Abschlussbericht vom 01.12.2013 Praktikum bei der Vereinigung für Kinder mit Sprach-, Sprech- und Hörbeeinträchtigung in Namibia Zeitraum: 09.09.13 – 08.11.13 Ich bin 23 Jahre alt und ich studiere derzeit im 1. Mastersemester Hörgeschädigtenpädagogik (Schwerpunkt Schwerhörigenpädagogik) mit dem Nebenfach Grundschulpädagogik an der LMU in München. Von der Praktikumsstelle bei CLaSH, der Vereinigung für Kinder mit Sprach-, Sprech- und Hörbeeinträchtigung, erfuhr ich durch eine Kommilitonin. Sie war ein Jahr vor mir in Namibia und hatte dieselbe Praktikumsstelle inne. Meine Mitstudentin – Lena – händigte mir also die Kontaktdaten aus und informierte die Vorsitzende des Vereins bereits vorab über mein bestehendes Interesse. Da die Arbeit bei CLaSH mit Kindern mit einer Hörschädigung zu tun hat und es sich bei Namibia um ein afrikanisches Land handelt passte alles ge-

Bild 1: Klassenraum der CLaSH-Vorschulgruppe

nau zu meinen Vorstellungen. Dadurch, dass ich persönlichen Kontakt zu Lena hatte, konnte ich mich ideal auf das Praktikum vorbereiten. Sie erklärte mir meine Aufgabenbereiche und gab bereits einen Vorgeschmack auf meinen Alltag bei CLaSH. Außerdem nahm ich an einem Vortrag zum Thema „Praktikum in einem Entwicklungsland“ teil und frischte meine Englischkenntnisse mit Hilfe eines Sprachkurses an der LMU München auf. Will man ein Praktikum in Namibia absolvieren, so muss man ein Visum beantragen auch wenn das Praktikum unentgeltlich ist. Bis spätestens drei Monate vor Abreise müssen die Antragsunterlagen an die Botschaft in Berlin geschickt werden. Ich war sehr knapp in meiner Zeitplanung und erhielt mein Visum erst einige Tage vor meiner Abreise. Daher würde ich dringend empfehlen, sich frühzeitig genau

zu

informieren

um

unnötigen

Stress

zu

vermeiden.

(http://www.namibia-

botschaft.de/images/stories/konsular/study/Merkblatt_Befristete_Studienerlaubnis.pdf).

Über den Gruppenvertrag des DAAD schloss ich eine kombinierte Kranken-, Unfall- und Privatversicherung ab. Da ich keine Arztbesuche, Diebstähle oder Ähnliches in Namibia zu verzeichnen hatte, kann ich die Leistungen der Versicherung nicht aus eigener Erfahrung beurteilen, sie wird jedoch von vielen StudentInnen genutzt und gelobt. Vor Beginn des Praktikums notierte ich mir meine Erwartungen, welche ich nun rückblickend reflektieren möchte. Die größten Bedenken, die ich vor Beginn des Praktikums hatte, beziehen sich auf die Namibian Sign Language. Ich wusste bereits von Lena, dass sie sich stark von der Deutschen Gebärdensprache unterscheidet und aufgrund dessen anfängliche Kommunikationsbarrieren mit den Mitarbeiterinnen und den Kindern unumgänglich sind. Diese Probleme zu Beginn des Praktikums möchte ich auch im Nachhinein nicht verneinen – sie waren jedoch viel weniger einschränkend im Umgang mit den Gehörlosen als befürchtet. Schnell Bild 2: gehörlose Mitarbeiterin während der gewann ich das Vertrauen der Kinder und der Mitarbeite- "Kommunikationszeit" rinnen. Es entstand ein „Geben und Nehmen“: mir wurde viel mit meinen Gebärden geholfen und ich brachte mich schnell in die täglichen Arbeiten im Kindergarten mit ein. Die Bandbreite der verschiedenen Bereiche in welchen ich aktiv war, übertrafen meine Erwartungen. Gleich in der ersten Woche meines Praktikums fand die „Deaf Awareness Week“ in Windhoek statt, welche ein wichtiges Element der Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit des Vereins CLaSH darstellt. Im Rahmen dieser „Deaf Awareness Week“ wurden im Goethe Zentrum abendlich Filme zum Thema gezeigt, der CLaSHKalender 2014 wurde veröffentlicht und es fand ein ganztägiger Workshop Bild 3: Elternworkshop im Kindergarten. Erfahrungsberichte erwachsener Gehörloser und Eltern im Austausch.

für die Eltern der (ehemaligen, derzeitigen und zukünftigen) Kindergarten-

kinder statt. Bei all den damit verbundenen Aufgaben konnte ich die sonderpädagogische Fachberaterin des Vereins tatkräftig unterstützen.

Nach der ersten, sehr ereignisreichen Woche bei CLaSH machte ich mich an die Aufgabe den Kindergartenalltag unter bestimmten Beobachtungskriterien zu verfolgen. Daraus leitete ich meine Arbeitsschwerpunkte ab: •

Ergebnisse aus dem Kunst- und Bastelunterricht dokumentieren und Vorschläge für neue Ideen einbringen



Sportspiele für draußen durchführen und die dafür verantwortliche Erzieherin auf allen Ebenen unterstützten



Neue thematische Arbeitsmaterialien vorbereiten (vor allem während meinen Bürozeiten) und im Kindergarten vorstellen/ einführen Eine tolle Erfahrung waren für mich außerdem die Freiarbeitsphasen, in denen ich ausgewählte Kinder einzeln fördern konnte. Dabei kam mir mein theoretisches und praktisches Wissen

zum

didaktische-

methodischen Umgang mit Kindern Bild 2: Kinder bei der Freiarbeit - Fühlsäckchen

in Lehr-Lern-Situationen sehr zu Gute. Doch nicht nur die Kinder

lernten von mir, sondern ich lernte auch viel von den Kindern und Mitarbeiterinnen. Beispielsweise wurde ich mit vielen verschiedenen Materialien nach Maria Montessori vertraut gemacht und lernte den richtigen Umgang mit ihnen. In das wöchentliche Angebot der rhythmisch-musikalischen Früherziehung konnte ich gegen meine Erwartungen wenig neue Ideen mit einbringen. Teilweise lag das wohl daran, dass der Zeitrahmen meines Praktikums zu kurz war. Ich konnte insgesamt nur acht Mal an der RME teilnehmen, wobei die Kinder in zwei Gruppen unterteilt sind die jeweils nur zweiwöchentlich zur „theatre school“ zur Rhythmik fahren. Folglich war ich mit jeder Gruppe nur vier Mal bei der rhythmisch-musikalischen Früherziehung. In diesen Bereich hätte ich mich gerne noch intensiver eingearbeitet, zumal das Thema meiner Bachelorarbeit folgendermaßen lautete: „Sprachförderung durch Rhythmischmusikalische Erziehung bei Kindern mit prälingualer Hörschädigung“. Im Abschlussgespräch mit der Geschäftsführerin Heide Beinhauer ergab sich der Gedanke auf diesem Gebiet im Rahmen einer Masterarbeit weiter zu forschen und dafür nochmals an die Vorschule von CLaSH zu kommen.

Neben den thematisch bezogenen Aufgabengebieten fallen in einer Vorschule auch unzählige „kleine Aufgaben“ im Umgang mit den Kindern an. Um sich diese vorstellen zu können will ich im Folgenden einen groben Tagesablauf aufzeigen: • • • • • • • • • • • • •

Gemeinsames Frühstück (nach gemeinsamer Ankunft im Minibus) Montessori-Freiarbeitszeit Kommunikationszeit (Kinder erzählen zu bestimmten Themen und werden zur Diskussion angeregt) Spielzeit draußen „teach on topic“ Mittagessen Aufräumen und vorbereiten auf Mittagsschlaf Mittagsschlaf Waschen und Zähneputzen Kunst (Malen, Basteln, Theater,...) / montags Sport und kleine Spiele auf der Rasenfläche Brotzeit Spielzeit im Hof Heimfahrt mit dem Minibus

Meine Unterkunft fand ich auch über private Kontakte. Eine Bekannte, welche an der deutschen Privatschule in Windhoek als Lehrerin unterrichtet hatte sich für mich auf die Suche nach einer Unterkunft gemacht (noch vor meiner Ankunft in Namibia). Das war sehr hilfreich und vor allem auch erfolgreich. Kollegen von meiner Bekannten (ein deutsches Lehrerehepaar) meldeten sich bei mir per E-Mail und teilten mir mit, dass sie ein freies Zimmer zur Verfügung hätten. Mein Glück war, dass ich nichts dafür zahlen musste! Da die Mietpreise in Windhoek etwa mit den Mietpreisen in München vergleichbar sind, war dies eine große finanzielle Entlastung. Es gab lediglich die Vereinbarung, dass ich Bild 5: Stadtteil Olympia

abends ab und an bei den Kindern zu Hause bleiben sollte. Dies erwies sich

schnell als absolut passend, da die Familie sehr offen und unkompliziert ist. Somit hatte ich sofort ein tolles Zuhause in einer fremden Stadt in einem fremden Land.

Da ich in dem Stadtteil Olympia wohnte war der öffentliche „Swimming Pool“ nicht weit, was sich hervorragend für den sportlichen Ausgleich anbot. Die Eintrittspreise sind sehr billig und es gibt ein großes und gepflegtes Schwimmerbecken. Der Nachteil den ich persönlich dabei empfand war der verminderte interkulturelle Austausch und die Tatsache, dass ich dadurch weniger Gelegenheit hatte mein Englisch zu verbessern. Die anfängliche Angst aufgrund meiner Wohnumstände keine Einheimischen kennen zu lernen verflog jedoch schnell. Grund dafür ist wohl vor allem die Kontaktfreudigkeit der Menschen in Namibia. Da die Mehrheit der jungen Leute vor allem Englisch untereinander spricht, konnte ich mein Englisch verbessern. Africans oder gar eine Stammessprache erlernte ich nicht. Da ich an meiner Praktikumsstelle mit gehörlosen Kollegen und vor allem mit gehörlosen Kindern zusammenarbeitete, erlernte ich Grundzüge der Namibian Sign Language. Anfängliche Schwierigkeiten verschwanden relativ schnell und ich wurde immer sicherer. Mit der zunehmenden Sicherheit im Gebärden wurde auch der Umgang mit meinen Kolleginnen vereinfacht. Ich kann allen Praktikanten im Ausland empfehlen sich bei der webside „couchsurfing.org“ anzumelden. Aus dieser Plattform kann man Kontakte zu Menschen knüpfen, die am ausgewählten Ort heimisch sind. So findet man schnell Anschluss und mit den richtigen Personen bekommt man so einige „Insidertipps“. Speziell auf Windhoek bezogen sind die „Carboardbox“ (eine Unterkunft für Rucksackreisende), die „university of Namibia“ (UNAM) oder die Bar „Warehouse“ auch immer gute Anhaltspunkte um nette Menschen kennen zu lernen. Generell machte ich bezogen auf Bekanntschaften nur gute Erfahrungen und lernte die offenherzige und fröhliche Bevölkerung zu schätzen. Bezogen auf SIM-Karten kann ich nur „MTC“ empfehlen, welche man direkt noch am Flughafen zum kleinen Preisen erwerben kann. Was man auf jeden Fall auch vor der Ankunft in Windhoek wissen sollte ist, dass es keine öffentlichen Verkehrsmittel wie Busse oder U-Bahn gibt. Das Hauptverkehrsmittel sind Taxen. Dabei sollte man sich vorher informieren, wie viel auf der geplanten Strecke vom Fahrer verlangt werden darf, da diese vor allem von Touristen viel zu teure Preise einfordern. Grundsätzlich kostet eine Fahrt im Innenraum der Stadt immer 9 Dollar (sofern Taxipunkte angefahren werden). Die Stadt Windhoek ist die Hauptstadt von Namibia und wächst stetig. Das Zentrum der Stadt ist sehr gepflegt und man kann es kaum mit der europäischen Vorstellung vom „typischen Africa“ verglichen werden. Die Ursprünge des europäischen und südafrikanischen Einflusses auf die Architektur der Stadt liegen, wie auch viele andere kulturelle Einflüsse aus unterschiedlichen Ländern, in den Besatzungszeiten. Fährt man jedoch in das ehemalige Township von Windhoek, nach Katutura, so taucht man in das chaotische und bunte Leben Afrikas ein. Es ist dabei aber empfehlenswert sich nur in Be-

gleitung von Einheimischen auf den Straßen zu bewegen oder sich zumindest vorab kundig zu machen, welche Bezirke als ungefährlich gelten. Erstaunlich finde ich, dass die meisten „Suburbs“ immer von einer Stammesgruppe deutlich dominiert werden. Das verbildlicht ein wenig meine Erfahrung zu den unterschiedlichen Stämmen. Einerseits ist die Bevölkerung Namibias vor allem auch gegenüber Touristen sehr tolerant und offen, andererseits spielt die Herkunft des einzelnen Namibianers unter Umständen eine große Rolle. Die meisten Stammesgruppen sind sehr stolz und achten sehr darauf ihre eigene Kultur aufrecht zu erhalten. So unterschiedlich die Wohngegenden in und um Windhoek sind, so unterschiedlich sind auch die Menschen und vor allem deren Bildungsstatus und finanzielle Lage. Zu der großen Arbeitslosigkeit kommen die oft deutlich zu niedrigen Einkünfte. Für die Arbeit als Haushaltshilfe bekommt man umgerechnet meist nicht mehr als 20 Euro für sieben Stunden. Hierbei ist zu bedenken, dass die Lebensmittelpreise nicht billig sind, da der Großteil der im Land verkauften Produkte aus Südafrika und anderen Ländern importiert werden muss. Insgesamt kann ich rückblickend festhalten, dass die Wichtigkeit des Fachwissens für die praktische Arbeit wieder verstärkt in mein Bewusstsein gerückt ist. In einem langjährigen (sehr theoretischen!) Studium vergisst man oft, warum all die Lerninhalte „durchgeackert“ werden müssen. Nun fand ich wieder neue Motivation für diese theoretischen Auseinandersetzungen, da sich in der Arbeit im Kindergarten deutlich zeigte, wie wichtige die didaktische und methodische Herangehensweise im Umgang mit den gehörlosen Kindern ist. Außerdem hat mich die Arbeit im Kindergarten auch in meiner Entscheidung gestärkt den Lehrerberuf anzustreben. Grundsätzlich ist die Organisation CLaSH auch bereit neue PraktikantInnen aufzunehmen, wobei ein Studium der Hörgeschädigtenpädagogik oder auch zum Beispiel der Sprachtherapie wünschenswert wären. Die 9 Wochen bei CLaSH in Namibia waren eine sehr erfahrungsreiche und interessante Zeit. In jedem Fall würde ich meine Praktikumsstelle anderen StudentInnen weiterempfehlen, vor allem auch, weil ich mich sehr gut betreut gefühlt habe. Die Kombination aus Kindergarten und Büroarbeit bringt viele verschiedene Aufgaben mit sich – wobei der Spielraum für eigene Ideen groß ist. Zusätzlich gab die Organisation durch Student und Arbeitsmarkt einen hilfreichen Rahmen vor, wobei dir zu erfüllenden Aufgaben durchaus zu einer qualitativen Steigerung des Praktikums beitragen.