2016. Prof. Dr. Susanne Soretz

Entwicklungsökonomie WS 2015/2016 Prof. Dr. Susanne Soretz Gliederung 1. Einführung und Abgrenzung 2. Messung von Entwicklung; Entwicklungsziele Wir...
Author: Bertold Beltz
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Entwicklungsökonomie WS 2015/2016 Prof. Dr. Susanne Soretz

Gliederung 1. Einführung und Abgrenzung 2. Messung von Entwicklung; Entwicklungsziele Wirtschaftliche Indikatoren — Weitere Entwicklungsindikatoren — Entwicklungspolitische Ziele 3. Kapitalmangel Sparfähigkeit, Sparbereitschaft und Investitionsbereitschaft — Unvollkommenheiten auf dem Kapitalmarkt 4. Humankapitalmangel 5. Technisches Wissen 6. Nachhaltige Umweltnutzung 7. Ungleichheit und Armut 8. Bevölkerungswachstum 9. Außenhandel Prof. Dr. Susanne Soretz

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Literatur und Organisatorisches Frenkel, M., Hemmer, H.-R. (1999): Grundlagen der Wachstumstheorie, Verlag Vahlen. Hemmer, H.-R. (2002), Wirtschaftsprobleme der Entwicklungsländer, Verlag Vahlen. Ray, D. (1998), Development Economics, Princeton University Press. van den Berg, H. (2012) Economic Growth and Development, World Scientific. van der Ploeg, F. (2010) Natural Resources: Curse or Blessing? CESIFO Working Paper Nr. 3125. Weil, D. N. (2013), Economic Growth, Pearson International Education. Folien im Internet unter http://www.rsf.uni-greifswald.de/soretz/lehre/ Sprechzeit: nach Vereinbarung per e-mail: [email protected] Prof. Dr. Susanne Soretz

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1 Einführung und Abgrenzung Quelle: Hemmer Kap. I.A; Weil Chapter 1 und 2 Ursprung der Entwicklungsökonomie: erst Ende der 40er Jahre! Präsident Truman deklarierte 1949 in seiner Regierungserklärung den größten Teil der Welt zu unterentwickelten Gebieten, zu Entwicklungsländern „Gruppe der 77“: erste Zielgruppe der amerikanischen Entwicklungspolitik (1960er)

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Was bedeutet „unterentwickelt“? ➜ gesellschaftliche und politische Dimension: von größter Bedeutung ist hier die Verwirklichung der Menschenrechte jedoch: keinerlei Einigkeit über relevante Standards für Menschenrechte sowie andere Komponenten der gesellschaftlichen und politischen Entwicklung, ➜ deshalb dominieren wirtschaftliche Kriterien bei der Klassifizierung des Entwicklungsstands.

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➜ wirtschaftliche Dimension: hier geht es insbesondere um den Lebensstandard, gemessen in erster Linie über das Pro-Kopf-Einkommen wie gut ist es der Bevölkerung möglich, die Grundbedürfnisse (Existenzminimum, basic needs, first floor needs, harte Grundbedürfnisse) zu befriedigen? Mindesterfordernisse einer Familie in Bezug auf den privaten Verbrauch (Ernährung, Wohnung, Bekleidung, bestimmte Haushaltsgeräte und Möbel) Lebenswichtige Dienstleistungen der Gemeinschaft für die Gemeinschaft (Gesundheits- und Bildungseinrichtungen, Trinkwasserversorgung, sanitäre Anlagen, öffentliche Verkehrsmittel)

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ist es darüber hinaus auch möglich, weiterführende Bedürfnisse (non-essentials, second floor needs, weiche Grundbedürfnisse) zu befriedigen? sichere Arbeitsbedingungen, soziale Sicherheit Menschenrechte Erholung und Unterhaltung

➜ wichtige Teile des Lebensstandards können über das Kriterium des Pro-Kopf-Einkommens abgebildet werden ➜ weitere Gebiete werden über zusätzliche Indikatoren parallel erfasst, sh. Kapitel 2

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Was also sind Entwicklungsländer? relatives Konzept: Länder, deren Lebensstandard hinter Regionen wie Europa, Nordamerika, Japan, Australien oder Neuseeland zurückgeblieben ist. absolutes Konzept: Länder, deren Bevölkerung (überwiegend) nicht in der Lage ist, ihre Grundbedürfnisse zu befriedigen derzeit leben etwa 1,2 Mrd. Menschen in absoluter Armut

Quelle Heston, Summers und Aton (2011) grafische Darstellung Weil 2013, Kapitel 1 Prof. Dr. Susanne Soretz

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Kernfragen der Entwicklungsökonomie

Warum geht es manchen Ländern so viel schlechter als anderen? Welche wichtigen Gemeinsamkeiten der Entwicklungsländer gibt es, die ihre langsame Entwicklung erklären können? Warum sind die Entwicklungsprozesse so unterschiedlich?

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ökonomische Gemeinsamkeiten: ➜ geringes Pro-Kopf-Einkommen, sehr ungleiche Verteilung der Einkommen, niedrige Spar- und Investitionstätigkeit, große Bedeutung des primären und informellen Sektors, passive Handelsbilanz, wenig diversifizierte Exporte, hohe Auslandsverschuldung, Kapitalflucht, starke Disparitäten zwischen Zentrum und Peripherie, hohe Arbeitslosigkeit, unzureichende Infrastruktur

außerökonomische Gemeinsamkeiten: ➜ gravierende ökologische Probleme (durch unkontrollierte Verstädterung, Desertifikation, Vernichtung der Tropenwälder), hohes Bevölkerungswachstum (trotz hoher Säuglings- und Kindersterblichkeit, geringer Lebenserwartung), problematischer Gesundheitszustand (Ausbreitung von Epidemien, teilweise wegen mangelnder Hygiene oder mangelnder gesundheitlicher Bildung), soziokulturelle Merkmale (geringe soziale Mobilität, Kinderarbeit, hohe Analphabetenquote), politische Merkmale (autoritäres Staatssystem, Menschenrechtsverletzungen, politische Instabilität) Prof. Dr. Susanne Soretz

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Aber teilweise auch große Unterschiede in den Entwicklungsprozessen: ➜ berühmtes Beispiel ist der Unterschied in der Entwicklung der sogenannten „Tigerstaaten“ und der afrikanischen Länder südlich der Sahara ➜ wirtschaftliche Entwicklung ist offensichtlich nicht ausschließlich eine Frage der Ausstattung mit Produktionsfaktoren ➜ Welche sind also die relevanten Unterschiede zwischen den Entwicklungsländern, die über den Erfolg des Entwicklungsprozesses entscheiden?

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Wichtige Begriffe UNO: Less Developed Countries (LDC) und Least Developed Countries (LLDC) nach Pro-Kopf-Einkommen, Economic Vulnerability Index EVI = Verwundbarkeit (Instabilität der Exporterlöse, Anteil des Agrarsektors am BIP u.ä.), Human Asset Index HAI (Kindersterblichkeit, Analphabetenrate, Einschulungsrate u.ä.), Einwohnerzahl (< 75 Mio.)

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Weltbank: Low Income Countries (LIC) bis 765 US-$ Pro-Kopf-Einkommen, untere Middle Income Countries (MIC) bis 3035 US-$, obere MIC bis 9385 US-$

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Schwellenländer (Newly Industrialized Economies): Länder, die traditionell zu den Entwicklungsländern gehörten, aber eine Reihe wichtiger Merkmale bereits nicht mehr aufweisen. Begriff ist in den 70ern für die Tigerstaaten entstanden und weit verbreitet, eine einheitliche Definition gibt es aber nicht.

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Transformationsländer: Länder der ehemaligen UdSSR charakteristische Unterschiede zu Entwicklungsländern: typische Probleme des Übergangs von der Plan- zur Marktwirtschaft, hoher Humankapitalbestand, ausdifferenzierte Industriestruktur, technologisches Entwicklungspotential. (siehe Graphik bei UNO)

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2 Messung von Entwicklung; Entwicklungsziele Quelle: Ray Kapitel 2 und 6.3, Hemmer Kapitel I.A Überblick über gebräuchliche Entwicklungsindikatoren: Wirtschaftliche Indikatoren: Pro-Kopf-Einkommen Verteilungsindikatoren Absolute Armut

andere Indikatoren: Lebenserwartung Kindersterblichkeit Analphabetenrate Human Development Index (HDI)

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2.1 Wirtschaftliche Indikatoren Größtes Gesamteinkommen Land 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

USA China Japan Deutschland UK Frankreich Brasilien Italien Indien Russland Kanada Australien Korea Spanien Mexiko

GDP (Bill. US$) 17.419 10.360 4.601 3.853 2.942 2.829 2.346 2.144 2.067 1.861 1.787 1.453 1.410 1.404 1.282

Land China USA Indien Japan Deutschland Russland Brasilien Frankreich UK Italien Mexiko Korea Kanada Spanien Türkei

Bevölkerung GNI PPP (Bill. US$) 17.919 17.813 7.302 4.821 3.789 3.610 3.212 2.630 2.475 2.129 2.068 1.756 1.542 1.532 1.444

Land China Indien USA Indonesien Brasilien Pakistan Nigeria Bangladesch Russland Japan Mexiko Philippinen Äthiopien Vietnam Ägypten

Bev. (Mill.) 1.493,784 1.267,401 322,583 252,812 202,033 185,132 178,516 158,512 142,467 126,999 123,799 100,096 96,506 92,547 83,386

Daten 2014, Worldbank Prof. Dr. Susanne Soretz

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Das Pro-Kopf-Einkommen ist Indikator für die jedem Einzelnen zur Verfügung stehenden Güter (Bedürfnisbefriedigung). Die Bestimmung des Pro-Kopf-Einkommens: Bruttosozialprodukt zu Marktpreisen − Abschreibungen ➜ Nettosozialprodukt zu Marktpreisen − indirekte Steuern + Subventionen ➜ Nettosozialprodukt zu Faktorkosten − Korrektur um Einkünfte aus dem/in das Ausland ➜ Volkseinkommen (Nettoinlandsprodukt zu Faktorkosten) Pro-Kopf-Einkommen: =

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Volkseinkommen Bevölkerungszahl

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Reiche Länder: Pro-Kopf-Einkommen Land 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15

Luxemburg Qatar Australien Dänemark Schweiz Singapur USA Island Niederlande Österreich Kanada Finnland Deutschland Belgien Frankreich

US $ 110,664 93,397 61.887 60.634 58.887 56.267 54.630 52.111 51.590 51.127 50.271 49.541 47.627 47.517 42.736

Land Qatar Kuweit (2013) Singapur Bermuda (2013) Norwegen Vereinigte Arabische Emirate Schweiz (2013) Luxemburg (2013) Hong Kong USA Niederlande Deutschland Schweden Dänemark Belgien

PPP $ 133.850 87.700 80.270 66.560 65.970 63.750 59.600 57.830 56.570 55.860 47.660 46.840 46.710 46.160 43.030

Daten 2014, Worldbank

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Arme Länder: Pro-Kopf-Einkommen Land 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20

Malawi Burundi Zentralafrik. Republik Gambia Niger Madagaskar Liberia Kongo Guinea Äthiopien Eritrea Mozambique Togo Ruanda Afghanistan Uganda Nepal Burkina Faso Mali Sierra Leone

US $ 253 295 379 423 441 449 461 475 550 568 590 619 646 652 666 677 698 720 766 788

Land Zentralafrik. Republik Kongo Malawi Burundi Liberia Niger Guinea Mozambique Eritrea Madagaskar Äthiopien Comoros Ruanda Gambia Mali Haiti Sierra Leone Benin Afghanistan Salomon-Inseln

PPP $ 610 700 780 790 820 950 1.140 1.170 1.180 1.400 1.500 1.530 1.530 1.580 1.660 1.750 1.830 1.850 1.980 2.020

Daten 2014, Worldbank Prof. Dr. Susanne Soretz

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Probleme des BIP als Wohlfahrtsindikator: statistische Erhebungen sind in Entwicklungsländern oft unpräzise Subsistenzbereich ist im Sozialprodukt nicht enthalten, ist aber gerade in Entwicklungsländern von erheblicher Größe bei Marktversagen geben Marktpreise den Wert der Güter verzerrt wieder vom Staat bereitgestellte Güter werden zu ihren Produktionskosten bewertet, da Marktpreise fehlen Umweltschäden werden mangels Marktpreisen nicht vom BSP abgezogen, Aufwendungen zur Umweltreinhaltung hingegen erhöhen das BSP

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Einkommensverteilung: das Pro-Kopf-Einkommen suggeriert eine gleichmäßige Aufteilung des Volkseinkommens auf die Bevölkerung gerade in Entwicklungsländern ist die Einkommensverteilung sehr ungleich große Teile der Bevölkerung sind wesentlich schlechter gestellt, Beispiel: Qatar, Kuweit

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Ungleichheit in der (personellen) Einkommensverteilung wird am häufigsten durch Lorenzkurve bzw. Gini-Koeffizient gemessen. Die Bevölkerung wird nach Einkommenshöhe „sortiert“. Die Lorenzkurve gibt dann die kumulierten Einkommensanteile der jeweiligen Bevölerungsanteile wieder. Beispiel: „Die ärmsten 50% der Bevölkerung verfügen über nur 10% des Volkseinkommens.“

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Eink. in %

Eink. in %

Bev. in %

Bev. in %

Je weiter die Lorenzkurve „ausgebeult“ ist, um so größer ist die Ungleichheit. Falls zwei Lorenzkurven sich schneiden, können die Verteilungen in keine Rangordnung gebracht werden.

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Der Gini-Koeffizient misst die Fläche zwischen Lorenzkurve und Winkelhalbierender (multipliziert mit 2). Ein Gini-Koeffizient von 0 gibt absolute Gleichheit, ein Gini-Koeffizient von 1 maximale Ungleichheit wieder.

Eink. in %

Eink. in %

Bev. in %

Bev. in %

Schneiden sich die Lorenzkurven, so gibt der Vergleich der Gini-Koeffizienten trotzdem an, welche Verteilung die (angeblich) größere Ungleichheit aufweist. Dabei unterstellt der Gini-Koeffizient implizit konstante absolute Ungleichheitsaverstion. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Gini-Koeffizienten nach Regionen 2009:

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Messung absoluter Armut: Armut wird selbst von Verteilungsindikatoren nur unzureichend gemessen, deshalb Ergänzung durch Armutsquoten wichtiger Unterschied: relative versus absolute Armut: relative Armut: beschreibt, dass es manchen Ländern/Personen schlechter geht als anderen absolute Armut: liegt vor, wenn das Einkommen unter einer bestimmten Armutsgrenze liegt

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in Deutschland: relative Armut Menschen sind armutsgefährdet, wenn sie über weniger als 60% des Medianeinkommen verfügen, arm wenn < 40% oder < 50%, wird aber inzwischen weniger benutzt (Medianeinkommen 2012 etwa 16.000 e, d.h. armutsgefährdet bei < 9.600 epro Person und Jahr) ➜ Idee: arm ist, wer nicht angemessen am Wohlstand eines Landes partizipieren kann in Entwicklungsländern: absolute Armut nach Weltbank (1990) Armutsgrenze von 1 $ (bzw. 2 $) pro Tag, inzwischen auf 1,25 $ (zu Preisen von 2005) angehoben ➜ Idee: arm ist, wer die existenziellen Bedürfnisse nicht befriedigen kann

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Armutsquoten (absolute Armut, 1,25$-Grenze):

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Armutsquoten (absolute Armut, 2$-Grenze, 2009):

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2.2 Weitere Entwicklungsindikatoren

Wegen der beschränkten Aussagekraft ökonomischer Indikatoren über die Möglichkeit der Befriedigung der Grundbedürfnisse werden wichtige weitere Indikatoren betrachtet: Lebenserwartung und Kindersterblichkeit Analphabetenrate und Schulbesuchsrate zusammengesetzte Indikatoren: vor allem HDI

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Lebenserwartung und Kindersterblichkeit:

➜ In Armut lebende Menschen haben oft keinen Zugang zu ausreichender medizinischer Versorgung und leben teilweise unter schlechten hygienischen Bedingungen.

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Analphabetenrate und Schulbesuchsrate:

➜ Schulbesuch und Alphabetisierung sind wichtige Teilbereiche der Entwicklung eines Landes. Je höher der Bildungsstand in der Gesellschaft, um so besser sind einerseits die Möglichkeiten der Bedürfnisbefriedigung (first floor und second floor) und um so höher ist andererseits die Arbeitsproduktivität und damit das Einkommen. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Human Development Index (HDI) HDI wird seit 1990 durch das United Nations Development Programme (UNDP) berechnet Human Development als Prozess der Erweiterung von Wahlmöglichkeiten für Menschen (nach Amartya Sen) HDI besteht aus drei Komponenten 1. Langlebigkeit ➜ Lebenserwartung bei der Geburt 2. Wissen ➜ Alphabetisierungsrate und Schulbesuchsrate 3. Mittel zum Erreichen eines annehmbaren Lebensstandards ➜ Pro-Kopf-Einkommen

jeweils der Wert des besten Landes = 100%, die Werte der anderen Länder in Prozent des besten Landes HDI als Mittelwert der drei Komponenten (gleich gewichtet!), das heißt der HDI liegt zwischen 0 (schlechteste Entwicklung) und 1 (beste Entwicklung)

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Der HDI gemäß UNDP von 2012:

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Probleme bei der Erhebung und Aggregation außerökonomischer Indikatoren: Statistiken über nicht-ökonomische Indikatoren sind in der Regel noch schlechter als diejenigen für ökonomische Daten — die Qualität der Statistiken selbst wäre der beste außerökonomische Entwicklungsindikator Indikatoren werden oft schlicht nach Vorhandensein ausgewählt werden, nicht nach Entwicklungsrelevanz für die Aggregation verschiedener Entwicklungsindikatoren zu einer gemeinsamen Maßzahl braucht es fundiertes Wissen über die Zusammenhänge zwischen den Einzelindikatoren, das in der Regel nicht vorhanden ist für internationale Entwicklungsvergleiche müssten in allen Ländern weitgehend einheitliche Präferenzen in Bezug auf die erfassten Entwicklungsaspekte vorliegen trotzdem: solange keine perfekten außerökonomischen Indikatoren(-systeme) entwickelt sind, bleibt die beste Möglichkeit, Probleme zu kennen Prof. Dr. Susanne Soretz

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2.3 Entwicklungspolitische Ziele Quelle: Hemmer (2002) Kapitel I.B Gemäß der Einteilung der Kriterien für Entwicklung lassen sich wirtschaftliche, soziale und politische Entwicklungsziele unterscheiden. Hier wird es im Folgenden primär um die wirtschaftlichen Entwicklungsziele gehen, da die wirtschaftliche Entwicklung in vielen Bereichen Grundlage für andere Ziele ist wirtschaftliche Entwicklung mit sozialer und politischer Entwicklung in verschiedenen Kriteren stark korrelliert ist die Vorlesung aus ökonomischem Blickwinkel auf Entwicklung schaut Wirtschaftliche Ziele sind vor allem: das Wachstumsziel das Verteilungsziel ➜ auch Armutsreduktion Prof. Dr. Susanne Soretz

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Das Wachstumsziel Wachstumsprozesse im internationalen Vergleich: Die Wachstumsprozesse der Pro-Kopf-Einkommen sind international sehr verschieden. In der zweiten Hälfte des 20. Jh. waren die Länder sehr hohen Wachstums zum größten Teil in Süd-Ost-Asien (bspw. Südkorea 6,6%, Singapur 6,48%, Taiwan 6,01%), während die Länder negativen Wachstums primär Länder Sub-Sahara-Afrikas waren (bspw. Angola -2,51%, Somalia -2,15%, Zaire -1,92%). Dies zeigt die große Bedeutung der regionalen und sozio-kulturellen Ursachen der Wachstumsunterschiede. Über alle Länder ist weder Divergenz noch (absolute) Konvergenz in den Einkommensniveaus messbar. Das heißt, Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen wachsen weder signifikant schneller noch signifikant langsamer als Länder mit geringem Pro-Kopf-Einkommen. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Unterteilt man die Länder in Ländergruppen, so konvergieren die Wachstumsraten innerhalb der Gruppen signifikant (bedingte Konvergenz). Sogenannte Konvergenzclubs sind: die OECD-Länder, die südostasiatischen Schwellenländer, die Entwicklungsländer Nordafrikas und des Nahen Ostens, die LDC Sub-Sahara-Afrikas. Zwischen den Konvergenzclubs findet teilweise Divergenz statt (so Sub-Sahara-Afrika versus OECD oder Sub-Sahara-Afrika versus Süd-Ost-Asien) und teilweise Konvergenz (so Süd-Ost-Asien versus OECD). In Sub-Sahara-Afrika sind sowohl die Pro-Kopf-Einkommen als auch das Einkommenswachstum sehr gering. Aus diesem Grund spricht man von einer Armutsfalle.

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Komponenten des Wachstumsziels: das statische Effizienzziel: Ist die Allokation ineffizient, dann bleibt das Land hinter seinen Produktionsmöglichkeiten zurück. Der Lebensstandard kann durch Steigerung der Effizienz erhöht werden. das dynamische Akkumulationsziel: Für eine langfristige Steigerung der Produktionsmöglichkeiten ist es notwendig, die zur Verfügung stehenden Produktionsfaktoren zu vermehren, insbesondere physisches Kapital, Humankapital und technisches Wissen.

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Statische Effizienz bedeutet, bei gegebener Ausstattung mit Produktionsfaktoren das maximale Pro-Kopf-Einkommen zu erzielen ➩ Pareto-Optimalität 1. Wohlfahrtstheorem: Bei vollständiger Konkurrenz und bei Abwesenheit von Marktversagen sind Martgleichgewichte immer Pareto-effizient.

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Statische Effizienz zu realisieren ist ein wichtiges Ziel für Entwicklungsländer: In Entwicklungsländern werden Produktionsfaktoren oft ineffizient eingesetzt. Der mögliche Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens durch effiziente Allokation wird auf etwa 15% geschätzt. Der mögliche Anstieg des Pro-Kopf-Einkommens durch Beseitigung der Außenhandelsrestriktionen wird auf bis zu 10% geschätzt. Insgesamt besteht ein erhebliches Produktivitätspotenzial, das zur Vergrößerung des verfügbaren Gütervolumens genutzt werden könnte. Maßnahmen zur Effizienzsteigerung in der Produktion sind somit wichtige Instrumente der Entwicklungspolitik: Etablierung einer marktorientierten Wirtschaftsverfassung, Reform der Eigentumsrechte, Liberalisierung der Güter- und Faktormärkte, Reform des Staatssektors etc. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Dynamische Effizienz beschreibt die effiziente Aufteilung der Ressourcen über die Zeit. Das Volkseinkommen lässt sich mit Hilfe der makroökonomischen Produktionsfunktion darstellen: Y = A · F (K , H, L, R)

(1)

Produktionsfaktoren: Kapitalstock K (enthält alle produzierten Produktionsmittel) Humankapital H (an den Menschen gebunden Fähigkeiten) Arbeitseinsatz L natürlichen Ressourcen R und totale Faktorproduktivität A (technisch-organisatorische Rahmenbedingungen sowie technisches Wissen)

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➜ die produzierten Waren und Dienstleistungen konsumiert oder gespart/investiert werden ➜ Investition erhöhen die Bestände der akkumulierbaren Faktoren (physisches Kapital und Humankapital) ➜ durch Akkumulation der Produktionsfaktoren steigt das Produktionspotenzial: dY = dt

(2)

das Wachstum des BIP: ˙ ˆ=Y = Y Y

(3)

ˆ + ηK K ˆ + ηH H ˆ + ηL L ˆ + ηR R ˆ =A Prof. Dr. Susanne Soretz

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(4) 43 / 184

das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens: d ˙ Y Y /N = = N Y /N

(5)

ˆ −N ˆ= =Y

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Möglichkeiten zur Erhöhung des Pro-Kopf-Einkommen: d Y ˆ + ηH H ˆ + (ηL − 1)N ˆ + ηR R ˆ ˆ + ηK K =A N

(6)

Bevölkerungszunahme reduziert c.p. das Pro-Kopf-Einkommen, da ηL < 1. Ressourcenverbrauch kann nicht auf Dauer steigen, sinkender ˆ < 0) senkt das Pro-Kopf-Einkommen. Ressourcenverbrauch (R Kapitalakkumulation und Humankapitalakkumulation (incl. Zunahme des Infrastrukturbestands) sind die treibende Kraft für eine Zunahme des Pro-Kopf-Einkommens. Zunahme der totalen Faktorproduktivität bzw. technischer ˆ ist eine zusätzliche Quelle für steigendes Fortschritt A Pro-Kopf-Einkommen. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Das Verteilungsziel

Das Verteilungsziel ist neben dem Wachstumsziel wichtig, da gerade in Entwicklungsländern die Ungleichheit sehr groß ist und eine Zunahme des Volkseinkommens nicht notwendig auch zu einer Besserstellung der Armen führt bei zu großer Ungleichheit die politische Instabilität zunimmt, was wiederum die Erfüllung des Wachstumsziels erschwert Für die Beurteilung von Armut ist nicht nur die Verteilung des Einkommens relevant, sondern auch die Verteilung des Zugangs zu Dienstleistungen der Gemeinschaft wie Gesundheitseinrichtungen, gesundes Trinkwasser oder öffentliche Infrastruktur.

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Das Toleranzbreitenprinzip: Obergrenze: die Einkommensverteilung darf nicht zu ungleich sein ➜ Verletzung der Gerechtigkeitsvorstellungen Untergrenze: die Einkommensverteilung darf auch nicht zu gleich sein ➜ Anreizproblematik ➜ equity–efficiency–trade-off es ist unmöglich, das „richtige“ Niveau der Ungleichheit festzulegen ➜ Toleranzbreite für die Ungleichheit Bev. in %

Eink. in % Prof. Dr. Susanne Soretz

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sobald eine Verteilung auch nur in Teilbereichen außerhalb der Toleranzbreiten liegt, gilt sie als „ungerecht“ die Toleranzbreiten können auch als zulässige Schwankungsbreiten für den Gini-Koeffizienten angegeben werden, es gelten dann alle Mess- und Aggregtionsschwächen des Gini-Koeffizienten auch hier für Entwicklungsländer ist die Untergrenze der Ungleichheit in der Regel irrelevant Ungleichheit wird mangels Daten meist als Einkommensanteil von Bevölkerungsanteilen gemessen, das Ziel ist dann, den Einkommensanteil zu erhöhen

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Armut: absolute Armut wird nicht automatisch von Verteilungszielen wie dem Toleranzbreitenprinzip erfasst und deshalb gesondert festgestellt so lange absolute Armut in einem Land herrscht, steht die Beseitigung der absoluten Armut meist im Rahmen des Verteilungsziels im Vordergrund

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Zwischenfazit: Entwicklungsökonomische Ziele Wachstum der Einkommen bei möglichst gerechter Verteilung und möglichst geringer Armut ➜ Stärkung der Funktionsfähigkeit der Märkte (statische Effizienz) ➜ Förderung der Investitionstätigkeit, insbesondere auch Humankapitalbildung (dynamische Effizienz) ➜ Reduktion der Einkommensungleichheit und der Armut wichtig dabei sind die spezifischen Strukturprobleme der Entwicklungsländer, bspw.: Funktionsfähigkeit des Kapitalmarktes ist stark eingeschränkt, da die finanzielle Infrastruktur unzureichend ausgebaut ist starke Ungleichheit behindert Humankapitalakkumulation Prof. Dr. Susanne Soretz

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Die Millennium-Entwicklungsziele (bis 2015) der Anteil der 1990 in absoluter Armut lebenden Menschen soll halbiert werden alle Menschen sollen eine Grundschulausbildung erhalten abbau geschlechtsspezifischer Diskriminierung im Bildungsbereich die Kindersterblichkeit soll um 2/3 ihres Wertes von 1990 gesenkt werden die Müttersterblichkeit soll um 3/4 ihres Wertes von 1990 gesenkt werden die Gesundheitssysteme sollen allgemein zugänglich sein nachhaltige Umweltnutzung soll globalen Trend zur Umweltverschlechterung umkehren (festgelegt bei: Weltbildungskonferenz in Jomtien 1990, Weltbevölkerungskonferenz in Kairo 1994, Weltsozialgipfel in Kopenhagen 1995, Weltfrauenkonferenz in Peking/Beijing 1995, u.a.) Prof. Dr. Susanne Soretz

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Zum Hauptziel der Armutsreduktion: Anfang 2012 meldete die Weltbank Erfolg: 1990 waren 43% der Weltbevölkerung absolut arm, 2008 noch 22% (bei 1,25$-Grenze) die Anzahl in absoluter Armut lebender Menschen ist von 1,91 Milliarden in 1990 auf 1,29 Milliarden in 2008 gesunken, aber die Anzahl der Menschen, die zwischen 1,25 und 2$ leben, ist von 648 Millionen auf 1,18 Milliarden gestiegen die Fortschritte wurden fast ausschließlich durch China erreicht, die Situation in Südasien und Sub-Sahara-Afrika hat sich sogar eher verschlechtert in Südasien leben immer noch 570 Millionen Menschen in absoluter Armut, in Sub-Sahara-Afrika ist die Anzahl von 204 Millionen in 1981 auf 386 Millionen in 2008 gestiegen

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Erreichung weiterer Millenniumsziele:

außerdem: Kindersterblichkeit fast auf die Hälfte reduziert große Fortschritte in der Beteiligung von Frauen und Mädchen Prof. Dr. Susanne Soretz

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Agenda für nachhaltige Entwicklung (2015–2030)

keine absolute Armut (< 1,25 US$) mehr, kein Hunger mehr Zugang zu Gesundheitsversorgung und Bildung für alle Menschen Gleichberechtigung von Männern und Frauen Zugang zu sauberem Wasser für alle Menschen Etablierung nachhaltiger Produktionsweisen und nachhaltigen Konsums Zugang zu verlässlicher, umweltschonender Energie für alle beschlossen von den Vereinten Nationen im September 2015

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3 Kapitalmangel Quelle: Hemmer Kap. II.E, Ray Kap. 3.3.3 Die Bedeutung der Kapitalakkumulation für den Entwicklungsprozess ist unbestritten sehr hoch: In Industrieländern ist die Kapitalausstattung pro Kopf etwa drei mal so hoch wie in Entwicklungsländern. die Investitionsquoten der verschieden Länder sind sehr unterschiedlich (Äthiopien oder Gambia ca. 5%, Deutschland knapp 25%) in Entwicklungsländern ist die Investitionsquote in der Regel gering, dadurch bilden Entwicklungsländer nicht genügend physisches Kapital, so dass das Wachstum suboptimal gering ist

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Akkumulation physischen Kapitals ist zentral für das Einkommenswachstum:

Quelle: Bretschger Wachstumstheorie, S. 5 Prof. Dr. Susanne Soretz

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Kapitalbildung erfolgt durch Ersparnis (Kapitalangebot), die im Kapitalmarktgleichgewicht zu Investition wird (Kapitalnachfrage). Das Kapitalangebot erfolgt durch Haushalte, die Ersparnis bilden. Der Anreiz, Ersparnis zu bilden, besteht in der Kapitalverzinsung r > 0. Andererseits werden zukünftige Konsummöglichkeiten geringer geschätzt als heutige (Unsicherheit, Ungeduld): Zeitpräferenzrate ρ > 0. r

K Prof. Dr. Susanne Soretz

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Die Kapitalnachfrage erfolgt durch Unternehmen, die investieren. Unternehmen werden so lange Kapital nachfragen, wie die Rendite der Investitionen höher ist als der Zins r . r

K

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Kapitalmarktgleichgewicht: r

K Überschussnachfrage nach Kapital lässt den Zins steigen Überschussangebot an Kapital lässt den Zins sinken

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Gesamtwirtschaftliche Konsummöglichkeiten: durch Sparen/Investieren können Konsumbündel realisiert werden, bei denen Gegenwartskonsum geringer und Zukunftskonsum höher sind als in der Ausgangssituation das Grenzprodukt des Kapitals nimmt mit steigendem Kapitaleinsatz ab YKK < 0 soziale Indifferenzkurven geben die Präferenzen für Gegenwartsund Zukunftskonsum wieder Zukunftskonsum

Gegenwartskonsum Prof. Dr. Susanne Soretz

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Ursachen für zu geringe Kapitalbildung können sein: das Kapitalangebot betreffend: zu geringe Sparfähigkeit oder Sparbereitschaft die Kapitalnachfrage betreffend: zu geringe Investitionsbereitschaft den Koordinationsprozess betreffend: Kapitalmarktunvollkommenheiten: Transaktionskosten oder Unsicherheit

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Die Bedeutung der Ersparnis (nach Solow) das Pro-Kopf-Einkommen hängt von der Höhe der Kapitalausstattung pro Kopf (= Kapitalintensität) ab: y = f (k)

(7)

die Kapitalintensität wächst, wenn der Kapitalstock in der Ökonomie schneller wächst als die Bevölkerung sy kˆ = = − n (8) k Ersparnis erhöht die Wachstumsrate der Kapitalintensität, Bevölkerungswachstum senkt sie ist die Ersparnis relativ zum Bevölkerungswachstum hoch, dann steigt die Kapitalintensität ist die Ersparnis relativ zum Bevölkerungswachstum gering, dann sinkt die Kapitalintensität Prof. Dr. Susanne Soretz

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k ist die Kapitalintensität gering, dann ist die Ersparnis relativ groß und die Kapitalintensität steigt: sy > nk



k˙ > 0

die Kapitalintensität steigt, bis sie ihren Gleichgewichtswert k ∗ erreicht hat Prof. Dr. Susanne Soretz

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ist die Sparquote gering (kleines s), dann ist die resultierende Kapitalausstattung pro Kopf gering und das zugehörige Pro-Kopf-Einkommen ebenfalls:

k viele Entwicklungsländer weisen sehr geringe Sparquoten auf (beispielsweise Nigeria 0%, Burundi 1%, Äthiopien, Ghana oder Niger 4%) oder sogar negative Sparquoten (bspw. Sierra Leone -2%, Ruanda -1%, Kirgisien -11%) Prof. Dr. Susanne Soretz

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3.1 Sparfähigkeit, Sparbereitschaft und Investitionsbereitschaft Sparquoten und Pro-Kopf-Einkommen sind signifikant positiv korreliert: Länder mit geringem Pro-Kopf-Einkommen weisen in der Regel eine deutlich geringere Sparquote auf. Sparquote 1999 PKE 1999

> 25%

20-25%

15-20%

10-15%

0-10%

< 0%

LIC untere MIC obere MIC HIC

2 6 5 7

4 2 3 13

6 12 6 2

9 5 3 2

19 8 0 0

9 1 1 0

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Sparfähigkeit Grund für die geringe Sparquote von Entwicklungsländern kann die zu geringe Sparfähigkeit sein: Sparen als Konsumverzicht setzt voraus, dass Konsumverzicht möglich ist. Konsumverzicht ist erst möglich, wenn das Einkommen über der Armutsschwelle liegt. tatsächliches Pro-Kopf-Einkommen - Existenzminimum = economic surplus oder investible surplus gespart wird nur aus dem investible surplus während die (marginale) Sparneigung s = dS/dY weitgehend konstant ist, nimmt die (durchschnittliche) Sparquote s¯ mit dem Einkommen zu die Sparfunktion lautet dann S = −S aut + sY mit der autonomen Ersparnis S aut > 0 und der marginalen Sparneigung 0 < s < 1 Prof. Dr. Susanne Soretz

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Sparfunktion und resultierende Sparquote: Ersparnis

y



y

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Resultierende Kapitalakkumulation:

k

ist die Kapitalintensität zu gering, dann ergibt sich eine Abwärtsspirale: das Einkommen ist so gering, dass die Ersparnis nicht ausreicht, um das Bevölkerungswachstums auszugleichen, die Kapitalausstattung pro Kopf sinkt weiter erst wenn die Kapitalintensität den Schwellenwert k˜ übersteigt, kann ein Wachstumsprozess ausgelöst werden, der dann zu der gleichgewichtigen Kapitalausstattung pro Kopf k ∗ konvergiert Prof. Dr. Susanne Soretz

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Sparbereitschaft das Niveau der inländischen Ersparnisbildung ist selbst bei vergleichbarem Pro-Kopf-Einkommen sehr unterschiedlich ➜ neben der unzureichenden Sparfähigkeit muss es noch andere Gründe für Kapitalmangel geben ➜ Analyse der Sparbereitschaft — Determinanten: Bewertung von Gegenwarts- versus Zukunftskonsum: Zeitpräferenzrate, sowie generell Präferenzen gegenüber der Verteilung des Konsums über die Zeit, beeinflusst auch durch die Erwartungen über die Zukunft Einschätzung des realen Zinssatzes (Transformation von Gegenwarts- in Zukunftskonsum), ebenfalls beeinflusst durch die Erwartungen über die Zukunft Erwartungen über die Zukunft sind in Entwicklungsländern sehr viel unsicherer als in Industrieländern Prof. Dr. Susanne Soretz

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Suboptimal hohe Zeitpräferenzrate: Zukunftskonsum

Zins

Kapital

Gegenwartskonsum

unsichere Erwartungen über die Zukunft: wenn die Zukunft sehr unsicher ist, dann wird zukünftiger Konsum mit einer hohen Rate diskontiert ➜ die Zeitpräferenzrate ist dann zu hoch ➜ die Ersparnisbildung ist dann zu gering Ersparnis als meritorisches Gut: wegen des geringen Bildungsstandes kann ebenfalls die Ersparnis zu gering sein Prof. Dr. Susanne Soretz

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Der Demonstrationseffekt: Ersparnisbildung wird auch von der Konsumhöhe anderer Individuen/Nationen beeinflusst: die Konsumneigung steigt im Konsum Anderer insbesondere in Entwicklungsländern, die etwas fortgeschrittener sind, und in denen Massenmedien weit verbreitet sind, spielt Demonstrationseffekt eine bedeutende Rolle Auslandskontakte führen aber auch zu entwicklungsfördernden Anpassungen des Gesellschaftssystems (bspw. Freiheit, Demokratie)

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Investitionsbereitschaft

Um aus der gegebenen Ersparnis produktive Investitionen zu realisieren: müssen produktive Investitionen mit entsprechenden Gewinnerwartungen verbunden sein falls die privaten Gewinnerwartungen nicht der sozialen Produktivität entsprechen, werden lohnende Investitionen nicht durchgeführt darf die Rendite nicht zu unsicher sein

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Divergenz zwischen privater und sozialer Produktivität: Zukunftskonsum

Zins

Kapital

Gegenwartskonsum

positive Kapitalexternalitäten (bspw. Infrastrukturvorhaben) ➜ ein Teil der positiven Erträge fällt nicht dem Investor zu ➜ sozial lohnende Investitionen können privat unrentabel sein wenn die private Risikoeinschätzung pessimistischer ist die soziale (bspw. Misstrauen in die Zuverlässigkeit staatlicher Entwicklungspolitik oder in das gesellschaftliche und politische System, drohende Enteignung) ➜ erwartete private Produktivität bleibt hinter sozialer Produktivität zurück Prof. Dr. Susanne Soretz

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Teufelskreis der unzureichenden Kapitalnachfrage: geringes Pro-Kopf-Einkommen führt zu geringer Güternachfrage die Märkte sind in Entwicklungsländern sehr eng Rationalisierungsinvestitionen sind dann nicht rentabel unzureichende Gewinnerwartungen führen zu geringen Investitionen die Kapitalausstattung bleibt unzureichend die Arbeitsproduktivität ist entsprechend gering die Pro-Kopf-Einkommen bleiben gering Gegenargumente: in großen Ländern kann trotz geringem Pro-Kopf-Einkommen die aggregierte Nachfrage hinreichend groß sein, um Produktivitätssteigerungen der Arbeitsteilung nutzen zu können auch durch internationale Verflechtung können größere Märkte erschlossen werden Prof. Dr. Susanne Soretz

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3.2 Unvollkommenheiten auf dem Kapitalmarkt

Quelle: Hemmer Kap. II.E.III.2.d, Ray Kap. 7.2, 14.3 Kapitalangebot (Ersparnis) und Kapitalnachfrage (Investition) treffen auf dem Kapitalmarkt aufeinander in Entwicklungsländern ist die Funktionsweise des Kapitalmarkts eingeschränkt, weil die finanzielle Infrastruktur nicht hinreichend ausgebaut ist ➜ Transaktionskosten hoch sind die Unsicherheit groß ist und nicht effizient gestreut werden kann ➜ Risikoaufschläge hoch sind

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finanzielle Infrastruktur ➩ Transaktionskosten: finanzielle Infrastruktur besteht insbesondere aus: Bankensystem (Zentralbank, Geschäftsbanken, Genossenschaftsbanken, Entwicklungsbanken, etc.), Versicherungsgesellschaften, Sozialversicherungen, Rentenfonds, etc. je schlechter die finanzielle Infrastruktur, um so höher sind die Transaktionskosten und um so geringer ist die Kapitalakkumulation Unsicherheit über die Höhe der Entlohnung (Kreditausfallrisiko), asymmetrische Verteilung der Informationen: können Informationen über Risiken nicht effizienzt verarbeitet werden, dann steigt der gleichgewichtige Zinssatz bzw. die zu erbringenden Sicherheiten die Kapitalakkumulation sinkt

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Transaktionskosten

Finanzielle Infrastruktur und Transaktionskosten: ➜ Geld und Finanzinstitutionen reduzieren die Transaktionskosten zur Koordination von Kapitalangebot und Kapitalnachfrage erheblich ➜ es müssen nicht mehr gleichartige Interessen bezüglich Volumen und Konditionen der Kreditvergabe aufeinandertreffen

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die Finanzierung von Investitionsprojekten: indirekte Fremdfinanzierung (Bsp.: Kredite, die aus Spareinlagen entstehen) erfordert (i.d.R.) Geld und finanzielle Institutionen ➜ die Eigenschaften der Finanzanlagen werden so umgewandelt, dass die unterschiedlichen Präferenzen von Kapitalanbietern und Kapitalnachfragern ausgeglichen werden ➜ ist in entwickelten Volkswirtschaften am weitesten verbreitet direkte Fremdfinanzierung (Bsp.: Unternehmensbeteiligung) erfordert (i.d.R.) Geld, jedoch keine finanziellen Institutionen nur die Selbstfinanzierung von Investitionen braucht weder Geld noch finanzielle Institutionen, da hier Sparer = Investor (Beispiele: Eigenbau von Häusern, Herstellung landwirtschaftlicher Geräte)

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Kapitalakkumulation bei Transaktionskosten: Zins

Kapital Sparern und Investoren entstehen Transaktionskosten Kapitalangebot verschiebt sich nach oben: der Zins muss zusätzlich die Transaktionskosten decken Kapitalnachfrage verschiebt sich nach unten: außer dem Zins müssen auch die Transaktionskosten aufgebracht werden Investitionsvolumen sinkt eindeutig, der gleichgewichtige Zins kann steigen oder sinken, der Nettozinssatz (abzüglich Transaktionskosten) sinkt eindeutig Prof. Dr. Susanne Soretz

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Die Situation in Entwicklungsländern die finanzielle Infrastruktur in Entwicklungsländern ist in der Regel unzureichend ausgebaut Geschäftsbanken gibt es oft nur in größeren Städten, auf dem Land erscheint wegen des geringen Sparpotenzials ein Aufbau von Finanzinstitutionen nicht als sinnvoll die Transaktionskosten sind entsprechend hoch, auf dem Land oft prohibitiv hoch das Investitionsvolumen bleibt deutlich hinter den Möglichkeiten zurück das Sparpotenzial der Landbevölkerung bleibt weitgehend ungenutzt, so dass die Konsumquote dort suboptimal hoch ist ➜ der Kapitalmarkt ist unvollkommen, seine Funktionsweise stark eingeschränkt ➜ dadurch bleibt die Kapitalakkumulation suboptimal gering Prof. Dr. Susanne Soretz

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Unsicherheit in der Realität werden nicht alle Kredite zurückgezahlt: Pech, Arbeitslosigkeit, Todesfall, aber auch Absicht der Zins steigt dadurch oder es werden Sicherheiten verlangt der Kapitalmarkt ist oft Haushalten mit geringem Vermögen verschlossen dann können arme Haushalte keine Kredit bekommen, selbst wenn sie rentable Investitionsprojekte durchführen würden insgesamt bleibt das Investitionsvolumen dann hinter dem optimalen Niveau zurück wenn die Armutsquote hoch bzw. die Ungleichheit in der Vermögensverteilung sehr groß ist, ist das Problem besonders gravierend

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Rückzahlungsrisiko:

Annahmen: i sei Zinssatz für Kredit, r Opportunitätskosten des Kreditgebers, L die Kredithöhe, p die Rückzahlungswahrscheinlichkeit im Gleichgewicht gilt die Nullgewinnbedingung erwarteter Gewinn des Kreditgebers G = p(1 + i)L − (1 + r )L

(9)

Nullgewinnbedingung ergibt



1+i =

1+r p

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(10) Entwicklungsökonomie WS 2015/2016

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werden alle Kredite zurückgezahlt (p = 1) dann gilt i = r für p < 1 folgt jedoch i > r Beispiel: r = 0, 1, p = 0, 5 ➩ 1+i =

1+r = 2, 2 ➩ p

i = 120%

(11)

Zinssätze reagieren stark auf das Ausfallrisiko

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Sicherheiten und Kreditausfallrisiko: Ausweg aus hohen Zinsen sind Bürgschaften (bspw. Land, Eigenkapitalanteil)

Annahmen: B sei der Wert der Sicherheit falls der Kredit nicht zurückgezahlt werden kann, bleibt die Bürgschaft beim Kreditgeber erwarteter Gewinn des Kreditgebers mit Bürgschaft B G = p(1 + i)L + (1 − p)(1 + r )B − (1 + r )L

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(12)

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Gleichgewicht:

➩1 + i =

1+r p



1 − (1 − p)

B L



(13)

die Bürgschaft reduziert den zu zahlenden Zins i je geringer der Eigenkapitalanteil B/L, um so höher ist der zu zahlende Zins i gerade diejenigen mit sehr geringem Einkommen können keine Bürgschaft erbringen und müssen dann um so höhere Zinsen bezahlen

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Bedeutung des Rechtssystems: Bürgschaften können nur sinnvoll funktionieren, wenn Nichteinhaltung der Verträge sanktioniert wird

Annahmen: BN sei der Wert der Sicherheit für den Kreditnehmer, BG der Wert für den Kreditgeber (Bsp. Land) sei außerdem FN die Sanktion, falls der Kreditnehmer nicht zurückzahlt (Strafe, Verlust aus zukünftig fehlender Kreditmöglichkeit, auch Moral) sei FG die Sanktion, falls der Kreditgeber die Bürgschaft nicht zurück gibt (Gerichtsverfahren)

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Kreditnehmer wird den Kredit zurückzahlen, wenn (1 + i)L < BN + FN Kreditgeber wird Bürgschaft zurückgeben, wenn (1 + i)L > BG − FG solche Verträge werden nur sinnvoll zustande kommen, wenn BG − FG < BN + FN Sanktionen FN und FG sind wichtig, damit Bürgschaften mit gleichem Wert für Kreditgeber und Kreditnehmer verwendet werden können und damit der Wert der Bürgschaft sinken kann in Entwicklungsländern, insbesondere in ländlichen Kreditmärkten ist das Rechtssystem oft nicht ausreichend, um dies zu sichern (Schufa o. ä.)

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Individuelles Risiko und asymmetrische Information:

Annahmen: asymmetrische Information auf dem Kreditmarkt: Kreditnehmer kann das Risiko besser einschätzen als Kreditgeber Kreditnehmer hat immer den Anreiz, sich als gutes Risiko darzustellen, es gilt pg > ps der Anteil der guten Risiken ist q der Gewinn (ohne Bürgschaften) des Kreditgebers beträgt G = qpg (1 + i)L + (1 − q)ps (1 + i)L − (1 + r )L

(14)

Konkurrenz unter den Kreditgebern führt zu G=0 ➩ Prof. Dr. Susanne Soretz

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(1 + i) =

1+r qpg + (1 − q)ps

(15)

Mischgleichgewicht Im Mischgleichgewicht zahlen alle Risiken den gleichen Zinssatz. ➜ der Zinssatz ist umso höher, je kleiner der Anteil der guten Risiken und je geringer die Rückzahlungswahrscheinlichkeiten sind ➜ die guten Risiken zahlen einen höheren Zins als ihrer Rückzahlungswahrscheinlichkeit entspricht

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Adverse Auslese Bei adverser Auslese bleiben nur die schlechten Risiken im Markt. adverse Auslese entsteht, wenn der Zinssatz höher ist als die Rendite der guten Risiken ➜ dann lohnt es sich für sie nicht, einen Kredit nachzufragen Gewinn des Kreditgebers G = ps (1 + i)L − (1 + r )L

➩ 1+i =

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1+r ps

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(16)

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der Zins steigt entsprechend die guten Risiken sind die Verlierer durch adverse Auslese ➜ sozial effiziente Investitionsprojekte werden nicht durchgeführt ➜ gute Risiken sind bestrebt, sich als gute Risiken erkennbar zu machen: hohe Rückzahlungsmoral in der Vergangenheit, hohe Geschäftsmoral anderen Geschäftspartnern gegenüber ➜ Problem, den ersten Kreditvertrag abschließen zu können ➜ Lösungsmöglichkeiten sind zunächst hohe Sicherheiten, zunächst kleinere Kreditvolumina, (kostenintensive) Informationsbeschaffung

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Relevanz asymmetrischer Information für Entwicklungsländer: in sehr wenig entwickelten Ländern überschaubare, dörfliche Strukturen ➜ Information ist allen verfügbar ➜ asymmetrische Information wenig wahrscheinlich ➜ eher die beschränkte Größe des Kreditmarktes problematisch: wenn der einzige potenzielle Kreditgeber in einem anderen Dorf lebt, ist er schwer erreichbar ➜ Transaktionskosten im Transitionsprozess von Entwicklungsländern: der Wirtschaftsprozess läuft anonym ab, aber das Informationssystem ist noch nicht ausgereift ➜ asymmetrische Information problematisch in dieser Phase typischerweise hohe Ungleichheit verschärft das Problem: wer zu arm ist, um zunächst Sicherheiten bieten zu können, wird systematisch vom Kreditmarkt ausgeschlossen ➜ Kapitalakkumulation in Entwicklungsländern ist massiv eingeschränkt ➜ hier setzen Mikrokredite an Prof. Dr. Susanne Soretz

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Abhilfe durch Mikrokredite: Mikrokredite setzen hier an und zielen insbesondere auf die Armen: für sie ist der formelle Kreditmarkt verschlossen und Kredite nur zu sehr hohen Zinsen verfügbar Funktionsweise von Mikrokrediten: es wird ein Folgekredit in Aussicht gestellt ➜ Anreizkompatibilität Gruppenbildung: fünf bis sechs Kreditnehmer erhalten abwechselnd einen Kredit und bürgen füreinander ➜ Informationen aus dem unmittelbaren Umfeld Kundenkontakt: die Mikrobank prüft das Geschäftsmodell des Kreditnehmers gründlich ➜ kostensive Informationsbeschaffung als Entwicklungshilfemaßnahme

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dadurch erzielen viele Mikrofinanzinstitute hohe Rückzahlungsquoten von 95-100% der effektive Jahreszins für solche Mikrokredite ist immer noch hoch, häufig über 20% dies liegt an den hohen Informationskosten und der notwendigen intensiven Beratung, die Mikrokredite verursachen und liegt immer noch weit unter den Zinssätzen informeller Kreditgeber die Vereinten Nationen sehen in der Mikrofinanzierung ein wichtiges Instrument zur Reduktion von Armut, 2005 wurde deshalb zum Jahr der Mikrokredite ausgerufen

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4 Humankapitalmangel Quelle: Maußner/Klump Kap. B.II.3, Ray Kap. 4.2 Definition Humankapital: alle Kenntnisse und Fähigkeiten, die sich ein Mensch angeeignet hat und die folglich an diese Person gebunden sind die Ausstattung mit Humankapital ist in vielen Entwicklungsländern bedeutender Entwicklungsengpass Unterschiede im Humankapital erklären größere Teile der Pro-Kopf-Einkommens-Unterschiede als die divergierende Sachkapitalausstattung die positiven Effekte von Bildung auf die wirtschaftliche Entwicklung werden mit Hilfe des Bildungsertratsratenansatzes oder produktionstheoretischer Regressionsansätze quantifiziert

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Bildungssektoren/Bildungsstufen: primärer Bildungssektor: Erwerb von Kulturtechniken wie Lesen, Rechnen, Schreiben; Dauer 4-9 Jahre sekundärer Bildungssektor: grundlegendes Verständnis der Zusammenhänge in der Natur und in der Gesellschaft; Dauer 3-9 Jahre tertiärer Bildungssektor: Erwerb elementarer praktischer Fertigkeiten als Grundlage für eine produktive Tätigkeit; Dauer 2-5 Jahre

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Der Bildungsertragsratenansatz: private Bildungsertragsraten geben den privaten Nettonutzen von Bildung an: späterer Mehrverdienst im Verhältnis zu heutigem Bildungsaufwand soziale Bildungsertragsraten ermitteln den gesamtwirtschaftlichen Ertrag der Bildung im Verhältnis zu den gesamtwirtschaftlichen Kosten soziale Erträge der Bildung sind höher als private: Produktivität hängt nicht nur von der eigenen Bildung ab, sondern auch von der Bildung der im Umfeld Beschäftigten ➜ positive externe Effekte in der Humankapitalakkumulation ➜ auf freien Märkten entsteht zu wenig Humankapital soziale Kosten sind immer dann höher als private Kosten, wenn die Bildungskosten nicht vollständig über Gebühren (Schulgeld, Studiengebühren) gedeckt werden zusätzlich sprechen Gerechtigkeitsvorstellungen für eine staatliche Finanzierung der Bildung Prof. Dr. Susanne Soretz

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Produktionstheoretische Regressionsansätze: Regressionsansätze bestimmen den Beitrag der Humankapitalbildung zum Wachstum: Y = AF (K , H, L) ➩

c Y ˆ + ηK K ˆ + ηH H ˆ + (ηL − 1)N ˆ =A N

(17) (18)

mit physischem Kapital K , Humankapital H und Arbeitszeit L Länderquerschnittsregressionen: signifikant positiver Zusammenhang zwischen Bildung und Wachstum ärmere Länder: Produktionselastizität des Humankapitals ist höher als in reichen Ländern (abnehmende Grenzproduktivität); Produktionselastizität der primären Bildung besonders hoch bei durchschnittlichem individuellen Bildungsniveau von 2-3 Jahren wirkt Bildung noch nicht positiv auf die Entwicklung Alphabetisierungsrate muss mindestens 20-40% sein, um anhaltendes Wachstum zu erreichen Prof. Dr. Susanne Soretz

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Humankapital und Entwicklung Darstellung geht zurück auf Mankiw/Romer/Weil 1992

Annahmen: Die Produktionsfunktion lautet Y = K α H β Lγ mit α + β + γ = 1. Das Einkommen pro Kopf (bei L = N) ist dann y=

Y = L

= k α hβ (19)

Die Sparquoten für physisches Kapital sK und Humankapital sH sind exogen und konstant. Die Bevölkerungswachstumsrate n ist konstant.

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Kapitalintensität entwickelt sich gemäß kˆ =

=

sK y − n (20) k

=

sH y − n (21) h

Humankapital pro Kopf wächst gemäß ˆ= h und es gilt ˆ kˆ ≷ h





sK k ≷ (22) sH h

ergo ist (k/h)∗ = sK /sH ein stabiles Gleichgewicht Prof. Dr. Susanne Soretz

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Sei die gleichgewichtige Relation (k/h)∗ = sK /sH bereits erreicht, dann gilt k=

(23)

y=

(24)

sH y =

(25)

h ➜ je höher die Sparquote für Humankapital, um so größer ist das gleichgewichtige Pro-Kopf-Einkommen Prof. Dr. Susanne Soretz

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102 / 184

für eine mit dem Einkommen korrelierte Humankapital-Sparquote kann eine Armutsfalle resultieren (siehe Kapitalakkumulation)

h

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Konstante Skalenerträge in Kapital und Humankapital für die Realität ist durchaus plausibel, dass α + β = 1 das heißt y = k α h1−α

(26)

➜ bei einer gleichmäßigen Ausweitung von Kapital und Humankapital nehmen die Grenzprodukte nicht ab:

∂y = yh = ∂h ➩ yh (λ k, λ h) =

(27) = yh (k, h)

(28)

die Entwicklung der Kapitalintensität und der Humankapitalintensität folgt dann immer noch sK y −n kˆ = k

ˆ = sH y − n und h h

(29)

so dass (k/h)∗ = sK /sH ein stabiles Gleichgewicht ist. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Daraus folgt für Pro-Kopf-Einkommen und Ersparnis y=

(30)

sH y =

(31)

h ➜ Kapitalintensität und Humankapitalintensität wachsen dauerhaft mit konstanter Rate Prof. Dr. Susanne Soretz

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Die gleichgewichtige Wachstumsrate ist ˆ = kˆ = h

(32)

und somit wächst auch das Pro-Kopf-Einkommen mit dieser Rate: yˆ =

= kˆ = sKα sH1−α − n

(33)

Ergebnisse: Gibt es konstante Skalenertrage in Kapital und Humankapital, dann wirkt sich die Humankapital-Investitionsquote sH sogar auf die gleichgewichtige Wachstumsrate des Einkommens aus. Eine Ökonomie wird dann um so schneller wachsen, je größer die Sparquote in Humankapital ist.

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Gründe für mangelnde Humankapitalakkumulation Angebotsseitige Gründe: Quantitativ unzureichendes Angebot an Bildungseinrichtungen: Vor allem in ländlichen Gebieten (insbesondere in Sub-Sahara-Afrika) ist der Umfang an Bildungseinrichtungen zu gering. Oft wollen Eltern ihre Kinder zur Schule schicken (in die Bildung ihrer Kinder investieren), es gibt jedoch keine Schulen, keine Lehrer oder keine Unterrichtsmaterialien. Qualitativ unzureichendes Angebot an Bildungseinrichtungen: Die Ausbildungsqualität weist oft ein für den gesamtwirtschaftlichen Entwicklungsprozess unbefriedigendes Niveau auf: Lehrkräfte sind so gering bezahlt, dass sie umfangreiche zusätzliche Tätigkeiten ausüben müssen, die die Qualität des Unterrichts reduzieren; Klassen sind meist überfüllt.

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Nachfrageseitige Gründe: In absoluter Armut lebende Menschen haben meist nicht die erforderlichen Mittel, um für Ihre Ernährung und Gesundheit sorgen zu können. Dadurch ist ihre Lern- und Leistungsfähigkeit so weit eingeschränkt, dass es ihnen nicht möglich ist, erfolgreich am Bildungsprozess teilzunehmen. Durch Mangelernährung und krankheitsbedingte Fehlzeiten steigen die (teilweise extrem hohen) Abbruch- und Wiederholungsquoten im Schulsystem vieler Entwicklungsländer, so dass die vorhandenen Plätze für zusätzliche Nachfrager blockiert bleiben. Leben Familien in absoluter Armut, müssen Kinder oft arbeiten, statt die Schule besuchen zu können. Dann können die Familien der Armutsfalle nicht entkommen. Bei sehr großer Einkommensungleichheit kann Resignation verhindern, dass die ärmsten Familien Bildungsmöglichkeiten nutzen. Empirisch sind insbesondere Frauen betroffen, die ihre Bildungschancen deutlich weniger wahrnehmen. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Auswirkungen von Massenerkrankungen: (Tuberkulose, Malaria u. a.) Krankheiten verstärken Armut und begünstigen so die weitere Verbreitung von Krankheiten. Kinder kranker Familienangehöriger müssen deren Arbeitskraft ersetzen; Waisen müssen selbst für ihren Lebensunterhalt sorgen. Der Schulbesuch wird unmöglich. Der Staat muss die knappen Mittel verstärkt im Gesundheitssektor einsetzen und dafür das Bildungsangebot reduzieren.

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5 Technisches Wissen Quelle: Ray Kap. 4.4-4.5, Hemmer Kap. II.E.IV

k, h das Pro-Kopf-Einkommen kann erhöht werden durch größeren Faktoreinsatz (Faktorakkumulation: Kapital und Humankapital) Steigerung der Produktivität Prof. Dr. Susanne Soretz

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die totale Faktorproduktivität A in Y = AF (K , H, L, R) erfasst den Stand des technischen Wissens die Organisationsstruktur der Volkswirtschaft ➜ die meisten Entwicklungsländer weisen eine deutlich geringere totale Faktorproduktivität A auf als die Industrieländer

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Der Stand des technischen Wissens: Technisches Wissen ist im Gegensatz zu Humankapital personenungebunden, liegt beispielsweise in Form von Büchern oder Patenten vor. Technisches Wissen ist ein öffentliches Gut: Nichtrivalität in der Nutzung: Wissen kann von verschiedenen Wirtschaftssubjekten gleichzeitig ohne Einschränkungen genutzt werden. Ausschließbarkeit kann nur durch Patentregelungen herbeigeführt werden. ➜ Ohne Patentregelungen besteht kein Anreiz zur Investition in technisches Wissen.

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Technisches Wissen trägt wesentlich zum Wachstumsprozess bei: Horizontale Innovationen erhöhen die Produktvielfalt: durch spezialisierte Kapitalgüter steigt die Produktivität. Vertikale Innovation verbessert die Qualität der Produkte und ersetzt obsolete Zwischenprodukte durch neue höherer Qualität, so dass die Produktivität steigt. In Entwicklungsländern wird weniger technisches Wissen generiert, da: weniger Humankapital vorhanden ist weniger physisches Kapital vorhanden ist der F&E-Sektor kleiner ist, so dass weniger technisches Wissen gebildet werden kann

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Empirische Messung des Wachstums der totalen Faktorproduktivität: Die empirische Ermittlung folgt dem Zusammenhang [ ˆ + ηK K ˆ + ηH H ˆ + ηL L ˆ + ηR R ˆ −N ˆ Y /N = A

(34)

Die Wachstumsraten der Produktionsfaktoren sind empirisch messbar, ebenso die zugehörigen Produktionselastizitäten. Derjenige Teil des Wachstums des Pro-Kopf-Einkommens, der über das durch das Wachstum der Produktionsfaktoren zu erklärende Maß hinausgeht, ist Wachstum der totalen Faktorproduktivität. Schwierigkeiten: Korrekte Ermittlung aller Produktionsfaktoren, insbesondere Humankapital, auch Ressourcen, auch Differenzierung der Arbeit nach Qualifikation ➜ insbesondere schwierig bei sehr langfristigen Untersuchungen Prof. Dr. Susanne Soretz

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Technischer Fortschritt und Entwicklung

k das Pro-Kopf-Einkommen steigt unmittelbar dadurch steigt auch die Ersparnis die Kapital- und Humankapitalakkumulation steigt das gleichgewichtige Einkommen steigt bis zum neuen Gleichgewicht Prof. Dr. Susanne Soretz

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Technisches Wissen und Humankapital Bildung des technischen Wissen: technisches Wissen A(t) wird vorwiegend durch den Einsatz von Humankapital vermehrt d = a(1 − u)H(t) A(t)

(35)

wobei u der Anteil des Humankapitals ist, das für die Güterproduktion eingesetzt wird: Y (t) = A(t)K (t)α (uH(t))1−α

(36)

➜ Pro-Kopf-Einkommen: y=

Y = L

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= Ak α (uh)1−α (37) Entwicklungsökonomie WS 2015/2016

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die Höhe des gleichgewichtigen Pro-Kopf-Einkommens hängt dann zusätzlich von der Akkumulation technischen Wissens A(t) ab: je höher u (der in der Produktion verwendete Anteil des Humankapits), um so höher c. p. das Pro-Kopf-Einkommen je höher u, um so langsamer wächst das technische Wissen dieser trade-off bestimmt die optimale Aufteilung des Humankapitals auf die Verwendungen die tatsächliche Aufteilung des Humankapitals wird durch die Entlohnung des Humankapitals in den verschiedenen Verwendungen bestimmt: in der Güterproduktion wird Humankapital über den Reallohn bezahlt in Forschung und Entwicklung wird Humankapital über Lizenzgebühren aus Patenten entlohnt, das heißt immer nur, wenn es mindestens vorübergehend Monopolmacht über technisches Wissen gibt

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➜ wenn technisches Wissen (sofort) frei verfügbar ist, ist der Anreiz zu F&E zu gering, das Pro-Kopf-Einkommen wächst dann zu langsam in Entwicklungsländern ist das Rechtssystem hinsichtlich Patentschutz oft weniger gut ausgebaut, der Anreiz zu F&E mithin geringer

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Technisches Wissen und Kapitalakkumulation Neben dem Einsatz an Humankapital hängt die Akkumulation technischen Wissens auch vom aggregierten Kapitalbestand ab (learning by doing): ➜ im Zuge der Güterproduktion entstehen Innovationen als Nebenprodukt (bspw. Verbesserungen des Produktionsablaufs), insbesondere durch den Einsatz von physischem Kapital

Bildung technischen Wissens durch Kapitalakkumulation: technisches Wissen A(t) entsteht durch den Einsatz von physischem Kapital in der Güterproduktion: A(t) = aK (t)β

(38)

mit dem aggregierten Kapitalbestand K Prof. Dr. Susanne Soretz

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Die Rentabilität einer individuellen Investition in physisches Kapital ist dann y = Ak α (uh)1−α



∂y = ∂k

A = aK β



∂y = ∂k

= α aLβ k α +β −1 (uh)1−α

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(39)

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Könnten sich alle Investoren darauf verlassen, dass alle anderen Investoren auch investieren werden, so würden sie den Anstieg des aggregierten Kapitals antizipieren und die Rentabilität des individuellen Kapitals wäre dann y = aK (t)β k(t)α (uh(t))1−α =



∂y = ∂k = (α + β )aLβ k α +β −1 (uh)1−α

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die erwartete Rendite ist mithin größer, wenn der Investor mit ähnlichem Verhalten der anderen Investoren rechnet. rechnet er hingegen damit, dass andere Investoren nicht investieren werden, ist die erwartete Rendite geringer. daraus können selbstverstärkende Prozesse resultieren, die sich zu Lasten der Investitionen in Entwicklungsländern auswirken: je geringer die erwarteten Investitionen, um so geringer die erwartete Rendite und damit die tatsächlichen Investitionen.

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Anpassungswachstum die Niveaus der totalen Faktorproduktivität sind sehr verschieden, sie sind in Entwicklungsländern wesentlich geringer als in Industrieländern das höchste Niveau des technischen Wissens der Welt nennt man Welttechnologiegrenze aufgrund der fehlenden Rivalität in der Nutzung von technischem Wissen, kann in Industrieländern bereits vorhandens Wissen in Entwicklungsländern genutzt werden, ohne von diesen neu erfunden werden zu müssen die Übernahme von technischem Wissen bis hin zu Welttechnologiegrenze bezeichnet man als Anpassungswachstum allerdings ist für Anpassungswachstum eine korrespondierende Kapital- und Humankapitalakkumulation zwingende Voraussetzung, um die Etablierung neuer Technologien zu ermöglichen Prof. Dr. Susanne Soretz

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Beispiel Ostasien: 1965-1990 wuchsen die ostasiatischen Länder besonders schnell. Kapital- und Humankapitalakkumulation waren in dieser Periode besonders stark, aber auch der technische Fortschritt. zur Erinnerung: [ ˆ + ηK K ˆ + ηH H ˆ + (ηL − 1)N ˆ + ηR R ˆ Y /N = A etwa 2/3 des beobachteten Wachstums können auf Kapital- und Humankapitalakkumulation zurückgeführt werden, das verbleibende 1/3 resultiert aus Wachstum der totalen Faktorproduktivität werden veränderte Arbeitsmarktbedingungen (steigendes Arbeitspotenzial, bessere Ausbildung) einbezogen, dann fällt der Einfluss der totalen Faktorproduktivität allerdings geringer aus

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6 Nachhaltige Umweltnutzung

Quelle: Hemmer Kap. I.B.V Empirischer Befund: In vielen Entwicklungsländern zeigen sich Trinkwasserverknappung Entwaldung, Savannenbildung Degradation von Anbauflächen, Desertifikation Verringerung der Artenvielfalt Entsorgungsprobleme (Abwasser, Fäkalien, Müll, atomarer Abfall)

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statische Effizienzproblematik: Umwelt wird übernutzt, es werden beispielsweise zu viele Schadstoffe in Flüsse eingeleitet Marktversagen wegen externer Effekte: Märkte können hier nicht zu einer effizienten Koordination führen, es besteht umweltpolitischer Eingriffsbedarf (Abgaben, Auflagen o. ä.) dynamische Effizienzproblematik: Nachhaltigkeit Ressourcen, die heute verbraucht wurden, können in der Zukunft nicht mehr genutzt werden ➜ Produktion heutiger Generationen schränkt die Produktionsmöglichkeiten zukünftiger Generationen ein ➜ Frage der Nachaltigkeit Ressourcenfluch: Manche besonders reich mit Ressourcen ausgestattete Länder weisen einen besonders geringen Entwicklungsstand auf Prof. Dr. Susanne Soretz

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Die Environmental Kuznets-Curve Umweltverschmutzung

Pro-Kopf-Einkommen

zunächst steigt die Umweltverschmutzung mit steigendem Einkommen, später sinkt sie wieder gilt primär bei sichtbaren, flüchtigen Umweltschadstoffen keine automatische Reaktion, es bedarf des mit zunehmendem Pro-Kopf-Einkommen in der Regel einhergehenden Wertewandels, der sich in entsprechenden umweltpolitischen Rahmenbedingungen niederschlägt Prof. Dr. Susanne Soretz

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Nachhaltigkeit Was ist Nachhaltigkeit? Popularität geht auf Brundtland–Komission (1987) zurück: „Sustainable Development is development that meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs.“ Konkretisierungen des Konzepts uneinheitlich Schwache Nachhaltigkeit ist erfüllt, wenn der Ressourcenverbrauch durch Faktorakkumulation so ausgeglichen wird, dass das Produktionspotenzial erhalten bleibt, das heißt das zukünftige Einkommen mindestens so hoch ist wie das gegenwärtige Einkommen. Das heißt, dass in einem Land mindestens so viel in physisches Kapital und in Humankapital investiert werden muss, dass trotz des Ressourcenverbrauchs der Gesamtwert des produktiven Vermögens nicht abnimmt. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Ist nachhaltiges Wachstum möglich? contra: Nachhaltiges Wachstum ist ein Widerspruch in sich, da Wachstum mit Ressourcenverbrauch verbunden ist. Dadurch haben nachfolgende Generationen nicht mehr den gleichen Zugriff auf die Ressourcen wie heutige Generationen. pro: Wachstum in Entwicklungsländern ist sogar nötig, da nur mit Hilfe von Wachstum die armutsbedingte Umweltzerstörung reduziert werden kann. Wachstum in Industrieländern ist nötig, um ausreichend Nachfrage nach Produkten der Entwicklungsländer sicher zu stellen. Die empirische Beurteilung der Nachhaltigkeit von Entwicklungspfaden steckt noch in den Kinderschuhen: Probleme entstehen vor allem bei der Bewertung des Naturkapitals und der Erfassung der relevanten Umweltverschmutzungsarten.

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Spezifische Probleme in Entwicklungsländern: Ressourcen werden von privaten Unternehmen nachhaltig abgebaut, wenn die privaten Unternehmen über alle relevanten Informationen verfügen, wenn sie langfristig agieren und wenn keine Externalitäten vorliegen, Beispiel: Edelmetallabbau je instabiler die politische Situation, um so unwahrscheinlicher ist langfristige Gewinnmaximierung von kurzfristig optimierenden Regierungen hingegen wird effizienter Ressourcenabbau in der Regel nicht erreicht in den meisten Ländern in Sub-Sahara-Afrika, in Nord-Afrika und im Nahen Osten ist die Kapital- und Humankapitalakkumulation deutlich langsamer als der Ressourcenabbau ➜ die Wachstumsprozesse sind nicht nachhaltig in den Ländern Südostasiens übersteigt die Akkumulation den Ressourcenabbau zum Teil deutlich, Gründe: Industrialisierung und Humankapitalakkumulation Prof. Dr. Susanne Soretz

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Der Ressourcenfluch Quelle: van der Ploeg 2010

k bessere Ressourcenausstattung ➜ höhere Produktion wenn Ressourcen exportiert werden, ist ebenfalls das Einkommen höher: dann ist Einkommen = Produktionsmenge + Exporterlöse es kann mehr gespart werden das gleichgewichtige Einkommen ist höher Prof. Dr. Susanne Soretz

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Empirische Befunde: viele Länder realisieren hohe Pro-Kopf-Einkommen nahezu ohne Ressourcenausstattung: z. B. Singapur, Schweiz, Luxemburg, Japan andere Länder haben sehr geringe Pro-Kopf-Einkommen, obwohl sie reich mit Ressourcen ausgestattet sind: z. B. Iran, Venezuela, Libyen, Kuweit sind ölexportierende Länder, die in den letzten Jahrzehnten negatives Wachstum erlebt haben, genauso die OPEC als Ganzes

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Extrembeispiel Nigeria: zwischen 1965 und 2000 verzehnfachten sich die Pro-Kopf-Ölverkäufe, das Pro-Kopf-Einkommen ist seit 1960 nicht spürbar gestiegen, fast 70% der Bevölkerung leben unter der Armutsgrenze (1$). Es gibt aber auch Erfolgsbeispiele: Botswana erzielt 40% seines BIP aus Diamantenverkäufen und realisiert seit 1965 die weltweit höchsten Wachstumsraten, Norwegen ist hoch entwickelt, obwohl es der drittgrößte Ölexporteur der Welt ist (nach Saudi-Arabien und Russland).

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Mögliche Gründe für den Ressourcenfluch: Dutch disease (Holländische Krankheit): Nach großen Ölfunden in den Niederlanden (1970er) schrumpfte dort der Industriesektor, was auch zu einem Rückgang des Wachstums führte. Anstieg in Ressourcenausstattung führt zu Expansion des ressourcenreichen Sektors und Schrumpfen des Industriesektors. Wenn der Industriesektor außerdem der Wachstumsmotor des Landes ist (technischer Fortschritt), sinkt das Wachstum. siehe technischer Fortschritt: A(t) = AKIndustrie(t)β

(41)

Produktivität wächst langsamer ➜ Einkommen wächst langsamer

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Institutionen: Ressourcenreichtum verschlechtert die Qualität der Institutionen: er ermöglicht Regierungen, politische Gegner zu beschwichtigen, die Verantwortung für Missstände zu verdecken und Modernisierungen zu verhindern Machtzuwachs der Mittelschicht wird erschwert und wachstumsfördernde Politiken verhindert gute Qualität der Institutionen bewirkt, dass Ressourcenreichtum die Wohlfahrt erhöht (US, Canada, Norwegen) Staatsform: Je weniger demokratisch ein Staat organisiert ist und je korrupter das politische System, um so eher werden die politisch Mächtigen die Rente aus dem Ressourcenreichtum privatisieren.

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Hohe Volatilität der Ressourcenpreise: Preiselastizität des Ressourcenangebots ist gering (geringe Grenzkosten und kurzfristige Gewinnmaximierung), so dass Nachfrageschwankungen oder neue Ressourcenfunde starke Preisschwankungen auslösen. Mit wenig ausgeprägten Finanzinstitutionen folgt unmittelbar große makroökonomische Volatilität, die das Wachstum hemmt. p

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Bewaffnete Konflikte: bewaffnete Konflikte werden wahrscheinlicher, je höher der Anteil der Ressourcenverkäufe am BIP ist (es gibt mehr zu gewinnen) und unwahrscheinlicher, je höher der Anteil des Industriesektors am BIP ist (es gibt mehr zu verlieren) bewaffnete Konflikte reduzieren das Wachstum, da sie das Risiko von Investitionen erhöhen und den Kapitalstock zerstören politische Instabilität steigt, dadurch sinkt der Planungshorizont, die Ressourcenabbauraten steigen

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7 Ungleichheit und Armut Quelle: Ray Kap. 7, Kap. 13.4 das Pro-Kopf-Einkommen suggeriert vollkommene Gleichverteilung: diese Gütermenge hätte jeder, wenn das BIP gleichmäßig aufgeteilt wäre gerade wenn das Pro-Kopf-Einkommen gering ist, können bei Ungleichheit große Bevölkerungsgruppen ihre Grundbedürfnisse nicht befriedigen Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen geht oft mit zunächst steigender Ungleichheit einher ➜ dann kann sogar trotz Wachstum der Anteil derer, die ihre Grundbedürfnisse nicht befiedigen können, steigen

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Überblick: Zusammenhänge Wachstum und Ungleichheit Verteilung von Kapital und Humankapital bestimmt die Einkommensverteilung Einkommensverteilung bestimmt Akkumulationsmöglichkeiten und damit die zukünftige Vermögensverteilung wachsendes Volkseinkommen erhöht in der Regel die Handlungsfreiheit des Staates für redistributive Maßnahmen bei unvollkommenen (Kapital-)Märkten haben nicht alle Individuen den gleichen Zugang zu Produktionsfaktoren bzw. zu Akkumulationsmöglichkeiten (Schulbildung, Mikrokredite) ➜ das reduziert die Möglichkeiten zur Faktorakkumulation und die Produktivität Fortschritt/Entwicklung begünstigt oft zunächst wenige Sektoren ➜ steigende Ungleichheit über steigende Nachfrage auch nach den anderen Gütern wird Wachstum in die anderen Sektoren übertragen Prof. Dr. Susanne Soretz

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Nobelpreis 1971 an Simon Kuznets

Simon Kuznets erhielt 1971 den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften „for his empirically founded interpretation of economic growth which has led to new and deepened insight into the economic and social structure and process of development“ Simon entwickelte Möglichkeiten, sich empirisch mit den Phänomenen Wachstum und Konjunktur zu beschäftigen, beispielsweise das Konzept des Bruttosozialprodukts

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Die Kuznets-Kurve: Ungleichheit

Pro-Kopf-Einkommen Kuznets benutzte als Maß für Ungleichheit das Verhältnis der Einkommensanteile der reichsten 20% und der ärmsten 60% der Bevölkerung von Wachstum scheinen zunächst nur bestimmte Gruppen zu profitieren, die anderen Gruppen holen erst später auf zentrale Frage: ist die gleiche Entwicklung der Pro-Kopf-Einkommen auch bei weniger Ungleichheit zu erzielen? Prof. Dr. Susanne Soretz

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Empirie der Kuznets-Kurve: v. a. in den 70er Jahren konnte U-Kurve weitgehend bestätigt werden die Lage des Gipfelpunkts variiert erheblich zwischen den Ländern, liegt im arithmetischen Mittel bei 750 US-$ in Preisen von 1965 in den 60er Jahren hat sich die Ungleichheit in den asiatischen Ländern reduziert, während sie in den lateinamerikanischen Entwicklungsländern weiter zugenommen hat — obwohl das lateinamerikanische Pro-Kopf-Einkommen in dem Zeitraum höher war wenn der fallende Ast der U-Kurve erst in der sehr langen Frist (nach Datenlage deutlich mehr als 10-15 Jahre) einsetzt, kann eine ganze Generation zu den Verlierern des Wachstumsprozesses zählen ➜ growth without development

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andere empirische Ergebnisse: insbesondere in jüngerer Zeit konnte die Kuznets-Kurve oft nicht bestätigt werden jüngere Untersuchungen: Veränderungs- statt Niveauanalyse: Wirtschaftswachstum erhöht den Einkommensanteil des ärmsten Bevölkerungsquintils etwa 1:1, d. h. die Armen profitieren i.d.R. von Wachstum ➜ trickle-down-Effekt (Dollar/Kraay 2000) Alesina/Perotti (1996) u. a. zeigen, dass eine Reduktion der Einkommensungleichheit wachstumsfördernd wirkt, insbesondere wenn die anfängliche Ungleichheit groß war. Bei anfänglich geringer Ungleichheit ist der gegenteilige Effekt zu sehen ➜ equity-efficiency-trade-off Barro (2000) zeigt, dass der Effekt von der Einkommenshöhe abhängt: in ärmeren Ländern wirkt größere Einkommensungleichheit wachstumsmindernd, in reicheren Ländern wachstumsfördernd. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Entwicklung ➜ steigende Ungleichheit: Hirshman’s Tunnel einfaches Beispiel: Gesellschaft bestehe nur aus 5 Individuen im Agrarsektor bekommt jedes Individuum 100, im Industriesektor 200 zunächst arbeiten alle 5 Individuen im Agrarsektor, es herrscht vollkommene Gleichheit Entwicklung findet statt, indem die Individuen sukzessive in den Industriesektor wechseln die Einkommensverteilung wird dabei zunächst ungleicher wenn alle Individuen im Industriesektor arbeiten, ist die Verteilung wieder vollkommen gleich ➜ Entwicklung ist oft inhärent ungleichheitsfördernd ➜ und: Entwicklung kann von allen als positiv wahrgenommen werden, selbst von denjenigen, die nicht sofort davon profitieren, wenn sie aber erwarten, dass sie bald auch profitieren werden Prof. Dr. Susanne Soretz

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Entwicklung ➜ sinkende Ungleichheit: zunächst steigt das Einkommen nur in einigen, bspw. den vom technischen Fortschritt begünstigten, Sektoren die besser gestellten Wirtschaftssubjekte steigern ihre Nachfrage auch nach Gütern der anderen Sektoren ➜ das Wachstum wird in alle Sektoren getragen ➜ die Ungleichheit nimmt ab

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Ungleichheit ➜ geringere Kapitalakkumulation: die Kapitalmärkte in Entwicklungsländern sind in der Regel unvollkommen: starke Unsicherheit, schlechte institutionelle Rahmenbedingung (Schufa etc., s.o.) ➜ untere Einkommensgruppen haben keinen Zugang zu Krediten ➜ rentable Investitionsprojekte werden nicht durchgeführt ➜ die Kapitalakkumulation bleibt suboptimal gering größere Ungleichheit ➜ größere Bevölkerungsgruppen verfügen nicht über das für Bürgschaften nötige Vermögen ➜ um so geringer sind Produktivität und Kapitalakkumulation ➜ um so geringer sind die Wachstumschancen

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Ungleichheit ➜ geringere Humankapitalakkumulation Kredite für Investitionen in Humankapital (Schulgeld) sind noch schlechter möglich es ist noch schwerer, von außen die Rentabilität der Investition zu beurteilen: wird ein Schulabschluss erreicht werden und anschließend ein Einkommen erzielt werden, das die Rückzahlung ermöglicht? das Humankapital, das mit Hilfe des Kredits gebildet wurde, kann selbst nicht zur Kreditrückzahlung herangezogen werden, ausschließlich das damit erzielte Einkommen Kredite für Humankapitalinvestitionen sind schon in Industrieländern wenig zu beobachten, in Entwicklungsländern können sie auf keinen Fall in ausreichendem Maß vergeben werden Ungleichheit ist ein großes Hemmnis für ausreichende Humankapitalakkumulation ➜ das Problem ist noch gravierender als das der Kapitalakkumulation Prof. Dr. Susanne Soretz

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Zwischenfazit: Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen führt nicht automatisch zu mehr Gleichheit Wachstum der Pro-Kopf-Einkommen führt nicht einmal automatisch dazu, dass alle Einkommensgruppen profitieren wegen Kapitalmarktunvollkommenheiten kann Ungleichheit persistent sein und außerdem das Wachstum bremsen ➜ Umverteilung ist wichtig

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Probleme der Umverteilung

oft sind die Wohlhabenden politisch mächtig, so dass wenig Anstrengungen zur Umverteilung unternommen werden Umverteilung kann jedoch das Wachstum verlangsamen, wenn die Sparquote der Mittelschicht höher ist als die der Armen und der Reichen zur Umverteilung nicht das Vermögen herangezogen werden kann, sondern nur die Investitionen bzw. die Erträge der Investitionen

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Unterschiede in der Sparquote die sehr Armen haben ein sehr geringe (oder negative) Sparquote, weil sie keinen investible surplus haben die Mittelschicht hat eine höhere Sparquote, weil sie über einen investible surplus verfügen und bestrebt sind, ihre Lebensumstände sowie die ihrer Kinder zu verbessern die Reichen haben eine geringere Sparquote als die Mittelschicht, weil sie einen Anreiz haben, das Konsumniveau der Industrieländer nachzuahmen (jedes reiche Individuum spart mehr als jedes der Mittelschicht, aber die Sparquote ist kleiner)

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Ersparnis



y y Umverteilung von den Reichen zur Mittelschicht erhöht die Ersparnis und damit das Wachstum Umverteilung von der Mittelschicht zu den Armen senkt die Ersparnis und damit das Wachstum Umverteilung kann unerwartete Wachstumswirkungen auslösen auf Umverteilung kann deswegen nicht verzichtet werden, aber die Zusammenhänge sind komplex Prof. Dr. Susanne Soretz

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Umverteilung von Investitionserträgen: häufig ist die direkte Umverteilung von Vermögen nicht möglich: Vermögenshöhen sind den Finanzbehörden oft unbekannt direkte Umverteilung von Vermögen bedeutet Enteignung

für Umverteilung werden dann Vermögenserträge besteuert r

Zukunftskonsum

K

Gegenwartskonsum

➜ Nettoerträge aus Investitionen sinken ➜ Kapitalakkumulation sinkt Prof. Dr. Susanne Soretz

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Armut Armut verhindert die Teilnahme am Produktionsprozess und damit auch an der Einkommenserzielung und der Vermögensakkumulation bspw.: Mangelernährung wegen Armut ➜ Arbeitspotenzial gering ➜ Einkommen gering ➜ Mangelernährung ➜ . . . Einkommen ist Grundlage für Ernährung und Gesundheit, aber Ernährung und Gesundheit sind auch Grundlage für Arbeitspotenzial und damit Einkommen Argument des Teufelskreises der Armut (weil eine untere Einkommensschwelle nicht aus eigener Kraft überschritten werden kann) ist übertragbar auf viele andere Bereiche, insbesondere auch auf Schulbildung

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Arbeitspotenzial und Einkommen Arb.pot.

Einkommen vereinfachende Annahme: Einkommen wird vollständig für Ernährung ausgegeben bei sehr wenig Nahrung ist das Arbeitspotenzial nahe null sobald der Grundumsatz gedeckt ist, steigt das Arbeitspotenzial schnell an Anstieg wird bei besserer Ernährung langsamer, weil eine obere Schranke nicht (durch Ernährung) überschritten werden kann Prof. Dr. Susanne Soretz

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154 / 184

Lohnsatz und Einkommen: Arb.pot.

Einkommen wenn Stücklohn je geleisteter Arbeitseinheit gezahlt wird, ist das Einkommen linear im Arbeitspotenzial Beispiel: Entlohnung je geernteter Menge Tee o.ä. je höher der Stücklohn, um so steiler die Gerade

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155 / 184

Armutsfalle bei zu geringem Lohnsatz: Arb.pot.

Einkommen ist der Lohn hoch genug, wird eine hohes Einkommen gewählt, das durch ein hohes Arbeitspotenzial möglich ist ist der Lohn geringer, sinken Einkommen und Arbeitspotenzial ist der Lohn zu gering, dann sinken Einkommen und Arbeitspotenzial sprunghaft Prof. Dr. Susanne Soretz

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Aufteilung des Haushaltseinkommens: Arb.pot.

Einkommen wenn das halbe Einkommen kleiner ist als das Einkommen des Wendepunkts, entsteht bei hälftiger Aufteilung weniger Gesamteinkommen dann ist das Haushaltseinkommen größer, wenn nur einer alles bekommt Realität: Frau und Töchter bekommen deutlich geringere Ernährung als Mann und Söhne Prof. Dr. Susanne Soretz

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individuelles und aggregiertes Arbeitsangebot: w

w

ind. A.angebot

aggr. A.angebot

˜ ist das Arbeitsangebot sehr unterhalb des kritischen Lohns w gering darüber steigt es an

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Arbeitslosigkeit im Arbeitsmarktgleichgewicht: w

w

Arbeit

Arbeit

ist die Arbeitsnachfrage hinreichend hoch, ergibt sich ein Gleichgewicht im steigenden Ast des Arbeitsangebots ist die Arbeitsnachfrage zu gering, dann ist der Schnittpunkt in der Sprungstelle ˜ gezahlt, aber ein Teil des Arbeitsangebots dann wird der Lohn w wird nicht nachgefragt ➜ Arbeitslosigkeit Prof. Dr. Susanne Soretz

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7 Bevölkerungswachstum Quelle: Ray Kapitel 9.3 und 9.4 Bevölkerungswachstum ist ein relativ neues Phänomen, ähnlich wie Einkommenswachstum. Im Entwicklungsprozess sinken normalerweise erst die Sterblichkeitsraten, bevor die Geburtsraten abnehmen ➜ demographischer Übergang Höheres Bevölkerungswachstum senkt das Pro-Kopf-Einkommen im langfristigen Gleichgewicht, da höhere Investitionen nötig sind, um die entsprechende Kapitalausstattung pro Kopf aufrecht zu erhalten. Andererseits kann bei größerer Bevölkerung auch die Rate des technischen Fortschritts höher sein.

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Negativer Zusammenhang zwischen Pro-Kopf-Einkommen und Geburtenraten:

Quelle: Weil 2013, Kap. 5 Prof. Dr. Susanne Soretz

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Entwicklung der Geburtenraten in Entwicklungsländern:

Bevölkerungswachstum ist Wachstum der Geburtenraten abzüglich Wachstum der Sterblichkeitsraten: Nt+1 = Nt + Gt − St = N − Nt = ➩ nt = t+1 Nt Prof. Dr. Susanne Soretz

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= Nt (1 + gt − st ) (42) 162 / 184

Der demographische Übergang Typische Entwicklung des Bevölkerungswachstums: 1. Phase der demographischen Entwicklung: Geburts- und Sterberaten sind hoch 2. Phase der demographischen Entwicklung: (in Europa ab etwa 1700) Agrarproduktion steigt ➜ mehr Nahrung Fortschritt in Hygiene und Medizin ➜ Sterblichkeitsraten nehmen ab, Geburtenraten bleiben jedoch zunächst hoch ➜ hohes Bevölkerungswachstum 3. Phase der demographischen Entwicklung (in Europa ab etwa 1900) Ökonomische Entwicklung ist weit genug fortgeschritten, dass auch Geburtenraten sinken ➜ Bevölkerungswachstum sinkt, üblicher Wert in entwickelten Ländern ist etwa 0,7%. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Geburten-, Sterbe- und Bevölkerungswachstumsraten: %

t Diese Entwicklung nennt man demographischen Übergang. Fast alle europäischen und nordamerikanischen Regionen haben diese Entwicklung genommen. Auch Entwicklungsländer folgen dem demographischen Übergang, jedoch zum Teil in kürzerer Zeit. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Internationaler Vergleich:

Weltbevölkerung (Mio.) Europa (%) Nordamerika (%) Ozeanien (%) Südamerika (%) Afrika (%) Asien (%)

1650 545 18,3 0,2 0,4 2,2 18,3 60,6

1933 2.057 25,2 6,7 0,5 6,1 7,0 54,5

1995 5.716 12,7 8,4 0,5 8,4 12,8 60,5

2010 6.892 10,7 7,8 0,5 5,7 15,0 60,3

Entwicklungsländer erleben den demographischen Übergang später als Europa und Nordamerika ➜ sie wachsen jedoch nicht überproportional!

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Gründe für die verzögerte Reaktion der Geburtenrate: Sinkende Sterberaten sind teilweise begründet durch höhere Aufnahmefähigkeit der Erde (bspw. Produktivitätsanstieg im Agrarsektor), dann folgt daraus nicht zwingend ein Sinken der Geburtenraten. In der ersten Phase des demographischen Übergangs ist das Durchschnittsalter gering. Sinken in der gesamten Bevölkerung die Sterberaten (bspw. durch verbesserte Hygiene), dann bleiben die Geburtenraten zunächst hoch und sinken erst mit dem Altern der Bevölkerung. Geringere Sterberaten müssen erst durch mehr überlebende Kinder spürbar werden, bevor die Geburtenzahlen zurückgehen. Dies kann Verzögerungen um eine Generation bewirken.

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Ergebnisse zum demographischen Übergang: Durch die zeitlich verzögerte Reaktion der Geburten- auf die Sterberaten wächst die Bevölkerung vorübergehend schneller. Nach Abschluss der dritten Phase des demographischen Übergangs ist die Bevölkerungswachstumsrate in der Regel bei etwa 0,7%. Die meisten Entwicklungsländer befinden sich am Anfang der dritten Phase, die Bevölkerungswachstumsraten sind noch hoch. Der Anteil der Weltbevölkerung in Entwicklungsländern ist aber nicht höher als vor dem demographischen Übergang in Europa und Nordamerika, das Bevölkerungswachstum ist also nicht in den Entwicklungsländern überproportional hoch. Jedoch ist der demographische Übergang in den Entwicklungsländern schneller: Antibiotika und Düngemittel müssen nicht erfunden, sondern „nur“ eingeführt werden.

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Bevölkerungswachstum und Entwicklung

durch Bevölkerungswachstum ist auch das Arbeitspotenzial größer, es kann ein höheres BIP erzeugt werden, das muss aber auch auf eine größere Bevölkerung aufgeteilt werden ➜ das Pro-Kopf-Einkommen hängt von der Kapital- (und Humankapital-)ausstattung pro Kopf ab bei höherem Bevölkerungswachstum ist in der Regel die Sparquote geringer in einer größeren Bevölkerung entstehen mehr Ideen und Erfindungen, der technische Fortschritt ist dann größer

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Bevölkerungswachstum und Pro-Kopf-Einkommen: Ceteris paribus ist das Wachstum des Pro-Kopf-Einkommens um so geringer, je größer das Bevölkerungswachstum ist: Y = AF (K , H, L, R) d Y ➩ N

=

ˆ + ηK K ˆ + ηH H ˆ − (1 − ηL)N ˆ + ηR R ˆ =A

(43)

➜ Der positive Effekt des größeren Arbeitspotenzials wird immer dominiert von dem negativen Effekt der größeren Bevölkerungsgröße.

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k Größeres Bevölkerungswachstum erfordert schnellere Kapitalakkumulation, um eine bestimmte Kapitalintensität aufrecht zu erhalten. ➜ Einkommen bzw. Ersparnis bei k0∗ reicht nicht aus, um Kapitalintensität bei höherem Bevölkerungswachstum n1 aufrecht zu erhalten ➜ Kapitalintensität sinkt auf k1∗ ➜ Pro-Kopf-Einkommen sinkt auf y1∗ Prof. Dr. Susanne Soretz

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Bevölkerungswachstum, Sparquote und Kapitalakkumulation

k Höheres Bevölkerungswachstum führt zu jüngerer Bevölkerung und erhöht die Abhängigkeitsrate in den Familien. Dadurch sinkt in der Regel die Sparquote. ➜ Gleichgewichtige Kapitalintensität und Pro-Kopf-Einkommen sinken weiter. Prof. Dr. Susanne Soretz

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Bevölkerungswachstum und technischer Fortschritt:

k Technischer Fortschritt bedeutet größere Produktionsmenge bei gleichen Inputmengen. Höheres Bevölkerungswachstum erhöhte die Wachstumsrate des technischen Fortschritts: mehr Ideen und Erfindungen. ➜ Steigerung von Kapitalintensität und Pro-Kopf-Einkommen dämpft die Auswirkungen des höheren Bevölkerungswachstums. Prof. Dr. Susanne Soretz

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8 Außenhandel Quelle: Ray Kap. 16, 17; Hemmer Kap. II.F.2; van den Berg Kap. 9.2 Entwicklungsländer können wie alle anderen Länder auch von Außenhandel profitieren: Außenhandel erhöht die Produktivität und damit das Wachstum Entwicklungsländer profitieren aber weniger von Außenhandel als Industrieländer: Entwicklungsländer spezialisieren sich auf Agrargüter, deren Preise deutlich volatiler sind bei Einkommenswachstum werden relativ immer weniger Agrargüter nachgefragt, die von Entwicklungsländern exportiert werden herrschen Größenvorteile in der Produktion, sind Entwicklungsländer wegen geringerer Produktionsmengen nicht wettbewerbsfähig ➜ Schutzzölle

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Produktions- und Konsumstruktur ohne Außenhandel: Agr.

Ind. die erreichbare Wohlfahrt ist maximal, wenn ein Tangentialpunkt von Transformationskurve und sozialer Indifferenzkurve realisiert wird startend von einem Schnittpunkt zwischen Transformationskurve und sozialer Indifferenzkurve kann die Wohlfahrt durch Änderung der Produktionsstruktur noch erhöht werden Prof. Dr. Susanne Soretz

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Aufnahme von Außenhandel: Agr.

Ind. Produktionspunkt und Konsumpunkt fallen auseinander, die Lücke wird durch Exporte und Importe geschlossen durch Außenhandel entsteht ein Wohlfahrtsgewinn

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Akkumulationseffekte des Außenhandels: Einkommen steigt ➜ auch die Ersparnis kann steigen Außenhandel steigert oft auch die Effizienz der Binnensektoren Außenhandel fördert Kontakt zu ausländischen Unternehmen ➜ technologische Entwicklungen werden leichter übernommen ➜ mit der gleichen Menge an Produktionsfaktoren kann mehr realer Output produziert werden ➜ Produktivitätszuwachs ➜ Produktionsfunktion und Sparfunktion verlagern sich nach oben

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k ➜ über WF-Gewinn hinaus noch Wachstumsimpuls ➜ Einkommen steigt sofort mit Außenhandel und weiter durch Kapitalakkumulation

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da der Preis für Industriegüter durch Außenhandel geringer wird, sind auch Investitionen günstiger: geringere Kosten für Investitionen entsprechen weiter unten verlaufender nk-Gerade

k ➜ Kapitalakkumulation ist dann leichter möglich ➜ Wachstumsimpuls auf Kapitalintensität und Pro-Kopf-Einkommen Prof. Dr. Susanne Soretz

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Offene Länder wachsen tatsächlich deutlich schneller:

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aber: Spezialisierung auf den arbeitsintensiven Sektor ➜ hemmt Akkumulation und Anpassungswachstum Agr.

Agr.

Ind. Ind. die Kapitalintensität in Entwicklungsländern ist viel geringer als in Industrieländern die geringere Humankapitalausstattung führt zu einer geringeren Produktivität im Industriesektor ➜ bei einheitlichem Güterpreisverhältnis auf den Weltgütermärkten werden Entwicklungsländer sich auf die Produktion von Agrargütern spezialisieren Prof. Dr. Susanne Soretz

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Technischer Fortschritt begünstigt den Industriesektor: Agr.

Agr.

Ind.

Ind.

Produktivitätsgewinne durch technischen Fortschritt finden vorwiegend im Industriesektor statt auf Agrargüter spezialisierte Entwicklungsländer profitieren davon weniger als Industrieländer durch Außenhandel sind Entwicklungsländer noch stärker auf Agrargüter spezialisiert und erleben deswegen geringeren technischen Fortschritt Prof. Dr. Susanne Soretz

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Agrargüter sind inferiore Güter: Prebisch-Singer-These Agr.

Ind. Einkommensanstieg (in Industrieländern) steigert die Nachfrage nach Agrargütern nur unterproportional die Weltmarktpreise der Agrargüter sinken relativ zu den Industriegüterpreisen Wohlfahrt der Entwicklungsländer sinkt (aber wäre noch kleiner, wenn sie keinen Außenhandel betreiben würden) Prof. Dr. Susanne Soretz

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relative Agrargüterpreise:

relative Agrargüterpreise sinken im Zeitablauf erheblich Agrargüterpreise sind erheblich volatiler als andere Güterpreise

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Schutzzölle: gibt es Größenvorteile in der Industrieproduktion, dann kann das Entwicklungsland erst ab einer bestimmten Größe des Industriesektors wettbewerbsfähig produzieren sogenannte Schutzzölle sollen erreichen, dass der Industriesektor wachsen kann Schutzzölle gehen allerdings mit Wohlfahrtsverlusten einher (Einschränkung des Außenhandels) Schutzzölle reduzieren den Anreiz zu effizienter Produktion Vor- und Nachteile müssen abgewogen werden

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