zur Praxis: DIE SZENEN DIE ROLLEN

Mathias Siebert Mendelek Korczak - Mensch Aronek Ein Musical Abrasza Janusz Korczak und den Kindern gewidmet Anna E 357 die Praktikanten: Be...
Author: Oswalda Geiger
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Mathias Siebert

Mendelek

Korczak - Mensch

Aronek

Ein Musical

Abrasza

Janusz Korczak und den Kindern gewidmet

Anna

E 357

die Praktikanten:

Bestimmungen über das Aufführungsrecht des Stückes

Esther

Korczak - Mensch (E 357)

Henryk

Das Recht zur einmaligen Aufführung dieses Stückes

Misha

wird durch den Kauf der vom Verlag vorgeschriebenen

Janusz Korczak

Bücher und Zahlung einer Gebühr erworben. Für jede

Igor Newerly

Wiederholung bzw. weitere Aufführung des Stückes

die Stiefel:

muß eine vom Verlag -festgesetzte Gebühr vor der

Bauer, Rudolf

Aufführung an den Deutschen Theaterverlag -PF 10 02

Mahler, Heinrich Graf

61, 69 442 Weinheim/Bergstraße gezahlt werden, der

Hansen, Dietrich

dann die Aufführungsgenehmigung erteilt.

Lohenstein, Karl-Hans

Die Gebühr beträgt 10 % der Gesamteinnahmen bei

zur Praxis: die Stiefel sind, musikalisch gesehen, in einer

einer im Verlag zu erfragenden Mindestgebühr.

Stimme d.h. im Chor-Baß zusammengefasst. Für

Diese Bestimmungen gelten auch für

vierstimmige Lieder wie z.B. "Sieben Siegel" oder "Im

Wohltätigkeitsveranstaltungen und Aufführungen in

Himmel verloren" u.a. haben wir die Schauspieler im

geschlossenen Kreisen ohne Einnahmen.

Waisenhausoutfit während der Szene oder zum Tanz auf

Unerlaubte Aufführungen, unerlaubtes Abschreiben,

die Bühne "geschummelt", so daß der komplette Chor

Vervielfältigen oder Verleihen der Rollen müssen als

auf der Bühne stehen kann.

Verstoß gegen das Urheberrecht verfolgt werden.

DIE SZENEN

Den Bühnen gegenüber als Handschrift gedruckt.

Szene 1 Der Zug der Kinder S. 6

Alle Rechte, auch die der Übersetzung, Verfilmung,

Szene2 Misha 1 S. 9

Rundfunk- und Fernsehübertragung, sind vorbehalten.

Szene3 Der Flur S. 12

Das Recht zur Aufführung erteilt ausschließlich der

Szene 4 Kindergericht S. 15

Deutsche Theaterverlag,

Szene 5 Das Gebet S. 19

Postfach 10 02 61, D- 69 442 Weinheim/Bergstraße.

Szene 6 Misha 2 S. 22

Für die einmalige Aufführung dieses Stückes ist der Kauf

Szene 7 Kartoffeln schälen S. 23

von 12 Textbüchern,

Szene 8 Kleiner König S. 28

1 Notensatz und die Zahlung einer Gebühr

Szene 9 Zug um Zug S. 31

vorgeschrieben.

Szene 10 Wiegen Messen S. 33

Zusätzliche Rollen können zum Katalogpreis

Szene 11 Sommerfrische S. 36

nachbezogen werden.

Szene 12 Vor der Akademie S. 40

DIE ROLLEN

Szene 13 Symphonie S. 41

die älteren Waisenhauszöglinge:

--- PAUSE ---

Chaim,

Szene 14 Bücher und Zahlen S. 42

Sabina

Szene 15 Der Zaun S. 47

Rose

Szene 16 Nur Liebe S. 52

Helena

Szene 17 Frühlings Verderben S. 56

Pola

Szene 18 Ein kurzer Brief S. 57

Rachel

Szene 19 An der Wand S. 58

die jüngeren Waisenhauszöglinge:

Szene 20 Mundharmonika und Vogel S. 63

Jona

Szene 21 Die Schlange S. 68

Hanka

Szene 22 Ein Versprechen S. 71 1

Szene 23 Der letzte Morgen S. 76

Wer könnt' uns heut morgen besiegen?!!

DIE MUSIK

Und dort hinterm Fenster: zwei schmale Gesichter....

1. Kleiner König tutti S. 6

la la la....

2. Lohenstein instrm. S. 7

Kind:

3. Der Rauch zieht nach Westen Lohenstein, Soldaten S.

(gesprochen)

8

Doktor, darf ich die Fahne tragen?

4. Hänschen-Thema instrm. S. 11

Korczak:

5. Seine Brille Misha, tutti S. 11

Aber die ist doch viel zu schwer für dich.

6. Ein neues Jahr Esther S. 15

Kind:

7. Sieben Siegel tutti S. 18 7a. Umbaumusik I instrm.

Ich bin stark, nur ein paar Meter. S. 19

Korczak:

8. Im Dienste des Stiefels Soldaten S. 22

Na gut, aber wenn du nicht mehr kannst, gibst du sie

9. Seine Brille instrm. S. 22

wieder ab.

10. Harte Hände Rachel S. 25

Kind:

11. Kleiner König tutti, a capella S. 28

Du wirst schon sehen, ich kann sie bis zum Bahnhof

11a. Umbaumusik II instrm. S. 31

tragen. Ehrlich!

11b. Umbaumusik III instrm.

1.Kleiner König, grüne Fahne, lala la du du....

S. 33

12. Wiegen Messen tutti, a capella S. 33

(Melodie pfeifen)

13. Wiegen Messen II tutti, a capella S. 36

.... deine braunen Augen so klar.

14. Carry me on Esther, Rachel, tutti S. 40 15. Symphonie der atmenden Kinder

2. Kleiner König, grüne Fahne,

instrm. S. 41

und der Wind weht dir durch das Haar.

--- PAUSE ---

Fremde Länder, dunkle Schatten,

16. This is for you Rachel S. 42

deine braunen Augen so klar.

17. Worte Helena, div. S. 46

3. Mandelblatt und Asterblume,

18. Gewehr im Takt instrm. S. 51

blauer Stern auf weißem Grund.

19. Wo du gehst und wo du stehst Bauer, Sabina, tutti S.

Mendelek mit schlechten Träumen,

54

Hanka geht heut ohne den Hund.

20. Frühlings Verderben instrm. S. 56

4. Kleiner König, grüne Fahne,

21. Quanto dolor Rose, tutti S. 58

und der Wind weht dir durch das Haar.

22. This is for you (Kindervers.) Anna, Abrasza S. 58

Fremde Länder, dunkle Schatten,

23. This is for you (Kindervers.) II Anna, Abrasza S. 63

deine braunen Augen so klar.

24. Im Himmel verloren tutti S. 67

5. Fahren, wenn die Bäume singen,

25. Sopranos Lament Sabina, tutti S. 71

Bruder, halt mich fest bei der Hand.

26. In jenen Tagen Esther S. 74

Abenteuer, Geistergeschichten

27. Kleiner König tutti S. 77

und das Ende unbekannt.

SZENE 1

6. Kleiner König, grüne Fahne,

Die Bühne ist halbdunkel, vereinzelte Lichter huschen

und der Wind weht dir durch das Haar.

durch den Raum, aus dem Off zielt ein scharfer, gelber

Fremde Länder, dunkle Schatten,

Kegel in die Luft. Die SS-Offiziere kommen erst kurz vor

deine braunen Augen so klar.

dem Auftritt der Kinder und stehen dann mit dem

Der Zug der Kinder ist bei der zweiten oder dritten

Rücken zum Publikum

Strophe auf der Bühne erschienen. Die Kinder haben

Musik 1: Kleiner König

Stofftiere oder Koffer in den Händen. Korczak geht

(Soli und tutti)

voran, eventuell ein Kind auf dem Arm und eines an der

Einmal in die Hand gespuckt,

Hand.

der König läßt drei Adler fliegen.

Ein kleiner Junge trägt die grüne Fahne, stolz , schwingt

Ein frischer Hauch weht vom Fluß heran.

sie hin-und her. Sie überqueren die ganze Bühne, 2

während die SS-Offiziere Stellung beziehen, mit dem

(laut für sich, wie im Traum)

Rücken zum Publikum.

Übermorgen...habe ich....Geburtstag.....übermorgen......

Abgang links hinten, Hansen hat sich Helena aus dem

Musik 3: Der Rauch zieht nach Westen

Zug geholt

(Lohenstein)

Musik 2: Lohenstein

Der Rauch zieht nach Westen, Kind,

(instrm.)

zu deinem Besten.

Lohenstein:

War dein Leben noch so hart,

Deine Haut ist so grau, mein Kind. Willst du ein Glas

mein Geheimnis, wohl verwahrt,

Wasser? Möchtest du ein Lied singen? Nur zu, genier

geb ich dir mit auf den Weg

dich nicht. Singen, das macht Mut. Wenn die Knochen

SZENE 2

trommeln und die Muskeln pfeifen.

Kühles, blaues Licht, das verlassene Waisenhaus, links im

Helena:

Hintergrund eine Litfaßsäule, daran hängen die

(schweigt)

Überreste von Korczaks Kinderzeitung, überklebt mit

Lohenstein:

einem Propaganda-Plakat "Neuansiedlungen im Osten"

Du fürchtest dich, weil deine Freunde nicht bei dir sind.

und dem Tagesbefehl. Dieses Szenenlicht (Mishas

Ist es das?

Rückblendenlicht) kommt immer, wenn Misha in

Helena:

Erzählerhaltung ist. Misha kommt vorsichtig

(schweigt)

angeschlichen, holt seine Armbinde hervor, steckt sie

Lohenstein:

sich über den Arm.

(singt ihr den Anfang einer Melodie vor, es ist die

Misha:

Melodie von "Der Rauch zieht nach Westen"/= Musik 3)

(leise) Helena?! Stefa?! Pan Doktor....Esther, ich bin's, Misha.

(Während Helena zögerlich und ängstlich versucht, die

Wo bist du? Komm, wo hast du dich versteckt? Mach

Melodie nachzusingen, wird sie von den SS-Leuten aus-

keinen Unsinn. Sie räumen die Waisenhäuser. Wir

und umgezogen. "Aufnahme in das Lager"-

müssen verschwinden.

stellvertretend für die anderen.)

(für sich)

Lohenstein:

Ich hätt nie auf die andere Seite gehen dürfen. Ich hab

So ist es brav. Nur zu. Singen macht Mut. Komm, und

ein Brot. Nur für dich, Esther.

jetzt die nächste Zeile.

(findet Korczaks Brille, man hört laute Zuggeräusche)

(Helena singt mit etwas kräftigerer Stimme nach)

Doktor.....Korczak...?...

Lohenstein:

(liest das Plakat)

Wie alt bist du, mein Kind?

"Neuansiedlungen im Osten"

(Auftritt Mahler mit einer Geburtstagstorte, brennende

(reißt es herunter)

Kerzen)

Zur Hölle mit euch.

Helena:

(Auftritt Hansen und Bauer)

(etwas optimistischer)

Hansen:

Ich, ich... werde übermorgen siebzehn.

Wir sollten beim Bahnhof sein. Wir sind zum Verladen

Lohenstein:

eingeteilt. Du bringst uns noch in Teufels Küche.

So, das Fräulein hat Geburtstag. Übermorgen. --- Schade.

Bauer:

Wir feiern hier keine Geburtstage.

Teufels Küche?! Teufels Küche!! Das ist gut.

(Die anderen Soldaten blasen die Kerzen aus.)

(lacht unecht)

Soldaten:

Es ist besser, wenn wir nachsehen, ob auch alle raus

Wir feiern hier keine Geburtstage.......wir feiern....

sind.

(Fertig umgezogen und mit geschorenem Kopf geht

Hansen:

Helena langsam den anderen nach.)

So ein Quatsch. Ich warte hier. Mach schnell. Will gar

Helena:

nicht wissen, was du 3

hier suchst. Lohenstein hängt dich, wenn er das erfährt.

Hansen:

Bauer:

Sie hat dich verhext. So machen es die Juden. Mit dir

(bedrohlich)

und den anderen. Und so wollten sie es mit der ganzen

Ganz richtig. Wenn er das erfährt.

Welt machen. Aber dazu sind sie nicht mehr

Hansen:

gekommen. Wir haben das Schlimmste verhindert. Und

(echt empört)

jetzt komm. Zum Bahnhof.

Glaubst du, ich weiß nicht, was du hier suchst? Das

Bauer:

jüdische Flittchen.

(kleinlaut)

Bauer:

Zum Bahnhof.....

Und wenn? Was weißt du schon. Hast du schon mal

(Beide ab)

einen jüdischen

Musik 4: König Hänschen

Mund geküßt?......

(instrm.)

Hansen: Du versündigst dich. (spuckt aus)

Misha:

Bauer:

Die Kinder haben die grüne Fahne mitgenommen. Sie

(ganz nah an Hansen)

sind unterwegs.

....einen jüdischen Mund......

Und Esther auch. Ich hätte nicht über die Grenze gehen

Hansen:

dürfen.

Heil!

(hält Korczaks Brille in den Händen)

(hebt den Arm)

Und du - Pan Doktor - bist du mitgegangen? Ja,

Bauer:

bestimmt. Du dummes

(Während er langsam Hansens ausgestreckten Arm

Schaf. So ein blinder, alter Doktor. Immer auf der Suche

herunterdrückt, zynisch:)

nach einem Sack Kartoffeln. Um die schreienden Mäuler

Ein neuer Morgen dem deutschen Volk. Beharrlichkeit -

zu stopfen. Und in den Himmeln schwebt die Asche

Selbstvertrauen - Disziplin -

deiner Schwestern und Brüder.

(Hansen gibt nach)

Musik 5: Seine Brille

Hansen, Disziplin!!

(Misha und tutti)

Hansen:

1. Wo seid ihr hin, wo seid ihr gelandet?

Ich werde dich anzeigen.

Seit wann seid ihr fort? Seid ihr jetzt gestrandet?

(Misha macht ein Geräusch, Bauer läßt los und dreht sich

Wo seid ihr hin? Sie hab'n euch vertrieben.

um.)

Nur seine Brille, zersprungenes Glas,

Bauer:

ist auf einem Tisch liegengeblieben.

Sabina?!

R. Oh Gott, wenn's dich gibt, mit Flamme und Schwert,

Hansen:

zerstöre die Brut, was sind wir dir wert?!

Ich befehle dir, daß du sofort zum Einsatz mitkommst.

Oh Gott, wenn's dich gibt, den Vorhang zerstör.

Sie ist sowieso verloren. Sie trägt einen Stern.

Schütt Glut und Vernichtung und frag nicht mehr

Bauer:

wer stürzt alles, was du geschaffen, in das Maul der

Ja, sie trägt diesen verfluchten Stern. Na und? Den kann

Hölle....

sie auch ablegen.

2. Ich sehe dich doch, Esther, ganz weit verloren;

Hansen:

gestorben am Abend, morgens wiedergeboren.

Ich verstehe nicht, was aus dir geworden ist. Heulst

Mein ganzes Glück, in braunen Händen zerrieben.

wegen einem Judenarsch. Und sowas war mal mein

Nur seine Brille, zersprungenes Glas,

Freund.

ist auf einem Tisch liegengeblieben.

Bauer:

R. Oh Gott, wenn's dich gibt, aber dich gibt's ja nicht.

Sie ist nicht wie die anderen.

Ich spuck auf dein heiliges Fratzengesicht. 4

Ich schenk dir die Welt, nimm den dreckigen Rest.

Korczak:

Und bau deine Kreuze. Mein Leichenfest

(nimmt eine ihrer Hände, die Nägel sind rot lackiert)

verglüht in der Dunkelheit dieser Zeit.

Schon eine richtige kleine Dame, unsere neue

Es geschehe dein Wille, es geschehe dein .......

Praktikantin. Da Sie neu sind, werde ich Ihnen zeigen,

(Die anderen treten im Schlußteil als Mönche auf, Kerzen

wie man es am besten macht. Erst einmal: Ihr

in den Händen. Im Verlaufe des Liedes taucht Esther, für

Bohnertuch ist viel zu klein für diesen langen Flur. Eine

sich tanzend, auf. Nach dem Lied streckt Misha die Hand

Decke wäre besser. Holen Sie eine. Aber nicht vergessen,

nach ihr aus, kann sie aber nicht berühren.)

den Bezug abzunehmen.

Misha:

(Esther geht los, Sabina, Rachel und Chaim kommen ihr

Esther!! Wie lange noch, und dann ist auch diese

entgegen, bringen eine Decke)

Erinnerung verloschen... :

Esther:

Dein erster Tag im Waisenhaus. Und du warst so

Aber hat denn das Waisenhaus so viele Decken, daß....

verwirrt.

Korczak:

SZENE 3

Warum nicht?

Lichtstraße von vorne, Korridor des Waisenhauses, Esther

Esther:

wischt mit Besen und Bohnertuch. Auftritt Korczak.

Ich weiß nicht. Wenn Sie meinen....

Korczak:

Korczak:

Neu?

Komm, Mädchen, setz dich drauf.

Esther:

(Esther setzt sich auf eine Ecke, Korczak und die drei

Neuer Besen - oder neuer Mensch?

Jugendlichen ziehen sie zwei oder drei mal hin und her.

Korczak:

Zum Schluß heben die Kinder das Tuch hoch und

Mensch!

verschwinden dahinter. Misha tritt, ungesehen, dazu.)

Esther:

Esther:

Ein neuer Mensch. Seit gestern hier. Und seit gestern

He, das ist toll. Richtig gewaltig. Ich merk schon, hier

verloren in diesem Dschungel.

kann man 'ne Menge

Korczak:

lernen.

Noch keinen Umgang gehabt mit Gruben und

Korczak:

Fallstricken?

Also so respektiert das neue Personal das Eigentum des

Esther:

Hauses.

Nein , nein, ich meinte...

( Esther ist nicht ganz klar, ob Korczak einen Scherz

Korczak:

macht, oder ob es ihm ernst ist)

Und was soll das da werden?

Innerhalb von wenigen Minuten wird eine Decke zum

(zeigt auf den Besen)

Lumpen. Ungeheuerlich.

Haben Sie jemals in ihrem langen Leben einen Fußboden

Beschämend. Ich werde das sofort weiterleiten.

gebohnert?

Esther:

Esther:

Aber, Sie haben doch selber gesagt!

Ja, das hab ich. Doch!

Korczak:

Korczak:

(jetzt tatsächlich böse)

Und wie groß waren die Zimmer?

Was sind Sie doch für ein unschuldiges Lämmchen. Eine

Esther:

Neunmalkluge. Man kann immer jemand anderem die

(zeigt mit beiden Händen)

Schuld in die Schuhe schieben. Es gehört Mut dazu, sich

So...ungefähr....

zu weigern. Merken Sie sich das!

(macht den Abstand etwas kleiner)

(Korczak läuft im Licht des Korridors nach hinten, ab, die

...naja....oder...

Kinder laufen mit der Decke hinterher. Misha bleibt.)

(macht ihn noch etwas kleiner)

Misha:

... Ungefähr so??! Wie Streichholzschachteln.

Nimmm's nicht krumm. Der Doktor hat seine eigenen 5

Methoden.

"Das Gericht verliert die Beherrschung nicht. Es beleidigt

Esther:

nicht.

Er ist gemein.

Es spricht ruhig."

Misha:

Rachel:

Manchmal sieht es so aus. Er meint es gut. Du bist also

Als ersten Fall verhandeln wir heute: Henryk. Esther, lies

die neue Praktikantin! Hier.

bitte vor, was gegen ihn vorgebracht wird.

(bietet ihr eine Zigarette an)

Esther:

Wir dürfen natürlich nur draußen rauchen. Wenn es mal

Henryk, Praktikant, wird beschuldigt, Chaim geschlagen

'ne Pause gibt.

zu haben...

Esther:

Henryk:

Danke, ich mag nicht.

Er war selber schuld.

Musik 6: Ein neues Jahr

Rose:

(Esther und Misha)

Henryk, bitte.

ESTHER: Ich hatt' ihn mir ganz anders vorgestellt....

Esther:

MISHA: Wie - ganz anders?

....als er sich beim Waschen nicht so beeilte, wie Henryk

ESTHER: Viel größer, netter, naja, eben anders....

das wohl gerne gehabt hätte. Außerdem hat der

Er kommt so ganz normal und spricht mit mir;

Praktikant zur Bestrafung einen Schatz von Chaim

Und dann, warum schreit er? Fühlt er denn nichts?

eingefordert und dann weggeworfen.

R: Ein neues Jahr für Dreck und Spatzen in der Hand

Rose:

ein ganzes Jahr den Flur hinauf- und runter gerannt,

Was war das für ein Schatz?

ein Arbeitstier im Dienste des Tyrannen.

Chaim:

(der Instrumentalteil nach dem Refr. heißt "Bohnern", alle

Zwei Milchzähne. Sauber poliert und seit acht Jahren

Kindersieht man bei der Hausarbeit. Während des dann

aufbewahrt.

folgenden Lichtwechsels zur nächsten Szene bleibt

Rose:

Henryk stehen)

Henryk hat das Wort.

SZENE 4

Henryk:

Das Kindergericht wird aufgebaut, Esther mit

Wir wissen doch alle, daß die Nachtruhe eingehalten

Schreibblock, die Richter sind Rose und Rachel.

werden muß. Und Chaim hatte schon über 5 Minuten

Esther:

mit Mendelek gequatscht. Dann erst fiel ihm ein, daß er

(zu Henryk)

sich wohl noch die Zähne putzen könnte. Naja....

Solltest du nicht heute die Zäune streichen?

Rose:

Henryk:

Würdest du dich etwas kürzer fassen. Es gibt noch einige

(verlegen)

Fälle heute morgen.

Ich....muß vor Gericht.

Henryk:

Esther:

Ich wollte ihm nur klar machen, daß er sich etwas

Ach, haben sie dich mal wieder dran!

beeilen muß und hab ihm einen Klaps auf den

Henryk:

Hinterkopf gegeben. Die Nachtruhe!!

Esther, du weißt genau, daß es eine Ungerechtigkeit ist.

Rachel:

Wie können Kinder....

Chaim, wie siehst du das?

Esther:

Chaim:

Ich sehe schon. Du hast es immer noch nicht verstanden.

Ich denke wohl, es war nicht so böse gemeint. Aber ich

Rachel:

bin auf den Boden gefallen und habe mich gestoßen.

Die Sitzung ist eröffnet.

Außerdem hat Henryk geflucht.

"Das Gericht ist nicht die Wahrheit, aber die Wahrheit ist

Rachel:

das Ziel."

(ungläubig)

Alle:

Und das fandst du schlimm? Ich meine, das mit dem 6

Fluchen?

Henryk:

Chaim:

Na gut, ich nehmen das Urteil an. Aber eines sage ich

Also.....

euch: wenn ihr mal Praktikanten werden solltet, dann

Henryk:

werdet ihr merken, wie schwer es ist, mit euch

Ich habe nur geflucht, weil du nicht wieder

umzugehen.

aufgestanden bist.

Musik 7: Sieben Siegel

Aronek:

(tutti)

Das kann ich bezeugen.

1. Ein Buch mit sieben Siegeln

Rose:

und keins davon zerbrochen.

Aronek, du bist jetzt gar nicht dran. Esther, du hast

Ein Abenteuer diese Welt,

Chaim verbunden?

noch keinen Duft gerochen.

Esther:

Kind, so kommst du auf die Welt,

Wenn, dann hätte das Fräulein Stefa getan, aber das war

Kind, so kommst du auf die Welt.

gar nicht nötig. Er hat etwas Salbe bekommen.

2. Mit deinem kleinen Trippelschritt

Rachel:

eroberst du das Land.

Das Gericht berät sich.

Die Menschen sind dir gut,

(Korczak nimmt Henryk zur Seite.)

Gefahren noch unbekannt.

Korczak:

Kind, so gehst du in die Welt,

Du hast also einen Schatz weggeworfen?

Kind, so gehst du in die Welt.

Henryk:

R. Heut sitzen wir in einem Schloß,

Wie soll man Kindern sonst deutlich machen, daß ein

der König singt ein Lied.

Fehlverhalten auch Konsequenzen hat?!!

Er hält Gericht, wir gucken zu

Korczak:

und warten was geschieht.

(freundlich, aber bestimmt)

3. instrm

Wie können Sie es wagen, über den Besitz eines anderen

4. Die Republik der Kinder,

zu verfügen?! Wie können Sie nach solch einem

die Stadt der Bonbonschlecker.

Verbrechen erwarten, daß das Kind irgendetwas

Das große Schokoladenmaul,

respektiert? Verstehen Sie doch: Eine kleine Schraube

gierig und sehr lecker.

und ein Stück Draht sind ein Flugzeug - der uralte Traum

Wahrheit wird hier nicht verpackt,

vom Fliegen. Ein kleiner Milchzahn: die letzte Erinnerung

Wahrheit wird hier nicht verpackt

an eine Zeit, in der das Kind vielleicht einmal glücklich

R. Heut sitzen wir.....

war. Den Vater, die Mutter noch hatte.

5. In dieser Stunde stirbt ein Mensch,

Henryk:

ein andrer wird geboren.

Aber das sind doch nur Sachen.

Kein Atemzug, kein Atemzug

Korczak:

geht jemals hier verloren,

Nicht für den, der sich seine eigenen Welten erträumt.

so umarmt dich diese Welt, Kind

Rose:

so umarmt dich diese Welt.

Das Gericht hat entschieden!

Musik 7a: Umbaumusik I

Rachel:

SZENE 5

Wir stellen fest, daß du die Tat, der du beschuldigt wirst,

Hauptquartier der Stiefel, Zuggeräusche. Mahler liest

begangen hast. Nach Artikel 200 verlierst du für einen

Hansen:

Tag alle deine Privilegien und dein Name wird

Herr Graf lesen?

am schwarzen Brett bekannt gegeben.

Bauer:

(Zwei Kinder laufen sofort zur Litfaßsäule, hängen ein

Sag mal, bist du eigentlich ein echter? Graf, meine

großes Blatt Papier daran und schreiben darauf: Henryk,

ich...?

verurteilt nach Art. 200)

Hansen: 7

Heinrich Graf von Mahler. Wieso hockst du in Warschau?

Na, Bauer, weswegen kommt der Führer wohl her?

Deinesgleichen

Bauer:

ist in Berlin.

Ich weiß nicht. Vielleicht ist ihm langweilig.

(Mahler schweigt)

Lohenstein:

Hansen:

Dem Führer ist nie langweilig. Mahler!

Was liest du da?

Mahler:

(nimmt ihm das Buch weg, guckt rein und wirft es ihm

Er will uns bei der Arbeit erleben.

wieder hin)

Lohenstein:

Bauer:

Hansen?

Es ist zum Erbrechen langweilig in dieser Stadt. Und es

Hansen:

ist kalt. Wo sind die Huren? Es gibt keine Huren in

Der Führer?

diesem verlausten Drecksnest.

Lohenstein:

Hansen:

Er will mich kennenlernen. Und - es gibt offensichtlich

Schreib einen Brief nach Hause. Wie unser Graf. Wenn er

Entscheidungen. Wichtige Entscheidungen.

nicht liest.

Bauer:

(holt Papier und Bleistift, winkt Bauer. Die deiden

Worüber?

schnappen sich Mahler und zwingen ihn an den Tisch)

Lohenstein:

Mahler:

Problemlösungen. Offensichtlich.

Laßt das!

(für sich)

Hansen:

Alle Welt soll es erfahren. Der Masse imponiert nicht die

Schreib!

Klugheit und Güte,

Mahler:

sondern nur die Gewalt.

Blödsinn.

(laut, stellt sich in Position des weihevollen Priesters, der

Hansen:

bereit ist, seine Kulthandlung zu begehen)

Liebe Gräfin Mutter.

Nur durch Gewalt kann der Weltfrieden sicher gestellt

Bauer:

werden.

Lieber Schwager, Fürst Metternich.... Hier ist es schön -

Bauer:

obwohl wir

(wie ein Gebet)

nie den Führer sehn.

Das deutsche Volk wird einst zum Herrn der Erde....

Hansen:

Mahler:

Aber so schön ist es auch wieder nicht, weil es nämlich

Der Friede stützt sich nicht auf die Palmwedel

zum totfrieren ist.

tränenreicher Klageweiber.......

Mahler:

Hansen:

(versucht sich zu befreien)

....sondern begründet sich auf das siegreiche Schwert

Ihr seid verrückt. Laßt mich los. Warum tut ihr sowas?

des Herrenvolkes....

Hansen:

Bauer:

Was?

.....das die Welt in den Dienst einer höheren Kultur

Mahler:

nimmt.

Mich so kujonieren.

Musik 8: Im Dienste des Stiefels

Hansen:

(Soldaten)

Mahler!! Graf von....kujonieren, masturbieren,

Im Dienste des Stiefels, geleckt und getreten

delinquieren...?!! Ein bißchen Zeitvertreib.

Im Dienste des Stiefels marschiert.

(Lohenstein geht rüber, winkt mit einem Zettel)

Im Dienste des Stiefels, der weit ausholt, großer Schritt

Lohenstein:

neue Länder, neuer Raum - marschiert.

Depesche aus Berlin. Der Führer kommt. Was will er

Der wahre Mensch wird jetzt erhöht

wohl hier?

Das neue Licht für uns, das hinterm Blut der Feinde 8

aufgehn wird.

Was?

Im Dienste des Stiefels, in den Staub getreten

Rachel:

wer andern Glauben glaubt - marschiert.

Na, ob sie ein Liebesverhältnis haben.

1, 2, 3, 4

Helena:

(marschiert)

(erschrocken)

1, 2, 3, 4

Wer?

(marschiert)

Rachel:

1, 2, 3, 4, 1, 2, 3, marschiert.

Der Doktor und das Fräulein Stefa.

Der wahre Mensch wird jetzt erhöht.

Helena:

das neue Licht für uns, das hinterm Blut der Feinde

Rachel, so etwas darfst du nicht denken.....

aufgehn wird.

Rachel:

Im Dienste des Stiefels 1, 2, 3, marschiert,

Stell dich nicht so an. Ein Mann braucht eine Frau.

im Dienste des Stiefels marschiert.

Helena:

Lohenstein:

Der Doktor nicht. Er hat ja uns.

Abtreten!!

Rachel:

SZENE 6

Willst du einmal einen haben?

Musik 9: Brille

Helena:

(instrm.)

Ich weiß nicht. Wahrscheinlich muß man ja.

Erinnerungslicht, Misha wieder allein, hinter dem

(Auftritt spielende Kinder)

abgerissenen Plakat an der Litfaßsäule ein Stück von der

Rachel:

Kinderzeitung, Misha steht davor und liest

Sag mal, wie schälst du denn die Kartoffeln? Das werden

Misha:

ja Bauklötze.

"Warum ich gerne für die Kinderzeitung schreibe".

Helena:

Betrachtungen

Geht schneller so. Schau her. Hier einen Schnitt, dann

von Rachel Asterblum.

hier, hier und den letzten. Fertig.

Rachel. Nun wirst du nie eine große Schriftstellerin .

Rachel:

Großes Mädchen mit Schwielen an den Händen. Du

Aber es geht soviel verloren.

hättest keine

Helena:

Romane aus der weiten Welt geschrieben.

Für die Schweine.

(Auftritt Rachel)

(Eines der Kinder klaut eine Kartoffel und steckt sie sich

Misha:

in den Mund)

Du hättest deinem Leser erzählt, daß viele Kinder in

Rachel:

Polen solch kaputte

He, du alter Heringskopf. Gib sofort die Kartoffel zurück.

Hände haben. Und daß so viele Kinder nie ein Spielzeug

Kind:

hatten, sondern nur Hammer und Hacke kannten. Du

Ich hab...solchen...Hunger.

hättest die Straße zur Allee und dein Versteck zum Palast

Rachel:

erklärt und gesagt: "Könige können arm

Rück sie wieder raus. Sie gehört nicht dir.

aufwachsen"......Rachel.....

(schüttelt das Kind. Das Kind spuckt die Kartoffel wieder

(ab)

aus, Rachel wirft sie zurück in den Eimer. Auftritt Pola)

SZENE 7

Pola:

Auftritt Helena mit Eimer, Kartoffeln und Messern.

Ich soll euch helfen.

Beide setzen sich und schälen Kartoffeln

Helena:

Rachel:

Au weia. Pola mit den zwei linken Händen.

Ob sie was miteinander haben?

Pola:

Helena:

Wir hatten unser Küchenpersonal.

(verträumt)

Rachel: 9

Auch nicht schlecht. Küchenpersonal. Ich hab schon so

Wenn du eine Kuh schlachten willst.

viele Dinger geschält, daß du getrost Warschaus Straßen

(gibt Pola ihr Messer)

damit pflastern könntest.

Du kannst mich vertreten.

Helena:

Helena:

Das kannst du laut sagen.

Warum nicht? Sie vertritt uns beide.

Rachel:

(gibt Pola auch ihr Messer)

(schreit)

Pola:

Ich hab schon soviele Kartoffeln geschält, daß du getrost

(guckt sich die beiden Messer an)

damit....

Und wie soll das funktionieren?

(alle drei lachen)

Rachel:

Musik 10: Harte Hände

Anfänger dürfen mit einem Messer beginnen. Schau her.

(Rachel)

(schält eine Kartoffel)

RACHEL: Oh, guck dir nur mal meine Hände an,

Pola:

HELENA: Huch, was ist mit denen?

Das ist ja eine richtige Kunst.

RACHEL: Sie sind so häßlich, hart und haben keinen

Helena:

Charme.

Und Übung macht den Meister. Du hast 30 Minuten Zeit.

HELENA: Find ich nicht.

(Helena und Rachel ab, nach vorne, wo sie Pola

RACHEL: Wem kann ich die denn zeigen, sag mir das!

beobachten können.

Das muß ich wohl für mich behalten.

Pola schneidet sich in den Finger.)

Das muß ich wohl für mich behalten.

Pola:

Findest du nicht auch?

(wirft die Kartoffel weg)

RACHEL: Ein ganzes Leben Dreck und Spatzen in der

Blödes Ding.

Hand.

(wartet einen Moment, holt sich die Kartoffel wieder,

Ich bin wohl jede Straße rauf und runter gerannt,

versucht es noch einmal, der Versuch mißlingt,

ein ganzes Leben für Tyrannen neben mir.

schluchzt)

Pola:

Mama? Ich will wieder zurück. In unser Haus.

(winkt mit einer Kartoffel)

(wechselt die Stimme, zitiert)

Zeigt mir das mal jemand?

"Jüdisches Pack, was braucht ihr solch ein schönes

Helena:

Haus?"

Du brauchst 'n Messer.

(Soldaten mit Stiefeln und Mantel in der Szene.)

Pola:

Bauer:

Ach ja, klar....

Kin-der-schläch-ter.

(ab)

Hansen:

(Helena versucht mit Kartoffeln zu jonglieren)

Sie trinken das Blut ihrer eigenen Verwandten.

Helena:

Mahler:

Wir könnten einen Zirkus aufmachen. Und Eintritt

Treibt sie aus der Stadt.

nehmen.

Helena:

Rachel:

Was redet sie?

Klar. Und mit dem Geld würden wir nach Amerika reisen.

Rachel:

Oder einen neuen Kontinent entdecken.

Ich weiß nicht...

Helena:

Pola:

Ich tät mir ein Auto kaufen.

(ihre Stimme "spielt" zwei Personen)

(Auftritt Pola mit großem Messer.)

Mama. Warum sagt unser Nachbar so fürchterliche

Pola:

Sachen?

Geht das in Ordnung?

Ist das wirklich wahr? Wollt ihr mich schlachten?

Rachel:

Aber nein, mein Kind. Unser Nachbar ist böse auf Vater. 10

Er hat sich Geld bei einem Juden geliehen und kann es

Ich bring euch vors Gericht. Schafe. Esel. Kuhschweine.

nun nicht

Berg. Bruchbude. Ihr...ihr..Mädchen.

mehr zurückgeben.

Jona:

Hansen:

Na hör mal. Ich bin auch ein Mädchen.

Sein Geschäft ist kaputtgegangen. Feinste Miederwaren.

Chaim:

Pola:

Nein, du bist nett.

Und deswegen schimpft er jetzt auf deinen Vater.

SZENE 8

Hat Vater denn sein Geschäft kaputt gemacht? Nein,

Alle Praktikanten und Kinder kommen, mit:

natürlich

Musik 11: Kleiner König

nicht.

(a capella)

(Bauer, Hansen und Mahler gehen laut lachend ab.)

(tutti)

Rachel:

Kleiner König, grüne Fahne,

Pola, Pola, was hast du? Hör doch auf zu weinen. Du

und der Wind weht dir durch das Haar.

hast phantasiert.

Fremde Länder, dunkle Schatten,

Pola:

deine braunen Augen so klar.

(hart)

Fahren, wenn die Bäume singen,

Laßt mich in Ruhe. Das mit den Kartoffeln klappt

Bruder, halt mich fest bei der Hand.

übrigens nicht. Ich sag dem Personal Bescheid.

Abenteuer, Geistergeschichten-

(ab)

und das Ende unbekannt.

(Auftritt Chaim, er schwingt die Fahne von König

Kleiner König, grüne Fahne, und der Wind

Hänschen und singt: "Kleiner König..." Jona marschiert

weht dir durch das Haar.

hinter ihm und spielt Blockflöte.)

Fremde Länder, dunkle Schatten, deine braunen Augen

Helena:

so klar.

Rachel. Hast du auch Angst?

(Wenn Chaim sie aus dem Off hört, springt er auf, nimmt

Rachel:

die Fahne, wenn der Zug auf der Bühne ist, kommen

Ich weiß nicht... Chaim, komm mal her.

auch Rachel und Helena wieder, mit Blumen. Während

Chaim:

des Liedes übergibt Sabina Chaim die Krone und das

Geht jetzt nicht, Jona und ich üben für das große Fest.

Szepter des König Hänschen, Rose nimmt die Fahne.)

Rachel:

Alle:

(streng)

(durcheinander)

Chaim. Komm sofort hierher.

Eine Audienz, eine Audienz beim König, König

Chaim:

Hänschen, hör mich an, was Wichtiges, was ganz

Oohh...immer die Großen. Was willst du?

Wichtiges, eine Audienz, nur ein kleines Gespräch.....

Rachel:

Rose:

Wir müssen noch etwas für das Mittagessen besorgen.

Lieber König Hänschen, wir sind sehr betrübt.

Deswegen dürft ihr jetzt weitermachen.

Sabina:

(reicht ihm das Messer)

Du hast uns Kindern die Freiheit geschenkt. Und den

Jona:

Erwachsenen auch......aber....

Kartoffeln schälen? Bäh...ich bin morgen dran.

Alle:

Helena:

Frei-heit!! Frei-heit!!

Dann üb schon mal. Ist meine ständige Empfehlung

Sabina:

heute.

Aber sieh doch: Warum hälst du die Sonne am

(Rachel und Helena ab)

Firmament?

Chaim:

Sie läuft immer noch in Fesseln geschlagen.

Die Großen erlauben sich alles.

Chaim:

(ruft)

Ich kann der Sonne nicht die Freiheit geben. Sie muß 11

gebunden bleiben. Was würde sonst aus eurem Morgen

aber eines habe ich jetzt gehört: Frei zu sein, das ist das

werden?

Schwerste. Oder?

Alle:

SZENE 9

Freiheit!! Freiheit!!

Musik 11a: Umbaumusik II

Rose:

Hauptquartier der Stiefel. Bauer sitzt am Tisch, vor ihm

Lieber König, was bringt uns das neue Gesetz? Sieh

Unterlagen ausgebreitet, Füße auf dem Tisch und ißt aus

doch: Alles ist schlimmer geworden. Jeder denkt nur

der Dose. Auftritt Lohenstein

noch an sich. Und an seine eigene Freiheit.

Lohenstein:

Rachel:

Und?

Bring deine Ideen doch ins Pfandhaus.

Bauer:

Chaim:

Nicht einfach. Keine Ahnung, wie die das hinkriegen

Ideale kann man nicht verpfänden.

wollen.

Sabina:

Lohenstein:

Lieber König, mach, daß ich nicht mehr soviel weinen

Wie sehen denn Ihre Stiefel aus? Bauer, wichsen!

muß.

Bauer:

Chaim:

..also, wie schon gesagt: nicht einfach, die ganze Sache.

Warum kann man Tränen nicht wie Eheringe tauschen?

Sehen Sie. Dienstag, Mittwoch und Sonnabend gibt es

Pola:

lange Wartezeiten. Man müßte um die Mittagszeit drei

Was willst du gegen die Ausbeutung unter den

oder vier Züge umleiten. Sie dürfen nicht direkt nach

Menschen tun?

Warschau kommen. Wenn sie den Umweg über Krakau

Chaim:

nehmen könnten, dann bekomm ich das gestaffelt hin.

Wenn es sie noch gibt, nun, jedenfalls kein Aspirin

14 Uhr, 14 Uhr 30, 15 Uhr, 16 Uhr.

verschreiben.

Lohenstein:

Alle:

(überheblich)

Freiheit!! Freiheit!!

Oder man ändert die Abfahrtszeiten an den

Chaim:

Abfahrtsbahnhöfen.

Aber ihr seid doch frei!

Bauer:

(Große Bestürzung unter den Anwesenden.)

Wenn das möglich wäre.

Pola:

Lohenstein:

Und wenn ich statt der Freiheit lieber die Ketten wähle?

Bauer. Alles ist möglich. Wenn wir die ganze Welt in die

Chaim:

Knie zwingen, dann werden wir doch wohl ein paar

(traurig)

Güterzüge umleiten können.

Die Freiheit hast du nun nicht mehr.

Bauer:

Alle:

Ehrlich gesagt,

Betrug. Lüge. Wir wollen unsere Ketten wieder. Ich

(hält diverse Blätter hoch)

möchte in Gefangenschaft. Gebt uns einen Despoten. Ja,

es handelt sich in diesem Fall um hunderte von Zügen.

einen richtigen Herrscher. Du bist zu klein, Kleiner König.

So viele Richtungen, aus denen sie kommen, und nur

Sabina:

diese wenigen Zielbahnhöfe. Organisatorisch betrachtet:

Siehst du, mein Gebieter. Sie wissen nichts mit ihrer

eine Heidenarbeit. Einfache Frage: was sollen die Züge

Freiheit anzufangen.

da?

Sie sind unglücklich. Keiner mag mehr selbst eine

Lohenstein:

Entscheidung treffen.

Einfache Antwort: Rüstungsindustrie, Bauer. Die Züge

Chaim:

transportieren Arbeiter. Im Ritus geeint, bauen sie uns

Aber das darf doch nicht wahr sein!!!!

den Weg ins Licht. Verstehen Sie?

Sabina:

Bauer:

Oh doch, König Hänschen. Ich weiß ja selbst nur wenig,

Nicht ganz. 12

Lohenstein:

die Praktikanten und Korczak bei der wöchentlichen

(unwirsch)

Hygiene-medizinischen Untersuchung aller Kinder; die

Ah....vier Pfennig pro Person und Kilometer an die

Kinder werden gewogen, gemessen, die Augen werden

Reichsbahn zu entrichten. Haben Sie das ausgerechnet?

untersucht und verschiedene Krankheiten der Einzelnen

Bauer:

begutachtet. Die Litfaßsäule ist jetzt vorne, links die

Soweit bin ich noch nicht gekommen. Wir müssen erst

Praktikanten helfen, nach dem Lied gehen Misha und

mal die Züge hinkriegen.

Esther zur Vorderbühne und werden "privat".

Lohenstein:

Musik 12: Wiegen, Messen I

Herrgott, Bauer. Was soll der Führer von uns denken?

(tutti)

Berlin koordiniert das ganze Reich, und Sie kriegen noch

80 Pfund- schon wieder mehr.

nicht einmal unser kleines, läppisches Gebiet hin.

40 Kilo- glückseliger Traum.

Bauer:

Haare kurz, gewaschen und frisch.

Mir fehlen Angaben. Ich müßte wissen, wann welche

Wir haben das Ziel erreicht, haben das Ziel erreicht.

Züge zur Verfügung stehen, wo wieviel Personen

Doktor, Doktor, die Kinder duften wie sattes Gras an der

einsteigen, welche Reiseverpflegung......

See.

Lohenstein:

Doktor, Doktor, die Wunden heilen schnell,

Keine!

abends, wenn die Glocke singt, das Land erglüht.

Bauer:

(Das Wiegen und Messen geht im Hintergrund weiter.)

Keine Reiseverpflegung?

Misha:

(guckt ungläubig)

Sieh dir das an. Wie in einer Kaserne. Haare

Aber das sind zum Teil über 30 Stunden Bahnfahrt.

abgeschnitten...

Lohenstein:

Esther:

(schreit)

....wegen der Läuse.

Bin ich so schwer zu verstehen?

Misha:

Bauer:

Einmal in der Woche: Wiegen.....

(schreibt)

Esther:

Keine.

....und eine süße Belohnung.

Lohenstein:

Misha:

(wieder normal)

Größe messen.....

Es geht ja schließlich nicht in den Urlaub.

Esther:

Bauer:

....medizinische Beobachtung.

Nun gut. Aber die Fahrt soll ja auch nicht zu einer

Misha:

Hinrichtung werden.

Ach, du nimmst ihn ununterbrochen in Schutz.

(stutzt)

Esther:

Oder?

Nein, ich sehe nur, daß er seine Kinder liebt. Und uns.

Lohenstein:

Sogar dich. Verstehe das, wer will!

Vier Pfennig pro Person und Kilometer an die

Misha:

Reichsbahn. Haben Sie das?

Er ist der Verwalter einer Käseglocke. Und die Kinder

Bauer:

mittendrin.

Aber ja!

Esther:

Lohenstein:

Mittendrunter. Wenn schon.

Und nicht vergessen: Stiefel wichsen!!

Misha:

Musik 11b: Umbaumusik III

Er schafft ihnen ein grausames Paradies.

attacca Musik 12

Esther:

SZENE 10

Was ist so fürchterlich daran?

Im Hintergrund eine große Waage und eine Meßlatte:

Misha: 13

Das alles ist nicht echt. Nicht wie das wirkliche Leben

Misha:

draußen.

Hey, laß das. Alter Bourgeois!

Seine Kinder kennen nur Erwachsene, die Gerechtigkeit

(Henryk findet die Zettel in Mishas hinterer Hosentasche,

beschwören, hohe Ziele haben und predigen.....

und wirft sie in die Luft)

Esther:

Misha:

....aber sie auch leben. Was soll so schlecht daran sein,

Wie gehst du mit der Wahrheit um?

den Kindern zu zeigen, wie eine Gesellschaft

Henryk!!!

funktionieren kann, so daß jeder seinen Platz, Misha,

Musik 13: Wiegen, Messen II

seinen

(tutti)

richtigen Platz darin hat. Und, ehrlich gesagt, Korczaks

Einen Meter - 'nen halben noch drauf.

Methoden sind nicht gerade bürgerlich. Es ist doch nicht

Mann, der Kleine streckt sich in die Höh'.

so, daß er uns Praktikanten sagt: Esther:

Stück für Stück kommt Größe dazu.

Mach dies und mach das. Du mußt schon selber drauf

Was kümmert uns Medizin, kümmert uns Medizin.

kommen. Und das ist manchmal hart genug.

Doktor, Doktor, die Kinder schwimmen vorbei, ein

Misha:

riesiger

Er imponiert dir!

Schwarm.

Esther:

Doktor, Doktor, die Wunden heilen schnell,

.......Ja!

abends, wenn die Glocke singt, das Land erglüht. Ah.

Misha:

SZENE 11

Er ist nicht schlecht. Zugegeben. Und trotzdem.....

Auftritt Mahler und Bauer, sie schlagen an der

(Auftritt Henryk)

Litfaßsäule ein Plakat an: "Neuansiedlungen im Osten"

Henryk:

Bauer:

Geheimes Praktikantentreffen ohne mich?

Geht's noch ein bißchen schneller, Mahler?

Esther:

Der Geruch hier ist ja kaum zum aushalten.

Wir dachten, du bist beim Wiegen.

Mahler:

Henryk:

Sie waschen sich nicht. Das verbietet ihnen ihre Religion.

War ich auch.

Nicht waschen. Nur sonnabends.

Misha:

(Die beiden sind fertig und setzen sich auf den

Esther klärt mich gerade über den Doktor auf.

Bühnenrand, vorne links.

Henryk:

Auftritt Anna und Abrasza, kurz danach Mendelek. Im

Oh nein, seid ihr schon wieder dabei? Und ich dachte,

Hintergrund wird das große Bett aufgebaut)

ich erwische euch endlich mal bei einem Rendezvous.

Mendelek:

Esther:

Wann fahren wir in diesem Jahr in die Sommerkolonie?

Rendezvous mit einem Sozialisten? Da gibt es statt eines

Anna:

Kußes eine Belehrung. Misha umarmt lieber die

Sommer geht diesmal nicht.

geknechetete Welt als eine geknechtete Frau.

Mendelek:

Misha:

Ach, und warum nicht?

(beleidigt)

Anna:

Ach? Parolen gab's heute noch keine. Außerdem hast du

Kein Geld. Und zu gefährlich. Sagt Misha.

nicht gesagt, daß du gerne umarmt werden würdest.

(Auftritt Aronek)

Esther:

Aronek:

(unsicher)

Gefährlich. Was soll denn daran gefährlich sein?

So?!

Anna:

Henryk:

Die Stiefel.

Aber neue Handzettel hast du doch sicher dabei?

Abrasza:

(sucht Mishas Hosentaschen durch)

Was haben die gegen unsere Sommerfrische? 14

Mendelek:

Ist das eine Idee vom Doktor?

Die haben gegen alles was.

Rachel:

Anna:

Nein. Von mir und Helena. Was dagegen?

Sie mögen uns nicht.

Esther:

(Auftritt Esther)

Hör mal...du....So etwas muß abgesprochen werden.

Esther:

Erstens spielst du hier

(nachäffend)

mit unserer Essensration und zweitens habe ich etwas

Sie mögen uns nicht. Sie mögen uns nicht. Wer mag

dagegen.

euch nicht, he?

Rachel:

Aronek:

Was soll das?! Spiel dich nicht so auf. Du bist nicht

Die Stiefel. Mann, Esther, wohl noch nichts mitgekriegt,

unser.....

was?

Abrasza:

Esther:

Vorgesetzter.

Was müßt ihr euch über die unterhalten! Gibt es keine

Rachel:

besseren Gesprächsthemen?

Genau.

Abrasza:

Anna:

Es ist doch nur, weil wir hierbleiben müssen, dieses Jahr.

Ich mag Esther.

Esther:

Abrasza:

Und das tut euch auch ganz gut. Aus der Kolonie kommt

Und ich mag Rachel.

ihr immer wie die

Mendelek:

Vandalen zurück.

Weil sie vor Gericht für dich gelogen hat.

Aronek:

Abrasza:

Wie die-...was?

Hat sie nicht.

Esther:

Mendelek:

VANDALEN !!! Dreckig und verlaust. Voller Zecken und

Hat sie wohl.

voller Übermut.

Abrasza:

Mendelek:

Hat sie nicht.

Sind wir ein Problem für dich?

Mendelek:

Abrasza:

Hat sie doch.

Problem...Problem....Ha, wieder solche Worte. Ich lach

(Auftritt Rose, weinend)

mich kaputt. Er benutzt immer solche....

Rachel:

Anna:

Was hat sie? Rose, was ist passiert?

Der Sommer in Warschau ist so langweilig. Wir könnten

Rose:

doch wenigstens fischen gehen.

Stanislaw. Stanislaw hat...

(Auftritt Rachel)

Esther:

Rachel:

Welcher Stanislaw?

Nichts da, fischen gehen. In diesem Sommer eröffnen

Rose:

wir einen Zirkus. Und mit dem Geld fahren wir dann

Der Grinser.

nach Amerika. Hier sind Kartoffeln und jetzt üben wir

Rachel:

jonglieren. Auf geht's.

Mit dem wir die Hasenställe gebaut haben!

(Rachel verteilt Kartoffeln)

Rose:

Mendelek:

Ich wollte doch nur...und da standen sie an der Ecke.

Wie heißt das, wo wir hin sollen?

Stanislaw und seine Freunde. Wollten..wollten mich

Anna:

verprügeln. Ich darf nicht mehr auf der Straße bei ihrem

Amerika. Du dummer Beutel. Amerika!

Haus gehen. Haben sie gesagt. Da dürfen nur Christen

Esther:

gehen. Polen. Und wir sind...sind ja nur... 15