Anspruch des Vermieters auf Beseitigung eines auf Balkon gepflanzten Baumes

Herausgeber: Erscheinungsdatum: 12.01.2017   Erscheinungsweise: vierzehntäglich   Bezugspreis: 10,- € monatlich zzgl. MwSt. Norbert Eisenschmid, RA ...
Author: Katja Küchler
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Herausgeber:

Erscheinungsdatum: 12.01.2017   Erscheinungsweise: vierzehntäglich   Bezugspreis: 10,- € monatlich zzgl. MwSt.

Norbert Eisenschmid, RA

1/2017 Inhaltsübersicht: Anm.

1

Anspruch des Vermieters auf Beseitigung eines auf Balkon gepflanzten Baumes Anmerkung zu LG München I, Beschluss vom 08.11.2016, 31 S 12371/16 von Carsten Herlitz, RA und Lehrbeauftragter der EBZ Business School, Berlin  

Anm.

2

Belehrung über nicht bestehendes Widerrufsrecht stellt keinen Ausschlusstatbestand für Mieterhöhungsverlangen dar Anmerkung zu AG Berlin-Mitte, Urteil vom 09.06.2016, 10 C 109/15 von Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, RiAG, Universität Bielefeld  

Anm.

3

Pflicht zur Berücksichtigung einer erhöhten Rohrwärmeabgabe bei Abrechnung der Heizkosten innerhalb einer WEG Anmerkung zu AG Wuppertal, Urteil vom 01.06.2016, 91b C 162/14 von Dietmar Wall, RA  

Anm.

4

Verwalterhaftung wegen verzögerter Instandsetzung Anmerkung zu LG Hamburg, Urteil vom 08.06.2016, 318 S 18/15 von Dr. Werner Niedenführ, Vors. RiOLG  

Anm.

5

Kein Unterlaufen der Wirkungen des Entziehungsurteils Anmerkung zu BGH, Urteil vom 18.11.2016, V ZR 221/15 von Dr. Johannes Hogenschurz, Vors. RiLG, Köln  

Anm.

6

Schadensersatzanspruch des ehemaligen Vermieters gegen ausgezogenen Mieter bei nicht hinterlegter neuer Adresse Anmerkung zu AG Bochum, Urteil vom 16.09.2016, 55 C 61/16 von Dr. Richard Gies, RiLG a.D.  

Zitiervorschlag: Herlitz, jurisPR-MietR 1/2017 Anm. 1 ISSN 1860-157X juris GmbH, Gutenbergstraße 23, D-66117 Saarbrücken, Tel.: 0681/5866-0, Internet: www.juris.de, E-Mail: [email protected] Der juris PraxisReport sowie die darin veröffentlichten Anmerkungen sind urheberrechtlich geschützt. Kein Teil darf (auch nicht auszugsweise) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form reproduziert werden. © juris GmbH 2017

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1 Anspruch des Vermieters auf Beseitigung eines auf Balkon gepflanzten Baumes Leitsatz: Das Pflanzen von Bäumen auf einem Balkon bzw. einer Loggia ist grundsätzlich nicht mehr vom üblichen Mietgebrauch gedeckt (§ 535 Abs. 1 Satz 1 BGB). Dem Anspruch des Vermieters auf deren Beseitigung (§§  541, 1004 BGB) steht insbesondere auch Art. 20a GG nicht entgegen.

Anmerkung zu LG München I, Beschluss vom 08.11.2016, 31 S 12371/16  

von Carsten Herlitz, RA und Lehrbeauftragter der EBZ Business School, Berlin

A. Problemstellung

Die Wünsche und Bedürfnisse der Menschen sind höchst unterschiedlich. Dies gilt auch für Mieter. Insofern war hier zu entscheiden, ob das Pflanzen eines Baumes vom üblichen Mietgebrauch abgedeckt ist. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin verlangt als Vermieterin von dem Beklagten als Mieter einer Zwei-Zimmerwohnung in einem Wohnhaus in der Münchner Innenstadt (Maxvorstadt) die Beseitigung eines Baumes (Bergahorn), den der Beklagte auf seiner zur gemieteten Wohnung gehörenden Loggia gepflanzt hat. Dieser Baum war zunächst als junger Baum klein und in einem Topf gepflanzt gewesen. Über Jahre hinweg ist der Baum gewachsen. Da der Holzkasten, in welchem der Baum zunächst gepflanzt war, mittlerweile teilweise verrottet ist, steht der Baum nunmehr direkt in der Erde auf dem Boden der Loggia, welche sich im dritten und letzten Stockwerk des Gebäudes befindet. Der Baum ist zudem eigens mit „3 Ketten und speziellen Spiralen als Ruckdämpfer“, welche an der Hauswand verankert sind, gesichert. Das Amtsgericht hatte den Beklagten mit Endurteil vom 02.06.2016 verurteilt, den Ahorn-

baum samt Erdreich und Wurzelwerk fachgerecht dauerhaft zu beseitigen (§§  541, 1004 BGB). Zur Begründung hat es insbesondere ausgeführt, dass die Pflanzung des Baumes sich nach der Verkehrsanschauung nicht im Rahmen des vertragsmäßigen Gebrauchs i.S.d. §  535 Abs. 1 BGB hält. Zudem gehe von solchen Bäumen die Gefahr aus, dass sie umstürzen, da sie auf Loggien in Wohnhäusern keine genügende Verwurzelung ausbilden können. Die seitens des Beklagten angebrachte Stahlsicherung bedürfe der Erlaubnis des Vermieters, da die zum Befestigen verwendeten Dübel nicht den sonst üblichen Dübeln im Wohnungsinneren zum Anbringen von Regalen entsprechen würden. Auch verändere der streitgegenständliche Baum das äußere Erscheinungsbild des Hauses deutlich, dessen Gestaltung gemäß § 903 BGB dem Vermieter zustehe. Dem gegenüber ergebe sich aus Art. 20a GG – nach Wortlaut und systematischer Stellung – als Staatsziel für den Beklagten keine grundrechtlich geschützte Position. Der Beseitigungsanspruch sei auch nicht verjährt, da es sich bei dem Pflanzen eines Baumes, welcher sich – etwa im Gegensatz zu einer Parabolantenne – fortlaufend verändere, um eine Dauerhandlung handle. Hiernach habe die Verjährung in dem Zeitpunkt begonnen, in dem die Klägerin von dem unmittelbaren Wachsen des Baumes auf dem Balkon und von der Stahlkonstruktion Kenntnis hatte oder in Folge grober Fahrlässigkeit keine Kenntnis hatte. Der Beklagte hatte insoweit keinen früheren Termin als im Jahr 2015 benannt. Schließlich sei der Beseitigungsanspruch mangels Umstandsmoment auch nicht verwirkt, da der Beklagte keine Dispositionen von solchem Ausmaß getroffen hätte, dass nunmehr die Beseitigung des Baumes nicht mehr zumutbar wäre. Gegen das Urteil legte der Beklagte Berufung ein. Jedoch ohne Erfolg. Die streitgegenständliche Nutzung eines Balkons bzw. einer Loggia entspricht auch nach Ansicht des LG München nicht der allgemeinen Nutzung, auch wenn der Prozessbevollmächtigte des Beklagten auf dem Balkon seiner Münchener Altbauwohnung mehrere Bäume gepflanzt haben mag und es auch sog. Baumfassaden – welche dann vermutlich auch als solche (städtebaulich) konzipiert und/oder vom Eigentümer akzeptiert sind – in Deutschland geben sollte.

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Die vorliegende Pflanzung komme aufgrund ihres Umfanges praktisch schon einer baulichen Veränderung gleich. Jedenfalls sei ein Balkon bzw. eine Loggia keine Fläche, auf der solche Pflanzungen üblich oder vorgesehen seien. Der Bergahorn, welcher bis zu 40 Meter hoch werden und einen Stammumfang bis zu zwei Metern erreichen könne, finde seine Verwendung hauptsächlich als Garten-, Straßen-, Park- und Waldbaum (vgl. Baumportal.de unter: https:// www.baumportal.de/Bergahorn.htm). Insbesondere sei er als sog. Tiefwurzler (vgl. Baumportal.de; a.a.O.) für die Bepflanzung eines Balkons ersichtlich auch nicht geeignet. Zudem sei aus den vorgelegten Lichtbildern erkennbar, dass durch die streitgegenständliche Nutzung das Erscheinungsbild der Hausfassade optisch beeinträchtigt werde. So sei die Krone des Baumes relativ groß, ungleichmäßig und würde sogar über das Dach des Hauses hinausragen. Die Loggia sei von außen betrachtet kaum noch zu erkennen. Der vom Beklagten genannte „Durchgrünungseffekt“ verändere – entgegen der Ansicht des Beklagten – das Erscheinungsbild des Gebäudes nicht zu seinem Vorteil, sondern erzeuge einen eher ungepflegten Eindruck. Dass eine dauerhafte optische Veränderung des Erscheinungsbildes des Gebäudes eine Beeinträchtigung des Eigentumsrechts des Vermieters und grundsätzlich ein rechtliches Argument für die Verpflichtung zur Beseitigung darstelle, habe der BGH in zahlreichen Entscheidungen zu den Parabolantennen festgestellt (vgl. z.B. BGH, Urt.  v. 10.10.2007 - VIII ZR 260/06). Auch das BVerfG (z.B. BVerfG, Urt. v. 09.02.1994 - 1 BvR 1687/92) habe das Interesse des Eigentümers an der Bewahrung des Erscheinungsbildes seines Hauses als ein rechtlich relevantes Interesse anerkannt. Dem stehe kein überwiegendes berechtigtes Interesse seitens des Beklagten gegenüber. Insbesondere werde er durch die Beseitigung in seinem Mietgebrauch der Loggia oder auch in seinem Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit nicht bzw. nicht wesentlich oder unzumutbar eingeschränkt. Unabhängig von der Frage, ob sich der Beklagte überhaupt auf Art.  20a GG (Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen) – als formuliertes Staatsziel und nicht als ein Grundrecht – im Wege mittelbarer

Drittwirkung berufen könne, sei der darin genannte Inhalt – Schutz der künftigen Generationen, der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere – durch die Beseitigung des einzelnen Baumes auf dem Balkon des Mietshauses in einer Großstadt nicht bzw. keinesfalls wesentlich berührt. Ein absolutes Verbot der Entfernung von Bäumen lasse sich aus dem Art. 20a GG jedenfalls nicht entnehmen. Es sei jeweils im Einzelfall ein „stetiger Schutzgüter- und Interessenausgleich sowie eine dem Verhältnismäßigkeitsprinzip entsprechende Lösung der Konflikte zwischen Umweltinteressen einerseits und sonstigen Interessen andererseits (sog. praktische Konkordanz) zu suchen und zu finden“ (Westphal, Art. 20a GG - Staatsziel „Umweltschutz“, JuS 2000, 339, 340). Sofern der Beklagte als Beispiel u.a. die Parabolantennen anführe, so sei dort auf Seiten des jeweiligen Mieters – im Gegensatz zum vorliegenden Fall – ein Grundrecht, nämlich Art. 5 GG (Meinungs- und Informationsfreiheit), unmittelbar betroffen. Aber auch in diesen Fällen sei nach der Rechtsprechung jeweils eine fallbezogene Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles erforderlich, für die sich jede schematische Lösung verbiete (vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2007 - VIII ZR 207/04; BVerfG, Urt. v. 09.02.1994 - 1 BvR 1687/92). Auch diese Abwägung würde aufgrund der oben genannten Gesichtspunkte hier zu keinem anderen Ergebnis führen. C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung des Landgerichts ist natürlich richtig. Ein Baum, der rund 40 m hoch werden kann, ist mit dem ordnungsgemäßen Gebrauch der Mietsache nicht vereinbar. Zieht man die Parallele zum Balkon, so bedürfen bauliche Veränderungen – die hier aufgrund der Größe des Baumes angenommen werden kann – der Genehmigung des Vermieters, wenn sie nach außen sichtbar sind und das Erscheinungsbild des Hauses beeinträchtigen. Der Hinweis des Beklagten auf Art.  20a GG trägt ebenfalls nicht. Art. 20a GG gewährt keinen subjektiven Schutzanspruch, sondern ist objektives Verfassungsrecht. Art.  20a GG weist den Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen als Staatsziel aus. Der Gesetzgeber hat die Norm bewusst nicht unter die Grundrechte im ersten Abschnitt des Grundgesetzes eingereiht, sondern die verfas-

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sungsrechtliche Verankerung erst im zweiten Grundgesetzabschnitt und hier in räumlich-inhaltlicher Nähe zu den Staatsstrukturprinzipien aus Art. 20 GG vorgenommen (vgl. BT-Drs. 14/8860). Insofern trägt der Vergleich mit den Entscheidungen zur Anbringung einer Parabolantenne nicht. Hier ist eine Abwägung mit dem unmittelbar zur Entfaltung kommenden Grundrecht der Informations- und Meinungsfreiheit vorzunehmen. D. Auswirkungen für die Praxis

Unabhängig von dem hier zu entscheidendem Besprechungsfall, bestätigt das Urteil bei Fragestellungen des üblichen Mietgebrauchs die immer im Einzelfall vorzunehmende Abwägung der unterschiedlichen Interessen. Eine schematische Darstellung verbietet sich. 2 Belehrung über nicht bestehendes Widerrufsrecht stellt keinen Ausschlusstatbestand für Mieterhöhungsverlangen dar Orientierungssatz: Wenn der Vermieter dem Mieter mit dem Mieterhöhungsverlangen eine Widerrufsbelehrung übersandt und ihm ein 14-tägiges Widerrufsrecht eingeräumt hat, führt die Erklärung des Widerrufs nach zunächst erteilter Zustimmung seitens des Mieters nicht dazu, dass das Rechtsschutzinteresse des Klägers an einer Klage auf Zustimmung zur Mieterhöhung entfällt, wenn aus dem Mieterhöhungsverlangen eindeutig hervorgeht, dass der Vermieter bei Nichtvorliegen einer Zustimmungserklärung nach Ablauf einer bestimmten Frist seinen Anspruch gerichtlich durchsetzen wird.

Anmerkung zu AG Berlin-Mitte, Urteil vom 09.06.2016, 10 C 109/15  

von Prof. Dr. Ulf P. Börstinghaus, RiAG, Universität Bielefeld

A. Problemstellung

Seit Inkrafttreten des „Gesetzes zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung“ v. 20.09.2013 (BGBl I 2013, 3642) ist immer wieder strittig, ob dem Mieter ein Widerrufsrecht hinsichtlich seiner Zustimmung zur Mieterhöhung gemäß § 558a BGB zusteht. Hintergrund ist, dass der Vermieter dem Mieter in Textform, regelmäßig per Brief, das Zustimmungsverlangen zukommen lässt. Das ist gemäß § 312c Abs. 2 BGB die Verwendung eines Fernkommunikationsmittels. Antwortet nun der Mieter ebenfalls per Brief/Fax/E-Mail oder mündlich am Telefon, so könnte bei oberflächlicher Betrachtung ein Fernabsatzvertrag vorliegen, der wiederum ein Widerrufsrecht gemäß §  355 BGB beinhalten würde. Seit Juni 2014 überlegen deshalb Vermieter, ob sie sozusagen „sicherheitshalber“ über das Widerrufsrecht belehren sollen, damit zumindest für den Fall, dass die Gerichte ein solches Recht bejahen sollten, das Widerrufsrecht nur zeitlich befristet ausgeübt werden kann. Und genau mit einer solchen „Sicherheitsbelehrung“ und den Rechtsfolgen hat sich das AG Berlin-Mitte in der vorliegenden Entscheidung beschäftigt. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die klagende Vermieterin verlangte die Zustimmung zu einer Mieterhöhung für die von dem Beklagten bewohnte Wohnung mit Schreiben vom 18.06.2015. Dem Schreiben war eine Widerrufsbelehrung beigefügt. Der Beklagte stimmte dem Mieterhöhungsverlangen zunächst am 21.08.2015 zu und widerrief seine Zustimmung sodann am 31.08.2015. Der beklagte Mieter vertrat die Auffassung, das von der Klägerin eingeräumte Widerrufsrecht könne nur so verstanden werden, dass bei Ausübung des Widerrufs die Klägerin auf die Durchsetzung ihres Zustimmungsverlangens verzichte. Diese Auffassung war erkennbar falsch. Das AG Berlin-Mitte hat sich dabei nur sehr kurz mit der Problematik beschäftigt und dabei zwei verschiedene Überlegungen angestellt: Das Gericht scheint dabei zunächst davon auszugehen, dass der Widerruf die erteilte Zustimmung gar nicht hat unwirksam werden lassen, so dass es gar keiner Zustimmungsklage mehr

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bedurft hätte. Es meint nämlich, dass die Ausübung des Widerrufs nach zunächst erteilter Zustimmung seitens des Beklagten nicht dazu führe, dass das Rechtsschutzinteresse der Klägerin entfalle. Wenn der Mieter nämlich vorprozessual wirksam zugestimmt hat, dann ist der Zustimmungsanspruch durch Erfüllung untergegangen. Die Zustimmungsklage wäre dann unbegründet. Mit dem Rechtsschutzbedürfnis hat das nicht unbedingt etwas zu tun. Es geht damit nur um die Frage, ob eine Zustimmung vorliegt oder nicht. Das scheint das Gericht aber zu verneinen. Bei der zweiten Argumentation vertritt das Gericht nämlich die Auffassung, dass der Beklagte seine zunächst erteilte Zustimmung widerrufen habe, so dass zum 31.08.2015 keine Zustimmungserklärung vorgelegen habe. In einem zweiten kurzen Argumentationsstrang vertritt das Amtsgericht die Auffassung, dass die Einräumung eines Widerrufsrechts nicht erkennen lasse, dass die Klägerin ihr Zustimmungsverlangen dann nicht mehr geltend machen will, sofern der Erklärungsempfänger von dem eingeräumten Widerrufsrecht Gebrauch mache. Ein entsprechender Erklärungsinhalt sei der Widerrufsbelehrung weder ausdrücklich noch konkludent zu entnehmen. Das Interesse der Klägerin an der Durchsetzung des Zustimmungsverlangens bleibe hiervon unberührt. Die Interessen des Mieters als Erklärungsempfänger seien ausreichend geschützt. Dem Beklagten sei ein gesetzlicher Überlegungszeitraum gemäß §  558b Abs.  2 BGB eingeräumt worden. Binnen dieser Zeit habe der Mieter ausreichend Gelegenheit das Mieterhöhungsverlangen inhaltlich zu überprüfen. Auch habe die Klägerin durch die beigefügte Widerrufsbelehrung nicht den Anschein gesetzt, sie werde auf ihr Zustimmungsverlangen verzichten. Aus dem Mieterhöhungsverlangen gehe eindeutig hervor, dass die Klägerin bei Nichtvorliegen einer Zustimmungserklärung bis zum 31.08.2015 ihren Anspruch gerichtlich durchsetzen werde. C. Kontext der Entscheidung

Die Entscheidung ist im Ergebnis richtig. Die Begründung überzeugt aber nicht. Als erstes hätte geprüft werden müssen, ob der Zustimmungsanspruch noch besteht. Da die Voraussetzungen hierfür sämtlichst wohl vorlagen, da das Gericht die Tatbestandsmerkmale

der §§  558, 558a BGB nicht weiter problematisiert, ging es nur um die Frage, ob der Anspruch durch Erfüllung untergegangen ist. Das wäre dann der Fall, wenn der Mieter vor Anhängigkeit der Klage bereits die verlangte Zustimmung erteilt hätte. Dann wäre Erfüllung eingetreten. Da der Mieter zunächst die Zustimmung erteilt hat, läge nur dann keine Erfüllung vor, wenn der Mieter die Zustimmung wirksam widerrufen hätte. Der Mieter wäre dann gemäß §  355 Abs.  1 Satz 1 BGB nicht mehr an seine Willenserklärung gebunden. In Betracht käme dabei zunächst ein gesetzliches Widerrufsrecht gemäß den §§  312c, 355 BGB. Voraussetzung dafür ist zunächst, dass die Klägerin Unternehmerin und der Mieter Verbraucher ist. Letzteres ist regelmäßig unproblematisch. Schwierig ist die Beantwortung der ersten Frage. Sie hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Im Tatbestand und den Entscheidungsgründen fehlen dazu jegliche Angaben. Bei Wohnungsunternehmen ist das auch unproblematisch. Schwieriger ist die Frage bei kleineren Privatvermietern zu beantworten. Ausschlaggebend ist dabei der Umfang der mit der Vermögensverwaltung verbundenen Geschäfte. Handelt es sich um die Vermietung oder Verpachtung von Immobilien, so ist nicht deren Größe entscheidend, sondern Umfang, Komplexität und Anzahl der damit verbundenen Vorgänge. Ein ausgedehntes oder sehr wertvolles Objekt an eine geringe Anzahl von Personen zu vermieten, hält sich daher grundsätzlich im Rahmen der privaten Vermögensverwaltung. Dagegen spricht die Ausrichtung auf eine Vielzahl gleichartiger Geschäfte für ein professionelles Vorgehen. Wenn hier auf Vermieterseite ein Unternehmer gehandelt haben sollte, wäre die strittige Frage zu beantworten, ob hier ein Fernabsatzgeschäft vorliegt. Das ist aber nicht der Fall (AG Gelsenkirchen, Urt. v. 27.04.2016 - 202 C 3/16 - WuM 2016, 360; AG Berlin-Mitte, MM 2016, Nr 9, 30; AG Spandau, Urt.  v. 27.10.2015 - 5 C 267/15 - Grundeigentum 2015, 1463; LG Berlin, Urt. v. 14.09.2016 - 18 S 357/15 - Grundeigentum 2016, 1391; Mediger, NZM 2015, 185; Artz/Brinkmann/Pielsticker, ZAP Fach 4, 16391648; Beuermann, Grundeigentum 2015, 561; Hinz, WuM 2016,76, 84). Zwar ist in §  312c Abs.  2 BGB der Brief als Fernkommunikationsmittel ausdrücklich er-

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wähnt, insofern hat sich aber zur früheren Rechtslage nichts geändert. Auch in §  312b Abs.  2 BGB a.F. war der Brief bereits erwähnt worden. Zur alten Fassung wurde aber niemals die Auffassung vertreten, dass das Mieterhöhungsverfahren nach den §§  558a, 558b BGB ein Fernabsatzgeschäft ist. Auch die Tatsache, dass der Gesetzgeber im Gesetz zur Umsetzung der Verbraucherrechterichtlinie und zur Änderung des Gesetzes zur Regelung der Wohnungsvermittlung über den sich aus Art. 3 Abs. 3f) ergebenden Regelungsumfang der Verbraucherrechterichtlinie die §  312ff. BGB gemäß §  312 Abs. 4 BGB auch für Wohnraummietverträge für anwendbar erklärt, ändert daran nichts. Das bedeutet nur, dass rein theoretisch auch Mietverträge und Änderungen von Mietverträgen im Fernabsatz möglich sind. Allein ein Briefwechsel über eine Mieterhöhung stellt aber noch kein Fernabsatzgeschäft dar. Dazu ist es nämlich zusätzlich erforderlich, dass der Vertragsschluss im Rahmen eines für den Fernabsatz organisierten Vertriebs- oder Dienstleistungssystems erfolgt. Dabei handelt es sich um eine selbstständige zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung neben der Verwendung des Fernkommunikationsmittels. Damit sind die typischen Vertriebsformen von Waren, Dienstleistungen und Finanzdienstleistungen im Internet gemeint. Die normale – schriftliche – Korrespondenz mit meinem Vertragspartner stellt kein solches Dienstleistungssystem dar. Eine solche einschränkende Auslegung des Begriffs des „Systems“ ergibt sich sowohl aus dem Sinn und Zweck der Vorschrift, wie auch aus der Gesetzgebungsgeschichte. Die Dienstleistung, die der Vermieter erbringt, ist die Gebrauchsüberlassung der Mietsache. Anders als bei den üblichen Fernabsatzgeschäften kennt der Mieter seinen Vertragspartner, nämlich den Vermieter, und die Ware, nämlich die Wohnung. Auch deshalb fehlt es an der Legitimation für ein Widerrufsrecht. Dass Vertragsänderungen, insbesondere Mieterhöhungen, nach §  558a Abs.  1 BGB in einer bestimmten Form, nämlich Textform erfolgen müssen, bedeutet nicht, dass damit alle Erklärungen in Textform widerruflich sind. Dagegen spricht auch, dass der Gesetzgeber dem Mieter sogar eine Frist von max. drei Monaten eingeräumt hat, zu überlegen, ob er der Erhöhung zustimmen will.

satzgeschäft macht. Die von §  312c BGB geschützte Vertragsfreiheit besteht im Zustimmungsverfahren auch nur eingeschränkt, weil der Vermieter einen durchsetzbaren Anspruch auf die Zustimmung hat, so dass hier die Verbraucherrechterichtlinie von Sinn und Zweck nicht passt. Der Mieter begeht sogar eine vertragliche Pflichtverletzung gemäß §  280 BGB, wenn er einem berechtigten Zustimmungsverlangen des Vermieters nicht fristgerecht zustimmt. Hinzukommen muss zusätzlich das besondere Vertriebssystem. Daran fehlt es üblicherweise bei einem Mieterhöhungsverlangen in Textform. Auch der Zweck der §§ 558 ff. BGB als Surrogat für das Verbot der Änderungskündigung spricht gegen die Anwendung der Widerrufsrechte. Außerdem würde es wegen der Klagefrist zu nicht gewollten Rechtsfolgen kommen können, da der Widerruf selbst bei ordnungsgemäßer Belehrung nach Ablauf der Klagefrist erfolgen könnte.

Wortlaut und Gesetzgebungsgeschichte sprechen deshalb dafür, dass der Brief allein einen Vertragsschuss nicht zu einem Fernab-

Zuletzt müsste man in einem Urteil wohl auf die weit hergeholte Argumentation des Mieters eingehen, wonach in der – vertraglichen – Einräu-

Es stellt sich dann die Frage, ob allein durch die Aufnahme einer Widerrufsbelehrung in das Zustimmungsverlangen ein vertragliches Widerrufsrecht dem Mieter eingeräumt wurde. Ob das der Fall ist, ist bekanntlich strittig (dafür: BGH, Urt. v. 30.06.1982 - VIII ZR 115/81 - NJW 1982, 2313; OLG Brandenburg, Urt. v. 06.04.2011 - 7 U 137/10; a.A. LG Neuruppin, Urt. v. 17.02.2016 - 5 O 9/15; offengelassen von BGH, Urt.  v. 06.12.2011 - XI ZR 401/10 - NJW 2012, 1066; BGH, Urt. v. 22.05.2012 - II ZR 148/11). Wenn das Amtsgericht der Auffassung gewesen sein sollte, dass hier durch die Beifügung einer Widerrufsbelehrung ein vertragliches Widerrufsrecht begründet worden ist, dann hat der Mieter rechtzeitig widerrufen und die Verurteilung geht in Ordnung. Wenn man der Auffassung folgt, dass durch die vorsorgliche Aufnahme der Widerrufsbelehrung kein über die gesetzlichen Möglichkeiten hinausgehendes Recht begründet werden sollte, dann lag eine Zustimmung vor. Die Klage hätte abgewiesen werden müssen. Möglich wäre dann allenfalls eine Feststellungsklage dahingehend, festzustellen, dass der Mieter wirksam zugestimmt hat. Diese hätte auch hilfsweise erhoben werden können. Und dafür hätte wegen der Rechtsunsicherheit dann auch das vom Gericht angesprochene Rechtsschutzbedürfnis bestanden.

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mung eines Widerrufsrechts zugleich ein Verzicht auf die Geltendmachung des gesetzlich bestehenden Zustimmungsanspruchs zu sehen sei. Ein solcher Ausschluss könnte sich ggf. aus § 557 Abs. 3 HS. 2 BGB ergeben. Danach müsste sich der Ausschluss aus den Umständen ergeben. Das ist hier mit Sicherheit nicht der Fall. Eine vertragliche Vereinbarung liegt schon deshalb nicht vor, weil in der einseitigen Einräumung des Widerrufsrechts schon keine vertragliche Vereinbarung zu sehen ist. Auch ein möglicher einseitiger Verzicht auf das Erhöhungsrecht scheidet aus. Der Vermieter wollte vorsichtig sein und hat vorsorglich belehrt. Damit wollte er aber auf seine eigenen Rechte keinesfalls verzichten. Dafür bestand auch kein Anlass.

die Pflicht, die Heizkosten nach den Vorgaben dieser Richtlinie zu verteilen. § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkV ist zwingend anzuwenden, auch wenn es sich um eine "Kann-Bestimmung" handelt. Außerdem sind die Heizkosten bei einer erhöhten Rohrwärme nur mit 50% verbrauchsabhängig und entsprechend mit 50% verbrauchsunabhängig zu verteilen. Anderslautende Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft entsprechen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und können gerichtlich für ungültig erklärt werden.

Anmerkung zu AG Wuppertal, Urteil vom 01.06.2016, 91b C 162/14  

D. Auswirkungen für die Praxis

Die Entscheidung zeigt deutlich, welche Folgeprobleme entstehen, wenn über das nicht bestehende Widerrufsrecht belehrt wird. Bisher gibt es keine einzige – veröffentlichte – Entscheidung, die dem Mieter ein Widerrufsrecht nach den Vorschriften des Fernabsatzgesetzes hinsichtlich seiner Zustimmungserklärung nach §  558b BGB zugebilligt hat. Die vorsorgliche Beifügung einer Widerrufsbelehrung kann aber mit guten Gründen auch als vertragliche Einräumung eines solchen Rechts verstanden werden. Das Verfahren wird dann richtig problematisch, wenn der Mieter weniger als 14 Tage vor Ablauf der Klagefrist die Zustimmung erteilt. Das ist zwar verspätet, aber trotzdem wirksam. Wenn der Vermieter dann auf die Zustimmungsklage verzichtet und der Mieter nach Ablauf der Klagefrist widerruft, dann hat der Vermieter keine Chance, seinen Zustimmungsanspruch mehr einzuklagen. 3 Pflicht zur Berücksichtigung einer erhöhten Rohrwärmeabgabe bei Abrechnung der Heizkosten innerhalb einer WEG Orientierungssatz zur Anmerkung: Sind die Anwendungsvoraussetzungen der VDI-Richtlinie 2077 für die Berücksichtigung einer erhöhten Rohrwärme erfüllt, besteht

von Dietmar Wall, RA

A. Problemstellung

Die Kombination aus Einrohrheizung und elektronischen Heizkostenverteilern kann Schwierigkeiten bei der Abrechnung der Heizkosten bereiten, wenn die Wärmeabgabe durch freiliegende Heizungsrohre in den Wohnungen nicht erfasst wird. Dies hat zur Folge, dass die Heizkosten ungleich auf die Parteien verteilt werden. Seit dem Jahr 2009 gibt es in der Heizkostenverordnung hierzu eine Regelung. §  7 Abs.  1 Sätze 3 und 4 HeizkV sehen vor, dass der Verbrauch – gemeint ist der nicht erfasste Verbrauch – nach den anerkannten Regeln der Technik bestimmt und auf die einzelnen Nutzer verteilt werden „kann“. Die Anwendung dieser Regelung korrigiert Verzerrungen bei der Kostenverteilung. Problematisch ist, dass es sich um eine „KannBestimmung“ handelt. Die Anwendung ist in das Ermessen gestellt. Im konkreten Fall beschloss die Mehrheit der Wohnungseigentümer, nicht hierauf zurückzugreifen und lehnte es zudem ab, den Verteilerschlüssel für die Heizkosten von 50% zu 50% abzuändern. Die Eigentümergemeinschaft hielt daran fest, mit einem hohen verbrauchsabhängigen Anteil von 70% abzurechnen. Dies hatte zur Folge, dass sich die Verteilungsfehler vergrößerten. Eigentümer, die mit hohen Heizkosten belastet wur-

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den, wandten sich gegen die entsprechenden Beschlüsse der Gemeinschaft. Das Amtsgericht hatte zu entscheiden, ob die Eigentümermehrheit beschließen kann, dass eine Minderheit ihre Heizkosten zum Teil mitbezahlt. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die streitenden Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Das Objekt wird mit einer Einrohrheizungsanlage beheizt. Zur Erfassung des individuellen Wärmeverbrauchs sind an den Heizkörpern elektronische Heizkostenverteiler angebracht. Die Heizungsrohre sind nicht bzw. nur unzureichend gedämmt. In Wohnungen, die näher am Anfang des Heizungsstrangs liegen, ist die Rohrwärmeabgabe höher als in Wohnungen am Ende des Heizungsstrangs. Der Verwalter übermittelte den Eigentümern die Heizkostenabrechnung für den Abrechnungszeitraum 2013 in zwei Versionen. In der ersten Version wurden die Heizkosten unter Anwendung von §  7 Abs.  1 Satz 3 HeizkV nach der VDI-Richtlinie mit Berücksichtigung der erhöhten Rohrwärme verteilt. Auf Grundlage des sog. Bilanzverfahrens wurden zusätzlich Verbrauchseinheiten für die Rohrwärme berechnet und auf die Wohnungen umgelegt. Die später erstellte und damit maßgebliche zweite Version der Heizkostenabrechnung enthielt keine Berechnungen zur Rohrwärme. Die Heizkosten wurden mit 70% verbrauchsabhängig und mit 30% nach dem Verhältnis der beheizten Flächen abgerechnet. Vier Eigentümer, die teilweise in unterschiedlichen Häusern wohnten, wandten sich gegen diese Heizkostenabrechnung. Sie machten geltend, dass die unterbliebene Anwendung des VDI-Verfahrens sie erheblich benachteiligt. Es ergaben sich folgende Unterschiede bei den Kostenbelastungen: Eigentümerin L – mit VDI-Verfahren: 2.168,75 Euro, ohne VDI-Verfahren: 3.102,94 Euro, Eigentümer M – mit VDI-Verfahren: 1.472,62 Euro, ohne VDI-Verfahren: 3.874,51 Euro, Eigentümerin S – mit VDI-Verfahren: 1.216,64 Euro, ohne VDI-Verfahren: 2.790,04 Euro,

Eigentümer E – mit VDI-Verfahren: [keine Angabe], ohne VDI-Verfahren: 3.935,01 Euro. Anlässlich der Eigentümerversammlung im Jahr 2014 stellten einige der Eigentümer die Anträge, ab dem Abrechnungsjahr 2015 das VDI-Verfahren zu berücksichtigen und den Umlagemaßstab auf 50% zu 50% zu ändern. Das lehnte die Mehrheit per Beschluss ab. Außerdem beschloss die Eigentümermehrheit, die Jahresabrechnung für 2013 in der Version ohne angewandtes VDI-Verfahren sowie darauf basierend den Wirtschaftsplan für 2014 zu genehmigen. Die vier Eigentümer erhoben Klage gegen die Wohnungseigentümergemeinschaft. Sie halten die Ergebnisse der beschlossenen Abrechnung für grotesk und völlig unrealistisch. Das begründen sie damit, dass nur ein Teil der Eigentümer von der Wärme profitiere, die über die Rohrleitungen abgegeben werde. In Wohnungen, die weit abseits der zentralen Heizanlage gelegen seien, entstehe in massiver Weise ein Heizkostenmehrverbrauch. Diese Eigentümer subventionierten andere Eigentümer, deren Wohnungen über einen entsprechenden Lagevorteil verfügten. § 7 Abs. 1 Satz 3 HeizkV sei gerade im Hinblick auf Heizungsanlagen wie im vorliegenden Fall geschaffen worden. Hierbei handele es sich zwar um eine Kannbestimmung. Die Anwendung liege grundsätzlich im Ermessen des Gebäudeeigentümers. Das Ermessen sei jedoch sachgerecht und nach §  315 BGB im Rahmen der Billigkeit auszuüben. Die Kostenverteilung nach den allgemeinen Vorschriften entspreche nicht mehr billigem Ermessen. Es sei daher eine Ermessensreduzierung auf Null gegeben. Die beklagte Eigentümergemeinschaft hat entgegengehalten, dass nach dem gerichtlich eingeholten Gutachten zunächst Mängel an der Heizungsanlage zu beseitigen seien. Die Anwendung der VDI-Richtlinie setze voraus, dass eine ordnungsgemäße Wärmeversorgung in sämtlichen Wohnungen gegeben sei. Dazu müssten spezielle Ventile in drei Steigleitungen in den Abgängen zu jeder Wohnung eingebaut werden. Darüber hinaus sei ein hydraulischer Abgleich notwendig. Da keine ordnungsgemäße Wärmeverteilung erfolge, könne keine ordnungsgemäße Verbrauchswärme und auch keine Rohrwärme ermittelt werden, die zu einer

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gerechteren Abrechnung der Heizkosten führen würde. Das AG Wuppertal hat die gefassten Beschlüsse für ungültig erklärt. Die angefochtenen Beschlüsse zur Abrechnung der Heizkosten entsprechen nach Auffassung des Amtsgerichts nicht ordnungsgemäßer Verwaltung, da sie die klagenden Eigentümer erheblich benachteiligen. Die Eigentümer hätten dem Beschlussantrag auf Anwendung der Richtlinie VDI 2077 zustimmen müssen. Der Sachverständige habe festgestellt, dass die Voraussetzungen dieser Richtlinie vorlägen. Der Gutachter habe auch ausgeführt, dass die Anwendung zu einer Annäherung an die tatsächlichen Verhältnisse führe. Es habe eine Ermessensreduzierung für die Verteilung der Heizkosten nach §  7 Abs.  1 Satz 3 HeizkV und der Anwendung der VDI-Richtlinie bestanden. Hierzu hatte das Amtsgericht bereits ein Teilurteil erlassen. Der Umstand, dass Mängel an der Heizungsanlage vorhanden seien und diese künftig beseitigt werden sollen, stehe dem nicht entgegen. Auch bei Anwendung der VDI-Richtlinie sei es sachgerecht, zusätzlich den Verteilungsschlüssel auf 50% zu 50% zu ändern. Bei diesem Einrohrsystem sei dieser Umlagemaßstab sinnvoller.

ge, ob die Anwendung des VDI-Verfahrens im Ermessen der Wohnungseigentümer steht. Zum anderen befasst es sich damit, ob die Heizkosten in einer solchen Liegenschaft mit einem hohen verbrauchsabhängigen Kostenanteil von 70% abgerechnet werden dürfen. Das Urteil fügt sich in die hierzu ergangene Rechtsprechung ein. 1. Verpflichtende Anwendung von §  7 Abs. 1 Satz 3 HeizkV Nach §  7 Abs.  1 Satz 3 HeizkV kann der Wärmeverbrauch in Gebäuden, in denen die freiliegenden Leitungen überwiegend ungedämmt sind und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, nach den anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden. Damit wird Bezug genommen auf die VDIRichtlinie 2077, „Verfahren zur Berücksichtigung der Rohrwärmeabgabe“. Der Verweis auf die anerkannten Regeln der Technik ist als „Kann“-Bestimmung ausgestaltet. Diese Formulierung erklärt sich womöglich dadurch, dass nicht in allen Fällen, in denen die freiliegenden Leitungen überwiegend ungedämmt sind und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, auf die VDI-Richtlinie zurückzugreifen ist. Das stünde in Einklang mit den Regeln, die der VDI erstellt hat.

C. Kontext der Entscheidung

Im Übrigen sind sich die Gerichte einig, dass die Anwendung der VDI-Richtlinie 2077 nicht ins Belieben des Gebäudeeigentümers gestellt ist. Sie behelfen sich mit einer „Ermessensreduzierung auf Null“. Das ist ein Begriff aus dem Verwaltungsrecht. Er umschreibt, dass eine Behörde in besonderen Fällen verpflichtet ist, einzuschreiten oder eine bestimmte Maßnahme zu treffen, obwohl das Gesetz ihr ein Ermessen einräumt. In Rohrwärmefällen kann – zumindest in entsprechender Anwendung – auf §  315 BGB zurückgegriffen werden. Andere Gerichte stützen sich auf die Grundsätze von Treu und Glauben nach § 242 BGB. Sind die Anwendungskriterien der VDI-Richtlinie erfüllt, besteht kein Ermessensspielraum mehr (LG München I, Urt. v. 19.12.2013 - 36 S 12255/12).

Gegenstand dieser Entscheidung sind im Wesentlichen zwei Problemkreise im Zusammenhang mit einer erhöhten Rohrwärmeabgabe. Zum einen behandelt das Amtsgericht die Fra-

Nach Auffassung der meisten Gerichte besteht eine Verpflichtung zur Anwendung von §  7 Abs.  1 Satz 3 HeizkV nur in gravierenden Fällen, wenn einzelne Nutzer andernfalls erheb-

Anzuführen seien die Urteile des AG Neuss, Urt. v. 14.06.2012 - 84 C 5219/11 - ZMR 2013, 235 und des AG Berlin-Lichtenberg, Urt.  v. 14.09.2011 - 119 C 14/11 - Grundeigentum 2011, 1631. Bei einer Kostenverteilung mit einem hohen verbrauchsabhängigen Anteil von 70% und nur einem sehr geringen gemessenem Verbrauch müsse es sich den Eigentümern aufdrängen, dass die „Vielverbraucher“ die „Wenigverbraucher“ subventionierten. Das sei mit dem wohnungseigentumsrechtlichen Rücksichtnahmegebot nicht zu vereinbaren.

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lich benachteiligt würden. Dazu müsse der Anteil des erfassten Wärmeverbrauchs (sog. Verbrauchswärmeanteil) deutlich unter dem kritischen Grenzwert von 34% liegen (LG Siegen, Urt.  v. 12.05.2015 - 1 S 121/11 - WuM 2015, 433 für einen Anteil von 17% bis 18%; LG Leipzig, Beschl.  v. 07.10.2013 - 2 S 66/13 - WuM 2014, 30 für einen Anteil von 26,1% und 20,3%; LG Neubrandenburg, Beschl. v. 27.03.2013 - 1 S 75/12 - WuM 2013, 541; AG Augsburg, Urt. v. 28.10.2015 - 73 C 936/13 - WuM 2015, 736 mit zustimmender Anm. Pfeifer, WuM 2016, 32; Langenberg in: Zehelein/Langenberg, Betriebskosten- und Heizkostenrecht, Teil K, Rn. 175; Pfeifer, Die neue Heizkostenverordnung, § 7 Anm. 2 h). Nach zutreffender Ansicht ist das Verfahren stets anzuwenden, wenn die Voraussetzungen nach der VDI-Richtlinie erfüllt sind. Diese Vorgaben sind bereits so ausgestaltet, dass sie sich auf gravierende Fälle beschränken. Auf das VDIVerfahren ist erst zurückzugreifen, wenn die Wärmeabgabe durch (freiliegende) Heizungsrohre („Rohrwärme“) mindestens 20% der Wärme ausmacht, die in den Wohnungen freigesetzt wird. (Der sog. Verbrauchswärmeanteil beträgt dann 34%.) Die 20%-Grenze entspricht dem Willen der Bundesregierung, die die Heizkostenverordnung erlassen hat (Beschl. v. 19.09.2008, BR-Drs. 570/08 (Beschluss), Anlage, S. 2.; Empfehlung des Ausschusses für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung für den Bundesrat, BR-Drs. 570/1/08, S. 4. Hier ist etwas missverständlich von 20% des Wärmeverbrauchs die Rede, gemeint sind 20% des Wärmeverbrauchs in den Wohnungen.). Überschreitet der Rohrwärmeanteil diese Grenze, besteht nach zutreffender Auffassung kein Ermessensspielraum mehr. 2. Sachgerechter Umlagemaßstab für Gebäude mit erhöhter Rohrwärme Nach der VDI-Richtlinie ist das Verfahren zur Berücksichtigung einer erhöhten Rohrwärmeabgabe mit einem Verteilerschlüssel von 50% zu 50% zu kombinieren. Für Gebäude, in denen die freiliegenden Heizleitungen überwiegend ungedämmt sind, ist generell ein niedriger verbrauchsabhängiger Anteil von 50% anzusetzen (Begr. der BReg. zur Änderung der Verordnung über Heizkostenabrechnung, BR-Drs. 570/08, S.  14; Emmert in: Hannemann/Wiek/Emmert, Handbuch des Mietrechts, §  14 Rn.  235; Pfei-

fer, Grundeigentums 2009, 156, 160). Eine Kostenverteilung mit 70% zu 30% ist nicht als sachgerecht anzusehen, wenn es wegen der Rohrwärmeabgabe zu Kostenverzerrungen bei der Verteilung der Heizkosten kommt (vgl. dazu LG Mühlhausen, Urt.  v. 29.01.2009 - 1 S 182/08 - WuM 2009, 234, mit Anm. Wall, WuM 2009, 221; AG Neuss, Urt.  v. 14.06.2012 - 84 C 5219/11 - ZMR 2013, 235; AG Berlin-Lichtenberg, Urt.  v. 14.09.2011 - 119 C 14/11 Grundeigentum 2011, 1631 mit Anm. Wall, jurisPR-MietR 4/2012 Anm.  2). Auch andere Gerichte als vorliegend das AG Wuppertal haben bereits entschieden, dass der Beschluss einer Wohnungseigentümergemeinschaft, in derartigen Fällen mit einem hohen verbrauchsabhängigen Umlagemaßstab abzurechnen, ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht (AG Düsseldorf, Urt. v. 13.07.2012 - 292a C 9136/09 - ZMR 2013, 311; AG Berlin-Lichtenberg, a.a.O.). 3. Mängel der Heizungsanlage Die beklagte Eigentümergemeinschaft hat argumentiert, dass erst Mängel an der Heizungsanlage zu beheben sind, bevor die Rohrwärme bei der Abrechnung der Heizkosten zu berücksichtigen ist. Auch die VDI-Richtlinie enthalte einen entsprechenden Hinweis. Der Sachverständige habe in einem selbstständigen Beweisverfahren den Einbau von Regulierungsventilen und einen hydraulischer Abgleich angeraten. Diese Argumentation beruht auf einem Missverständnis. Es werden gewissermaßen Ursache und Wirkung vertauscht. Ein Einrohrheizungssystem muss systembedingt mit höheren Vorlauftemperaturen betrieben werden. Es lässt sich nicht vermeiden, dass ein Teil der Wärme über das Rohrleitungssystem abgegeben wird und entsprechend weniger Wärme an den Heizkörpern ankommt. Wenn der Wärmeanteil, der an den Heizkörpern erfasst wird, jedoch auffällig niedrig ist, muss die Ursache auch in der Betriebsweise und dem Zustand der Heizungsanlage gesucht werden. Ein unzureichender Anlagenzustand hat auch eine erhebliche Energieverschwendung und Mehrkosten für die Beheizung des Gebäudes zur Folge. Die VDI-Richtlinie 2077 enthält Empfehlungen zur Verringerung der Rohrwärmeabgabe. Eine einfache Maßnahme besteht darin, die Vorlauftemperaturen zu senken. Bei vielen Einrohrheizungen ist die Heizungskurve unnötig hoch eingestellt. Weitere Empfehlungen sind ein hydraulischer Abgleich

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sowie die Auswahl geeigneter Heizungspumpen, die sich automatisch an den Leistungsbedarf anpassen. Außerdem kann eine möglichst manipulationssichere Dämmung der Heizungsrohre in den beheizbaren Räumen die Verteilungsfehler aufgrund der Rohrwärmeabgabe beseitigen oder zumindest abmildern. Nach Durchführung derartiger Maßnahmen, verringert sich die Rohrwärmeabgabe. Die Ungleichheiten bei der Kostenverteilung werden abgemildert. Womöglich sind die Anwendungsvoraussetzungen für das VDI-Verfahren dann nicht mehr erfüllt, und es kann hierauf verzichtet werden. Wird der Anlagenbetrieb hingegen nicht verbessert, bleibt die Anwendung der VDI-Richtlinie erst recht notwendig. D. Auswirkungen für die Praxis

Eine erhöhte Rohrwärme im Gebäude hat zur Folge, dass die Heizkosten nicht sachgerecht verteilt werden. Kann die Mehrheit der Eigentümer darüber entscheiden, dass eine Minderheit Ihre Heizkosten größtenteils mitträgt? Das Gericht hat solchen Beschlüssen der Wohnungseigentümer Grenzen gesetzt. Es kann nicht der freien Entscheidung der Eigentümergemeinschaft unterliegen, ob einzelne Eigentümer erheblich benachteiligt werden. Das VDIVerfahren zur Berücksichtigung einer erhöhten Rohrwärmeabgabe ist zwingend anzuwenden, um eine verursachungsgerechte Kostenverteilung zu ermöglichen. Offenbleibt, ob das stets gilt, wenn die Anwendungsmerkmale des VDI-Verfahrens erfüllt sind oder nur bei gravierenden Kostenverschiebungen. Die Anwendungsgrenzen des VDI-Verfahrens sind so festgelegt, dass es nicht in allen Gebäuden mit einer Rohrwärmeproblem anzuwenden ist. Es greift erst ein, wenn der sog. Rohrwärmeanteil mehr als 20% ausmacht. (Der Rohrwärmeanteil gibt wieder, welcher Anteil der in den Wohnungen abgegebenen Heizwärme nicht von den Heizkostenverteilern erfasst wird.) Das entspricht einem Verbrauchswärmeanteil von 34%. (Der Verbrauchswärmeanteil gibt wieder, welcher Anteil der in das Gebäude eingeflossenen Heizwärme an den Heizkörpern angekommen und von den Heizkostenverteilern erfasst wurde.) Ein häufiges Missverständnis ist, dass eine herkömmliche Abrechnung der Heizkosten für Ge-

bäude mit einem Einrohrheizungssystem und ungedämmten, auf den Wänden verlaufenden Heizleitungen in den beheizbaren Räumen stets zu gravierenden Kostenverzerrungen führt. Das ist nicht der Fall. Es kommt darauf an, ob ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird und die erfassten Verbrauchseinheiten stark voneinander abweichen. Das bestimmt sich nach den vom VDI festgelegten Kriterien. Neben dem Verbrauchswärmeanteil gibt es zwei weitere Anwendungskriterien für die Anwendung der VDI-Richtlinie, den Anteil der Niedrigverbraucher und die Standardabweichung der Verbrauchswerte. Diese Erwägungen sprechen dafür, immer auf die VDI-Richtlinie zurückzugreifen, wenn ihre Voraussetzungen vorliegen. Das gilt nicht nur für das Wohnungseigentum, sondern entsprechend auch für Gebäude mit Mietwohnungen. 4 Verwalterhaftung wegen verzögerter Instandsetzung Leitsätze: 1. Der Sondereigentümer ist in den Schutzbereich des Verwaltervertrages einbezogen (LG Hamburg ZMR 2014, 664). 2. Der Verwalter ist weisungsgebundener Sachwalter und primär Vollzugsorgan der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Wenn beschlossen wurde, dass nach Vorlage eines Gutachtens "in Abstimmung mit dem Beirat" eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen ist, dann hat der Verwalter kein Ermessen, ob er einberufen will. Er darf sich lediglich terminlich mit dem Beirat abstimmen. Für die Zeit der Verzögerung haftet der Verwalter auf Schadensersatz.

Anmerkung zu LG Hamburg, 08.06.2016, 318 S 18/15

Urteil

 

von Dr. Werner Niedenführ, Vors. RiOLG

vom

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A. Problemstellung

Unter welchen Voraussetzungen haftet der Verwalter von Wohnungseigentum für einen Mietausfallschaden wegen Verzögerungen bei der Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums? B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin verlangt vom Verwalter der Wohnungseigentumsanlage wegen Verzögerung der Sanierung von Gemeinschaftseigentum die Zahlung von 17.281,62 Euro als Ersatz für einen Mietausfall während 18 Monaten. Die Klägerin informierte den Beklagten in der ersten Jahreshälfte 2010, dass sich in ihrer Eigentumswohnung Risse an den Decken zeigen. Der Beklagte ließ im Anschluss an das von ihm eingeholte Gutachten vom 02.12.2010 die Decken stützen und weitere Untersuchungen durchführen. In der nächsten ordentlichen Eigentümerversammlung vom 17.05.2011 wurde dann zu TOP 7 beschlossen: „... einen Bausachverständigen mit der Feststellung der Ursache für den Deckenriss zu beauftragen. Nach Vorliegen der entsprechenden Aussage ist in Abstimmung mit dem Verwaltungsbeirat eine außerordentliche Versammlung einzuberufen.“ Der Bausachverständige legte sein Gutachten am 11.08.2011 vor. In der nächsten ordentlichen Versammlung vom 04.07.2012 wurde die Einholung von Angeboten und in der außerordentlichen Versammlung vom 02.08.2012 die Auftragsvergabe beschlossen. Nach Abschluss der Sanierung Ende 2012 war die Wohnung ein weiteres Jahr lang nicht vermietet. Das Amtsgericht hatte die Klage abgewiesen, weil der Beklagte keine Pflichten verletzt habe. Die Berufung war teilweise erfolgreich. Das Landgericht hat einen Anspruch auf Schadensersatz i.H.v. 11.521,08 Euro (Mietausfall für 12 Monate) gemäß §  280 Abs.  1 Satz 1 BGB wegen Verletzung der Pflicht des Beklagten, als Verwalter Beschlüsse der Wohnungseigentümer umzusetzen, bejaht. Die Klägerin sei klagebefugt und aktivlegitimiert, da sie in den Schutzbereich des Verwaltervertrages einbezogen sei. Der Beklagte habe seine Pflichten aus diesem Vertrag verletzt, indem er entgegen dem Beschluss vom 17.05.2011 zu TOP 7 keine außerordentliche

Versammlung einberufen habe. Der Beschluss sei objektiv dahin auszulegen, dass der Beklagte, sobald das Gutachten vorliege, ohne erneute Aufforderung zwingend eine außerordentliche Versammlung einzuberufen hatte. Die Formulierung „in Abstimmung mit dem Beirat“ habe kein Ermessen für das „ob“ der Einberufung eröffnet, sondern nur eine terminliche Absprache ermöglichen sollen. Dieser Verpflichtung sei der Beklagte nicht nachgekommen, da er erst zum 04.07.2012 die nächste ordentliche Eigentümerversammlung einberufen habe. Der Beklagte habe die Pflichtverletzung auch zu vertreten. Er habe zumindest fahrlässig gehandelt, wenn er den Beschluss falsch ausgelegt habe. Der Klägerin sei durch die Pflichtverletzung des Beklagten für 12 Monate ein Mietausfall entstanden. Hätte der Beklagte pflichtgemäß eine außerordentliche Versammlung einberufen, wären die Sanierungsarbeiten – ausgehend von ihrer tatsächlichen Dauer – spätestens bis Ende Dezember 2011 abgeschlossen worden. Die Wohnung hätte daher ab Januar 2012 vermietet werden können. Die bis zum Abschluss der Arbeiten im Schlafzimmer stehenden Deckenstützen hinderten jedoch die Vermietbarkeit der Wohnung. Der Klägerin habe bewiesen, dass sie ihre Wohnung ab Januar 2012 zu einem monatlichen Mietzins von 960,09 Euro netto hätte vermieten können. Die unterbliebene Vermietung ab 2013 erlaube nicht den Schluss auf eine fehlende Vermietungsabsicht der Klägerin, da unstreitig wegen eines Wasserschadens im Anschluss an die Sanierung die Wohnung erneut unvermietbar gewesen sei. Ein weitergehender Anspruch der Klägerin bestehe nicht. Zu Recht habe das Amtsgericht eine Pflichtverletzung des Beklagten im Hinblick auf die fehlende Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung nach dem Gutachten vom 02.12.2010 verneint. C. Kontext der Entscheidung

Eine pflichtwidrig verzögerte Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums kann zu Schäden führen, die allein einen einzelnen Wohnungseigentümer betreffen. Denkbar sind dann Schadenersatzansprüche gegen die übrigen Wohnungseigentümer, gegen die Wohnungsei-

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gentümergemeinschaft als Verband und gegen den Verwalter. Fehlt es bereits an einer rechtzeitigen Beschlussfassung über notwendige Verwaltungsmaßnahmen, kommt ein Anspruch des geschädigten Sondereigentümers gegen diejenigen Wohnungseigentümer in Betracht, die schuldhaft entweder untätig geblieben sind oder nicht für die erforderliche Maßnahme gestimmt bzw. sich enthalten haben (BGH, Urt. v. 17.10.2014 V ZR 9/14 Rn. 21 - ZMR 2015, 241; BGH, Urt. v. 25.09.2015 - V ZR 246/14 Rn. 15 - ZWE 2016, 136). Eine Haftung des Verbands kommt nach der Rechtsprechung des BGH bei einer verzögerten Umsetzung eines Sanierungsbeschlusses in Betracht (BGH, Urt.  v. 13.07.2012 - V ZR 94/11 Rn. 7 - NJW 2012, 2955; vgl. auch BGH, Urt. v. 17.10.2014 - V ZR 9/14 Rn.  25 m.w.N. - ZMR 2014, 241 m.w.N. zur Kritik an dieser Ansicht; BGH, Urt. v. 25.09.2015 - V ZR 246/14 Rn. 15 ZWE 2016, 136). Unabhängig von einer Haftung der Wohnungseigentümer oder des Verbandes kommen Ansprüche des Sondereigentümers gegen den Verwalter wegen der Verletzung von Pflichten aus dem Verwaltervertrag in Betracht. Der Verwaltervertrag, der zwischen dem Verwalter und dem Verband geschlossen wird, entfaltet nach ganz h.M., der das LG Hamburg zu Recht folgt, auch Schutzwirkungen zugunsten der einzelnen Wohnungseigentümer. Ein Wohnungseigentümer kann daher bei Verletzung einer Vertragspflicht, die bei ihm zu einem Vermögensschaden – etwa durch einen Mietausfall – geführt hat, aus eigenem Recht vertragliche Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter geltend machen (vgl. etwa Vandenhouten, ZWE 2012, 237 m.w.N.). Pflichtverletzungen des Verwalters im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums sind sowohl vor als auch nach einer Beschlussfassung der Wohnungseigentümer denkbar. Soweit es um Pflichtverletzungen im Vorfeld der Beschlussfassung geht, ist zu beachten, dass es in erster Linie Sache der Wohnungseigentümer selbst ist, für die Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu sorgen (§ 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG). Die Pflicht des Verwalters aus § 27 Abs. 1

Nr.  2 WEG besteht deshalb in erster Linie nur darin, die erforderlichen Maßnahmen festzustellen, die Wohnungseigentümer hierüber zu unterrichten und deren Entscheidung herbeizuführen. Insoweit hat der Verwalter hier nach den Feststellungen des LG Hamburg keine Pflichten verletzt. Er hat nach dem ersten Gutachten vom 02.12.2010 für Sicherungsmaßnahmen und weitere Untersuchungen zur Schadensursache gesorgt. Es erscheint vertretbar, dass er eine Entscheidung der Wohnungseigentümer erst in der nächsten ordentlichen Versammlung am 17.05.2011 herbeigeführt hat. Mit Recht bejaht das LG Hamburg eine Pflichtverletzung bei der Umsetzung des Beschlusses vom 17.05.2011 zu TOP 7. Der Verwalter hat die gefassten Beschlüsse gemäß § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG unverzüglich umzusetzen (BGH, Urt.  v. 18.02.2011 - V ZR 197/10 Rn. 20 m.w.N. - WuM 2011, 310). Kommt der Verwalter damit in Verzug, so haftet er für den einem Wohnungseigentümer entstandenen Schaden (vgl. etwa BayObLG, Beschl. v. 05.01.2000 - 2Z BR 85/99 - NZM 2000, 501, 502). Zutreffend legt das LG Hamburg den Beschluss vom 17.05.2011 zu TOP 7 dahin aus, dass die Einberufung einer außerordentlichen Eigentümerversammlung nach Vorliegen des Gutachtens zwingend geboten war. Das Verständnis, das der Beklagte dem Beschluss beilegen will, ist angesichts des Interesses aller Wohnungseigentümer schnellstmöglich für eine Sanierung des gemeinschaftlichen Eigentums zu sorgen fernliegend. Der Beklagte hat somit seine Pflicht aus § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG, unverzüglich nach Eingang des Gutachtens eine außerordentliche Eigentümerversammlung einzuberufen, schuldhaft verletzt, wodurch nach den Feststellungen des LG Hamburg der zuerkannte Schaden entstanden ist. Ob die Haftung des Verwalters für den Verzögerungsschaden erfordert, dass die Verzugsvoraussetzungen vorliegen, hat das LG Hamburg nicht geprüft. Seine Aussage, es habe keiner erneuten Aufforderung zur Einberufung einer Versammlung bedurft, deutet aber darauf hin, dass das LG Hamburg verzugsbegründende Maßnahmen als nicht notwendig ansah. In der Tat dürften hier wohl die Voraussetzungen des §  286 Abs. 2 Nr. 4 BGB zu bejahen sein, weil die Abwägung der Interessen ergibt, dass ausnahmswei-

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se der sofortige Eintritt des Verzuges gerechtfertigt ist. D. Auswirkungen für die Praxis

Je nach Art des Schadens ist es für den Zeitraum vor der Beschlussfassung oft schwierig, den Pflichtenkatalog des Verwalters im konkreten Fall genau zu bestimmen. Ist aber ein Beschluss gefasst, bestimmt dieser das Pflichtenprogramm des Verwalters. Der Verwalter ist daher im eigenen Interesse gehalten, sich die aus dem Beschluss folgenden Handlungspflichten bewusst zu machen und möglichst konkret zu formulieren. 5 Kein Unterlaufen der Wirkungen des Entziehungsurteils Leitsatz: Der Ersteher einer Eigentumswohnung verletzt die Pflicht nach § 14 Nr. 1 WEG, wenn er die Nutzung durch den früheren Wohnungseigentümer, dem das Wohnungseigentum nach § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG entzogen worden ist, nicht beendet, sondern ihm den Besitz an dem Sondereigentum weiter überlässt; die anderen Wohnungseigentümer können verlangen, dass er dem früheren Wohnungseigentümer den Besitz entzieht.

Anmerkung zu BGH, Urteil vom 18.11.2016, V ZR 221/15  

von Dr. Johannes Hogenschurz, Vors. RiLG, Köln

A. Problemstellung

Wer als Wohnungseigentümer trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen seine Pflichten gemäß § 14 WEG verstößt, so dass den übrigen Wohnungseigentümern die Fortsetzung der Gemeinschaft mit ihm nicht mehr zugemutet werden kann, der kann gemäß §  18 Abs.  2 Nr.  1 WEG verpflichtet werden, sein Wohnungseigentum zu verkaufen. § 14 Nr. 1 WEG, die „goldene Regel“ des Wohnungseigentumsrechts, ver-

pflichtet jeden Wohnungseigentümer, von Gemeinschafts- und Sondereigentum nur in solcher Weise Gebrauch zu machen, dass dadurch keinem der anderen Wohnungseigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus ein Nachteil erwächst. Es geht also um die Abmeierung von Störenfrieden in der Wohnanlage, die „ausflippen“ (Deckert, NZM 2011, 648). Wird ein Wohnungseigentümer verurteilt, sein Wohnungseigentum zu veräußern, kann diese Pflicht gemäß §  19 WEG durch Zwangsversteigerung nach dem ZVG vollstreckt werden. Die Veräußerung oder die Zwangsversteigerung ändern aber nichts an dem tatsächlichen Störungspotential, wenn der Erwerber oder Ersteher den Störenfried in der Wohnung belässt. Dass dem Erwerber oder Ersteher deshalb das Wohnungseigentum gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG seinerseits entzogen werden kann, ist für die übrigen Wohnungseigentümer kein Trost, die eine tatsächliche Widerherstellung des Hausfriedens wollen und nach einem möglichst effektiven Rechtsschutz fragen. Diesen Weg zeigt die vorliegende Entscheidung dogmatisch überzeugend auf und versperrt Umgehungsmodellen den Weg; sie klärt dabei auch wichtige Details zum Verhältnis der Ansprüche aus § 15 Abs. 3 WEG und § 1004 Abs. 1 BGB. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Ein Ehepaar, Eigentümer eines Wohnungseigentums, ist wegen Beleidigungen, Bedrohungen und einer Körperverletzung zum Nachteil eines Wohnungseigentümers sowie wegen seines gewaltsamen Auftretens gegenüber dem Gärtner zur Veräußerung seines Wohnungseigentums gemäß §  18 WEG verurteilt worden. Im Zwangsversteigerungsverfahren erhielt die Beklagte zu 1., eine aus den Beklagten zu 2. und 3. bestehende Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), den Zuschlag. Das Ehepaar wohnte weiter in der Wohnung. Die (zur Geltendmachung durch Eigentümerbeschluss ermächtigte) Wohnungseigentümergemeinschaft erreichte vor dem Berufungsgericht die Verurteilung aller Beklagten dazu, ein etwaiges bestehendes Nutzungsverhältnis mit den Eheleuten unverzüglich zu beenden und diesen den Besitz an der Wohnung zu entziehen. Der BGH hat nur die Verurteilung der Beklagten zu 1. bestätigt.

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Die Beklagte zu 1. sei zur Unterlassung der Störung gemäß §  15 Abs.  3 WEG verpflichtet. Die Ausübung dieses den einzelnen Wohnungseigentümern zustehenden Unterlassungsanspruchs habe die Wohnungseigentümergemeinschaft durch Mehrheitsbeschluss gemäß §  10 Abs.  6 Satz 3 HS.  2 WEG an sich ziehen können. Ein Verstoß der Beklagten zu 1. gegen die Pflichten aus § 14 Nr. 1 WEG liege darin, dass sie die Nutzung durch das Ehepaar nicht beendet habe, sondern ihnen den Besitz an dem Sondereigentum weiter überlasse, obwohl diesen das Wohnungseigentum gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG entzogen worden sei. Das Entziehungsurteil binde gemäß § 10 Abs. 4 WEG auch die Beklagte zu 1. als neue Wohnungseigentümerin. Das Entziehungsurteil verpflichte allerdings nur den verurteilten Wohnungseigentümer zur Veräußerung des Wohnungseigentums, gebe aber der Wohnungseigentümergemeinschaft keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der Wohnung. Räumung und Herausgabe könne vielmehr der Erwerber vom bisherigen Eigentümer verlangen; beim Erwerb durch Zuschlag in der Zwangsversteigerung ergebe sich dieser Anspruch aus § 93 ZVG (KG Berlin, Urt. v. 10.09.2015 - 8 U 94/15). Durch das Entziehungsurteil stehe aber auch gegenüber dem Erwerber fest, dass der Verbleib des früheren Wohnungseigentümers in der Wohnung den übrigen Wohnungseigentümern unzumutbar sei; sein Handeln in der Vergangenheit trage die Prognose, dass er auch künftig nicht von seinem gemeinschaftsschädigenden Verhalten Abstand nehmen werde. Überlasse der Ersteher dem früheren Wohnungseigentümer gleichwohl den Besitz an dem Sondereigentum, wären die übrigen Wohnungseigentümer gezwungen, die Hausgemeinschaft mit dem früheren Wohnungseigentümer fortzusetzen, und so würden die Wirkungen des Entziehungsurteils unterlaufen (BayObLG, Beschl. v. 04.06.1998 - 2Z BR 19/98 - NJW-RR 1999, 452, 453). Diese Erwägungen gälten unabhängig davon, ob es zeitlich nach dem Entziehungsurteil zu weiteren Störungen des Hausfriedens durch den früheren Wohnungseigentümer gekommen sei, denn der pflichtwidrige Gebrauch des Erstehers bestehe darin, dass er dem früheren Eigentümer, dem das Wohnungseigentum gemäß § 18 Abs. 2 Nr. 1 WEG entzogen worden sei, den Besitz weiter überlasse, und nicht darin, dass er neue Störungen des früheren Wohnungseigentümers nicht unterbinde (§  14 Nr.  2 WEG); es bedür-

fe also keiner gegenwärtigen Eigentumsstörung durch den früheren Wohnungseigentümer. Der Anspruch gemäß §  15 Abs.  3 WEG sei auf die Entziehung des Besitzes an dem Sondereigentum gerichtet. Weil sich der pflichtwidrige Gebrauch nur durch aktives Eingreifen, nämlich durch die Beendigung der Wohnnutzung und Herausgabe der Wohnung verhindern lasse, schulde der zur Unterlassung verpflichtete Ersteher ausnahmsweise das erforderliche positive Tun (vgl. BGH, Urt. v. 12.06.2015 - V ZR 168/14, Rn. 27). Welche Maßnahmen der Ersteher ergreife, um dem verurteilten früheren Eigentümer den Besitz zu entziehen, bleibe grundsätzlich ihm überlassen. Das sei nicht anders als bei der Verurteilung eines Wohnungseigentümers wegen Eigentumsstörungen durch seinen Mieter (vgl. BGH, Beschl.  v. 04.05.1995 - V ZB 5/95). Ebenso wenig von Bedeutung sei eine etwaige vertragliche Verbindung der Beklagten zu 1. als Ersteher zu den Eheleuten als frühere Eigentümer, denn die wechselseitigen Pflichten der Wohnungseigentümer werden durch die mietvertragliche Bindung weder erweitert noch beschränkt (BGH, Beschl.  v. 21.06.1974 - V ZR 164/72 - BGHZ 62, 388, 393; BGH, Beschl.  v. 04.05.1995 - V ZB 5/95 - BGHZ 144, 200, 204; BGH, Urt.  v. 16.05.2014 - V ZR 131/13 , Rn.  14); das gelte ebenso für die Überlassung aufgrund einer sonstigen Nutzungsvereinbarung. Schließlich sei der Unterlassungsanspruch nicht durch die Möglichkeit ausgeschlossen, gegen den Ersteher die Entziehungsklage zu erheben (vgl. dazu KG Berlin, a.a.O.), weil er dem Wohnungseigentümer, dem das Wohnungseigentum nicht nur wegen Zahlungsverzugs entzogen worden sei, den Besitz an dem Sondereigentum belasse. Denn die Entziehungsklage sei das letzte Mittel zur Wiederherstellung des Gemeinschaftsfriedens gegen Störenfriede (vgl. BVerfG, Beschl. v. 14.07.1993 - 1 BvR 1523/92 NJW 1994, 241); demgegenüber erscheine das Verlangen, eine gegen § 14 Nr. 1 WEG verstoßende Nutzung zu beenden, als milderes Mittel (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 21.10.2008 - I-3 Wx 240/07 - ZWE 2009, 279, 280). Ein Anspruch gegen die Beklagten zu 2. und 3., die Gesellschafter der Beklagten zu 1., bestehe dagegen nicht. Dieser Anspruch folge nicht aus einer analogen Anwendung von § 128 Satz 1 HGB, denn die Unterlassung durch einen Ge-

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sellschafter hätte zwangsläufig einen anderen Inhalt als diejenige der Gesellschaft (vgl. BGH, Urt. v. 20.06.2013 - I ZR 201/11 Rn. 11). Ein Anspruch aus § 15 Abs. 3 WEG bestehe auch nicht, denn diese Vorschrift gelte nur im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer; die Beklagten zu 2. und 3. seien aber keine Wohnungseigentümer.

C. Kontext der Entscheidung

chen Voraussetzungen (vgl. schon BGH, Urt. v. 10.07.2015 - V ZR 169/14 Rn. 18; BGH, Urt. v. 01.06.2012 - V ZR 195/11 Rn.  6). Die Unterschiede sind allerdings in der Praxis selten von Bedeutung (vgl. Schmid, AnwZert MietR 11/2014, Anm. 1; Bruns, NJW 2011, 337): § 15 Abs. 3 WEG gilt nur im Innenverhältnis der Wohnungseigentümer; Mieter von Wohnungseigentümern selbst sind also nicht passivlegitimiert. § 1004 Abs. 1 BGB setzt dagegen eine aktuelle Eigentumsbeeinträchtigung voraus. Bei diesen Unterschieden beginnen die Überlegungen zur Bindung von Mietern an Gebrauchsregelungen der Wohnungseigentümer (vgl. dazu Armbrüster/Müller, ZWE 2007, 227; Timme/Dötsch, BeckOK WEG, Stand: 01.12.2016, §  14 WEG Rn. 94, 114 ff.): Gemäß § 15 Abs. 3 WEG kann jeder Wohnungseigentümer unter anderem einen den Vereinbarungen entsprechenden Gebrauch der im Sondereigentum stehenden Gebäudeteile verlangen. Werden die in der Norm genannten Gebrauchsregelungen nicht eingehalten, liegt hierin zugleich eine Eigentumsbeeinträchtigung durch den Mieter, die Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 BGB ist (BGH, Urt. v. 16.05.2014 - V ZR 131/13 Rn. 7; BGH, Urt. v. 05.12.2014 V ZR 5/14 Rn. 6).

Dogmatisch enthält die Entscheidung zwei wichtige Klärungen:

D. Auswirkungen für die Praxis

Ein Anspruch bestehe schließlich nicht gemäß § 1004 Abs. 1 BGB, denn dieser setze – anders als §  15 Abs.  3 WEG – eine Eigentumsstörung voraus. Diese ergebe sich hier nicht bereits daraus, dass den Eheleuten der Besitz an der Eigentumswohnung der Beklagten zu 1. überlassen wurde, denn diese sei für sich genommen keine Störung des Eigentums der übrigen Wohnungseigentümer. Weil von den Klägern keine aktuellen Störungen geltend gemacht werden, die allein durch eine Beendigung des Besitzes abgewehrt werden könnten, bedürfe es keiner Vertiefung, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschafter einer GbR mittelbare Störer seien (vgl. dazu BGH, Urt.  v. 23.06.2009 - VI ZR 196/08 Rn. 15).

Zunächst ist die Entziehung des Wohnungseigentums wegen fortgesetzter Störungen gemäß §  18 Abs.  2 Nr.  1 WEG abzugrenzen von der Entziehung wegen Beitragsrückständen gemäß §  18 Abs.  2 Nr.  2 WEG; letztere macht den tatsächlichen Verbleib des früheren Wohnungseigentümers in der Wohnung für die übrigen Wohnungseigentümer schon deshalb nicht unzumutbar, weil mit dem Eigentümerwechsel – beim Zuschlag gemäß §  56 Satz 2 ZVG – die Kosten- und Lastentragung auf den neuen Wohnungseigentümer übergeht, also keine (weiteren) Störungen durch Beitragsrückstände des früheren Wohnungseigentümers mehr entstehen können. Zum anderen erhellt die Entscheidung das Verhältnis von §  15 Abs.  3 WEG und §  1004 Abs. 1 BGB weiter. Weil beide Vorschriften unterschiedliche Voraussetzungen haben, gibt es keinen Anspruch aus §  1004 BGB i.V.m. §  15 Abs.  3 WEG; es handelt sich um selbstständige Anspruchsgrundlagen mit unterschiedli-

Besondere praktische Bedeutung gewinnt die Entscheidung aus der Sicht des Erwerbers einer Eigentumswohnung, deren früherer Erwerber zur Veräußerung seines Wohnungseigentums gemäß §  18 Abs.  2 Nr.  1 WEG verurteilt worden ist. Der Erwerber schuldet den übrigen Wohnungseigentümern die tatsächliche Entfernung des Störenfrieds aus der Wohnung. Wird das Entziehungsurteil durch Zwangsversteigerung vollstreckt, so hat der Ersteher gegen den Besitzer aus dem Zuschlagsbeschluss gemäß § 93 Abs. 1 ZVG einen Titel auf Herausgabe. Wenn das Wohnungseigentum vermietet ist, muss der Ersteher die §§ 57 ff. ZVG beachten, insbesondere wegen §  57a Abs.  1 Satz 2 ZVG das Mietverhältnis zum erstmöglichen Zeitpunkt kündigen. Soll die Zwangsversteigerung zur Vollstreckung des Entziehungsurteils durch eine freihändige Veräußerung abgewendet werden, muss der Erwerber im Falle der bestehenden Vermietung

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§ 566 BGB bedenken, also im Kaufvertrag Regelungen treffen, die eine Räumung der Wohnung durch den Störenfried effektiv sicherstellen. Weil der BGH dem Ersteher „alles in seiner Macht Stehende“ aufgibt, damit sein Mieter dem Unterlassungsbegehren Folge leistet, und die Klärung der Erfüllung dieser Pflicht dem Vollstreckungsverfahren überlässt, sei hier kurz an die daraus folgenden Konsequenzen erinnert: Ist dem Wohnungseigentümer durch gerichtliche Entscheidung eine Unterlassungspflicht aufgegeben, ist er auch verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass die unzulässige Nutzung des Sondereigentums durch seinen Mieter unterbleibt (BayObLG, Beschl.  v. 20.12.1990 - 2 Z 154/90 - NJW-RR 1991, 658; BayObLG, Beschl. v. 30.01.1991 - 2 Z 167/90 - WuM 1991, 315; zum Nießbraucher BGH, Urt.  v. 16.05.2014 V ZR 131/13). Dazu gehört auch eine außerordentliche Kündigung (OLG Hamm, Beschl. v. 26.09.1991 - 15 W 127/91 - NJW 1992, 184) oder die Erhebung einer nicht sehr Erfolg versprechenden Klage (OLG Stuttgart, Beschl.  v. 30.09.1992 - 8 W 256/92 - NJW-RR 1993, 24). Nur wenn der Ersteher nachweisen kann, dass er Ansprüche gegen den Störenfried unter keinen Umständen durchzusetzen vermag, wird er von der Leistung frei; selbst bei einem unkündbaren Gebrauchsüberlassungsverhältnis ist es nicht ausgeschlossen, dass sich der neue Eigentümer mit dem Mieter gütlich einigt und sie – erforderlichenfalls unter finanziellen Opfern – zu einer Aufgabe der zu unterlassenden Nutzung veranlasst (vgl. BGH, Urt. v. 16.05.2014 - V ZR 131/13 Rn. 12 f.). Findet sich angesichts dieser Aufgabe kein Erwerber, der das Wohnungseigentum des Störenfriedes – nach dazu ohne Möglichkeit einer vorherigen Innenbesichtigung – ersteigern möchte, bleibt letztlich nur die Möglichkeit, der Wohnungseigentümergemeinschaft selbst den Erwerb der Wohnung zu ermöglichen (vgl. zum Grundstückserwerb durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft grundsätzlich BGH, Urt. v. 18.03.2016 - V ZR 75/15).

6 Schadensersatzanspruch des ehemaligen Vermieters gegen ausgezogenen Mieter bei nicht hinterlegter neuer Adresse Orientierungssatz zur Anmerkung: Zieht der Mieter nach Vertragsende ohne Hinterlassenschaft einer neuen Anschrift aus der Mietwohnung, ist der Vermieter gehalten, sich in zumutbarer Weise um die neue Anschrift zu bemühen. Im Falle einer Substanzverletzung der Mietsache richtet sich der Schadensersatzanspruch des ehemaligen Vermieters nach den §§ 280 Abs. 1, 823 Abs. 1 BGB.

Anmerkung zu AG Bochum, 16.09.2016, 55 C 61/16

Urteil

vom

 

von Dr. Richard Gies, RiLG a.D.

A. Problemstellung

Das AG Bochum hatte sich mit der Frage zu befassen, ob die Vermieterin nach Beendigung des Wohnraummietverhältnisses zur Aufrechnung gestellte Ansprüche gegen den ehemaligen Mieter geltend machen kann, der sich auf seinen Anspruch auf Rückzahlung der Barkaution einschließlich Zinsen berufen hat. Zu klären war, welche Anforderungen an die Darlegung der erforderlichen Tatsachen für die zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche des Vermieters zu stellen sind. Dabei sind namentlich die Probleme zu erörtern, ob die erfolgreiche Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs die Einräumung einer Nachfrist voraussetzt, ferner welche Möglichkeiten dem Vermieter gegeben sind, nachdem der Mieter ohne Hinterlassung einer Anschrift aus dem Mietobjekt ausgezogen ist. B. Inhalt und Gegenstand der Entscheidung

Die Klägerin war ehemalige Mieterin, die Beklagte Vermieterin einer Wohnung. Das Mietverhältnis ist einvernehmlich zum 31.08.2014 beendet worden. Mit der Klage macht die Mieterin ihren Anspruch auf Rückzahlung der bei Mietbe-

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ginn geleisteten Barkaution einschließlich Zinsen geltend. Die Beklagte hat mit einem Anspruch auf Zahlung abgerechneter Betriebskosten und einem Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Beschädigung an einem Waschbecken in der Mietwohnung aufgerechnet. Das AG Bochum hat der Klage in vollem Umfang zugesprochen und die Gegenansprüche der Beklagten über einen Zahlungsbetrag von 356,47 Euro mit der Begründung verneint, die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 Satz 3 BGB greife zu ihren Lasten ein, da nicht innerhalb der Jahresfrist nach Ende der Abrechnungsperiode die Abrechnung bei der ehemaligen Mieterin eingegangen sei. Die Beklagte hätte sich bei der Klägerin telefonisch nach ihrer Anschrift erkundigen müssen, da die Mobiltelefonnummer auf zweien der Beklagten innerhalb der Jahresfrist zugegangenen Schreiben verzeichnet gewesen sei. Die Beklagte habe aber die Sache auf sich beruhen lassen; die verspätet zugegangene Abrechnung habe die Beklagte zu vertreten. Im Hinblick auf den Schaden an dem Waschbecken habe es an einem Verlangen der Beklagten auf Leistungserbringung unter Nachfristsetzung gefehlt; im Übrigen hätten lediglich 70,11 Euro angesichts der Höhe der Klageforderung zur Aufrechnung gestellt werden können, nicht aber 272,51 Euro, nachdem bereits die Aufrechnung mit dem Gegenanspruch auf Zahlung der Betriebskosten erfolgt sei. C. Kontext der Entscheidung

Gegen die Entscheidung des AG Bochum bestehen durchaus Bedenken. Rechtsfehlerfrei hat das Amtsgericht die Forderung der Klägerin auf Rückzahlung der Barkaution nebst Zinsen nicht näher problematisiert, weil die tatsächlichen Voraussetzungen der Forderung nach Beendigung des Mietverhältnisses von der Beklagten nicht bestritten worden waren. Bedenken bestehen aber im Hinblick auf die Beurteilung über die Gegenforderungen der Beklagten. Zutreffend hat das Amtsgericht erkannt, dass die Betriebskostenabrechnung nicht innerhalb der Jahresfrist nach Ablauf der Abrechnungsfrist bei der – ehemaligen – Mieterin eingegan-

gen war. Zwischen den Parteien war streitig, ob die Klägerin der Beklagten innerhalb der Jahresfrist des § 556 Abs. 3 BGB ihre neue Anschrift mitgeteilt hatte; das Amtsgericht hat diese Frage offengelassen, weil es sich auf den Standpunkt gestellt hatte, der Beklagten „wäre … es ein leichtes gewesen“, die Klägerin nach der gescheiterten Zustellung der Betriebskostenabrechnung telefonisch zu kontaktieren, da nämlich in zwei der Beklagten unstreitig zugegangenen Schreiben innerhalb der Jahresfrist die gültige Mobiltelefonnummer der Klägerin verzeichnet war. Das Amtsgericht hat aber nicht die Frage gestellt, ob die Beklagte überhaupt verpflichtet war, einen derartigen Anruf zu tätigen und sich nach der Anschrift der Klägerin zu erkundigen, nachdem diese ohne Hinterlassung einer ordnungsgemäßen Anschrift das Mietobjekt verlassen hatte. Ob die Beklagte eine derartige Verpflichtung getroffen hätte, erscheint zumindest fraglich. Problematisch ist, ob der Vermieter im Falle des Auszugs des Mieters ohne Hinterlassung der neuen Anschrift den verspäteten Zugang der Betriebskostenabrechnung zu vertreten hat, §  556 Abs.  3 BGB. Der Begriff des Vertretenmüssens ist im Sinne der allgemeinen Vorschriften zu verstehen, mithin §§  276, 278 BGB. Demgemäß hat der Schuldner grundsätzlich Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten und für seine Erfüllungsgehilfen einzustehen. Soweit er sich nach § 556 Abs. 3 BGB exkulpieren will, trifft ihn die Darlegungs- und Beweislast. Nach Auffassung des LG Hannover (Beschl.  v. 03.05.2007 - 13 S 21/07 - WuM 2007, 629) liegt ein Vertretenmüssen des Vermieters im Falle verspäteten Zugangs einer Betriebskostenabrechnung vor, wenn der Vermieter nach vertragsgemäßem Auszug des Mieters dessen neue Anschrift nicht erfragt oder eine entsprechende Auskunft beim Einwohnermeldeamt hätte erhalten können. Demgegenüber finden sich in der Instanzrechtsprechung auch andere Stimmen. Das AG Bad Neuenahr-Ahrweiler (Urt.  v. 23.05.2007 - 3 C 177/07 - NJW-RR 2008, 244) oder das AG Neukölln (Urt. v. 22.09.2009 - 15 C 206/09 - Grundeigentum 2009, 1323) konstatieren eine eigene Verpflichtung des ausgezogenen Mieters, dem Vermieter zur Abwicklung des Mietverhältnisses die neue Anschrift mitzuteilen; verletzt der Mieter diese Verpflichtung, kann er sich gegenüber einer verspäteten Betriebskostenabrechnung seines ehemaligen Vermieters nicht auf

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die Ausschlussfrist des § 556 Abs. 3 BGB berufen. In der Literatur finden sich Hinweise darauf, die Frage nach der neuen Anschrift des ehemaligen Mieters sei eine Obliegenheit zulasten des ehemaligen Vermieters (z.B. Langenberg, WuM 2010, 115). Für diesen Fall stellt sich die Frage nach den Rechtsfolgen bei Verletzung dieser Obliegenheit. Der Begriff der Obliegenheit findet seinen Ursprung im Versicherungsrecht und ist dadurch gekennzeichnet, den Versicherungsnehmer zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen, einem positiven Tun oder einem Unterlassen. Davon abzugrenzen sind echte schuldrechtliche Verpflichtungen. Obliegenheiten können durch Gesetz bestimmt oder Vertrag vereinbart werden (vgl. MAH Versicherungsrecht Terbille/Höra, 3. Aufl., § 2 Rn. 253). Eine Obliegenheitsverletzung kann nach den Grad von Vorsatz oder Fahrlässigkeit zu einem Ausschluss der Leistung des Versicherers, zumindest aber zu einer Einschränkung seiner Leistungsverpflichtung führen. Das AG Bochum ist bei seinem Urteil offenkundig diesem Rechtsgedanken gefolgt und hat ihn im Wohnungsmietrecht zur Anwendung gebracht, indem es der Beklagten vorgehalten hat, es wäre für sie ein leichtes gewesen, die Anschrift über die Mobiltelefonnummer der Klägerin rechtzeitig zu erfragen. Diese Auffassung erscheint vertretbar, wenn auch nicht problemfrei, denn immerhin geht der Beklagten der gesamte Leistungsanspruch verloren, was im Bereich der Obliegenheitsverletzungen grundsätzlich nur im Falle einer vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung denkbar wäre. Das Amtsgericht hat dahin formuliert, die Beklagte habe weitere Maßnahmen nicht ergriffen und die Sache auf sich beruhen lassen. Damit hat das Amtsgericht der Beklagten vorsätzliches Verhalten angelastet und damit den gesamten Anspruch aberkannt. Diese Rechtsfolge steht im Einklang mit der gesetzlichen Wertung durch Schaffung einer Ausschlussfrist nach § 556 Abs. 3 BGB. Können im Hinblick auf die zur Aufrechnung gestellte Betriebskostenforderung Bedenken gegen die Entscheidung des Amtsgerichts im Ergebnis zurückgestellt werden, ist dies bei der Prüfung der Schadensersatzforderung wegen des beschädigten Waschbeckens nicht möglich.

Zunächst zur Höhe der zur Aufrechnung gestellten Forderung: Das Amtsgericht hat wegen der Beschädigung des Waschbeckens lediglich einen Forderungsbetrag von 70,11 Euro in Ansatz gebracht, obwohl die Gegenforderung basierend auf der Betriebskostenforderung als unbegründet aberkannt worden ist. Da die Beklagte aber mit einer Forderung i.H.v. 272,51 Euro als Schadensersatz aufgerechnet hatte, war nach Aberkennung der Betriebskostennachforderung für eine Reduzierung der Schadensersatzforderung kein Raum. Das Amtsgericht hat das Verhältnis der beiden Gegenforderungen zu der Klageforderung unrichtig gewichtet. Ob darüber hinaus eine Leistungsaufforderung und eine Nachfristsetzung durch den Gläubiger erforderlich ist, ist für den Fall einer Verschlechterung der Mietsache sehr streitig und problembelastet. Vertreten wird, dass sich der Schadensersatzanspruch wegen Schlechterfüllung der Rückgabeverpflichtung nach §  280 Abs. 1 BGB richtet (z.B. Streyl in: Schmidt/Futterer, Mietrecht, § 546a Rn. 83); vertreten wird aber auch, dass § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB herangezogen werden muss (Weidenkaff in: Palandt, BGB, § 546 Rn. 7). Diese Streifrage ist aber im vorliegenden Fall ohne Bedeutung, da nämlich im Falle eins Substanzschadens an dem Mietobjekt zweifelsfrei § 280 Abs. 1 BGB gilt, so dass eine Nachfrist oder Leistungsaufforderung entbehrlich ist (vgl. Blank, MDR 2016, 1303, 1308). Nicht geprüft hat das Amtsgericht die Anspruchsgrundlage des § 823 Abs. 1 BGB in Form einer Eigentumsverletzung. Zwar können auch Sachen vermietet werden, die nicht im Eigentum des Vermieters stehen. Dass aber im vorliegenden Fall Eigentümerstellung und Vermietereigenschaft auseinander gefallen wären, ist nicht ersichtlich. Bei der Beklagten handelt es sich um eine juristische Person, die ersichtlich nicht im Eigentum Dritter stehende Gegenstände vermietet hat. Wenn demgemäß die Voraussetzungen für einen Schadensersatzanspruch aus § 823 Abs. 1 BGB streitig waren, hätte wohl eine Beweisaufnahme nahegelegen, wenn nicht aus praktischen Erwägungen heraus eine Schätzung des Schadens über § 287 ZPO möglich erschienen wäre. Dem Urteil des AG Bochum kann demgemäß insoweit nicht gefolgt werden.

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D. Auswirkungen für die Praxis

Der vorliegende Fall macht deutlich, dass auch scheinbar einfach gelagerte Fälle ihre Fußangeln aufweisen. Die Streitfrage, ob § 280 Abs. 1 BGB oder aber § 281 Abs. 1 BGB bei Prüfung der Schadensersatzforderung in Ansatz zu bringen war, stellte sich in Wahrheit überhaupt nicht. Ein schlichter Hinweis auf § 823 Abs. 1 BGB hätte dem Fall – möglicherweise – eine andere Richtung gegeben. Der Fall macht aber auch deutlich, wie wertvoll ein sachgerechter anwaltlicher Hinweis hätte sein können, der sich für den Fall der Aufrechnung nicht allein auf die Anspruchsnorm beschränkt hätte, sondern vielmehr auch auf die Anspruchshöhe bezogen hätte, die das Gericht offenkundig fehlerhaft bewertet hat. Der Fall manifestiert deutlich, wie wertvoll sich anwaltlicher Rat hätte auswirken können. Ein Rechtsanwalt hätte spätestens dann seine Rechtsauffassung deutlich geäußert, hätte er miterlebt, dass das Gericht den Geschäftsführer der Komplementärin – d.h. der Beklagten – im Rahmen einer Anhörung nach § 141 ZPO über eine Leistungsaufforderung und eine Nachfristsetzung befragte, also zu Tatsachen, die für die Entscheidung des Falles irrelevant waren. So ist zu hoffen, dass die Auswirkungen der vorliegenden Entscheidung überschaubar bleiben.