2012. Magazin für Operational Excellence und Best Practice Sharing

05/2012 YOKOTEN Magazin für Operational Excellence und Best Practice Sharing Salzgitter Flachstahl GmbH: Feuer und Flamme für TPM Lean & TPM hautnah...
Author: Liane Wolf
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05/2012

YOKOTEN Magazin für Operational Excellence und Best Practice Sharing

Salzgitter Flachstahl GmbH: Feuer und Flamme für TPM Lean & TPM hautnah: Die Dinge steuern mit Kanban Stadtreinigung Zürich: Gerätepark tipptopp mit Kaizen 1

Herzlich Willkommen Liebe Leserinnen und Leser, die Sommerpause neigt sich dem Ende zu. Wir hoffen, dass Sie Gelegenheit hatten, Ihre Akkus neu aufzuladen und sich nun wieder mit Elan und Begeisterung der kontinuierlichen Verbesserung zuwenden können. In dieser Ausgabe von Yokoten stellen wir Ihnen das Referenzmodell für Operational Excellence, eine Weiterentwicklung des klassischen TPM-Hauses, vor. In den künftigen Ausgaben werden wir in einer Serie die einzelnen Säulen beleuchten. TPM ist nicht nur in der klassischen Produktion hilfreich. Auch Einsatzorte mit hohen Temperaturen können durch TPM optimiert werden, wie das Beispiel der Salzgitter Flachstahl GmbH zeigt. Und die Stadtreinigung Zürich bringt mit TPM ihren Fuhrpark auf Vordermann, um so noch besser für Sauberkeit in der Stadt zu sorgen. Ein Schwerpunktthema dieser Ausgabe ist Kanban, das aus Sicht von Experten beleuchtet wird. Unser Pflänzchen, das Yokoten-Magazin, wächst und gedeiht. Die Zahl der Abonnenten steigt kontinuierlich. Und wir freuen uns über das starke Interesse von Unternehmen, die ihre Erfolge mit unseren Lesern teilen - ganz im Sinne von Yokoten, was ja bedeutet „Teilen der besten Beispiele“. Viel Freude beim Lesen wünscht Ihnen Ihr

Prof. Dr. Constantin May Herausgeber Yokoten

TPM-/Lean-Begriffe unter der Lupe Der japanische Begriff Poka Yoke steht für die Vermeidung von versehentlichen Fehlern. Die Idee, die Entstehung solcher Fehler schon während des Arbeitsprozesses zu verhindern, wurde entwickelt von dem japanischen Ingenieur Shigeo Shingo, der an der Entwicklung des Toyota Produktionssystems beteiligt war. Der Ursprung für das Poka-Yoke-System lag in der statistischen Qualitätskontrolle. Shingo stellte fest: „Fehler entstehen in der Arbeitsphase, und Kontrollen können nichts anderes bewirken, als die Fehler zu finden.“ Hier einige Beispiele wie mit Poka Yoke Fehler vermieden werden:

Lean-/TPM-Begriffe unter der Lupe:

Poka Yoke

Prüfmethoden verhindern, dass notwendige Arbeitsschritte übersprungen werden. Mögliche Fehlerquellen werden beseitigt. Formcodierungen bei Steckverbindungen verhindern die falsche Montage. „Pick by Light“ beugt Fehlern beim Kommissionieren vor. Bei komplexen Produkten muss jedes Bauteil vor dem Einbau per Barcode- oder RFID-Scan freigegeben werden. Zählvorrichtungen bei Akkuschraubern gewährleisten, dass in einem Arbeitsvorgang alle Schrauben befestigt wurden. Foto Titelseite: Salzgitter Flachstahl GmbH

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Operational Excellence Vom TPM-Haus zum Referenzmodell für Operational Excellence Was ist eigentlich das TPM-Haus? Es erscheint in unterschiedlichen Größen und Ausführungen. Unternehmen passen das TPM-Haus individuell auf ihre Gegebenheiten an. Das klassische TPM-Haus wurde im Laufe der Jahre immer weiter entwickelt und besteht derzeit aus acht Säulen. Daraus entstand das Referenzmodell für Operational Excellence, das neben den Säulen die Basis, Methoden und Zielsetzungen umfasst. Die acht TPM-Säulen bilden die zentralen Bausteine des Operational Excellence Referenz-Modells. Sie dienen als Strukturrahmen für die vielfältigen Aktivitäten, die beim Streben nach Operational Excellence zu entfalten sind. Im Einzelnen sind dies:

Anteilseigner- bzw. Inhaberzufriedenheit sowie verantwortungsvolles Handeln gegenüber der Umwelt und der Gesellschaft. Zur Erreichung dieser Ziele bedarf es einer ganzheitlichen Betrachtungsweise und einer nachhaltigen Vorgehensweise.

1. Zielgerichtete, kontinuierliche Verbesserung 2. Autonome Instandhaltung 3. Geplante Instandhaltung 4. Kompetenzmanagement 5. Anlaufmanagement 6. Qualitätserhaltung 7. TPM in administrativen Bereichen 8. Arbeitssicherheit, Umwelt- und Gesundheitsschutz

Übergeordnete Perspektive

Innerhalb dieser Bausteine ist es hilfreich, den Grad der Zielerreichung mit jeweils zwei bis drei Kennzahlen zu verfolgen. Die sechs Zielkategorien sind im Dach des Hauses als PQCDSM dargestellt. Die Buchstaben stehen im einzelen für: Produktivität (P), Qualität (Q), Kosten (C steht für „Cost“), Lieferservice (D steht für„Delivery“), Sicherheit, Gesundheitsschutz und Umwelt (S) und Motivation (M). Übergeordnete Ziele, sogenannte Meta-Ziele, sind Kundenzufriedenheit, Mitarbeiterzufriedenheit,

Operational Excellence bildet ein übergeordnetes System um sämtliche Verluste und Verschwendungen zu erkennen und zu vermeiden, wie z.B. Unfälle, Ausfälle und Störungen jeglicher Art. Basis dazu ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, der alle Unternehmensbereiche, also z.B. auch Entwicklung, Vertrieb und Verwaltung umfasst. Dazu bedarf es einer funktionsübergreifenden, interdisziplinären Teamarbeit. Operational Excellence mobilisiert das gesamte Wissen und Können aller Mitarbeiter und erfordert das umfassende Engagement aller Betroffenen und Beteiligten. Besonders wichtig ist die volle Hingabe, das Vorleben und die Unterstützung der Führungskräfte auf allen Ebenen. In den folgenden Ausgaben von Yokoten stellen wir die einzelnen Säulen und Methoden des Referenzmodells für Operational Excellence vor.

Abb. 1: Die acht Bausteine von TPM im Operational Excellence Reference Modell

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Produktionssysteme ...

Six Sigma Lean Management

Basis:

5S, N

ull 5W, P

Verpflichtung des Managements, Hoshin Kanri, Genba Kanri Eigenverantwortung aller Mitarbeiter, funktionsübergreifende Teamarbeit, Standardisierung, Visualisierung, ...

SMED PM-A , VSM, nalys e

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atrin Franke und Barbara Ölschleger berichten Interessantes, Wissenswertes und Hilfreiches aus der TPM- und Lean-Szene. Beide sind Japanund TPS (Toyota Production System)-Expertinnen. Durch ihre langjährige Praxiserfahrung als Übersetzerinnen und Beraterinnen rund um die japanische Managementphilo­s ophie Kaizen (www.tpm-ag.biz) haben sie viele interessante Geschichten und Informationen parat.

Lean & TPM hautnah

Prozesse im Griff durch Kanban-Steuerung

Die TPM-AG: Barbara Ölschleger und Katrin Franke

Siegeszug einer kleinen Karte von Katrin Franke Japan in den späten Vierzigern des vergangenen Jahrhunderts: In den USA arbeiteten in Fords Vorzeigewerk „Ford Highland Park“ schier endlose Reihen von Pressen und spuckten immense Mengen von Karosserieteilen aus. Zeitgleich begannen in Japan Eiji Toyoda und sein Mitstreiter Taiichi Ohno mit einem halben Dutzend Pressen eine schlanke Fließproduktion aufzubauen, die heute noch Vorbildcharakter hat. Geschuldet war dies äußeren Zwängen: Als Verlierermacht nach dem Krieg, bei Materialknappheit in einem rohstoffarmen Land wettbewerbsfähige Automobile herzustellen – was für eine Vision! Die Notwendigkeit, mit Material sehr sparsam umzugehen und über die gesamte Prozesskette Bestand zu vermeiden und deshalb nicht zu früh zu ordern, führte zur flächendeckenden Einführung der „Kanban“. Wörtlich mit Schild oder Tafel übersetzbar, stammte dieser Begriff aus dem japanischen Alltag und war bereits den Mitarbeitern der Toyoda-Webstuhlfabrik,

Aus dem (TPM-)Leben

An einer Maschine, bei der die Anzahl der Werker von drei auf zwei reduziert werden sollte, traten durch die mangelhafte Qualität des verwendeten Materials immer wieder Stillstände und Kurzstörungen auf. Dadurch war es unmöglich, für diese Maschine eine standardisierte Arbeit zu definieren. Scherzhafter Kommentar des japanischen Beraters: Sollen wir die Kurzstillstände standardisieren?

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Foto: www.weigang.de

aus der später Toyota Motors Corp. entstand, vertraut. Wie viele Teile müssen von wo nach wo und vor allem wann genau transportiert werden? Wann muss ich meine Maschine umrüsten? Zu welchem Zeitpunkt fange ich mit der Produktion an? Was hat der Nachfolgeprozess wirklich verbraucht? Ist der Produktionsprozess ins Stocken geraten? Vieles lässt sich von einem Kanban ablesen, ohne dass es besonderer Ausbildung bedarf. Inzwischen hat das Kanban seinen Siegeszug angetreten und sich sogar in den Fremdsprachen als Begriff „Kanban“ behauptet. „Kanban-Karte“ ist übrigens eine Dopplung, die sich bei uns als selbsterklärender Begriff eingebürgert hat.

Kanban heißt: Pull statt Push Taiichi Ohno arbeitete besonders intensiv an den Kanban-Abläufen. Er hatte bekanntermaßen ein besonderes Auge darauf, dass in allen Prozessen nach Pull-Prinzip nur dann Material geliefert wird, wenn eine Kanban-Karte den Bedarf anzeigte. Eine Geschichte dazu erzählt Chihiro Nakao, ein Mitstreiter Ohnos, der viele Jahre als Berater international tätig war: Als Taiichi Ohno eines Tages einen Mitarbeiter beobachtete, der nachlässig einen Behälter Material ohne Kanban vom vorgelagerten Prozess abgriff, donnerte er: „Wer bist Du und wo kommst Du her? Wie kommst Du dazu, zu glauben, Du hättest irgendein Recht, dieses Material hier anzufordern? Zeig mir Deine Kanban!“ Eine Kanban-Karte, so wird auch heute noch bei Toyota gelehrt, ist ein geldwertes Papier und als solches zu behandeln. Ich habe sogar Kanban-Karten gesehen, auf denen der Wert der damit abrufbaren Teile vermerkt war.

Kanban-Demokratie In japanischen Quellen wie auch bei John Shook stößt man auf den von Ohno geprägten Begriff der Kanban-Demokratie, den er wie folgt erklärt: Egal

Kanban wem von all diesen unterschiedlichen Menschen ich den Auftrag erteile, er produziert nur, was auf dieser Kanban-Karte steht. Die Kanban-Karte sagt uns, wie viel von einem Teil zum jetzigen Zeitpunkt verbraucht wird… Nur, was auf der Kanban-Karte steht, ist Realität. Das ist Kanban-Demokratie. Die Kanban-Demokratie muss eingehalten werden. Der Begriff Kanban-Demokratie impliziert jedoch, dass eine Reaktion (Diskussion) auf der Basis dieser Kritik durchaus im Sinne des Kritikers ist (s. auch J.Shook „Toyota Shiki A3 Purosesu de shijikaikaku“ , Nikkan Kougyou Shinbunsha 2010 oder „Managing to Learn“ engl. Ausgabe). Nachdem die Anwendung der Kanban, bedingt durch Produktvielfalt, zahlreiche vorgeschaltete Prozesse und Lieferanten, immer komplexer wurde, schrieb Taiichi Ohno das Kanban-System 1978 für Schulungszwecke fest. „ Das Kanban ist das „Just“ in „Just-In-Time“ schreibt er. Eine Geschichte, die ich selbst in einem Werk der Toyota-Gruppe erlebt habe, hätte Ohno sicherlich zufrieden schmunzeln lassen: In diesem Werk gab es eine ältere Dame, die mit einem Einkaufswagen die Kanban-Karten aus der Montage einsammelte. Man nannte sie nur die „Kanban-Oma“. Sie hatte die Aufgabe, diese Kanban-Karten zum „Kanban-Tower“ (Steuerungsbüro) zu bringen. Die Dame nahm ihre Aufgabe sehr ernst. Sie hielt auf die Minute genau an den Kanban-Briefkästen. Ein „junger Spund“, der seine Karten leicht verschmutzt und mit umgeknickten Ecken noch schnell in den Briefkasten warf, musste die Karten nach einer ausgiebigen Schimpfkanonade der „Kanban-Oma“ wieder entnehmen, putzen und dann persönlich zum „Kanban-Tower“ bringen. Verantwortung, Sorgfalt und Achtsamkeit sind Erfolgsfaktoren für das Kanban-System ebenso wie für alle Verbesserungsmethoden.

Kanban in der Praxis von Barbara Ölschleger Man nehme ein Stück Papier, schreibe notwendige Informationen wie Stückzahl, Artikelnummer etc. darauf, füge einen ordentlichen Schuss Disziplin hinzu und lasse diesen Zettel zwischen Prozessen oder Zulieferern kreisen ... und bekommt so eines der effektivsten und effizientesten bestandsorientierten Steuerungssysteme: Kanban. Dass es nicht ganz so einfach ist, musste schon Taiichi Ohno bei der Einführung dieses Systems bei Toyota vor mehr als 60 Jahren erkennen. Den anfänglichen Widerstand – sowohl im eigenen Werk als auch bei den Zulieferern – konnte er nur durch den Nachweis des Nutzens brechen. Kanban erlebt in der westlichen Welt seit einigen Jahren einen neuen Boom. Und es lohnt sich, einen Blick auf diese einfache, aber wirksame Steuerungsmethode zu werfen. Bei der einfachsten Form werden auf einer Karte die notwendigen Informationen eingetragen. Dazu gehören Benennung des Teils, Artikelnummer, Barcode, Teile pro Behälter, Anzahl der im Umlauf befindlichen Kanbans, Behältertyp, mit dem die Teile transportiert werden, sowie Bezeichnung der Prozesse, zwischen denen die Kanban hin- und her gehen und Stellplatz des Behälters. Zu empfehlen ist auch eine Abbildung des Bauteils oder die Angabe der Farbe des Artikels. Grundsätzlich werden bei Toyota zwei Hauptgruppen von Karten unterschieden: Die Produktions-Kanban, mit der die Produktion angestoßen wird, und die Beschaffungs-Kanban, mit der eine Bestellung (bei einem Zulieferer oder dem vorgelagerten Prozess) ausgelöst wird.

Wußten Sie schon…

Kanban-Regal mit One-Point-Lessons zur Anwendung

…dass der erste betriebliche Verbesserungsvorschlag 1898 in den USA bei Eastman Kodak eingebracht wurde? Die Idee, die Fenster zu putzen, und damit einen helleren Arbeitsplatz zu gestalten, wurde damals mit 2 US Dollar prämiert. In Japan tauchten die ersten Verbesserungsvorschläge 1905 bei Kanebo auf. Seinen durchschlagenden Erfolg erzielte das Betriebliche Vorschlagwesen jedoch erst nach dem zweiten Weltkrieg. Der Unterschied zwischen japanischen und westlichen Verbesserungsvorschlägen liegt vor allem darin, dass japanische eher auf die Verbesserung des eigenen Arbeitsplatzes gerichtet sind und westliche den Kostenfaktor stärker betonen.

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Kanban - mehr als nur Karten Im Laufe der Zeit entstanden die Signal-Kanban für eine oft wiederkehrende Produktion in Losgrößen und die Transport-Kanban. Neben der Art der Kanban gibt es für die Form selber einige Varianten: Waren es anfangs wirklich nur Karten, so sind es heute oft Behälter, die als Kanban bezeichnet werden. Und mit dem Fortschritt elektronischer Systeme gibt es inzwischen eKanbans. Hier wird der Materialfluss hauptsächlich mit Barcodes und elektronischen Nachrichten gesteuert und auf den Einsatz von physischen Mitteln weitgehend verzichtet. Es stehen auch Apps für iPad und Co. zur Verfügung, um Kanbans mit diesen mobilen Geräten zu verwalten und zu bearbeiten.

Kanban versus IT Hat Kanban als Instrument aus den Anfängen der modernen Produktion überhaupt eine Chance gegen hochkomplexe MRP- oder ERP-Systeme wie sie heute weit verbreitet sind? Es spricht einiges dafür. Die verwendeten Informationen werden nahe am Gemba (Ort des Geschehens) erfasst, verarbeitet und eingesetzt. Es kommt dadurch zu einer Dezentralisierung, die für Transparenz und geringere Störanfälligkeit sorgt. Experten diskutieren häufig darüber, ob Kanban bei hoher Variantenvielfalt und hohen Schwankungen in der Produktion eingesetzt werden kann. Toyota zum Besipiel steuert Exoten, Normteile, Teile mit hoher Änderungsfrequenz und Großteile (Sequenzsteuerung) nicht mit Kanban. Die Annahme, Kanban sei nicht geeignet bei großen Schwankungen, sollte man näher betrachten. Das bedeutet nämlich, dass Schwankungen nicht als Verschwendung erkannt und abgebaut werden. Dabei liegt gerade hier die Chance, durch den Einsatz von Kanban Verschwendung zu eliminieren:

Kanban-Steuertafel in einem Montagebereich. Direkt an Gemba herrscht Transparenz für alle.

Voraussetzung für einen gut funktionierenden Kanban-Kreislauf sind durch die Produktionsplanung geglättete Prozesse (Heijunka). Meist ist die Einführung eines Kanbansystems an das Bestreben, Bestände zu reduzieren, gekoppelt. Um dieses Ziel zu erreichen, sollten folgende Regeln beachtet werden: 1. Es wird nur vom vorgelagerten Prozess nachbestellt, was tatsächlich verbraucht wurde. 2. Der vorgelagerte Prozess produziert nur die durch die Kanban entnommenen Teile in der Reihenfolge wie diese entnommen wurden. 3. Ohne Kanban wird weder produziert noch transportiert. 4. Die Kanbaneinheit (Karte, Behälter ...) wird tatsächlich bewegt. 5. Ausschuss wird nicht an den Nachfolgeprozess weitergeleitet. 6. Die Anzahl der Kanbaneinheiten wird ständig reduziert.

Büromateriallager im CETPM-Lehrbüro: Mit Kanban werden hohe Bestände vermieden und rechtzeitiger Nachschub gesichert.

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Besonders der letzte Punkt wird oft übersehen. Es existieren zahlreiche Formeln und EDV-Programme, um die Anzahl der notwendigen Karten bei der Einführung von Kanban zu berechnen. Bei vielen dieser Formeln ist von Sicherheitsbeständen (Umlaufbeständen) zwischen den Produktionsprozessen die Rede. Bezeichnend ist, dass solche Umlaufbestände (Work in Process, WiP) in Japan nur als letztes Mittel eingesetzt werden, um Schwankungen aufzufangen. Die Anzahl der Kanban und damit von WiP ist in Japan Gegenstand ständiger Verbesserungsaktivitäten. Damit ist Kanban ein echtes Lean-Werkzeug. Obwohl die Idee, die hinter Kanban steckt, relativ einfach ist, erweist es sich oft als schwierig, das System in der Pra-

Lean & TPM hautnah xis umzusetzen. Die Einführung von Kanban besteht nicht einfach nur aus beschriebenen bunten Karten oder Zetteln. Vielmehr steckt dahinter eine völlig neue Produktionsphilosophie – die Umstellung von schiebend (push) auf ziehend (pull). Oftmals wird die Pflege des Kanban-Systems (z.B. die ständige Anpassung der Kartenzahl an den Kundenbedarf

und die Reduzierung der Karten nach Verbesserungsaktivitäten, die eine Bestandsreduzierung bewirken) stark vernachlässigt. Das hat zur Folge, dass der gewünschte Effekt meistens ausbleibt. Viele geben dann das System mit den Worten„Bei uns funktioniert so was eben nicht…“ wieder auf. Kanban erfordert auf allen Ebenen einen hundertprozentigen Einsatz.

Toyota stellt die unterschiedlichen Arten des Kanban grafisch dar: Beschaffungskanban (links) und Produktionskanban (rechts). Quelle: www.toyota.co.jp/jpn/company/vision/production_system/just.html

„Kniet Euch rein und gebt nicht auf, wenn Ihr etwas begonnen habt. Sonst wird es Euch zur Gewohnheit werden, Dinge unerledigt zu lassen.“ Taiichi Ohno Um kaum einen anderen Mann aus der Produktion kursieren so viele Episoden und Geschichten wie um Taiichi Ohno. Die wohl bekannteste Anekdote ist die vom Kreidekreis, den er vor einer Maschine aufmalte und dem zuständigen Bereichsleiter befahl: Du stellst Dich jetzt für eine Weile in diesen Kreis und sagst mir hinterher, was Du gesehen hast! Ohno galt als laut und sehr präsent im Auftreten und als heißblütiger

Foto: Toyota

Wir stellen vor: Taiichi Ohno Kämpfer für das Ideal, das er selbst entwarf: die Just-in-Time-Produktion. 1912 in der Mandschurei geboren, absolvierte er an der technischen Universität Aichi ein Studium im Maschinenbau und bekam eine Anstellung bei Toyoda Loom Chairs Co.Ltd., dem Betrieb, aus dem kurze Zeit später die heutige Toyota Motors Corp. entstand. Bald arbeitete er Seite an Seite mit Eiji Toyoda an der Verbesserung der Produktionsabläufe. 1978 erschien sein Buch „Das Toyota Produktionssystem“, in dem er in einfacher Sprache und sehr überzeugend die Philosophie, die Grundsätze und die Verbesserungswerkzeuge des TPS beschreibt. Dass dieses Buch Pflichtlektüre an den japanischen Universitäten und Hochschulen ist, versteht jeder, der es selbst gelesen hat. Taiichi Ohno starb 1990. Seine engsten Mitstreiter verließen kurz nach seinem Tod das Unternehmen, um als Berater die Ideen von Just-in-Time, Fließfertigung und Pull-Prinzip in die Welt zu tragen.

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TPM/Kaizen jenseits der Produktion Tipptopp: Kaizen bei der Stadtreinigung Stadtreinigung von Zürich bringt Gerätepark auf Vordermann Kaizen, Lean, TPM... die Philosophie der kontinuierlichen Verbesserung ist in vielen Produktionsbetrieben integraler Bestandteil, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Den Beweis, dass die tägliche Jagd nach Verlusten und Verschwendung auch jenseits der Fabrikhallen funktioniert, liefert die Stadtreinigung Zürich. Zu verdanken ist dies in hohem Maße dem Geschäftsbereichsleiter Michael Ultsch, der zuvor bei der Firma SR Technics die Kaizen-Philosophie kennen- und schätzen gelernt hatte. Es begann vor zweieinhalb Jahren: Michael Ultsch wurde bei ERZ Entsorgung + Recycling Zürich Leiter des Geschäftsbereichs Stadtreinigung. Von seinem vorherigen Arbeitgeber, der SR Technics war er eine systematische Vorgehensweise gewohnt. Er erkannte bald das Optimierungspotenzial in den Prozessen der Stadtreinigung und dem Parkdienst des Fuhrparkes. Zunächst erntete er Skepsis bei den Mitarbeitenden als er mithilfe eines externen Beraters begann, die Teams dazu anzuleiten, mit 5S eine Basis-Ordnung in den Werkhöfen und den Stützpunkten der Stadtreinigung zu schaffen. Es gibt insgesamt drei Werkhöfe und zwölf Stützpunkte. Begonnen wurde an den drei Werkhöfen. Die Kaizenphilosophie war neu für die Mitarbeitenden. Zögerlich wurde begonnen, systematisch Ordnung

Grundreinigung im Sinne von „Reinigen ist prüfen“ als Ausgangsbasis für einen intakten Fuhrpark und schnellen Zugriff

Die Stadtreinigung Zürich

Alle Dienstleistungen dienen der Sauberkeit und der Förderung der Lebensqualität in der Stadt Zürich. Fast rund um die Uhr reinigen mehr als 215 Mitarbeitende 770 Kilometer öffentliche Straßen, 1100 Kilometer Fußwege und alle Haltestellen der Zürcher Verkehrsbetriebe. Sie säubern sowohl Tunnel als auch Personenunterführungen in der Stadt und pflegen sogar den Zürichsee, die Limmat sowie zahlreiche Bäche. Die Stadtreinigung hält auch die öffentlichen Parks sauber und rückt Graffiti zu Leibe. Mit 8 Mio. m² hat der öffentliche Grund die Fläche von 1000 Fußballplätzen. Die Stadtreinigung sammelt jährlich rund 9300 t Wischgut, das Gewicht des Eiffelturms. Rund 20 % des Wischguts wird wiederverwertet.

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Eine klare Kennzeichung vereinfacht die Wartung der Geräte. Nachfragen entfallen, jeder kann mitanpacken

zu schaffen, Geräte und Werkzeuge zu reinigen, zu sortieren und durch visuelles Management die Wartung zu vereinfachen. Ziel ist es, dass bis Ende 2012 alle Werkhöfe mit 5S eine Ausgangsbasis für weitere Optimierungen geschaffen haben. Die Startschwierigkeiten wurden aber sehr schnell überwunden. Heute ist das System beim Personal anerkannt. Kleine Stützpunkte werden vor Ort von der Belegschaft, mit Unterstützung der Koordinatoren, sehr professionell und funktional eingerichtet. Das Resultat spricht für sich. Frisch eingerichtet und mit Farbe aufgewertet sind die Lokalitäten der Stadtreinigung Zürich heute wieder exemplarische Vorzeige-Arbeitsplätze.

Neuland für alle Beteiligten Um die Kaizen-Philosophie erfolgreich und dauerhaft zu verankern, finden regelmäßig Schulungen der Mitarbeitenden statt. Viel Wert wird dabei auf die praktische Ausbildung direkt vor Ort gelegt. Unterstützung bei der Mitarbeiterschulung und den 5S-Aktionen erfahren die Teams der Stadtreinigung durch Alexander Grombach vom CETPM. „Es ist spannend, da Kaizen auf diesem Gebiet für beide Parteien Neuland ist“ erzählt Michael Ultsch. Von Vorteil sei es, dass Alexander Grombach die Sprache seiner Leute spreche und sich in dem handwerklichen Umfeld bestens auskenne. „Die Menschen vor Ort erfahren eine optimale Mischung aus Theorie und praktischer

Umsetzung“ betont er. Alexander Grombach verstehe es, Wissen und Motivation zu vermitteln ohne zu belehren. Das komme bei seinen Mitarbeitenden gut an. Als erfahrener Kaizen-Coach und -Trainer ist Alexander Grombach begeistert von den Möglichkeiten, die sich in dem für ihn ungewohnten Umfeld eröffnen.„Mit viel Begeisterung haben sich die Teams an die Arbeit gemacht und gereinigt, aussortiert, neu geordnet und beschriftet“ freut er sich.

takt zu beziffern. Fühl- und sichtbar seien die neu entstandenen Ordnungssysteme. Besonders mache sich die optimierte Ordnung im Winterdienst bemerkbar. Materialien für Schneeräumfahrzeuge wie Kabel und Steuerungsgeräte wurden bereits im Frühjahr auf Funktionsfähigkeit überprüft und in Boxen geordnet. Somit entfalle die bisher eintretende Hektik im Falle eines plötzlichen Wintereinbruchs. Von externen Unternehmen, die Unterstützung leisten, kam schon positives Feedback. Die Mitarbeitenden schätzen auch das neu eingeführte Kanban-System für Verbrauchsmaterialien wie Glühlampen für Fahrzeuge. Laut Planung sind Ende des Jahres die 5S-Aktivitäten in allen Einheiten abgeschlossen. Künftig sollen interne und externe Audits für Nachhaltigkeit sorgen. Weitere Ziele sind die Durchleuchtung der Prozesse und die Weiterentwicklung der Mitarbeitenden durch Qualifizierungsmaßnahmen. Eine Hürde im Verbesserungsprozess ist laut Michael Ultsch, dass etwa 40 Prozent der Mitarbeitenden die deutsche Sprache nicht gut beherrschen. Sprachkurse und visuelles Management sollen Abhilfe schaffen. Bei Dokumentation und Arbeitsanweisungen setzt man auf bildhafte Darstellung, zum Beispiel durch Piktogramme.

Fahrzeuge schneller einsatzbereit

Gezielte Suche nach Kaizen-Experten

Erstes deutliches Ergebnis ist laut Michael Ultsch, dass die Rüstzeit der Reinigungsfahrzeuge, bevor sie morgens um 7 Uhr ausrücken, von ursprünglich ca. 20 Minuten auf ca. 10 Minuten reduziert wurde. Betriebsdaten werden manuell erfasst, darum sei es schwierig, weitere konkrete Ergebnisse im Minuten-

Dokumentation und Etablierung des Verbesserungsprozesses erfordern laut Michael Ultsch einen beträchtlichen Initialaufwand und es braucht Menschen mit Verständnis. Deshalb suche man bei Stellenausschreibungen auch nach Bewerbern mit Kaizen-Vergangenheit.

Alexander Grombach (Mitte) hat an der Herausforderung „Kaizen bei der Stadtreinigung“ ebenso viel Spaß wie die Mitarbeitenden

Durch regelmäßige Reinigung, Pflege und Wartung sind die Einsatzfahrzeuge stets bereit. Benötigtes Material, zum Beispiel für den Winterdienst, wurde neu geordnet und ist jetzt schneller auffindbar.

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Ausbildung und Praxis Wie im echten Büro-Leben

Großer Lerneffekt durch Simulation von Büroprozessen im Lehrbüro Herrieden Zum Makigami-Fan wurde Niklaus Moser, Leiter Controlling + Logistic Services bei der B. Braun Medical AG in Escholzmatt/Schweiz. Er besuchte vor zwei Jahren im Lehrbüro Herrieden den Kurs „Lean Office Master“. Auslöser war seine Ernennung zum „SäulenVerantwortlichen“ für die Säule Administration des Referenzmodells für Operational Excellence, an dem sich das Werk Escholzmatt orientiert. Einige LeanMethoden wie 5 S waren ihm schon aus dem Produktionsbereich bekannt. Im Lehrbüro wollte er sein Knowhow vervollständigen.„In diesem Kurs hat die Chemie gestimmt, und durch das praktische Arbeiten in der Gruppe habe ich viele neue Impulse bekommen“ erinnert er sich. Besonders die Methode Makigami zur Visualisierung der Abläufe und Schwachstellen kommt bei Niklaus Moser seither regelmäßig zum Einsatz.

Lean geht alle an Der ausgebildete Controller sieht die Hauptaufgabe von Lean darin, den gesunden Menschenverstand wieder ins Unternehmen zu bringen. „Lean bedeutet: Mach’s im Unternehmen wie zuhause“ so der Ansatz von Niklaus Moser. „Wenn dies alle befolgten, dann würde jeder vernünftig mit Geldmitteln und anderen Ressourcen umgehen“. Er sieht Lean als ganzheitliche Philosophie und nicht als Turbo oder Wundermittel. Bei B. Braun Medical in Escholzmatt gibt es dafür keine Stabsstellen. „Lean ist nicht nur Chefsache, Lean ist Philosophie für alle“, betont Niklaus Moser.„Lean muss gefördert und gefordert werden. Ohne überzeugtes Management und motivierte Mitarbeitende braucht man gar nicht mit den Schulungen beginnen.“ In Escholzmatt funktioniert es, und das Werk hat schon beachtliche Erfolge erzielt. Die Ausbildung zum Lean Administration Master

Stimmungsbarometer im Lehrbüro: Überwiegend heiter.

besteht aus drei Unterrichts-Modulen à drei Tagen. Dazwischen liegen Pausen, in denen die Teilnehmer das Erlernte im eigenen Arbeitsumfeld anwenden. Im Rückblick hat Niklaus Moser sehr vom Kurs im Lehrbüro profitiert: „Ich konnte vorhandenes Wissen auffrischen, neue Blickwinkel einnehmen und viel dazulernen. Der Unterricht war praxisgerecht und orientierte sich an einem roten Faden“. Ein Highlight sei die realistische Simulation eines echten Büroprozesses und das Zusammenspiel der Kursteilnehmer als Team gewesen. Aktuell moderiert Niklaus Moser die Durchleuchtung eines Prozesses, an dem 15 Stellen beteiligt sind. Beim Makigami stellte sich heraus, dass der Prozess an sich o.k. ist, es aber etliche Probleme bei der Abstimmung an den Schnittstellen gibt. Das Problem ist auf dem Weg zur Lösung und Niklaus Moser freut sich, dass Makigami in den indirekten Bereichen erfolgreich etabliert werden konnte. Auf die Frage, wo er momentan noch Verbesserungspotenzial sieht, meint er schmunzelnd: „Ich wünsche mir einen Makigami-Raum mit langen fensterlosen Wänden, wo man genug Platz für die Papier-Rollen hat“. Momentan müsse man sich damit behelfen, die Makigami-Aufzeichnungen teilweise über den Fenstern zu befestigen.

Lean Office Master - Der Experte für schlanke Prozesse im Büro Der Kurs „Lean Office Master“ vermittelt das Handwerkszeug für Office Excellence. Drei Unterrichtsblocks à drei Tage im Lehrbüro

Niklaus Moser (li.) mit anderen Kursteilnehmern im Lehrbüro: „Die Chemie hat gestimmt“.

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Projektaufgaben im eigenen Unternehmen zwischen den Blocks bringen Sofort-Erfolge www.cetpm.de/lean-office

Experten-Interview Dr. Thomas Klevers zum Thema Kanban Welche Vorteile bietet Kanban einem Unternehmen? Kanban ist ein gezieltes Lagersystem, wobei Bestände als Mittel zum Zweck eingesetzt werden. Durch Kanban werden Abläufe transparenter und die Bestände verringern sich. Insgesamt sinkt der Aufwand für die Versorgung mit Material und Teilen. Die Menschen übernehmen mehr Eigenverantwortung an ihrem Arbeitsplatz. Für welche Bereiche eignet sich Kanban? Viele glauben, Kanban sei nur für gleichbleibende Abnahmen geeignet. Das stimmt nur bedingt: Auch bei schwankenden Abnahmemengen kann eine KanbanLösung durchaus ein geeigneter Weg sein, um die Abläufe zu verschlanken. Sicher muss man versuchen, Klarheit über das Abnahmeverhalten zu bekommen. Aber es gibt eine ganze Reihe von Ansätzen, wie man auch bei schwankenden Abnahmemengen Kanban einführen kann – ich denke dabei an das sogenannte „gesteuerte Kanban“, das bei extremen Schwankungen hilfreich ist. So werden zum Beispiel bei Sonderaktionen im Vorfeld die Bestände im Kanban-Lager angehoben.

Dr. Thomas Klevers, Buchautor und Experte für Kanban, Wertstrom-Management und Materialeffizienz

Reduzierung von Durchlaufzeiten sind hochaktuelle Themen. Ein hoher Aufwand für die dauernde Planung und Organisation von Materiallieferungen steht den Bemühungen um Flexibilität und Steigerung der Effizienz im Weg. Und genau hier setzt Kanban an. Wird Kanban denn ausreichend eingesetzt?

Wichtig ist es, dass man die unterschiedlichen Parameter beachtet. Dazu gehören das Abnahmeverhalten der Kunden und das Verhalten im Lieferprozess. Wie schnell und flexibel sind die Lieferanten und wie können Schwankungen ausgeglichen werden?

Wir schätzen den Durchdringungsgrad von Kanban auf etwa 30 Prozent der möglichen Anwendungsfälle. Hier liegt also noch ein erhebliches Potenzial. So kann zum Beispiel auch beim C-Teile-Management oder bei Hilfs- und Betriebsstoffen wie Schmierölen, Schweißdraht etc. durch den Einsatz von Kanban viel Zeit und Geld eingespart werden. Leider wird dieses Potezial für Optimierungen häufig nicht erkannt.

Worauf muss man bei der Einführung von Kanban achten?

Warum nutzen Unternehmen Kanban nicht öfter, um dieses Potenzial zu erschließen?

Eine gründliche Vorbereitung ist unbedingt notwendig. Die Prozesskette muss gut durchdacht sein und eventuell schon im Vorfeld optimiert werden. Wichtig ist eine gute und gründliche Schulung der Mitarbeiter. Sie müssen verstehen, wie Kanban funktioniert und sich darüber bewußt sein, dass die Kanbankarte die Nervenzelle des Systems ist. Nur wer die Auswirkungen einer fehlenden Karte kennt wird darauf bedacht sein, diese nicht versehentlich im Blaumann verschwinden zu lassen. Die Einführung von Kanban sollte schrittweise erfolgen, mit der Möglichkeit, aus Erfahrungen zu lernen. Hier eignet sich das Vorgehen gemäß dem PDCA-Zyklus.

Ich habe beobachtet, dass viele Unternehmen sich lieber auf EDV-Lösungen und ihre Dispositionsprogramme verlassen als auf Kreisläufe, die anhand von Karten und durch die Mitarbeiter am Ort des Geschehens gesteuert werden.

Kanban ist ja nicht neu. Ist diese Methode überhaupt noch aktuell?

Außerdem bedeutet die Einführung von Kanban, dass ein Unternehmen sich gründlich mit den Abläufen beschäftigen und diese vorplanen muss. Es gilt, die Zulieferprozesse zu untersuchen und nach Möglichkeit zu optimieren. Und genau hier liegt ein wesentlicher Vorteil, aber auch eine Herausforderung: Kanban bedeutet gleichzeitig den Eintritt in einen kontinuierlichen Verbesserungsprozess. Vielleicht fürchten sich viele Menschen in den Unternehmen gerade vor der dazu notwendigen Veränderung ...

Ja, Kanban wurde bereits in den 1950iger Jahren erstmals in Japan angewandt. Kanban ist heute aktueller denn je, denn die Senkung von Beständen und die

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Werker aus der Produktion und Instandhalter ziehen an einem Strang TPM ganz individuell: Mit KAT (Kooperative Anlagentechnik) gestalten Instandhaltung und Produktion im Bereich Feuerverzinkung der Salzgitter Flachstahl GmbH gemeinsam ein Verbesserungs- und Instandhaltungsprogramm, das speziell auf ihre Anforderungen zugeschnitten ist. Im Rahmen des 7. CETPM-Benchmarktreffens öffnete das Stahlwerk seine Pforten und ließ die Besucher an den TPM-Erfolgen teilhaben. Nicht nur das Licht des flüssigen Eisens erhellte die Gesichter der Gäste beim Rundgang durch den Hochofenbereich. „Es war faszinierend, direkt am Hochofen zu stehen“ erzählt Markus Bruder, der die Veranstaltung als Mitglied des CETPM-Orgateams begleitete. Die rund 30 Teilnehmer aus unterschiedlichsten Branchen waren sehr beeindruckt von der perfekten Umsetzung von TPM Stufe 3 in der riesigen, 50 Meter hohen und 350 Meter langen Feuerverzinkungsanlage. Dort werden Bleche für die Automobilindustrie oder „weiße Ware“ verzinkt. Der saubere, nahezu staubfreie Bereich wird höchsten Qualitätsanforderungen gerecht. Im Rahmen des 2007 initiierten TPM-Programmes KAT arbeiten ProDr. Stefan Meiners (links) und Alexander Georgiew (rechts) duktionsmitarbeiter und Instandhalter Tag für Tag brachten Produktion und Instandhaltung durch TPM auf eine gemeinsam daran, die Anlagen in gutem Zustand zu Linie. Bei der Grundinstpektion packen sie selbst mit an. halten und kontinuierlich zu optimieren. Tätigkeiten durch die Produktion gerufen. Aktuell sind zwei Feuerverzinkungsanlagen Eigenes TPM-Haus mit drei Säulen aktiv als „Keimzelle“ für TPM. Auf Wunsch der Geschäftsleitung soll TPM am gesamten Standort ausTPM wurde als Pilotprojekt im Bereich „Kaltflach“ gerollt werden. „Einige der klassischen TPM-Säulen von dem Produktionsleiter Alexander Georgiew und wie Arbeitssicherheit oder vorbeugende InstandhalDr. Stefan Meiners, Leiter Instandhaltung, ins Leben

KAT Tätigkeiten durch die Produktion Stufe 4 Stufe 3 Stufe 2 Stufe 1 Grundinspektion durchführen

Anwenden der KATSystematik

Durchführen von grundlegenden Instandhaltun gstätigkeiten

Durchführen von weitergehenden Instandhaltungstätigkeiten

Schulung, Training und Beratung

Unternehmensziele beschrieben durch Kennzahlen

Beseitigung von Schwerpunktproblemen

KAT-

Salzgitter Flachstahl GmbH: Feuer und Flamme für TPM

Ordnung und Sauberkeit Abweichend vom „klassischen“ TPM-Haus wurde das KAT-Haus erstellt. Viele der anderen Säulen des „klassischen“ TPM-Hauses sind bereits in einem Managementsystem abgebildet und müssen somit nicht noch einmal „neu erfunden“ werden.

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Die Ausgestaltung des KAT-Hauses orientiert sich am Handlungsleitfaden

Best Practice

tung waren bei uns bereits im Managementsystem abgebildet“, erklärt Dr. Meiners. Deshalb habe man ein eigenes TPM-Haus entwickelt, das aus drei Säulen besteht: Beseitigung von Schwerpunktproblemen, Selbstständige Instandhaltung und Schulung, Training und Coaching. Großen Wert lege man auf die kontinuierliche Qualifizierung der Mitarbeiter, die bereits Früchte trage: „Bereiche, die früher total unbeliebt waren, sind heute wieder in einem guten Zustand. Die Mitarbeiter haben selbst die Anlage auf Vordermann gebracht und betrachten sie jetzt als ihre Anlage.“

Individuelle Vorgehensweise Die KAT-Teams bedienen sich individuell aus der TPM-Werkzeugkiste. Viele klassische Dinge passen bei solchen Großanlagen nicht. Im Rahmen von Workshops, die über 5S hinausgingen, wurde beispielsweise der Pumpenwechsel optimiert: Schlauchanschlüsse funktionieren jetzt mit Bajonett, alles ist sauber, Rohrleitungen wurden rückgebaut und Beschriftungen sorgen für Transparenz. Dr. Meiners: „Wir haben begonnen mit der Grundinspektion und dem Saubermachen, kamen aber sehr schnell zur

nachhaltigen Anlagenverbesserung“. Wir haben die Mitarbeiter am Anfang bremsen müssen, damit sie nicht zu schnell vorgehen. Denn es sollen ja alle in der Gruppe mitkommen. „Die Leute wollten mehr, als nur Reinigungspläne erstellen“. Dies ist sicher auf den hohen Anteil an Fachkräften in der Produktion zurückzuführen. Es gibt dort viele ausgebildete Handwerker wie Elektriker oder Schlosser. Gezielte Qualifizierungsmaßnahmen sorgen für ein gewisses Level an Wissen in den KAT-Teams. „Die technische Seite der Trainings können wir selbst

Das Unternehmen Salzgitter Flachstahl GmbH Die Salzgitter Flachstahl GmbH ist eine 100%ige Tochter der Salzgitter AG. Sie beschäftigt ca. 4.700 Mitarbeiter am Standort Salzgitter, der eine Fläche von 10 km² einnimmt. Im Bereich „Kaltflach“ arbeiten ca. 1100 Mitarbeiter. Die Palette der feuerverzinkten Produkte umfasst höchstwertige Flachstahlprodukte, die hauptsächlich in der Automobllindustrie, dem Bereich Dach und Wand und bei der „weißen Ware“, wie z. B. einer Waschmaschine, Anwendung finden.

Die 30 Teilnehmer des Benchmarktreffens kamen aus 15 Firmen, welche die unterschiedlichsten Branchen repräsentierten. So fanden lebhafte Diskussionen über das Gesehene und Erlebte sowie ein reger Erfahrungsaustausch statt.

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Maßgeschneidertes TPM gut abbilden“ betont Dr. Meiners. Das Moderatorentraining werde von außen eingekauft, vor allem auch, um psychologische Komponenten im Rahmen von Rollenworkshops zu vermitteln. Die KAT-Koordinatoren erhielten ihre TPM-Ausbildung durch den 14-tägigen TPM-Instruktor-Kurs des CETPM. Vor einigen Jahren standen laut Dr. Meiners bei der Salzgitter Flachstahl GmbH intensive Überlegungen im Raum, die eigenständige Instandhaltung aufzugeben und deren Mitarbeiter in den Produktionsbetrieb zu integrieren. Doch man habe schnell festgestellt, dass für eine Integration nicht genug Personal vorhanden war. So hätten die Verantwortlichen gemeinsam beschlossen, bei der grundsätzlichen Trennung von Instandhaltung und Produktion zu bleiben. Die Instandhaltung bleibt als Spezialistentruppe erhalten, doch es werden mehr Aufgaben und Freiräume an Produktionsmitarbeiter übertragen. Da sowohl der Produktionsleiter als auch der Instandhaltungsleiter voller Überzeugung hinter dieser Entscheidung stehen ist allen klar, dass es sich nicht nur um eine kurzfristige Aktion handelt und dass die Interessen beider Gruppen gewahrt bleiben.

„Wir möchten etwas zurückgeben“ Dr. Meiners und sein Kollege Georgiew sind viel in der TPM-Welt unterwegs gewesen und haben sich ihr Wissen selbst erarbeitet, zum Beispiel im Rahmen von Benchmark-Veranstaltungen. „Wir durften in den letzten Jahren sehr viel von den Erfahrungen anderer Unternehmen lernen. Nun sind wir dran, etwas zurückzugeben“. So die Begründung von Dr. Meiners für die Entscheidung, das Benchmarktreffen in seinem Werk zu veranstalten. Zuerst sei er nicht sicher gewesen, ob die Produktions- und Instandhaltungsmannschaft schon weit genug sei, um Best Practice vorzeigen zu können. Das Feedback der Teilnehmer belehrte ihn eines besseren: Die Mit-

Visualisierung und Dokumentation hielten den kritischen Blicken der Besucher nicht stand. Ein wertvoller Denkanstoß für die Mitarbeiter

arbeiter bekamen viel Lob von den Gästen, die ja teilweise selbst auch gut im Bereich TPM unterwegs sind. „Das Leuchten in den Augen der Mitarbeiter war für die Besucher ein Zeichen, dass sich bei uns ein Wandel in der Einstellung zur Arbeit vollzogen hat“, freut sich Dr. Meiners. Selbstverständlich habe es auch Kritik gegeben, aus der man lernen könne. So wurde zum Beispiel die unvollständige und nicht aktuelle Dokumentation bemängelt. Diese wird nun noch mal intern auf den Prüfstand gestellt.

Näher an TPM geht nicht Begeistert waren die Besucher von der Professionalität bei den Schulungen, denen sie live beiwohnen durften. Am Tag des CETPM-Benchmarktreffens wurden drei Themen geschult: Effektoren, Schmieren und Filter. Die eingekürzten Schulungen bestanden jeweils aus einem theoretischen und einem praktischen Teil. Das Fazit eines Teilnehmers: „Näher an TPM geht nicht“.

Anhand von etwas eingekürzten Schulungen erlebten die Teilnehmer live, wie Instandhalter auf Augenhöhe ihren Kollegen aus der Produktion technisches Wissen zur Anlage vermitteln.

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TPM- und Lean-News „Live und in Farbe“

8. CETPM-Benchmarktreffen bei Evonik verspricht „TPM-Zeitreise“ Rollout von TPM in einem Unternehmen der Prozessindustrie ist Schwerpunkt des nächsten CETPMBenchmarktreffens, das am 14. und 15. November in Wesseling bei Köln stattfindet. Dort bietet das Unternehmen Evonik den Teilnehmern die Möglichkeit, an einer „Zeitreise“ durch TPM teilzunehmen. Spezialchemie ist das Kerngeschäft von Evonik. Am Standort Wesseling werden u.a. Methacrylat-basierte Harze für die Lackindustrie gefertigt. Im Werk wendet

der AP-Betrieb TPM seit 2004 erfolgreich an und gilt im Konzern als Vorreiter im Bereich Geplante/Autonome Instandhaltung. Verschiedene Standorte von Evonik befinden sich in unterschiedlichen Stadien des Fortschritts mit TPM. So werden die jeweiligen TPM-Koordinatoren den Besuchern die Vorgehensweise in den einzelnen Schritten von der zweiten Säule (autonome Instandhaltung) des TPM-Hauses vorstellen. In kurzen Vorträgen wird die strukturierte und koordinierte Vorgehensweise beim Rollout abgebildet. Viel zu sehen gibt es „live und in Farbe“ direkt am Ort des Geschehens. Viele TPM-Verantwortliche schätzen die Möglichkeit, sich über Netzwerke mit Experten auszutauschen. Der Blick über den Tellerrand gibt neue Impulse für die eigenen Prozesse. „Es ist wertvoll, das Potenzial zu sehen, das die TPM-Umsetzung bietet“ bekräftigt Matthias Duddeck, der als TPM-Manager bei Evonik Industries bereits zahlreiche Benchmarkveranstaltungen besucht hat. Nun bieten er und sein Team TPMInteressierten die Möglichkeit, den TPM-Weg von Evonik kennenzulernen.

TPM in verschiedenen Umsetzungsphasen gibt es zu sehen beim 8. Benchmarktreffen, das bei Evonik im November 2012 stattfindet

Anmeldung und Infos: www.cetpm.de/benchmark

SMED – Die Erfolgsmethode für schnelles Rüsten und Umstellen Ein neues Handbuch für Praktiker

Umrüsten oder Umstellen empfinden viele als lästiges Übel. Dabei liegt darin der Schlüssel für eine flexible Produktion. Große Serien sind selten so vorteilhaft, wie es auf den ersten Blick erscheinen mag. Denn sie sind Auslöser für hohe Lagerbestände und lange Durchlaufzeiten. Bei näherer Betrachtung erkennt man, dass Vorratsproduktion und hohe Bestände nicht wirtschaftlich sind und ein Unternehmen eher unflexibel machen. Die Gründe dafür werden in dem neuen Buch „ SMED – Die Erfolgsmethode für schnelles Rüsten und Umstellen“ ausführlich erläutert. Mit SMED stellen Bert Teeuwen und Alexander Grombach eine bewährte Methode vor, mit der es gelingt, Umstellzeiten durch Optimierungen drastisch zu reduzieren. Durch häufigeres Rüsten bzw. Umstellen werden kleinere Losgrößen gefertigt und dadurch letztlich die Bestände gesenkt. Die Autoren sprechen bewusst von „Umstellen“, denn auch in Bereichen außer-

halb der Produktion hilft SMED, Umstellzeiten zu verkürzen, beispielsweise bei der Vorbereitung eines Operationssaals für die nächste Operation. Dieses Grundlagenwerk zeigt die Möglichkeiten und Werkzeuge von SMED auf. SMED bringt Organisationen dem Ziel näher, flexibel auf Kundenwünsche reagieren zu können und dabei wirtschaftlich zu bleiben. Zahlreiche Beispiele aus der Praxis illustrieren die Vorgehensweise. ISBN: 9-783940-775-11-5, Preis 29,95 € inkl. MwSt.

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TPM- & Lean-Tipps und Denkanstöße

Plattform zum Austausch für Lean- und TPM-Anwender Operational Excellence hat viele Facetten. Zahlreiche Faktoren tragen zum Erfolg bei. Wichtig sind Methodenwissen, Begeisterung sowie entsprechender Freiraum zur Anwendung der Philosphie der kontinuierlichen Verbesserung. Ebenfalls sehr hilfreich ist der Erfahrungsaustausch, der Blick über den Tellerrand. Dazu bietet die Webseite des CETPM ein Forum, wo sich

Interessierte rund um das Thema TPM/Lean austauschen können. Willkommen sind alle: Neubeginner, alte Hasen, Interessierte, Studenten, Praktiker ... Hier treffen sich Experten und Suchende rund um das Themea Operational Excellence. Egal, ob Sie eine spezielle Frage haben oder ein erfolgreiches Projekt vorstellen möchten - mit Ihrer Registrierung werden Sie Teil der großen TPM-/LeanCommunity. Anmeldung: www.cetpm.de/forum.

Der Online-Medienpartner von Yokoten: Impressum:

www.leanmagazin.de In dem Online-Magazin finden Sie Aktuelles und Interessantes rund um das Thema„Lean“: Berichte über aktuelle Themen, Hinweise auf Events bis hin zur Jobbörse.

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Hochschule Ansbach Campus Herrieden – CETPM Redaktion Yokoten Steinweg 5 D-91567 Herrieden Tel. +49 (0) 9825 2038-100 Fax +49 (0) 9825 2038-111 www.yokoten.de ISSN 2193-4835 E-Mail: [email protected] Einzelheft: 5,00 € Redaktion: Sabine Leikep Jahresabo für 6 Ausgaben: 19,00 € inkl. Versand