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Welt ohne Männer Start

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00:00

Donald Trump: „100 %, make America great again, greater than ever, ever, ever.“

00:08

Der Größenwahn eines Mannes treibt Frauen weltweit auf die Straßen – weil er sexuelle Übergriffe verharmlost, mit Machtposen beleidigt und erniedrigt und sein Männer-Ego zum Maßstab aller Dinge nimmt. Viele Prominente protestieren gegen ihn, auch Madonna.

00:26

Madonna: „Welcome to the revolution of love, to the rebellion, to our refusal as women, to accept this new age of tyranny.“ Einblendung: Willkommen zur Revolution der Liebe, zur Rebellion, zu unserer Weigerung als Frauen, das neue Zeitalter der Tyrannei zu akzeptieren.

00:40

Männer erlassen Gesetze, die nur Frauen betreffen – wie hier Präsident Trump gegen Abtreibungsberatung. Wo kommen diese machohaften Staatsführer auf einmal wieder her? Gewalt in der Familie soll keine Strafsache mehr sein, Präsident Putin? Und wir sollen gefälligst nur die Rolle als Ehefrau und Mutter erfüllen? Selbst Lachen würden Sie uns am liebsten verbieten – Präsident Erdogan? Waren wir nach Jahrzehnten des Kampfes um Gleichberechtigung nicht längst viel weiter? Müssen wir wieder von vorne anfangen?

01:19

Da stellt sich uns die provokante Frage: Wie wäre eine Welt ohne Männer?

01:26

Radikal gedacht ist es die ultimative Form der Emanzipation. Wir Frauen könnten in Frieden und Freiheit leben. Unser Leben selbst formen und gestalten.

01:38

Und die Fernsehsender müssten nicht Milliarden für Fußballrechte ausgeben.

01:43

Ist eine Welt ohne Männer reproduktionstechnisch überhaupt möglich? Wird der Mann noch gebraucht? Und wozu?

01:56

Krieg und Zerstörung, Mord- und Totschlag. Brutalität und Aggression sind ganz überwiegend die Domänen von Männern – von der weltweiten Terrorbedrohung bis hin zur häuslichen Gewalt. Von sexuellen Übergriffen ganz zu schweigen.

02:14

Das zeigt auch die Kriminalstatistik: Von allen Tatverdächtigen in Deutschland im Jahr 2015 waren gut 75 % Männer und knapp 25 % Frauen.

Es gilt: je schwerer das Verbrechen, desto höher der Anteil der Männer. 99 % aller Vergewaltigungen, 88 % aller Morde und 84 % der gefährlichen Körperverletzungen sind die Taten von Männern. 02:43

Wie mühsam, sich immer wieder mit der dunklen Seite der Männer zu befassen.

02:53

Welt ohne Männer

03:00

Eine Welt ohne Männer, können wir uns das wirklich vorstellen?

03:03

Komparsinnen in Aarhus: - „Not that I don’t like men, but, come on.“ - „The whole process, like biologically, we’re created to fit together. To make this other baby. So, reproduction… I don’t know how that would work. We would slowly begin to die? If there weren’t any men, there would be no human.“ - “No, there would be.” - „Would there? Without men? Then how would we…? Oh, yeah, yeah, the spermbanks! We keep the spermbanks!“ Voice over weiblich: „Nicht dass ich keine Männer mag, aber, ich bitte dich.“ „Der ganze biologische Prozess: Wir sind füreinander geschaffen, um ein Baby zu machen, also Fortpflanzung. Ich weiß nicht, wie das funktionieren würde. Würden wir langsam aussterben? Wenn es keine Männer gäbe, gäbe es auch keine Menschen.“ „Doch, die würde es geben.“ „Wirklich? Ohne Männer? Aber wie würden wir? Oh ja, ja, die Samenbanken! Wir behalten die Samenbanken!“

03:42

In dem idyllischen Städtchen Aarhus in Dänemark vermehren sich die Männer mehr als sonst irgendwo. Hier befindet sich die größte Samenbank der Welt. Nur bei jedem achten Mann reicht die Spermiendichte, um ihn zu einem geeigneten Spender zu machen. Seit Jahren nehmen die Spermienzahl und damit die Fruchtbarkeit der Männer drastisch ab. Schuld sind Umweltfaktoren: Hormone im Trinkwasser, Pestizide, Stress.

04:08

Die Spender kommen regelmäßig, manche sogar täglich. Bevor ein williger Mann sein wertvolles Gut spenden darf, wird sein Blut untersucht – um akute und vererbbare Krankheiten auszuschließen und seine Gene zu checken. Der Gründer von Cryos, Ole Schou, hatte schon als Student eine Vision.

04:25

Ole Schou: „Suddenly a night I wake up and had a dream about frozen sperm. I realized it was a peculiar dream but I had this picture in my head with frozen sperm in ice formation. And then a new world opened up for me, it was so interesting, and I studied my own sperm, I could masturbate and I could analyze it in the microscope.“

Voice over männlich: „Mitten in der Nacht bin ich aufgewacht und hatte einen Traum über gefrorenes Sperma. Mir war klar, dass es ein eigenartiger Traum war, aber dann hatte ich dieses Bild in meinem Kopf von gefrorenem Sperma. Damit eröffnete sich eine neue Welt für mich. Ich untersuchte mein eigenes Sperma, ich masturbierte und konnte es im Mikroskop analysieren.“ 04:55

15 % aller Paare in West-Europa sind ungewollt kinderlos, in Entwicklungsländern bis zu 30 %. Früher hieß es immer, wir Frauen seien schuld. Doch sind bei der Hälfte der zeugungsunfähigen Paare die Männer beziehungsweise ihre Spermien die Versager. Aber weil sich Frauen immer später entscheiden, Kinder zu kriegen, oder vielleicht auch, weil wir manchmal nicht rechtzeitig den passenden Mann finden, sind wir auf Samenspenden angewiesen.

05:21

Ole Schou: „Females are born with eggs and that means they release their good eggs in their 20ies and when they are in their 30ies they so to speak running out of eggs. And these females are typically 35 or even older, but they haven’t been able to find the man on the white horse and now the biological clock is ticking, but they don’t have time to find a man so they must do something now and then find the man later on. So today it is about 50% of the demand which is from single women and we assume it will increase, in 2020 we expect it will be about 70%.“ Voice over männlich: „Frauen werden schon mit Eiern geboren und schütten ihre guten Eier in den Zwanzigern aus, und wenn sie dann in den Dreißigern sind, gehen ihnen diese guten Eier aus. Und wenn diese Frauen dann 35 oder sogar älter sind, und sie noch immer nicht ihren Traumprinzen gefunden haben, dann fängt die biologische Uhr an zu ticken. Dann müssen sie sofort etwas unternehmen. Also heute kommen etwa 50% der Nachfrage von SingleFrauen, und wir schätzen, dass es noch steigt. Wir gehen davon aus, dass es 2020 ungefähr 70% sein werden.“

06:06

Die Kundin hat die Qual der Wahl: Ethnie, Blutgruppe, Augenfarbe, Haarfarbe, Gewicht und Größe, ob anonym oder nicht – Spermien aus dem Wunschkatalog. Nur die Wahl des Geschlechts ist nicht erlaubt.

06:21

Die Spermien müssen rasch gefiltert und sortiert werden, denn die männlichen Keimzellen sind nicht gerade langlebig. Nur Sperma, das noch viele lebendige Zellen hat, wird eingefroren und für eine unbestimmte Zukunft gelagert. Vor allem kommt es auf die Konzentration möglichst vieler beweglicher Samen an. Es braucht 100 bis 150 Spermien mit großer Schwimmfähigkeit, damit sie den weiten Weg zu einer Eizelle überwinden und in sie eindringen können.

06:50

Hier lagern 150 Liter Spermien – also reichlich Männersamen auf Vorrat.

06:57

Ole Schou: „When we freeze the sperm it is important to withdraw all, as much as possible of the water, and then the living cells will expell the water and that means they’re more dense and that mean we can protect the cells with the glycerol, we protect the surface of the sperm cell and then we freeze them slowly, in liquid nitrogen, which is 169 degree centigrade and then we can keep them there for 1000 of years probably.“ Voice over männlich: „Beim Einfrieren der Samenzellen ist es wichtig, ihnen so viel Wasser wie möglich zu entziehen, dadurch werden sie dichter. Dann können wir die Oberfläche der Samenzellen mit Glycerin schützen. Schließlich frieren wir sie langsam mit flüssigem Stickstoff bei einer Temperatur von minus 169 Grad Celsius ein. In diesem Zustand können wir die Zellen wahrscheinlich für Tausende Jahre aufbewahren.“

07:29

Die Idee an sich ist nicht neu. Deutsche Experten hatten während des Zweiten Weltkriegs Experimente mit Glycerin durchgeführt. Das hatten sie den Goldfischen abgeguckt, die im Eis überwintern können, weil sie Glycerin im Blut haben. In den Jahrzehnten danach hat die Entdeckung vor allem Männern geholfen, deren Spermien infolge der Behandlung schwerer Krankheiten zerstört werden mussten.

07:52

1 Ejakulat bringt im Durchschnitt knapp 4 Gramm auf die Waage. Je nach Qualität werden daraus 1 bis 6 Samenspenden von 0,5 ml hergestellt, die uns Frauen sogar noch Tausende Generationen später beglücken könnten.

08:09

Mit dem eingefrorenen Sperma aller Samenbanken der Welt sollten wir Frauen uns also nicht allzu sehr um das Fortbestehen der Menschheit sorgen müssen.

08:21

Ole Schou: „In this sperm bank we have material for probably five- or tenthousand babys a year ready for dispatch, but if you look at all the sperm banks in the world there are probably material for million of babys and million of babys has already been created by use of frozen donor sperm.“ Voice over männlich: „In dieser Samenbank haben wir Material für etwa fünf- bis zehntausend Babys pro Jahr, versandfertig. Aber wenn man sich alle Samenbanken der Welt anschaut, gibt es wahrscheinlich Material für Millionen Babys, und Millionen Babys wurden schon durch gefrorene Spendersamen gezeugt.“

08:47

Noch werden Tag für Tag von Aarhus aus Frauen in 80 Ländern dieser Welt beliefert. Vielleicht ist selbst dies eines Tages nicht mehr nötig.

09:06

Es sind nämlich wir Frauen – beziehungsweise in der Tierwelt die Weibchen – die unersetzlich sind.

09:14

Die meisten Tiere pflanzen sich noch per Sex mit ihren männlichen Artgenossen fort. Doch manche machen es bereits vor, wie das geht mit der

Vermehrung ganz ohne Sex und männlichen Samen. Es ist eine autonome, eingeschlechtliche Fortpflanzung – Parthenogenese genannt. 09:43

Fabian Schmidt vom Leipziger Zoo erklärt es uns.

09:52

Fabian Schmidt: „Der Komodowaran gehört zu den Tierarten, die fakultativ parthenogenetisch sind. In diesem Fall ist er genauso wie seine Weibchen geschlechtlich entstanden. Es gibt aber auch ungeschlechtlich in Europa, das heißt, der Komodowaran kann wechseln, er kann sich entweder sexuell vermehren oder wenn Weibchen alleine ist und keinen Partner hat, dann kann sie sich asexuell vermehren, also ungeschlechtlich junge Komodowarane hervorbringen. Diese Erkenntnis ist ungefähr zehn Jahre alt und wurde in Zoos gewonnen, die Zoos hatten Tiere, die niemals Männchen gesehen haben. Das wissen wir, weil wir die Tiere von Schlupf an kannten, es konnte also ausgeschlossen werden.“

10:43

Komodowarane in freier Wildbahn können drei Meter lang werden und sind die größten lebenden Echsen der Welt. Sie sind äußerst schnelle und erfolgreiche Jäger.

10:55

Bei der Parthenogenese oder Jungfernzeugung entstehen die Nachkommen aus unbefruchteten Eizellen. Dennoch findet eine Reifeteilung statt, bei der die Chromosomen geteilt und später wieder neu zusammengesetzt werden. Der Abkömmling hat die gleichen Gene wie die Mutter, ist aber kein Klon. Und er ist immer männlich. Jedenfalls beim Komodowaran.

11:22

Fabian Schmidt: „Komodowarane leben auf Inseln in Indonesien. Dort ist es so, dass vermutlich die ersten Tiere verdriftet wurden, alleine auf einer Insel ankamen und dass es da sehr schwer ist, einen Partner zu finden, und deswegen ist es die schnellere und effektivere Methode auch in Konkurrenz zu anderen Tierarten, sich möglichst schnell zu vermehren. Deswegen ist die Parthenogenese dort so wertvoll, das Weibchen stellt sich praktisch ihre eigenen Männer her. Also selbst ist die Frau, sie organisiert sich Männer für die Zukunft, sorgt für die schnelle Verbreitung der Art.“

11:58

Optimal für Komodowaran-Weibchen. Für uns Frauen auf dem Weg in eine Welt ohne Männer erst Mal wenig hilfreich – sich ohne Sex fortpflanzen, dann aber nur männlichen Nachwuchs zur Welt bringen. Außerdem hat die eingeschlechtliche Fortpflanzung auch Schwachpunkte.

12:14

Fabian Schmidt: „Der Nachteil ist, dass die genetische Vielfalt verloren geht. Bei der sexuellen Fortpflanzung habe ich natürlich eine Rekombination der Gene sehr viel besser und kann eine größere genetische Vielfalt erreichen und die ist dazu da, wenn irgendwo eine Anpassungsfähigkeit an sich verändernde Umweltbedingungen wichtig ist. Dort ist es besser, man hat einen größeren Gen-Pool, dort ist die geschlechtliche Fortpflanzung im Vorteil, bei der Besiedlung von neuen Lebensräumen schnell, ist die parthenogenetische im Vorteil, und der Komodowaran ist eben in der komfortablen Lage, dass er

sich so verändern kann, wie er es gerade braucht oder wie die Umstände gerade sind.“ 12:57

Diese Weibchen sind zum Schutz vor dem Männchen separat untergebracht.

13:04

Fabian Schmidt: „Der Grund ist, dass Komodowarane sind nicht gerade einfühlsam zueinander, die sind wenig zimperlich, und zwar von beiden Seiten, also der Mann hat scharfe Zähne und Krallen, genauso die Weibchen. Deswegen müssen wir abwarten bis wir sicher sind, dass sie paarungsbereit sind, und dann lassen wir sie zusammen unter Aufsicht. Im Moment haben die Weibchen im wahrsten Sinne des Wortes einen dicken Hals auf ihn. Also ein Komodowaran, wenn er sich aufregt, dann bläht er seinen Hals auf und macht sich ganz dick und zeigt dadurch seine Abneigung. So lange sie das zeigen, brauchen wir gar nicht versuchen, die zusammen zu bringen, erst wenn sie friedlich nebeneinander liegen, dann werden wir es wagen. Und dann dürfen sich unsere mal auch geschlechtlich vermehren.“

13:58

Die Begegnung zwischen Männchen und Weibchen – das ist oft eine komplizierte Geschichte voller Leidenschaft und Begehren, Machtkämpfen und oft auch Gewalt. Tiere, die sich ungeschlechtlich fortpflanzen, können die Beziehungsprobleme umgehen und ersparen sich den altbekannten Stress.

14:20

In der Tierwelt beherrschen erstaunlich viele Arten die Parthenogenese. Sogar „Bienchen und Vögelchen“, die lange für die Sexualaufklärung herhalten mussten, können sich jungfräulich fortpflanzen. Außerdem Wespen, Blattläuse, Wasserflöhe, Schnecken und Würmer, manche Fische und Schlangen, insbesondere Nattern und Pythons, und verschiedene Haiarten können zwischen geschlechtlicher und eingeschlechtlicher Fortpflanzung wechseln.

14:52

Fabian Schmidt: „Hier ist zu sehen unser Schwellhai, ein kleiner Hai, der dieses Jahr aus dem Ei geschlüpft ist. Und das Besondere an diesem kleinen Hai ist, er hat nur eine Mutter, er hat aber keinen Vater, d. h. er ist eben nicht geschlechtlich gezeugt, sondern er ist ungeschlechtlich gezeugt. Das heißt, es kommt gar nicht zu einer Rekombination der Gene, sondern das Jungtier ist wirklich das genetische Abbild der Mutter ohne jede Veränderung.“

15:28

Parthenogenese ist für höhere Säugetiere bislang schwierig bis unmöglich. Grund hierfür ist das sogenannte Imprinting, die genomische Prägung, die für die vollständige Entwicklung eines Embryos je einen männlichen und einen weiblichen Chromosomensatz braucht.

15:45

Fabian Schmidt: „Also es gibt Versuche an Mäusen, und es ist dann möglich unter Versuchsbedingungen, nicht unter natürlichen Bedingungen, weil man dann gewisse Hormone dazu geben kann, die dieses genetische Imprinting unterdrücken, da muss ich aber im Labor nachhelfen, und dann kann ich tatsächlich bei

Mäusen parthenogenetisch entstandene Mäuse produzieren.“ 16:13

Noch braucht Frau also den Mann beziehungsweise den männlichen Samen. Doch ist er nicht nur eine hübsche Mogelpackung voller Mangelware?

16:22

Viele Eltern staunen, dass ihre Jungs anfangs den Mädchen hinterher hinken. Bei den Töchtern vollziehen sich die motorischen Entwicklungen oft schneller als bei den Söhnen. Auch fangen die Mädchen meist früher an zu sprechen. Im Grunde beginnt es schon mit der Säuglingssterblichkeit.

16:43

Laut Gesundheitsbericht starben im Jahr 2014 in Deutschland insgesamt 2.284 Säuglinge, davon deutlich mehr Jungen als Mädchen. Das ist in Österreich und in der Schweiz ganz ähnlich.

16:57

Vom Plötzlichen Kindstod waren 75 Jungen und nur 44 Mädchen betroffen.

17:08

Der Mann – das Geschlecht ohne Zukunft? Sogar seine Gene werden infrage gestellt. Vor einigen Jahren sorgten britische Forscher für Aufregung – sie behaupteten, das männliche Geschlecht sei auf lange Sicht gesehen nicht überlebensfähig.

17:30

Das männliche Y-Chromosom wirke neben dem X geradezu „kümmerlich“. Während die Frau bei der Bildung ihrer Eizellen auf die Kopie des XChromosoms zurückgreifen könne, hätten Männer diese Reparaturmöglichkeit nicht, weshalb sie letztlich dem Untergang geweiht seien. Ausgerechnet von einer Forscherin kam dann die Rehabilitation: Die Evolution habe das Männer-Erbgut aufs Wesentliche „verschlankt“.

17:59

Den Wunsch, auf eine geschlechtliche Fortpflanzung verzichten zu können – aus welchen Gründen auch immer – gibt es nicht nur bei Mensch und Tier.

18:06

In Zürich möchte Ueli Grossniklaus Nutzpflanzen die a-sexuelle Fortpflanzung beibringen. Dann würden etwa Mais oder Reis mehrere Jahre hintereinander gleichbleibende Qualität liefern. Das ist wichtig für die Welternährung.

18:29

Ueli Grossniklaus: „Wir müssen einen Ansatz verfolgen, der es uns ermöglicht, Pflanzen, die durch Parthenogenese entstanden sind, zu identifizieren. Wir wissen, Mais kann das, der macht das ab und zu ganz alleine, und jetzt möchten wir das auslösen, in dem wir irgendein Gen verändern, ausschalten im Genom. Am Schluss hatten wir zwei Mutanten im gleichen Gen und wir konnten dieses Gen dann auch molekular isolieren, und wir versuchen jetzt im Moment zu schauen, ob man diese Fähigkeit auf andere Getreidearten übertragen kann.“

19:02

Bei Pflanzen wird die Fortpflanzung ohne Befruchtung Apomixis genannt. Apomiktische Pflanzen bilden Samen aus, die mit der Mutterpflanze

genetisch identisch sind, Klone also. 19:15

Mehr als 400 Pflanzenarten zeigen Apomixis, nur leider möchte keine wirtschaftlich bedeutende Pflanze bislang auf Befruchtung verzichten und trotzdem Samen produzieren. Und was genau Apomixis auslöst, darüber herrscht weitgehend Unklarheit.

19:32

Ueli Grossniklaus: „Doktor ? isoliert jetzt Zellen aus einer Samenanlage heraus, von einer sexuellen Art und von einer apomiktischen Art, isoliert etwa 100 Eizellen, und dann können wir vergleichen, welche Gene sind unterschiedlich aktiv. Bei diesem Laser-Mikroskop machen wir Schnitte vom eingebetteten und fixierten Gewebe, also in diesem Fall sind das Fruchtknoten oder Samenanlagen, und diese Schnitte kommen dann auf einen speziellen Objektträger unter das Mikroskop, und dann kann man mit der Maus eine bestimmte Zelle oder Gruppen von Zellen auswählen und die dann mit dem Laser heraus schneiden. Und dann vergleichen wir vier verschiedene sexuelle Arten mit vier verschiedenen parthenogenetischen Eizellen und schauen, was ist konsistent unterschiedlich, in der Hoffnung, eines dieser Gene, die wirklich unterschiedlich sind, ist für die Parthenogenese dann verantwortlich.“

20:41

Die a-sexuelle Fortpflanzung bringt viele Vorteile für Züchter und Bauern. Zahlreiche wilde Verwandte unserer Kulturpflanzen besitzen Gene, die resistent sind gegen Krankheiten oder widrige Umweltbedingungen wie Dürre oder Überschwemmung. Doch Kreuzungen zwischen Wild- und Nutzpflanzen haben oft unfruchtbare Nachkommen. Apomixis könnte dieses Problem lösen.

21:07

Ueli Grossniklaus: „Hier haben wir Reispflanzen: Natürlich wäre es am Schluss eine der Zielpflanzen für die Apomixis. Apomixis möchte man am Schluss in die wichtigsten Kulturpflanzen des Menschen einbringen, das ist Reis, Weizen und Mais. Und wenn wir solche Pflanzen apomiktisch machen können, dann haben wir wirklich unser Ziel erreicht.“

21:35

Nicht nur in der Pflanzenwelt stört das männliche Geschlecht.

21:39

Hier werden männliche Küken kurz nachdem sie geschlüpft sind aussortiert – von sogenannten Sexern, wahrlich kein Traumberuf. Die weiblichen Küken mit der braunen Gefiederfarbe rutschen in den Trichter und dürfen sich zu Legehennen entwickeln. Die hellen männlichen auf dem Förderband werden gleich getötet – Ausschussware. 40 – 50 Millionen männliche Küken werden jährlich allein in Deutschland getötet.

22:09

Um das zu verhindern, gibt es in der Vogelklinik Leipzig ein neues Forschungsprojekt, geleitet von der Tierärztin Maria-Elisabeth KrautwaldJunghanns.

22:21

Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns: „Der Sinn des Projektes ist eine Geschlechtsfrüherkennung im Hühnerei zur Vermeidung des Tötens männlicher Eintagsküken, hier sind ja ein paar drunter. Wir sind als Verbraucher gewohnt, jederzeit kostengünstig, der Verbraucher ist ja sehr kostenbewusst, kostengünstig Brathähnchen oder jederzeit ein Frühstücksei zu haben, und diese kostengünstige Lösung, die geht natürlich zu Kosten der Tiere.“

22:45

Heute werden zwei Arten von Hühner gezüchtet: die die möglichst schnell viel Fleisch auf die Waage bringen, und die die möglichst schnell viele Eier legen. Früher gab es auf jedem Bauernhof Hühner, die beides konnten. Doch das ist heute zu teuer. Deshalb geht an der Geschlechtersortierung, dem Sexing, offenbar kein Weg vorbei.

23:08

Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns: „Unsere Lösung war eben zu sagen, bevor das Schmerzempfinden im Ei beim Embryo einsetzt, und das ist mir ein ganz wichtiger Punkt, dass es eben vor dem Schmerzempfinden des Embryos, wollen wir eine Geschlechtsbestimmung hinkriegen.“

23:21

Und zwar, um die männlichen Tiere auszusortieren – auf möglichst schonende Weise.

23:27

Maria-Elisabeth Krautwald-Junghanns: „Hier kann man gut sehen, wir sind an diesem Tag, wo das Wasser hier ist, da ist der Embryo wirklich noch ein ganz ganz kleiner Fleck, und da ist mit ziemlicher Sicherheit kein Schmerzempfinden vorhanden.“

23:39

Aber die Blutgefäße haben sich schon entwickelt und das zukünftige Hühnerherz schlägt deutlich.

23:45

Krautwald-Junghanns: „Wir nehmen die Eier am Tag 3,5 raus, und jetzt ist natürlich ein perfekter Schutz für den Embryo da, das ist diese Kalkschale, da kommen wir mit unserem Licht nicht durch. Und das heißt, und das ist auch der Nachteil des Verfahrens, wir müssen ein kleines Loch in die Kalkschale machen, um mit diesen spektroskopischen Methoden überhaupt diese Geschlechtsunterschiede zu sehen. Und das ist so, dass wir das mit einem CO2-Laser machen.“

24:08

In Dresden wird eine Maschine entwickelt, die diese Geschlechtersortierung blitzschnell mit Infrarotlicht erledigen soll. Doch der Prototyp ist noch nicht fertig. Bisher sind es erst einzelne Module. Hier zunächst der „Eieröffner“.

24:23

Björn Fischer: „Diese Laseranlage ist dazu da, 150 Bruteier mit dieser Sollbruchstelle zu versehen, um am Ende den Zugang für die Geschlechtsbestimmung zu verschaffen. Das System ist sehr sehr schnell, wir können also unter 1 Sekunde pro Ei etwa investieren für die Öffnung. Der Laserschnitt in die Kalkschale hinein, das Abnehmen des Deckels, das muss sehr sensibel geschehen, aber auch das Verschließen des Eis ist ganz elementar. Am

Ende muss das Ei ja weitere 18 Tage bebrütet werden und somit robust sein, um den Prüfprozess zu überstehen.“ 25:02

Doch es gibt ein Problem: Durch die Öffnung, die für den Rest der Brutzeit wieder zugeklebt werden muss, verringert sich die Schlupfrate um immerhin 10 %. Das versuchen sie noch zu verbessern.

25:14

Das Modul zur Geschlechtsbestimmung steht in der Medizinischen Fakultät der Universität Dresden bei Gerald Steiner. Die Spektroskopie macht sich die unterschiedliche Größe der Geschlechtschromosomen von männlichen und weiblichen Eiern zunutze und analysiert die Blutzellen.

25:35

Gerald Steiner: „Wir sehen, die roten Spektren, die kennzeichnen die weiblichen Embryonen, die beiden blauen Spektren jeweils die männlichen. Und man sieht natürlich sehr deutlich diese Unterschiede hier in der Intensität, das kommt vor allem durch die Fluoreszenzunterschiede. Wir verstehen auch biochemisch, wie das zusammen hängt durch einen erhöhten Anteil von Hämoglobin. Und das ist der Marker der Kennzeichnung für die Identifizierung des Geschlechts der Eier.“

25:59

Die Treffsicherheit der Geschlechtssortierung ist noch nicht 100 % zuverlässig.

26:06

Gerald Steiner: „Gegenwärtig sind wir so bei 95 % Sex-Genauigkeit. Es stellt sich ja immer die Frage, warum schafft man nicht 100 %. Aber ganz offensichtlich sind 100 % gar nicht möglich. Denn es gibt biochemische Variationen, die das Geschlecht, das genetische Geschlecht überdecken. Und deshalb wird man das mit dieser Methode gar nicht schaffen. Und was wir auch gelernt haben, diese Embryonen, dann die Küken, die dem falschen Geschlecht zugeordnet werden, die entwickeln sich auch gar nicht so normal.“

26:39

Sexing – das geht auch mit menschlichen Samenzellen. Es ist technisch möglich, sie nach ihrem Geschlecht zu sortieren und bei künstlicher Befruchtung vorher festzulegen, ob es ein Junge wird oder – doch lieber ein Mädchen. Wie aus dem Wunschkatalog.

26:59

Alle überlieferten Methoden, beim Sex das Geschlecht des Nachwuchses zu bestimmen, gehören in das Reich der Sagen und Fabeln.

27:08

Kinderwunsch-Sprechstunde im Universitätsspital Basel. In Europa ist – anders als in China oder Indien – die Geschlechtswahl bei künstlicher Befruchtung aus ethischen Gründen grundsätzlich verboten. Doch es gibt Ausnahmen.

27:30

Christian De Geyter ist vor 20 Jahren aus Belgien in die Schweiz gekommen, um Menschen zu helfen, die ungewollt kinderlos sind. Heute ist er Spezialist für die Vermeidung von Erbkrankheiten. Und dann ist eine Geschlechtssortierung erlaubt.

27:47

Christian De Geyter: „Bei Erbkrankheiten, die gebunden sind am weiblichen Chromosom, sind nur die männlichen Nachkommen betroffen, weil die nur über ein XChromosom verfügen. Und wenn die Krankheit auf dem X-Chromosom drauf ist, dann müssen sie zwangsläufig erkranken eines Tages. Während die Mädchen, die können, die verfügen über zwei X-Chromosomen, da kann das eine X-Chromosom das Ausbrechen der Krankheit verhindern.“

28:16

So können viele Stoffwechselerkrankungen sowie Muskeldystrophie und Hämophilie ausgeschlossen werden. Im Labor werden die guten von den schlechten Spermien vorsortiert und gereinigt.

28:30

Die Spermiensortiermaschine bringt die kleineren X- und größeren YChromosomen in verschiedenen Farben zum Leuchten. Die Samenzellen werden dafür einzeln aufgereiht und durch einen engen Kanal geschleust. In dieser mikroskopisch genauen Anordnung werden die Samenzellen mit einem Laserstrahl markiert und die Zellen nach links oder rechts sortiert, rot die weiblichen, blau die männlichen.

29:01

Im Anschluss an die X-Y-Sortierung werden die Spermien eingefroren und ein Teil der Probe für weitere Analysen verwendet. Hierbei wird die Effizienz der Aufbereitung überprüft.

29:15

Christian De Geyter: „Wenn es gut funktioniert, erreichen wir Anreicherungsraten von 95 % oder sogar noch mehr. Und dafür möchte man gründlich sortieren, das dauert dann halt länger und man hat am Ende nicht so viele Spermien. Deshalb sieht diese Methode immer vor, dass man eine künstliche Befruchtung macht, bei der eine sortierte Samenzelle künstlich in das Ei hinein übertragen wird.“

29:39

Eizelle und Samenzelle werden mit Mikropipetten unter dem Mikroskop vereinigt. Erst muss ein Spermium eingefangen werden.

29:51

Danach sticht die Injektionsnadel in die Eizelle und lässt das Spermium frei.

30:03

Auch mit der Präimplantationsdiagnostik könnte eine Geschlechtswahl getroffen werden. Hierbei werden mehrere befruchtete Eizellen entwickelt und auf Erbkrankheiten getestet, bevor die gesunden Embryonen in die Frau übertragen werden. Sind nur die männlichen Nachkommen Träger des Gendefekts, werden nur sie aussortiert. Christian De Geyter bevorzugt jedoch die vorherige X-Y-Spermiensortierung.

30:30

Christian De Geyter: „Bei der Präimplantationsdiagnostik kann man nicht nur die Krankheit vermeiden, sondern auch die Trägerschaft der Erkrankung vermeiden helfen. Auch wenn die Präimplantationsdiagnostik in Kraft getreten sein wird, möchten wir dieses Verfahren weiter anbieten, weil wir damit die

Entstehung von Embryonen vermeiden können, die nachher sicher nicht übertragen werden. Also wir können im Prinzip die Befruchtung in die richtige Richtung lenken.“ 30:55

Die Präimplantationsdiagnostik wird zunehmend einzig mit dem Ziel durchgeführt, das Geschlecht des Embryos auszuwählen. Rund 10 % sollen es in den USA schon sein.

31:06

Christian De Geyter: „Family balancing, nennt man das, das ist mit dieser Technologie im Prinzip möglich, aber unser Gesetz verbietet das klar. Wir werden zwar oft angefragt dafür, aber wir lehnen dort Therapie grundsätzlich ab. Die meisten Paare, die sich bei uns melden, die melden sich wegen dieser Fragestellung. Das ist ein bisschen traurig, aber es ist halt so.“

31:27

Es gibt noch eine andere Methode, ausschließlich Mädchen auf die Welt zu bringen. Zumindest theoretisch. Und die würde auch funktionieren, wenn alle tiefgefrorenen Samenvorräte längst aufgebraucht wären. Ein Verfahren, Haploidisierung genannt, wurde vor Jahren groß propagiert: Menschen ohne eigene Ei- oder Samenzellen sollten mit Hilfe dieser Technik doch genetisch eigenen Nachwuchs bekommen können.

31:53

Der Kern der Eizelle einer Spenderin wird ersetzt durch den Kern einer Körperzelle von der Frau, die ein genetisch eigenes Kind haben möchte.

32:03

Dann teilt sich der Chromosomensatz und der überschüssige Teil wird aus der Zelle entfernt. Diese Eizelle kann mit einem Spermium oder auch mit einer normalen Körperzelle einer Frau befruchtet werden. Der Zellhaufen hat dann keinen Vater, aber zwei Mütter. Bei der Zeugung aus zwei weiblichen Zellen gehen ausschließlich weibliche Nachkommen hervor.

32:27

Noch funktioniert die Methode nicht. Doch die Forscher geben nicht auf. Männlichen Samen komplett überflüssig zu machen, erweist sich als gewaltige wissenschaftliche Herausforderung.

32:42

Erst kürzlich machten japanische Wissenschaftler Schlagzeilen, weil es ihnen gelungen ist, aus Stammzellen funktionstüchtige Spermien zu entwickeln. Und sie konnten aus Hautpartikeln Eizellen herstellen und diese mit männlichen Samen befruchten.

33:05

Zumindest bei Mäusen funktioniert es. In 20 bis 30, vielleicht auch erst in 50 Jahren – schätzen die Wissenschaftler – wäre all das auch beim Menschen möglich.

33:16

Aber wollen wir Frauen das überhaupt? Der dänische Samenbank-Inhaber kann sich das jedenfalls nicht vorstellen.

33:24

Ole Schou: „You could say that theoretically in future, if sperm can be reproduced in the laboratory, but we still don’t know what the outcome will be and still there would be a problem to have all the different ethnicities and genome, so I

think that, if you would ask the females that demand for our services they would probably prefer to have a selection. Technically it might be possible but in practice I don’t think it will have a chance.“ Voice over männlich: „Wahrscheinlich kann theoretisch in der Zukunft Samen auch im Labor erzeugt werden. Aber da wissen wir noch nicht, was dabei heraus kommen wird. Und ich glaube, dass es auch ein Problem geben könnte, all die verschiedenen Ethnien und Genome abzubilden. Wenn man die Frauen fragt, die unseren Service in Anspruch nehmen, die finden es wahrscheinlich besser, eine größere Auswahl zu haben. Also technisch wäre es möglich, aber in der Praxis wird es wohl eher keine Chance haben.“ 33:56

Auch wenn der Eindruck jetzt ein anderer sein mag, aber die größte Gefahr für den Mann sind nicht wir Frauen, die ihn loswerden wollen.

34:20

Männer leben riskant. Auf Deutschlands Straßen kommen etwa drei Mal so viele Männer ums Leben wie Frauen.

34:26

Überhaupt sterben sie weit früher als Frauen. Wir leben durchschnittlich gut drei Jahre länger.

34:36

Besonders alarmierend sind die Suizidraten. Überall auf der Welt entscheiden sich weit mehr Männer als Frauen zu diesem drastischen Schritt. Auch in Deutschland ist das so. 2014 waren es 10.209 Suizide. Davon dreimal so viele Männer wie Frauen!

35:02

Eine Welt ohne Männer, wie sie die Gottesanbeterin anstrebt, wird es mit uns Frauen natürlich niemals geben: Verliert das Männchen während der Paarung den Halt, ist schnell mal der Kopf ab, besonders wenn das Weibchen hungrig ist. Dabei handelt die Gottesanbeterin durchaus im Interesse ihrer Art: Sie erhält durch den Kannibalismus nahrhafte Proteine und legt mehr Eier ab als die Artgenossin, die ihren Partner am Leben lässt.

35:40

Diese scheint besonders ausgehungert gewesen zu sein.

35:47

Noch will zumindest ein großer Teil von uns Frauen auf Männer nicht verzichten – wenigstens für die schönste Nebensache der Welt.

35:58

Und doch liegt es auch im Interesse unserer Arterhaltung, die Männer auf ihre Schwächen hinzuweisen. Was soll die Gewalt, die Aggression, die Arroganz? Wann akzeptieren endlich alle Männer auf dieser Welt, dass Frauen gleichberechtigte Wesen sind, die nicht bevormundet werden möchten?

36:17

Was wäre, wenn wir tatsächlich weder in der Fortpflanzung, noch im gesellschaftlichen Leben auf Männer angewiesen wären? Wenn wir grundsätzlich autonom und selbstbestimmt entscheiden würden – und müssten?

36:39

Dass Frauen nicht automatisch die besseren Menschen sind, sehen wir,

seitdem sie sich auch in der Politik an die Spitze katapultieren. Sähe die Welt ganz anders aus, wenn wir Frauen das Geschehen bestimmten? 36:51

Waltraud Pohlen: „Wenn Frauen regieren würden, würden mit Sicherheit Konflikte anders gelöst werden. Auch wenn ich nicht so auf die Biologieschiene will, es ist ja doch so, dass Frauen die Kinder auf die Welt bringen, und das ist eine unglaubliche Anstrengung, Schwangerschaft und Geburt und Kinder beim Aufwachsen zu begleiten, da habe ich so viel investiert, dass ich noch anders motiviert wäre, dieses Leben zu schützen. Das würde ich vermuten, auch wenn ich bei dem anderen nicht so sicher bin. Ich denke, dass auch Frauen wirklich brutal sein können, dass Frauen Hierarchie haben wollen können. Das wissen wir halt alles noch gar nicht. Das ist ein interessanter Weg fürs nächste Leben vielleicht.“

37:52

Waltraud Pohlen lebt in einer Wohnanlage in Essen, in der nur Frauen wohnen – viele Alleinstehende, doch auch Frauen, die zwar in Beziehung, aber räumlich getrennt von ihren Männern leben. Sie alle suchen lebendigen Austausch, Ruheräume, kulturelle Anregungen, ein aktives Miteinander. Ein Leben nach dem Motto: Selbst ist die Frau. Die Bewohnerinnen des Beginenhofs, benannt nach den Beginen des Mittelalters – wollen von Männern nicht länger dominiert werden.

38:24

Waltraud Pohlen: „Als wir gemerkt haben, dass es für Frauen in einem männerdominierten System noch viel zu entwickeln gibt, da kriegte diese historische Frauenbewegung noch mal eine ganz andere Bedeutung. Und da haben wir gemerkt, dass es sich sehr lohnt, da genauer zu forschen und genauer zu gucken. Und die waren wirtschaftlich eigenständig, die haben ein sehr aktives Leben gehabt. Was mich so erstaunt, dass das doch auch ein recht autonomes Leben war, vielleicht auch mehr interpretiert, aber es gab einen Freiraum für Frauen zwischen Ehe und Kloster, was ich mit dem, was ich im Geschichtsunterricht gelernt habe, eigentlich nicht mit dem Mittelalter in Verbindung gebracht hätte.“

39:17

Seit der Frauenbewegung der 1980er Jahre haben Frauen in fast allen größeren Städten in Deutschland neue Beginenhöfe gegründet. Hier leben 29 Frauen im Alter zwischen 30 und 90, und 5 minderjährige Töchter. Jede der Frauen hat ihre eigene abgeschlossene Mietwohnung, darüber hinaus viel gemeinschaftlichen Platz, über dessen Nutzung alle miteinander entscheiden.

39:44

Waltraud Pohlen: „Die Entscheidungen werden tatsächlich dann mit denen, die da sind, getroffen, nach Möglichkeit im Konsens. Und wenn wir nicht direkt einer Meinung sind, hat es sich bewährt, wir probieren es einfach mal aus, jetzt probieren wir es aus, wie wir denken, dass es für die meisten stimmt, und nach einer Zeit schauen wir uns das an und kommen vielleicht zu einer anderen Entscheidung.“

40:13

Diese Frauen haben nichts gegen Männer – aber sie vermissen sie auch nicht. Dennoch verwahren sie sich gegen jeglichen Männerhass.

40:22

O-Ton-Montage Bewohnerinnen Beginenhof: „Das ist eigentlich gar nicht unser Thema, dass wir ohne Männer leben wollen, wir leben aus vielen anderen Gründen hier zusammen.“ „Wir leben hier, weil wir mit Frauen leben wollen. Also diese Frage stellt sich nicht.“ „Natürlich gibt es Männer.“ „Freunde, Väter, Söhne, Enkel, Brüder.“ „Enkelsöhne, ja die dürfen auch kommen.“ „Für mich ist die Frage, was gewinne ich im Zusammenleben mit diesen unterschiedlichen Frauen, die so vielfältige Talente und Erfahrungen haben, dadurch entsteht immer wieder was Neues, Überraschendes.“ „Anderswo muss ich mich immer nur abgrenzen, abgrenzen, abgrenzen.“ „Dass ich mich mit Frauen freier fühle, gleichberechtigt, für mich ist es so.“ „Das völlig anders sein dürfen und nicht umgestrickt zu werden.“ „Wenn ich mir vorstelle, wir wären immer bei allem derselben Meinung, wie langweilig. Wir wachsen doch daran, dass wir uns auseinander setzen, und das Wort Zickenkrieg finde ich richtig gemein.“ „Für mich ist das ein politischer Begriff, der trifft nicht die Realität, aber dass Frauen vergnüglich und erfüllend miteinander leben, das soll es ja besser gar nicht geben. Da sind wir ein politisches Projekt, das zeigt, es gibt noch mehr auf der Welt, was sich lohnt auszuprobieren. Das hebt eigentlich das Patriarchat aus den Angeln. Das haben wir auch vor, oder?“

42:00

Was fehlt uns Frauen in einer Welt ohne Männer? Der Geliebte? Oder der Gefährte, der so reizvoll ist, gerade weil er anders ist als wir Frauen? Versuchen wir auf den letzten Metern noch eine Rehabilitation der Männer, denn natürlich spielen nicht alle in der Macho-Liga von Trump, Putin oder Erdogan. Was würden wir Frauen also ohne Männer vermissen?

42:23

Komparsinnen in Aarhus: - „The only weird moment is, when you’re raising a child and it’s growing up in a world without men, like this is gonna be weird.“ - „So, I think there would be a couple of disadvantages, like if the world is without men, for example some women, like including me, that would feel more lonely and like for children without a father, without a figure of a man, they would be lacking if knowledge like how to be for example maybe bold, independent and yeah. If you know what I mean, its not like a figure of a leader, but like a figure of masculinity. So, yeah I think that would be a bit sad, to have the world without the men.“ - “Maybe a little more comforting, coming to protect you” - “Yeah, exactly, protection.” - “That’s also how I feel, protection.“ Voice over weiblich: - „Wenn du ein Kind großziehst und es in einer Welt ohne Männer aufwächst, also das wäre bestimmt komisch.“ - „Also ich glaube, es hätte ein paar Nachteile, wenn es auf der Welt keine Männer mehr gäbe. Zum Beispiel würden sich manche Frauen, mich

eingeschlossen, einsamer fühlen. Und Kinder ohne einen Vater, ohne eine Vaterfigur, diesen Kindern würde das Wissen fehlen, wie man zum Beispiel mutig oder unabhängig ist. Nicht als Anführer, sondern als ein Vorbild für Männlichkeit. Also glaube ich schon, dass es traurig wäre, eine Welt ohne Männer zu haben.“ - „Es wäre beruhigender, jemanden zu haben, der einen beschützt.“ - „Ja, genau, Schutz.“ - „So geht’s mir auch, Schutz.“ 43:20

Moment mal. In einer Welt ohne Männer – wovor müssten wir da beschützt werden? Löwen? Schlangen? Spinnen? Kann es sein, dass es länger dauern wird, solche Gefühle zu verändern, als die Forschung braucht, um eine Fortpflanzung ohne Männer zu ermöglichen?

43:39

Abspann