1. Der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten, des Surrogats und der Nutzungen

1 § 13 Inhalt und Reichweite der Bereicherungshaftung 1. Der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten, des Surrogats und der Nutzungen a) § 812 richtet s...
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1 § 13 Inhalt und Reichweite der Bereicherungshaftung 1. Der Anspruch auf Herausgabe des Erlangten, des Surrogats und der Nutzungen a) § 812 richtet sich in sämtlichen Fallgruppen auf Herausgabe des "Erlangten". Genau zu prüfen, was der Empfänger "erlangt" hat, Eigentum, Besitz, Gebrauchsvorteile usw. (s.o. Parkplatzfall - 39). b) Surrogate (§ 818 Abs. 1, Fall 2): Hauptproblem: Erlös aus Rechtsgeschäft (sog. "commodum ex negotiatione")? h.M.: Erlös aus Rechtsgeschäften (Gewinn) ist nicht herauszugeben. Hauptargumente: - Gewinn gebührt grundsätzlich dem Veräußerer (Bereicherungsschuldner). Gewinnspannen über dem Marktpreis beruhen i.d.R. auf Umständen aus dessen Sphäre (Renommé, Knowhow oder Kundenkreis). - Unterschied: bei § 816 I ist Gewinn deshalb herausgabepflichtig, weil Nichtberechtigter über fremdes Eigentum verfügt; wer Eigentum behält, ist grundsätzlich schutzwürdiger als derjenige, der es - wenn auch rechtsgrundlos verliert. c) Nutzungen (§ 812 Abs. 1 Fall 1): Begriff der Nutzung: § 100 BGB (Früchte einer Sache, eines Rechts, Gebrauchsvorteile) 2. § 818 II: Wertersatz a) Herausgabe wegen der Beschaffenheit des Erlangten nicht möglich: z.B. unkörperliche Gebrauchsvorteile oder Dienstleistungen (Arbeit). b) aus einem anderen Grunde Herausgabepflicht unmöglich: z.B. wegen Zerstörung des rechtsgrundlos erlangten Gegenstandes c) Höhe des Wertes: H.M.: objektive Theorie (= der übliche Marktpreis). Beispiel: falls rechtsgrundlos erlangtes Auto benutzt wird, muss Empfänger Nutzungen herausgeben (§§ 818 I, 100, 3.Alt. = Gebrauchsvorteile). Herausgabe der Gebrauchsvorteile „in Natur“ nicht möglich; Folge: Wertersatz (§ 818 II). Höhe des Wertersatzes: Marktpreis für Nutzung (Mietwagenkosten; allerdings 10 % Abzug für Ersparnis eigener Aufwendungen).

2 3. Wegfall der Bereicherung (§ 818 Abs. 3) a) Grundsatz: Bereicherungshaftung beschränkt auf das, was Empfänger noch in seinem Vermögen hat. Ist das Erlangte und sein Gegenwert nicht mehr vorhanden, ist Bereicherungsschuldner gem. § 818 III befreit. Ausnahme: bösgläubiger oder verklagter Schuldner darf sich nicht auf § 818 III berufen, sondern haftet wenigstens auf Wertersatz (§§ 818 IV, 819 I BGB). b) Schutzzweck des § 818 III: Vertrauensschutz (guter Glaube an die Rechtsbeständigkeit des Erwerbs); gutgläubiger Schuldner soll sein Stammvermögen nicht angreifen. Schutzzweck wichtig für die Frage, welche Nachteile bei § 818 III bereicherungsmindernd Berücksichtigung finden. aa) Abzugsfähig sind - vertrauensbedingte Schäden wie Verlust oder Zerstörung der rechtsgrundlos empfangenen Sache (Bsp.: Auto wird durch Brand zerstört) - Aufwendungen im Vertrauen auf das Behaltendürfen, z.B. Umbau des rechtsgrundlos erworbenen Hauses; Reparatur des rechtsgrundlos erlangten Autos - Vertragskosten (Maklercourtage, Notargebühren, Grundbuchkosten, Zoll, Mehrwertsteuer). bb) Problemfälle: Rechtsgrundlos erlangter Hund zerbeißt Teppich oder richtet bei Dritten Schäden an Larenz/Canaris, SR II/2, § 73 I 3b: Schaden steht nicht in innerem Zusammenhang mit der Rechtsgrundlosigkeit des Erwerbs; der Teppich wäre auch zerbissen worden, wenn der Bereicherungsschuldner den fehlenden Rechtsgrund gekannt hätte. Tierhalterhaftung für rechtsgrundlos erlangtes Tier abzugsfähig, weil sich Bereicherungsschuldner bei Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund um Rückabwicklung bemüht hätte (Unterschied kaum nachvollziehbar) cc) Problem: Kaufpreis für rechtsgrundlos erlangte Sache - bei Rückabwicklung einer gescheiterten Vertragsbeziehung ist Kaufpreis Abzugsposten (Saldotheorie; dazu näher unten Fall 50) - bei Eingriffskondiktion (§ 812 I 1, Fall 2; § 816 I) darf Kaufpreis, der an Nichtberechtigten gezahlt wurde, nicht abgezogen werden (Larenz/Canaris, § 73 I 5a) Grund: gegenüber dem Anspruch aus § 985 darf Kaufpreis auch nicht abgezogen werden.

3 c) Vermögensvorteile: sind anzurechnen Bsp.: Ersparnis von Aufwendungen; trinkt der Empfänger einer rechtsgrundlos erlangten Flasche Wein diese aus, hat er idR eigene Aufwendungen erspart. 4. Die Haftung des bösgläubigen und verklagten Bereicherungsschuldners: a) § 818 IV: aa) verweist auf die allgemeinen Vorschriften (§§ 275 ff.), insbesondere §§ 291 f.; § 292 I regelt Haftung für "Herausgabeansprüche" und verweist auf die §§ 987 ff. bb) Ist das rechtsgrundlos erlangte Auto durch Verschulden des Bereicherungsschuldners zerstört, haftet dieser auf Schadensersatz, wenn er verklagt oder bösgläubig war. cc) Im Übrigen gilt § 278 (= gesetzliches Schuldverhältnis); für Verschulden von Hilfspersonen muss man einstehen. b) Daneben: Wertersatzhaftung gem. § 818 II Grund: Wenn § 818 III nicht eingreift, bleibt es bei der Haftung auf Wertersatz gem. § 818 II. c) Verschärfte Haftung gem. § 819 I: wer bösgläubig ist (Kenntnis des fehlenden rechtlichen Grundes), haftet wie ein verklagter Bereicherungsschuldner. Bösgläubigkeit: positive Kenntnis vom fehlenden Rechtsgrund; insofern schadet Rechtsirrtum. Problem: verschärfte Haftung Minderjähriger (Fall 49): -------------------------------------------------------------------------Lösung Fall 49: A. Vertragliche Ansprüche: I. §§ 631, 632 (Werkvertrag) 1. Einigung über essentialia eines Werkvertrages Beförderungsvertrag = Werkvertrag a) Angebot: Bereitstellen des Flugzeugs b) Annahme: allenfalls konkludent (§ 151) durch Inanspruchnahme der Leistung fraglich, weil M als blinder Passagier auch aus Sicht eines objektiven Dritten keinen Beförderungsvertrag schließen wollte 2. Wirksamkeitshindernis: §§ 2, 106; M = minderjährig; in der Geschäftsfähigkeit beschränkt § 107: Rechtsgeschäft nicht lediglich rechtlich vorteilhaft § 110: keine Leistungsbewirkung mit überlassenen Mitteln

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3. Vertragsschluss durch sozialtypisches Verhalten (vgl. Parkplatzfall - Fall 39): a) BGH: Beförderung mit Flugzeugen kein Massenverkehr (?!) b) Besser: Regeln über Minderjährigkeit dürfen nicht außer Kraft gesetzt werden (Medicus, BR Rn. 190 a.E.). B. Deliktische Ansprüche I. § 823 I: keine Rechtsgutsverletzung Eigentum: weder Eingriff in Substanz, noch Funktionsstörung II. §§ 823 II i.V.m. 265a StGB 1. Beförderungserschleichung: ( + ) 2. Vorsatz: ( + ) 3. Deliktsfähigkeit (§ 828 II): Maßstab = individuelle Einsichtsfähigkeit in das begangene Unrecht; bei einem 17jährigen (+). 4. Rechtsfolge: Schadensersatz a) durch Beförderungserschleichung entsteht regelmäßig kein Schaden Gewicht des blinden Passagiers erhöht zwar Kerosin-Bedarf, Höhe des Schadens deckt aber nur geringen Teil des Reisepreises. Entsprechendes gilt für den erhöhten Verpflegungs-aufwand, wenn Lufthansa nicht aufgebrauchtes Essen an Catering-Service zurückgeben kann und dies vergütet wird (Verlust gering). b) Schaden allenfalls dann, wenn zahlungswilliger Passagier wegen Überfüllung abgewiesen worden wäre (unrealistisch). III. § 812 I 1, Fall 1 (Leistungskondiktion) 1. Etwas erlangt: a) BGH: erlangt hat M Ersparnis von Aufwendungen Problem: Minderjähriger hätte sich niemals eine entsprechende Flugreise von Hamburg nach New York geleistet, hat also eigentlich nichts erlangt. BGH korrigiert diese Position auf der Ebene der Bösgläubigkeit und zieht bereits hier bei der Frage, ob M etwas erlangt hat, die §§ 818 III, 819 I entsprechend heran. b) Besser: erlangt ist Beförderungsleistung

5 2. durch Leistung oder in sonstiger Weise a) Leistung = bewusste Mehrung fremden Vermögens bei Beförderungserschleichung nicht anzunehmen, weil gegenüber blinden Passagieren gerade nicht bewusst eine Leistung erbracht wird. b) Bereicherung in sonstiger Weise: hier durch Eingriff in absolut geschütztes Recht § 265 a StGB verleiht als Schutzgesetz der Lufthansa eine deliktsrechtlich geschützte Position 3. Ohne Rechtsgrund: a) Widerspruch zum Zuweisungsgehalt einer absolut geschützten Position: § 265 a StGB b) M hatte keinen Anspruch auf die Beförderung 4. Rechtsfolgen: a) Herausgabe des Erlangten: Gebrauchsvorteile b) Herausgabe in Natur nicht möglich; daher schuldet M grundsätzlich Wertersatz gem. § 818 II Höhe: marktüblicher Beförderungspreis c) Wegfall der Bereicherung gem. § 818 III aa) Gebrauchsvorteile: nach dem Ende des Flugs nicht mehr in Natur vorhanden bb) Aufwendungsersparnis: M hätte Reise nicht unternommen, wenn er dafür Aufwendungen gehabt hätte; nicht bei sog. Luxusaufwendungen (-) d) Verschärfte Haftung gem. § 818 IV, 819 I aa) Rechtshängigkeit: wenn der Bereicherungs-schuldner auf Herausgabe des Erlangten verklagt ist bb) Bösgläubigkeit: Kenntnis des Bereicherungs-schuldners vom fehlenden Rechtsgrund cc) Grund für verschärfte Haftung: Der verklagte oder bösgläubige Bereicherungs-schuldner muss mit Herausgabe rechnen; Vertrauensschutz nicht gerechtfertigt dd) Fallbezogen: Bösgläubigkeit des M? Maßgeblich: Kenntnis des Minderjährigen oder des gesetzlichen Vertreters? (1) BGHZ 55, 128: hat Minderjähriger die Bereicherung durch eine deliktische Handlung i.S.d. §§ 823 ff. erlangt, sind die §§ 827, 828 entsprechend anzuwenden.

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§ 828 III: Einsichtsfähigkeit = wenn M über die Fähigkeit verfügte, das Gefährliche seines Tuns zu erkennen und sich der Verantwortung für dessen Folgen bewusst zu sein Fallbezogen: 17-jähriger (+); Delikt (§ 823 II i.V.m. § 265a StGB) Folge: M dürfte sich nicht auf § 818 III berufen, sondern müsste gem. § 818 II Wertersatz oder gem. §§ 818 IV i.V.m. 292 I, 987 ff. Schadensersatz zahlen. (2) Canaris (JZ 1971, 560) u. Medicus (Medicus, FamRZ 1971, 250) halten §§ 104 ff. für sachgerechter - § 828 III passe nicht; deliktische Haftung des M würde Schaden der Fluggesellschaft voraussetzen. - Für die §§ 104 ff spreche, dass Minderjähriger selbst bei einem unwirksamen Vertrag seine Leistung gem. § 812 zurückverlangen könnte. Ergebnis: Beide Ansichten sind vertretbar; nach Ansicht des BGH muss M zahlen; nach Ansicht von Canaris und Medicus nicht. B. Rückflug I. § 812 I 1, Fall 1: 1. Etwas erlangt: Beförderung 2. durch Leistung: beim Rückflug bewusste Mehrung fremden Vermögens 3. ohne Rechtsgrund: §§ 2, 106, 107 (s.o.) – kein wirksamer Beförderungsvertrag 4. Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten; aber Wegfall der Bereicherung gem. § 818 III, da M keine Aufwendungen erspart hat (Luxusreise; aA vertretbar, da Rückflug unvermeidbar). 5. Keine verschärfte Haftung gem. §§ 818 IV, 819 I (§ 265a StGB: bei Rückflug keine Beförderungs-erschleichung) 6. Rückforderungsausschluss: § 814 (Kenntnis der LH vom fehlenden Rechtsgrund) aber: Ausschluss vermeidbar, wenn LH sich Rückforderung vorbehalten hätte; dann wäre ratio legis des § 814 (Verbot widersprüchlichen Verhaltens) nicht einschlägig Ergebnis: Kondiktion wohl ausgeschlossen; andererseits ist berechtigte GoA Rechtsgrund für Leistung

7 II. Ansprüche aus GoA: §§ 677, 683 Satz 1, 670 (Aufwendungsersatz) 1. Voraussetzungen: a) Besorgung eines fremden Geschäfts: jede Tätigkeit „für einen anderen“ Voraussetzungen: - Fremdheit des Geschäfts und - Geschäftsführungswille (s. a. § 687 I BGB). aa) BGH: Bei objektiv fremden Geschäften wird Fremdgeschäftsführungswille vermutet. sog. objektiv fremdes Geschäft: Sache des M, U.S.A. zu verlassen und zu den Eltern zurückzukehren (§§ 1626 I, 1631). Folge: Fremdgeschäftsführungswille wird vermutet. bb) A.A. Medicus (aaO): Lufthansa wollte eigene – vermeintliche - Verbindlichkeit (§ 631) erfüllen b) Berechtigung der GoA (§ 683 S. 1): Übernahme der Geschäftsführung muss dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Geschäftsherrn entsprechen. Interesse der Eltern (maßgeblich wegen §§ 1626, 1631): Sohn soll nach Hause und keine Schwierigkeiten mit der Einwanderungsbehörde in den USA haben (+) entgegenstehender Wille nicht ersichtlich bzw. unbeachtlich (Schiffsfahrt setzt „Einwanderung“ voraus). 2. Rechtsfolge: Aufwendungsersatz (§ 670): a) Medicus (aaO.): Lufthansa hatte überhaupt keine Aufwendungen, wenn der Rückflug mit einer nicht ganz vollbesetzten Maschine erfolgte (erhöhter Kerosinverbrauch deckt nicht Reisepreis) b) BGH: bei Tätigkeiten, die zum Gewerbe des Geschäftsführers gehören, sind sämtliche Aufwendungen in Höhe des üblichen Honorars ersatzfähig. arg.: § 1835 III analog; Aufwandsentschädigung des Vormunds bei professioneller Tätigkeit im Interesse des Mündels betrifft ähnlichen Fall. c) Kritik: Minderjährigenschutz wird vereitelt; M kam ja nur in eine bedrohliche Lage, weil er ohne gültiges Ticket nach New York geflogen ist.

8 Sofern es um Rückabwicklung gescheiterter vertraglicher Beziehungen geht, sollte Minderjähriger entsprechend den §§ 104 ff. geschützt werden. Ergebnis: Nach h.M. bekommt L auch die Kosten des Rückflugs erstattet (a.A. vertretbar). Gesamtergebnis: Nach Ansicht des BGH mussten die Eltern auch den Rückflug bezahlen; nach Ansicht von Medicus und Canaris weder das eine noch das andere. --------------------------------------------------------------------------2. Problem: Rückabwicklung gegenseitiger Verträge, wenn die Leistung beim Bereicherungsschuldner untergegangen ist. Lösung Fall 50: Saldotheorie A. Ansprüche K gegen V auf Rückzahlung des Kaufpreises gem. § 812 I 1, Fall 1 I.

etwas erlangt: V hat Eigentum und Besitz an 5.000 € erlangt

II. durch Leistung des K: bewusste zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens. Leistungszweck: Erfüllung der Verpflichtung des K aus dem Kaufvertrag gem. § 433 II III. Ohne Rechtsgrund: wenn Verpflichtung aus § 433 II nicht besteht; hier wegen Anfechtung des Kaufvertrages. 1. Anfechtungsgrund: arglistige Täuschung gem. § 123 I; über schwere Mängel (Unfallwagen) muss Verkäufer auch ungefragt aufklären (vgl. Medicus, AT Rn. 796; BGHZ 29, 148, 150). 2. Frist: 1 Jahr ab Kenntnis (§ 124 I, II) ( + ) 3. Anfechtungserklärung: § 143 I ( + ) IV. Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten, Rückzahlung von 5.000 € V. Kein Ausschlussgrund: §§ 814, 815, 817 S. 2 (-) VI. Ergebnis: V muss 5.000 € zurückbezahlen. VII: Einreden? V möchte Kaufpreis nicht zurückzahlen, ohne seinerseits das von ihm Geleistete zurückzuerhalten. Zurückbehaltungsrecht gem. § 273? - falls V seinerseits einen fälligen und durchsetzbaren Anspruch gegen K hat - Bereicherungsanspruch V – K gem. § 812 I 1, Fall 1:

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1. K hat Eigentum und Besitz am PKW erlangt. 2. durch Leistung des V: Erfüllung Vb aus § 433 I 3. ohne Rechtsgrund: Kaufvertrag wirksam angefochten gem. §§ 123 I, 142 I. 4. Rechtsfolge: K schuldet gem. § 812 I 1, Fall 1 Herausgabe des Erlangten = Rückübereignung des PKW. a) Da PKW untergegangen ist, schuldet K gem. § 818 II nur Wertersatz b) Wegfall der Bereicherung (§ 818 III). Auto und dessen Gegenwert befindet sich nicht mehr im Vermögen des K Keine Anhaltspunkte für eine verschärfte Haftung des K gem. § 818 III, 819 I. 5. Ergebnis: V hat gegen K keinen Gegenanspruch. Gesamtergebnis: K kann von V 5.000 € zurückverlangen, muss aber seinerseits an den V nichts bezahlen bzw. bloß wertloses Autowrack zurückgeben. VII. Ergebnis ungerecht! Bei einem gegenseitigen Schuldverhältnis würde der Schuldner, der seinerseits wegen Unmöglichkeit seine Leistung nicht mehr erbringen kann, seinen Anspruch auf die Gegenleistung verlieren (§ 326 I, 1. Hs.). Bei einem Rücktritt wegen Sachmangels gem. §§ 323 I, 326 V, 434, 437 Nr. 2 BGB würde K jedenfalls bei einem verschuldeten Untergang des Fahrzeugs Wertersatz leisten müssen (§ 346 II Nr. 3, III Nr. 3). 1. Reichsgericht und BGH haben als Ausweg Saldotheorie entwickelt. a) Bei gegenseitigen Verträgen ist bei der Frage, ob der Schuldner etwas erlangt hat, zu berücksichtigen, dass dieser seinerseits eine Gegenleistung weggegeben hat. Folge: Bereicherung besteht von vornherein nur in dem Saldo zwischen dem Wert der empfangenen und weggegebenen Leistung. „Erbrachte Gegenleistung wird zum Abzugsposten“ (Medicus) Bei gleichem Wert von Leistung und Gegenleistung beträgt der Saldo 0. Fallbezogen: K hat gegen V einen Bereicherungs-anspruch in Höhe von 1.000.(5.000.- / 4.000.-); V – K in Höhe von 0 (4.000.- / 5.000.-). b) Bedenken:

10 aa) Saldotheorie wählt den falschen Anknüpfungspunkt: Kondiktionsgegenstand ist nicht die „Bereicherung“, sondern das „Erlangte“. Es geht nicht darum, was der Kondiktionsschuldner weggegeben hat, sondern was mit der untergegangenen Leistung im Empfängervermögen geschieht. Korrektur muss bei § 818 III des K ansetzen, nicht bei Bereicherung des V. bb) Widerspruch zu § 346 III 1 Nr. 3: Risiko zufälligen Untergangs der verkauften Sache trägt beim gesetzlichen Rücktritt (z.B. aufgrund eines Sachmangels) der Verkäufer cc) Saldotheorie versagt bei Vorleistungen! Verkäufer geht leer aus, wenn Käufer Kaufpreis noch nicht bezahlt hat; Wertungswiderspruch, da maßgebliche Umstände (zufälliger Untergang bei K) sich gleichen. dd) Rspr. zu Ausnahmen gezwungen: (1) Saldotheorie nicht anzuwenden, wenn Kondiktionsschuldner minderjährig oder geschäftsunfähig ist arg.: sonst faktische Bindung an den Vertrag; Widerspruch zu §§ 104 ff. (2) Auch bei arglistiger Täuschung Saldotheorie unanwendbar, weil sie Betrüger begünstige. Betrüger stünde bei Anwendung der Saldotheorie besser als derjenige, der bloß mangelhaft liefert. Verkäufer trägt bei unverschuldetem Untergang der mangelhaften Kaufsache Risiko des zufälligen Untergangs (§ 346 III Nr. 3). Ergebnis BGH: Zweikondiktionentheorie; K –V 5000.- ; V – K: 0 (§ 818 III) 2. Gegenposition (Flume, Canaris): Theorie der vermögensmäßigen Entscheidung bzw. der Gegenleistungskondiktion - Anwendung der Zwei-Kondiktionen-Theorie - Aber teleologische Einschränkung des § 818 III: Empfänger muss sich an seiner bewussten vermögensmäßigen Entscheidung, die Sache in sein Vermögen zu inkorporieren, festhalten lassen. a) Grundgedanke: Empfänger der Leistung ist bewusst, dass er Sache auf eigenes Risiko nutzt und bei Verlust sowohl Kaufpreis als auch empfangene Sache verloren ist; K trägt daher auch Risiko des zufälligen Untergangs, § 818 III wird teleologisch reduziert bei gegenseitigen Verträgen b) Konsequenz: K – V: 5000.V – K: 4000.- (keine Anwendung des § 818 III) Differenz: 1000.-

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c) Bedenken: Widerspruch zu den Wertungen des Rücktrittsrechts; bei Rücktritt wegen Sachmangels trägt K gem. § 346 III 1 Nr. 3 nicht das Zufallsrisiko; K haftet nur bei einem Verstoß gegen Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten (= grobe Fahrlässigkeit, § 277); Wertung des § 346 III 1 Nr. 3 muss auch im Bereicherungsrecht gelten. Fallbezogen: - nach Canaris und Flume trifft K das Risiko der Nutzung im Straßenverkehr: V – K: 4000.- m.E. passt Wertung des § 346 III Nr. 3 besser; keine Haftung des K für Zufallsschäden; d.h. K darf sich auf § 818 III berufen (vgl. auch §§ 292, 989: Bereicherungsschuldner haftet selbst bei verschärfter Haftung nur für verschuldeten Untergang) VIII. Gesamtergebnisse: 1. BGH: K bekommt Kaufpreis zurück, ohne Wertersatz leisten zu müssen (Ausnahme von der Saldotheorie) 2. Gleiches gilt, wenn man die Wertungen der § 346 III Nr. 3 und §§ 292, 989 berücksichtigt 3. Flume, Canaris lassen dagegen K haften – trotz arglistiger Täuschung über Sachmängel.

B. Variante: Unfall verschuldet I.

BGH: bei arglistiger Täuschung ist Saldotheorie nicht anwendbar 1. Folge: K kann sich auf Wegfall der Bereicherung gem. § 818 III berufen 2. BGH korrigiert aber Ergebnis bei verschuldetem Untergang; bei Schadensersatzansprüchen des K gegen V ist sein eigenes Verschulden über § 254 BGB zu berücksichtigen, dies müsse auch im Bereicherungsrecht gelten (Hintergrund: merkantiler Minderwert des KfZ infolge Täuschung 100 DM; Unfall führte zu Totalschaden = 7370.- DM).

II. Konsequenzen: 1. Saldotheorie anzuwenden; Gegenleistung des V als Abzugsposten ist jedoch um seinen Verschuldensanteil zu kürzen (§ 254 I) 2. Sofern Verschulden des Käufers beim Unfall deutlich überwiegt, bleibt es sogar beim vollen Abzug der Gegenleistung bei V. K erhält dann nur die Differenz zwischen Kaufpreis und Wert des untergegangenen Autos.

12 II. Theorie der vermögensmäßigen Entscheidung: 1. K haftet bereits bei zufälligem Untergang; erst recht bei Verschulden; § 818 III ( - ). 2. Bei verschuldetem Untergang spricht Wertung des § 346 III Nr. 3 für eine Haftung des K; dies gilt bei Vertretenmüssen des V (wie hier), würde aber erst recht gelten, wenn V den Grund der Rückabwicklung nicht zu vertreten hätte. 3. Kürzung des Wertersatzanspruchs V/K gem. § 818 II wegen der arglistigen Täuschung des V (§ 254 I analog) nicht gerechtfertigt, da (und sofern) der Mangel, den V verschwiegen hat, nicht für den Unfall verantwortlich war (vgl. auch § 346 III Nr. 2). Saldotheorie und Theorie der vermögensmäßigen Entscheidung erzielen gleiches Ergebnis: K bekommt nur die Differenz zwischen Kaufpreis und Wert des - mangelhaften - Pkw.

C. Deliktische Ansprüche bei unverschuldetem Untergang I. K gegen V: §§ 823 II BGB, 263 StGB; 826 BGB 1. Tatbestand: unproblematisch 2. Problem ausschließlich Schadensberechnung gem. § 249 a) Reale Lage: K hat Kaufpreis bezahlt 5.000 €, Auto im Wert 4.000 € erhalten, aber Zerstörung: ± 0 Differenz: 5.000.b) Hypothetische Lage: Kauf eines anderen Fahrzeugs für € 5.000; dafür Auto erhalten 5.000 € ( + ) Differenz: 0 c) Gesamtdifferenz: Kaufpreiszahlung ist der Schaden des K. 3. Bedenken: Unfall ist zwar Folge der Täuschung, steht aber nicht in innerem Zusammenhang mit dieser. Konsequenz: Untergang des Pkw nicht in der Bilanz zu berücksichtigen reale Lage: K hat Auto im Wert von 4.000 € erhalten (Differenz nicht 5.000.-, sondern 1.000.- ). Ergebnis: Schaden des K = 1.000.-

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A.A. BGH: Untergang des Autos zu Lasten des V zu berücksichtigen, da Käufer davor bewahrt werden soll, dass man ihm Sachen arglistig "aufschwatzt". Bedenken: kein Risikozusammenhang zwischen Täuschung und Unfallrisiko.

II. Gesamtergebnis: Schadensersatz K – V 1000.- (aA BGH: 5.000.-) D. Variante: Deliktische Ansprüche, wenn K Unfall verschuldet hat I. Deliktische Ansprüche K gegen V: §§ 823 II, 263 StGB; 826 BGB II. Schadensberechnung: § 249 1. Bei verschuldetem Unfall ist § 254 auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen. Schaden des K: Kaufpreiszahlung (5.000.- €) 2. Von den 5.000 € Kaufpreis ist deshalb der Anteil des Mitverschuldens des K abzuziehen. U.U. voller Verlust des Schadensersatzanspruchs, weil Täuschung nicht schwerwiegend Bsp. nach BGH-Fall: - merkantiler Minderwert aufgrund der Täuschung 100.- DM - Wert des zerstörten Fahrzeugs 7370. – DM. Fallbezogen: Minderwert aufgrund Täuschung 1.000.- / Wert des zerstörten Fahrzeugs 4000 € (= 25%) Vertretbare Schadensberechnung: K trägt ¾ des Schadens (= Kaufpreiszahlung 5.000.-) = 3750.K erhält 1250.- des Kaufpreises zurück.

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