dem der Text/der Prozess/die Praktik zur Erscheinung, zur Aufführung oder zum Klingen gebracht wird; zum anderen werden mit diesen Medien die einzelnen Sinne und deren Gegeneinander aufgerufen, welche sich in den Medien äußern. Erst das Zusammenspiel von eingelesenem, eingeschriebenen, eingehörtem und ertastetem Sinn, der Transformation dieses Sinns im und durch die jeweiligen Medien erzeugen gemeinsam ein über die Wahrnehmung entstehendes ‚ Verstehen’ . Komplementär zu diesem Unternehmen bedarf es einer Archäologie der Sinne, die sowohl systematisch als auch historisch anhand von paradigmatischen Schnittstellen der neuzeitlichen Wissenschafts- und Kulturgeschichte entwickelt werden soll. V.1 Philosophie: Brüchigkeit des Verstehens (Dieter Mersch) In diesem Sinne versteht sich das Philosophieprojekt als Grundlagenprojekt, das sowohl die prinzipielle Brüchigkeit allen Verstehens aufzuweisen trachtet als auch das Spannungsverhältnis zwischen Aisthesis und Interpretation auszuloten sucht. Aisthesis – im Wortsinne von Wahrnehmung, von sinnlicher Erfahrung – und die kognitiven Prozesse der Interpretation, des

11

Verstehens und Auslegens bilden ein Spannungsverhältnis. Es hat in der Geschichte des Denkens umfangreiche Grundlagendiskussionen ausgelöst, exemplarisch bei Immanuel Kant, bei dem Anschauung und Begriff Gegensätze bilden, deren Rezeptivität und Produktivität gleichwohl wechselseitig aufeinander bezogen bleiben. Bezeichnend ist, dass dabei das Pendel der Auseinandersetzungen stets nach der einen oder anderen Seite ausgeschlagen ist und mal skeptisch, mal konstruktivistisch gedeutet worden ist. Es ist bezeichnend, dass in der gegenwärtigen angloamerikanischen Analytik sämtliche Oppositionen wieder aufgenommen und wiederholt worden sind: So findet sich ein Rekurs auf nichtbegriffliche Gegebenheiten z.B. bei Peter Sellars (1963); Michael Tye (1995) und John McDowell (1994) vertreten Spielarten eines an Kant orientierten vermittelnden Repräsentationalismus, und Donald Davidson (1994) bestreitet jede epistemische Relevanz eines ‚ Mythos ursprünglicher Gegebenheit’ . Das sowohl begriffsgeschichtlich als auch analytisch argumentierende Vorhaben sucht dagegen Überschussmomente der Aisthesis aufzuweisen, die sich dem Zugriff des Zeichens, des Verstehens oder symbolischer Interpretation widersetzen. Es handelt sich also darum, Residuen der Aisthesis – und entsprechend des Ästhetischen – gegen die Dominanz konstruktivistischer, hermeneutischer und semiotischer bzw. semiologischer Theorieansätze auszuspielen. Der Grundgedanke beruht dabei auf einer negativen Methodologie: Statt ein – gleichermaßen metaphysischer – Vorrang der Wahrnehmung gegenüber Begriff und Sinn oder umgekehrt des Symbolischen und des Verstehens vor der Wahrnehmung zu behaupten, werden Bruchstellen der Deutung, Frakturen der Repräsentation und Darstellung, Ambiguitäten der Symbolisierung oder Orte der Widersetzung, der Verweigerung und des Entzugs ausgemacht, die sich vollständiger Interpretierbarkeit sperren. Solche Orte inszenieren bevorzugt die Künste. Künstlerische Verfahren dienen deshalb – wie in allen Projektmodulen der Arbeitsgruppe – als Modelle solcher Erfahrungen, die sich der Übersetzung in die Sprache des Verstehens nicht fügen. Zwar bilden künstlerische Verfahrensweisen einerseits Resultate medialer Konstruktionen und Inszenierungen, doch so, dass sie deren Geltungsbereich an die Grenzen treiben, wo sie brüchig und instabil werden oder keine eindeutige Beschreibung mehr zulassen. Wir haben es also gleichsam mit „ästhetischen“bzw. „medialen Paradoxien“zu tun – und das Vorhaben des Projekts beruht darauf, solche ästhetischen und medialen Paradoxien und ihre Wirkungen aufzuspüren, um an ihnen die Fragilität der Beziehung zwischen Aisthesis und Verstehen bzw. sinnlicher Erfahrung und Konstruktion aufzuweisen und auf diese Weise ‚ Grenzen der Interpretation’zu berühren. Der Begriff des ‚ ästhetischen’bzw. ‚ medialen Paradoxons’wird dabei eigens erst eingeführt. Er basiert auf einer Theorie der Künste, die in der Einsicht ihrer konstitutiven Mediengebundenheit wurzelt. Ästhetische Prozesse werden dann von ‚ medialen Praktiken’her entschlüsselt, wobei die Grundthese ist, dass, wo solche Praktiken in ‚ konträre Konstellationen’münden, Paradoxien entstehen, die sich ‚ anderen’ Erfahrungsmustern öffnen, die aus jeder begrifflichen oder interpretativen Aneignung herausfallen. Vorausgesetzt ist eine weite Fassung des Paradoxiebegriffs, so dass es sich nicht im engeren Sinne um ein logisches Paradoxon handelt, sondern alle Arten von Instabilitäten und „Unlösbarkeiten“ umfasst werden, wie Vexierungen, Figur/Hintergrund-Paradoxa, Unentscheidbarkeiten, nicht auflösbare Dissonanzen oder Friktionen. Solche Paradoxien – so die These des Projekts – machen nicht nur aufmerksam auf die genuine Brüchigkeit des Verstehens, sondern fordern auch, Verstehensprozesse grundsätzlich aisthetisch zu modellieren. Ein wesentlicher Ansatzpunkt dazu besteht im Aufweis der genuinen Duplizität aller Bestände, mit denen die Geisteswissenschaften konfrontiert sind, wozu insbesondere die Konfrontation mit den Künsten auffordert. Wir haben es nicht nur mit Sinnbeständen oder symbolischen Ordnungen zu tun, sondern diese sind fundiert in Medien und Materialitäten, in Praktiken und Performanzen, die nicht nur in die Bedeutungsprozesse eine ‚ chiastische’Struktur eintragen, sondern immer auch Wahrnehmungen aufrufen, um sie erfahrbar zu machen. Sie

12

tragen in die Interpretationen widerständige und singuläre Momente ein, die die Annahme einer geschlossenen Sinntotalisierung unterlaufen. Das Projekt dient dabei insbesondere der Verbindung alternativer Verstehensformen mit einer Theorie der Aisthesis und damit der zentralen Begriffsbildung des Gesamtvorhabens. V.2 Historische Musikwissenschaft (Martin Zenck): Taktilität und Geschmack als integraler Teil der Aisthesis. Ihre Bedeutung für die Wahrnehmung von Musik und die Grenzen eines rationalen Verstehensbegriffs. Situierung der „Historischen Musikwissenschaft“im Gesamtprojekt: Gewöhnlich findet der musikwissenschaftliche, hermeneutisch-pragmatische Verstehensdiskurs (Dahlhaus/Mauser 1993; Zenck 1993, 2004 und 2006; Danuser/Steinbeck 2006 etc.) des ‚ MusikVerstehens’auf zwei Ebenen statt, die um zwei weitere grundsätzlich ergänzt werden müssten: erstens auf der emotionellen eines nicht näher bestimmbaren Erlebnisses, das von der Musik hervorgerufen wird und ihre Wahrnehmung begleitet; zweitens auf der hermeneutisch diskursiven, weil die Musik selbst oder genauer die Partitur einen sprachähnlichen ‚ Text’darstellt, der den Prinzipien von Setzung und Folge, thematischer Exposition, Entwicklung und Durchführung gehorcht, also einem ständigen Prozess der explizit kausalen Verständigung zwischen den Stimmen folgt. Friedrich Schlegel hat deswegen die „reine Instrumentalmusik“ um 1800 mit „einer philosophischen Ideenreihe“verglichen, welche sich einen eigenen Text erschaffe, dessen „Thema [… ] so entwickelt, bestätigt, variiert und kontrastiert wird, wie der Gegenstand der Meditation [d.h. der Philosophie]“ (Schlegel 1800, S. 81); eine dritte zusätzliche energetisch-taktile und genauere, d. h. der Musik gegenüber adäquatere Ebene hat Ludwig Wittgenstein in seinen späten Aufzeichnungen unter dem Titel Vermischte Bemerkungen mit den Hinweis auf die Bewegung des Tanzes und die damit verbundene „Bewegungsempfindung“benannt, welche das Hören und das mögliche „Verstehen“von Musik bestimme (Wittgenstein 1945, 1989, S. 548-550. Produktiv wird diese Vorstellung einer taktilen Bewegungsempfindung beim gestischen Komponieren und Dirigieren; vgl. dazu Boulez 1989 und 2002). Wittgenstein geht sogar soweit, dass die vom Körper an- und übernommene Bewegungsvorstellung der Musik sich sogar auf die Physiognomie übertrage, so dass alleine der sensitive Gesichtsausdruck etwas darüber besage, ob jemand konkret eine bestimmte Musik oder aber sogar überhaupt etwas von Musik „verstehe“. Wittgenstein führt weiter aus, dass Verstehen von Musik heiße, jemandem ein „Verständnis beizubringen, ihm in anderem Sinne (kursiv bei Wittgenstein) lehren, was Verständnis ist, als eine Erklärung, die dies nicht tut“ (Wittgenstein 1945, 1989, S. 548). Wenn er schließlich auch die Literatur und die Malerei einbezieht, da deren Verständnis auch das der Musik begünstige, so hat er eben einen anderen als einen rationalen Verstehensbegriff im Blick, also einen eines anderen Sinns, der einmal über den rhythmischen Bewegungssinn, zum anderen über Wittgenstein hinaus viertens den des Geschmacks einbeziehen müsste, wie er im Sinne eines „goût mixte“interkulturell und intermedial für das 18. Jahrhundert (Montesquieu, Voltaire 1752) maßgeblich und für die Bedeutung der Künste von unmittelbarer und metaphorischer Bedeutung war. Auszuarbeiten wäre also gegenüber dem taktilen Bewegungssinn (Böhme, H. und Benthien/Wulf 2001) des „Tactus“, „Tempos“ und „Rhythmus“ (Gumbrecht 1988; Meschonic 1997, Seidel 2003, Praktiken des Performativen 2004) der olfaktorische Sinn (Gerhard Neumann 1996) in seiner Bedeutung für die Wahrnehmung der Musik und ihr Verstehen in einem anderen Sinne. Obwohl innerhalb eines Forschungsprojekts über Aisthesis und die Grenzen der Interpretation das Hören von Musik als Teil dieser Aisthesis zunächst nahe liegender für einen entsprechenden Forschungsansatz wäre, werden im geplanten Forschungsprojekt gerade die taktil-rhythmische Bewegungsübertragung beim Spielen und Hören von Musik und die Signifikanz des Geschmacks (nach J.-J. Rousseau 1764, deutlich bei Boulez 1961/1995) für die Wahrnehmung der Musik ins Zentrum gerückt und an ihr die Grenzen eines rationalen Verstehensbegriffs aufgezeigt. Es wird an zweien der fünf Sinne (Serre 1993, Zur Lippe 1987) die Bedeutung des Tast- und Geschmackssinns für die Erzeugung/aufführungspraktische Interpretation und Wahrnehmung

13

von Musik herausgearbeitet. Es gilt also diesen spezifischen Zusammenhang zwischen den beiden genannten Sinnen, ihren „Sinnenschein“und ihre „Sinneswahrheit“(Kant 1790, 1963, S. 177) mit Blick auf die Musik zu entwickeln. Methoden: begriffsgeschichtlich, diskursanalytisch, kompositionsästhetisch und kompositionsanalytisch. Text/Noten-Materialkorpus: Den Methoden entsprechend ist der zu bearbeitende Text/Noten- und Materialkorpus auf folgende Bereiche bezogen: Terminologie des Tactus, Rhythmus, Tempo, Toucher, Berühren, Rühren, goût, Geschmack etc., weiter die Diskussion der Aisthesis innerhalb einer umfassenden Kulturanthropologie der Sinne, auch vor allem der barocken Topik, sowie die gegenwärtigen Diskurse des Verstehens und schließlich exemplarisch das Repertoire der Klaviermusik und des Musiktheaters des 18. und 20./21. Jahrhunderts V.3 Kunstgeschichte (Elisabeth Oy-Marra): Archäologie der Sinne: Darstellung und Ordnung der Sinne am Beispiel der 5-Sinne-Zyklen des 17. Jahrhunderts In der Kunstgeschichte wurde der Verstehensbegriff entscheidend von Erwin Panofsky geprägt (Panofsky 1975). Panofsky legte ein Drei-Stufenmodell der Interpretation vor, in dem er die mit der phänomenologischen Wahrnehmung verbundene Beschreibung des „primären oder natürlichen Sujets“ zur untersten Ebene degradierte, auf der die ikonographische Analyse des „sekundären oder konventionellen Sujets“ aufbaue, um schließlich die „eigentliche Bedeutung oder (den) Gehalt“erkennen zu können. In der Auseinandersetzung mit Panofsky wurde in der neueren Forschung besonders die Textlastigkeit seiner Sinnkonstitution moniert (Beyer 1992). Neuere Ansätze haben dagegen die Materialität und Medialität der Bilder betont (Krüger 2001, Kruse 2003). Im Zuge dieser Neubewertung materialer und medialer Strategien des Kunstwerks rückten auch in der Kunstgeschichte Fragen der Wahrnehmung in den Vordergrund. In der Regel haben diese Studien jedoch ihren Fokus auf der – dem Bild eigenen – visuellen Wahrnehmung, während andere Sinnesorgane nur am Rande thematisiert werden. Nur wenige Studien haben sich darüber hinaus mit der Sinneskonstitution des Menschen und seiner Reflektion in der bildenden Kunst beschäftigt. Hier sind vor allem die Arbeiten von Roland Kanz und Hannah Baader zu nennen, die in exemplarischer Weise die historische Konstruktion vor allem des Geschmackssinns und dessen Übertragung auf ästhetische Phänomene verfolgt haben (Kanz 2001, Baader 2003). Diesen methodischen wie thematischen Strang aufgreifend, bietet die Kunstgeschichte umfassendes historisches Material, anhand dessen sich eine Archäologie der Sinne im Hinblick auf einen erweiterten Verstehensbegriff zurückverfolgen lässt. Im Rahmen des oben skizzierten Projektes sind hier vor allem Krisenphänomene interessant, weil sie Einblick erlauben in eine sich neu definierende Ordnung. Eine Krise des Gesichtssinns (des visus) lässt sich historisch für das beginnende 17. Jahrhundert belegen, da die Erkenntnisse Johannes Keplers in der Optik jahrhundertealte Überzeugungen über die Funktionsweise des Auges buchstäblich auf den Kopf gestellt haben. Seit Euklids Optica hatte sich die Vorstellung gehalten, das menschliche Auge sende Strahlen aus, die dann von den Gegenständen zurückgeworfen würden. Die Erkenntnis, dass es sich stattdessen nur um die Reflektion der Lichtstrahlen im Auge handele, hat das 17. Jahrhundert zutiefst verunsichert, bedeutete dies schließlich in der Konsequenz, den Menschen nicht mehr als handelndes, sondern reflektierendes Subjekt zu denken. Zur gleichen Zeit erfuhren die fünf Sinne große Beachtung in den bildenden Künsten. Hier sind vor allem die in Nordeuropa entstandenen Bildzyklen der fünf Sinne zu nennen, die die einzelnen Sinnesaktivitäten und -möglichkeiten im Hinblick auf die menschliche Wahrnehmung im Bild thematisieren (Kauffmann 1943, Nodenfalk 1985, Pagden 1996, Der Sinn der Sinne 1998). Während bereits Georg Pencz 1540 in einer Serie von fünf Radierungen die Sinne als nackte Personifikationen darstellte, prägte Juseppe Ribera mit seiner in Rom um 1613 entstandenen Serie von fünf Ölgemälden der Sinne im Modus des Porträts das Verständnis ihrer Darstellung in

14

seiner Zeit. Sie wurde vor allem von nordischen Künstlern rezipiert (Heinrich Schönefeld, David Teniers d. Ä. u. a.), die Ribera wohl in der Erfindung, nicht aber in den dargestellten Attributen folgten. Gerade in der noch zu rekonstruierenden Behandlung der Thematik bei Ribera und seinen Adepten, wie auch in den beiden von den flandrischen Erzherzögen in Auftrag gegebenen großen Zyklen Jan Breughel d. Ä. und Peter Paul Rubens aus den Jahren 1617 und 1618 (vgl. dazu Welzel 2004), der die Personifikationen der einzelnen Sinne im Sammlungsraum darstellte, weisen vor allem die jeweils unterschiedlichen Attribute offenbar auf eine diskursive Auseinandersetzung mit der Thematik hin, die noch zu rekonstruieren ist. So zeichnet sich ab, dass die einzelnen Sinne in den Bildern in ihrer variantenreichen Charakterisierung einer Ordnung unterworfen werden, die von Zyklus zu Zyklus unterschiedlich sein kann und die Bilder als Teil einer Querelle der Sinne auszeichnet. Zu vermuten ist, dass die Bilder aufeinander antworten und immer neue Definitionen und Hierarchien suchen, die Einblick geben in den historischen Wahrnehmungsdiskurs. Freilich wurde die Hierarchisierung der Sinne vor allem vor dem Hintergrund der aristotelischen Ethik diskutiert. In diesem Zusammenhang ist vor allem die Schrift des Bartolomeo del Bene von 1609 von Interesse, in der der Autor die Seele als eine Stadt schilderte, zu der die fünf Sinne die Pforten bilden und scheinbar einen egalitären Zugang zur menschlichen Seele schaffen (Bene 1609). Gleichwohl wurde der Diskurs gerade auch auf der Ebene der Künste geführt. Hier ist vor allem der Paragonestreit im Hinblick auf die Auseinandersetzung um die medialen Möglichkeiten der Gattungen sowie auch der bildenden Künste und der Dichtung („Ut pictura poiesis“) zu nennen (Körner 1999). Vor allem vor diesem Hintergrund wird zu zeigen sein, inwieweit der Paragonestreit in den Bildern die spezifische Medialität der Wahrnehmung thematisiert. Am historischen Material soll nach der der Darstellung immanenten Behauptung der Erkenntnisleistung und Nützlichkeit der einzelnen Sinne im Hinblick auf die Wahrnehmung und ihren Beitrag zum Verstehen gefragt werden. Methoden: historisch rekonstruktiv, ikonographisch, diskurs- und medienanalytisch, vergleichend. Materialkorpus: Zusammenstellung und Kontextualisierung eines Corpus der Fünf-SinneZyklen des 16. und 17. Jahrhunderts; Traktatliteratur zu den fünf Sinnen des gleichen Zeitraums, vergleichende Analyse unter Berücksichtigung ihrer Metaphorik und Rückwirkung auf die künstlerische Behandlung des Bildes. V.5 Medienwissenschaft/Theaterwissenschaft (Petra Maria Meyer): Sinnes-Wandel. Aisthetisches Verstehen und mediale Mitteilung Die Frage nach den Grenzen der Interpretation stellt sich aus medienwissenschaftlicher Perspektive mit Fokus auf eine Aisthesis im medialen Wandel. Ein solcher Wandel wird mit Rekurs auf die Künste verfolgt, da diese oftmals die Sinnestätigkeit selber in ihren medialen Bedingungsfeldern zum Gegenstand der Wahrnehmung machen. Dort, wo bewusst mit den Sinnen gearbeitet wird, in der multi-sensuellen und pluri-medialen Inszenierung des Theaters, in der Hörkunst des Radios oder in der audio-visuellen Gestaltung des Filmes kommen veränderte sensuelle Grundlagen des ‚ Kommunizierens’und ‚ Verstehens’am ehesten zur Erscheinung. ‚ Kommunikation’und ‚ Verstehen’sind zentral für eine noch junge Medienwissenschaft, die sich verbunden mit einem eingeschränkten Kommunikationsbegriff insbesondere auch im Bereich einer Kommunikationswissenschaft1 entfalten konnte. Diese Disziplin schenkt der Kunst jedoch wenig Aufmerksamkeit, die mit Kommunikationsregeln ebenso wie mit konventionellen Grundlagen des Verstehens bricht. Solche Brüche erfolgen insbesondere durch eine vom Status Quo des Mediengebrauches abweichende mediale Praxis, auf die sich ein Hauptinteresse des Projektes im Hinblick auf einen anderen ‚ Verstehens-’und ‚ Kommunikationsbegriff’richtet. 1

„Vom Namen her ist Medienwissenschaft die Wissenschaft von den Medien –und die Medien sind unbestritten ein Forschungsgegenstand der Kommunikationswissenschaft.“(Maletzke 1998, S. 24f.).

15

Mitteilung von Anschauung und Empfindung Auch in der Diskursgeschichte des Verstehens spielt der mediale Kontext eine stets konstitutive Rolle, dem bislang zu wenig Beachtung geschenkt wurde. Vorarbeiten wurden diesbezüglich bereits in meiner Habilitationsschrift vorgenommen, in der eine kritische Betrachtung hermeneutischer Rationalität mit einer Erweiterung der Semiotik des Theaters um eine Medialität 3 der Zeichen verbunden wurde.2 Schon das Leitmedium ‚ Sprache’ , das auch die hermeneutische Rationalität des Verstehens fundiert, impliziert in der mündlichen Kommunikation aus medientheoretischer Sicht den Körper als ein Medium, das durch Stimme und Geste das Feld des Wahrnehmungsvermögens mit sprachlich nicht erfassten Stimmungen und Gefühlen prägt und dem Denken dadurch andere Orientierung gibt. Diesbezügliche Grundlagen für einen anderen Kommunikations- und Verstehensbegriff lassen sich schon bei Kant finden, der communicatio nicht auf begriffliche Aussagen, nicht auf „Mitteilung von Gedanken“beschränkt, sondern um „Mitteilung von Anschauung und Empfindung“(Kant 1963, S. 256f.) erweitert. An die Körpermedien Stimme und Geste gebunden erweist sich das Leitmedium „Sprache“ als multi-sensuelles (insbesondere audio-visuelles, aber auch taktiles, olfaktorisches etc.) Geschehen in besonderer Komplexität und Dynamik. Eine solche Mitteilung über verschiedene Sinneskanäle problematisiert nicht nur jeden hermeneutischen Universalismus, sondern bindet Kommunikation an ein Mit-teilungsgeschehen, das als medialer Prozess verstanden werden kann. Kants Reflexionen im 18. Jahrhundert sind im Hinblick auf einen anderen Verstehensbegriff auch deshalb wegweisend, da er Kunst als spezifische Kommunikationsform herausstellt und damit einen Paradigmenwechsel vom ‚ Werk’ zur ‚ Kommunikation’ermöglicht (vgl. zu dieser Einschätzung auch Plumpe 1993, S. 14). Diese Kommunikation via ‚ ästhetischer Erfahrung’erfolgt auch bei Kant nicht als passive Aufnahme und Reaktion auf Wirkungen, sondern vollzieht sich prozessual im Akt der Erfahrung, in dem der ästhetische Gehalt vom Betrachter konstituiert wird (Vgl. dazu auch: Bubner 1989, S. 35). Aisthetische Denkorientierung im medialen Wandel Im medienwissenschaftlichen Teilprojekt verläuft die Frage nach aisthetischer Denkorientierung zum einen über die Frage danach, was der Körper von dem weiß, was ihm via Wahrnehmung durch Materialität und Medialität zustößt (vgl. hierzu Meyer 2006). Sie verläuft zum anderen über die Frage nach dem medialen Wandel, nach historisch varianten Leitmedien, die Strukturen der Weltwahrnehmung vorgeben. Für das 19. Jahrhundert erscheint die Zeit-, Bild- und Leibphilosophie von Henri Bergson richtungsweisend, da sich hier ein Dominantenwechsel der Leitmedien diskursiv abzeichnet. Während sich ein hermeneutischer Interpretations-Universalismus durch „Sein, das verstanden werden kann als Sprache“(Gadamer) fundiert, erforscht Bergson Leben im Sinne von „Materie und Gedächtnis“, das verstanden werden kann als Bild (Bergson 1939 bzw. 1991). Zudem implizieren Bergsons Reflexionen ein Mitteilungsgeschehen, das –überspitzt formuliert –nie von einer ‚ Ein-Weg-Kommunikation’(auch nicht in so genannten ‚ Medien’ ), sondern stets von einer Wechselwirkung von Wahrnehmendem und Wahrgenommenen ausgeht.

2

Vgl. Meyer 2001, 5. Denk-Akt: Die Fiktionsperspektive der Analyse. Hierin insbesondere auch 2.4 Sinnlichkeit des „Sinns“ und 6. Denk-Akt: Für eine Semiotik der Überraschung, darin auch: 3.4 Weitere Paradoxien. 3 „Verstehen“ ist für den Philologen, Philosophen und Theologen Friedrich Schleiermacher, der für die Hermeneutik als interpretierende Disziplin wegweisend zu nennen ist: „die Kunst, die Rede eines anderen richtig zu verstehen“. Vgl. Schleiermacher 1977, S. 75. Schleiermacher aus Kants transzendentalphilosophischer Wende die Konsequenz zog, jede Lebens-Äußerung, ob vernünftig, poetisch oder prosaisch hinsichtlich der Bedingungen der Möglichkeit zu befragen, diese zu verstehen, wurden mediale Bedingungen der Möglichkeit von Verstehen ausgeblendet.

16

Mitteilung existentieller Befindlichkeit In künstlerischen Arbeiten des 20. Jahrhunderts zeigt sich deutlich, dass das Wort nicht mehr wortführend ist und ein Dominantenwechsel von der ‚ Verstandeswelt’ zur ‚ Sinneswelt’ zu verzeichnen ist. Inszenierungen orientieren sich gleichsam weniger an verständlicher Repräsentation als an einer wirkungsmächtigen Versinnlichung. Eine durch Stimmen, Klänge und/oder Licht und Farben vermittelte Stimmung, die Atmosphäre, die neuen Reize der special effects, die vom Hörer oder Zuschauer erfahren werden, wenden sich an ein anderes Verstehen. Die gleichsam andere Mitteilung entzieht sich einem Verstehen, das sich als kognitives Projekt auf die Enthüllung einer konventionell vorgegebenen Bedeutung richtet. Vielmehr generiert sich ein immer größer werdender Anteil an Sinn aus dem, was den Sinnen zustößt, aus den Empfindungen, die das Szenario auslöst und den existentiellen Befindlichkeiten, die nachempfunden werden können. Während diese Empfindungsebene semiotisch vernachlässigt wurde und solche Mitteilungen auch von gängiger Kommunikations- oder Informationstheorie nicht erfasst werden, sind sie leibphilosophisch und phänomenologisch in ihrer direkten Wechselwirkung mit dem Selbst- und Weltverhältnis des Menschen berücksichtigt worden. Für den französischen Philosophen Maurice Merleau-Ponty sind es Existentialien, die den Sinn des Gesagten, Gehörten und Gesehenen ausmachen (Merleau-Ponty 1994). Positionierung im Forschungsprojekt Die Grundannahme des kollektiven Forschungsprojektes, eine generelle Brüchigkeit des Verstehens, lässt sich interdisziplinär hinsichtlich verschiedener Facetten ausdifferenzieren. Das medienwissenschaftliche Projekt widmet sich in diesem Zusammenhang dem Verstehen als einem aisthetischen und medialen Geschehen und markiert die Brüchigkeit über einen Diskurs der Leiblichkeit4, der Existenz und der Intuition. Kommunikation lässt sich in diesem Zusammenhang als leibliche Mitteilung sinnlicher Eindrücke und existentieller Befindlichkeiten verstehen. Eine Archäologie der Sinne erfolgt mit Fokus auf audio-visuelle Wechselspiele. Von der Stimme und vom Bild her wird ein anderes Medienmodell und ein anderer Kommunikationsbegriff abgeleitet. Das Projekt versteht sich als medienphilosophische Ergänzungsreflexion grundlegender Überlegungen und Bindeglied zwischen der Theaterwissenschaft, Musik- und Kunstgeschichte. Historisch widmet es sich insofern in kompatiblen Untersuchungs-Zeiträumen den medialen Bedingungen und diskursiven Voraussetzungen von ‚ Verstehen’ . Bezogen auf die Zeit des Barock werden die vielfachen Parallelen zwischen dieser Zeit und dem 20. Jahrhundert ebenso von Interesse sein wie diskursgeschichtlich eine Orientierung an Gottfried Wilhelm Leibniz. In diesem Zusammenhang müssen auch die Diskurse vom unbewussten Denken berücksichtigt werden, die sich in den Untersuchungszeiträumen von den petites perceptions über Schiller bis zu Freud oder Merleau-Ponty und Lacan verfolgen lassen. Eine positive Korrelation besteht nicht nur zwischen rationaler Psychologie und rationaler Ästhetik, sondern auch zwischen ‚ irrationaler’ bzw. an einer anderen Traum-Logik orientierter Psychologie und Traum-Ästhetik in den Künsten. Methode: Diskursanalyse, Phänomenologie, Qualitative kulturwissenschaftliche Medienanalyse.5

4

Vgl. zu einer medienphilosophischen Positionierung innerhalb der Theaterwissenschaft, die phänomenologisch und bezogen auf eine Philosophie des Leibes erfolgt: Meyer 2004. 5 Eine kulturwissenschaftliche Medienwissenschaft bezieht ein historisch variantes Welt- und Selbstverhältnis des Menschen ein. Mediale Bedingungen für ein Wirklichkeitsverständnis, symbolische Repräsentationen, kulturelle Praktiken und künstlerische Gestaltungen stehen im Zentrum des Interesses. Eine grundlegend interdisziplinäre Ausrichtung umfasst die Betrachtung historischer Umbrüche in Wechselwirkung mit medientechnischen Entwicklungen (Mediengeschichte), eine wechselnde Wirklichkeitskonstruktion durch sich ändernde Wahrnehmungsbedingungen und Sinnestätigkeiten

17

Textkorpus: Bezogen auf die medialen Umbruchphasen im 16./17., im 18. und im 19./20. Jahrhundert werden Verstehensdiskurse ebenso wie Versuche, auf unterschiedlicher medientechnischer Grundlage Ton und Bild in ein Wechselspiel zu bringen, Gegenstand der Untersuchung sein. Von den Musikschränken Schlottheims (1589) und Runggels Hottentottentanz (1610) bis zur Verwendung der Drehorgel in Laterna-magica-Vorstellungen (ab 1756) reichen Beispiele einer Verknüpfung von Ton und Bild zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert ebnen die Entwicklungen des Phonographen neue Grundlagen für die Stimme und der Photographie und des Stroboskops den Weg hin zur filmischen In-Beziehungsetzung von Ton und Bild. Entsprechend werden weitere Untersuchungsgegenstände dem Bereich der Akustischen Kunst und des Filmes entnommen. Hinzu kommen die variantenreiche Kunstform der Performance und des Tanzes. Im Tanz wird geradezu prototypisch ein körperliches Verstehen versinnlicht, das sich einer Versprachlichung entzieht. Das andere Verstehen einer Bewegungsphrasierung erfolgt über den Muskelsinn und ein Körpergedächtnis. Es wurde im 20. Jahrhundert zunehmend mit den ‚ Neuen Medien’Film und Video verbunden. V.5 Systematische Zusammenführung der Einzelvorhaben Die kunst-, theater-, musik- und musiktheaterwissenschaftlichen Teilprojekte (Elisabeth Oy-Marra, Petra Maria Meyer, Martin Zenck) widmen sich darüber hinaus der Frage des Verhältnisses zwischen einem stets textuell terminierten Verstehen und erweiterten Wahrnehmungskonzeptionen im jeweiligen Feld ihrer Disziplinen. Sie verfahren primär historisch-rekonstruktiv im Sinne der anvisierten Archäologie der Sinne. Durch historische Rekonstruktionen anhand markanter Zäsuren schließen sie alternative Sinnes- und damit Aufmerksamkeitsbestände auf, die im Laufe des Prozesses der Moderne wieder verschüttet wurden, um in den Künsten im 20. Jahrhundert wieder neu aufgenommen zu werden. Die behandelten Paradigmen dienen zudem als Beispiele für solche Gegenstände, die über das klassisch-hermeneutische Verfahren andere methodische Zugänge verlangen. Dabei privilegieren die verschiedenen Forschungsvorhaben als modellhafte Untersuchungszeiträume einerseits das Barock als entscheidende Wende zur Neuzeit, weil sich hier rationale, vor-aufklärerische Strukturen und ältere Diskurse und Traditionen überlagern und zu einem komplexen Aushandlungsprozess führen, zum zweiten die Zäsur um 1800, insofern sich hier charakteristische Engführungen der Moderne konsolidieren und befestigen, schließlich drittens das 20. Jahrhundert mit seinen zunehmend intermedial verfahrenden Künsten, die die entstandenen Verengungen wieder aufzubrechen versuchen. Beispielhaft lässt sich im Rahmen der Kunstwissenschaft anhand von Artefakten wie den Fünf-Sinne-Allegorien (etwa Jusepe de Riberas Serie oder die Allegorien von Jan Breughel und Peter Paul Rubens) die noch offene Situation des Barock aufzeigen, die weniger als ‚ Opulenz’ zu deuten ist, als vielmehr als ‚ Querelles’der Sinne. Sie geben uns einen Einblick in eine sich neu formierende Ordnung. Ähnliches lässt sich auch an Formen kultureller Praxis untersuchen, wie sie im frühneuzeitlichen Theater und Musiktheater auftreten. Während die Fünf-Sinnesallegorien allein in Bildern verhandelt werden, lassen sich insbesondere anhand der Medialität des Theaters und Musiktheaters die Pluralität bunter Sinneswelten und die Bedeutung des Auditiven und Visuellen untersuchen, die – so beispielhaft für die Auswahl der zweiten Zäsur – um 1800 durch die Konstitution des Sprechtheaters gerade rückgängig gemacht wird. Der interdisziplinäre Ansatz der Arbeitsgruppe schlägt hier gerade durch die Verknüpfung disparater Kompetenzen produktiv zu Buche. Das gilt auch in Ansehung der ästhetischen Formen des 20. Jahrhunderts, die sich durch ‚ Intermedialität’auszeichnen und deren Analyse getrennte Kompetenzen gar nicht mehr zulassen. (philosophische Reflexion) und Transformationen künstlerischer Gestaltungsformen im Wechselspiel der Künste und ihrer Medien (kunstwissenschaftliche Reflexion / Ästhetik).

18

Indem sich die Künste des 20. Jahrhunderts außerdem durch systematische Medienreflexion sowie durch zunehmenden Einsatz technischer und immer mehr digitaler Medien auszeichnen, bedarf es neben den kunst-, musik- und theaterwissenschaftlichen Herangehensweisen ebenfalls eines medienwissenschaftlichen Fokus. Das medienwissenschaftliche Teilprojekt (Petra-Maria Meyer) setzt dabei auf die Analyse von media synaesthetics, insbesondere mit Blick auf Audiovisualität und die Bedeutung von Sound, Raum und Strategien intermedialer Sichtbarmachung, nimmt in der Gesamtarchitektur der Projekte den Platz eines Bindeglieds ein, dass die anvisierte ‚ Medialität des Verstehens’mit der anvisierten ‚ Archäologie der Sinne’am Ort aktueller ästhetischer Produktionen verknüpft. Sie zeichnen sich gerade dadurch aus, dass sie die Engführungen der Moderne durch künstlerisch-technische Verfahren rückgängig machen, um auf vielfältige Weise an die Komplexität aisthetischer Aufmerksamkeiten wieder anzuschließen. VI. Ziele und Resultat des Forschungsvorhabens Im Ergebnis führt das Gesamtvorhaben zu einer neuen Grundlegung des geisteswissenschaftlichen Denkens „diesseits der Hermeneutik“ (Gumbrecht 2004) und der ästhetischen Erfahrung. Es erreicht Grenzen, die nicht diejenigen der Aisthesis sind, wohl aber des Verstehens. Verstehen muss scheitern, solange es einen „Universalitätsanspruch“ (Habermas 1970; Bubner 1989) erhebt und sich an einer Identitätslogik orientiert. Es kann paradoxerweise gelingen, wenn es sich gegenüber der Alterität der Aisthesis in einem ständigen Prozesses der Selbstverständigung mit seiner Fragilität auseinandersetzt. Dieses Andere der Sinneswahrnehmung produziert einen Überschuss an Sinn, der von keiner Interpretation zum Stillstand und auch nicht an dessen Grenzen geführt werden kann. Während sonst von einer Unausschöpfbarkeit des Zu-Verstehenden im ästhetischen Objekt gesprochen wurde, auch von einer schlechten, weil unbestimmten Unendlichkeit, verlagert sich nun gerade dieses Unbestimmte einerseits in den Betrachter, andererseits vor allem in das Medium selbst, das den Gegenstand in einer ständigen Bewegung zeigt. – Die bisherige Skizze hat noch weitgehend ungeschieden die Begriffe der Interpretation und des Verstehens verwendet, was dann noch eine entscheidende Tätigkeit im Projekt sein wird. Wenn von den Grenzen der Interpretation gesprochen wird, so von denjenigen, welche von einem ‚ Text’und ‚ Kontext’gesetzt werden und innerhalb derer sich die Interpretation bewegt. Wenn aber nicht nur die Literalität des Textes, sondern vor allem seine Oralität, seine umfassende Konstitutiertheit durch die Aisthesis bedacht wird, dann liegt auf dieser Seite eben der Überschuss an Sinn, welcher erst durch das Verstehen zugänglich gemacht werden kann. Obwohl die ars interpretandi und die Geschichte der Hermeneutik unentwirrbar ineinander verwoben sind, mag ein einfaches Modell die Differenz von Interpretation und Verstehen bezeichnen. Von Ingeborg Bachmann gibt es ein verdecktes Orpheus-Gedicht mit dem Titel Dunkles zu sagen. Der Text setzt die Grenzen der Interpretation, auch wenn vergleichend andere Gedichte mit herangezogen werden. Die Rezitation der Dichterin aber behauptet mit der gestischen Oralität eine eigene Seinsweise des Gedichts, welche gegen seine Verschriftlichung, gegen seinen toten, weil stummen und leblosen Textkorpus rebelliert. Während die Druckfassung dieses Gedichts die Grenzen der Interpretation markiert, die vom Gedicht selbst noch in Frage gestellt wird, richtet sich das Verstehen auf die Spannung von Literalität und Oralität. Nach Paul Zumthor wären die Stimme (die der Dichterin Ingeborg Bachmann und die des Gedichts) sowie das Gehör des Rezipienten gerade die Sinne, welche „die Geschlossenheit des Körpers und des geschriebenen Textes sprengen“ (Zumthor 1990, 90). Dieser Zwischenbereich von Text und Lektüre wäre derjenige, der einem anderen Verstehen zugewiesen werden kann, welches das eigene Tun und die eigene Aisthesis umfassend einbezogen hätte.

19

Literaturverzeichnis Armbruster, Richard (2001): Das Opernzitat bei Mozart, Kassel. Baader, Hannah (2003): Geschmack, Vortrag, gehalten auf dem Deutschen Kunsthistoriker Tag, 2003 in Leipzig. [Bene, Bartolomeo del] (1609): Civitas veri sive morum Bartolomei Delbene patricii Florentini ad Henrucum III. Francorum & Poloniae regem Aristoteles de moribus doctrinam complexa et illustrata a Theod. Marcilio, Paris. Benthien, Claudia (1999,2001): Haut. Literaturgeschichte – Körperbilder –Grenzdiskurse, Reinbek bei Hamburg. Benthien, Claudia u. Wulf, Christoph (2001): Körperteile. Eine kulturelle Anatomie. Reinbek bei Hamburg. Bergson, Henri (1939): Matière et mémoire, Paris. Bergson, Henri (1991): Materie und Gedächtnis, Hamburg. Beyer, Andreas (Hg., 1992): Die Lesbarkeit der Kunst. Zur Geistesgegenwart der Ikonologie. Berlin. Blumenröder, Christoph von und Steinbeck, Wolfram (2005): Musik und Verstehen, Laaber. Böhme, Hartmut (1998): « Der Tastsinn im Gefüge der Sinne », in: Anthropologie, hg. von Gunter Gebauer, Leipzig/Stuttgart, S. 214-225. Boulez, Pierre (1961/1995): « Le goût et la fonction », in ders. : Points de repère (2ème édition), Christian Bourgois Editeur, S.507-528. Boulez, Pierre (1989a): « Le Geste du Compositeur », in ders. : Jalons (Pour une décennie). Dix années d’ enseigenement au Collège de France (1978-1988). Textes réunis et présentés par Jean-Jacques Nattiez. Préface posthume de Michel Foucault, Paris, S. 107-138. Boulez, Pierre (1989b): Conversation de Pierre Boulez sur la direction d’ orchestre avec Jean Vermeil, Paris. Boulez, Pierre (2002): L’ Écriture du geste. Entretiens avec Cécile Gilly sur la direction d’ orchestre, Paris. Brandes, Ute (1995): Über die Veränderung der visuellen Wahrnehmung, Bonn. Bubner, Rüdiger (1989): Ästhetische Erfahrung, Frankfurt. Dahlhaus, Carl (1974): Beiträge zur Musikalischen Hermeneutik, Regensburg. Davidson, Donald (1994): Wahrheit und Interpretation, Frankfurt/M (2. Aufl.). Diderot, Denis (1751; 1984): „Brief über einen Taubstummen zum Gebrauch derer, welche hören und sprechen können“, in: Ästhetische Schriften, Berlin, S. 35. Gadamer, Hans-Georg (1965): Wahrheit und Methode, Tübingen.

20

Grunwald, Martin (2001): Der bewegte Sinn. Grundlagen und Anwendungen zur haptischen Wahrnehmung, Basel. Gumbrecht, Hans Ulrich (1988): « Rhythmus und Sinn », in: Materialität der Kommunikation, hg. von Gumbrecht / K. Ludwig, Frankfurt am Main, S. 715-729. Gumbrecht, Hans Ulrich (2004): Diesseits der Hermeneutik. Die Produktion von Präsenz,, Frankfurt am Main. Habermas, Jürgen (1970): « Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik », in: Herneneutik und Dialektik I, Festschrift für H.-H. Gadamer, hg. von Rüder Bubner, Konrad Cramer und Reiner Wiehl, Tübingen, S. 73-104. Hand, Schrift, Bild (2005), in: Paragrana. Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie, hg. von Toni Bernhart und Gert Gröning, Beiheft 1, Berlin. Jauss, Hans-Robert (1977): Ästhetische Erfahrung und literarische Hermeneutik, München. Kant, Immanuel (1790, 1963): Kritik der Urteilskraft, Hamburg. Kanz, Roland (2001): Malerei als Augenschmaus. Der gute Geschmack und die Allianz der Sinne in der Kunst des Barock, Düsseldorf. Kauffmann, Hans (1943): « Die Fünfsinne in der niederländischen Malerei des 17. Jahrhunderts », in: Kunstgeschichtliche Studien. Festschrift für Dagobert Frey, hg. von Hans Tintelnot, Breslau, S. 133157. Körner, Hans (1999): « Paragone der Sinne. Der Vergleich von Malerei und Skulptur im Zeitalter der Aufklärung », in: Herbert Beck / Peter C. Bol / Mareike Bückling (Hg.): Mehr Licht. Europa um 1770. Die bildende Kunst der Aufklärung. Ausstellungskatalog Frankfurt 1999, München, S. 365378. Krüger, Klaus (2001): Das Bild als Schleier des Unsichtbaren. Ästhetische Illusion in der Kunst der frühen Neuzeit in Italien, München. Kruse, Christiane (2003): Warum Menschen malen. Historische Begründung eines Bildmediums, München. Leroi-Gourhan. André (1964, 1980): Hand und Wort. Die Evolution von Technik, Sprache und Kunst, Frankfurt am Main. Maletzke, Gerhard (1998): Kommunikationswissenschaft im Überblick. Grundlagen, Probleme, Perspektiven. Opladen/Wiesbaden. Matthies, Ellen / Becker, Jochen (1991): Erkenntniskonstruktion am Beispiel der Tastwahrnehmung, Braunschweig; Wiesbaden. Mauser, Siegfried (Hg. 1993): Musik verstehen –Kunst verstehen, Laaber. McDowell, John (1994): Mind and World, Cambridge Mass.

21

Mersch, Dieter (2006): « Nichtverstehen » (erscheint, in: Martin Zenck (Hg.): Erzeugen und Nachvollziehen von Sinn. Rationale, performative und mimetische Verstehensbegriffe in den Kulturwissenschaften). Merleau-Ponty, Maurice (1946): Le primat de la perception et ses consequences philosophiques, 1996; deutsche Übersetzung: Das Primat der Wahrnehmung und seine philosphischen Konsequenzen, Frankfurt am Main 2003, S. 26-84. Merleau-Ponty, Maurice (1945, 1966): Phänomenologie der Wahrnehmung, Berlin. Merleau-Ponty, Maurice (1986): Das Sichtbare und das Unsichtbare, München. Meyer, Petra Maria (2001): Intermedialität des Theaters. Entwurf einer Semiotik der Überraschung, Düsseldorf. Meyer, Petra Maria (2003): « Medienphilosophische Grundlagen intermedialer Theaterpraxis und Theoriebildung », in: Chr. Ernst / P. Gropp / K. A. Sprengard (Hg.), Perspektiven interdisziplinärer Medienphilosophie, Bielefeld 2003, S. 215-233. Meyer, Petra Maria (2004): « Die Geste als intermediale Vergleichskategorie. Zur Umwertung von Sprachgesten und Gestensprachen zwischen dem 18. und 20. Jahrhundert », in: Crossing media, hg. von Christopher Balme et al., S. 55-73. Meyer, Petra Maria (2006): « Signifiance: der Sinn, der mir zustößt Zur Sinnlichkeit der Sinnstiftung in intermedialen Wechselspielen », (erscheint in: Martin Zenck (Hg.): Erzeugen und Nachvollziehen von Sinn. Rationale, performative und mimetische Verstehensbegriffe in den Kulturwissenschaften). Montesquieu (1752) : Art. « Le goût », in: Encyclopédie. Deutsche Übersetzung: « Versuch über den Geschmack in den Dingen der Natur & Kunst », in: Die Welt der Encyclopédie, hg. von Annette Selg und Rainer Wieland, Frankfurt am Main 2001, S. 146-153. Meschonic, Henri (1996): Art. « Rhythmus », in: Vom Menschen. Handbuch der Historischen Anthropologie, hg. von Christoph Wulf, Weinheim und Basel, S. 609-619. Neumann, Gerhard (1996): « Geschmackstheater. Mahlzeit und Inszenierung », in: GeschmackSache. Schriftenreihe Forum, Bd. 6, 35-64. Nodenfalk, Carl (1985): « The Five Senses in late medieval and Renaissance Art », in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 48, S. 1-22. Praktiken des Performativen, hg. von Erika Fischer-Lichte und Christoph Wulf (= Paragrana. Internationale Zeitschrift für Historische Anthropologie, Bd. 13, H. 1); vgl. dort insbesondere das Kap. 4. « Rhythmus-Wahrnehmung und Performativität », S. 48-80. Panofsky, Erwin (1975): « Ikonographie und Ikonologie. Eine Einführung in die Kunst der Renaissance », in: ders.: Sinn und Deutung in der bildenden Kunst (Meaning in the Visual Arts, 1955). Köln 1975, S. 36-67. Pagden, Sylvia Ferino (Hg., 1996): I Cinque Sensi nell’ arte, Ausstellungskatalog Cremona 1996-1997, Venedig.

22

Plumpe, Gerhard (1993): Ästhetische Kommunikation der Moderne, Bd. 2: Von Nietzsche bis zur Gegenwart, Opladen. Rousseau, Jean-Jacques (1764,1782): Art. « goût », in ders. : Dictionnaire de Musique, Collection complète des œuvres de J.-J. Rousseau, Aux Deux Ponts, 1782, Vol 17 et 18 ; zit, n. Jean-Jacques Rousseau: Musik und Sprache. Ausgewählte Schriften. Mit einem Essay von Peter Gülke : Rousseau und die Musik oder Von der Zuständigkeit des Dilettanten, Leipzig 1989, S.266-268. Schleiermacher, Friedrich (1977): Hermeneutik und Kritik, hg. und eingeleitet von Manfred Frank, Frankfurt/Main. Schlegel, Friedrich (1800): « Athenäum-Fragment, No. 444 », in ders.: Schriften zur Literatur, hg. von Wolfdietrich Rasch, München. Seidel, Wilhelm (2003): Art. « Rhythmus », in : Ästhetische Grundbegriffe, hg. von Karlheinz Bark et al., Bd. 5, Stuttgart und Weimar, S.291-314. Sellars, Wilfrid (1963): Science, Perception and Reality. London. Serre, Michel (1993): Die fünf Sinne. Eine Philosophie der Gemenge und Gemische. Deutsche Übersetzung von Michael Bischoff, Frankfurt am Main. Der Sinn der Sinne (1998), hg. von der Kunst- und Bundeskunsthalle der BRD Deutschland, Göttingen. Tye, Michael (1995): Ten Problems of Consciousness, Cambridge Mass. Voltaire (1752): Art. « Le goût », in: Encyclopédie. Deutsche Übersetzung: « Versuch über den Geschmack in den Dingen der Natur & Kunst », in: Die Welt der Encyclopédie, hg. von Annette Selg und Rainer Wieland, Frankfurt am Main 2001, S. 145-146. Voltaire (1764, Amsterdam 1789): « Goût », in: ders. : Dictionnaire philosophique, Bd. 5, S. 107. Wittgenstein, Ludwig (1945, 1989): « Vermischte Bemerkungen », in: ders. : Werk-Ausgabe in acht Bänden, Bd. 8, hg. von Georg Henrik von Wright, Frankfurt am Main. Welzel, Barbara (2004): « Sinnliche Erkenntnis, Wissenschaft und Bildtheorie: der Fünf-SinneZyklus von Jan Breughel d.Ä. und Peter Paul Rubens für das erzherzogliche Paar Albrecht und Isabella », in: Scientia et artes: die Vermittlung alten und neuen Wissens in Literatur, Kunst und Musik, hg. von Barbara Mahlmann-Bauer, Wiesbaden, S. 231-245. Zenck, Martin (1993): « Nono – Mozart. Das Verstehbare und Nicht-Verstehbare ihrer Kunst », in: Kunst verstehen – Musik verstehen. Ein interdisziplinäres Symposion (München 1992), hg. von Siegfried Mauser, Laaber, S. 215-236. Zenck, Martin (2004): « Der Dämon der Eingebung. Das Verstehbare und Nichtverstehbare beim Herstellen und Wahrnehmen von Kunst », in: Der Eigensinn der Kunst, hg. von Roland Simon-Schäfer, Bamberg, S. 55-84. Zenck, Martin (Hg., 2006): Erzeugen und Nachvollziehen von Sinn. Rationale, performative und mimetische Verstehensbegriffe in den Kulturwissenschaften, München.

23

Zenck, Martin (2006): « Chi son’io tu non saprai („Wer ich bin, du wirst es nicht erfahren“). Zwischen exzessiver Libertinage und dämonischer Sexualität in Mozart’ s Don Giovanni (erscheint in: Mozart’ s Don Giovanni, Kgr.-Ber. Dortmund, hg. v. Michael Stegemann ) Zenck, Martin, « Vom Berühren und Berührtwerden beim Klavierspielen, beim Sehen und beim Hören » (Vortrag, Stuttgart, 17. Februar 2006; erscheint, in: Materialität und Taktilität im Informationszeitalter, Stuttgart 2006). Zeuch, Ulrike (2000): Umkehrung der Sinneshierarchie. Herder und die Aufwertung des Tastsinns seit der frühen Neuzeit, Tübingen. Zumthor, Paul (1983): Performance, réception, lecture, Longueuil. Zur Lippe, Rudolf (1987): Sinnenbewusstsein. Grundlegung einer anthropologischen Ästhetik, Reinbek bei Hamburg.

24

Suggest Documents