Wut und Aggression. Hintergrund

96 Wut und Aggression Wut und Aggression Hintergrund Kinder, die unter einem schweren Verlust leiden, müssen erst lernen, ihre Gefühle auszudrücken...
Author: Elke Haupt
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Wut und Aggression

Wut und Aggression

Hintergrund Kinder, die unter einem schweren Verlust leiden, müssen erst lernen, ihre Gefühle auszudrücken. Da unser Verhalten auch von unseren Emotionen beeinflusst wird, muss ein Kind seine Gefühle erkennen und ausdrücken können - das ist ein wesentlicher Teil der Problemlösung. Es verhilft zu einem authentischen Ausdruck, zu einem neuen Zugang zum eigenen Innenleben und damit zu neuen Einsichten und Sichtweisen. Aus diesen heraus wird Problemlösung erst möglich. Auf dem Weg dorthin tritt an die Stelle von Rachsucht, Bosheit und Aggression, der ehrliche und vernünftige Ausdruck von Gefühlen. Wut ist eine sehr typische, unmittelbare Reaktion nach einem Todesfall, einer Trennung oder einem anderen schmerzlichen Verlust. Für ein Kind, das nur mehr bei einem Elternteil lebt, ist diese Wut schwer auszudrücken, da es Angst hat, auch diesen Elternteil zu verlieren beziehungsweise den anderen Elternteil nicht mehr zu sehen. Kinder in Verlustsituationen unterdrücken ihre Aggression aus Angst vor Rückwirkungen beziehungsweise noch mehr Veränderungen. Daraus ergibt sich, dass die Aggressionen an anderer Stelle zu Tage treten, wo sie auf wenig Verständnis stoßen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist das »Ausrasten« von Kindern aus nichtigen Anlässen oder körperliche Attacken gegen andere Kinder im Kindergarten oder in der Schule. Dahinter steht allerdings ein enormer innerer Druck, der von den Kindern nicht mehr kontrolliert werden kann. Auch wird die Beziehung zum verbliebenen Elternteil auf ihre Haltbarkeit hin getestet! Wie belastbar ist die Beziehung zur Mutter/zum Vater? Kann es sein, dass ich der/die nächste bin, der/die gehen muss? Selbstverständlich trifft das auch neue Partner der Eltern. Kinder, von denen man annimmt, dass sie sich freuen, wieder eine zusätzliche Bezugsperson zu haben, reagieren für die Eltern oft völlig überraschend mit Ablehnung und aggressivem Verhalten. In dem Buch »Ein Papa für Paula« finden sie dieses Gefühlschaos des Kindes treffend beschrieben. Das Mädchen wünscht sich sehnlichst einen Papa, wenigstens einen »Meckerpapa« wie ihre Freundin einen hat. Ihr Wunsch ist so groß, dass sie sich sogar einen Papa malt, den sie heimlich auf die Innenseite ihrer Schranktüre klebt. Als die Mama jedoch einen Freund mit nach Hause bringt, reagiert Paula patzig und aggressiv und verbarrikadiert sich in ihrem Zimmer. Eine ganz typische Reaktion, doch die Mutter steht vor einem Rätsel.

Wut und Aggression

Ein ähnliches Muster finden Sie auch bei Pflege- und Adoptivkindern. Die ersten drei bis sechs Monate sind für die neue Familie die härtesten. In dieser Zeit testet das Kind aus, wie belastbar die neue Umgebung ist. Wie sehr es geliebt wird. Es ist sich nicht sicher, dass die neue Familie nicht auch wieder an Konflikten und Krisen zerbricht. Für diese Kinder ist es notwendig zu erkennen, dass ihre Aggression keine Auswirkungen auf ihre Beziehungen und ihre Sicherheiten haben. Sie müssen erfahren, dass Liebe und Hass zusammengehören, und sie auf Menschen, die sie lieben, auch einmal wütend sein dürfen. Ärger, der nicht ausgedrückt wird, richtet sich gegen einen selbst und kann zu Depressionen führen. Solange Emotionen nicht verarbeitet werden, kommen sie immer wieder! Unverarbeitete Emotionen sind oft Auslöser für psychosomatische Krankheiten. Wenn das Kind seine Wutgefühle zulässt, hinterfragt und artikuliert, kann die Verletzung gut heilen. Wichtig ist es auch, die Versöhnung zu rituahsieren! Lassen Sie die Versöhnung immer durch eine Geste (zum Beispiel Umarmung), eine Handlung (zum Beispiel gemeinsam eine Tasse Kakao trinken, einen gemeinsamen Spaziergang machen) oder eine spezielle Aussage (zum Beispiel schön, dass wir uns wieder vertragen!) ausklingen. Das Kind gewinnt auch dadurch Sicherheit. Es hängt im Konflikt nicht in der Luft mit der Angst, was nachher sein wird, sondern es weiß, was kommt, wenn der Konflikt bereinigt ist.

Ziele Dem Kind soll vermittelt werden, dass Aggression ein wichtiges Gefühl ist, das auf entsprechende Weise ausgelebt werden muss. Das Kind soll Möglichkeiten kennen lernen, Gefühle der Wut und Aggression zu benennen und vielfältige Anregungen bekommen, Wut abzubauen, ohne anderen dabei zu schaden. Das Kind soll erfahren, dass es normal ist, auf jemanden, den man liebt, von Zeit zu Zeit wütend zu sein, dass es dabei nicht gleich den Verlust von Liebe und Zuneigung riskiert und dass es sich seiner Bezugspersonen sicher sein darf.

Zu Freunden gemacht Von einem alten chinesischen Kaiser wird berichtet, dass er das Land seiner Feinde erobern und sie alle vernichten wollte. Später sah man ihn mit seinen Feinden speisen und scherzen. »Wolltest du nicht die Feinde vernichten?« fragte man ihn. »Ich habe sie vernichtet«, gab er zur Antwort, »denn ich machte sie zu meinen Freunden!« (Verfasser unbekannt)

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Regenkonzert

Alter Intention Anleitung

Alternative

5- bis 10-Jährige. Dieses Spiel soll sensibilisieren für weitere Übungen, die das Thema »Ausdruck von Wut« zum Thema haben. Je zwei Rinder gehen zusammen; nach Anleitung lässt es ein Kind mit den Fingerspitzen auf den Rücken des anderen »regnen«. Dann wird gewechselt. Wir beginnen ganz zart mit leicht wehendem Wind, Wolken ziehen über den Himmel, es beginnt feiner Nieselregen, der Mond kommt hervor, die Sterne glitzern, Wolken ziehen auf, der Wind steigert sich in einen Sturm, einige Hagelkörner fallen, der Regen wird stärker, es blitzt und donnert, .... Wenn der Regen langsam nachlässt, ziehen die Wolken weiter, ... lassen Sie ruhig die Kinder weitererzählen. Wenn die Stimmung passt, kommen von allein tolle Geschichten. (Meine Kinder fuhren auf einem Schiff, das im Sturm strandete, sie landeten auf einer einsamen Insel - natürlich durfte jeder eine Person oder ein Tier mithaben ...) Um mehrere Kinder besser zusammenzuhalten, können sich auch alle im Kreis mit jdem Gesicht zum Rücken des Vordermannes setzen und gemeinsam nach Anleitung das Wetter auf den Rücken des/der Vorderen zeichnen.

Zeitlupenkampf Alter Intention Anleitung

5- bis 10-Jährige. Einstieg ins Thema. Je zwei Kinder »kämpfen« miteinander, aber in Zeitlupe, ohne einander zu berühren.

Wilde Tiere Alter Intention Anleitung

5- bis 7-Jährige. Einstieg ins Thema. Die Kinder gehen (auf allen vieren) wie wilde Tiere durch den Raum. Sie fauchen, knurren, drohen mit den Pfoten ... Wenn zwei aufeinander treffen, dürfen sie einander aber nicht berühren. Ein Kind kann eventuell zwischen den wilden Tieren durchgehen und schauen, ob und wovor es Angst hat.

Wut und Aggression

Gefühle unterdrücken Alter Material Intention

Anleitung

5- bis 7-Jährige. Luftballons, Pumpe zum Aufblasen. Bei dieser Übung geht es darum den Kindern zu vermitteln, dass Gefühle nicht auf Dauer unterdrückt werden können und sollen. Wichtig ist es, wie man Gefühle von Wut und Aggression, die ganz natürlich und gut (!) sind, ausdrückt. Man soll dabei weder andere noch sich selbst verletzen! Die Kinder sollen mit der Scheidung verbundene Wut-Gefühle auf die Luftballons schreiben (pro Gefühl ein Luftballon), und dann soll ein Kind versuchen sich vorsichtig auf die Ballons zu legen, ohne dass einer darunter hervorkommt. Sie erfahren, dass es fast unmöglich ist, alle Luftballons bedeckt zu halten bzw. unangenehme Gefühle zu unterdrücken. Diese Gefühle müssen heraus!

Wutkonzert Alter Material

Intention

Anleitung Anregung

5- bis 7-Jährige. Jogurtbecher, Blechdosen, Blumentöpfe, Pergamentpapier, Holzkochlöffel, Schuhkartons, Erbsen, Nägel, Papprohre, Kieselsteine, leere Kokosnüsse ... Wut und Aggression sind oft negativ behaftete Gefühle und viele Kinder versuchen, diese zu unterdrücken. Das Ergebnis ist, dass sie unbewusst an falschen Orten (zum Beispiel Kindergarten, Schule, Spielplatz) ihre Wut über die Trennung der Eltern abreagieren oder aus »Nichtigkeiten« zu Hause in die Luft gehen. Die Kinder sollen mit dieser Übung eine Möglichkeit finden, Wut und Aggression herauszulassen. Kinder sollen aus vorhandenen Materialien Instrumente basteln und dann ein Wutkonzert geben. Sehr gerne schreien Kinder auch, was sie selten dürfen! Fragen Sie dann, wer am lautesten schreien kann, motivieren Sie die Kinder zu noch lauterem Geschrei und schon herrscht drei Minuten später völlige Ruhe, da alle fix und fertig, aber zufrieden sind!

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Wut rauskneten Alter Material

5- bis 7-Jährige. Salzteig oder Ton (hinterlässt wesentlich mehr Spuren - nur ideal im Freien!), eine Unterlage, auf der nichts kleben bleibt (eventuell Klarsichtfolie), Gelegenheit zum anschließenden Händewaschen. Intention Bei dieser Übung geht es darum, die Kinder anzuregen auf das hinzuschauen, was sie wütend macht, sich innerlich der Situation zu stellen und diese kreativ zu bearbeiten. Anleitung Die Kinder sollen die Augen schließen und sich eine Situation vorstellen, die sie wütend gemacht hat. Wenn sie das Gefühl wieder so richtig spüren, sollen sie es in den Salzteig kneten. Sie können ihn auch mit aller Kraft auf den Tisch werfen. Wenn die Wut ganz draußen ist, kann aus dem Teig ja noch etwas Schönes entstehen!

Probleme wegschicken Alter Material Intention

Anleitung

8- bis 10-Jährige. Entspannungsmusik, Luftballons. Eine Fantasierei^e ist eine weitere Möglichkeit, Zugang zu Kindern zu finden und ihre Mitmach-Bereitschaft zu wecken. Ziel ist auch hier, den Blick auf die Situationen zu lenken, die Wut oder Ärger beim Kind auslösen, und Entlastung anzubieten.

Wut und Aggression

Anregung

Um die Rinder ganz »zurückzuholen«, teile ich dann echte Luftballons aus, die aufgeblasen werden sollen und gebe den Kindern auch welche mit, um in Krisensituationen gleich einen bei der Hand zu haben. Natürlich dürfen die Luftballons auch zerplatzen oder den Übergang zu einem gemeinsamen Ball- oder Balancierspiel bilden, das alle wieder in die Realität zurückbringt (und sicher wächst das Selbstwertgefühl eines Kindes, das den Luftballon besonders lang vom Boden fern halten kann! - Sie sehen, es ist ganz einfach, in eine Übung gleich mehrere positive Aspekte einzubauen! Haben Sie Vertrauen in das, was von den Rindern kommt! Die Rinder wissen selbst am besten, was sie gerade brauchen!)

Wut-Brainstorming

Alter Material Intention

Anleitung

8- bis 10-Jährige. 2 Flipchart-Bögen, Stifte. Die Erkenntnis, dass andere über dieselben oder ähnliche Themen wütend werden, entlastet sehr. Gemeinsam können Vorschläge erarbeitet werden, was die Rinder in solchen Situationen brauchen oder wie solche Situationen vermieden werden können. Mit den Rindern sammeln, in welchen Situationen sie wütend werden. Gibt es Ähnlichkeiten zwischen den Situationen beziehungsweise zwischen den Rindern? Was brauchen die Rinder, wenn sie wütend sind?

Reizwortplakat

Alter Material Intention

8- bis 10-Jährige. 1 Flipchart-Bogen, Stifte. Bei dieser Übung geht es darum, die Gedanken und Gefühle der Rinder an die Oberfläche zu bringen. Selbstverständlich sind alle Themenbereiche erlaubt, nicht nur rund um die Trennung der Eltern. Wenn es gerade Ärger in der Schule gab, hat das Vorrang! Auch hier entlasten wieder die Gemeinsamkeiten unter den Rindern!

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wut und Aggression

Anleitung

Auf dem Papier steht groß das Wort »WUT«, jedes Kind soll ohne mit den anderen zu sprechen, dazuschreiben, was ihm dazu einfällt. Danach wird darüber gesprochen, was auf dem Plakat steht.

Pauls/Susis geheimes Tagebuch

Alter Material Intention

Anleitung

8- bis 10-Jährige. Nöstlinger, C: Pauls/Susis geheimes Tagebuch, dtv junior, München 1997. Dieses Buch beschreibt großartig, wie Paul unter der Trennung der Eltern leidet, aber mit niemandem darüber reden kann oder will. Seinen Ärger darüber reagiert er mit Aggression gegen seine Mitschüler ab, die wiederum gar nicht verstehen was los ist, da sie Pauls familiären Hintergrund nicht kennen. Dieses Buch weckt einerseits bei Nicht-Scheidungskindern Verständnis für Betroffene, andererseits zeigt es Scheidungskindern, wie hilflos Außenstehende sind, wenn sie nicht Bescheid wissen. Auszug aus dem Buch lesen und mit den Kindern darüber sprechen • Wir fühlt sich Paul? • Wie drückt er seine Aggressionen aus? • Erreicht er damit was er möchte? ® Wie geht es den anderen Kindern mit Paul?

Räuber und Gendarm Alter Material Intention

Anleitung

5- bis 10-Jährige. Spritzpistolen, viel Platz (am Besten im Freien). Ein altbewährtes Spiel, bei dem Kinder im geschützten Rahmen aggressiv und kriegerisch sein dürfen. Das spielerische Ausagieren von Wut- und Zornfantasien ist, auch wenn es oft kritisch gesehen wird, eine der zentralen und unerlässlichen Zugänge zum Abbau von Aggression. Solche Spiele sind deshalb so wichtig, damit Aggressionen einen »erlaubten Betätigungsrahmen« erhalten und nicht grenzüberschreitend im Alltag ausagiert werden müssen. Setzen Sie klare Spielregeln (Schutzmaßnahmen) und bleiben Sie offen bei dem, was dann kommt. Es ist nicht nur erlaubt, sondern vor allem unverzichtbar! Eine Gruppe Kinder spielt die Räuber, ein oder zwei andere die Gendarmen (Polizisten). »Getroffene« Räuber legen sich auf den Boden. Jedes Kind soll einmal Räuber und einmal Gendarm gewesen sein.

Wut und Aggression

Geh weg Alter Intention Anleitung

8- bis 10-Jährige. Einstiegsübung, bei der es um unangenehmen Körperkontakt geht. Alle gehen durcheinander durch den Raum und versuchen einander dabei anzurempeln. Wie ging es den Kindern dabei? Gab es eine/n, der/die versucht hat, nicht angerempelt zu werden?

Wochenplan Alter Material Intention

Anleitung

8- bis 10-Jährige. Papier, Stifte. Ziel dieser Übung ist es, Situationen, die die Kinder verärgern oder wütend machen, zu erkennen und anzuschauen, was die Kinder gern geändert hätten, was sie selbst ändern können oder wie manche Situationen vermieden werden können. Wichtig bei dieser Übung ist es, gemeinsam mit den Kindern Strategien zu entwickeln und die Erfolge und Misserfolge bei regelmäßigen Treffen zu reflektieren. Die Kinder bekommen ein Blatt Papier, das in sieben Spalten unterteilt ist, für jeden Wochentag eine. Sie sollen aufschreiben, was sie im Laufe der Woche alles geärgert hat. Folgende Fragen können in der anschließenden Diskussion behandelt werden: © In welchen Situationen entsteht Ärger, Wut? (zum Beispiel nichterfüllte Erwartungen, unfaires Verhalten, Angst, Ohnmachtsgefühl, unerfüllte Liebe, eigenes Fehlverhalten ...). ® Wie könntest du solche Situationen im Vorhinein vermeiden? © Gab es Situationen in denen du, im Nachhinein gesehen, auch anders hättest reagieren können? ® Warst du jemals wütend über die Trennung deiner Eltern? • Wie hast du deinem Ärger Ausdruck verliehen? • Wie geht es dir mit Freunden, bei denen die Eltern noch zusammen sind? • Bist du ärgerlich über Leute, die sich keine Gedanken darüber machen, wie es dir innerlich geht? • Warst du jemals auf den Elternteil wütend, der weggegangen ist? • Warst du schon einmal auf einen Elternteil wütend, bist aber auf den anderen oder andere Menschen losgegangen?

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