Weil du du bist und ich ich bin

Schriftliche Arbeit zur Erlangung des Lizentiat Philosophisch-Theologische Hochschule Münster / Westf. Weil du du bist und ich ich bin Das Vaterunse...
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Schriftliche Arbeit zur Erlangung des Lizentiat

Philosophisch-Theologische Hochschule Münster / Westf.

Weil du du bist und ich ich bin Das Vaterunser als kontemplatives Gebet bei Teresa von Ávila

vorgelegt von: Michael Teipel Bernhardusplatz 2 76530 Baden-Baden

18.11.2010 leicht überarbeitet 2013

2

Inhaltsverzeichnis INHALTSVERZEICHNIS .................................................................................................. 3 Abkürzungen

6

Hinweis zu den Zitaten

6

EINLEITUNG .................................................................................................................... 7 1. TEIL: DER „WEG DER VOLLKOMMENHEIT“ ALS KONTEMPLATIVES GEBET .. 11 1

UMWELT UND LEBEN DER TERESA VON ÁVILA ........................................... 11

1.1

Das 16. Jahrhundert als zeitgeschichtlicher Hintergrund

11

1.2

Das Leben im Karmel

13

1.3

Absicht beim Schreiben des Buches

14

Exkurs: Weg der Vollkommenheit als Innenseite der Regel Teresas

16

2

WAS IST KONTEMPLATIVES GEBET – EINE ÜBERSICHT ............................. 21

3

KONTEMPLATIVES GEBET BEI TERESA VON ÁVILA .................................... 27

3.1

Das Verhältnis von Gott und Mensch

27

3.1.1

Ausgangsposition: Fremder Gott – entfernter Mensch...................................................... 27

3.1.2

Blickrichtung zueinander: Einladender Gott und einsichtiger Mensch .............................. 28

3.1.3

Annäherung: Herr und Knecht ........................................................................................... 30

Exkurs: Trinitarischer Gott und Christologie ..................................................................................... 32 3.1.4

Beziehung: Gott der Freund .............................................................................................. 37

3.1.5

Vereinigung: Bräutigam und Braut .................................................................................... 42

3.1.6

Zusammenfassung ............................................................................................................ 44

3.2

Eigenes Tun und Tun Gottes

45

3.3

Die Suche nach Vollkommenheit

47

3.3.1

Selbsterkenntnis ................................................................................................................ 48

3.3.2

Prestigedenken und Demut ............................................................................................... 50

3.3.3

Teresas Verständnis von Vollkommenheit ........................................................................ 53 3

3.4

Abgrenzung: Mündliches Beten

57

3.5

Teresas Verständnis von Kontemplation

64

3.5.1

Inneres Beten .................................................................................................................... 64

3.5.2

Früchte der Kontemplation ................................................................................................ 65

3.5.3

Die Gebetsstufen ............................................................................................................... 66

4

GEBETSHALTUNGEN: TERESA ALS PÄDAGOGIN ........................................ 79

4.1

Entschlossenheit

81

4.2

Sanftheit und Rekreation

85

4.3

Umgang mit Störungen

87

5

DIE VATERUNSER-AUSLEGUNG VOR TERESA VON ÁVILA ......................... 91

5.1

Übersicht zur Vaterunser-Auslegung bis ins 16. Jahrhundert

91

5.1.1

Der biblisch-frühchristliche Befund .................................................................................... 91

5.1.2

Das Vaterunser bei den Kirchenvätern.............................................................................. 92

5.1.3

Das Mittelalter .................................................................................................................... 93

5.2

Das Vaterunser in den Schriften der Teresa von Ávila

94

5.3

Die einzelnen Vaterunser-Zeilen

96

5.3.1

Die Anrede: Vater unser im Himmel .................................................................................. 96

5.3.2

Name und Reich .............................................................................................................. 102

5.3.3

Die zentrale Bitte: Dein Wille geschehe .......................................................................... 106

5.3.4

Das tägliche Brot heute ................................................................................................... 110

5.3.5

Schuldvergebung ............................................................................................................. 116

5.3.6

Versuchung ...................................................................................................................... 119

5.3.7

Der Umgang mit dem Bösen ........................................................................................... 125

5.4

Wirkgeschichte der Auslegung

127

2. TEIL: UMSETZUNG DER VATERUNSER-AUSLEGUNG TERESAS HEUTE ........ 133 6

EXERZITIEN IM ALLTAG .................................................................................. 133

6.1

Was sind Exerzitien im Alltag?

133

6.2

Drei Modelle

136

4

6.2.1

Veronika Elisabeth Schmitt: Kontemplative Exerzitien mit Teresa von Avila und Johannes

vom Kreuz ....................................................................................................................................... 136 6.2.2

Cornelia M. Knollmeyer, Evaldine M. Ketteler: Gott zum Freund haben. Exerzitien mit Teresa

von Avila 138 6.2.3

6.3

Katholische Landvolkbewegung Bayern: Gottverbunden – mit Teresa von Avila ........... 140

Exerzitien im Alltag in Emmendingen 2010

141

6.3.1

Der Aufbau des Kurses ................................................................................................... 142

6.3.2

Das erste Treffen ............................................................................................................. 143

6.3.3

Die erste Woche .............................................................................................................. 143

6.3.4

Die zweite Woche ............................................................................................................ 146

6.3.5

Die dritte Woche .............................................................................................................. 149

6.3.6

Die vierte Woche ............................................................................................................. 152

6.3.7

Abschlusstreffen .............................................................................................................. 154

6.4

Auswertung der Exerzitien im Alltag

155

6.4.1

Statistische Angaben ....................................................................................................... 155

6.4.2

Inhaltliche Auswertung (Fragebogen 4-11) ..................................................................... 155

6.4.3

Bewertung des Kurses..................................................................................................... 157

7

KONSEQUENZEN FÜR DIE BEGLEITUNG UND DIE BEGLEITENDEN ......... 159

7.1

Das Thema Begleitung im Camino

159

7.2

Konsequenzen für die Begleitung heute

161

SCHLUSSWORT ......................................................................................................... 167 LITERATURVERZEICHNIS ......................................................................................... 171 Quellen

171

Sekundärliteratur

172

Anhang

181

5

Abkürzungen Schriften Teresas (nach DOBHAN/PEETERS): CC

Geistliche Erfahrungsberichte (Cuentas de conciencia; in anderen Ausgaben: Relaciones, abgekürzt R)

CE

Weg der Vollkommenheit (Camino der Perfección), 1. Fassung (Codex Escorial)

CV

Weg der Vollkommenheit (Camino der Perfección), 2. Fassung (Codex Valladolid)

Cs

Konstitutionen (Constitutiones)

Ct

Briefe (Cartas)

De

Geistlicher Wettstreit (Desafío espiritual; in anderen Ausgaben: Respuesta a un Desafío, abgekürzt RD)

M

Innere Burg (Moradas del Castillo Interior)

P

Gedichte (Poesías)

V

Das Buch meines Lebens (Libro de la Vida), im Text als Vida zitiert

Weitere Abkürzungen richten sich nach dem Abkürzungsverzeichnis des Lexikon für Theologie und Kirche, Freiburg, Basel, Wien, durchgesehene Ausgabe der 3. Auflage 1993-2001, Bd. 11, 2006.

Zeitschriften ChIn Christliche Innerlichkeit. Zweimonatsschrift für Gebet und gelebtes Christsein herausgegeben vom Teresianischen Karmel im deutschen Sprachraum GuL

Geist und Leben. Zeitschrift für Aszese und Mystik

Hinweis zu den Zitaten Die Texte von Teresa von Ávila, die Bibelstellen und Konzilsdekrete werden nach Nummern und nicht nach Seitenzahl zitiert. Kursive Hervorhebungen und runde Klammern in den Zitaten wurden übernommen. Eckige Klammern sind von M.T. ergänzt. Zitate wurden in der vorliegenden Rechtschreibung belassen.

6

Einleitung „Weil du du bist und ich ich bin.“ Der Titel der vorliegenden Arbeit ist einem Zitat von Michel de Montaigne (1533-1592) entlehnt. Es mag erstaunen, dass ein französischer Edelmann und Diplomat die Vorlage für die Überschrift einer theologischen Arbeit gibt, und doch ist es der passende Titel. Nach dem Tod seines Freundes Étienne de La Boétie (1530-1563), verfasste Montaigne aus Schmerz über den Verlust den Essay1: „Über die Freundschaft.“ In ihm beschreibt er das Wesen der Freundschaft nicht wie in einem wissenschaftlichen Artikel, sondern sehr persönlich, eben in Form eines Essays. „Das Lebenselixier der Freundschaft ist der vertrauliche

Umgang“2,

das

sich

gegenseitige,

zweckfreie

Öffnen:

„All

jene

menschlichen Beziehungen nämlich, die aus geschlechtlichem Bedürfnis oder Gewinnstreben, aus öffentlicher oder persönlicher Notwendigkeit entstehn und gepflegt werden, sind umso weniger schön und edel und daher umso weniger wahre Freundschaften, als sich hier andere Gründe, Zwecke und Erwartungen beimischen.“ 3 Die wahre Freundschaft genügt sich selbst, bedarf keiner weiteren Legitimation als sie selbst.4 Es ist die Verbindung zweier Personen, weil sie so sind wie sie sind, ohne Verstellung und Erziehung. Und so gipfelt die Rede über die Freundschaft zu de La Boétie nach dessen Ableben in der Aussage: „Weil er er war, weil ich ich war.“5 Montaigne schreibt sein Essay in den 1560er Jahren6, also etwa zur gleichen Zeit wie Teresa von Ávila ihr Buch Weg der Vollkommenheit. Während er über das Wesen wahrer menschlicher Freundschaft nachdenkt, der er göttlichen Ursprung zuspricht 7, schreibt sie über das Wesen der Freundschaft zu Gott und wie diese gestaltet und gelebt werden kann. Die Analogien sind augenfällig und erstaunen dennoch nicht, denn sie zeigen die Tiefe und Lebensnähe beider Autoren. Montaigne und Teresa schreiben ganz unterschiedlich und haben doch die gleiche Grundlage in der Erfahrung einer selbst erlebten Freundschaft. Beide haben erlebt, wie Zuneigung und Zugehörigkeit wachsen, weil sie sich gegenüber einer anderen Person vertrauensvoll geöffnet haben. Diese Beziehung wird als so große Bereicherung und als Wesensverwandtschaft angesehen, so dass sie zur Vervollkommnung des eigenen Ich notwendig ist. Zur 1

Montaigne gilt als der Erfinder dieser Literaturgattung. MONTAIGNE, Über die Freundschaft, 66. 3 Ebd. 4 Vgl.ebd., 7. 5 Ebd., 75. 6 Die Zeit lässt sich in etwa am Sterbedatum de La Boéties festmachen. 7 „Ich glaube gar, durch eine Fügung des Himmels.“ MONTAIGNE, Über die Freundschaft, 75. Auch Teresa empfiehlt den Schwestern die Nähe Gottes zu suchen und „dann werdet ihr keine besseren Freunde finden als die, die Seine Majestät euch schickt“ (CE 13,4). 7 2

Freundschaft gehört auch die Annahme der eigenen Person mit den Stärken und Schwächen. Nur so kann man sich fallen und annehmen lassen und selbst annehmen und auffangen. Freundschaft ist die „Krönung der Gesellschaft“8 – im weltlichen wie im spirituellen Sinn. Nun behandelt die vorliegende Arbeit nicht das Buch Montaignes sondern setzt den Fokus auf die Vaterunser-Auslegung der Teresa von Ávila. Ihre Grundlage ist die Freude über ihren Weg mit Gott in der Person Jesus Christus, wie sie mit und an der Beziehung reift und so ihm und sich selbst immer näher kommt. Obwohl sie um die Asymmetrien weiß, beschreibt sie ihre enge Beziehung als gleichwertige Freundschaft. Dabei ist die Erkenntnis des eigenen Selbst, mit allen Unzulänglichkeiten und mit der Erhebung durch den Freund, verbunden mit der Annäherung an Gott als Gegenüber, der ist, der er ist (vgl. CE 8,1; 29,7 und 33,1). Das Buch Weg der Vollkommenheit verfasst Teresa zwei Jahre nach ihrem ersten Werk, der Vida. Das erstentstandene Werk ist Teresas Autobiografie, die zahlreiche innere und äußere Auseinandersetzungen beschreibt. Im Camino, dem Weg der Vollkommenheit, beginnt sie nun, selbst zur Lehrerin für andere zu werden, den Blick über das eigene Leben, über die eigene, junge Gemeinschaft hinaus zu weiten. Ausgangspunkt dieser Arbeit ist das Buch Weg der Vollkommenheit in der Ausgabe von El Escorial. Der Umfang der Arbeit erfordert diese Begrenzung, ist aber gerechtfertigt, weil hier vieles grundgelegt ist, was sich später fortgeführt wiederfinden lässt.

Der erste Teil der vorliegenden Arbeit beginnt mit einer kurzen Hinführung zur Entstehung des Werkes Weg der Vollkommenheit. Der Frage, was kontemplatives Gebet ist, widmen sich das zweite und dritte Kapitel, zunächst mit einer allgemeinen Übersicht und dann im Ansatz, den Teresa im Camino zeichnet. Es folgt der Versuch einer

Systematisierung

der

Kontemplationsstufen

bei

Teresa.

Die

vorsichtige

Formulierung ist ein erster Hinweis, dass Teresa selbst wenig Wert auf eine Systematisierung legt, wie sie ohnehin aller Systematik und Mechanisierung misstrauisch entgegensteht. In Vorausblick auf den zweiten Teil der Arbeit schließt sich die Untersuchung der Pädagogik Teresas an, wie sie die Schwestern anleitet, Entschlossenheit einfordert und doch ganz auf Sanftheit beim Gehen des Weges setzt. Der Blick auf die Auslegung von der biblischen Zeit über die Kirchenväter und das Mittelalter bis ins 16. Jahrhundert leitet über zum Ziel des ersten Teils: Die Untersuchung der Vaterunser-Auslegung Teresas im Weg der Vollkommenheit. Diese 8

8

Vgl. MONTAIGNE, Über die Freundschaft, 65.

zeigt, wie sich Teresa in die Tradition einfügt und wo sie neue Wege beschreitet. Hier geht es um das virtuose Werben Teresas für den Weg der Freundschaft und wie sie diese als Ziel für alle Glaubende preist. In logischer Argumentation legt sie dar, dass jedes Gebet, auch das mündliche, eine innere Entsprechung haben muss. Sie verwendet überzeugende und einprägsame Bilder für die Mitschwestern, denen das Buch gewidmet ist und die es in Auftrag gegeben haben. Teresa lenkt mit dem Vaterunser den Blick auf den göttlichen Vater und seinen Sohn. Dieser Blick hilft dem Menschen das wirkliche Ziel seines Lebens zu klären und ermutigt ihn, diesen Weg der Vollkommenheit zu gehen. Das angemessene Zueinander der Menschen wird ebenso geordnet wie der Umgang mit eigenen Schwächen, was die Auslegung der Bitten zeigt. Im zweiten Teil der Arbeit wage ich den Sprung in die Gegenwart. Nach der Darstellung dreier Modelle von Exerzitien im Alltag, die als Buchtitel erschienen sind, stelle ich das Experiment der Exerzitien im Alltag vor, die von mir im Frühjahr 2010 in der Seelsorgeeinheit Emmendingen angeboten wurden. Ein besonderes Augenmerk liegt hier auf der Frage der Begleitung, die im letzten Kapitel eigens behandelt wird, ausgehen von Teresas Ansatz im Camino und weitergeführt in der Konsequenz für die Begleitung heute.

9

10

1. Teil: Der „Weg der Vollkommenheit“ als kontemplatives Gebet 1 Umwelt und Leben der Teresa von Ávila 1.1 Das 16. Jahrhundert als zeitgeschichtlicher Hintergrund Um manche Äußerung Teresas einordnen zu können, ist eine Skizze der politischen und gesellschaftlichen Lage Europas hilfreich. Im 16. Jahrhundert regieren die Habsburger Spanien und das Heilige Römische Reich deutscher Nation und sind somit die bedeutendste Weltmacht ihrer Zeit. Nach dem Fall Granadas 1492 werden nach und nach Moslems und Juden vor die Wahl zwischen Taufe und Aussiedlung gestellt – darunter die jüdische Familie des Vaters von Teresas, die sich für die Konversion entscheidet.9 Mit der Entdeckung Amerikas wächst der spanische Herrschaftsbereich derart an, ‚dass in ihm die Sonne nicht untergeht.‘10 Innerhalb der Kirche in Spanien und ganz Europa sind zu dieser Zeit große Auf- und Umbrüche erkennbar, „eine Neuorientierung des christlichen Lebens, die nach dem religiösen und spirituellen Tiefstand des 14. und 15. Jahrhunderts überall eingesetzt hat.“11 Diese wird „in verschiedenen Klöstern des Königreiches Toledo intensiv gepflegt“12 und von hochrangigen Klerikern wie Kardinal Cisneros gefördert.13 W. Herbstrith beschreibt die Zeit zusammenfassend als eine, „die drei Ströme geistiger Vertiefung und Erneuerung kennzeichneten: die niederländisch-deutsche Strömung der Devotio moderna, die mittelalterliche und traditionelle Elemente in sich barg; die niederländisch-humanistische Richtung eines inneren, vergeistigten Christentums nach Erasmus von Rotterdam und die aus Italien kommende Bewegung Savonarolas. Alle Ordensreformen oder gründungen waren von diesen Einflüssen geprägt. Um 1500 führten die Benediktiner zum ersten Mal in der Geschichte der Orden zwei volle Stunden gemeinsames inneres Gebet in ihre Tagesordnung 14 ein, die Alcantarianer drei Stunden.“

Im fernen Deutschland entwickelt sich im frühen 16. Jahrhundert in diesem Bedingungsgeflecht die Auseinandersetzung um Martin Luther, die zu starken Verwerfungen innerhalb der Kirche und schließlich zu ihrer Spaltung führt.15

9

1485 trat die Familie zum christlichen Glauben über, fünf Jahre nach der Geburt von Teresas Vater. Vgl. 3 DOBHAN, Teresa v. Ávila. LThK , 1487. 10 Auch zwei Brüder Teresas werden nach Übersee gehen. 11 DOBHAN, Gott – Mensch – Welt, 107. 12 Ebd. Vgl. DOBHAN, Teresa von Avila – die Welt in der sie lebte, 17. 13 Vgl. DOBHAN, Gott – Mensch – Welt, 65-67. 14 HERBSTRITH, Die erste Kirchenlehrerin, 105f. 15 Immer wieder bezieht sich Teresa auf diesen religiösen Konflikt, der allerdings nicht minder als politischer anzusehen ist. Entgegen CE 1,2 Anm. 3 sind mit den „Lutheranern“ sicher nicht nur die 11

Um ein Ausbreiten häretischer Lehren zu unterbinden, reagiert die Inquisition in Spanien misstrauisch. Eine der beargwöhnten Richtungen ist in Spanien die der Alumbrados, ursprünglich eine Reformbewegung zur Erneuerung des Glaubens.16 Zunächst noch eng mit der Kirche verbunden, wird sie schließlich als häretisch eingestuft und verfolgt. Die

Stellung

der

Frau

in

der

damaligen

spanischen

Gesellschaft

ist

von

Einschränkungen und Begrenzungen bestimmt. Frauen leben meist sehr zurückgezogen und erhalten keine Ausbildung.17 Auch im religiösen Bereich geht es restriktiv zu, stehen Frauen doch im Ruf, besonders anfällig für Fehlformen18 und häretische Bewegung zu sein. Teresa beschreibt diese dem einfachen Volk und vor allem den Frauen entgegengebrachte Haltung später folgendermaßen: „‘Da drohen Gefahren‘, ‘Lieschen Müller ist auf diesem Weg ins Verderben gestürzt‘, ‚Hinz ist einer Täuschung verfallen‘, ‚Kunz, mit seinen vielen Gebeten, ist gefallen‘, ‚das schadet der Tugend‘, ‚das ist nichts für Frauen, denn da kommen ihnen Illusionen‘, ‚die sollen lieber spinnen‘, ‚solche Leckerbissen brauchen die nicht‘, ‚es reicht das Vaterunser und das Avemaria‘“ (CE 35,2).

Nach Bestrebungen in den Reihen der Kirchenleitung sollen Frauen also, um nicht auf Abwege zu geraten, möglichst nur noch das Vaterunser und den Rosenkranz beten, jegliches inneres Beten gilt als höchst verdächtig. Während die Reformation in Deutschland eng mit der Übersetzung der Bibel und theologischer Texte ins Deutsche verbunden ist, werden geistliche Schriften in der Muttersprache in Spanien nach und nach verboten.19 In diese Zeit hinein wird Teresa von Ávila am 28. März 1515 in Ávila geboren und wächst als drittes von insgesamt zwölf Kindern ganz im christlichen Glauben auf. 20 Als Sechsjährige will sie mit ihrem Lieblingsbruder ins Land der Mauren ziehen, um für Jesus zu sterben (vgl. V 2,4). Als sie 13 Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter. Mit etwa 16 Hugenotten gemeint, sondern die gesamte protestantische Bewegung, obgleich die spanisch-französische Auseinandersetzung die spanische Gesellschaft natürlich am meisten beschäftigte. 16 Die Reformbewegung der ‚Alumbrados‘ lässt sich nicht leicht einordnen, sicher sind franziskanische Einflüsse, vgl. DOBHAN, Gott – Mensch – Welt, 104 ff. Dobhan definiert „den Alumbradismus als ein Konglomerat bestimmter Manifestationen spirituellen Lebens zu Beginn des 16. Jahrhunderts in Spanien, die, vom spanischen Humanismus und der Devotio Moderna inspiriert, besonderen Wert auf ein nach einer bestimmten Methode praktiziertes betrachtendes Gebet legten. Es handelt sich also um eine Welle der Verinnerlichung des Betens und der Religiosität, durch die man eine echte und überzeugte Erneuerung des gesamten geistlichen Lebens zu erreichen suchte.“ Ebd., 108. 17 U. Dobhan führt einige Ausnahmen an als Beleg der Regel an. Vgl. ebd., 48ff. 18 So schreibt Francisco de Osuna: „Sobald du siehst, daß deine Frau hin- und herwallfahrtet und sich Andächteleien hingibt und sich einbildet, heilig zu sein, dann schließ deine Haustür ab. Und wenn das nicht reichen sollte, dann brich ihr das Bein, wenn sie noch jung ist, denn hinkend kann sie auch von ihrem Haus aus ins Paradies kommen, ohne verdächtigen Frömmigkeitsübungen nachzugehen. Für die Frau reicht es, eine Predigt zu hören, und ihr, wenn sie mehr will, ein Buch vorzulesen, wenn sie spinnt, und sich der Hand ihres Mannes zu unterstellen.“ in Norte de Estados. Zitiert nach ebd., 53. 19 Eine logische Weiterentwicklung ist „ein Verbot aller Bücher geistlichen Inhalts in der Muttersprache“ 1559 durch Großinquisitor Fernando des Valdes. Ebd. 55. Auch die Hl. Schrift selbst sollte von Frauen nicht gelesen werden. Ebd. 54. 20 Ihre Mutter entstammt einer altchristlichen Familie. Vielleicht zeigt sich das jüdische Erbe des väterlichen Zweiges darin, dass auch die Töchter im Lesen und Schreiben unterrichtet werden, wie es 3 damals keineswegs üblich war. Vgl. DOBHAN, Teresa v. Ávila, LThK , 1487. 12

Jahren kommt sie zur Ausbildung ins örtliche Augustinerinnenkloster, muss es aber nach eineinhalb Jahren aus gesundheitlichen Gründen wieder verlassen.21

1.2 Das Leben im Karmel 1535 tritt Teresa in das Karmelitinnen-Kloster Encarnación, das „Kloster der Menschwerdung“, in Ávila ein (V 4,1f).22 Auch wenn Teresa dieses Kloster später wieder verlassen wird, spielt es eine durchaus positive und prägende Rolle für ihren Werdegang. O. Steggink würdigt es, denn „dort hat die Heilige das geistliche Erbe des Ordens in sich aufgenommen, dort formten sich ihre Ideale, dort holte sie die lebendigen Bausteine für ihre erste Gründung“ und schreibt, dass „in dieser Kommunität ein starker, gesunder Kern des Eifers war, von dem die Kraft und Fähigkeit zur 23 Erneuerung ausging.“

Trotz der Stärken des Klosters, die ihr sehr wohl bewusst sind,24 erkennt Teresa Mängel, die sie für ein geistliches Leben im Inneren Gebet als hinderlich ansieht. Ausgangspunkt der Schieflage ist die zu große Anzahl der Schwestern, 25 durch die sowohl die Versorgung des Klosters in Gefahr ist, wie auch das geistliche Klima, zumal die vom Trienter Konzil (1545-1563) geforderte strenge Klausur nicht eingeführt worden war.26 Teresa erkrankt 1538, also bald nach ihrem Eintritt27, und begibt sich für etwa ein Jahr zu einem Kuraufenthalt außerhalb des Klosters (V 4,6). Über einen Onkel gelangt sie in 21

Im Augustinerinnenkloster beginnt sie – nach anfänglicher Ablehnung (vgl. V 2,8), sich ernsthaft mit einem Klostereintritt zu beschäftigen (vgl. V 3,1-3). In V 3,1 beschreibt Teresa, wie sie angeregt durch das Erzählen einer dortigen Klosterschwester sich selbst mit dem Ordensleben zu beschäftigen beginnt. Wie wichtig für sie das Gespräch mit anderen Gottsuchern über den Lebensweg wird, zeigt sich ihr ganzes Leben hindurch. Die Zeit im Augustinerinnenkloster wird für sie eine Gebetsschule und prägend für die Auseinandersetzung mit der Frage, ob sie ins Kloster eintreten soll (vgl. V 3,3). 22 „Mehrere Gründe hatten Teresa bewogen, sich einer klösterlichen Gemeinschaft anzuschließen. Ein gewisser Heilsindividualismus, Furcht vor der Hölle, Verlangen nach ewiger Glückseligkeit – alles typische Züge des Christentums ihrer Zeit. Gleichzeitig kamen aber auch andere Kräfte ins Spiel: das Verlangen, dort zu sein, ‚wo Gott sie haben wollte‘, die Freude am Zusammensein mit ‚Freundinnen‘, die vom Leben mit Gott erfüllt waren, und das Bewusstsein, aus Liebe Leiden auf sich zu nehmen, weil Christus aus Liebe gelitten hat“ HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 72. 1536 erfolgte die Einkleidung Teresas, 1537 ihre Profess. Vgl. DOBHAN, Gott – Mensch – Welt, 8. 23 beide Zitate: STEGGINK, Erfahrung und Realismus, 77. 24 Für Teresa sind im Menschwerdungskloster „so viele, die dem Herrn in aller Ehrlichkeit und mit großer Vollkommenheit dienen […] man beobachtet in ihm die ganze Ordensregel“ V 7,3. 25 Zur Zeit Teresas lebten ca. 180 Schwestern im Kloster vgl. STEGGINK, Erfahrung und Realismus, 61. 26 Vgl. ebd., 71. Die große Zahl von Schwestern hatte eine große wirtschaftliche Not des Klosters zur Folge (vgl. ebd., 55). Sie erforderte, dass manche Schwestern zur Versorgung das Kloster verlassen mussten (vgl. ebd., 59), andere hielten sich Personal zur Versorgung, so dass ein starker Unterschied zwischen den adligen und nichtadligen Schwestern vorhanden war (vgl. 63). Durch häufigen Besuch von außen wurde Parteiungen Vorschub geleistet (vgl. ebd., 62 und 76). 27 Sie selbst spricht von Ohnmachtsanfällen, einem schweren Herzleiden und weiteren Beschwerden (vgl. V 4,5). 1539 kehrt sie todkrank nach Ávila zurück und fällt in eine viertägige Todesstarre, bei der sie schon für tot gehalten und ein Grab für sie bereitet wird (vgl. V 5,9). Sie bleibt für drei Jahre gelähmt und schreibt ihre Genesung 1542 der Fürsprache des Hl. Josef zu (vgl. V 6,1). 13

dieser Zeit an das Buch „Drittes ABC“ von Francisco de Osuna, das ihr einen für sie entscheidenden Zugang zum inneren Gebet verschafft (vgl. V 4,7). Über diese Zeit schreibt sie bereits vom Gebet der Ruhe, vom Gebet der Gotteinung und von Kontemplation (vgl. V 4,7). 1554/55 erlebt Teresa die erste mystische Ansprache, 1558 die

erste

mystische

Verzückung,

1560

die

so

genannte

Höllenvision

und

Herzverwundung. Im selben Jahr entstehen erste Pläne für eine neue Gemeinschaft, die zwei Jahre später, 1562, verwirklicht werden. Als das neue Kloster San José vor den Toren Ávilas gegründet wird, muss Teresa zunächst in das Kloster der Menschwerdung zurück, siedelt jedoch wenige Monate später nach San José über und wird im folgenden Jahr zur Priorin der Neugründung ernannt. Fünf Jahre später kommt es zu weiteren Gründungen. Durch die Begegnung und Freundschaft mit Johannes vom Kreuz entsteht ein Reformzweig des Männerordens mit eigenen Klostergründungen ab 1568. Bis Teresas Tod 1582 werden 15 Frauen- und 16 Männerklöster gegründet.28 Ihre schriftstellerische Tätigkeit beginnt Teresa mit einem ersten Bericht kurz nach ihrer Bekehrung 155429 und findet einen ersten Höhepunkt in der endgültigen Fassung der Vida, geschrieben um die Jahreswende 1565/66. Schon im selben Jahr schreibt sie nach dem, wie sie es selbst nennt, Großen Buch, heute Vida, das von ihr genannte Kleine Buch, das später den Titel Weg der Vollkommenheit bekommt.30

1.3 Absicht beim Schreiben des Buches Bereits mit den ersten Worten des Buches Weg der Vollkommenheit führt Teresa aus, warum sie es schreibt: Die Schwestern des 1562 gegründeten Klosters San José haben sie „sehr bedrängt, es zu tun, da sie so viel Liebe zu mir haben“ (CE Vorwort 1). Sie unternimmt zwei Anläufe, dieses Buch über ihren Zugang zum Gebet zu schreiben und Empfehlungen für das Gebetsleben der Schwestern zu geben. Dabei sind die

28

3

Vgl. Dobhan, Teresa v. Ávila. LThK , 1487f. Der Bericht ist nicht mehr erhalten, bildet aber wohl die Grundlage für die später verfasste Vida. Dort berichtet sie: „Nachdem ich ihm also das Buch gegeben und so gut ich konnte einen zusammenfassenden Bericht über mein Leben und meine Sünden gemacht hatte,“ (V 23,14) wird alles von den erstbegutachtenden Laien als vom Bösen stammend beurteilt. Glücklicherweise erkennen die ihr wohlgesonnenen aber überforderten Männer ihre eigenen Grenzen und verweisen auf den Jesuiten Diego de Cetina, der zum gegenteiligen Urteil kommt, dass alles vom Geist Gottes stammt (vgl. V 23,16). Wie wichtig für Teresa die geistliche Begleitung ist siehe Kapitel 7,1 dieser Arbeit. 30 Vgl. U. DOBHAN und E. PEETERS, Einführung in „Das Buch meines Lebens“, 67. 29

14

beiden Codices Escorial und Valladolid31 vermutlich innerhalb weniger Monate im Jahr 1566 entstanden.32 Schon im Vorwort lässt sich die Dialektik Teresas erkennen, die den gesamten Weg der Vollkommenheit prägen wird: Immer wieder nimmt sie sich ganz zurück, wenn sie nur dem Drängen der Schwestern nachgibt das Buch zu schreiben und sich dabei der Autorität des „Präsentatus Fray Domingo Bañez aus dem Orden des glorreichen hl. Dominikus“ unterstellt (CE Vorwort 1). Dabei betont sie ihre eigene Unvollkommenheit, welche die Schwestern scheinbar anziehender finden als die Bücher, die von gelehrten Männern zum Thema verfasst worden sind33 und unterstreicht ihre eigenen geringen Fähigkeiten. Dass sie etwas zum Thema ‚inneres Beten‘ schreiben kann, wird ihr von Außen zugesprochen, „weil ich mich mit vielen geistlichen und heiligmäßigen Personen besprochen habe“ (CE Vorwort 1). Was sie dabei ‚Zutreffendes‘, also Hilfreiches schreibt, ist ihr vom Herrn eingegeben aufgrund der Gebete der Schwestern. Sollte sie in ihrer Absicht scheitern, obliegt es dem ‚Pater Präsentatus‘, die Arbeit zu verbrennen – und auch dies wäre für sie, Teresa, kein Schaden (vgl. ebd.). Der Introitus stellt eine demütige Frau vor, welche sich der eigenen Schwachheit bewusst ist, die geradezu einfältig dem Drängen der Mitschwestern nachgibt und sich ganz der kirchlichen Autorität unterstellt. U. Dobhan und E. Peeters stellen in ihrer Einführung drei Gründe für die Entstehung des Werkes vor. Zunächst gehen sie davon aus, dass Teresa in der Tat von den Mitschwestern von San José in Avila gedrängt worden ist, die bereits immer wieder mündlich gegebenen Unterweisungen zu Verschriftlichen.34 Als Zweites nennen sie die Erlaubnis von Domingo Bañez, denn ohne kirchliche Rückbindung wäre das Projekt bereits an der ersten Hürde gescheitert.35 Als dritter Grund wird genannt, dass Teresa 31

Der Codec Valladolid ist als Überarbeitung die Folge der Begutachtung durch die Domingo Bañez. Der dritte Codex Toledo steht dem CV sehr nahe. 32 Eine genaue Datierung ist nicht möglich, allerdings legen dies verschiedene Passagen in CE und CV nahe. Vgl. DOBHAN/PEETERS, Einführung in „Weg der Vollkommenheit“, 18ff. 33 In solchen Äußerungen zeigt sich Teresas Ironie. Dass sie bereits im Vorwort auf dieses Stilmittel zurückgreift ist ein Beleg ihrer persönlichen Überzeugung, die gleichwohl hart errungen werden musste, wie der Bericht der Vida zeigt (vgl. v.a. V 23). 34 Vgl. U. DOBHAN und E. PEETERS, Einführung in „Weg der Vollkommenheit“, 15 35 Die Erlaubnis war zweifach nötig, erstens war durch den Index des Fernando de Valdés verboten, geistliche Bücher in der Volkssprache zu schreiben, zum zweiten galt es den Vorbehalt auszuräumen, dass hier eine Frau geistliche Anweisungen schreibt. Für das obligatorische Vorlegen des Textes bei der Inquisition waren diese Sätze überlebenswichtig. Vgl. ebd., 16. Allerdings wirkt Teresa von der anstehenden Beurteilung durch die Inquisition nicht gehemmt, ganz im Gegenteil: „With acid comments on clerical and monastic pomposity, blunt rebuttals of misogynistic prejudice, and even thinly-veiled mockery of the Inquisition – she is in effect inviting her censors to recognize that wholehearted obedience to the teaching Church, at least in intention, is not incompatible with a certain scepticism about the conventions and policies of the Church as an empirical institution,” sondern ‚ohne Ängstlichkeit‘. „Here, in the Way, she is writing with the licence of her confessor, with the knowledge that the Life has met with at least some 15

selbst den Wunsch hatte, ihre Erfahrungen mitzuteilen (CE Vorwort 3) und sie allzu gerne dem Drängen der Schwestern nachgab. Der Stil, in dem der Camino geschrieben ist, ist leicht und wirkt spontan. Bescheiden betont Teresa, dass sie die geforderten Dinge „nicht der Reihe nach sagen kann“ (CE Vorwort 2) und „der Herr […] ordne es zu seiner größeren Ehre“ (CE Vorwort 4). Zwar hat das Buch narrative Tendenzen, enthält aber durchaus einen geschlossenen Aufbau, der keinesfalls zufällig gewählt ist.36 Der Stil erleichtert und ermuntert, das Buch zu lesen, und Teresa hat beim Verfassen sicher die konkreten Schwestern vor Augen. Ebenso ist möglich, dass Teresa unter allen Umständen vermeiden will, ein theologisches Buch zu schreiben, um so mögliche Komplikationen mit der Inquisition zu vermeiden. U. Dobhan legt dar, dass es zum Lesen des Buches einen weiten Horizont braucht: „Um den Weg der Vollkommenheit richtig zu verstehen, müßte man eigentlich zuvor spanische Geschichte des 16. Jahrhunderts studieren, und wenn man diese zumindest in den großen Zügen präsent hat, dann beginnt dieses Buch lebendig und aktuell zu werden, dann merkt man, wie Teresa in ihrer Zeit mitlebte, aber auch daß Beten – in ihrem Sinn verstanden – niemals von der konkreten 37 geschichtlichen Situation absehen und sich in ein „Seelengärtlein“ flüchten darf.“

Exkurs: Weg der Vollkommenheit als Innenseite der Regel Teresas U. Dobhan und E. Peeters stellen den Zusammenhang der Konstitutionen (Cs) mit dem Weg der Vollkommenheit her.38 Ist der Weg der Vollkommenheit die innere Regel der qualified approval, and thus with a quite striking detachment and lack of anxiety.” Beide Zitate: W ILLIAMS, Teresa of Avila, 79f. Die Inquisition war jedoch nicht nur zu fürchten, sondern bot auch Schutz; so wird nach der Untersuchung der Vida durch die Inquisition der eingeschlagene Weg bestätigt. Vgl. DOBHAN, Gott – Mensch – Welt, 344. Allerdings war Teresa immer wieder Verdächtigungen ausgesetzt und hatte mit der Inquisition zu tun, scheint jedoch recht frei mit der Gefährdung umzugehen. Von den wenigen Stellen in den privaten Schriften Neckereien und den Briefen abgesehen, schreibt sie nur in der Vida von ihrem Umgang mit der Institution, „daß man mir etwas anhänge und damit zu den Inquisitoren liefe. Das belustigte mich und brachte mich zum Lachen, denn in dieser Hinsicht hatte ich nie etwas befürchtet. […] Wenn mir aber etwas angehängt würde, würde der Herr mich schon befreien, und mir bliebe der Gewinn davon“ und „es wäre um meine Seele ziemlich schlecht bestellt, wenn es in ihr etwas in der Art gäbe, das mich die Inquisition fürchten ließe.“ V 33,5. 36 Wäre der Aufbau zufälliger Inspiration entsprungen, hätte sie die Überarbeitung, den Codex Valladolid, vermutlich anders zusammengestellt oder gestrafft. Die Veränderungen in CV sind jedoch mehr den Einwänden der Zensoren denn einer Neuordnung geschuldet. Die Übersetzer und Kommentatoren U. Dobhan und E. Peeters schreiben, dass sich das Buch liest „wie ein langer Brief an ihre Schwestern, den die Autorin spontan schreibt, wie es ihr in den Sinn kommt.“ DOBHAN/PEETERS, Einführung in „Weg der Vollkommenheit, 19. Sie betonen „die Tatsache, dass das Werk durchaus einen klaren Aufbau hat“ (ebd.). Wenn Waltraud Herbstrith vom Lebensbuch und der Inneren Burg schreibt, sie seien „recht unsystematisch und spontan“ nimmt sie den Weg der Vollkommenheit als drittes großes Werk aus. Vgl. W. HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 97. Noch stärker formuliert es R. W ILLIAMS: „Although the work is badly planned (on her own admission) it is far more closely unified than some readers have recognized.“ W ILLIAMS, Teresa of Avila, 102. 37 DOBHAN, Teresa von Avila: „Unser tägliches Brot gib uns heute“, 68f. 38 „Die Konstitutionen müssen deshalb immer im Zusammenhang mit dem Weg der Vollkommenheit gelesen werden.“ DOBHAN/PEETERS, Einführung in „Die Konstitutionen“, 397. Auch N. Žuška beschreibt den Camino als „Lehrbuch des inneren Betens.“ ŽUŠKA, Begegnung, die wirkt, 85. 16

Teresa von Ávila für das neu gegründete Kloster? Eine These, die in einem Exkurs behandelt werden soll. Die Konstitutionen schreibt Teresa etwa zur selben Zeit wie den Weg der Vollkommenheit. Die später hinzugefügte Überschrift zum Vorwort von Weg der Vollkommenheit ist betitelt „Absicht, die ich beim Schreiben dieses Buches hatte.“ Aufgrund der äußeren Umstände muss Teresa beim Verfassen des Buches äußerst klug vorgehen. Es ist schon ein großes Zugeständnis der kirchlichen Hierarchie, dass sie ein solches Werk verfassen darf.39 Dennoch lassen sich Argumente für die These finden. Bereits der Prolog enthält mehrere Hinweise auf eine neue Klosterordnung: Im ersten Abschnitt des Vorworts beruft sich Teresa auf Fray Domingo Bañez, der ihr die Erlaubnis gegeben hat „einiges über das innere Beten zu schreiben“ (Vorwort 1), und auf das Drängen der Schwestern im Kloster San José. Sie betont also die kirchliche Autorität unter der das Buch geschrieben wird und seine Adressaten. In Vorwort 2 erwähnt Teresa die Konstitutionen des Karmel. Teresa beschreibt die „Hilfsmittel“ für die Umsetzung der Karmelregel und legt sie für die junge Gemeinschaft neu aus. Dabei ergänzt sie die Satzungen, die zum Leben in Vollkommenheit hinführen wollen, durch ihre eigenen Erfahrungen. Hier betont sie, dass sie v.a. „manche unvollkommenen Dinge und Mängel“ (CE Vorwort 1), also ihr eigenes Ungenügen für den Weg beisteuern kann.40 Im Folgenden erklärt Teresa die für sie wichtigen Begriffe und den Weg des Inneren Gebetes bis hin zur Kontemplation. R. Ott fasst zusammen: „In ihrem Buch ‚Weg der Vollkommenheit‘ (Camino de Perfección) legt Teresa Anfang 1566 den Ordensfrauen ihr Lebensprogramm des inneren, d.h. des zweckfreien Betens dar und behandelt auch 41 die konkreten Schwierigkeiten, die sich einstellen können.“

39

Fray Domingo Bañez darf als ihr sehr zugewandt angesehen werden, dennoch ist es vermutlich auch für ihn mit einem gewissen Risiko verbunden, dieses Werk schreiben zu lassen. Bañez verbietet kategorisch, das Buch herumzuzeigen, um Teresa, die Schwestern, das Projekt und vielleicht auch sich selbst zu schützen. Vgl. W ILLIAMS, Teresa of Avila, 78. 40 Dies könnte als taktischer Unterwerfungsgestus gedeutet werden, entspricht allerdings auch der Gebetsweise Teresas, die betont, dass das Entscheidende von Gott her kommt – in dieser Intention endet der erste Absatz des Vorwortes: „sie werden sehen, was ich von mir aus habe, wenn seine Majestät mir nicht hilft“ (CE, Vorwort 1) und wird im nächsten Abschnitt fortgeführt, „deshalb möchte ich, dass meine Schwestern durch meinen Schaden klug werden“ (CE, Vorwort 2). 41 OTT, Einheit von Selbst- und Gotteserkenntnis, 339. Das Verfassen eines Lebensprogramms kommt einer Regel recht nahe. W. Herbstrith beschreibt das zweite Werk Teresas so: „Unter dem ‚kleinen Büchlein‘ verstand Teresa die ersten 25 Kapitel mit asketischen Beiträgen für ihre Schwestern; das ‚Paternoster‘ bildete den 2. Teil. […] Eine praktische Anleitung für die Schwestern in ihrem Ordensalltag. Die Sätze sind kurz, fast scharf geprägt und nehmen sich vielfach wie militärische Befehle aus. […] In ihren Ausführungen zum Vaterunser entwirft Teresa praktisch eine Lehre über das innere Gebet in seinen Entwicklungsstufen.“ HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 53f. A. SAGARDOY schreibt, dass es „eine Sammlung von Ratschlägen für Klosterschwestern“ beinhaltet und entdeckt eine Gebetsschule, die 17

An vielen Stellen beschreibt sie zudem, wie sie sich das Zusammenleben der Schwestern und den Aufbau einer Gemeinschaft vorstellt.42 Mit seiner Gebetslehre und den Anweisungen für ein gelingendes Zusammenleben in diesem Geist löst der Weg der Vollkommenheit die Karmelregel zwar nicht ab, legt sie jedoch so aus, dass etwas Neues entsteht. Durch die hohe Intensität und Verbindlichkeit des Buches wirkt sie der Gefahr einer Verflachung des Gemeinschaftslebens entgegen.43 Teresa stellt sich selbst als Beispiel voran, wenn sie die Erfahrungen betont, aufgrund derer sie berechtigt ist, das Buch zu schreiben (vgl. Vorwort 3).44 Auch das Schlusskapitel enthält Hinweise, dass Teresa mit dem Buch eine Ordnung für das Leben im Kloster an die Hand geben will: „Hier seht ihr, Freundinnen, wie in Vollkommenheit mündlich zu beten vor sich geht“ (CE 73,1). Sie fährt fort: „daß es derart den ganzen geistlichen Weg in sich einschließt, von den Anfängen bis dahin, wo Gott euch überflutet und reichlich aus der Quelle lebendigen Wassers, von der wir gesprochen haben, zu trinken gibt“ (CE 73,3).

Es ist das Vermächtnis Teresas: Anderen Menschen den Zugang zum Beten zu erschließen. Erstaunlich, dass sie hier vom mündlichen Beten spricht, gleichwohl ihr das mündliche Beten (nur) Ausgangspunkt für das Innere Beten ist.45 In CE 73,4 spricht sie allerdings mehr in eine Haltung denn in Methoden einführt. SAGARDOY, Frei machende Mystik, 5f. Er skizziert das Werk in drei Abschnitten: „- Voraussetzungen, die für ein Gebetsleben zielführend bzw. notwendig sind; - Wesen und Entfaltung des Gebetes; - Folgen für den Alltag aus der Kontemplation.“ Ebd. 6. Sagardoy formuliert sehr vorsichtig, was m.E. das Grundanliegen des Buches ist, dem Leben im Kloster eine Ordnung zu geben. 42 Sie gibt Anweisungen für das klösterliche Zusammenleben, betont die evangelischen Räte (CE 1,2), trägt den Verzicht auf eine Mitgift auf (CE 20,1) und nennt Kriterien für die Aufnahme ins Kloster (CE 20,2), in dem es um den Lebensstil von Einsiedlerinnen geht (CE 20,1). Sie begründet, dass eine Schwester entlassen werden soll, wenn es keinen geistlichen Fortschritt gibt (CE 20,2). Sie spricht von den verschiedenen Wegen zur engen Gottesbeziehung (CE 27,2) und dass es v.a. auf die eigene Entschlossenheit ankommt (CE 35,2 u.a.). Sie schreibt vom Umgang im Krankheitsfall (CE 16,1-4), vom Essen und Fasten aus Solidarität (CE 57,1) und von der Tugend der Unbekümmertheit (CE 1; 2; 65,7). Ebenfalls betont sie die Fehlformen, besonders das Prestigedenken und Sonderfreundschaften. 43 Der Weg der Vollkommenheit wird heute noch im Noviziat der Karmelitinnen gemeinsam gelesen, was diesen konstitutiven Charakter unterstreicht. Vgl. "Konstitutionen der Unbeschuhten Karmelitinnen von 1991" Nr. 136: "Damit aus den Kandidatinnen echte Unbeschuhte Karmelitinnen nach dem Herzen der hl. Mutter werden, halte man sich bei ihrer geistlichen Ausbildung, besonders für das Gebetsleben, an ihre Lehre und nehme als eine Art Handbuch für die Ausbildung den Weg der Vollkommenheit, 'der von Teresa von Jesus für ihre Schwestern und Töchter geschrieben wurde.“ Die ersten 29 Kapitel des CE widmen sich dem Karmelleben und die Ausbildung der Seele und führen damit die Vida fort, wie Williams betont: „The ‚living book‘ promised to Teresa is, we must assume, the presence of Christ in prayer, giving instruction to the soul. What Teresa sets out to do in The Way of Perfection is to make available such a ‘living book’ to her sisters, by setting out how prayer is itself a learning process. However, the first eighteen chapters (out of 42) deal basically with the rationale of the Carmelite life as a whole; only then do we proceed to general instruction about prayer and the great exposition of the Our Father which occupies most of chapters 28 to 42.” W ILLIAMS, Teresa of Avila, 80. Hier ist zu beachten, dass Williams sich bei seiner Kapiteleinteilung auf den CV bezieht. 44 Inwiefern sie selbst intendierte, dass das Buch auch eine Wirkung außerhalb des Klosters entfaltet, lässt sich nicht ausmachen. Deutlich wird aber, dass der Weg des inneren Betens nicht auf das Leben im Kloster begrenzt bleibt (vgl. Francisco de Salcedo über den sie in V 23,7 schreibt, dass er ein Leben in Vollkommenheit führt). 45 Diesen Zusammenhang zu untersuchen wird im Folgenden Aufgabe dieser Arbeit sein. 18

von der göttlichen Inspiration für das Buch. In einem Nebensatz von CE 73,5 folgt nun wieder der Hinweis auf eine Lebensordnung, dass sie „aufschreiben sollte, wie man sich zu verhalten hat.“ Für die Annahme, dass Teresa in diesem Werk die Grundlage für das gemeinsame Leben und die Haltung für den reformierten Karmel legen will, gibt es reichliche Belegstellen. Es wird durch die Autorität unter der sie schreibt und die Adressatinnen, die Schwestern im Kloster San José, im Vorwort unterstrichen. Dass Teresa mit dem Buch Weg der Vollkommenheit eine Regel für die neu entstandene Gemeinschaft schreibt, wäre von ihr selbst wahrscheinlich verneint worden.46 Gegen die These spricht die Erwähnung der Karmelregel im Prolog, die sie nur intensivieren will. Ein weiterer Grund gegen das Verfassen einer eigenen Regel, ist der argwöhnische Blick der Inquisition, deren Eingreifen immer zu befürchten steht. Ein drittes Gegenargument ist, dass das Buch von anderen Regelwerken mit klaren, direkten

Anweisungen

bis

hin

zur

Gestaltung

eines

Tagesablaufes

und

Tätigkeitsbeschreibungen stark abweicht.47 Teresa unterstreicht jedoch klar den Verzicht auf Äußerlichkeiten, die einen sicheren Weg vorzugeben scheinen. Besonders der festen Vorgabe von Gebetstexten und dem häufigen Sprechen von einzelnen Texten steht sie äußerst skeptisch gegenüber. Ihre Priorität zum geistlichen Weg und zur Beziehung mit Gott anzuleiten, arbeitet sie in Weg der Vollkommenheit hingegen deutlich heraus. So bleibt festzustellen, dass Teresa ein Grundlagenwerk zum Gebet schreiben will und das Gebet wiederum Zentrum für das neu gestaltete Ordensleben ist.

46

Klug greift sie mögliche Kritik auf und bestätigt, dass es „ganz außer der Reihe ist, daß ich so etwas tue“ (CE, Vorwort 2). 47 Vgl. z.B. die Karmelregel Innozenz IV., die Teresa kannte. Auch die Karmelregel beginnt mit der Berufung auf die Autorität und der Absicht, das Leben zu ordnen. Kapitel I schreibt von den evangelischen Räten, dann folgen in Kapitel II-VII die Aufteilung der Zellen und sonstiger Orte im Kloster. Kapitel VIII gibt eine klare Gebetsstruktur vor, bei der das Vaterunser eine herausgehobene Rolle für die schriftunkundigen Brüder spielt (an normalen Werktagen sprechen sie es 68 Mal, an Sonn- und Feiertagen 93 Mal). Vielleicht ein Hinweis, warum Teresa gerade das Vaterunser für ihre Auslegung gewählt hat. Vgl. W AAIJMAN, Der mystische Raum des Karmels. 19

20

2 Was ist kontemplatives Gebet – eine Übersicht Das Wort Kontemplation ist dem lateinischen Verb contemplari entlehnt, das in der Beobachtung des Vogelfluges durch die Priester innerhalb eines heiligen Bezirks, dem templum, seine Wurzel hat. Con- und templum verbinden sich zur Zusammenschau, dem „Über-blick über das Ganze, dem das Viele und Vielerlei zu Einem wird: eben zusammen-geschaut im Sinn von ‚von Gott her geschaut‘ oder auch ‚in Gott geschaut‘.“48 G. Benker führt aus, dass der Mensch durch das Essen der Frucht vom Baum der Erkenntnis seine Ganzheit verloren hat und er sein Leben hindurch danach strebt, diese Ganzheit wiederzuerlangen: „Durch die Erfahrung des Getrenntseins kann er zum Individuum werden, was in ihm zugleich die schmerzliche Sehnsucht nach der Ganzheit auslöst, die ihn sein Leben lang antreibt.“49 Wenn Meditation die Aufgabe hat, „den Geist v[on] störenden Einflüssen zu reinigen u[nd] den Fortschritt auf dem Heilsweg zu ermöglichen“50 und Kontemplation „die intuitive Schau der obersten Wahrheiten, im rel[igiösen] Sinne: Gottes“ 51 ist, dann ist die Kontemplation das irdisch weitestmöglich erreichbare Ziel eines solchen Weges, an dem man allerdings nicht bleibend verweilen kann. Andererseits wird auch der Prozess zu diesem Ziel hin als kontemplativer Weg bezeichnet: „Kontemplation meint […] sowohl das Geschenk des wahren Sehens der Wirklichkeit Gottes und seines Reiches als auch den Prozess des Einübens einer neuen Seh- und Erkenntnisweise der 52 gesamten Wirklichkeit aus der Perspektive Gottes.“

Der kontemplative Weg kennt also zwei Akteure, zum einen den Menschen, der sich nach seinen Möglichkeiten bereitet und zum anderen Gott, der die Kontemplation frei schenkt.53 J. Zapf unterscheidet hier zwischen

erworbener Beschauung und

eingegossener Beschauung.54 Der Mensch sucht die Nähe und Gegenwart Gottes und

48

BENKER, Kontemplation, 68. Ebd., 67. 50 HAHN, Meditation, 47. Heil im Zusammenhang seiner etymologischen Bedeutung: ganz. 51 MIETH, Kontemplation, 326. 52 BENKER, Kontemplation, 67. 53 Kriterien für den Übergang vom Tun des Menschen zur eigentlichen Kontemplation hat Johannes vom Kreuz entwickelt: „Das erste Zeichen besteht darin, dass der Mensch nicht mehr wie gewohnt zu meditieren vermag und der sinnenhaft-geistige Genuss, den er bislang beim Beten immer wieder verspürte, konstant ausbleibt. Stattdessen empfinden Geist und Sinne Überdruss, Trockenheit und Leere. Das zweite Kriterium ist erfüllt, wenn der Betreffende trotz Ausbleiben irgendeiner geistlichen Befriedigung keinen Drang verspürt, seine Aufmerksamkeit irgendwelchen anderen Dingen, weder äußeren noch inneren, zuzuwenden. ‚Das dritte und sicherste ist, wenn es der Menschenseele gefällt, in liebender Achtsamkeit allein bei Gott zu sein‘.“Ebd., 73. Diese Kriterien sind wichtig, um das Wirken Gottes auf dem geistlichen Weg von psychischen Störungen und Krankheiten wie Depression zu unterscheiden. 54 „Erworbene Beschauung ist jener einfache, umfassende geistige Blick, der aus der intensiven Durchdringung eines Erkenntniszusammenhanges alles leicht zu überschauen und zu durchschauen vermag. Dies gilt für jeden Bereich menschlichen Daseins. Dieser einfache intuitive Durchblick ist die Frucht menschlicher Anstrengung und Entfaltung. Erworbene Beschauung verkostet, ruht in sich, bleibt 21 49

lässt sich durch ihn umformen, bis er für die Liebesvereinigung mit ihm bereit ist und dadurch „ein neues Verständnis der Wirklichkeit gewinnt, das alle menschlichen Deutungskategorien sprengt“.55 Die Beschreibung der Kontemplation ist oft mit Paradoxa verbunden: So ist sie zum einen Schau und tiefes Erkennen, zugleich aber auch mit Erblinden56 verbunden. Sie wird mit Fülle, wie auch mit Leere beschrieben, mit Erleuchtung und dunkler Nacht. D. Mieth betont, dass es „in der Spiritualitäts-Gesch[ichte] einen großen Reichtum an unterschiedlichen

Modellen“57

zur

Kontemplation

gibt,

die

sich

trotz

ihrer

Unterschiedlichkeit jedoch nicht ausschließen. Auch für den Weg zur Kontemplation gibt es verschiedene Ansätze.58 In einem Modell der mittelalterlichen Gebetslehre sind die ersten drei Schritte lectio, meditatio und oratio vom Beter her aktiv gestaltbar59, die contemplatio als vierter Schritt hingegen kann nur gewährt bzw. geschenkt werden. Kontemplation hebt sich dabei gegenüber den drei ersten Stufen ab, da sie nicht mehr vorbereitend ist, sondern als visio beatifica bereits erfüllt, als Schau Gottes schon das Erkennen bietend. Die Kontemplation „in vollendeter Form verstanden, strahlte auf die eschatolog[ische] Erkenntnis ‚wie in einem Spiegel‘ (1 Kor 13,12).“60 Ein zweiter Strang im Mittelalter, den auch Francisco de Osuna vertrat, der mit seinem Tercer Abecedario Teresa von Avila maßgeblich beeinflusste, bevorzugt das dreistufige Modell der via purgativa (Läuterung/Reinigung), via illuminativa (Erleuchtung) und der via unitiva (Vereinigung/Vollkommenheit).61

offene Mitte in sich selbst. Eingegossene Beschauung ist nicht machbar, keiner Technik zugänglich, darum unverfügbares Gnadengeschenk.“ ZAPF, Meditation/Kontemplation, 333. 55 Vgl. BENKER, Kontemplation, 76. 56 „Die Kontemplation ruht nicht, bis sie den Gegenstand ihrer Erblindung findet“ K. Weiß in: PIEPER, Glück und Kontemplation, 113. 57 MIETH, Kontemplation, 327. 58 Vgl. ebd., 327. Mieth listet mögliche Zugänge auf: über Naturbetrachtungen, Askese, über ‚Liebesschicksale der Seele‘, über innere Sinne, Reinigung des Denkens von Bildern durch Bilder, eine Gottesgeburt in der Seele, die Leidensbetrachtung und Kreuzeskontemplation. Vgl. ebd. Alle Modelle verfügen über ein Grundschema: „entferntere und nähere Vorbereitung, einleitendes Gebet, diskursives Durchdringen des Betrachtungsstoffes, Identifizierung mit den zu betrachtenden Personen und gehalten, Vertiefung im ‚affektiven Gebet‘, praktische Anwendung des Erkannten in einem konkreten Vorsatz, Bitte um den Gnadenbeistand Gottes.“ ZAPF, Meditation/Kontemplation, 331f. Der karmelitische Weg unterscheidet sich von einem solchen Grundschema darin, dass er keine Methodik vorgibt. Elemente seines Weges sind: Selbsterkenntnis, die Nähe Gottes suchen und dabei Gottes liebenden Blick zulassen, sowie selbst den Blick auf Gott einüben, sich durch diese Beziehung umformen und als gnadenhaftes Ziel die Vereinigung mit Gott. Auf diesem Weg der Kontemplation wird die Einsicht für prophetisches Handeln geschenkt, das wiederum andere auf diesen Weg einlädt und animiert. Vgl. BENKER, Kontemplation, 7793. 59 Vgl. NICOL, Meditation, 340. Dieses Modell geht nach M. v. BÜRK auf Hugo und Richard von St. Viktor, Bonaventura und Johannes Gerson zurück. Vgl. BÜRK, Meditation/Kontemplation, 964. 60 MIETH, Kontemplation, 326. 61 Vgl. ebd., 327. Dieses Modell geht auf Dionysios Areopagita zurück und wurde von Bonaventura methodisiert. „Was inhaltlich mit Reinigung, Erleuchtung oder Einigung gemeint ist und entsprechend 22

Dabei ist ein durchgängiger Zug theologischer Mystik, dass sie sich an den Kriterien ihres theologischen Gehalts (trinitarisch, christologisch und ekklesiologisch) und zugleich in der praktischen Umsetzung der Schau messen lässt. Dazu vermeidet sie Einseitigkeiten und esoterische Sondererfahrungen.62 Das 16. Jahrhundert bringt mit Ignatius von Loyola, Johannes vom Kreuz und Teresa von Avila drei herausragende Persönlichkeiten hervor, in deren Folge „Kontemplation als die umfassende Grundkategorie für den gesamten geistlichen Weg galt.“63 Ziel dabei ist, „in einer kontemplativen Haltung“64 also im Bewusstsein der Gegenwart Gottes zu leben und die Entwicklung liebevoller Aufmerksamkeit für diese, seine Gegenwart. 65 In jüngerer Zeit definiert der Trappist und geistliche Schriftsteller T. Merton Kontemplation so: „Im strengen Wortsinn ist Kontemplation eine einfache und dunkle übernatürliche Liebe und Erkenntnis Gottes, die von ihm in den Gipfel der Seele eingegossen wird und dieser eine unmittelbare 66 und erfahrbare Berührung mit ihm schenkt.“

Wie die Aussagen vom Spiegel oder Gipfel, die Paradoxa und viele andere Beispiele zeigen, ist Kontemplation nur im bedeutenden nicht aber definierendem Sprechen sprachlich zu berühren und nur metaphorisch zu beschreiben. Geistliche Menschen verwenden zur Beschreibung immer wieder die Form der Poesie, weil sie Zwischenräume lässt und nicht ‚wissenschaftlich exakt‘ formulieren muss.67 Dem Poetischen ist ein tiefes Gespür für das Geheimnisvolle zu Eigen und verweigert sich einem direkten Zugriff, was dem Vollzug der Kontemplation zuinnerst entspricht.

Josef Pieper Der Philosoph Josef Pieper (1904-1997) setzt in seinem Werk Glück und Kontemplation68 beim Menschen an, der von seinem Wesen her darauf angelegt ist,

erlebt wird, hängt an anthropologischen, theol. und anderen Vorgaben der jeweiligen Tradition und ist auch innerhalb einer Rel. diachronisch und diatopisch (konfessionell) verschieden.“ BÜRK, Meditation/Kontemplation, 964. 62 Vgl. MIETH, Mystik, 414-417. Diese Kriterien sind auch für den kontemplativen Weg einsetzbar. 63 BENKER, Kontemplation, 69. Allerdings stellt G. Benker fest, dass dieses „Goldene Zeitalter der Kontemplation […] gleichzeitig auch das Ende einer Entwicklung“ ist. Ebd. 64 Ebd., 71. 65 Ebd., 72. Für den Karmeliten bedeutet dies: Wir brauchen „keine speziellen oder typischen Dinge zu vollbringen, wir brauchen nur zuzulassen, dass göttliche Grundmuster in unsere Person eindringen, die unser Tun ausrichten und innerlich bewegen“ H. BLOMMESTIJN und K. W AAIJMAN; zitiert nach Ebd., 76. 66 MERTON, Vom Sinn der Kontemplation, 31. 67 Bestes Beispiel ist hierfür Johannes vom Kreuz, der seine Dichtungen gleich selbst auslegte. Dennoch steht für ihn die Dichtung im Vordergrund. In diese Richtung geht auch J. Wüst-Lückl mit der Kapitelüberschrift: „Gebet als Sprache, die Widersprüchliches verbinden kann.“ W ÜST-LÜCKL, Theologie des Gebetes, 377. 68 PIEPER, Glück und Kontemplation, alle Zitate aus diesem Werk. 23

nach Glückseligkeit zu streben (vgl. 30). Die Möglichkeit, dass der Durst des Menschen nach Glück gelöscht wird, liegt jedoch außerhalb seiner selbst (vgl. 31).69 „Die Stillung aber durch das unendliche Gut trägt dann den Namen Glückseligkeit – und all die anderen Namen, welche die menschliche Sprache für die letzte Vollendung des Menschen bereithält: Ewiges Leben, Ewige Ruhe, Ewiges Licht, Großes Gastmahl, Krönung, Friede, Heil“ (41).

Der Mensch ist nun darauf ausgelegt, dieses Gut im Ganzen zu erlangen, wofür Pieper einen Dreischritt formuliert: „Glückseligkeit heißt Vollendung. […] Vollendung heißt Verwirklichung. […] Verwirklichung geschieht durch Wirken“ (54). Kontemplation ist dabei „schweigendes Vernehmen von Wirklichkeit“ (75), sie ist „nicht denkendes, sondern schauendes Erkennen“ (75). Dabei ist die „Denkkraft eine Mangelform der Kraft des Schauens. Kontemplation ist also Schauen, das heißt eine Weise der Erkenntnis, die sich nicht erst auf den Gegenstand zu bewegt, sondern in ihm ruht“ (76). Sie ist „ein von Staunen begleitetes Erkennen“ (77). „Irdische Kontemplation ist unvollkommene Kontemplation. Mitten in ihrer Ruhe ist Beunruhigung. Sie rührt daher, daß im gleichen Augenblick die überwältigende Unendlichkeit des Gegenstandes und die eigene Grenze erfahren wird. Es gehört zur Natur der irdischen Kontemplation, daß sie eines Lichtes ansichtig wird, dessen abgründige Helligkeit beides zugleich erzeugt: Beglückung und Erblindung“ (112f).

Auch wenn die Kontemplation vom Menschen her selbst nicht machbar ist, werden verschiedene Wege vorgezeichnet, welche die Möglichkeit zur Gottesschau unterstützen.70 Das Ziel der Gottesschau ist mit einer zweifachen Blickrichtung verbunden: „Er schaut mich an; ich schaue ihn an.“71 Dieses Sein „in der Gegenwart Gottes, in seinem liebenden Blick, selbst auch gegenwärtig zu sein“72 betont das dialogische Geschehen zwischen dem Menschen und seinem Schöpfer. Es vollzieht sich jedoch im gemeinsamen aufmerksamen Schweigen im Bewusstsein der Gegenwart, „ein Schweigen im Beziehungsraum.“73 Auch der Bezug von Gebet und Weltgestaltung wird in diesem Zusammenhang behandelt. So findet J. Sudbrack in Anlehnung an T. Merton die Kurzformel: „Kontemplation – Andacht zur Wirklichkeit.“74 In seiner Pastoralkonstitution Gaudium et spes betont das II. Vatikanische Konzil die untrennbare Bezogenheit beider Elemente:

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Dabei erschrickt er, weil er erkennt, dass Gottes Glück nicht von einem äußeren Geschehen abhängig ist (vgl. ebd.26). 70 Vgl. SUDBRACK, Meditation, 48-51. Hier stellt er auch die beiden Begriffe von erworbener und geschenkter Kontemplation gegenüber und löst die Unterscheidung auf, denn sie „hält weder einer psychol. Befragung stand, da manches als geschenkt erlebt wird, was unbewußt v. Menschen selbst erstellt wird, noch einer theologischen, da alles v. Gnade umfaßt ist.“ Ebd., 50. 71 SUDBRACK, Kontemplation – Andacht zur Wirklichkeit, 433. So beschrieb ein einfacher Bauer dem Pfarrer von Ars die Anbetung. 72 STOLINA, Das Geheimnis und die Würde des Menschen, 36. 73 Ebd., 35. 74 SUDBRACK, Kontemplation – Andacht zur Wirklichkeit, 431. 24

„Die Christen müssen auf der Pilgerschaft zur himmlischen Vaterstadt suchen und sinnen, was oben ist (vgl. Kol 3,1-2); dadurch wird jedoch die Bedeutung ihrer Aufgabe, zusammen mit allen Menschen am Aufbau einer menschlicheren Welt mitzuarbeiten, nicht vermindert, sondern gemehrt. […] Ebendadurch kann sich der Geist des Menschen, von der Versklavung unter die Sachwelt befreit, ungehinderter zur Kontemplation und Anbetung des Schöpfers erheben. Ja unter dem Antrieb der Gnade wird er zur Erkenntnis des Wortes Gottes vorbereitet, das schon, bevor es Fleisch wurde, um alle zu retten und in sich als dem Haupt zusammenzufassen, "in der Welt war" als "das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet" (Jo 1, 9)“ (GS 57).

So findet sich also im kontemplativen Gebet eine doppelte Bezogenheit sowohl zu Gott, wie auch zum Menschen und zur Welt insgesamt, die sich als trotz ihrer Zerbrechlichkeit und Vorläufigkeit als Erfahrungsraum Gottes darstellt.

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3 Kontemplatives Gebet bei Teresa von Ávila Auch für Teresa von Ávila geht es beim kontemplativen Gebet um die Beziehung zu Gott. Bei der Klärung, welches Gottes- und Menschenbild Teresa in ihrem Buch Weg der Vollkommenheit beschreibt, wird deutlich, was Teresa eigentlich sucht, wie sie bei ihrer Suche vorgeht, wie sie schließlich den Schwestern bei deren eigener Suche helfen will und dabei ihr eigenes pädagogisches Geschick einsetzt. Freundschaft ist hier ein Schlüsselbegriff, der auch in unsere Zeit hinein an Bedeutung gewinnt, wie der weitere Verlauf der Arbeit zeigen wird.

3.1 Das Verhältnis von Gott und Mensch Eine Systematisierung des Gottesbildes von Teresa ist ein heikles Unterfangen, wechselt sie doch häufig die Begriffe und grenzt sie wenig voneinander ab. 75 Dennoch sind das rechte Verständnis Gottes und die daraus folgende Beziehung zwischen Gott und ihr selbst der Schlüssel zu Teresa und ihrem Weg. An dieser Stelle geht es weniger um die Bestimmung ihres Gottesbildes, sondern um das Verhältnis von Gott und Mensch, wie Teresa es darstellt. Teresa verwendet Grundbegriffe wie Majestät oder Herr, mit denen sie Gott direkt anspricht und sich dabei kaum von anderen Schriftstellern ihrer Zeit unterscheidet. Auf dem Weg des inneren Betens scheinen sich das Gottesbild und die Anrede Gottes aber zu verändern. Mit der Differenzierung von Gott-Vater und Gott-Sohn ist Teresas Menschenbild verbunden, wobei sich im Verhältnis zum Nächsten auch das Gottesbild ausdrückt. Der Weg des Menschen zu Gott ist der Weg der Vollkommenheit, zu dem Teresa einlädt und auffordert.

3.1.1 Ausgangsposition: Fremder Gott – entfernter Mensch Gott ist zunächst der Ferne. Das Verhältnis zwischen Gott und Mensch zeigt sich im Bild vom Herrn, der die Winzer besucht, die seinen Weinberg gepachtet haben (vgl. CE 26,2 und Lk 20,13-15). Der Abstand zwischen ihnen ist nahezu unüberwindlich, die Winzer wollen ihren Herrn nicht mehr anerkennen.

75

N. Žuška zeigt, wie sich Teresas Gottesbild im Laufe ihres Lebens verändert, bevor sich das Bild des Freundes herauskristallisiert. Vgl. ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 76f. In dieser Arbeit soll die Veränderung für den betenden Menschen aufgezeigt werden, wie Teresa sie im Camino zeichnet. 27

Ob es nun ein solch schroffer Gegensatz ist oder schlichte Ignoranz Gott und seinen Geboten gegenüber, ist an dieser Stelle nicht entscheidend, es geht um ein fehlendes Erkennen von Gottes Größe und seiner Bedeutung für das eigene Leben. Der Herr steht hier dem Menschen gegenüber und ist in seinen Entscheidungen nicht erklärbar, „er übersteigt alles menschliche Begreifen und ist uns doch ganz nahe.“76 Teresa drückt diese Ferne zweimal in der Formulierung aus: Der Herr ist, der er ist (vgl. CE 8,1; 29,7 und 33,1). Er ist „der Allmächtige, der Ewige, der Schöpfer, der Allwissende.“77 Der Mensch hingegen hat in seiner Seele alles Mögliche angesammelt, was Teresa Schmutz nennt (CE 31,4), so dass ihm der Blick verstellt ist: „Ich erkannte wohl, daß ich eine Seele hatte, aber was diese Seele wert war und wer in ihrem Innern weilte, das erkannte ich nicht“ (CE 48,3). Der Mensch scheint weit von Gott entfernt zu sein. Er ist nicht offen für die Dimension Gottes, merkt nicht, was der Sohn für ihn alles zu erdulden hat, „denn immer ist es er [Jesus], der beleidigt und dem Unrecht getan wird“ (CE 64,3). So fehlt dem Menschen die Disposition und es scheint von Gottes Seite her unvorstellbar, „daß sich die Reinheit der Himmel an einer beschmutzten Seele erfreute“ (CE 25,2).

3.1.2 Blickrichtung zueinander: Einladender Gott und einsichtiger Mensch Bei dieser starren Ausgangssituation muss es jedoch nicht bleiben. Ganz im Gegenteil braucht es Bewegung, wenn beide ihr Ziel erreichen wollen, denn „in gewissem Sinn können wir sagen, daß Gott auf den Menschen angewiesen sein will.“ 78 Er ist der „große König, der es für gut befunden hat, euer Vater zu sein“ (CE 48,1). Gott der Schöpfer, der „seine Augen niemals von dir abwendet“ (CE 42,3), ist einladend, offen und am Einzelnen interessiert: „Schaut, der Herr lädt alle ein. Da er die WAHRHEIT ist, besteht kein Grund zu zweifeln. Wäre diese Einladung nicht allgemein, würde Gott nicht alle rufen, und wenn er sie schon riefe, sagte er nicht: ‚Ich werde euch zu trinken geben.‘ Er hätte ja sagen können: ‚Kommt nur alle, denn ihr verliert schließlich nichts dabei, aber zu trinken werde ich denen geben, die mir gut scheinen.‘ Da er aber ohne Vorbedingung ‚alle‘ sagt, bin ich mir sicher, daß es allen, die unterwegs nicht hängenbleiben, an diesem lebendigen Wasser nicht mangeln wird“ (CE 32,7).

Dass Gott eigene Kriterien hat, untermalt Teresa mit ihrem Vergleich, dass der Herr „mehr Gefallen hat an den plumpen Verhaltensweisen eines demütigen Hirtenbuben […] 76

OTT, Selbst- und Gotteserkenntnis, 347. Obwohl sich Ott mit den Beispielen auf das Gesamtwerk Teresas bezieht, lassen sich alle Betitelungen im Camino nachweisen. 77 DOBHAN, Gott-Mensch-Welt, 187. Diese ehrfürchtige Distanz drückt sich bei Teresa auch in der Anrede aus. So spricht sie Gott in ihren Texten mit Ihr an, während vergleichbare geistliche Schriftsteller ihrer Zeit die Anrede Du wählen, wie z.B. Francisco de Osuna u.a. Vgl. ebd., 189, Anm. 30. 78 Ebd., 304. 28

als an wohlformulierten Theologien“ (CE 37,4). Gott steht unvoreingenommen bereit für einen gemeinsamen Weg. Der Beginn der Annäherung scheint für den Menschen ungleich schwieriger und deshalb liegt hier das Grundbemühen Teresas: Den Menschen für diesen Weg mit Gott zu öffnen. Durch ihr eigenes Beispiel möchte sie zum Aufbrechen ermutigen und beschreibt ihre eigenen Schwierigkeiten und Irrwege, um aufzuzeigen, dass der Weg auch ohne große Begabung gangbar ist.79 Die Ausgangsbasis liegt in der Blickrichtung auf Gott hin, die für den Weg bereitet: „Ich bin überzeugt, daß es viele sind, die Gott, unser Herr, dieser Probe aussetzt, aber nur wenige, die sich bereit machen, um sich dieser Gnade stets zu erfreuen. Denn sobald der Herr sie erweist und es nicht unseretwegen unterbleibt, bin ich mir sicher, daß er sie bis zum Erreichen einer sehr hohen Stufe unaufhörlich schenkt. Sobald wir uns aber Seiner Majestät nicht mit eben der Entschlossenheit hingeben, mit der er sich uns hingibt, dann tut er schon viel, wenn er uns im betrachtendem Beten verweilen läßt und uns dann und wann besucht, wie Knechte, die in seinem Weinberg arbeiten. Jene anderen aber sind bevorzugte Kinder; er möchte sie nicht aus seiner Nähe entfernen und entfernt sie auch nicht, weil sie sich nicht entfernen wollen. Er setzt sie an seinen Tisch, gibt ihnen von dem, was er ißt, und spart sich sogar den Bissen vom Mund ab, um ihn ihnen zu geben“ (CE 26, 2).

Doch was lässt den Menschen diese Probe erkennen80, was motiviert ihn so, dass er sich aufmacht, um schließlich beim Herrn am Tisch zu sitzen, denn „ ihm ist so sehr daran gelegen, daß du ihn immer wieder anschaust“ (CE 42,3)? In der Zeit Teresas war Atheismus kein Thema, einen bewussten, geradlinigen Glaubensweg einzuschlagen jedoch ebenfalls keine Selbstverständlichkeit. Nach U. Dobhan ist der Aufbruch des Menschen zu Gott eng mit der Suche nach der Wahrheit verbunden, dass „der Mensch ohne Gott nicht voll und ganz Mensch sein kann. Ohne die transzendente Beziehung bliebe er auf sich selbst beschränkt, viele Fragen seines Lebens blieben unlösbare Aporien. Das konkrete Verhalten Teresas zu ihren Mitmenschen zeigt, daß der Mensch Gott auch braucht, um 81 seinen Mitmenschen gerecht zu werden.“

Nach Teresa braucht es nur einen kleinen Impuls, damit der Weg der Annäherung in Gang gesetzt wird, denn „mit einem Fünklein, das einen berührt, wird alles in Flammen gesetzt“ (CE 47,4). Der auf sein Leben blickende Mensch sucht in seiner Selbstentfremdung den Weg zur Heimkehr, so W. Herbstrith82, und weiter: „Selbsterkenntnis, Eingestehen der eigenen Bedürftigkeit, des eigenen Elends, sind unerlässliche Voraussetzungen, wahrhaft Mensch zu werden. Die furchtbarste Krankheit des Menschen besteht für

79

Die Vida enthält unzählige Beispiele ihrer eigenen Schwäche und von Missständen, denen sie ausgesetzt war. Die Botschaft ist: Wenn ich [Teresa] es geschafft habe, kann jeder Mensch diesen Weg gehen. 80 Mutmaßlich wurde in der von Ritterlichkeit geprägten Welt Spaniens im 16. Jahrhundert die Aussicht, eine Probe zu bestehen, sich bewähren zu können, als Ansporn gesehen. 81 DOBHAN, Gott-Mensch-Welt, 281. Der Mensch ist also ohnmächtig und vermag ohne Gott nichts – doch diese Erkentnis gilt es für ihn erst einmal einzusehen: „Der Mensch ohne die Gnade Gottes ist nach Teresas Meinung zwar nicht total verderbt und unfähig, er kann jedoch, ihrer Meinung nach ‚erbärmlich wenig tun‘.“Ebd., 297. 82 Vgl. HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 63. 29

Teresa darin, nicht mehr nach dem Sinn des Seins zu fragen, unfähig zu werden für den Gang nach 83 innen.“

Dies sind die Ausgangssituationen für den Beginn des Weges: Die Suche nach sich selbst, in der sich der Mensch selbst zur Frage wird, sein Blick auf die Welt mit ihren Widersprüchen, wenn er dem eigenen und fremden Leiden ausgesetzt ist, sein unerfülltes Bedürfnis nach Liebe und Geborgenheit und seine Sehnsucht nach Leben. Teresa drückt die Trennung ganz am Ende des Camino so aus: „Es ist sinnlos, Schwestern, zu meinen, daß wir von vielen Versuchungen und Unvollkommenheiten und sogar Sünden frei sein könnten, so lange wir am Leben sind, denn es heißt, daß sich täuscht, wer 84 ohne Sünde zu sein glaubt. […] Was finden wir denn in diesem Leben schon Gutes, Schwestern, denn wir entbehren doch so viel Gutes und sind ohne es? Erlöse mich, Herr, von diesem Todesschatten, erlöse mich von so vielen Nöten, erlöse mich von so vielen Schmerzen, erlöse mich von so vielen Veränderungen, von so vielen Anstandsformen, die wir, solange wir am Leben sind, notgedrungen wahren müssen; von so vielen, so vielen, so vielen Dingen, die mich ermüden und mir auf die Nerven gehen, daß ich den Leser ermüden würde, wenn ich sie alle aufzählen wollte. Wer hält denn dieses Leben noch aus? Diese Lebensunlust muß wohl daher kommen, daß ich so schlecht gelebt habe und sehe, daß auch das Leben, das ich jetzt führe, nicht so ist, wie ich leben sollte, da ich so viel schuldig bleibe. Ach, mein Herr, erlöse mich von allem Bösen und führe mich doch, bitte, dorthin, wo es alle Wohltaten gibt!“ (CE 72,4).

Dies ist ein Beleg für die Müdigkeit, die Teresa im Blick auf ihr Leben immer wieder spürt.85

Mit

einer

solchen

Erkenntnis

der

eigenen

Unvollkommenheit

und

Ausweglosigkeit nimmt Teresa all jene mit in ihre Überlegungen hinein, die mit ähnlichen Stimmungen zu kämpfen haben. „Teresas Bemühen geht dahin, den Menschen aus dem Zustand seiner Verfallenheit an die Unwahrheit, an das Nichts herauszuholen und ihn aufzufordern, seine Handlungen in der Spannungseinheit zwischen Innen und Außen, vom Innersten der Seele, vom Geist her, zu bestimmen. Sie war sich des Gegensatzes bewusst, dass die Seele einerseits die innerste Mitte der Person ist, andererseits aber vom Menschen verlangt wird, vom Äußersten seiner Seele bis zu ihrem 86 Mittelpunkt vorzudringen.“

Die Sehnsucht nach den Wohltaten Gottes weist voraus auf den nächsten Schritt im Prozess der Bewegung des Menschen auf Gott hin.

3.1.3 Annäherung: Herr und Knecht Der Mensch spürt also seine eigene Bedürftigkeit und Angewiesenheit auf eine andere Person, damit er zu sich selbst kommen kann. Sein Verhältnis zu Gott ist vergleichbar mit dem biblischen Bild von Herr und Knecht (vgl. CE 26,2). So wendet er sich in seiner

83

HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 63. Die Passage, dass sich täuscht, wer ohne Sünde zu sein glaubt, fehlt in CV – eine Selbstzensur Teresas. Vgl. DOBHAN, Gott-Mensch-Welt, 287. „Man kann also nicht sagen, Teresa behaupte, der Mensch sündige notwendigerweise.“ Ebd., 288. Dennoch bleibt für Teresa die enge Verstrickung von Menschsein und zumindest der Möglichkeit zur Sünde. 85 Erst als Teresa daran geht immer mehr Klöster zu gründen, verliert sich diese Lebensunlust. 86 HERBSTRITH, Teresa von Avila. Lebensweg und Botschaft, 65. 84

30

Suche Gott zu – zunächst mag dies noch stolpernd und utilitaristisch sein, z.B. wenn er Gott bittet und dieser ihn nicht erhört: „Ich lache bei mir und gräme mich wegen der Dinge, mit denen man uns hier kommt und beauftragt, daß wir Gott sogar wegen Geschäften und Prozessen um Geld […] bitten […]. Sie [die Auftraggeber der Bitten] haben freilich gute Absichten, und, um die Wahrheit zu sagen, empfehle ich sie Gott auch, bin aber überzeugt, daß er mich niemals erhört“ (CE 1,5).

Doch Gott weiß um die Hindernisse im Wesen des Menschen. Er streckt ihm als sein Schöpfer schon immer die Hand entgegen und führt ihn (vgl. CE 3,5). Nicht nur, aber gerade zu Beginn des Weges ist die Zuwendung Gottes wichtig: „Das mag uns, die wir sehr empfindlich und dem alten Menschen kaum abgestorben sind, zwar unmöglich vorkommen, und am Anfang ist das auch schwer. Ich weiß aber, daß man – mit der Hilfe des Herrn, und Schritt für Schritt – diese Freiheit und Selbstzurücknahme und Loslösung von uns selbst erlangen kann“ (CE 23,2).

Dabei erlebt der Mensch als Geschöpf, „daß Gott ganz anders ist als die Menschen sich ihn immer wieder vorstellen und darstellen wollen.“87 Gott wird als zugewandt und nahe erfahrbar. „Um Gott, dem Allmächtigen, Möglichkeit und Raum zum Eingreifen zu geben, muß der Mensch sich selbst mißtrauen, Gott aber ganz vertrauen.“ 88 Doch dies ist nicht so einfach und setzt einen Erkenntnisschritt voraus: „Dadurch gibt sich der Mensch nicht preis, sondern er arbeitet mit an seiner Vollendung und Vervollkommnung, da ihm der ‚Schritt über seine eigenen Grenzen‘ gelingt, zu einem Gott, der nichts 89 unmögliches verlangt, sondern den Menschen liebt.“

Es braucht also diesen Schritt des Vertrauens. Gott setzt hier mit seinem Wirken an und geht dabei vorsichtig und behutsam mit dem Menschen um, wie das Beispiel des Glasbläsers belegt (vgl. CE 32,1).90 In der Tat will Gott den Menschen umwandeln91, bezieht aber den Menschen in diesen Prozess mit ein: Gott lässt uns mit unseren Kräften zur Entfaltung kommen, aber das Ziel, die Ausrichtung des Lebens wird von ihm gesetzt. Gott zieht den Menschen an […] Dazu muss auch eine Bewegung von uns auf 92 ihn hin ausgehen. Das Gebet ist der Eingang in diesen Prozess.“

So bestimmt also der Mensch das Tempo, nicht aber das Ziel. Langsam macht Gott den Menschen, der sich auf den Weg mit ihm eingelassen hat, bereit für die immer intensivere Begegnung mit ihm. Und noch ahnt der Mensch nicht, was Gott mit ihm vor 87

DOBHAN, Gott-Mensch-Welt, 192. Ebd., 303. 89 Ebd., 303. 90 Auf ein weiteres Ereignis macht R. Ott aufmerksam:„Immer deutlicher spürt sie [Teresa], daß ihr Weg des inneren Betens sie näher zu Gott führte. […] Die Spannungen riefen in ihr jedoch auch große Angst hervor, die in dem Moment endeten, als sie in ihrem Innern die Worte vernahm: ‚Hab‘ keine Angst, Tochter, ich bin es, und ich werde dich nicht im Stich lassen; fürchte dich nicht.‘“ OTT, Selbst- und Gotteserkenntnis, 337. Ott zitiert hier V 25,18. Hier korrespondieren Zweifel des Menschen und Zusage Gottes, der weiß, was der Mensch zum Weitergehen braucht. 91 „Gott will den Menschen ganz in seiner Gnade erfassen und ihn zu einem neuen Menschen umwandeln. Damit dies geschehen kann, können wir uns neben ihm nicht noch etwas Separates reservieren, sondern müssen uns ganz auf ihn einlassen.“ OTT, Selbst- und Gotteserkenntnis, 349. 92 OTT, Selbst- und Gotteserkenntnis, 349. 31 88

hat. Aber das Grundvertrauen ist entscheidend und die Einsicht: „Lassen wir den Herrn nur machen (denn er kennt uns besser als wir uns selbst)“ (CE 29,4). Die Pädagogik Gottes beschreibt Teresa mit dem Bild des Durstes, den der Mensch natürlicherweise hat: „Daher besteht die größte Gnade, die Gott der Seele erweisen kann, sobald er ihn [den Durst] stillt, darin, sie in diesem Drang zu belassen, und daß er sogar noch größer wird, um immer wieder um dieses Wasser zu bitten“ (CE 30,2).

Auch dann ist der Weg noch kein Selbstläufer, er muss errungen und durchkämpft werden, doch Gott schenkt dem Menschen Weggefährten, „gibt ihm Mut“ (CE 36,5) und schenkt Antworten (vgl. CE 40,4). Die

Verwandlung

des

Menschen

beginnt.93

Dabei

betont

Teresa:

„Es

gibt

unterschiedliche Wege, auf denen Gott führt“ (CE 8,5). Die Weite in ihrem Denken unterscheidet sich dabei von ihrem Umfeld, welches Frauen recht schematische Anweisungen für das Gebetsleben aufgibt. Mit Hochachtung und sicher auch, um ihren Weg zu verteidigen, lobt sie das mündliche Gebet, in dem es möglich ist, „im Dienst des Herrn sehr weit vorangekommen“ (CE 5,3) zu sein. 94 Auch in der Werbung für ihren Weg behält sie diese positive Einstellung zu unterschiedlichen Wegen bei: „Als ich diejenigen tröstete, die nicht bis hierher gelangen, sagte ich, daß Gott, unser höchstes Gut, unterschiedliche Wege hatte, damit man auf verschiedenen Wegen zu ihm geht, und daß es folglich verschiedene Wohnungen gibt. Ich sage es also noch einmal, denn da Seine Majestät unsere Schwäche erkannte, hat er vorgesorgt als der, der er ist. […] Sein Erbarmen war so groß, daß er niemandem das Bemühen verwehrte, zu diesem Lebensquell zu kommen, um zu trinken“ (CE 33,1).

Gott passt sich bei der Begleitung der Konstitution des jeweiligen Menschen an, „Er, der mit seiner Größe tausend Welten füllen würde, schließt sich in etwas so kleines ein!“ (CE 48,3)95. Noch ist äußerlich nicht viel bemerkbar, doch im Innern des Menschen hat sich die entscheidende Hinwendung zu Gott vollzogen.

Exkurs: Trinitarischer Gott und Christologie Bei einer Vaterunser-Auslegung kann es kaum ausbleiben, dass man sich mit den beiden göttlichen Personen Gott-Vater und Gott-Sohn auseinander und sie zueinander ins Verhältnis setzt.96 Der Exkurs an dieser Stelle versucht eine Verhältnisklärung der drei göttlichen Personen, wie sie sich im Camino zeigt. Sie ist ein wichtiger

93

Teresa verwendet in ihrem Buch der Wohnungen der inneren Burg dazu das Bild der Seidenspinnerraupe. Vgl. 5M2. 94 Natürlich muss Teresa das mündliche Gebet loben und als gute Möglichkeit anerkennen, da eine Ablehnung unweigerlich zu ihrer Verurteilung geführt hätte. 95 R. Ott verweist in diesem Zusammenhang auf die Darstellung dieser paradoxen Wirklichkeit bei Nikolaus von Kues. Vgl. OTT, Selbst- und Gotteserkenntnis, 346. 96 In diesem Exkurs soll ein erster Schritt erfolgen, der dann in Kapitel 6.3.1 weitergeführt wird. 32

Zwischenschritt und notwendig, um darauf aufbauend die Beziehung zwischen Gott und Mensch als Freundschaft darzustellen. „Theresia ist wie selten eine Heilige christologisch und trinitarisch“97 so B. Günther in seiner Vorstellung der Kirchenlehrerin Teresa von Ávila. J. Burggraf ist jedoch davon überzeugt: „Wenn Teresa von ‚Gott‘ spricht, meint sie häufig Jesus Christus, den menschgewordenen Sohn Gottes“98 und „so ist es wohl nicht übertrieben zu sagen, daß die Lehre der karmelitischen Reformerin wesentlich eine ‚Christologie‘ ist.“99 Zwei sich widersprechende Aussagen und gerade hier zeigt sich, dass Teresa keine systematische Theologin ist. Eine Klärung ist jedoch wichtig, da es Teresa bei der Vaterunser-Auslegung nicht zuletzt um die Vermittlung ihres Gottesbildes geht. So lohnt sich der Blick auf den ersten Teil des Camino vor Beginn der Vaterunser-Auslegung in Kapitel 43.

Gott Im ersten Teil des Camino differenziert Teresa vielfach nicht zwischen den drei göttlichen Personen und spricht einfach nur von Gott: Gott führt im Kampf an der Hand (vgl. CE 3,5), Gott gibt Mut (vgl. CE 36,5) und er schenkt einer Schwester, „die er genau hier [also im Kloster] haben will“, die Gnade entsprechend leben zu können (CE 20,1). In CE 8,5 ist die Rede, dass Gott den Weg führt, nährt und Licht schenkt – Teresa verwendet Begriffe, die in engem Zusammenhang zur Christusterminologie stehen. Doch hier lässt sich nicht einmal indirekt darauf schließen, ob sie vom Vater spricht, der führt, dem Leib zu essen gibt und das Licht schenkt oder ob sie Jesus als den Weg und das Licht meint, der sich als das Brot zur Speise gibt. Ein weiteres Beispiel für einen unspezifischen Gebrauch: In Kapitel CE 34,1 ermuntert sie die Beterinnen, Gott wird „nach und nach schon vollkommener machen.“

Jesus Christus Ganz anders sieht es allerdings aus, wenn es um die die direkte Kontaktaufnahme mit Gott geht. Hier ist Jesus Christus die Bezugsperson, auf ihn, den Bräutigam, sollen die Augen gerichtet sein (vgl. CE 2,1; 26,4 und 42,3) und auch er blickt mit seinen Augen 97

GÜNTHER, Weg und Gotteserfahrung der Kirchenlehrerin Theresia von Avila, 129. BURGGRAF, Humanität und Glaubensleben, 389. 99 Ebd.. Dem schließt sich auch W. Herbstrith an: „Christus – Mittelpunkt der teresianischen Botschaft“ so die Überschrift zum VI. Kapitel ihres Buches: HERBSTRITH, Die erste Kirchenlehrerin, 62. (Die Überschrift unterscheidet sich von der Neuauflage des Buches unter dem Titel: Teresa von Avila. Lebensweg und Botschaft). W. Herbstrith bezeichnet die Suche nach der Nähe Christi als „charakteristischen Schwerpunkt der teresianischen Reform [die] bei der Menschheit Jesu und bei seiner Kreuzigung für die anderen ihren Ausgang nimmt.“ W. HERBSTRITH, Teresa von Avila. Lebensweg und Botschaft, 75. 33 98

auf den Menschen (vgl. CE 22,5 und 42,5). Jesus „hat vor Frauen nicht gegraut“ (CE 4,1), für ihn und seine Kirche würde sie gerne etwas tun.100 Teresa empfiehlt Koseworte für ihn zu finden, also eine geradezu intime Beziehung zu ihm aufzubauen. 101 Er ist der Lehrmeister, der durch die Evangelien zu seinen Schülern spricht (vgl. 35,4 und 40,1). In Kapitel CE 42,1 zeigt sich ein direkter Beleg für die Identifikation von Jesus als dem Meister und Freund, ohne den der Weg nicht zu gehen ist, der mit „Liebe und Demut“ belehrt, der nicht „im Stich lässt“ (CE 42,2) und der „mit seinen schönen, mitfühlenden, tränenerfüllten Augen anschauen“ wird (CE 42,5). Hier zeigt sich die innige Beziehung, die den Beter auf den Weg Jesu führt: „Wir gehen zusammen, mein Herr; wohin du gehst, dahin muß auch ich gehen, und was du durchmachst, soll auch ich durchmachen“ (CE 42,6). Im Menschen Jesus „kann die Heilige auf besonders anschauliche und innige Weise Gott begegnen“102, denn er „ist der Eingang in das Mysterium Gottes.“ 103 Teresa beschäftigt sich mit der Christologie nicht theologisch-analytisch. „Über die Frage beispielsweise, wie die beiden Naturen in Christus zusammenwirken, zerbricht sie sich nicht den Kopf“104 und dennoch ist die hypostatische Union in den Gebetsprädikaten Majestät und Freund präsent. Für sie ist die Emotion, die Beziehung zu Jesus Christus entscheidend und dabei nimmt die Begegnung mit ihm in der Eucharistie einen hervorgehobenen Platz ein. 105 Die Beziehung zu ihm und sein Vorbild führen zum sozialen Engagement „zum Dienst am Menschen.“106

Gott-Vater Gott-Vater kommt im ersten Teil des Camino stets im Zusammenhang mit seinem Sohn vor: „Wenn ich Pater sage, dann erscheint es mir als Liebespflicht, zu verstehen, wer dieser Vater ist. Auch wird es dann gut sein, daß wir zusehen, wer der Meister ist, der

100

Hier gibt Teresa ihrem Leiden an der Kirche Ausdruck, dass sie als Frau sich nicht so einsetzen kann, wie sie es ohne die Behinderungen durch die Obrigkeit gern tun würde (vgl. CE 4,1). Vgl. dazu HEBSTRITH, Die erste Kirchenlehrerin, 72f. 101 “Spart euch diese Kosewörter für den Herrn auf! Denn da ihr so häufig am Tag bei ihm verweilen müßt, und mitunter allein mit ihm, werdet ihr es nötig haben, euch all dessen zu bedienen, da Seine Majestät das erträgt“ (CE 11,8). An dieser Textstelle zeigt sich, von welcher Intimität die Beziehung ist, Teresa jedoch den ehrfürchtigen Abstand bewahrt, wenn sie zuletzt wieder von Majestät spricht. Der Hinweis, dass es sich um die Begegnung mit dem Sohn handelt, findet sich in der Anbetung, in der die Schwestern verweilen. 102 BURGGRAF, Humanität und Glaubensleben, 389. 103 HEBSTRITH, Die erste Kirchenlehrerin, 70. 104 BURGGRAF, Humanität und Glaubensleben, 389. J. Burggraf vermutet, dass eine solche Behandlung des Themas für Teresa viel zu abstrakt und für ihr Ziel abwegig gewesen ist. Für Teresa ist die Beziehung wichtiger und diese ist auch ohne klare Definition nicht beeinträchtigt. Vgl. ebd, 389. 105 Siehe dazu Kapitel 5.3.4 dieser Arbeit. 106 ZELL, Durch Liebe zur Identität, 65. 34

uns dieses Gebet lehrt“ (CE 40,1). Ebenso ist Gott-Vater die Appellationsinstanz bei der Demütigung und Vertreibung des Sohnes durch die Häretiker (vgl. CE 4,2). In CE 26,2 zeigt sich, dass es letztlich der Vater ist, der auf dem Weg führt und Gnade und Kontemplation schenkt, denn die Bilder vom Herrn mit den Arbeitern im Weinberg und der Vater mit den Kindern sind eindeutig auf Gott-Vater zu beziehen: „Ich bin überzeugt, daß es viele sind, die Gott, unser Herr, dieser Probe aussetzt, aber nur wenige, die sich bereit machen, um sich dieser Gnade stets zu erfreuen. Denn sobald der Herr sie erweist und es nicht unseretwegen unterbleibt, bin ich mir sicher, daß er sie bis zum Erreichen einer sehr hohen Stufe unaufhörlich schenkt. Sobald wir uns aber Seiner Majestät nicht mit eben der Entschlossenheit hingeben, mit der er sich uns hingibt, dann tut er schon viel, wenn er uns im betrachtendem Beten 107 verweilen läßt und uns dann und wann besucht, wie Knechte, die in seinem Weinberg arbeiten. Jene anderen aber sind bevorzugte Kinder; er möchte sie nicht aus seiner Nähe entfernen und entfernt sie auch nicht, weil sie sich nicht entfernen wollen. Er setzt sie an seinen Tisch, gibt ihnen von dem, was er ißt, und spart sich sogar den Bissen vom Mund ab, um ihn ihnen zu geben“ (CE 26,2).

Das Bild der Probe weist auch auf die strenge Seite des teresianischen Gottesbildes hin. Gott-Vater ist letztlich derjenige, der auf die Probe stellt. Er ist der Schöpfer, der nach dem Sündenfall durch das Opfer seines Sohnes besänftigt werden muss: „Muß denn immer, wenn wir erneut in Sünde fallen, dieses allersanfteste Lamm dafür bezahlen? Laß doch das nicht zu, mein Gebieter! Es besänftige sich Eure Majestät! Schau doch nicht auf unsere Sünden, sondern darauf, daß dein heiligster Sohn uns erlöst hat, und auf seine Verdienste und die deiner Mutter und so vieler heiliger Märtyrer, die für dich gestorben sind!“ (CE 4,2).

Allerdings zeigt diese Stelle auch, wie Teresa letztlich nicht scharf zwischen Jesus und seinem Vater unterscheidet, wenn die Mutter des Sohnes zugleich zur Mutter des Vaters wird. Dazu ist Gott-Vater der alttestamentliche Herr und Hirte, der seine Kinder in der Nähe haben möchte: „Er setzt sie an seinen Tisch, gibt ihnen von dem, was er ißt, und spart sich sogar den Bissen vom Mund ab, um ihn ihnen zu geben“ (CE 26,2). Auch dieses Bild ist zweideutig, opfert sich hier doch letztlich der Vater und nicht mehr der Sohn für seine Kinder.

Der Heilige Geist Der Heilige Geist wird im ersten Teil des Camino nur einmal mit voller Titulatur explizit genannt und dies nur in Absetzungsstrichen: „Der Psalmist kann nicht lügen (wurde es doch vom Heiligen Geist gesagt)“ (CE 31,2).108 Es sind Leute mit Geist von denen Teresa spricht, also Geist-Träger z.B. in Absetzung von Studierten (so in CE 8,4). Einmal führt sie an, dass Gott einer Schwester Geist schenken muss, damit sie den Weg der Demut gehen kann (vgl. CE 19,5) und ein weiteres Mal, wie sich eine Schwester für „das Gute zu begeistern beginnt, weil sie einsieht, daß es das Beste ist“ 107 108

Vgl. Lk 20,13-15. Im spanischen Original: „Que el salmista no pudo mentir – que es dicho por el Espiritu Santo.” 35

(CE 21,2) – dieser erste Schritt ist schon hilfreich, auch wenn Gott „ihr nicht zu tiefer Geistigkeit verhilft“ (CE 21,2). Im zweiten Teil des Camino, also bei der Vaterunser-Auslegung, erwähnt Teresa den Geist einmal, da „zwischen einem solchen Sohn und einem solchen Vater […] notwendigerweise der Heilige Geist weilen“ muss (CE 45,3), den die beiden weiterschenken, damit bei den Schwestern der Wille zur Liebe erweckt wird und sie vom Eigennutz ablassen.

Trinitarische Christologie Mit R. Williams ist es möglich, eine Verbindung zwischen dem trinitarischen und dem christologischen Ansatz zu finden. Ausgangspunkt der Gottesbeziehung ist die Nähe zu Jesus Christus und seine Freundschaft zu den Menschen. „The awarness of Christ is what makes us aware of what is done in prayer. […] Christ as companion both affirms and challenges our emotions. There is a significant interplay between identification with 109 Christ and confrontation with Christ.“

Die Auseinandersetzung mit Christus und die Nähe zu ihm führen auch zum Vater, denn „he wants only what the Father wants.“110 So ist also die Verbindung mit dem Sohn Jesus Christus zugleich die Verbindung mit dem Vater, wie Williams hier in Anlehnung an E. Schillebeecks anführt: „God makes our ‚cause‘ as human beeings God’s cause in the history of Jesus.“111 Christologie und Trinitätslehre sind daher nicht voneinander zu trennen und die „communion with Christ […] enables God to give us greater and greater fullness of grace.“112 Im Camino lässt sich dies v.a. im Abschnitt über die Brotbitte belegen (vgl. CE 57-62).113 Die Untersuchung zeigt (und dies wird sich im weiteren Verlauf der Arbeit noch vertiefen), dass Teresa eine enge Bindung mit Jesus Christus pflegt und dennoch GottVater bereits vor der eigentlichen Vaterunser-Auslegung eine gewichtige Rolle spielt. Oft lässt sich bei Teresa allerdings nicht eindeutig feststellen, ob eine Aussage Gott-Vater oder Gott-Sohn zuzuordnen ist. Dem Heiligen Geist kommt eine eher untergeordnete Rolle zu. Mit dem Vater ist tendenziell die strenge Seite Gottes verbunden. Er ist ungreifbar der, „der er ist“ (CE 8,1; 29,7 und 33,19). Aber auch hier changiert das Bild, denn das Bild 109

W ILLIAMS, Teresa of Avila, 89. Ebd., 90. 111 E. SCHILLEBEECKS, Jesus. An Experiment in Christology. London 1979, 269. Zitiert nach: W ILLIAMS, Teresa of Avila, 90. 112 Ebd., 91. 113 Siehe Kapitel 5.3.4 dieser Arbeit. 110

36

vom Vater ist mit Strenge verbunden und zugleich positiv besetzt: Gott-Vater, der ein hohes Interesse an seinen Kindern hat und um deren Heil er sich sorgt und kümmert. Der Sohn Jesus Christus kann als die dem Menschen zugewandte Seite Gottes gesehen werden. Er tritt für den Menschen ein und mit ihm in Beziehung. Von ihm geht die Versöhnung zwischen Gott und den Menschen aus, ist das Bindeglied zwischen Gott und Mensch und vereint sie in seiner göttlichen und menschlichen Natur. Für Teresa ist er die engere Bezugsperson. Um diesen Eindruck jedoch nicht zu einseitig und menschlich wirken zu lassen, spricht sie von und mit ihm immer wieder mit distanzierenden Begriffen wie z. B. Majestät. Für Teresa sind Vater und Sohn letztlich nicht voneinander trennbar und gerade im zweiten Teil ihres Buches wird sich zeigen, wie eng beide aufeinander bezogen und somit wichtig für ihr Gottesbild sind.

3.1.4 Beziehung: Gott der Freund Das Gottesbild des Freundes steht im Weg der Vollkommenheit nicht im Mittelpunkt, nimmt jedoch insgesamt in der Spiritualität Teresas einen hervorgehobenen Rang ein.114 Doch auch im Camino ist das Bild vom Freund eine Bezugsgröße und erfährt eine wichtige

Ergänzung

zur

Vida.

Hintergrund

ist

das

von

Teresa

geschätzte

Johannesevangelium, in dem Jesus in seiner Abschiedsrede die Veränderung seiner Beziehung zu den Jüngern einführt: „Es gibt keine größere Liebe, als wenn einer sein Leben für seine Freunde hingibt. Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch auftrage. Ich nenne euch nicht mehr Knechte; denn der Knecht weiß nicht, was sein Herr tut. Vielmehr habe ich euch Freunde genannt; denn ich habe euch alles mitgeteilt, was ich von meinem Vater gehört habe“ (Joh 15,13-15).

Das Wort Freundschaft drückt ein gleichwertiges Verhältnis zwischen zwei Personen aus, bei dem es keine Über- oder Unterordnung gibt.115 Um mit Jesus Christus eine solch enge Beziehung zu beginnen, reicht bereits „ein Ansatz zu Freundschaft“ (CE 34,1). Damit ist verbunden, das eigene Kreuz auf sich zu nehmen, wie es der Herr selbst getan hat, und „welch tiefere Freundschaft gibt es, als für euch dasselbe zu wollen, was er für sich wollte?“ (CE 28,1). Der Blick auf das Kreuz zeigt, dass der kontemplative Weg bei aller Freundschaft kein leichter ist: 114

Teresa besitzt die ‚Gabe der Freundschaft‘ und pflegt eine große Zahl freundschaftlicher Beziehungen – ein Beleg dafür ist z.B. ihr reichhaltiger Briefwechsel. Vgl. BURGGRAF, Teresa von Avila, 46ff. Besonders in den Briefen wird ihr affektives Einfühlungsvermögen heute sichtbar. Vgl. STEGGINK, Erfahrung und Realismus, 105f. Eine Zusammenstellung der methodischen Schwerpunkte zum Thema bei Teresa findet sich bei HERBSTRITH, Teresa von Ávila. Die erste Kirchenlehrerin, 64. 115 Freundschaft ist gekennzeichnet „als eine von Gegenseitigkeit, Offenheit u. Gleichheit geprägte Beziehung der Zuneigung.“ THEOBALD, Freundschaft, 132. 37

„Nun, zu glauben, daß Gott bequemes Volk und dazu ohne Prüfungen in seine enge Freundschaft aufnimmt, das ist Unsinn. Ich bin mir ganz sicher, daß Gott ihnen noch viel größere auferlegt. Und entsprechend dem, daß er sie einen rauhen und harten Weg führt“ (CE 28,3).

Die Passage zeigt zunächst, dass es sich um eine gewährte Freundschaft zu handeln scheint, in die der Beter aufgenommen wird. Es ist also eine gewisse Asymmetrie erkennbar, die Teresa nicht bestreitet und die sich in den ehrfürchtigen Titeln und Anredeformen für Gott immer wieder niederschlägt.116 Gleichwohl bedarf auch eine solche Freundschaft der Annahme durch den, dem sie gewährt wird.117 Desweiteren zeigt sich, dass dem Beter auf diesem rauen Weg ähnliche Empfindungen der Einsamkeit und Verlorenheit begegnen, wie dem göttlichen Freund. 118 Sich ihm zuzuwenden, der selbst einen solchen Weg gegangen ist, stärkt die Freundschaft: „Wenn ihr in Nöten oder traurig seid, betrachtet ihn an der Geißelsäule, schmerzerfüllt, ganz zerfleischt wegen der großen Liebe, die er zu euch hat, von den einen verfolgt, von den anderen angespieen, von wieder anderen verleugnet, ohne Freunde und ohne, daß irgend jemand für ihn einträte, aus Kälte zu Eis erstarrt, großer Einsamkeit ausgesetzt, daß ihr euch wohl gegenseitig trösten könnt. Oder schaut ihn im Garten an, oder am Kreuz, oder damit beladen, wo sie ihn kaum verschnaufen ließen. Er wird euch mit seinen schönen, mitfühlenden, tränenerfüllten Augen anschauen, und seine eigenen Schmerzen vergessen, um euch über eure hinwegzutrösten, und nur, weil ihr zu ihm kommt, um ihn zu trösten, und den Kopf wendet, um ihn anzuschauen“ (CE 42,5).

So erweist sich die Freundschaft insbesondere im Leid und bewährt sich gerade in den bitteren Stunden des Lebens. Bedeutsam ist für Teresa jedoch nicht, das Leid zu suchen, um mit dem Herrn verbunden zu sein – ganz im Gegenteil würde sie dies wohl als anmaßend ansehen, wie sie allem Rigorismus mit Skepsis begegnet. Dem ungeachtet sieht sie das Leben eines kontemplativen Menschen und Freundes Gottes zumal eines Ordenschristen als Martyrium an (vgl. CE 17,2). Doch wie entsteht die Freundschaft? Das Leben Jesu zu betrachten, ist bei Teresa fester Gebetsbestandteil und schon vor ihrem Klostereintritt hat sie damit begonnen,

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Die unaufhebbare Asymmetrie zwischen Gott und Mensch ist der Grund, weshalb in der griechischen Antike eine Freundschaft zwischen ihnen als unmöglich galt. Vgl. THEOBALD, Freundschaft, 133. 117 „Gott ist allmächtig, aber zugleich ist er der ganz Nahe, der Freund und Vertraute. Zu ihm findet der Mensch Zugang; weil Gott der Freund ist, kann der Mensch es wagen, sich ihm zu nahen. Für diesen Gott, der Freund ist, muß der Mensch alles einsetzen, all seine Kräfte und Möglichkeiten, um ihm so seine Liebe zu beweisen.“ DOBHAN, Gott-Mensch-Welt, 303. Ob sich die Annahme, dass sich die Freundschaft mit Gott, beweisen muss, auch von Teresa vertreten würde, ist fraglich. Vielmehr geht sie davon aus, dass man den Prüfungen erliegen kann, es dann aber entscheidend ist, die Nähe Gottes wieder zu suchen. An vielen Stellen berichtet sie, dass sie selbst immer wieder hinter den Anforderungen und eigenen Erwartungen zurückgeblieben ist. Eigene „unvollkommene Dinge und Mängel“ (CE Vorwort 1) haben sie nicht davon abgehalten, die Freundschaft Jesu Christi anzunehmen. An anderer Stelle schreibt sie „jahrelang habe ich diese Not durchgemacht, mit meinen Gedanken nicht in Ruhe bei etwas bleiben zu können. [...] Aber ich weiß auch, daß der Herr uns nicht so sehr im Stich läßt, als daß er uns nicht begleitete“ (CE 42,2). Ausschlaggebend ist vielmehr, sich von solchen Rückschlägen nicht zermürben zu lassen, sondern die Kraft für den Neuanfang wieder in der Beziehung zu Gott zu suchen. Richtig bleibt, dass „der Mensch sich selbst mißtrauen“ muss und so Gott und seinem Eingreifen den Raum öffnet, in dem sich der Mensch ihm ganz übergeben kann. Zitat: Ebd., 303. 118 Wie der Hinweis auf den rauen Weg zeigt hat Teresas Pädagogik auch schroffe Anteile, bevor sich dann die Süßigkeiten des Weges in der Freundschaft eröffnen. 38

sich Jesus im Garten Gethsemane vorzustellen.119 Das Thema der Betrachtung soll sich an der jeweiligen Stimmung orientieren: Ist jemand froh, schaue er auf den Auferstandenen; ist jemand bedrückt, hilft der Blick auf den leidenden Jesus. So entsteht eine enge Verbindung zwischen dem betenden Menschen mit dem Leben Jesu. Das Leben und die Erlebnisse werden geteilt und der Mensch wächst daran, dass sein Gegenüber ähnliche Empfindungen hat: „Von der Art des innerlichen Gebets als Freundschaftsbeziehung mit Gott häng[t] [sic!] für Teresa das Menschsein und Menschwerden ab. Wo der Mensch dies Gebet unterlässt, verliert er sich selbst. 120 Denn in diesem Gebet der Freundschaft findet Teresa die Anregung zum Lieben.“

So bleibt der Mensch nicht mehr mit sich und der Gebrochenheit seines Lebens allein, denn es „wird die letzte innerste Einsamkeit des Menschen in Zweisamkeit gewandelt durch den Dialog nach oben mit dem bei-uns-seienden dreifaltig liebenden Gott.“121 Dass aus der Zuneigung des betenden Menschen ‚Freundschaft‘ entstehen kann, ist durch die Hinwendung Jesu zu ihm möglich: „God initiates this friendship by resolving to have no interest at heart but ours, and we appropriately respond by resolving to have no interest but God’s.“122 In dieser engen Beziehung kann der Mensch reifen, weil er sich nicht zu verstellen braucht, sondern so angenommen wird, wie er ist. Mit Jesus an der Seite kann der Mensch seine schwachen Stellen anschauen und zulassen, läutern und bessern. „Beten ist In-sich-Gehen und Hin-Gehen zum Leben in Gemeinschaft, ist also der Weg aus der Selbstentfremdung.“123 „Unsere Seelen sind derart einträchtig im Gespann gegangen und haben sich mit derart glühender Liebe wechselseitig durchdrungen, mit derart glühender Liebe bis ins innerste Innere hinein wechselseitig offenbart, daß ich nicht nur seine wie die meine kannte, sondern mich sogar 124 bereitwilliger ihm anvertraut hätte als mir selbst.“

Dass sich die Seelen wechselseitig derart offenbaren können, hängt bei Teresa vielleicht mit der Betrachtung Jesu im Garten zusammen. Hier erlebt sie den Herrn als schwach und orientierungsbedürftig, zweifelnd und doch entschlossen, den Weg des

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Vgl. V 9,4. ZELL, Durch Liebe zur Identität, 20. 121 Ebd., 27. 122 „Gott beginnt diese Freundschaft, indem er sich entscheidet, dass er kein anderes Interesse im Herzen hat, als unseres, und wir entsprechend antworten durch die Entscheidung, kein anderes Interesse zu haben als das seine.“ W ILLIAMS, Teresa of Avila, 103f. 123 DOBHAN, Frei werden durch Freundschaft, 136. „Wer betet, verweilt bei Gott und lernt so Gott und sich selbst besser kennen, denn nur die Freundschaft, die Liebe, läßt uns den anderen erkennen und verhilft uns zur Personwerdung. Wo es kein Du gibt, gibt es auch kein Ich; wo das Du fehlt, verflüchtigt sich das Ich.“ Ebd., 137. Die Gottesbeziehung wird immer freier. „Der ‚menschliche Freund‘ darf alles, was er in sich verspürt, ernstnehmen, er braucht nichts abzuspalten, weil er sich von seinem ‚göttlichen Freund‘ ernstgenommen und bedingungslos angenommen weiß.“ ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 79. 124 MONTAIGNE, Über die Freundschaft, 78. Auch wenn Montaigne die Freundschaft zu Étienne de la Boétie meint, ist diese Stelle leicht auf das Gesamtthema ‚Freundschaft‘ übertragbar. 39 120

Vaters zu gehen. Dieses Wissen um eine gemeinsame ähnliche und teilbare Erfahrung mag ihr geholfen haben, die Freundschaft anzunehmen. Dass Jesus sie annimmt, nicht obwohl, sondern weil sie so ist, wie sie ist, seine Nähe zu ihr, die er sucht, einer ebenfalls möglichen gottesgemäßen Ferne zum Trotz, bindet beide so aneinander, dass die Freundschaft zwischen ihnen entstehen kann: „Weil er er war, weil ich ich war.“ 125 Entscheidend für die Gestaltung der Freundschaft ist für Teresa, auf den Herrn zu hören und sich in seine Nähe zu begeben:126 „Stellt euch den Herrn bei euch vor und schaut, mit welcher Liebe und Demut er euch belehrt! Glaubt mir, so gut ihr könnt, sollt ihr euch ohne einen so guten Freund nicht auf den Weg machen. Wenn ihr euch angewöhnt, ihn in eure Nähe zu holen, und er sieht, daß ihr das aus Liebe tut und daß ihr euch immer wieder bemüht, ihm Freude zu machen, dann werdet ihr ihn – wie man sagt – von euch nicht mehr wegtreiben können, er wird euch nie mehr fehlen, er wird euch in all euren Nöten helfen, ihr werdet ihn überall bei euch haben. Meint ihr, es ist wenig, einen solchen Freund an der Seite zu haben?“ (CE 42,1).

Dieser Abschnitt ist bezeichnend für Teresas Gebets- und Freundesbegriff und zeigt wie sie sich gemeinsam mit Jesus auf dem Weg sieht. Dabei rechnet Teresa immer mit Störungen und Nöten und ist überzeugt, dass diese mit einem solchen Freund zu überwinden sind. Sie betont das eigene Mühen („so gut ihr könnt“), welches freilich immer mit Ungenügen verbunden ist. Der Abschnitt zeigt eine weitere Entwicklung: Es ist der Mensch, der sich angewöhnt den Freund in seine Nähe zu holen, so dass eine feste Freundschaft entsteht, die den Herrn nicht mehr vertreiben kann. Der Mensch ist aktiver Part der Beziehung, hat Einfluss auf die Gestaltung und muss sich schließlich keine Sorgen mehr über Bestand und Festigkeit machen.127 125

Ebd., 75. Montaigne spricht davon, dass bei der Freundschaft zwei Seelen verschmelzen und ineinander aufgehen. Vgl. ebd. Im Sinne des Titels der Arbeit geht es sowohl um die Entdeckung des Freundes und seines Wertes für das eigene Leben, und zugleich um die Selbst-Findung des Menschen. Wenn N. Žuška eine ‚Du-Findung‘ gegen eine ‚Selbst-Findung‘ ausspielt, ist ihm deshalb zu widersprechen, denn der Mensch kommt über dieses Du zum Ich. Vgl. ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 92 und BUBER, Ich und Du, 28. Das Bild vom Palast mit dem Thron Gottes inmitten der Seele unterstreicht dies: Dort ist der Mensch ganz bei sich selbst und ganz bei Gott, aber er gelangt an diesen Ort nur mit Gott und seine Führung. 126 Sie knüpft damit an die Vida an. Vgl. V 8,5: „Das Gute, das derjenige erhält, der sich im Beten, ich meine im inneren Beten übt, haben viele Heilige und gute Menschen beschrieben. […] Über das, was ich aus Erfahrung weiß, kann ich sprechen, und das ist, daß jemand, der mit dem inneren Beten begonnen hat, es ja nicht mehr aufgeben soll, mag er noch so viel Schlechtes tun, denn es ist das Heilmittel, durch das er sich wieder bessern kann, während ohne es alles sehr viel schwieriger wird. […] Er soll daran glauben, daß seine [Gottes] Worte nicht trügen können und daß die Freundschaft wieder geknüpft wird. […] Wer aber noch nicht mit dem inneren Gebet begonnen hat, den bitte ich um der Liebe des Herrn willen, sich ein so großes Gut doch nicht entgehen zu lassen. Hier gibt es nichts zu verlieren, sondern nur zu gewinnen. […] Und wenn er durchhält, dann hoffe ich auf das Erbarmen Gottes, daß ihn noch nie jemand zum Freund erwählt hat, dem er es nicht vergolten hätte. Denn meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund, mit dem wir oft allein zusammenkommen, einfach um bei ihm zu sein, weil wir sicher wissen, daß er uns liebt.“ 127 U. DOBHAN fasst mit Blick auf Freundschaft und Gebet bei Teresa zusammen: „Inhalt der Gebete Teresas sind also die Interessen der beiden sich in Freundschaft verbundenen Personen. So sind Teresas Gebete zuallererst Ausdruck einer ganz innigen Freundschaft mit Gott, und zwar nicht einer egoistischen Freundschaft, denn Teresa betet nicht nur in ihren eigenen Anliegen oder für ihre eigene Person, sondern ist auch in ihren Gebeten auf die Ehre ihres Freundes bedacht. Freundschaft mit Gott, 40

Teresa geht in ihrer Vaterunser-Auslegung schließlich noch einen Schritt weiter und vollzieht zwei erstaunliche, fulminante Wendungen. „Das ist Verzückung. Und er beginnt, in solcher Freundschaft mit ihr umzugehen, daß er ihr nicht nur ihren eigenen Willen wieder überläßt, sondern ihr zu ihrem den seinen dazugibt. Denn da der Herr eine solche Freundschaft an den Tag legt, ist es für ihn eine Freude, daß man ihm ab und zu Befehle erteilt – wie man so sagt –, und er erfüllt, worum sie ihn bittet, so wie sie tut, was er ihr befiehlt, und noch viel besser; denn er ist mächtig und kann alles, was er will, und versäumt es nicht zu wollen“ (CE 56,1).

Die Asymmetrie wird zwar nicht aufgehoben, aber das Verhältnis von Jesus Christus und Mensch verändert sich, wenn der Mensch nun einen derart aktiven Part bekommt, dass er Gott Befehle geben kann. Der Schöpfer gibt sich in die Hand des Geschöpfes. Ein revolutionärer Umgang mit Gott, der aber im Bild der Freundschaft folgerichtig ist, denn nur so wird sie gegenseitig und gleichwertig. Der Abschnitt zeigt, dass dies erst im letzten Stadium möglich ist128, wenn Teresa von der Verzückung spricht. Die zweite Wendung ist, dass Teresa beim Vater für den Sohn einstehen will, also sich ein Mensch selbst für den hingeben will, der sich eigentlich für den Menschen hingegeben hat, „dann muß es doch jemanden geben, […] der für deinen Sohn spricht, denn er hat es nie verstanden, für sich einzutreten“ (CE 62,3). Es scheint annähernd so, dass ein Gegenüber zwischen dem Vater und dem Sohn postuliert wird, wobei der Sohn gegenüber dem Vater eine Hilfe braucht, weil er sich nicht selbst verteidigen kann. Der Sohn führt ein Dasein mit dem „sehnlichen Wunsch […] um unser Wohl“ (CE 44,4), dass er sich selbst zu vergessen scheint. Die enge Verbindung von Jesus Christus mit der Seele des ihn suchenden Menschen beschreibt Teresa so: „Und da er es wegen einer einzigen Seele, die ihn in Liebe aufnimmt und begleitet, erträgt und auch künftig ertragen wird, daß sie ihn überall allein lassen und schlecht behandeln, muß eure Seele diese eine sein. Denn wenn es keine einzige gäbe, würde der ewige Vater ihm zu Recht nicht gestatten, bei uns zu bleiben; doch ist er so sehr Freund seiner Freunde und Herr für seine Diener, daß er seinen guten Sohn angesichts dessen Wunsches bei einem so vorzüglichen Werk nicht hindern will, wo dieser so gekonnt die Liebe zeigt, die er zu seinem Vater hat, durch jene wunderbare Erfindung, die er sich ausgesucht hatte, um zu zeigen, wie sehr er uns liebt, und uns zu helfen, unsere Prüfungen durchzustehen“ (CE 62,2).

Es sieht so aus, als ob sich der Vater in die Beziehung seines Sohnes mit dem Menschen hinein zwingen lässt, wenn Teresa schreibt, dass er zum Freund seiner Freunde wird.129

das ist die Teresa eigene Art des Gebetes, von der ihr ‚Umgang‘ mit Gott geprägt war. Gott ist ihrer Meinung nach der Partner, der Freund im großen geistlichen Gespräch dieses Lebens. Durch diese Eigenart des Gebetes ist auch der Inhalt dieser Gebete bestimmt: Sie kreisen um Anliegen, die im Interesse beider Freunde liegen.“ DOBHAN, Gott-Mensch-Welt, 190. 128 Verzückung ist die höchste Verbindung zwischen Gott und Mensch, die Teresa in der Zeit kennt und erfahren hat, in der sie das Buch verfasst. 129 Dies drückt die Zusammenfassung von W. Herbstrith aus: „Der Freund will mit dem Freund alles teilen.“ HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 86. 41

Immer wieder spricht Teresa in Bildern von Kampf und Schlacht, wenn sie das Gebet meint, und vom Lohn für den Einsatz für den Herrn, der zur Quelle führt und sorgt: „Es ist etwas Großes, aus Erfahrung zu wissen, wie er in Freundschaft mit denen umgeht und die verwöhnt, die diesen Weg gehen“ (CE 39,5).130 Überhaupt spricht Teresa auffallend oft im Plural, denn für sie ist es nicht der Weg eines einzelnen Menschen, im Gegenteil wird der Weg in der Gemeinschaft mit Gott und den Mitmenschen gemeinsam gegangen.

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Zwar muss jede Schwester ihren Anteil selbst

geben, ist aber eingebunden und wird durch die Weggemeinschaft entscheidend unterstützt, wie sie selbst schreibt: „Um Gott zu haben, ist es aber eine große Hilfe, mit seinen Freunden zu verkehren; man nimmt immer viel Gewinn daraus mit, das weiß ich aus Erfahrung. Wenn ich nicht in der Hölle bin, dann verdanke ich es nach dem Herrn solchen Menschen“ (CE 11,4).

Zusammenfassung Das Motiv der Freundschaft ist im Weg der Vollkommenheit zwar nicht zentral, nimmt aber dennoch einen wichtigen Platz ein. Es ist die innige Verbindung zwischen zwei Personen, die sich ernst nehmen, füreinander einstehen und einen unbedingten Willen für das gemeinsame Ziel haben. Die Freundschaft ist dabei exklusiv für den betenden Menschen und zugleich offen für die Begegnung mit anderen.

3.1.5 Vereinigung: Bräutigam und Braut Das Beziehungsbild des Freundes wird noch einmal gesteigert durch die Vereinigung in der Verlobung. Der Mensch ist ganz auf den Herrn ausgerichtet, der durch die Taufe zum Bräutigam geworden ist: „Alles befiehlt er; sein Wollen ist Werk. Da ist es nur richtig, Töchter, daß wir uns bemühen, wenigstens etwas von den Großtaten, die unserem Bräutigam zu eigen sind, zu erlangen, um zu sehen, mit wem wir verheiratet sind und was für ein Leben wir zu führen haben. Mein Gott! Wenn hier auf Erden einer heiratet, dann weiß er als erstes, wer und wie er ist und was er hat. Wir sind verlobt – und alle Seelen sind es durch die Taufe – kurz vor der Hochzeit und bevor uns unser Verlobter in sein Haus bringen soll“ (CE 38,1).

Das Bild zeichnet kein gleichwertiges Nebeneinander mehr, sondern ein inniges Zueinander. Diese Partnerschaft ist geordnet – wie in der spanischen Gesellschaft üblich – als liebevolle Hingabe der Frau an ihren Mann, dessen Wort und Wille gilt und auf dessen Freude alles ausgerichtet ist. Die Überordnung des Herrn ist klar zu

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„Aus dem Anführer der Kampfgruppe wird der Gefährte, der Weggenosse, der Freund.“ Ebd., 86. „In der Du-Beziehung zum mit-seienden Gott erkennt Teresa Auftrag und Notwendigkeit der dreifachen Dialogrichtung nach oben – zu Gott –, nach aussen – zur Mitwelt – und nach innen – zum eigenen Ich.“ ZELL, Durch Liebe zur Identität, 16. 131

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erkennen sowie das Bemühen der Frau eine angemessene Braut zu sein, die sich angesichts der Großtaten des Bräutigams als würdig erweist. 132 Die Beziehung ist dabei so innig, dass für seine Anrede Kosewörter angemessen sind.133 Doch der Abschnitt zeigt, dass auch dieses Stadium noch vorläufig ist, denn noch steht man vor der Hochzeit. Allerdings ist die Verlobung bereits eine so innige Verbindung, dass sie nur schwer zu lösen ist. Gleich einer Vermählung empfiehlt Teresa, sich zu versprechen: „Wir gehen zusammen, mein Herr; wohin du gehst, dahin muß auch ich gehen, und was du durchmachst, soll auch ich durchmachen“ (CE 42,6).134 Die Betonung der Verbindung der Braut mit ihrem Bräutigam auch im Leid ist bei Teresa häufig zu finden.135 Indem Teresa das Nachsinnen oder mit anderen Worten, das Innere Beten hervorhebt, schützt sie die Schwestern und verteidigt den von ihr angestrebten Gebetsweg: „Schau, wie er zur Braut sagt, erwartet er nichts anderes, als daß du ihn anschaust. So wie du ihn gern hast, wirst du ihn finden. Ihm ist so sehr daran gelegen, daß du ihn immer wieder anschaust“ (CE 136 42,3).

Bräutigam und Braut als Verlobte sind Bilder eines Liebesverhältnisses. Sie sind einander zugetan und untrennbar verbunden, allerdings in einer hierarchischen Zuordnung, wie es die damalige spanische Gesellschaft für das Eheleben vorsieht. Durch diese Zuordnung entzieht Teresa die Schwestern auch dem Zugriff von außen: Da der Bräutigam für die Braut sorgt, braucht es kein Eingreifen und Bestimmen anderer Protektoren. Weil diesem Bräutigam letztlich alle verpflichtet sind, kann er den

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„Damit sie [die Seele] wieder Liebe zu ihrem Gatten faßt und sich daran gewöhnt, bei sich zu Hause zu bleiben, ist viel Überredungskunst vonnöten, was aber in Liebe und Schritt für Schritt zu geschehen hat, sonst werden wir niemals etwas erreichen. Glaubt nur fest, daß ihr einen so großen Gewinn davon haben werdet, sofern ihr euch an den Gedanken, diesen Herrn bei euch zu haben und oftmals mit ihm zu sprechen, sorgfältig gewöhnt“ (CE 43,3). Die Unterordnung wird im folgenden Abschnitt noch deutlicher, wenn sie vom Bild der Gatten direkt zu einem Lehrer-Schüler-Verhältnis wechselt: „Achtet auf die Worte, die dieser göttliche Mund zu euch spricht, denn gleich am ersten werdet ihr die Liebe ablesen, die er zu euch hat, denn für einen Schüler ist es keine geringe Wohltat und kein kleines Geschenk, zu sehen, daß sein Meister ihn liebt“ (CE 43,4). 133 Vgl. CE 11,8. Teresa fordert an anderer Stelle, „ihn nicht mit vorformulierten, sondern aus dem Leid eures Herzens kommenden Gebeten anzureden, denn die schätzt er sehr hoch“ (CE 42,6). Hier verbindet Teresa die innige, spontane Ausdrucksweise von Liebenden mit dem inneren Beten. 134 Dobhan/Peeters verweisen in ihrem Kommentar auf das Buch Rut 1,16. In diesem Zusammenhang ist aber das Trauversprechen von Heiratenden näherliegender als die enge Bindung der beiden Frauen Rut und Noomi/Mara. Beide Male wird die Formel verwendet „nur der Tod wird mich von dir scheiden“ (Rut 1,17). 135 So z.B. in CE 19,2: Dass sie „Anteil am Reich unseres Bräutigams haben und beim Genießen seine Gefährtinnen sein zu wollen, seine Entehrungen und Prüfungen aber nicht teilen zu wollen, das ist Unsinn.“ Vgl. CE 38,1; 42,7. 136 Ähnliche Stellen z.B. CE 2,1; 42,6; 49,1. 43

Schwestern nicht entzogen (weggenommen) werden. Es ist das innigste Bild, das Teresa für die Verbindung zwischen Gott und Mensch anbietet. 137

3.1.6 Zusammenfassung Es zeigt sich, dass das Verhältnis von Gott und Mensch für den Weg der Vollkommenheit bestimmend ist und sich mit jeder Nuancierung des Gottesbildes auch das Menschenbild ändert. Teresas Gottesbild ist vielschichtig, enthält verschiedene Aspekte und weist zuweilen Paradoxa auf.138 Dass es vom scheinbar unüberbrückbaren Abstand zwischen Gott und Mensch zu einer Freundschaft und innigen Liebesbeziehung kommen kann, ist eine Errungenschaft des teresianischen Weges, die jedoch biblische Vorbilder hat.139 Der hier angelegte Versuch eines Aufbaus im Gottesbild ist sehr vorsichtig entfaltet, da Teresa selbst immer wieder ihre Bilder wechselt – oft sogar in einem Satz oder Abschnitt – und keine Systematisierung erkennbar ist.140 Gleichwohl gibt es für Teresa eine Intensivierung in der Gottesbeziehung und diese ist Ziel ihres Schreibens, will sie doch die Entwicklung der Schwestern in eine immer innigere Beziehung zu Gott hineinführen. Dabei ist der Mensch nicht nur Objekt der Umwandlung, sondern selbstbestimmendes Subjekt seines spirituellen Weges.141 137

„Denn wenn eine Frau glücklich verheiratet sein will, rät man ihr nichts anderes als das herauszubekommen, sogar wenn ihr Ehemann ein viel niedriger gestellter Mann ist. Nun also, mein Bräutigam, will man denn in allem von dir weniger Aufhebens machen als von den Männern? Wenn ihnen das nicht richtig erscheint, dann sollen sie dir wenigstens deine Bräute lassen, die ihr Leben mit dir zu verbringen haben, und es ist wahr, daß das ein gutes Leben ist. Wenn ein Bräutigam so eifersüchtig ist, daß er nicht will, daß seine Braut das Haus verläßt oder mit einem anderen spricht, dann wäre es ja noch schöner, ihr zu verwehren, daß sie darüber nachsinnt, wie sie ihm gefallen kann, und welchen Grund sie hat, um ihn zu ertragen und nicht zu wollen, daß sie mit einem anderen spricht, da sie in ihm alles besitzt, was sie sich wünschen kann!“ (CE 38,1). 138 Auch in der Theologiegeschichte sind Paradoxa im Verhältnis üblich, denn Gott „ ist gerade als der Ganz-Ähnliche und Ganz-Nahe der Ganz-Andere.“ BAUER, Die Rede vom Vater-Gott, 26. 139 Hier sei noch einmal an das Wachsen der Beziehung zwischen Jesus und seinen Jüngern erinnert, das im Satz gipfelt: „Ich nenne euch nicht mehr Knechte sondern Freunde“ (Joh 15,15). Auch die intensive Auseinandersetzung in ihrem Buch „Gedanken zum Hohenlied“ ist ein Beleg. 140 „Aus all dem ersehen wir, daß Christus zu den zentralen Themen der Lehre und des Lebens Teresas gehörte, vor allem ihres Lebens, denn eine systematische Lehre Teresas, und darin eine systematische Christologie, finden wir in ihren Schriften nicht. […] So ist auch ihre ‚Christologie‘ nicht etwas Kaltrationales, sondern einer lodernden, wärmenden Flamme gleich.“ DOBHAN, Gott-Mensch-Welt, 200. 141 „Gott will den Menschen ganz mit seiner Gnade erfassen und ihn zu einem neuen Menschen umwandeln. […] Gott lässt uns mit unseren Kräften zur Entfaltung kommen, aber das Ziel, die Ausrichtung des Lebens wird von ihm gesetzt. Gott zieht den Menschen an, sammelt seine Kräfte und lässt ihn in seine Liebesgemeinschaft eintreten. Dazu muss auch eine Bewegung von uns auf ihn hin ausgehen. Das Gebet ist der Eingang in diesen Prozess. [… Gott] nähert sich uns schrittweise und nimmt nur soviel in Besitz, wie wir ihm geben können. Es soll nichts erzwungen, nichts überstürzt werden. […] Denn Gott ist ‚ein Freund jeglichen Einvernehmens‘ [zitiert nach CE 48,4].“ OTT, Selbst- und Gotteserkenntnis, 349. Zum Menschenbild Teresas (im Gegensatz zur rigoristischen Haltung auch von führenden Vertretern des männlichen Karmels) schreibt J. Burggraf: „Teresa und ihre Anhänger waren Optimisten. Sie trauten dem Menschen zu, daß er seine Freiheit unbeschwert entfaltet, indem er sie dem Willen Gottes unterstellt. Die 44

Teresa ist wichtig, das Verhältnis zwischen dem betenden Menschen und Gott möglichst einfach zu gestalten, keine übergroße Ehr-Furcht oder Ängstlichkeit sollen die enge Beziehung verkomplizieren. Die Sprache soll direkt sein, die Gesprächsthemen lebensnah, der Umgang vertraut.142 Die hier beschriebenen Bilder werden durch weitere wichtige Begriffe ergänzt. Dazu zählt auch das Bilderpaar von Vater und Bruder, die im weiteren Verlauf der Arbeit behandelt werden. Obwohl dieser Abschnitt ‚nur‘ das Verhältnis zwischen Gott und Mensch untersucht hat, spielt die Gottesbeziehung auch in das Verhältnis der Menschen untereinander hinein. So ermahnt Teresa zur ‚gegenseitigen Liebe‘ (vgl. CE 6,1), denn in ihr zeigt sich ein weiterer Anhaltpunkt, wie weit man auf dem Weg schon gekommen ist. 143

3.2 Eigenes Tun und Tun Gottes Wie aufgezeigt ist der geistliche Weg ein Miteinander und Ineinander des Tun Gottes und des menschlichen Tuns. „Dieses Geschehen ist aber nicht das Ergebnis menschlicher Leistung, sondern Gabe Gottes, sofern sich der Mensch auf Empfang einstellt“, so R. Ott.144 Für Teresa steht außer Zweifel, dass Gott immer für den Beginn und die Begleitung des Weges bereit steht. Der Herr leitet den Weg zur Quelle und nach ihrem Erreichen löscht er den Durst und nimmt in den Dienst (vgl. CE 73,5). Es gibt bei Teresa ein Wundern darüber, dass Gott sich nicht irgendwann abwendet, weil der Mensch ein so schlechter Weggefährte ist und immer wieder in alte Schemata zurückfällt oder ihn beleidigt.145 Gott ist dabei der Zugewandte, der „uns nicht so sehr im Stich läßt, als daß er uns nicht begleitete“ (CE 42,2).

erwähnten Patres dagegen waren Pessimisten. sie fürchteten sich sich vor der menschlichen Schwäche, wollten alles kontrollieren und überall Zäune anbringen, damit der Mensch ‚nicht in den Abgrund des Verderbens stürze.‘ Teresa hatte eine tiefe Achtung vor der Person und den Gaben des einzelnen. [… sie] glaubte an ein inneres Licht, an dem man das Ideal erkennen kann und davon unwiderstehlich angezogen wird.“ BURGGRAF, Teresa von Avila, 230. 142 „Wir sollen Gott mit schlichten, vertrauenden Worten anreden. Fehlen uns diese Worte, dann holen wir sie aus der Schrift. Wichtig ist, dass wir mit unserem Glauben an ein liebendes, göttliches Du Ernst machen und uns nicht scheuen, in der Stille unseres Herzens Worte zu formen.“ HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 101f. 143 Vgl. ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 90. 144 OTT, Selbst- und Gotteserkenntnis, 345. 145 „O ewiger Vater, so viele Hiebe und Beleidigungen und solch grausamste Qualen dürfen doch nicht in Vergessenheit geraten! Mein Schöpfer, wie kann denn ein so liebendes Herz wie das deine es ertragen, daß das, was dein Sohn mit so glühender Liebe getan hatte, nur um dich zu erfreuen (denn du hattest ihm aufgetragen, uns zu lieben), in einem solchen Maß gering geachtet wird“ (CE 4,2). „Der Herr […] wird uns schon helfen, ihn nicht mehr zu beleidigen“ (CE 71,4). Vgl. 19,1; 22,4; 54,6; 58,2; 61,10; 62,3; 64,3; 71,1. 45

Der Mensch hat als erste Aufgabe, sich diesem Herrn zuzuwenden und sich für ihn zu entscheiden. W. Herbstrith erläutert diesen Schritt so: „Das Hören [von dem der Glaube abhängt] hat wiederum eine Voraussetzung, die nicht leicht zu erfüllen ist. Sie verlangt vom Menschen, der nur an der Oberfläche seines Daseins lebt, Anstrengung, Aufmerksamkeit, Einübung – mit einem Wort: Willenskraft. Er muss sich zum Gespräch erst einen 146 Standort schaffen, Distanz zur Alltagsmeinung; er muss in sein Inneres einkehren.“

Es gilt, eine Distanz zum Alltag zu schaffen, um den Wert des Weges erkennen zu können. Dazu gehören nach W. Herbstrith zwei Entscheidungen: „Aufsuchen der Stille und Festlegung bestimmter Gebetszeiten.“147 Elemente dieser Reduktion sind: „Stille aufsuchen,

Einsammeln

der

Sinne,

Sich-Loslassen

von

der

Verhaftung

an

Außenreize.“148 Es geht darum, Gott Zeit zu schenken, wie es Liebende einander tun (vgl. CE 39,2), doch diese Zeit gehört einem nicht mehr selbst (vgl. CE 23,2). Teresa weiß, dass es nie ein ‚genug‘, ein ‚Ziel erreicht‘ geben kann und formuliert den Anspruch des „noch ein bißchen mehr“ (CE 53,2), dass es kein Nachlassen geben darf oder die Meinung „wir hätten Tugenden, während wir keine haben“ (CE 66,4). Jeder Genügsamkeit, die auf eigener Leistung beruht, steht sie misstrauisch gegenüber. Anders ist es mit der Süße, die der Herr für den bereithält, der den Weg durch die Wüste der Demut, Entbehrungen und Widerstände gegangen ist (vgl. CE 15,2). Für Teresa ist die Haltung beim Gebet das Entscheidende: „Wenn ich beim Sprechen ganz dabei bin und sehe, daß ich mehr Aufmerksamkeit auf das Sprechen mit Gott lege als auf die Worte, die ich sage, dann ist inneres mit mündlichem Beten verbunden“ (CE 37,1).

„Inneres Beten bezeichnet also bei Teresa von Ávila ein ‚Tun‘ des menschlichen Geistes“149 und lässt gleichzeitig das entscheidende Tun bei Gott, der das Gebet erhört und die Erfüllung frei schenkt. Teresa drückt es so aus: 150

„Bei diesen beiden Formen bringen wir mit Gottes Hilfe etwas fertig, in der Kontemplation, von der ich soeben sprach, aber nichts; da ist Gott derjenige, der alles tut, denn sie ist sein Werk, über unsere Natur hinausgehend“ (CE 41,3).

Hier zeigt sich wieder der klassische Aufbau, dass die ersten Schritte (hier sind es zwei) vom Menschen zu gehen sind und es Gott zukommt, die Erfüllung des Weges in der Kontemplation zu schenken. Diese Schematisierung ist allerdings ungenau, da auch die ersten Schritte des Menschen von Gott begleitet werden und der Mensch sie ohne ihn nicht gehen könnte. Allerdings bleibt beim Menschen ein maßgeblicher Anteil, kann er sich dem Weg entweder verweigern oder ihn angehen. Nur der letzte Schritt ist ihm entzogen: Er kann die Kontemplation anstreben, aber von sich aus nicht erreichen. In 146

HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 99. Ebd., 100. 148 HERBSTRITH, Von Gott beschenkt, 89. 149 KÖRNER, Was ist Inneres Beten, 25. 150 „Das mündliche und das nachsinnende innere Beten.“ Anmerkung von DOBHAN/PEETERS. 147

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der Ablehnung jeglichen Leistungsdenkens ist die Unverfügbarkeit, das Ziel zu erreichen, konsequent weitergedacht, deshalb warnt Teresa auch vor spirituellen Extremen, hinter denen sie eine Eingabe des Bösen vermutet. 151 Das Gebet zieht ein weiteres, aktives Tun nach sich: Der auf die rechte Weise betende Mensch bekommt Einblick in die Wahrheit, die ihm zeigt, zu welcher Liebe er dem Nächsten verpflichtet ist (vgl. CE 34,2). Er bleibt mit der empfangenen Gabe und Liebe also nicht bei sich, sondern gibt sie weiter: „Ihr [Teresas] Leben mit Gott, ihre meditative und personale Einübung ist Tat, ein Tun mit Gott, in Gott, für die anderen, die Gottes bedürftig sind.“152 Hier klingt das dreifache biblische Liebesgebot an, wenn Teresa schreibt: „So teilt der Herr, da er von allen weiß, wozu sie taugen, jedem seine Aufgabe zu, so wie er sieht, daß sie seiner Seele und dem Herrn selbst und dem Wohl der Nächsten am zuträglichsten ist“ (CE 29,1).

Es geht also um die Erfüllung der zugedachten Aufgabe, zu der ein Mensch berufen ist. Dabei wird Teresa nicht müde zu betonen, dass Gott „nicht alle auf einem Weg führt“ (CE 27,2), denn so unterschiedlich die Menschen sind, so vielfältig sind auch die Wege mit Gott und in der Welt.

3.3 Die Suche nach Vollkommenheit Auch wenn der Titel des Buches Weg der Vollkommenheit nicht von Teresa stammt, stellt sich die Frage, was Teresa mit Vollkommenheit meint, ein Begriff, den sie in seinen verschiedenen Formen oft verwendet.153 Teresa wird die antiken Autoren Origenes und Johannes Cassian nicht selbst gelesen haben, die beide das Vaterunser als wichtig auf dem Weg zur Vollkommenheit bezeichnen.154 Dessen ungeachtet verbindet Teresa ihre Suche nach Vollkommenheit ebenfalls mit dem Vaterunser. Voraussetzung ist die Erkenntnis des eigenen Ungenügens, der Bedürftigkeit und das Angewiesensein auf eine Begleitung. Begleiter auf dem Weg ist Christus als der Lehrmeister. Um ans Ziel, die Vollkommenheit, zu gelangen ist außerdem die Sehnsucht nach ihr vonnöten, eine Vorahnung, dass es sich lohnt aufzubrechen.

151

So z.B. bei dem, der sich aus falsch eingegebener Sehnsucht in den Brunnen wirft, um zu Gottesschau zu gelangen. Die Sehnsucht, die der Herr weckt, würde „ihm keinen Schaden zufügen“ (CE 32,5). Ein Beleg, wie nüchtern Teresa an solche Phänomene herangeht und auf den gesunden Menschenverstand vertraut. 152 HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 75. Gesteigert: „Ihre kleinen Gemeinschaften sollen ‚Kampftruppen‘ sein mit Christus als Anführer, um den Geistern der Bosheit, die diese Weltzeit beherrschen, Widerstand zu leisten.“ Ebd. Teresa verwendet immer wieder Bilder aus dem Militärwesen. 153 Laut Konkordanz sind dies im Camino de Perfección (El Escorial) 42-mal das Substantiv ‚perfección, 2mal das Verb ‚perfeccionar‘ und 28-mal das Adjektiv ‚perfecto‘. Im Schnitt also ca. einmal pro Kapitel. 154 Vgl. Kapitel 5.1.2 dieser Arbeit 47

3.3.1 Selbsterkenntnis „Die unersetzbare Voraussetzung für die Begegnung mit Gott ist die Selbsterkenntnis. ‚Wer sich selbst nicht kennt, kann nichts richtig beurteilen.‘“155 Auch für Teresa ist die Selbsterkenntnis fundamentale Bedingung, um den Weg zur Vollkommenheit beschreiten zu können156 und so trägt sie den Schwestern auf: „Achtet darauf, mit der Selbsterkenntnis anzufangen und aufzuhören, und euren Weg voller Furcht zu gehen“ (CE 68,2).157 An vielen Stellen ihres Buches warnt sie vor falscher Überheblichkeit, denn nur durch „Selbstzurücknahme und Loslösung von uns selbst“ (CE 23,2) ist die wahre Freiheit erreichbar. Zuweilen ist Teresas Reaktion harsch, wenn die Schwester als glücklichste zu betrachten ist, „die meint, von allen am wenigsten zu gelten, […] denn das ist sie wirklich“ (CE 19,3) und „euer Erkenntnisstand, Töchter, ob ihr vorangekommen seid, bemißt sich daran, ob jede erkennt, daß sie die Erbärmlichste von allen ist“ (CE 29,5).158 Dahinter steht die Einsicht, auf Gott allein zu vertrauen, denn „wir kennen uns nicht […] er kennt uns besser als wir uns selbst, und die wahre Demut besteht darin, zufrieden zu sein mit dem, was uns gegeben wird“ (CE 29,4). Es geht um das Übernatürliche, was dem Menschen entzogen ist und „das wir nicht selbst herbeiführen können“ (CE 53,2). Es ist also die Sehnsucht nach der Wahrheit und die Einsicht, sie noch nicht erreicht zu haben. Aller Überheblichkeit möchte sie vorbauen, was die heftigen Äußerungen erklärt, denn ihr Bild vom Menschen ist ja – wie gesehen – nicht negativ. Der Mensch, der am Beginn des Erkenntnisweges steht, trägt bereits einen Schatz in sich, den es zu entdecken gilt: 155

OTT, Selbst- und Gotteserkenntnis, 339. Mit einem Zitat von Richard von St. Viktor. N. Žuška verweist zudem auf den Zusammenhang von ‚Selbsterkenntnis‘ und ‚Selbstannahme‘. ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 96. 156 Von der Einsicht ihrer eigenen Schwächen schreibt Teresa immer wieder. N. Žuška verweist auf folgende zwei: „Die Unfähigkeit, sich zum Gebet zu sammeln [… und] ihre lang dauernde Unfähigkeit, aus ihrer Gotteserfahrung heraus im Alltag konsequent zu leben.“ ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 70. 157 In CE 6,2 stellt sie fest, dass ein grobes Gewissen die Fallstricke des Bösen kaum erfasst, während ein Mensch, der auf dem Weg der Vollkommenheit ist, sie genau wahrnimmt. Eine Entwicklung und Sensibilisierung des Gewissens auf dem Weg ist für Teresa selbstverständlich. Der Satz: „Gewissenserforschung und Sündenbekenntnis und Kreuzzeichen, daß dies das erste sein muß, das weiß man schon“ (CE 42,1) ist allerdings kein Beleg für die ‚gewissenhafte Gewissenserforschung‘, sondern dient eher als Nachweis ihrer Orthodoxie. Allen formalisierten Gebeten steht Teresa in der Regel skeptisch gegenüber, zumal wenn sie ihrem Konzept vom inneren Beten nicht entsprechen. 158 Als es um eine Buße geht, legt sie der Schwester die Einsicht nahe: „daß sie es nicht einmal verdient, ganz gemeiner Lehm zu sein“ (CE 45,2). Für eine Schwester, die ins Kloster eintreten möchte, erhofft sie, dass „sie soviel Selbsterkenntnis hätte und wegginge und die anderen in Ruhe ließe, wenn sie sähe, daß sie die auf Vollkommenheit abzielenden Bräuche in diesem Haus nicht leben kann“ (CE 19,5). Die Sätze wirken aus dem Zusammenhang gezogen fast gehässig, möchten aber v.a. aufrütteln, damit der Weg richtig und nicht in falscher Sicherheit gegangen wird, bzw. anerkannt wird, wenn das Kloster nicht der angemessene Ort für den eigenen Weg ist. Der Mensch, der sich auf den Weg mit Gott einlässt, erkennt die Differenz zwischen sich und Gott und erlebt sich als defizitär, verloren, nicht heil (ganz), im Sinne von sündhaft als (durch einen Sund) getrennt. 48

„Ich erkannte wohl, daß ich eine Seele hatte, aber was diese Seele wert war und wer in ihrem Innern weilte, das erkannte ich nicht […] Denn wenn ich wie jetzt in Wahrheit erkannt hätte, daß in diesem winzigen Palast meiner Seele ein so großer König Platz hat, dann hätte ich ihn meines Erachtens nicht so oft allein gelassen“ (CE 48,3).

Hier zeigt sich ihre Wahrnehmung für „die großartige Wirklichkeit in ihrem Innern“ 159, die Äußerlichkeiten unwichtig werden lässt. Echte Selbstwertschätzung ist angebracht und die von ihr angestrebte Selbsterkenntnis positiv gesetzt, aber nicht aus dem Menschen heraus, sondern durch Gottes Wohnung in ihm. Dennoch ist Teresa sehr misstrauisch, damit sich eine Schwester keine falschen Illusionen macht und den Fallstricken des Bösen erliegt, der „einem eine Sicherheit ein[flößt], daß man meint, ich könnte nie wieder in Früheres zurückfallen. […] Das ist die schlimmste von allen Versuchungen“ (CE 68,1). Zudem macht sie auf den menschlichen Mechanismus aufmerksam, der stets eine Ausrede bereithält: „‘Ich will ja nichts‘, ‚das habe ich nur, weil ich ohne es nicht auskommen kann‘, ‚schließlich muß ich am Leben bleiben, um Gott zu dienen‘, ‚er will ja, daß wir unseren Leib pflegen‘; tausenderlei Dinge, die der Böse einem hier wie ein guter Engel beibringt – was ja alles gut ist –, womit er ihm aber zu verstehen gibt, daß er bereits arm ist und diese Tugend besitzt, und das damit schon alles getan sei“ (CE 66,6).

Selbsterkenntnis ist für Teresa die Grundlage für das Erkennen dessen, auf den es eigentlich ankommt: „Mein Herr, wenn wir dich wirklich kennen würden, würden wir uns aus niemandem etwas machen“ (CE 49,2).160 Anzuerkennen, dass der Weg weit und hart ist und große Ausdauer erfordert: „O meine Schwestern, nie werden wir diese Wahrheit bis ins letzte erkennen! Und deshalb werden wir den Gipfel der Vollkommenheit auch nie ganz erreichen, wenn wir nicht immer wieder über sie nachsinnen und bedenken, was das ist, was ist, und was das ist, was nicht ist“ (CE 22,5).

Aber die Seele hat keine Wahl mehr, wenn sie den Weg einmal beschritten hat, „ja, sie kann gar nicht anders als ihn zu lieben, weil sie ihn kennt“ (CE 52,2) und darf auf die Unterstützung Gottes hoffen: „Wenn eine Seele beginnt, gibt er sich nicht zu erkennen – um sie nicht zu verwirren, wenn sie merkt, wie klein sie ist, um etwas so Großes in sich zu tragen –, bis er diese Seele Schritt für Schritt weiter macht, entsprechend dem, was er für nötig erachtet“ (CE 48,3).

Gott geht also behutsam mit dem Menschen und auf die ihm angemessene Weise um, der Mensch geht auf diesem Weg der Erkenntnis auf Gott zu und kommt dadurch auch zu sich selbst. W. Herbstrith sieht als Fehlentwicklung, wenn ein Mensch die Fähigkeit

159

OTT, Selbst- und Gotteserkenntnis, 344. ‚Niemand‘ meint auch die eigene Person. Obgleich jemand auf der richtigen Suche ist, sucht er oft auf die falsche Weise oder am falschen Ort: „Der ganze Schaden aber kommt daher, daß wir nicht in aller Wahrheit erkennen, daß er nahe ist, sondern ihn uns weit weg vorstellen. Und wie weit, wenn wir ihn im Himmel suchen!“ (CE 50,1). 49 160

verliert, „nach dem Sinn des Seins zu fragen, unfähig zu werden für den Gang nach innen.“161 Doch auch für den, der auf dem guten Weg ist, bleiben Gefahren: „Hütet euch also, Töchter, vor manchen Demutsempfindungen, die euch der Böse in Form von großer Unruhe über die Schwere vergangener Sünden einflüstert: ‚Ob ich es wohl verdiene, mich dem Sakrament zu nähern?‘ ‚Ob ich mich wohl richtig vorbereitet habe?‘ ‚Ich tauge nicht, um unter guten Menschen zu leben‘ – so ähnliche Gedanken, die man durchaus schätzen soll, wenn sie mit innerer Ruhe und Wonne und dem guten Gefühl verbunden sind, die die Selbsterkenntnis mit sich bringt. Wenn sie aber mit Verwirrung und Unruhe und seelischer Bedrängnis und der Unfähigkeit zur Beruhigung der Gedanken verbunden sind, dann glaubt, daß es eine Versuchung ist, und haltet euch nicht für demütig, denn das kommt nicht davon“ (CE 67,5).

Hier beweist sich Teresas Erfahrung in der Begleitung von Menschen, dass sie innere Regungen zu differenzieren und einzuordnen weiß. Es kann also die gleiche Einsicht verschiedene Ursachen haben: Wahre Erkenntnis oder böse Eingebung. Das Kriterium ist nicht die Tatsache einer Erkenntnis, sondern die Frucht, die sie hervorbringt. So kann die

Einsicht

eigener

Unwürdigkeit

durchaus

richtig

sein,

wenn

aus

diesem

Erkenntnisschritt die Frucht der Ruhe hervorgeht und sich der betende Mensch dem Herrn wieder mehr und bewusster zuwendet, wobei das selbstgewisse Vertrauen auf eigene Kräfte und Fähigkeiten abgebaut wird. Andauernde Unruhe hingegen hält von der Hinwendung zu Gott ab und wird deshalb als vom Bösen entlarvt. Immer wieder verweist Teresa darauf, dass der Beter dies nicht mit sich allein ausmachen muss, sondern fordert, „alles mit einem zu besprechen, der euch versteht“ (CE 68,2).162 Erkenntnis wächst in und durch Begleitung.

3.3.2 Prestigedenken und Demut Dieses Begriffspaar besteht aus zwei Antagonisten, die bei Teresa eine wesentliche Rolle spielen. Auch wenn Teresa die Aussage des Täufers über sein Verhältnis zu Jesus nicht aufgreift, trifft es die Thematik. Johannes verwendet das Bild von Braut und Bräutigam (während er der Freund des Bräutigams ist) und sagt: „Er muss wachsen, ich aber muss kleiner werden“ (Joh 3,30).163

161

HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 64. Im Anschluss gibt Teresa wieder ein Beispiel ihres Misstrauens gegenüber Büchern: „Es gibt viele Bücher voll solcher Ratschläge, und doch können sie uns allesamt nicht die volle Sicherheit geben, weil wir uns nicht zu durchschauen vermögen“ (CE 68,2). Rechte Begleitung kann nur durch eine Person erfolgen, die selbst Erfahrung auf dem geistlichen Weg hat. Studiert zu sein oder Bücher reichen nicht aus. Vgl. Kapitel 7 dieser Arbeit. 163 Der Satz passt für das Verhältnis von Johannes und dem Menschen Jesus. Übertragen auf den göttlichen Christus läuft es ins Leere, da seiner Herrlichkeit nichts mehr hinzugefügt werden kann. Zum Thema hilft er insofern, dass ein Abnehmen der eigenen Ansprüche Zeichen für das anbrechende Reich Gottes ist. 162

50

Im Codex Escorial verwendet Teresa 50 Mal das Wort ‚honra‘ (Prestige / Prestigedenken), 60 Mal das Wort ‚humildad‘ (Demut). Hinter beiden Begriffen steht eine Haltung, die für Teresa zu überwinden bzw. einzuüben ist.

Prestigedenken Der Begriff ‚honra‘ umfasst letztlich alles Denken, das sich selbst als Zentrum hat. Aus dem Spanischen lässt sich der Begriff mit Prestige, Ehre oder auch Ansehen übersetzen und ist zur Zeit Teresas eng mit dem Standesdenken verbunden. Das Festhalten an diesem irdischen Denken gilt für sie als Wurzel allen Übels, von dem sich andere Untugenden ableiten. Solange ein Mensch noch auf Prestige aus ist, ist ihm der Weg der Vollkommenheit verstellt, hat er den entscheidenden Schritt noch nicht getan. Denn er setzt in Abgrenzung zu anderen auf sich selbst, das eigene Können, Vermögen 164 oder die Herkunft.165 Wer dem Prestigedenken verhaftet ist, dem fehlt das nötige Vertrauen in Gott. Wer sich dagegen von Gott her versteht, sieht „die Individualität und Einmaligkeit eines jeden, die jeden wertenden Vergleich ausschließt. […] Weil ich darauf vertrauen kann, dass ich von Gott anerkannt bin, habe ich es nicht nötig, andere klein zu 166 machen, um mich wieder groß fühlen zu können.“

Nach R. Williams wurde der Reformkarmel aus diesem Anliegen heraus gegründet167, denn das Ehrendenken und die Erwartung des Reiches Gottes widersprechen sich.168

Demut Grundlage für die rechte Demut ist die Selbsterkenntnis, wie der betende Mensch vor Gott und den Mitmenschen steht. In der Demut sieht der Mensch, „daß er von Gott geschaffen ist und nicht kraft eigener Leistung, sondern aus Gottes Liebe lebt.“169 Wer erkannt hat, wer Gott ist und wie er selbst vor Gott steht, kann „immer guten Mutes […] sein, denn Gott gibt ihn den Starken, und er kennt kein Ansehen der Personen“ (CE 164

Teresa sieht einen engen Zusammenhang zwischen Prestigedenken und Besitz. Beide halten am Irdischen fest. Vgl. CE 2,5. 165 Wer Gott als Vater erkennt und sich im Kreis aller seiner Kinder sieht, kann auf Abstammung keinen Wert mehr legen. „Alle haben gleich zu sein“ und alles andere „wäre die Hölle!“ (CE 45,2). Als Beispiel fügt sie das Verhältnis vom einfachen Fischer Petrus und dem Königssohn Bartholomäus an, wobei Petrus trotz seiner einfachen Herkunft im Kreis der Jünger mehr zu sagen hat (vgl. ebd.). Hier ist ein logischer Bruch, denn nun steht Petrus über Bartholomäus – richtig ist aber, dass bei Gott andere Eigenschaften als die Herkunft gelten. 166 OTT, Einheit von Selbst- und Gotteserkenntnis, 352. Die Wichtigkeit gesellschaftlicher Anerkennung schwindet vor dem Angesicht Gottes. 167 „Our greatest practical service to each other in community is, for Teresa, the mutual destruction of that sense of ‚honour‘ which the very existence of the reformed Carmel is meant to challenge.“ W ILLIAMS, Teresa of Avila, 85. 168 „When truly the Lord has given his kingdom here below, the soul no longer desires honour in this world.“ CV 36,8 zitiert nach: W ILLIAMS, Teresa of Avila, 99. 169 DOBHAN/PEETERS, Weg der Vollkommenheit, Anhang I Erklärung wichtiger Begriffe, 325. 51

26,5). Die Leichtigkeit, den Weg zu gehen, rührt aus der Einsicht, dass der Mensch von sich her ohnehin nichts erreichen kann, nichts von ihm, sondern alles von Gott abhängt und der Mensch frei wird, wenn er alles irdisch Bindende loslässt. Der eigenen Unfähigkeit zum Trotz bleibt die Freude, für würdig befunden zu sein, Gott zu dienen: „Hier kommt die wahre Demut ins Spiel: ehrlich zu glauben, daß man nicht einmal für das geeignet wäre, was man tut, und voll Freude immer wieder den Dienst zu leisten, der einem aufgetragen wird“ (CE 29,2).

Da Teresa ihre Stellung vor Gott sieht, kann sie sich ihm nähern, denn die Unterschiede zwischen ihnen werden nicht verwischt. Diese demütige Haltung schafft den Raum für die Beziehung zwischen Gott und dem Beter, deren Gestalter der Herr selbst ist und die nach seinem Ermessen zu Freundschaft und Einigung führen können. „Wahre Demut bringt nicht Ängstlichkeit oder Selbstzerstörung, sondern ruhige Zuversicht in Gott hervor“170, weil sie sich der Führung Gottes anvertraut, die auf der festen Zuversicht gründet, dass er es gut mit dem Menschen meint. Insofern gelten die beiden Sätze: „Demut ist Wahrheit“171 und „die Wahrheit wird euch befreien“ (Joh 8,32), denn die Demut befreit von sich selbst und für Gott, der die Wahrheit ist und zur Wahrheit befreit.172 Nicht zu verwechseln ist die Demut mit einer Selbstherabwürdigung und Teresa weist durchaus darauf hin, „welche positiven Wirkungen ihr Sprechen und Handeln erzielt haben.“173 J. Burggraf führt weiter aus: „Denn Demut bestand für Teresa nie darin, die Realität zu verdrehen. Sie bedeutet gerade im Gegenteil, diese voll und ganz anzunehmen, und auch sich selbst mit allen Grenzen, Schwächen und Irrtümern, aber auch mit allen Fähigkeiten und Leistungen zu erkennen. Demut ist ‚Wandeln in der Wahrheit‘. Teresa hält nichts davon, das eigene Licht unter den Scheffel zu stellen. Denn sie ist 174 zutiefst davon überzeugt, daß Gott selbst es angezündet hat.“

Ebenso lehnt Teresa eine falsche Demut ab, die nichts empfangen will, kommt es doch gerade darauf an, alles von Gott zu empfangen.175

170

„Real humility produces not anxiety or wretched self-distrust but calm reliance on God.“ W ILLIAMS, Teresa of Avila, 101. 171 Vgl. 6 M 10,7 in der Übersetzung von E. STEIN, Eine Meisterin der Erziehungs- und Bildungsarbeit, 105. Auch W. Herbstrith sieht den Gebrauch der beiden Worten synonym: „Wahrheit ist ein Lieblingswort Teresas. Häufig sagt sie dafür Demut. Sie ist die Bereitschaft, die Wirklichkeit und das Wirken Gottes so anzunehmen, wie sie sind, und nicht, wie wir sie wünschen.“ HERBSTRITH, Die erste Kirchenlehrerin, 68. 172 Sagardoy nennt die Demut einen ‚Grundstein‘ für das Gebet, denn ohne sie ist rechtes Beten nicht möglich. Vgl. SAGARDOY, Wenn du beten willst, 16. 173 BURGGRAF, Teresa von Avila, 67. 174 Ebd. 175 Ein Beispiel für eine solche Denkweise liefert Teresa: „Man lasse ab von gewissen Anwandlungen von Scheu, die manche Leute haben und für Demut halten. Jawohl, denn die Demut besteht nicht darin, eine Gnade, wenn der König sie einem erweist, nicht anzunehmen, sondern sie anzunehmen, im Bewußtsein, wie unverdient sie euch zuteil wird, und euch daran zu freuen. Eine saubere Demut wäre das, den Gebieter des Himmels und der Erde bei mir zu haben, daß er also zu mir ins Haus kommt, um mir Gnade zu erweisen und sich an mir zu freuen, ich aber aus Demut weder auf ihn eingehen noch bei ihm bleiben möchte, sondern ihn allein lasse, und daß ich, wenn er mir immer wieder sagt, ihn zu bitten, aus Demut 52

Zusammenfassung Der Irrtum des Prestigedenkens besteht im Festhalten und Gebundensein an sich selbst und die Welt. Die Demut hingegen macht sich an Gott fest, entlastet so von allem Vorläufigen und befreit zur Wahrheit.

3.3.3 Teresas Verständnis von Vollkommenheit Aus den Beschreibungen und Beispielen Teresas lassen sich verschiedene Aspekte zum

Thema

Vollkommenheit

herausfiltern.

Entscheidendes

Kriterium

für

Vollkommenheit ist die Nähe zu Gott und auf die Gemeinschaft mit ihm ist das ganze Wesen des Menschen ausgerichtet (vgl. CE 48,6).176 Je näher ein Mensch Gott auf dem Weg gekommen ist, umso näher ist er auch seiner eigenen Vollkommenheit. 177 Teresa sagt den Mitschwestern: „Ich bitte euch, solche zu sein, daß wir es verdienen, sie [die Vollkommenheit] von Gott zu erlangen“ (CE 3,5) und erlebt die Frauen als solche, die „nichts anderes wollen und beabsichtigen, als dir [Gott] Freude zu machen“ (CE 4,1).178 Den eigenen Willen Gott zu ergeben und sich vom Geschöpflichen zu lösen, schenkt dabei schon nach kurzer Zeit das lebendige Wasser (vgl. CE 55,3), mit dem der betende Mensch einen Vorgeschmack auf den Himmel bekommt. Zum diesem Weg der Vollkommenheit gehören auch die mystischen Erfahrungen: “Sie erhält Hilfe in ihren geistlichen Zweifeln und im Gebetsleben, sie wird mutiger, ihr Verhältnis zu Christus wird inniger, selbst die Frucht vor dem Tod verschwindet.“179 Der Weg dorthin geknüpft mit der Suche nach der Wahrheit180, deren Erkenntnis alles andere einordnet und Wesentliches vom Unwesentlichen trennt (vgl. 61,6). Am Ende

bedürfnislos bleibe, und ihn sogar wieder gehen lasse, weil er sieht, daß ich mit meinen Entschlüssen zu nichts komme“ (CE 46,3). 176 „Dass unser Wille dem Willen Gottes so sehr gleichförmig wird, dass wir nichts erkennen, was er will, ohne es auch von ganzem Herzen zu wollen“ (F 5,10). Bei Teresa „wird die letzte innerste Einsamkeit des Menschen in Zweisamkeit gewandelt durch den Dialog nach oben mit dem bei-uns-seienden dreifaltig liebenden Gott.“ ZELL, Durch Liebe zur Identität, 27. Nach R. Ott geht es Teresa dabei nicht um eine Abkehr von der Welt, sondern um die Verbundenheit mit Gott, die sich durchaus auf die Belange des Alltags auswirkt. Vgl. OTT, Einheit von Selbst- und Gotteserkenntnis, 337. 177 „Von der Art des innerlichen Gebets als Freundschaftsbeziehung mit Gott häng[t] [sic!] für Teresa das Menschsein und Menschwerden ab. Wo der Mensch dies Gebet unterlässt, verliert er sich selbst.“ ZELL, Durch Liebe zur Identität, 20. 178 Vgl. CE 20,1. „Teresa versteht, was Gott freut, ihn zufrieden stellt, ihm gefällt: Gott will den Menschen als ganzen Menschen, als Menschen, der voll Liebe ist. Dies ist der schöne, der strahlende, der gottähnliche Mensch.“ ZELL, Durch Liebe zur Identität, 52. 179 DOBHAN, Gott-Mensch-Welt, 314. „Obwohl Teresa durch ihre mystische Erfahrung sehr viel Hilfe und Nutzen erhalten hat sowohl für ihr geistliches Leben als auch für ihre natürliche Veranlagung, so weist sie ihr trotzdem nur einen sekundären Platz zu. Es kommt im christlichen Leben nicht auf mystische Gnaden an; wichtig ist allein die Nachfolge Christi, zu der sie helfen können, die der Mensch jedoch auch ohne sie gehen kann und muß.“ Ebd., 316. 53

des Buches fasst sie noch einmal zusammen: „daß man darauf schaut und erkennt, wen man da bittet und wer der Bittsteller ist und um was man bittet“ (CE 73,1). Es geht bei der Wahrheitssuche um Beziehung und Einsicht um die rechte Bitte. Allerdings bleibt der Weg eingeschränkt, denn „nie werden wir diese Wahrheit bis ins letzte erkennen! Und deshalb werden wir den Gipfel der Vollkommenheit auch nie ganz erreichen, wenn wir nicht immer wieder über sie nachsinnen und bedenken, was das ist, was ist, und was das ist, was nicht ist“ (CE 22,5).

Es bleibt also eine Differenz und somit eine Unerreichbarkeit, die Teresa aber entkräftet, wenn sie im ‚immer wieder Nachsinnen und Bedenken‘ die Möglichkeit sieht, doch ans Ziel zu gelangen. Dabei sind keine weiten Wege oder lautes Sprechen nötig, damit Gott hört, denn er ist überall und besonders in der Einsamkeit und auch im Innern zu finden (vgl. CE 40,4 und 47,2). Vollkommenheit ist Ende und Ziel des eingeschlagenen Weges. Um sie zu erreichen, muss zuvor alles Unwichtige weggelassen worden sein und es bedarf der vollen Konzentration auf Gott als den einzigen, auf den es allein ankommt. Das Ziel – die Vollkommenheit in und die Einheit mit Gott – zu erreichen, ist aber nur möglich, wenn es nicht außerhalb des Menschen selbst liegt. Der Ort der Gottesbegegnung muss im Innern des Menschen sein, sonst wäre Gott in seiner Unendlichkeit und Größe für den Menschen schlechthin unerreichbar. 181 So sind der Ort der Gottesbegegnung und diese selbst für den Menschen eigentlich schon vertraut, handelt es sich doch um ein Heimkehren zu Gott (vgl. CE 43,3).182 In der Wahrheit, also bei Gott zu sein, ist nichts fremdes, es bedeutet nicht „in ein fremdes Land, sondern in das eigene heimzugehen, denn es ist das Land dessen, den wir so sehr lieben“ (CE 70,3).183 Mit diesen Bildern von Heimat und eigenem Land möchte Teresa die Angst vor dem Gehen nehmen. Sie muten wie die Verheißung auf das

180

‚Wahrheit‘ ist eines der Wörter, die Teresa im Camino an verschiedenen Stellen groß schreibt – ein Zeichen, dass sie ihr eine besondere Bedeutung zumisst. 181 In CE 48,3 berichtet sie, wie sie den Wert ihrer Seele erkennt, weil sie den Palast für den König birgt. In CE 49,1 trägt sie den Schwestern auf: „Richtet eure Augen auf euch und schaut in euer Inneres; dort werdet ihr euren Bräutigam finden.“ Dieser Bräutigam tröstet auch in den Unwägbarkeiten und Misserfolgen des Weges. 182 Hier negativ formuliert, denn für Teresa ist die Seele ihrem Bräutigam entlaufen. Vgl. CE 43,3. 183 Es muss immer mitgedacht werden, dass Teresa davon ausgeht, dass Gott auf verschiedenen Wegen führt, was sie z.B. in CE 27,2 oder 30,1 betont. Hier gesteht sie Verstandesmenschen einen eigenen Weg zu – allerdings in sehr ironischer Weise! Die unterschiedlichen Wege verbindet dem ungeachtet das Ziel und die Aufforderung, weiterzugehen und am Kampf festzuhalten (vgl. CE 33,1+2). Mit dem Bild vom eigenen Land korrespondiert das Gottesbild der Sohnschaft. In Kapitel CE 70,3 gibt es Anklänge an das Gleichnis vom verlorenen Sohn / vom barmherzigen Vater, wenn z.B. die Verschuldung und die irdischen Liebschaften angesprochen werden. Gott der Vater ist die Majestät, in deren Land man geht, und dessen Land nicht fremd, sondern das eigene Land ist. Eigenes Land ist eine Formulierung, bei der das Wort ‚Herrschaft‘ mitklingt, die also der Majestät und ihren Erben vorbehalten ist. Das ‚Heimkehren zu Gott‘ in CE 43,3 ist jedoch damit verbunden, dass die Braut dem Bräutigam entlaufen ist – wieder ein anderes Gottesbild. 54

Gelobte Land im Alten Testament an: Man hat es noch nicht gesehen und doch ist es bereits vertraut und es gibt keine andere Möglichkeit, als sich dorthin aufzumachen. Diese Notwendigkeit möchte Teresa unbedingt unterstreichen und ringt deshalb um jeden, dass er auf den Weg aufbricht. Sie betont, dass der Aufbruch bereits ohne feste Entschlossenheit möglich ist und ein Ansatz von Freundschaft ausreicht, um den Weg beginnen zu können (vgl. CE 34,1).

Liebe Der Begriff, den Teresa am meisten im Zusammenhang mit Vollkommenheit verwendet, ist ‚Liebe‘. Wer Gott vollkommen liebt, ist am Ziel.184 Er hat es erreicht, sich selbst loszulassen und ganz an Gott zu hängen, denn „an ihm ist alles gelegen“ (CE 12,1). Der Mensch strebt „nicht mehr nach der Freude, die diese Liebe mit sich bringt, sondern er strebt unabhängig von allem, nach der Liebe selbst“185 – das heißt nach dem Geschehen zwischen dem Geliebten und sich, ihrem Beisammensein. Teresa formuliert wiederholt, dass es „eine Liebe ohne Eigeninteresse ist, wie Christus sie hatte“ (CE, 11,4).186 Diese Liebe zu Gott durchdringt alles: „Wer Gott wirklich liebt, der liebt alles Gute, will alles Gute, fördert alles Gute, preist alles Gute, tut sich mit guten Menschen zusammen, verteidigt sie immer, umfaßt alle Tugenden; er liebt nur Wahres und das, was es wert ist, geliebt zu werden“ (CE 69,3).

Aus Gott kommt die Wahrheit hervor und deshalb ist das Streben nach der Wahrheit Ausdruck der Gottesliebe187, dem sich alles andere unterordnet, wie Besitz und Prestige, Streit und Eifersucht. Dies alles, „weil er [der Mensch] nichts anderes anstrebt, als seinem Geliebten zu gefallen. Er stirbt vor Verlangen, daß Gott ihn liebe, und gibt sein Leben dafür her, um zu erkennen, wie er ihm besser gefallen kann“ (CE 69,1). Die Liebe zu Gott bleibt dabei, wie die Suche nach Vollkommenheit, etwas Vorläufiges und noch nicht Erreichtes, ist aber schon spürbar: „Über die Gottesliebe zu sprechen ist

184

„Teresas einziger Wunsch ist Liebe.“ ZELL, Durch Liebe zur Identität, 39. Ebd., 40. 186 Im „Gebet der Freundschaft [mit Christus] findet Teresa die Anregung zum Lieben und die Möglichkeit, die eigene Lebenshaltung immer wieder, ständig zu kontrollieren auf das Vorhandensein von Liebesfülle, Liebesbereitschaft, die zuerst dasein muss, will man davon Gebrauch machen: sich selbst, andern, Gott mit Liebe dienen.“ Ebd., 20. 187 E. Stein fasst zusammen: „Wer die Wahrheit sucht, der sucht Gott, ob es ihm klar ist oder nicht.“ STEIN, Brief Nr. 259. Zu dieser Weisheit gehört, „die Liebesimpulse Gottes nicht nur empfinden, sondern auch deuten, verstehen und weiterleiten zu können.“ ZELL, Durch Liebe zur Identität, 39. „Zu dieser höchsten Stufe des Gebetes, zum Vollbesitz, zum Vollbewusstsein, zur Vollkommenheit seiner Identität, die ihn befähigt seine Selbstwerdung zu wahren, zu prüfen, zu lehren, kommt der Menschen nur mit Hilfe eines ständigen Forschens und Beobachtens, das mit Meditation bezeichnet werden kann, deren Aufgabe die Kontrolle ist des Zueinanders vom sehnlichen Wunsch nach Gottes Liebe und der Erfüllung dieses Wunsches durch das soziale Engagement.“ Ebd., 59. 55 185

etwas Köstliches. Was wird es erst sein, sie zu haben? Ach mein Herr, gib du sie mir!“ (CE 71,1). Das Sehnen nach Gott und seiner Liebe ist die Triebfeder und der Schlüssel für Teresas Tun und Denken188, wie sie am Ende ihres Buches zusammenfasst: „Ihr seht, wie ihr mit diesen beiden Dingen, Liebe und Gottesfurcht, in Ruhe diesen Weg gehen könnt“ (CE 72,2). Das Erreichen dieser Liebe rechtfertigt alle Zumutungen, Hindernisse und Einschränkungen, das Ziel ist so wertvoll und groß, dass kein Einsatz zu hoch sein kann.189 R. Zell stellt für den Zusammenhang folgende Thesen auf, welche die Bedeutung der Liebe im Denken Teresas unterstreichen: „1. Der Weg zur menschlichen Identität ist bei Teresa die Liebe. 2. Die Liebe als Vollkommenheit der Tugenden ist jedem anderen Weg menschlicher Selbstwerdung überlegen, auch dem humanistischen Tugendwandel, bei dem das Motiv der Furcht die entscheidende Rolle spielt. […] 4. Der Liebe – und damit dem auf Liebe angelegten Menschen – fehlt etwas, wenn die Du-Beziehung zur Person Christi, der menschgewordenen Liebe Gottes nicht die Art der menschlichen Liebe 190 prägt.“

Wer vollkommen liebt ist zugleich ganz bei Gott und ganz bei sich selbst angekommen, denn die Liebe führt ins Innerste des Menschen, die der Ort ihrer Begegnung ist.191 Weiter ist für Teresa ein Umgang in gegenseitiger Liebe unter den Schwestern wichtig (vgl. CE 6,1). In Perfektion unerreichbar, denn „wir schaffen es nie, es in Vollkommenheit zu beobachten“ (CE 6,2), aber bleibender Anspruch, der bereits in den Konstitutionen grundgelegt ist (vgl. CE 6,1).192 Teresa ist keine Frau theoretischer Abhandlungen und so gibt sie klare und nachvollziehbare Kriterien, an was sich irdisch erfahrbare Vollkommenheit feststellen lässt: „Das große Gut, das es unter vielen anderen im Reich des Himmels gibt, ist dies: auf Dinge der Erde schon nicht mehr zu achten; innere Ruhe und Herrlichkeit; sich zu freuen, weil sich alle freuen; beständiger Friede; große innere Befriedigung, die daher kommt, weil man sieht, daß alle den Herrn heilig nennen und loben und seinen Namen preisen, und daß ihn niemand beleidigt. Alle lieben ihn, und die Seele selbst versteht sich auf nichts anderes mehr als ihn zu lieben, ja, sie kann gar nicht anders als ihn zu lieben, weil sie ihn kennt“ (CE 52,2). 188

„Untersucht man Teresas ermahnendes Wort, wird deutlich, dass Teresas Denken und Tun von der Liebe geprägt ist. […] Teresa gibt Gründe an, warum sie gehorcht und im Gehorsam schreibt. Der Grund ist die Liebe. Teresa will ihre Erkenntnis, wie sehr die rechte Liebe das Reifen des Menschen bestimmt, ihren Mitmenschen, ihrem Nächsten weitergeben.“ ZELL, Durch Liebe zur Identität, 18. 189 „In der Selbstbeobachtung erkennt Teresa, dass Lieben heisst: Wünsche erfüllen, die Wünsche des Geliebten, des anderen – zu dessen Freude, dessen Bestem. […] Liebe erfordert Gehorsam, erfordert das Zeichen der Liebe: die Tat, erfordert Selbstüberwindung und Entschlossenheit zur Liebestat, erfordert Dienmut, erfordert Tugend, erfordert das bewusste Aufgeben der ‚Eigen-willigkeit‘.“Ebd., 17. 190 Ebd., 83. 191 Die Liebe führt bei Teresa zur Identität, zum Selbst: „Die menschliche Identität ist ohne die Liebe unvollkommen. […] Teresas Lebensweg führt zur Vollkommenheit der Selbstfindung, weil sie in ihrem Selbst Gott findet.“ Ebd., 62. 192 „Was für echte und wahre Liebe wird es sein, wenn sich eine Schwester unter Hintanstellung ihres eigenen Nutzens bemüht, in allen Tugenden große Fortschritte zu machen und mit großer Vollkommenheit die Ordensregel zu beachten, um allen von Nutzen zu sein“ (CE 11,8). 56

Doch die Frucht der Vollkommenheit ist weiter zu fassen in ihrer sozialen Dimension, worauf besonders R. Zell aufmerksam macht, denn Werke sind „die Früchte und Kinder der geistlichen Ehe“193: „Nur wer selbst auf der höchsten Stufe des Gebetes angekommen ist, kann Mystagoge sein, kann im sozialen Engagement fruchtbringend wirken.“194 Hindernisse auf diesem Weg der Vollkommenheit sind reichlich gesät: Es können Verwandte sein (vgl. CE 13), Prestige- und Besitzdenken (z.B. CE 18,1) und sogar Bücher (vgl. CE 35,4), denn immer wieder gibt es Abschweifungen und den Versuch sich an falschen Sicherheiten festzuhalten.195 Aber gerade darum geht es auf dem Weg der Vollkommenheit: Die eigene Unvollkommenheit zu durchschauen (vgl. CE 67,2). Selbst die Gefahren des Weges kalkuliert Teresa ein und es lässt sie nicht zermürben, dass „der Gerechte siebenmal am Tag fällt“ (CE 22,4). Im Gegenteil ersehnt Teresa die Versuchungen geradezu, damit sie sich bewähren kann (vgl. CE 66,1). Und so bleibt der Ratschlag für den Weg: „Achtet darauf, mit der Selbsterkenntnis anzufangen und aufzuhören, und euren Weg voller Furcht zu gehen und alles mit einem zu besprechen, der euch versteht“ (CE 68,2).

3.4 Abgrenzung: Mündliches Beten Teresa sieht sich immer wieder dem Vorwurf ausgesetzt, inneres und kontemplatives Beten seien unorthodox, also nicht vereinbar mit Wesen und Leben der Kirche. An vielen Stellen kämpft sie um ihren Weg, weiß aber darum, dass sie deshalb andere Wege nicht ablehnen darf, um ihr Projekt nicht zu gefährden. Da sie sich unsicher ist, beginnt sie sogar, sich „vor dem inneren Beten zu fürchten“196, weil es sie von den anderen unterscheidet. Widerstände kommen gehäuft von ihren männlichen Begleitern in Ávila, die eigentlich wohlwollend aber ebenfalls unsicher und überfordert sind, was Teresa anschaulich in der Vida beschreibt.197 Am Schlimmsten ist für sie, dass ihre Kritiker nicht verstehen, was ihr eigentliches Anliegen ist, und dass sie nicht unterstützen, was sie an anderer Stelle loben. Hier wird Teresa sehr emotional, was nicht verwundert, da sie mit ihren logischen Argumenten nicht durchdringt: 193

ZELL, Durch Liebe zur Identität, 51. „Wer im Gebet nicht die Kraft findet, seinen Mitmenschen mehr zu lieben, betet nicht richtig.“ Ebd., 53. 194 Ebd., 59. „Mystagogik ist Menschenführung, die den Einzelnen in seinem Sosein ver[s]tehend [sic!] zum persönlichen Heil führen will durch den dialogischen Volleinsatz der eigenen Persönlichkeit.“, 49. 195 Vgl. dazu Kapitel 4.3 dieser Arbeit. 196 V 7,1. 197 Ihr Bericht in V 25,12-22 ist beredtes Zeugnis. Freundschaften sind ihr u.a. deshalb so wichtig, weil sie sowohl Unterstützung wie auch Korrektiv bieten (vgl. V 7,20). 57

„Was ist denn los, ihr Christen? Versteht ihr euch selbst noch? Ich würde am liebsten laut aufschreien und – obwohl ich nur die bin, die ich bin – mit denen disputieren, die behaupten, daß inneres Beten nicht erforderlich sei. Gewiß erkenne ich daran, daß ihr euch nicht auskennt und nicht wißt, was inneres Beten ist, ja nicht einmal, wie man das mündliche zu verrichten hat, und auch nicht, was Kontemplation ist; denn wenn ihr das wüßtet, würdet ihr nicht einerseits verurteilen, was ihr andererseits lobt“ (CE 37,2).

Wenn im Folgenden vom mündlichen Gebet gesprochen wird, meint dies nicht das persönliche Gespräch mit Gott, sondern das formulierte Gebet z.B. den Rosenkranz, das Stundengebet oder das Vaterunser. Wie die Passage zeigt, geht es immer darum, ein solches mündliche Beten mit innerer Anteilnahme zu verbinden.198 Mündliches Beten wird von Teresa durchaus wert geschätzt unter der Voraussetzung, dass es mit innerem Vollzug verbunden ist. Ein ‚Abspeisen‘ mit mündlichem Gebet, damit der betende Mensch – zumal eine Frau – nicht auf falsche Wege kommen kann, nimmt sie pointiert aufs Korn: „‘Da drohen Gefahren‘, ‘Lieschen Müller ist auf diesem Weg ins Verderben gestürzt‘, ‚Hinz ist einer Täuschung verfallen‘, ‚Kunz, mit seinen vielen Gebeten, ist gefallen‘, ‚das schadet der Tugend‘, ‚das ist nichts für Frauen, denn da kommen ihnen Illusionen‘, ‚die sollen lieber spinnen‘, ‚solche 199 Leckerbissen brauchen die nicht‘, ‚es reicht das Vaterunser und das Avemaria‘“ (CE 35,2).

Teresa hat als betender Mensch zunächst das mündliche, geformte Gebet gelernt und eingeübt.200 Der Rosenkranz ist ihr zeitlebens ein Begleiter, wie sie es im Elternhaus kennen gelernt hat201, er ist Ausgangspunkt zum inneren Gebet (vgl. CE 37,3). Um ihren Ansatz möchte Teresa keinen großen Umstand machen: „Da ich aber nur darüber spreche, wie man mündlich beten soll, damit richtig gebetet wird, besteht kein Grund, so viel darüber zu sagen“ (CE 50,1). Ohnehin gehört mündliches Gebet zur Grundform des Ordenslebens, denn mit „Gewissenserforschung und Sündenbekenntnis und Kreuzzeichen“ (CE 42,1) hat jedes Gebet zu beginnen. An anderer Stelle empfiehlt sie „betrachtendes Beten, und wer das nicht kann, mündliches Beten und Lesung und Zwiesprachen mit Gott“ (CE 29,2). Hier kommen beide Gebetsformen einander nahe und sind aufeinander bezogen. Teresa gibt zu, dass ihr dieser Zusammenhang selbst lange verschlossen war, „denn von mir bekenne ich euch, daß ich nie gewußt habe, was Zufriedenheit und Trost beim mündlichen Beten war, bis der Herr mir diese Methode beibrachte“ (CE 50,3). So ist das Gebet mehr als nur eine Sache, die verrichtet wird. Es ist ein Geschehen zwischen

198

R. Körner macht auf Thomas von Aquin und Katharina von Siena aufmerksam, die beide fordern, das gesprochenes Gebet mit innerer Andacht zu verrichten ist. KÖRNER, Was ist inneres Beten, 13 und 16f. 199 Zur Herabwürdigung des Laiengebetes kommt eine Geringschätzung der Frau, für die meditatives Gebet als nicht geeignet angesehen wird. Dem hält Teresa entgegen: Jesus, „dir hat vor den Frauen nicht gegraut“ (CE 4,1). 200 Ein früher Beichtvater empfiehlt ihr, täglich das Veni Creator zu beten. Vgl. GÜNTHER, Weg und Gotteserfahrung der Kirchenlehrerin Theresia von Avila, 128. 201 Ebd., 128. 58

Mensch und Gott, Begegnung mit Gott selbst, es ist Dialog, auf den man sich aber einlassen muss – und dies ist nur mit einem entsprechenden Gottesbild möglich.202 Immer wieder formuliert sie diesen Grundsatz auf neue Weise, um ihn möglichst einprägsam zu präsentieren: „O ja, was einem Beten fehlt, um kein inneres zu sein, ist nicht einfach den Mund zu halten. Wenn ich beim Sprechen ganz dabei bin und sehe, daß ich mehr Aufmerksamkeit auf das Sprechen mit Gott lege als auf die Worte, die ich sage, dann ist inneres mit mündlichem Beten verbunden“ (CE 37,1).

An der Verbindung zwischen beiden Gebetsformen ist ihr im Weg der Vollkommenheit alles gelegen. Zum einen weiß sie, dass die Schwestern – wie sie selbst – vom mündlichen Gebet her kommen, es die feste Grundlage für den bisherigen Gebetsweg gewesen ist und es für das gemeinsame Beten der Schwestern weiterhin unerlässlich bleibt, zudem möchte sie so Argumenten ihrer Kritiker entgegentreten. Oft warnt sie jedoch davor, sich durch das mündliche Gebet in falscher Sicherheit zu wiegen, so dass der entscheidende Schritt verpasst wird, z.B. bei großen „Freundinnen von vielem Reden und dem schnellen Dahersagen vieler mündlicher Gebete, um so ihren Auftrag zu erledigen – wo sie es sich zur Pflicht machen, diese täglich zu beten“ (CE 53,8). Teresa kritisiert bloßes Rezitieren und die enorme Häufigkeit, mit der Gebete aufgesagt werden. Für sie sagt die Anzahl insofern etwas über die Qualität aus, als dass ein einmalig und langsam gesprochenes Gebet höheres Gewicht enthält als ein häufig und schnell aufgesagtes. Sie meint, „daß er uns schon beim ersten Vaterunser versteht, [mehr als] wenn wir ihm viele hintereinander aufzusagen hätten. […] Auch wenn wir es in einer Stunde nur ein einziges Mal aufsagen“ (CE 50,2). Noch mehr verübelt sie es, wenn anderen mündliches Gebet in großem Pensum auferlegt wird, was den Beter nur noch mehr durcheinanderbringt: „Ich möchte inneres Beten immer mit dem mündlichen verbinden […], damit sie euch nicht in Schrecken versetzen, Töchter, da ich weiß, wo diese Dinge hinführen, und ich möchte nicht, daß euch einer hin- und herhetzt, denn es bringt nur Schaden, diesen Weg voller Angst zu gehen. Es ist sehr wichtig zu wissen, daß ihr auf dem rechten Weg seid, denn wenn man jemandem sagt, daß er in die Irre geht und den Weg verloren hat, läßt man ihn von einem Ende zum anderen laufen, und durch diese ganze Herumsucherei nach dem Weg wird er nur müde, verliert Zeit und kommt später an. Wer 202

Auf den Unterschied der griechischen und hebräischen Konnotation von ‚Wort‘ macht J. Wüst-Lückl, aufmerksam: „Seit der Antike bestehen hauptsächlich zwei Sprachmuster und Sprachverständnisse. Sie lassen sich anhand der unterschiedlichen Bedeutung und Akzentuierung zwischen griechischer und hebräischer Sprache fassen, die in einer differierenden Auslegung des Begriffes ‚Wort‘ ihren Niederschlag findet und von einem unterschiedlichen Wirklichkeitsverständnis herrührt. Bringt das griechische λόγος einen Sachverhalt zur Erscheinung, der unabhängig von der Situation die Wirklichkeit abbildet, versteht sich das hebräische als auf den Hörer bezogene Anrede, die neue Möglichkeiten des Verstehens schafft. […] Dadurch wird das Wort [im hebräisch-biblischem Denken] zwischen Subjektivem und Objektivem zu einem Dritten, das wirklicher als die subjektive Meinung und wirklicher als die objektive Beschreibung ist, nämlich zum Ereignis, zum Geschehen, das etwas bewirkt.“ W ÜST-LÜCKL, Theologie des Gebetes, 320f. Dieser Hinweis mag nur auf ein Nebenschauplatz sein, aber es ist möglich, dass hier der jüdische Hintergrund Teresa durchbricht. Auch für Teresa ist Gebet weniger ein Tun als ein Sein und Geschehen. 59

möchte denn behaupten, daß es falsch sei, beim Beten des Stundengebetes oder des Rosenkranzes mit dem Nachdenken darüber zu beginnen. […] Ich sage euch, Schwestern, wenn man das viele, das in bezug auf diese zwei Punkte zu tun wäre, gut täte, dann würdet ihr, bevor ihr mit dem mündlichen Beten – also mit dem Verrichten des Stundengebetes oder des Rosenkranzes – anfangt, viele Stunden im inneren Beten verbringen. O ja, denn wir dürfen ja nicht daherkommen, um mit einem Fürsten wie mit einem Bäuerlein oder einem armen Weiblein wie wir zu sprechen, wo es nichts ausmacht, ob sie uns mit ‚du‘ oder ‚Ihr‘ ansprechen“ (CE 37,3).

In dieser Passage wird deutlich, welche Verunsicherung mit dem kontemplativen Weg verbunden sein kann, weil er vom gewohnten Weg abweicht.203 Aus dieser Verunsicherung heraus können Abhängigkeiten entstehen, die einen Dritten in die machtvolle Lage bringen, den Beter ‚hin und her hetzen‘ zu können. Es ist die Abhängigkeit, die bei einfachen Gläubigen gegenüber studierten Theologen entstehen kann, wenn letztere zwar über ein theologisches Gerüst verfügen, aber keine Erfahrung oder Interesse am eigentlichen Thema der Begegnung und dem Sprechen mit Gott haben.204 Teresa argumentiert, dass Stundengebet und Rosenkranz sehr wohl zum Gebetsschatz gehören, sie aber letztlich nur Mittel sind. Ein gewichtiges Argument für ihre Zeit fügt sie zum Schluss an: Wer im Gebet zu Gott kommt, muss sich bewusst sein, mit wem er spricht. Hier nimmt sie Anleihe am höfischen Zeremoniell, auf das sich der gewissenhaft vorbereitet, dem Audienz gewährt wird.205 Dabei akzeptiert Teresa durchaus andere Wege, wie sie Akzeptanz auch für den ihren einfordert. Wertschätzend schreibt Teresa von einer Begegnung mit einer mündlich betenden Schwester: „Ich kenne eine Schwester, die nie zu etwas anderem als mündlichem Gebet fähig war, aber während sie sich daran festhielt, wurde ihr alles zuteil; tat sie das nicht, dann verlor sich ihr Verstand derart, daß sie es nicht ertragen konnte. Wenn nur alle ein solches inneres Beten hielten! Bei bestimmten Vaterunsern, die sie entsprechend der Male, an denen der Herr Blut vergoß, verrichtete – und nur wenig sonstigem – verbrachte sie zwei oder drei Stunden; und da kam sie ganz aufgelöst zu mir, weil sie kein inneres Beten halten oder Kontemplation üben, sondern nur mündlich beten könne. Sie war schon alt und hatte ihr Leben gut und fromm verbracht. Als ich sie fragte, was sie denn betete, erkannte ich an dem, was sie mir erzählte, daß der Herr sie, gestützt auf das Vaterunser, zum Gebet der Gotteinung erhob. Ich lobte den Herrn also und beneidete sie um ihr mündliches Gebet“ (CE 52,4).

Es zeigt sich, dass für Teresa die Gebetsform weit weniger wichtig ist als die Frucht, die sie hervorbringt.206 Die Schwester, von der sie schreibt, hat auf dem Weg des mündlichen Betens, das Ziel der Gotteinung erreicht. Dabei zeigt sich aber, dass die 203

„Teresa’s strategy is […] to address herself to those who are alarmed by the thought of formal meditation of an intellectual kind, to take the most basic and prosaic elements of familiar piety and to show what they may become when used by someone whose imagination and desire are not confined by the satisfying of external criteria alone.” W ILLIAMS, Teresa of Avila, 88. 204 Vgl. CE 52,4. 205 Vgl. CE 37,1. 206 „Genau das aber ist betrachtendes inneres Beten, meine Töchter, nämlich diese Wahrheiten zu erkennen. Wenn ihr das nach und nach erkennen und dabei mündlich beten wollt, dann soll’s mir recht sein“ (CE 38,2). Auch hier geht es um die Frucht des Gebets und die zu erkennenden Wahrheiten. Teresa zeigt ist dabei großzügig, weil das Erreichen des Zieles entscheidend ist und nicht der Weg, auf dem gegangen wird. 60

ältere Schwester die Größe ihres Geschenkes selbst nicht entdeckt hat und es als minderwertig, weil nicht kontemplativ, betrachtet. Teresa baut dem vor und rühmt sie nicht nur, sondern bekennt, dass sie die Schwester beneidet. Dieser Neid ist freilich nicht aggressiv, sondern mitfühlend und in guter Verbundenheit, dass sie beide gemeinsam auf dem Weg sind, die ältere Schwester dem Ziel aber schon so nahe ist, wie es Teresa für sich selbst nicht in Anspruch nimmt.207 Auch hier steht wieder die Einsicht, dass es verschiedene Wege zu Gott gibt. Zu dieser Einsicht gehört, dass Gott gar nicht alle Menschen auf den kontemplativen Weg führen will, obgleich er es könnte, wenn er wollte.208 Teresa versucht mit dem Beispiel von Maria Magdalena209 und Marta beide Wege als gute aber verschiedene gelten zu lassen (vgl. CE 27,5).210 Von den gesprochenen Gebeten hat das Vaterunser für sie einen besonderen Stellenwert. Es ist das Gebet, das Jesus selbst seinen Jüngern gegeben hat und es mit ihnen gebetet hat. Zum mündlich gebeteten Vaterunser schreibt Teresa anerkennend: „Es ist möglich, daß Gott euch während des Betens des Vaterunsers in die vollkommene Kontemplation versetzt, wenn ihr es richtig betet. Auf diesen Wegen zeigt er, daß er den hört, der zu ihm spricht; und es spricht Seine Majestät zu ihm, indem sie seinen Verstand aufhebt, sein Denken unterbindet und ihm – wie man so sagt – das Wort aus dem Mund nimmt, so daß er nicht mehr sprechen kann, auch wenn er wollte, außer mit großer Mühe“ (CE 41,1).

Das Vaterunser kann also, richtig gebetet, zur vollkommenen Kontemplation führen. 211 Dabei werden alle Sinne und alles Denken aufgehoben, und somit die Mittel, die für ein gesprochenes Gebet nötig sind. Das Sprechen wird sogar unterbunden und von dem, zu dem gebetet wird, übernommen. So zeigen beide Beispiele, dass die Kontemplation durch das Vaterunser erreicht werden kann und sie somit zum Ziel des Gebets wird, ihr Erreichen zum Beleg für eine

207

Teresa ist bescheiden und kann sich am Erfolg anderer erfreuen. Für sich selbst nimmt sie nicht in Anspruch in spiritueller Hinsicht besonders herausragend zu sein. Immer wieder führt sie an, dass sie v.a. als schlechtes Beispiel dient. In dieser Haltung drückt sich die freundschaftliche Verbundenheit aus, die Teresa in ihrem Konvent gepflegt sehen will. Der Erfolg anderer Schwestern kann Ansporn sein, Teresa kann sie sogar beneiden, aber ein Missgönnen ist damit nicht verbunden. 208 Vgl. W ILLIAMS, Teresa of Avila, 85. 209 Biblisch ist bei Lk 10, 38-42 von Maria (von Betanien) die Rede, der Schwester der Marta und des Lazarus (Angabe in Joh 11,1), sie wird allerdings ab dem 6. Jahrhundert mit Maria Magdalena gleichgesetzt. Vgl. RADLBECK-OSSMANN, Maria, biblische Personen 3) Maria v. Bet(h)anien, 1343. 210 „Heilig war auch die heilige Marta, auch wenn man von ihr nicht sagt, daß sie kontemplativ war. Was verlangt ihr mehr als wie diese Glückselige zu werden, die es verdiente, Christus, unseren Herrn, so oft in ihrem Haus zu haben, ihm zu essen zu geben und ihn zu bedienen, und vielleicht an seinem Tisch oder sogar von seinem Teller zu essen? Wenn beide so versunken gewesen wären wie Magdalena, wäre niemand da gewesen, der dem himmlischen Gast zu essen gab. Nun also, denkt euch, daß diese kleine Gemeinschaft das Haus der heiligen Marta ist und daß es dort von allem etwas geben muß; diejenigen, die auf dem Weg des aktiven Lebens geführt werden, dürfen nicht über die anderen murren, die ganz im inneren Beten versunken sind, denn das führt meistens dazu, sich selbst und alles andere nicht mehr zu beachten“ (CE 27,5). 211 Vgl. CE 50,2. 61

rechte Gebetsweise wird. Das mündliche Gebet ist also Mittel, um zur Kontemplation zu gelangen, zur Verbindung mit Gott. Ganz positiv schreibt sie, dass das mündliche Gebet (wie das Vaterunser oder das Ave Maria) eine Hilfe gegen die eigene Schwäche im Glauben ist (vgl. CE 35,3). Gleichwohl bleibt das mündliche Gebet für Teresa ein vorläufiges und wirkt defizitär, weil etwas fehlt, wenn kontemplative Erfahrungen nicht gemacht werden. 212 Es ist für sie eine Hinführung und wird dann richtig, wenn es mit dem inneren Gebet verbunden ist. Man merkt ihren Ausführungen an, dass Teresa in der Defensive ist und sie nicht nur sich und ihren Weg verteidigen möchte und muss: „Ich sage euch, Schwestern – denen also, die Gott nicht auf diesem Weg führt –, daß die, welche auf ihm gehen, kein leichteres Kreuz zu tragen haben, und ihr euch über die Wege und Weisen wundern würdet, auf die er sie ihnen gibt. Ich weiß es von so manchen und weiß bestimmt, daß die Prüfungen, die der Herr den Kontemplativen auferlegt, unerträglich sind. Sie sind von der Art, daß sie es nicht aushalten könnten, wenn er sie nicht mit Wohlgefühlen nährte. Und es ist klar, daß es keinen Grund gibt zu glauben, daß er die Kontemplativen zurückweist (und das ist deshalb so, weil Gott diejenigen, die er sehr gern hat, den Weg der Prüfungen führt, und je mehr er sie liebt, desto größer sind sie), wo er sie doch mit seinem Mund lobt, daß auch sie Freunde sind“ (CE 28,2).

Sie beginnt die Verdienste der kontemplativ Betenden hervorzuheben, die Prüfungen, denen sie unterworfen sind. Die zuweilen mit der Kontemplation eintretenden Wohlgefühle bleiben Mittel, um den harten Weg aushalten zu können. Kontemplative Menschen haben also nicht einen einfacheren, sondern einen besonders schweren Weg, der umso schwerer wird, je weiter er gegangen worden ist. Der Abschnitt endet mit einer ironischen Note, dass der Herr die Kontemplativen ausgerechnet mit dem Mund lobt und sie seine Freunde nennt. In dieser Auseinandersetzung mit den Kritikern des kontemplativen Weges möchte Teresa

ihren

Mitschwestern

Argumentationshilfen

geben,

wie

folgende

Stelle

verdeutlicht: „Sagt, daß ihr eine Ordensregel habt, die euch aufträgt, ohne Unterlaß zu beten – denn das tut sie –, und daß ihr sie beobachten müßt. Wenn man euch dann sagt, daß dies mündlich zu sein hat, fragt nach, ob Verstand und Herz bei dem sein sollen, was ihr sagt; wenn er Ja sagt (etwas anderes wird er nicht sagen können), dann seht ihr, wie er euch eingesteht, daß ihr notgedrungen betrachtendes “ inneres Beten halten müßt, und Kontemplation, wenn Gott sie euch schenken sollte (CE 36,6).

Der Verweis auf Kapitel VII der Karmelregel213 gibt dem Text weiteres Gewicht. Allerdings lässt sich bei Teresa auch eine gewisse Unbefangenheit und Leichtigkeit feststellen, denn sie ist sich ihrer Sache sicher und weiß den Herrn an ihrer Seite. So kann sie zum Abschluss des Buches ihren Mitschwestern noch einmal ganz gelassen 212

„Teresa is reluctant to let go of the idea that ‚contemplative‘ experience is what God must really want to give, and there are passages where she seems to come close to saying that not to have experiences like hers is a sign of not being perfectly devoted to God.” W ILLIAMS, Teresa of Avila, 85. 213 „Jeder soll in seiner Zelle oder in deren Nähe bleiben, Tag und Nacht über die Weisung des Herrn nachsinnend und in Gebeten wachend, es sei denn, daß er durch andere, begründete Verrichtungen in Anspruch genommen ist.“ Waaijman, Der mystische Raum des Karmels, 25. 62

folgenden Ratschlag mitgeben, der alle Versuche aushebelt, in das Kloster und sein Gebetsleben einzugreifen: „Hier seht ihr, Freundinnen, wie in Vollkommenheit mündlich zu beten vor sich geht: daß man darauf schaut und erkennt, wen man da bittet und wer der Bittsteller ist und um was man bittet. Wenn man zu euch sagen sollte, daß es nicht gut sei, anders als mündlich zu beten, dann seid nicht trostlos; lest dies sehr gut, und was ihr vom inneren Beten nicht verstehen solltet, das erbittet von Gott, daß er es euch zu verstehen gebe. Denn mündlich zu beten, das kann euch keiner wegnehmen, und auch nicht, das Vaterunser nicht eilig und ohne es zu verstehen herunterzubeten. Wenn jemand es euch wegnehmen wollte oder dazu raten würde, dann glaubt es ihm nicht. Glaubt, daß er ein falscher Prophet ist, und schaut darauf, daß ihr in diesen Zeiten nicht allen glauben dürft. Denn auch wenn ihr von denen, die euch jetzt raten können, nichts zu befürchten habt, wissen wir doch nicht, was noch kommen könnte“ (CE 73,1).

Teresa baut mit diesen Worten also schon einmal vor, falls eine Zeit mit massiven Eingriffen in die Kloster- und Gebetsordnung kommt. Dass sie so freimütig von einer Art ‚passivem Ungehorsam‘ schreibt und dabei nicht befürchtet, zensiert zu werden, ist Zeichen ihrer Überzeugung. Für sie ist die Argumentation stichhaltig und unumstößlich, dass sie so offen schreiben kann. Sie sollte mit dieser Einschätzung nicht recht behalten, schon in der Überarbeitung des Buches im Codex Valladolid fehlt dieser Abschnitt. Auf eine letzte Stelle sei in diesem Zusammenhang hingewiesen: „Wenn kontemplativ beten und betrachtendes und mündliches Gebet halten und Krankenpflege und der Dienst im Haushalt und das Bemühen um das Verlangen nach dem niedrigsten Dienst, wenn das alles Dienst am Gast ist, der zu uns kommt, um bei uns zu weilen und mit uns zu essen und sich zu erholen, was macht es uns dann aus, ob so oder so?“ (CE 27,6).

Hier verbinden sich die Gebetsformen im Dienst am Gast, der zu Besuch kommt. Dieser Hinweis und die Perikope mit Marta und Maria enthalten neben den beiden Formen des mündlichen und kontemplativen Gebetes eine soziale Dimension. Damit ist ein Perspektivwechsel verbunden: Das Gebet wird nun nicht mehr vom Beter her gesehen, sondern vom Gast, der zu Besuch kommt. Auf sein Wohl ist nun alles Tun ausgerichtet, er soll gut verweilen können und sich erholen. Es kommt darauf an, ob er pflegerische Dienste braucht oder Verpflegung und Logis für ihn gerichtet werden müssen. Wenn es um sein Wohl geht, stellt die gastgebende Person eigene Bedürfnisse hinten an und sucht sich den niedrigsten Dienst. Insofern ist die Anmerkung Jesu zu verstehen, dass es nicht nur werktätiges Wirken in der Küche braucht, sondern auch Gesellschaft und Zuwendung durch Nähe.

Zusammenfassung Der Abschnitt zeigt, dass Teresa mündliches und inneres Gebet nicht kategorisch voneinander trennt, sondern beide Gebetsformen als aufeinander aufbauend ansieht. Dennoch grenzt sie mündliches Gebet immer wieder scharf ab, um Angriffe auf die 63

Gebetsform in ihrem Kloster zu unterbinden, denen sie sich fortwährend ausgesetzt sieht.

3.5 Teresas Verständnis von Kontemplation Teresa von Ávila ist mit ihrer Definition von Kontemplation nicht präzise, trotzdem ist es möglich, sich ihrem Verständnis davon anhand des Camino zu nähern. Im folgenden Abschnitt wird zunächst das „innere Beten“ behandelt, dann werden die Früchte der Kontemplation vorgestellt und schließlich erfolgt eine weitestmögliche Klärung, was Teresa unter Kontemplation versteht. Den kontemplativen Gebetsweg teilt Teresa in Stufen ein, sieht ihn aber nicht als linear absolvierbar. Auch wenn es ein Hin und Her zwischen den Stufen gibt, führen sie nach und nach zu größerer Gewissheit und Vertrautheit mit dem Herrn, zur Kontemplation als der Gemeinschaft mit ihm.

3.5.1 Inneres Beten In Kapitel CE 46,2 schreibt Teresa vom Hl. Augustinus, wie dieser Gott ‚vielerorts‘ gesucht hat und ihn schließlich in seinem Innern fand. Teresa, die ebenfalls lange auf der Suche war, empfindet hier eine Seelenverwandtschaft und versichert sie sich nebenher der Autorität des Kirchenlehrers. ‚Inneres Beten‘ ist bei Teresa ein häufig gebrauchter Begriff.214 Wie gesehen beschreibt es den inneren Zugang zum Gebet, das sowohl mündlich, wie auch kontemplativ sein kann.215 Teresa empfiehlt, die Einsamkeit zu suchen (CE 6,6 und 40,3) und gibt Anweisung, keine gemeinsamen Arbeitsräume einzurichten, denn „das Schweigen bewahrt jede für sich allein besser“ (CE 6,6). Größte Gefahr für das innere Beten sieht sie in der Beschäftigung mit Äußerlichkeiten, es ist aber auch die Abhilfe, diese Hindernisse zu überwinden (vgl. CE 18,1). Im Gegensatz zum betrachtenden Beten und der Meditation, die einen konkreten Betrachtungsgegenstand haben, geht es beim inneren Beten um eine Haltung. Das innere Beten ist mit der Aufmerksamkeit auf das Gesprochene216 und für den

214

N. Žuška geht der Frage nach, ob es neben einem ‚inneren‘ auch ein ‚äußeres‘ Beten gibt und sieht es in „‘von außen‘ auferlegten Gebeten“ sowie in einem sich in Äußerlichkeiten verlierendem christlichen Leben ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 85. 215 Z.B. in CE 37,1: „Wenn ich beim Sprechen ganz dabei bin und sehe, daß ich mehr Aufmerksamkeit auf das Sprechen mit Gott lege als auf die Worte, die ich sage, dann ist inneres mit mündlichem Beten verbunden.“ oder in CE 37,3: „Ich möchte inneres Beten immer mit dem mündlichen verbinden.“ 216 Vgl. 37,1; 38,2; 68,4 und 71,3. 64

Angesprochenen217 verbunden. Was getan wird, soll vom Inneren bedacht und mitvollzogen werden218 und diese Haltung soll schließlich das Gebetsleben wie den gesamten Alltag prägen: Ein bewusstes Leben im Angesicht Gottes. „Elemente der Reduktion bei Teresa sind: Stille aufsuchen, Einsammeln der Sinne, Sich-Loslassen von der Verhaftung an Außenreize.“219 Auch wenn es lange braucht, diese Haltung einzuüben220, handelt es sich doch zuerst um ein Tun des Menschen, seine bewusste Hinwendung ins Innere und die Ausrichtung auf Gott hin.221 „Im engeren Sinne meint inneres Beten vor allem das persönliche stille Gebet bzw. das meditative Verweilen in der Gegenwart Gottes.“222 Das Bewusstsein, in der Gegenwart Gottes zu sein, immer mit ihm in Beziehung zu stehen, ist Grundlage für den kontemplativen Weg auf dem Gott nach und nach immer mehr die Führung übernimmt.223

3.5.2 Früchte der Kontemplation An verschiedenen Stellen beschreibt Teresa die Früchte der Kontemplation. Um den Fortgang nicht zu behindern vereinfacht

eine Auflistung den Zugang, was sie mit

Kontemplation anstrebt. Wirkungen der Kontemplation sind z.B.: -

Keinen Durst mehr nach irdischen Dingen haben, wobei der Durst nach den jenseitigen Dingen wächst. Der Durst nach den jenseitigen Dingen ist zwar äußerst schmerzhaft, birgt aber seine Löschung bereits in sich (vgl. CE 30,2)

-

Reinigung der Seele (vgl. CE 31,4)

-

Wahre Sehnsucht bringt Licht und Klugheit und rechtes Maß mit sich (32,5; 34,1)

-

Heimkehr (vgl. CE 43,3)

-

Direktes Angesprochen-Werden durch Gott und das spürbare Geschenk des Geliebt-Werdens durch Gott (vgl. CE 43,4)

217

Zufriedenheit und Trost (vgl. CE 53,3)

Vgl. 37,1 und 38,2. Vgl. CE 37, Anm. 1: „Im Herzen in aller Freiheit mit dem Herrn umzugehen, ohne sich an starre Formeln zu halten.“ 219 HERBSTRITH, Von Gott beschenkt, 89. 220 Dies steht nicht im Widerspruch zur Aussage Teresas, „Schritt für Schritt in kurzer Zeit auf dem Gipfel ankommen“ (CE 17,3) zu können. Zum einen möchte Teresa mit dieser Aussage zum Weg motivieren, zum anderen führt der bewusste Lebenswandel schnell zu spürbaren Veränderungen. Gleichwohl gibt das Buch im Gesamteindruck nicht die Illusion, dass es sich um einen ‚Spaziergang‘ zum Gipfel handelt. 221 Vgl. KÖRNER, Was ist inneres Beten?, 25. 222 DOBHAN/PEETERS, Weg der Vollkommenheit, Anhang I Erklärung wichtiger Begriffe, 330. 223 „Die Art und Weise der Entwicklung des inneren Betens ist allerdings […] eine Sache Gottes. Das, was dem Menschen zusteht, […] ist das Bemühen des Menschen, in die Wahrheit unseres Glaubens, dass Jesus da ist und dass er uns zu Freunden gemacht hat, immer neu und immer tiefer einzudringen. ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 72. 65 218

Die Auflistung zeigt, dass die Früchte zwar nennbar sind, aber dennoch einen abstrakten Charakter behalten. In ihrer bildhaften Sprache beschreibt Teresa Prozesse, die wesentlich mehr zur Klarheit beitragen.

3.5.3 Die Gebetsstufen Teresa verwendet das Wort Stufe im Camino nur selten, geht aber durchaus von einem gestuften Gebetsweg aus. Einmal spricht sie von einer mittleren Stufe (CE 11,5), zweimal von einer hohen Stufe (CE 26,2 und 65,6), in CE 35,4 erwähnt sie „die Anfänge, die Zwischen- und die Endstadien des inneren Betens.“ Wie sie in der Vida schreibt, übernimmt sie das Bild der Stufen aus dem Dritten ABC des Francisco de Osuna.224 Die Rede von den Gebetsstufen, wie sie in der Literatur immer wieder vorgenommen wird, birgt jedoch die Gefahr, von einem linearen Weg des Gebetes auszugehen. Wenn von Gebetsstufen gesprochen wird, baut zwar eine Stufe auf der anderen auf, es bleibt aber ein Wechseln von einer höheren in eine niedere Stufe möglich. Die drei im Weg der Vollkommenheit charakterisierten Gebetsformen der Sammlung, der Ruhe und der Gotteinung dürfen dabei nicht zu sehr in ein starres System gepresst werden.225 Die Beziehungsqualität – um die es im Innersten geht – macht sich nicht allein am Grad des Gebetes fest. Das Gebet beginnt jeweils neu mit der Sammlung, während die weiteren Schritte darauf folgen können, die freilich auf dem bisherigen Gebetsweg aufbauen. So ist zu berücksichtigen, dass das Gebet der Sammlung bei einem geübten Beter anders sein wird, als bei jemandem, der gerade mit dem Weg

224

Vgl. V 4,7. Hier beschreibt sie, wie sie das Gebet der Sammlung selbst pflegt: Ich zog „mich immer wieder zurück, begann häufig zu beichten und diesen Weg einzuschlagen, wobei ich dieses Buch als Lehrmeister nahm.“ U. Dobhan und E. Peeters sehen noch weitere Vorbilder: „Teresa war durch die Lektüre der Werke Franciscos de Osuna, Bernadinos de Laredo und Bernabés de Palma und wohl auch durch ihre Gespräche mit Pedro de Alcántara damit vertraut.“ DOBHAN/PEETERS, Weg der Vollkommenheit, Anm. 1 zu Kapitel 47. 225 Die Anzahl der Stufen ist umstritten. E. Lorenz spricht von drei Stufen, stellt aber der Vorstellung der Stufen das ‚innere Beten‘ als Hinführung voran, das die Voraussetzung für die Stufen ist. Vgl. E. LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 9. Für E. Lorenz ist das innere Beten keine Gebetsstufe, „sondern eine alles Beten begründende und begleitende innere Haltung. Es ist die auf Gott gerichtete Aufmerksamkeit, ein sich seine Gegenwart Bewußtmachen.“ Ebd., 21. Wie unten noch zu sehen sein wird, erkennen U. Dobhan und E. Peeters vier Gebetsstufen, da sie zum Gebet der Gotteinung noch die ekstatische Gotteinung anfügen. Anders sieht es Marie-Thérèse. Sie geht ebenfalls von vier Stufen aus und stellt das mündliche Gebet den drei anderen Stufen vorweg. Die erste Stufe ist allerdings nicht nur mündlich, sondern auch betrachtend – besonders das Leben Jesu, vermittelt durch die Evangelien, steht hier im Vordergrund. Dieses betrachtende oder mündliche Beten soll immer mehr nach innen gerichtet werden. Vgl. MARIE-THÉRÈSE, Der Weg des Gebetes nach der hl. Teresa von Avila, 6f. 66

beginnt. Zwar stellen sich zu Beginn schnell ‚Erfolge‘ ein, doch muss die Ausdauer anhand der Durststrecken erst noch erarbeitet werden.226 Ebensowenig kann voraus gesetzt werden, dass der Beter, wenn er eine höhere Stufe erreicht hat, zukünftig die niedere leichter bewältigt. Teresa beschreibt, dass sie auch nach langer Zeit noch mit ähnlichen Schwierigkeiten zu kämpfen hat, wie zu Beginn des Weges.227 Wie sind also die verschiedenen Gebetsstufen zu verstehen? U. Dobhan und E. Peeters definieren sie so: „STUFEN DES INNEREN BETENS (grados de oración) nennt Teresa ihren Versuch, innerhalb der organischen Entwicklung des inneren Betens mehr oder weniger ausgeprägte Entwicklungsstadien zu benennen, die es ihr ermöglichen, ihre eigenen Erfahrungen zu ordnen und anderen Betern konkrete Hilfestellung zu geben. Sie nennt vier Stufen, auf denen die bewußte Leistung des Menschen immer mehr zurücktritt, zugunsten einer immer umfassenderen Selbstmitteilung Gottes: 1. das betrachtende innere Beten, bei dem der Beter selbst noch aktiv ist (Meditation); 2. das Gebet der Ruhe; 3. das Gebet der Gotteinung; 4. die ekstatische Gotteinung in ihren verschiedenen Abstufungen und Ausprägungen […]. Freilich gibt es in der Praxis fließende Übergänge und sehr viele Zwischenstufen, da es sich letztlich um einen und denselben langen Weg der sich immer mehr vertiefenden Gotteinung 228 handelt.“

Wie im weiteren Verlauf noch vertieft zu sehen sein wird, vertreten Dobhan und Peeters nicht die Auffassung, dass es sich beim Gebet der Sammlung um eine eigene Gebetsstufe der Kontemplation handelt. Vor dem Gebet der Ruhe steht das betrachtende innere Gebet, bei dem tendenziell die aktiven (und initiativen) Momente des Beters das Geschehen wesentlich prägen. Dem ist entgegenzusetzen, dass auch beim aktiven Tun des Beters Gott am Werk ist und der Mensch selbst in der ekstatischen Gotteinung Teil des Geschehens bleibt. Es geht also nicht um ein gegeneinander Ausspielen, sondern um ein sich immer mehr ineinander Vertiefen, bei dem zuletzt Gott und Mensch der jeweiligen Bestimmung gemäß ineinander eingesenkt sind – beide sind dann ganz bei sich und zugleich beim anderen.229

226

Teresa beschreibt dies z.B. in der Vida – eine ältere Schwester soll sich bei einer jüngeren nicht selbst als Maß nehmen. Vgl. V 39,12. Vom Erreichen des Gipfels ‚nach kurzer Zeit‘ schreibt sie auch im Camino, z.B. in CE 17,3. Auch das Beispiel des Schachspiels in Kapitel CE 24 belegt, dass es einen schnellen Erfolg gibt, wenn das Spiel oft gespielt wird. 227 Hier ist besonders die Zerstreuung durch die Gedanken zu nennen. Vgl. Kapitel 4,3 dieser Arbeit. 228 DOBHAN/PEETERS, Das Buch meines Lebens, Anhang I Erklärung wichtiger Begriffe, 641. Bemerkenswert ist, dass der Begriff der Stufen bei U. Dobhan und E. Peeters nur im Glossar zur Vida auftaucht. Im Camino oder auch bei den „Wohnungen der inneren Burg“ mit enstprechendem Glossar ist der Begriff nicht aufgeführt. 229 Ziel des Gebets ist also nicht, sich von sich selbst zu entfernen, auch nicht, sich selbst zu überwinden, also letztlich, sich selbst zu vernichten, sondern durch die völlige Hinwendung zu Gott zugleich ganz zu sich selbst zu kommen. Indem der Mensch Gott den größtmöglichen Raum in sich und seinem Leben eröffnet, kommt er auch weitestmöglich zu sich selbst und wird ganz er selbst. Dabei wird die Blickrichtung auf Gott hin immer klarer und diese Klarheit bewirkt, dass der Mensch ein um sich selbst Kreisen überwindet. 67

Dies entspricht dem Anliegen Teresas, dass der Gebetsweg zu einem liebenden Umgang führt, der sich verändert, je größer die Erkenntnis von Gott und der von ihm geschaffenen Welt beim Menschen gewachsen ist: „Mir scheint jetzt, daß ein Mensch, den Gott zur klaren Erkenntnis dessen geführt hat, was die Welt ist und was es mit ihr auf sich hat, […] und was es bedeutet, den Schöpfer oder das Geschöpf zu lieben, […] daß also solche Menschen ganz anders lieben als wir, die wir noch nicht so weit gekommen sind“ (CE 9,3).

Teresa fasst wenig später zusammen: „Diese Art gegenseitiger Liebe ist es, die ich bei uns verwirklicht sehen möchte“ (CE 11,5). In der Diskussion um die Stufen darf das Ziel des Weges nicht aus den Augen geraten: Die sich immer weiter vertiefende liebende Verbindung von Gott und betendem Mensch.

3.5.3.1 Gebet der Sammlung Gewiss steht beim Gebet der Sammlung, wie Teresa es im Camino beschreibt, das Tun des Menschen im Vordergrund, da „die Seele all ihre Vermögen sammelt und in ihr Inneres zu ihrem Gott einkehrt“ (CE 47,1).230 Das Innere ist dabei der Ort der Gottesbegegnung: „Macht euch bewußt, daß in eurem Innern ein Palast von übergroßem Wert ist, ganz aus Gold und Edelsteinen erbaut, genau passend für einen solchen Herrn; und daß ihr es seid, die ihr viel vermögt, daß das Gebäude so prächtig ist, wie es ja tatsächlich auch ist – es gibt nämlich kein Gebäude von solcher Schönheit wie eine reine, von Tugenden erfüllte Seele […] –, und daß in diesem Palast dieser große König, der es für gut befunden hat, euer Vater zu sein, auf einem überaus prächtigen Thron sitzt, der euer Herz ist“ (CE 48,1).

Gott ist also schon längst zugegen, dem Menschen kommt es zu, sich dieses Gastes in seinem Innern bewusst zu werden und sich entsprechend zu verhalten. Das Bild des inneren Palastes genügt, sich von allen Äußerlichkeiten abzuwenden, da sie ihm gegenüber Nichtigkeiten sind (vgl. CE 48,2). Das Gebet der Sammlung macht nun dieses Innere bewusst und wendet sich ihm zu. „Die Sammlung nach ‚innen‘, das heißt in Gottes ‚kleinen Himmel‘ seiner langsam bewußt werdenden Nähe und Einwohnung, greift auch auf das Alltagsleben über.“ 231 Die Veränderung der Blickrichtung verändert also nicht nur Gottesbeziehung und Gebetsleben, sondern das gesamte Leben und somit die ganze Person. Teresa verbindet dies mit der Anrede: Vater unser im Himmel. Der veränderte Blick macht Gott als Vater bewusst und Jesus als Bruder, die sich im inneren Himmel finden lassen und dem Menschen begegnen wollen. 230

Durch das Gebet der Sammlung „kommt ihr göttlicher Meister rascher zu ihr, um sie zu unterweisen und ihr das Gebet der Ruhe zu schenken“ (CE 47,1). Hier ist Teresa nicht ganz klar, wenn sie davon ausgeht, dass der Meister erst kommt (zumal durch das Tun des Menschen beeinflusst!), dabei hat sie noch in CE 46,2 konstatiert, dass Gott überall ist, er also auch nicht erst herbeikommen muss. 231 LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 48. 68

Damit verbunden ist ein Staunen für die Gegenwart Gottes, der vorher in der Ferne gesucht und nun an diesem unvermuteten Ort gefunden wird.232 Dem ersten Staunen folgt, „daß wir ihm diesen Palast mit aller Entschlossenheit als sein Eigentum hingeben“ (CE 48,4). Dabei passt sich Gott dem Innern des Menschen an und weitet die Seele nach und nach (vgl. CE 48,3). Bei dieser Gebetsstufe sollen die Gedanken gesammelt werden, was besonders „für Menschen mit einem ausgegossenen Verstand“ (CE 46,1) kein leichtes Unterfangen ist. Diese Mühe wird Teresa ihr Leben lang begleiten. In diesem Stadium der Zuwendung sind „die geistigen Vermögen (Verstand, Wille, Gedächtnis) noch nicht ‚schweigend‘“ 233, aber sie haben ihre Richtung und ihr Wirkungsfeld nach innen gerichtet und sich so grundlegend neu ausgerichtet. Zweimal setzt Teresa an, den Schwestern Hilfen zu geben, um „zum sicheren Verstehen dessen zu kommen, was er [der Verstand] da sagt und mit wem er spricht, ist es nötig, die äußeren Sinne auf uns selbst hin zu sammeln und ihnen etwas zu geben, um sich zu beschäftigen“ (CE 50,2).

Negativ grenzt sie ab, dass die Seele „nicht in den Himmel zu gehen braucht, um mit ihrem Ewigen Vater zu sprechen, und daß sie auch nicht laut zu beten braucht. […] Sie braucht auch keine Flügel, um sich auf die Suche nach ihm zu machen“ (CE 46,2).

Ebenso ist Gott „kein Freund davon, daß wir uns den Kopf zermartern“ (CE 50,2). Es reicht der Seele, leise zu sprechen, sie braucht „nur die Einsamkeit aufzusuchen und ihn in ihrem Innern anzuschauen und sich zu einem so guten Gast nicht befremdend zu verhalten, sondern ihn in großer Demut wie einen Vater anzusprechen, wie einen Vater zu bitten, es sich wie bei einem Vater gut gehen zu lassen“ (CE 46,2).

Teresa empfiehlt, den inneren Palast aufzuräumen und dort bei Gott zu sein (vgl. CE 48,3) und „es sich angewöhnen […], nicht herumzuschauen und nirgends zu verweilen, wo man etwas hört, was einen ablenkt“ (CE 47,2). Dafür ist es sinnvoll, „die äußeren Sinne auf uns selbst hin zu sammeln und ihnen etwas zu geben, um sich zu beschäftigen“ (CE 50,1). Dies gilt v.a. für die Beschäftigung mit dem Leben Jesu234, besonders empfiehlt sie die Betrachtung der Leidensgeschichte. 235 Je nach Gemütslage der Seele werden Szenen aus dem Leben Jesu betrachtet. Auch

232

Vgl. die Aussage zu Augustinus in CE 46,2, „daß er ihn vielerorts gesucht und schließlich in seinem Innern gefunden hätte,“ die zwar falsch zugeordnet aber inhaltlich passend ist. Vgl. Anm. der Übersetzer. 233 LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 48. 234 Vgl. CE 42, 4-5. In CE 35,4 schreibt sie: „Ich bin immer begeistert davon gewesen, und die Worte der Evangelien, von denen ich weiß, daß sie so aus jenem allerheiligsten Mund hervorgingen, wie er sie sagte, haben mich immer besser gesammelt als bestformulierte Bücher.“ 235 Vgl. CE 47,1; CE 42,5. 69

ein Bild von Jesus Christus bei sich zu tragen, kann eine Hilfe sein.236 Die Erklärung des Gebets der Sammlung ist schon in die Auslegung der Vater-Anrede im Vaterunser eingebunden, das Vaterunser ist also selbst Hilfsmittel, die Sinne zu sammeln. Der Vater ist im Innern zu finden und so wird das Innere zugleich zum Himmel.237 Ein wichtiger Hinweis für Teresas Verständnis des Gebets der Sammlung ist in CE 49,3 enthalten, wo sie schreibt: „Versteht, daß dies nichts Übernatürliches ist, sondern daß wir es machen können.“ Für U. Dobhan und E. Peeters ist dies die Belegstelle, dass das Gebet der Sammlung noch keine Stufe des kontemplativen Gebets ist: „Hier unterscheidet die Autorin sehr schön zwischen beiden Arten der Sammlung: In der ‚natürlichen‘ oder ‚nicht-mystischen‘ oder ‚aktiven‘ Sammlung ist es der Mensch selbst, der seine Seelenkräfte nach innen wendet, statt sie mit Äußerem zu beschäftigen; in der ‚übernatürlichen‘ oder ‚mystischen‘ oder ‚passiven‘ Sammlung wird er ohne sein eigenes Zutun nach innen gezogen, und es ist Gott, der seine Vermögen zum Schweigen bringt. Erstere entspringt also dem eigenen Bemühen, letztere kann man nicht selbst machen. Selbstverständlich kann aber die aktive Sammlung eine Art Vorbereitung für 238 die passive, gottgewirkte darstellen.“

Eine Unterscheidung von aktivem und passivem, eigenem und göttlichem Anteil wird hier abgrenzend aufgezeigt. Beide Komponenten scheinen sich bei Teresa jedoch zu ergänzen:239 Der wartende Herr im inneren Palast und die Seele, die durch den Kontakt mit ihm aufbricht. Oder mit einem anderen Bild: Es ist das „Feuer der göttlichen Liebe“ (CE 47,4), aber es ist der vom Funken berührte Mensch, der in Flammen gesetzt wird. Göttliche Inspiration des funkensprühenden Heiligen Geistes und die entflammte menschliche Wirklichkeit kommen hier zusammen: „Die Seele ist allein mit ihrem Gott; das ist die beste Voraussetzung, um sich gegenseitig zu verstehen“ (CE 47,4).240

Zusammenfassung Beim Gebet der Sammlung steht das menschliche Tun im Vordergrund, das Wirken Gottes ist jedoch immer Mitzudenken. Der Mensch macht sich die Gegenwart Gottes in seinem Inneren bewusst und richtet sich auf Gott hin aus. In der Vaterunser-Auslegung verbindet Teresa das Gebet der Sammlung mit der Anrede: Vater unser im Himmel. Als Bild verwendet sie den Palast im Innern des Menschen, in dem Gott wohnt und dem

236

„Besorgt euch als Hilfe dazu eine Abbildung oder ein Porträt dieses Herrn, nicht um es auf dem Herzen zu tragen und dann nie anzuschauen, sondern um oftmals mit ihm zu reden – er wird euch schon eingeben, was zu bereden ist –, wie ihr hier mit anderen Personen redet“ (CE 42,2). 237 Teresa spricht dies nicht so deutlich aus, die Schlussfolgerung legt sich aber durch die Logik ihrer Interpretation nahe. 238 DOBHAN/PEETERS, Weg der Vollkommenheit, Anm. 4 zu Kapitel 49. Das Gebet der Sammlung nicht als eigene Gebetsstufe anzusehen, vertritt auch G. Benker. Vgl. BENKER, Kontemplation, 72. 239 Teresa schreibt dies im Nachsatz zum eigenen Tun in CE 49,3: „Selbstverständlich vermögen wir alles, was ich in diesem Buch sage, nur mit Gottes Hilfe, denn ohne ihn kann man nichts, gar nichts.“ 240 Für den Trappisten T. Keating ist das Gebet der Sammlung erster Schritt zum kontemplativen Gebet und deshalb entscheidend, um den richtigen Einstieg zu finden. Er widmet ihm ein eigenes Buch. Vgl. KEATING, Das Gebet der Sammlung. 70

Menschen begegnen möchte. Dabei ordnen sich die Neben- und Äußerlichkeiten unter und treten in den Hintergrund. Dafür wird die Nähe Jesu immer mehr gesucht.

3.5.3.2 Gebet der Ruhe Unruhe ist für Teresa ein Zeichen für einen falsch eingeschlagenen Weg oder für Einflüsterungen des Bösen, wie es bei Skrupulanten immer wieder vor kommt (vgl. CE 67,5). Diese Unruhe ist verbunden mit „Verwirrung und Unruhe und seelischer Bedrängnis und der Unfähigkeit zur Beruhigung der Gedanken“ (CE 67,5). Damit ist nicht die produktive Unruhe gemeint, die den Menschen aufbrechen lässt, weil er erkannt hat, dass er sein Leben ändern muss. Diese führt zwar zu äußerer Aktivität und hoher innerer Aufmerksamkeit, welche aber mit „mit innerer Ruhe und Wonne und dem guten Gefühl verbunden sind, die die Selbsterkenntnis mit sich bringt“ (CE 67,5). Hier ist es so, dass „die Seele in echter Ruhe weilt, während der Verstand so aufgedreht ist“ (CE 53,4). Teresa verbindet die Einführung in das Gebet der Ruhe mit der ersten Vaterunser-Bitte: „Dein Reich komme.“ Doch für Gott ist klar, dass der Mensch dazu nicht fähig ist und „weder heiligen noch preisen noch groß machen noch verherrlichen noch loben“ (CE 52,1) kann, wie es angemessen wäre. Also gibt Gott schon auf Erden das Reich241 und seine Früchte, die u.a. darin bestehen: „Auf Dinge der Erde schon nicht mehr zu achten; innere Ruhe und Herrlichkeit; sich zu freuen, weil sich alle freuen; beständiger Friede; große innere Befriedigung, die daher kommt, weil man sieht, daß alle den Herrn heilig nennen und loben und seinen Namen preisen, und daß ihn niemand beleidigt. Alle lieben ihn, und die Seele selbst versteht sich auf nichts anderes mehr als ihn zu lieben, ja, sie kann gar nicht anders als ihn zu lieben, weil sie ihn kennt. Wenn wir ihn kennen würden, würden wir ihn hier so lieben, wenn auch nicht in solcher Vollkommenheit und Beständigkeit, jedenfalls würden wir ihn ganz anders lieben“ (CE 52,2).

Dieser Vorgenuss auf das, „was er ihnen hier in Raten schenkt“ (CE 52,3), besteht im Gebet der Ruhe in der Verbindung aus eigenem mündlichem Gebet und Kontemplation, die nicht selbst hervorgerufen wird. Mehrfach betont Teresa, wie wichtig es ist, in welcher Weise das Vaterunser gebetet wird und dass ein langsames Beten den kontemplativen Weg und die Verbindung zu Gott stärkt.242 Teresa nimmt also bei ihren Ausführungen als Ausgangspunkt das richtig gebetete mündliche Gebet, zu dem jetzt „etwas Übernatürliches, das wir nicht selbst herbeiführen können, so sehr wir uns auch anstrengen mögen“ (CE 53,2), hinzutritt. 241

Von der Übergabe von Anfängen des Reiches schon auf Erden schreibt Teresa z.B. in CE 52,1 und 53,1. 242 So z.B. über eine Schwester: Bei bestimmten Vaterunsern […] verbrachte sie zwei oder drei Stunden“ (CE 52,4). An anderer Stelle: „manchmal vergeht eine ganze Stunde, indem sie ‚Vater unser‘ sagen“ (CE 53,3). 71

U. Dobhan und E. Peeters fassen zusammen: „Es [das Gebet der Ruhe] steht für die ersten Erfahrungen kontemplativen […], mystischen oder übernatürlichen, also mehr von passivem Empfangen als von aktivem Tun geprägten Betens. Im Gebet der Ruhe sind die Seelenvermögen zwar weniger aktiv als im mündlichen oder betrachtendem inneren Gebet, doch ist die Intensität der Gotteserfahrung noch nicht so groß, daß sie die Fähigkeiten 243 des Menschen völlig lahmlegte und er nur noch passiver Empfänger wäre.“

Die menschlichen Vermögen treten also gegenüber einem sich vergrößerndem Eingreifen Gottes zurück, sind aber noch vorhanden, die Früchte des Gebets sind jedoch bereits geschenkt und nicht erworben, zumal das Erkennen Gottes als König soweit reicht, „daß die Seele so voller Ehrfurcht ist, daß sie noch nicht einmal zu bitten wagt“ (CE 53,2). „Ein inneres und äußeres Erstarren“ (CE 53,3), mit dem sie die Haltung des Menschen im Gebet der Ruhe vergleicht, ist negativ konnotiert und kann leicht falsch verstanden werden244, wenn Erstarrung mit einem Angstzustand gleichgesetzt wird.245 Dies wird im Folgenden positiv formuliert, wenn sie schreibt, dass der Mensch „sich also nicht zu rühren wagt, sondern ausruht wie einer, der fast am Ende seines Weges angelangt ist. Und man empfindet im Leib größte Wonne und große Befriedigung; und allein schon der Quelle nahe zu sein macht die Seele so zufrieden, daß sie sogar ohne zu trinken schon satt ist. Es ist ihr, als sei sie wunschlos glücklich. Die Vermögen sind so ruhig, daß sie sich nicht rühren wollen, wenn sie auch nicht ganz aussetzen, denn sie bedenken noch, bei wem sie sind, und können das auch noch. Es ist aber ein ruhiges Denken“ (CE 53,3).

Hier zeigt sich die Zwiespältigkeit des Gebets, in der der Beter zwar erstarrt, also seine Handlungsfreiheit aufgibt bzw. ihr verlustig geht, der errungene bzw. gewährte Zustand aber große innere Zufriedenheit beschert, die Teresa mit einem Urgefühl beschreibt, denn „die Seele ist hier wie ein Säugling, der noch gestillt wird“ (CE 53,5). 246 So ergibt sich also keine negative Abhängigkeit und Selbstaufgabe, sondern Geborgenheit,

243

DOBHAN/PEETERS, Weg der Vollkommenheit, Anhang I Erklärung wichtiger Begriffe, 328. In der Synopse zu ihrer Erklärung des Gebets der Ruhe in: Das Buch meines Lebens, Anhang I Erklärung wichtiger Begriffe, 634, fällt auf, dass sie dort weiter präzisieren. Zum einen sprechen sie vom Gebet der Sammlung als einer ersten Stufe (!), zudem führen sie die Früchte des Gebetes der Ruhe noch weiter aus: „Die charakteristischen Empfindungen, die dem Beter hier ohne sein eigenes Zutun zuteil werden, sind innere Ruhe und eine unwillkürliche Sammlung in der Gegenwart Gottes.“ 244 Dieses Erstarren hat durchaus einen aktiven Anteil des betenden Menschen. Teresa drückt es in CE 53,6 als „in seiner Ruhe verharren“ aus. „The prayer of quiet is simply our entry, by God’s gift, into the reality of God’s action, God’s love and self-giving, which we have acknowledged and actualized in saying ‘Our Father’.” W ILLIAMS, Teresa of Avila, 94. 245 Vgl. ebd., 101. Williams sieht hinter dem Erstarren aus Angst die Haltung, den Zustand selbst herbeigeführt zu haben und dass er durch die eigene Bewegung wieder gelöst werden könnte – er erkennt also ein mangelndes Vertrauen auf die Nähe und Fähigkeit Gottes und seiner Wirkung auf den Menschen: „If we are anxious, ‚not daring to move‘ lest we lose the state we are enjoying, we have misunderstand what is going on, ascribing it to our own resources. So here all we can do is maintain the will not to offend God.“ Ebd., 101. 246 „Teresas Säuglingsgleichnis findet sich ansatzweise in den ihr bekannten Büchern zeitgenössischer Franziskaner. Teresas eigener Beitrag ist dabei die Stufung der wachsenden Passivität des Beters, die der zunehmenden Aktivität Gottes entspricht.“ LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 62. 72

„Befriedigung“ (CE 53,7) und ein „stilles, großes Glücksgefühl“ (CE 53,6).247 „Im Gebet der Ruhe übernimmt Gott die Führung. Aber es bedarf dazu der freiwilligen Zustimmung des Menschen.“248 Dennoch ist der Mensch im Vergleich zum Gebet der Gotteinung noch aktiv, er ist wie der Säugling, der noch selbst schluckt (vgl. 53,5). „Verstand und Gedächtnis sind noch frei. Nur ‚der Wille ist hier gefesselt.‘“249 Das Vermögen des Menschen nimmt ab, der Einfluss und das Wirken Gottes nehmen zu. In der Vida verwendet Teresa das Bild des Gärtners für den Gebetsweg. Bei dieser zweiten Gebetsstufe besteht der Ertrag schon aus „höchsten Trostgefühlen“ die „mit so wenig Anstrengung“250 erreicht wird“ – weniger Anstrengung und mehr Ertrag. Das Beziehungsbild, das Teresa hier einführt, ist sehr innig und zärtlich. Teresa fordert nun nicht, dass alle Schwestern diesen Zustand erreichen müssen, dass sie aber versuchen eine solche innige Beziehung aufzubauen, die von Vertrautheit und Ruhe geprägt ist, dass nicht viele Worte gemacht werden müssen, um sich einander gegenseitig zu vergewissern. „Große Freundinnen von vielem Reden“ (CE 53,8), die nur ihren Auftrag erledigen, kommen nicht weit, da sie „dieses Gebet der Ruhe und diesen inneren Frieden auch dann nicht annehmen, wenn der Herr sie ihnen schenkt und ihnen sein Reich in die Hände gibt, sondern im Gegenteil meinen, daß sie selbst mit ihrer Beterei etwas Besseres tun, und dabei zerstreuen sie sich“ (CE 53,8).

Auch hier wendet sich Teresa gegen jegliches ‚Leistungsbeten‘, denn diese Stufe kann nicht über eine bestimmte Technik erreicht werden251, und wirbt, auf die Beziehung zu 247

„Kurz, solange man sich in diesem Zustand befindet, ist man aufgrund der inneren Zufriedenheit und des leiblichen Wohlgefühls so sehr versunken und in sich vertieft, daß es nichts mehr zu wünschen gibt. Man möchte nur noch mit Petrus sagen: ‚Herr, laß uns hier drei Hütten bauen!‘“ (CV 31,3). Dieser Abschnitt fehlt im CE. Zitat aus DOBHAN, „Es komme in uns Dein Reich“, 173. Der Hinweis auf die Bitte des Petrus bei der Verklärung des Herrn (Mt 17,1-9 par.) ist ein Beleg für die Frucht des Gebetes. Bei der Verklärung sind nur die drei engsten Jesu Jünger dabei – auch Jesus geht mit seinen Jüngern verschiedene Wege. Neben den drei Aposteln kommen die alttestamentlichen Propheten Mose und Elia hinzu, letzterer gilt z.Zt. Teresas als Gründer des Karmelitenordens (vgl. Elija auf dem Karmel, 1 Kön 18,1-19,13). Zur Berufung auf Elija als Gründer des Karmel-Ordens siehe PLATTIG, Elija, 52-65. 248 LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 57. „Das Gleichgewicht im Gebet der Ruhe ist allerdings, und besonders in der Zeit des Erlernens, noch ein labiles. Der eben noch harmonisch mitarbeitende Verstand (und das gleiche könnte für das Erinnerungs- und Vorstellungsvermögen gelten, für innere Bilder) wird unruhig, er macht sich wieder selbständig. […] Das ist kein Grund zur Sorge, da ja der Wille […] in seiner beglückenden Ruhe verbleibt.“ LORENZ, Ebd., 61. 249 HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 111. Ziel ist jedoch nicht das vollkommene Aufgeben des selbst, sondern die „Freiheit des Geistes ist eine der wichtigsten Früchte der Einübung ins Gebet.“ HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 112. Ebenso zeigt sich, dass die Einheit kein ineinander Auflösen bedeutet, sondern höchste Freiheit. „As our fundamental wanting of God becomes stronger and simpler, it becomes readier to be held.” W ILLIAMS, Teresa of Avila, 94. “Die Klarheit unterscheidet dieses Bewußtsein von allen tranceartigen und hypnotischen Zuständen. Der so Betende ist von der Außenwelt abgeschirmt, aber innerlich ‚voll da‘.“ LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 63. 250 V 14,4. 251 Vgl. W ILLIAMS, Teresa of Avila, 95. Auch die Ablehnung von Konversation mit den anderen Schwestern oder Verwandten um mehr Ruhe zu haben, ist nur eine Technik – wichtiger ist die Haltung, solche Konversation nicht mehr zu benötigen, da die Verbindung mit Gott alles andere unwichtig gemacht hat. 73

Gott zu vertrauen, der andere Maßstäbe anlegt und dessen Schatz ein anderer ist: „Der, zu dem ihr betet, ist ganz nahe; er kann gar nicht versäumen, euch nicht zu hören“ (CE 53,9).252 Für U. Dobhan umfasst das Gebet der Ruhe zwar „‚Ruhe‘ im Hinblick auf die bisherige Willensaktivität des Menschen. Doch das Sein des Menschen, das Innerste des Menschen, wird aktiviert; seine Beziehungs- und Freundschaftsfähigkeit wird vertieft. […] Der Wille des Menschen ist gebunden, aber nicht mehr an die menschliche Begrenztheit, sondern 253 an die Unbegrenztheit Gottes.“

Das eigene Tun ist nunmehr sehr begrenzt und vor allem mit der Einübung der Haltung der Ruhe verbunden: „Die Regel des Karmel schreibt vor, daß der einzelne sorgfältig an dieser Haltung arbeitet, sorgfältig mit der Kommunikation umgeht.“254

Zusammenfassung Innere Ruhe ist für Teresa ein entscheidendes Kriterium für den kontemplativen Weg. Im Gebet der Ruhe schenkt Gott diesen inneren Frieden, weshalb es unstrittig als eine Gebetsstufe gezählt wird. Dennoch sind die Aktivitäten des Menschen noch nicht ganz eingestellt, aber er ist passiver und sein Tun besteht darin, dass er geschehen lässt.

3.5.3.3 Gebet der Gotteinung Nachdem Teresa das Gebet der Sammlung und das Gebet der Ruhe erläutert und beschrieben hat, steht nun als dritte Stufe das Gebet der Gotteinung aus. Doch merkwürdig unkonkret geht sie im Camino dabei vor, denn nach den jeweiligen Kapiteln zu den ersten beiden Stufen verläuft sich die Beschreibung dieser Ebene.255 Teresa hält sich bei der Beschreibung selbst sehr zurück und verwendet das Wort (Gott)Einung256 im Codex Escorial nur sechs Mal, obgleich sie unbezweifelbar Ziel des

Ebd., 101. Auf die Unverfügbarkeit des Menschen weist auch U. Dobhan hin, „daß Beten nicht so viel bedeutet wie Sich-konzentrieren-können – angesichts guter Meditationsanleitungen mit praktischen Übungen ein wichtiger Rat. Richtig atmen, sitzen oder sich konzentrieren sind gute Hilfen, aber noch nicht eigentlich beten im Sinn der Kirchenlehrerin des Betens.“ DOBHAN, „Es komme in uns Dein Reich“, 172. Gleichwohl ist Teresa eine Frau mit großem Briefwechsel und Freundeskreis, aber alle diese Kontakte stehen im Dienst ihres Weges mit Gott. 252 Im „Gebet der Ruhe [ist es der Herr, der] uns anfänglich zu verstehen gibt, daß er unsere Bitten erhört“ (CE 53,1). 253 DOBHAN, Frei werden durch Freundschaft, 142. Zum Thema Freundschaft siehe Kapitel 3.1.4 dieser Arbeit. 254 HERBSTRITH, Von Gott beschenkt, 94. Mit Kommunikation ist sowohl das Gespräch mit Gott gemeint, wie auch die Kommunikation mit den Menschen durch „Ausstrahlung von Frieden, Annahme des Nächsten.“ – dafür ist die Nähe zu Gleichgesinnten sehr hilfreich. Ebd. 255 Dies zeigt sich auch in den Kapitelüberschriften, die zwar erst später eingefügt wurden, aber den Versuch unternehmen, den Text etwas zu gliedern und zu systematisieren – eine Überschrift mit ‚Gotteinung‘ ist nicht vorhanden. 256 Spanisch: unión. 74

Weges ist und die eigentliche ‚Kontemplation‘ bedeutet.

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Verschiedene Motive sind

dafür vorstellbar: Eine Möglichkeit besteht darin, dass die Auslegung der weiteren Zeilen des Vaterunsers258 insgesamt eine Beschreibung des Gebets der Gotteinung ist. Vertreterin dieser These ist E. Lorenz:259 „Die kontemplative oder mystische Umwandlung hebt zunehmend die Trennung zwischen Gott und seinem Geschöpf auf. Das vollzieht sich von zwei Seiten her.“260 Der Wille des Menschen wandelt sich und er übergibt sich als Liebender freiwillig und bewusst dem Willen Gottes261, was aber nur durch Übergabe an Gott gelingen kann, weil „die Übereinstimmung mit Gottes Wollen, Lieben, Wirken […] unsere natürlichen Kräfte“262 übersteigt. So verändert sich der betende Mensch zum Zielpunkt hin, den Teresa so formuliert: „Uns dem Schöpfer ganz hinzugeben und unseren Willen dem seinen zu ergeben und uns von den Geschöpfen zu lösen“ (CE 55,3) und „dabei tun wir unsererseits gar nichts“ (CE 55,4). E. Lorenz fasst zusammen: Gott verwandelt uns nicht nur in Glaubende, Liebende und Hoffende, er erfüllt uns von innen so mit sich selbst, daß wir in ihn verwandelt werden – für Teresa keine ungeheuerliche Aussage, da sie ganz 263 mit dem Pauluswort vertraut ist: ‚Nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir‘ (Gal 2,20).“

Entscheidend ist die Entschlossenheit, sich diesem Willen hinzugeben und so „den Allmächtigen herbeizuziehen, um eins zu werden mit unserer Unzulänglichkeit und uns sich gleichzugestalten und aus dem Urheber und dem Geschöpf eine Einheit zu machen“ (CE 55,5).264 Sichtbares Zeichen der Einigung Gottes mit dem Menschen ist die Eucharistie, die Kommunion, in der das Wort ‚unión‘ enthalten ist. Sie ist für Teresa entscheidender Garant für die Begegnung mit Gott und hebt alle anderen Formen auf. 265 Daran zeigt sich auch, dass es um die persönliche Beziehung zwischen Jesus Christus

257

Vgl. HERBSTRITH, Lebensweg, 114. Sie übersetzt den Begriff als ‚Gebet der Vereinigung‘. Also von „Dein Wille geschehe“ bis zum „Amen.“ 259 E. Lorenz nimmt eine Systematisierung des Camino vor, die eine klare Struktur aufweist und in vier Abschnitte gegliedert ist: 1. Vorbereitung; 2. Gebet der Sammlung; 3. Gebet der Ruhe; 4. Gebet der Einung. Vgl. Inhaltsverzeichnis von: LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 5. 260 LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 73. 261 Ebd., 73f. 262 Ebd., 74. 263 Ebd., 75. 264 Im von E. Lorenz abgesteckten Rahmen für das Gebet der Einung verwendet Teresa das Wort ‚unión‘ einzig an dieser Stelle. 265 Teresa empfiehlt für die Sammlung ein Bild Jesu bei sich zu tragen. Ist aber die Eucharistie zugegen wird es unnötig, weil der Herr selbst anwesend ist und nicht durch etwas anderes präsent gehalten werden muss, wie sie in CE 61,8 beschreibt: „Wenn ihr das vor einem Bildnis Christi, vor dem ihr euch befindet, erbitten solltet, seht ihr dann nicht, daß es eine Dummheit wäre, in diesem Augenblick das lebendige Bild und die Person selbst im Stich zu lassen, um eine Zeichnung anzuschauen? Wäre es keine Dummheit, wenn jemand, den ihr sehr gern habt und von dem ihr ein Porträt habt, zu Besuch zu euch käme, ihr es aber dann versäumtet, mit ihm zu sprechen, und die ganze Unterhaltung mit dem Porträt führtet?“ 75 258

und dem Menschen geht, sie ist „der kürzeste und sicherste Weg, der zur Gotteinung führt.“266 Widersprüchlich zu dieser These ist, dass Teresa selbst nur in einem einzigen der Kapitel CE 54-72 direkt von Gotteinung spricht. Der Ausdruck befindet sich in Kapitel CE 55, das mittlere der drei Kapitel über die Vaterunser-Bitte „Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.“ Es gibt einen wichtigen Hinweis auf das Verständnis Teresas für das Gebet der Gotteinung, wie sie selbst schreibt: „Da alles, wozu ich euch in diesem Buch geraten habe, auf diesen Punkt abzielt, uns dem Schöpfer ganz hinzugeben und unseren Willen dem seinen zu ergeben und uns von den Geschöpfen zu lösen, und ihr schon verstanden habt, wie wichtig das für uns ist, sage ich dazu weiter nichts mehr. Ich will nur noch sagen, wozu unser guter Meister hier die besagten Worte bringt, weiß er doch, welch großen Gewinn wir davon haben, seinem ewigen Vater diesen Dienst zu erweisen: Damit wir uns darauf einstellen, um in ganz kurzer Zeit zu erleben, daß wir am Ende des Weges sind und vom lebendigen Wasser der Quelle trinken, die schon erwähnt wurde. Denn ohne daß wir uns dem Herrn ganz hingeben und uns seinen Händen überlassen, damit er in allem, was uns betrifft, seinen Willen tut, läßt er uns niemals davon trinken. Das ist die vollkommene Kontemplation, von der ihr mir gesagt habt, daß ich euch darüber schreiben soll“ (CE 55,3).

Aus diesem Abschnitt des Camino lässt sich eine Annäherung an das Gebet der Gotteinung herleiten: „Dabei tun wir unsererseits gar nichts, bemühen uns nicht und verhandeln über nichts, und brauchen – da alles weitere nur stört und hindert – nichts weiter zu sagen als ‚Dein Wille geschehe‘“ (CE 55,4).

Vollkommene Kontemplation ist das völlige Überlassen des eigenen Willens zugunsten Gottes Willen. Alle Sinne sind nach innen gerichtet, die Seele ist „völlig in Gott versenkt, wie abwesend für die äußere Welt.“267 Diese Hingabe nimmt alles als von Gott gegeben hin, das eine als Prüfung („Verfolgungen, Krankheiten, Ehrverluste und Nöte“ ebd.), das andere als Gnade (Erfahrung des Reiches, Gottes Nähe und Kraft), „denn sogar schon in diesem Leben beginnt er zurückzuzahlen“ (CE 55,2). Mehrfach verwendet Teresa im Zusammenhang mit Kontemplation und Gotteinung das Bild vom Wasser.268 Das Wasser reinigt den Menschen und es wird beim Reinigungsprozess immer klarer, da der Mensch der Quelle näher kommt. Die letzte Stufe der Begegnung mit dem Wasser ist, es am Ende des Weges zu trinken, wie sie auch im oben angeführten Zitat belegt, dass der Herr ohne vorherige Reinigung ‚niemals‘ vom Wasser trinken lässt.

266

ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 74. MARIE-THÉRÈSE, Der Weg des Gebetes nach der hl. Teresa von Avila, 11. 268 Die Hauptstelle zu ‚Wasser‘ ist CE 30f. Ausgehend von der Begegnung Jesu mit der Samariterin am Jakobsbrunnnen legt sie in Kapitel CE 31 drei Eigenschaften von Wasser dar: Es kühlt, reinigt und löscht den Durst. 267

76

Gesteigert wird das Bild noch durch eine andere Form des Trinkens: Das Trinken des Kindes an der Brust der Mutter. In der Gotteinung muss das Kind nicht einmal mehr schlucken, weil auch dieses Tun vom Herrn abgenommen wird (vgl. CE 53,6). Teresa will mit diesen Beispielen darauf hinaus, dass Gotteinung nur durch völlige Willenshingabe und Absichtslosigkeit möglich wird und selbst dadurch Gott nicht zur Einung ‚gezwungen‘ werden kann.269 Jedoch kann, wer sich von allem Irdischen gereinigt und befreit hat, zur Einung gelangen (vgl. CE 31,3), sofern Gott ihm dieses Geschenk zuteil werden lässt. Hintergrund ist die Annahme, dass der Himmel so rein ist, dass er mit Irdischem (Wollen, Streben, Denken) unvereinbar gilt. Das Irdische steht für alles, was von Gott ablenkt oder um beim Bild zu bleiben: Wenn der Himmel klarstes Wasser bedeutet, ist Irdisches wie Fett, dass sich nicht mit Wasser vermischen kann. Trotz der Erläuterungen im angegebenen Kapitel lässt Teresa beim Gebet der Gotteinung eine Systematisierung vermissen. Eine mögliche Theorie, dass Teresa erst noch das notwendige Vokabular entwickeln musste (, das ihr dann in den Wohnungen der Inneren Burg zur Verfügung stand,) ist angesichts der beiden geschriebenen und sprachlich reifen Bücher abwegig. Eine weitere Zuordnung, dass Teresa mehr Pragmatikerin als systematische Theologin ist, stimmt, greift aber ebenfalls zu kurz. Hinter dem Verzicht auf eine Systematik ist eine Absicht erkennbar: Teresa wollte für die Beschreibung des Gebets der Gotteinung keine weitere Konkretion. Warum? Teresa litt unter der Schematisierung von Gebetsformen, die letztlich zu einem bloßen Tun zu erstarren drohen und den wirkenden Geist nicht zur Entfaltung kommen lassen.270 Für sie ist klar, dass sich die Beziehung zu Gott jeder Systematisierung entzieht, wie es letztlich wohl bei jeder Form lebendiger Beziehung ist. Eine Vorgabe würde die Lebendigkeit der individuellen Beziehung zu Gott einengen, die sie mit ihrer Art zu beten gerade überwinden will. Teresa ist also deshalb noch vorsichtiger in der Formulierung, um Gott und seinem Wirken nicht vorzugreifen oder es gar zu definieren, da er in seiner Unendlichkeit ohnehin nicht festlegbar ist. Sie verzichtet auf die Beschreibung eigener Erfahrungen,

269

Auf das Gebet der Ruhe „kann das Stadium folgen, in dem die Erkenntnis der Einheit gleichsam von selbst auftritt und nicht mehr aktiv herstellbar oder beeinflussbar ist (Gebet der Einheit).“ BENKER, Kontemplation, 72. 270 Mit der Vaterunser-Auslegung geht sie dabei von einer Gebets-Tradition aus, die sie mit ihrem Buch kritisch hinterfragt und überwinden will. Sie sieht die Gefahr, dass im Wettstreit von Quantität des Tuns mit der Qualität der Beziehung letztere auf der Strecke bleibt. Allerdings erkennt sie an, dass auch mit dem ‚‘mündlichen Gebet‘ eine hohe Beziehungsqualität erreicht werden kann. Vgl. Kapitel 3.4 dieser Arbeit. 77

um anderen Erfahrungen Raum zu lassen. Weitsichtig unterlässt sie es, den Weg allzusehr zu lenken, wo es ohnehin allein auf Gott ankommt, der nun die Führung übernommen hat. Auch das Gebet der Gotteinung ist noch nicht das Ziel des Weges zur Vollkommenheit. Die Vollkommenheit kann der Mensch erst in der der Ewigkeit erreichen, denn „es ist sinnlos,

Schwestern,

zu

meinen,

daß

wir

von

vielen

Versuchungen

und

Unvollkommenheiten und sogar Sünden frei sein könnten, so lange wir am Leben sind“ (CE 72,4). Der letzte Schritt des Weges der Vollkommenheit geht also über die Schwelle des Todes hinweg.271 Vor diesem Hintergrund ist es kein Wunder, dass Teresa von einer gewissen Todessehnsucht befallen ist, die sich im weiteren Verlauf des Lebens u.a. in Zusammenhang mit den Neugründungen von Klöstern verringert. Aber mit der eigenen Beziehung zu Gott wächst auch die Verbindung zur Welt, in die Gott den betenden Menschen stellt und in der er die Mithilfe des Menschen braucht: Die Seele würde am liebsten sterben, aber Gott schenkt das Licht der Erkenntnis, dass es gut ist zu leben, um Gott und dem Nächsten zu dienen.272 Auch diese Frucht ist beim Gebet der Gotteinung enthalten.

Zusammenfassung Die Erläuterung des Gebet der Gotteinung geschieht durch Teresa zögerlich, weil sie dem Wirken Gottes nicht vorgreifen will. Der Mensch übergibt sich ganz Gott, der sich ihm in der Einheit schenkt. Im Gebet der Gotteinung sind alle Sinne nach innen gerichtet, der Mensch ist wie abwesend für Reize von außen. Der Mensch ist nun so weit innerlich gereinigt, dass eine solche Verbindung zustande kommen kann, weil eine die entsprechende Ebene für die Begegnung erreicht ist. Auch wenn die Begegnung im Gebet der Einheit die größtmögliche ist, die sich Teresa zu dieser Zeit vorstellen kann273, bleibt sie vorläufig und findet erst nach dem Tod letzte Erfüllung. Dabei ist mit dem Gebet der Gotteinung zugleich eine apostolische Ausrichtung verbunden und es macht auf den Nächsten aufmerksam. 271

Vgl. Teresas Gebet „Vivo sin vivir en mí” mit dem wiederkehrenden Thema “que muero porque no muero” („dass sterbend ich nicht sterbe“) (P 1). Das Leben ist bitter, weil es die letzte Einigung, das völlige Aufgehen in Gott, nicht zulässt. „Leben ist Tod, so lange und sofern es von Gott trennt. Tod ist Leben, sobald und sofern er eine Annäherung an Gott bringt, gar eine Einung oder – erst nach dem leiblichen Tod ganz vollziehbar – die absolute Erfüllung der Liebe.“ LORENZ, Sterben um zu leben, 74. 272 “More significantly, there is an account of union (7) underlining very strongly the apostolic effects of this state. The soul in (ecstatic) union would happily die; but ‘sometimes His Majesty gives it light to see that living is good for it’, and the soul is happy to leave its delight for the sake of works of service to God and the neighbour (7.3). The conjunction of Martha an d Mary, which up to now has been treated at an earlier stage.” R. W ILLIAMS, Teresa of Avila, 105. 273 In den Wohnungen der Inneren Burg wird sie das Thema fortschreiben. 78

4 Gebetshaltungen: Teresa als Pädagogin „Ein Meister der Erziehungskunst wird nur werden können, wer eine geborene Führernatur ist. Teresia war es. Sie besaß den klaren Blick des Geistes, der hohe Ziele rasch und scharf erfaßt; die Glut des Herzens, die sie lebhaft ergreift und tief innerlich sich zu eigen macht; den tatbereiten Willen, der unverzüglich an die Ausführung des als erstrebenswert Erkannten geht; den Gemeinschaftsgeist, der das, was er als gut für sich erstrebt oder besitzt, sofort auch anderen zukommen lassen möchte; und 274 die Zaubermacht über die Seelen, die sie unwiderstehlich mit fortreißt.“

Teresa schreibt mit dem Weg der Vollkommenheit ein Buch, mit dem sie die Schwestern zu einem geistlichen Leben anleiten will und – wie Edith Stein erfasst – sie verfügt über hervorragende Qualitäten dazu. Das Ziel, immer mehr mit Gott zu leben, lässt sich aber nur schrittweise erreichen und deshalb entwickelt Teresa für diese Gebets- und Lebensschule eine entsprechende Pädagogik, die sich an der Kardinaltugend des Maßes orientiert.275 Diese Tugend fordert zum einen heraus und lässt keinen Müßiggang zu, weiß aber auch, dass ein Überspannen des Bogens den Prozess mehr behindert als fördert. So kritisiert Teresa Schwestern, die zunächst der „Wahnsinn“ antreibt, „Bußübungen ohne Maß und Ziel zu verrichten“ (CE 15,4)276, dann aber durch ‚ausbleibenden Erfolg‘ so niedergeschlagen sind, dass alle Mühen wieder zusammenbrechen und das Gebet vollständig aufgegeben wird.277 Ein solcher Übereifer wird von Teresa abgelehnt, zumal er die Gefahr birgt, dass geleistete Bußübungen ein Leistungsdenken fördern. „Dabei fällt aber auf, daß ihr reformerisches Wirken niemals heftig, hitzig oder ungestüm ist. Im Gegenteil wendet sich Teresa von Anfang an gegen jede Form des Rigorismus. Sie bevorzugt einen 278 ‚sanften‘, eher ‚gemäßigten‘ Lebensstil.“

Eine Frau, die zur reinen Versorgung in ein Kloster eintreten will, hätte mit dieser Absicht kaum den teresianisch-reformierten Karmel ausgesucht. Die in den neuen Karmel eintretenden Schwestern sind also eher über- als untermotiviert, so dass Teresa den Drang zu Mortifikationen mehr mäßigen als anspornen muss. Sie lehnt solche Frömmigkeitsübungen nicht völlig ab, steht ihnen aber äußerst misstrauisch gegenüber und versucht sie in eine gesunde Bahn zu lenken – dazu dienen ihr die eigene Erfahrung und das gesunde Maß.279 274

Stein, Eine Meisterin der Erziehungs- und Bildungsarbeit: Teresia von Jesus, 93f. Maß wird im Kanon als letzte der vier Kardinaltugenden geführt und hält besonnen die Waage zwischen „einem Zuviel u. einem Zuwenig.“ Vgl. Herbert Schlegel, Maß, Mäßigung, 1458f. 276 Schon früh kommen ihr „großartige Tugendübungen […] allzu übertrieben“ (V 3,2) und nicht weiterführend vor. 277 Sie wird an dieser Stelle ironisch und nimmt spirituelle Kurzatmigkeit aufs Korn: „Die Einbildung, daß wir Kopfweh haben, ist noch nicht richtig da, und schon unterlassen wir es, zum Chorgebet zu gehen (was uns genausowenig umbringt): Einen Tag lang, weil wir Kopfweh hatten, einen weiteren, weil wir es gehabt haben, und noch drei Tage, damit wir keins mehr bekommen.“ (CE 15,4). 278 BURGGRAF, Teresa von Avila, 225. 279 Vgl. CE 18,3. Hier empfiehlt Teresa Mortifikationen, um den Willen gefügig zu machen. Wie die Übersetzer in der entsprechenden Anmerkung betonen, sollen solche Bußübungen helfen, alles zu 79 275

„Teresa sah in der körperlichen Buße ein Mittel zur inneren Vereinigung mit der Passion des Herrn, und sie war sich bewußt, daß die Askese je nach Umständen und Personen verschiedene Formen 280 annehmen muß; darum bemühte sie sich um kluges Maßhalten in den entsprechenden Übungen.“

Eingedenk der großen Motivation der Schwestern lenkt sie die Blickrichtung ganz auf den Herrn, der auch Herr, Begleiter und Lenker des spirituellen Prozesses ist. Teresa versucht nun alles, um der betenden Schwester auf diesem Weg zu helfen, damit sie den Einstieg erreicht. Hierbei sieht Teresa nicht nur übertriebene Bußübungen kritisch (die in der Tradition einen großen Umfang einnehmen), auch spirituelle Ereignisse wie Wonnen, Visionen oder Verzückungen bedeuten für sie noch nicht das Erreichen des Zieles, können aber Zeichen für den richtig eingeschlagenen Weg sein.281 Zur Unterscheidung solcher Gnadengaben von Einbildungen und Eingebungen des Bösen sieht sie einen geistlichen Begleiter als unersetzlich.282 Auch ihre eigenen Visionen sieht Teresa differenziert und sie erläutert ihre Haltung: „Euer Erkenntnisstand, Töchter, ob ihr vorangekommen seid, bemißt sich daran, ob jede erkennt, daß sie die Erbärmlichste von allen ist (und zwar so, daß man an ihren Werken erkennt, daß sie es zum Nutzen und Wohl der anderen so erkennt), und nicht daran, daß eine im Gebet mehr Wohlgefühle und Verzückungen und Visionen und derartige Dinge erfährt, denn wir müssen erst auf die andere Welt warten, um zu sehen, was die wert sind“ (CE 29,5). Und weiter: „jene anderen Andachtsgefühle […] sind eine unsichere Sache. Bei einer anderen Schwester mag es vielleicht von Gott sein, bei euch aber läßt Seine Majestät zu, daß es eine Illusion des Bösen ist und er euch täuscht, wie er das schon bei vielen getan hat“ (CE 29,7).

Teresa will die Schwestern also vor falscher Gewissheit schützen und sie zu einem gesunden Misstrauen gegenüber allen Möglichkeiten von Täuschungen und Einbildung erziehen. W. Herbstrith fasst zusammen: „Alles, was sie im Verlauf ihrer Erfahrungen mit

überwinden, was innerlich unfrei macht. „Obwohl Teresa als Kind ihrer Zeit diese Übungen miteinbezog, waren sie für sie in Wirklichkeit zweitrangig im Gegensatz zu dem hohen Stellenwert, den sie generell in den damaligen Ordensreformen hatten; viel wichtiger schien es ihr, sich in der inneren Freiheit zu üben, indem man z. B. darauf verzichtet, immer den eigenen Willen durchzusetzen.“ DOBHAN/PEETERS, Weg der Vollkommenheit, 144, Anm. 5. An dieser Stelle geht es v.a. um das Prestigedenken. Für dessen Überwindung scheinen ihr (besonders öffentliche) Mortifikationen angebracht. Dazu soll die Schwester die Oberin um eine Übung zur Demut bitten. Auch hier zeigt sich die Pädagogik Teresas: Die Übung wird von der Oberin erbeten, die wiederum dem gesunden Maß verpflichtet ist. So bleibt die Schwester in diesem Prozess nicht allein. Ein weiteres Moment ist, dass die Übung erbeten und nicht auferlegt wird, die Schwester möchte demütig werden und wird nicht gedemütigt. 280 BURGGRAF, Teresa von Avila, 231. 281 „Teresa unterscheidet allerdings zwischen dem, was in der ‚mystischen‘ Erfahrung wesentlich und dem, was mit unserer ‚schwachen Natur‘ zu tun hat – also zweitrangig ist. Damit hilft sie uns zugleich zu unterscheiden, was die ‚christliche Mystik‘ ausmacht, denn Visionen, Levitationen, Ekstasen und andere außergewöhnliche Phänomene gibt es auch außerhalb des Christentums. Das Wesentliche ist für Teresa […] die persönliche Beziehung zu und mit Gott, der in Jesus Christus Mensch geworden ist, der uns als Gott und Mensch begegnet, zu einer liebevollen Beziehung einlädt, die wir ‚durchaus menschlich‘ eingehen können und in welcher er uns verwandelt.“ ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 73. 282 Vgl. Kapitel 7 dieser Arbeit. Teresa knüpft damit an die Karmelregel an, die im Schlusskapitel als Richtschnur die Tugend der Unterscheidung anführt. Vgl. Waaijman, Der mystische Raum des Karmels, 33. 80

Gott schauen wird, die mystischen Phänomene, von denen sie auch berichtet, sind nichts anderes als vorübergehende Hilfen.“283 Hier zeigt sich wieder die Schwierigkeit, das Tun des Menschen und das Handeln Gottes zueinander ins Verhältnis zu setzen. Wer den Weg gehen will, kann damit schon eine Fehlhaltung einnehmen. Und so bleibt für den Menschen allein die Bereitschaft, für Gott zur Verfügung zu stehen. Jegliches eigenes Handeln (und damit auch der Wille als Tun des Geistes) bleibt zu überprüfen, ob es dem Willen Gottes entspricht. R. Williams spricht von der ‚absoluten Priorität der göttlichen Initiative ‘ 284, der alles Tun des Menschen zuwider stehen kann. Teresa verdeutlicht dies in Kapitel CE 32, wenn sie über die rechte und falsche Sehnsucht schreibt: „Und wenn der Böse irgendwie zu einer so starken Sehnsucht beigetragen hatte […], dann ist das ein Zeichen, daß er nicht weit davon entfernt war, diese Sehnsucht anwachsen zu lassen; wenn sie nämlich vom Herrn käme, würde sie ihm keinen Schaden zufügen (das ist unmöglich, denn die bringt Licht und Klugheit und rechtes Maß mit sich)“ (CE 32,5).

Das rechte Maß ist ebenfalls eine Gabe des Herrn: „Da er Herr ist, bringt er die Freiheit mit, und da er uns liebt, paßt er sich unserem Maß an“ (CE 48,3). Gott mutet dem betenden Menschen nicht zu viel zu, überfordert ihn nicht, sondern führt ihn gemäß der menschlichen Möglichkeiten, die Gott freilich „Schritt für Schritt weiter macht, entsprechend dem, was er für nötig erachtet für das, was er in sie hineingibt“ (ebd.). Das rechte Maß hält die Balance, vermeidet zerstörerische innere Unruhe, während die positiv antreibende Spannung gehalten wird, die für den Weitergang des Prozesses unerlässlich ist. Während der Mensch immer wieder Maßhalten muss, um den Weg nicht zu verlieren, vergilt der Herr „ohne jedes Maß“ (CE 65,5). Die Verheißung ist immer größer als das, was der Mensch für sich genommen fassen kann. Nach dem Abstecken der möglichen Fallstricke und Irrwege stellt sich die Frage, wie Teresa ihre Pädagogik umsetzt und motiviert.

4.1 Entschlossenheit Da die Schwestern mutmaßlich mit hoher Motivation ins Kloster eintreten, greift Teresa diesen Elan auf: „Mut, Entschlossenheit, Tatkraft, auf alles verzichten, was die Anliegen 283

HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 76. Laut W. Herbstrith fürchtet Teresa nur eines: „Wir könnten die Täuschung der Wahrheit vorziehen“. Ebd. 117. „Letztes Kriterium für die Echtheit auch der tiefsten Erfahrungen war für sie die Übereinstimmung mit der Lehre der Kirche.“ Ebd. 127. Ein anderes Kriterium ist „die Wirkung – ein Gefühl tiefsten Friedens im Innersten des Menschen – zum Massstab für die echte oder falsche Gottes-Begegnung.“ ZELL, Durch Liebe zur Identität, 15. J. Burggraf befasst sich mit der Frage nach der Echtheit der teresianischen Visionen. Vgl. BURGGRAF, Teresa von Avila, 353-367. Mit den ‚teuflischen Einflüssen‘ und ihrer Unterscheidung zu göttlichen Eingebungen befasst sich B. Souvignier. SOUVIGNIER, Die Würde des Leibes, 158f. 284 „The absloute priority of the divine initiative.“ W ILLIAMS, Teresa of Avila, 104. 81

Christi verdunkelt, das sind ihre Forderungen.“285 Immerhin 47 Mal verwendet Teresa den Wortstamm determinar im Camino.286 In Kapitel CE 39 schreibt sie von drei Gründen, die für eine entschlossene Haltung sprechen:287 1. Es ist der Dank für die bereits empfangenen Gaben. Auch wenn der Bräutigam unendlich viel reicher ist und seine Braut mit großartigen Geschenken überhäuft, findet sich für sie ein Weg, die empfangenen Gaben zu erwidern und sei es nur ein „Ringlein“ (CE 39,2) oder gar nur ein „Augenaufschlag“ (CE 39,3). Dabei vermeidet Teresa jegliches ‚do ut des‘288, denn der Herr gibt zuerst und er ist nicht kleinlich wie einer, der nur gibt, wenn er selbst bekommt. Eine solche weitherzige Haltung soll der Beter auch selbst einüben. Die Entschlossenheit besteht hierbei, dem Herrn als ‚Liebesbeweis‘ „gedankenfrei und unbelastet von anderen Dingen“ (CE 39,2) Zeit zu schenken. 2. Wer den Weg mit Gott nicht entschlossen geht, bietet dem Bösen 289 eine Angriffsfläche. Dieser „hat große Angst vor entschlossenen Seelen“ (CE 39,4), weil sie ihm in seinem Tun großen Schaden zufügen, wenn er die Menschen zu verwirren versucht. Jeder Halbherzige und Wankelmütige setzt sich der Gefahr aus, denn der Böse wird „ihm Ängste und Schwierigkeiten einflößen ohne Ende“ (ebd.). 3. Dieser Grund fügt sich direkt an den zweiten an. Es geht um Entschlossenheit in der Schlacht, die bereits begonnenen hat. Diese Schlacht darf für den Kämpfer nicht verloren gehen und er weiß um die Wichtigkeit des Sieges. Der Herr geht mit den Kämpfenden in Freundschaft um und verwöhnt sie, allerdings gibt es ein gutes Ende nur im Kampf: „Er weiß, daß man sein Leben nicht verschonen wird, wenn er besiegt wird, und daß er hinterher sterben muß, wenn er nicht im Kampf stirbt“ (CE 39,5). Die Aussicht, von der Quelle zu trinken, bleibt als verheißener Lohn mit der Gewissheit, sie zu erlangen. Teresa fordert den mutigen Kampf für dieses Ziel und bittet darum, den Weg wenigstens zu beginnen (im Vertrauen darauf, dass die Dynamik des Weges die betende Person schließlich ergreifen wird). Zweifelnden hält sie entgegen, dass sie

285

HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 85. Darunter 23 Mal determinación, 2 Mal determinadamente (bei der ersten Angabe ist die Konkordanz zu berichtigen, statt CE 13,4 muss es 13,5 heißen), 7 Mal determinado, und 13 Mal determinar (das Verb wird sowohl mit ‚entschließen‘, wie auch ‘beschließen’ übersetzt). Vgl. ASTIGARRAGA, Concordancias I., 782-788. 287 Im Kapitelanfang des Codex Escorial zeigt sich großartig die feine Ironie Teresas, mit der sie sich selbst zurücknimmt, wenn sie mit dem Ausruf beginnt: „¡Qué divertirme hago!“ (CE 39,1). Ausgerechnet für die Behandlung des Themas ‚Entschlossenheit‘ beginnt sie mit „Wie lasse ich mich doch zerstreuen!“ Zugleich stellt sie sich mit allen auf eine Stufe, die Schwierigkeiten haben, sich nicht zu zerstreuen etc. (dies greift sie in 39,7 noch einmal auf). So macht sie sich zur Gefährtin und wird nicht zum unerreichbaren Vorbild. Leider fehlt der einleitende Satz im Codex Valladolid. 288 Latein: „Ich gebe, damit du gibst.“ 289 Teresa verwendet das Wort „demonio.“ 286

82

ausdrücklich für die schreibt, „die sich nicht sammeln und ihren Verstand beim inneren Beten oder in der Betrachtung nicht an etwas festmachen können“ (CE 39,7). Teresa von Ávila lässt keine Ausflüchte zu. Dabei ist die Entschlossenheit eine Frage des Willens und nicht des Intellektes. Aus der Haltung der Entschlossenheit entwickeln sich alle anderen Tugenden.290 Teresa weiß von der möglichen Enttäuschung, wenn sich kein Erfolg im Gebetsleben einstellt.291 Sie kündigt zwar verschiedentlich Erfolg bereits nach kurzer Zeit an292, sieht jedoch, dass es viel Geduld braucht und nicht alle den Gipfel der Kontemplation erreichen werden. Nichtsdestotrotz ist sie überzeugt, dass der betende Mensch nicht ohne Einfluss auf den Weg ist. T. Merton schreibt dazu: „Die Gabe der Kontemplation […] wird immer ein freies Geschenk Gottes bleiben, und es ist wahr, daß Seine weise Vorsehung es für richtig hält, sie in manchen Heiligen weniger zu entfalten als in anderen. Aber es ist auch wahr, daß Gott Seine Gaben oft danach bemißt, wie sehr wir nach ihnen 293 verlangen.“

Dies meint Teresa, wenn sie eindringlich unterstreicht: „Daß viel, ja alles an einer großen und ganz entschlossenen Entschlossenheit gelegen ist, um nicht aufzuhören, bis man zur Quelle vorstößt, komme, was da kommen mag, passiere, was passieren mag, sei die Mühe so groß, wie sie sein mag, lästere, wer da lästern mag, mag ich dort ankommen, mag ich unterwegs sterben oder nicht beherzt genug sein für die Mühen, die es auf dem Weg gibt, ja mag die Welt untergehen“ (CE 35,2).

Gleichgültig was passiert, die Entschlossenheit, am Herrn fest zu halten, und die Zuversicht, dass er einen Weg mitgeht, soll nicht verloren gehen. Äußere Unbill bis hin zum Weltuntergang sowie das eigene Unvermögen wie mangelnde Beherztheit mag es geben, aber sie sollen die Entschlossenheit nicht beeinträchtigen. Wie wichtig ihr diese Haltung ist zeigt sich an der zweifachen Doppelung ‚groß und ganz‘, sowie ‚entschlossene Entschlossenheit‘.294 Eindringlich möchte Teresa die Schwestern auf diese Haltung einschwören, denn sie ist der Schlüssel für den weiteren Weg. Gerade in einer Gemeinschaft, in der eine Schwester viel Zeit alleine und in der Stille verbringt, 290

Vgl. W ILLIAMS, Teresa of Avila, 93. „Und wenn er sich euch am Anfang nicht entdecken und ihr euch dabei nicht wohl fühlen solltet (sondern der Böse euer Herz mit Bedrängnis und Kummer erfüllt, weil er um den großen Schaden weiß, der ihm daraus erwächst) und bei anderen Dingen mehr, hier aber weniger Andacht verspürt, so gebt diese Gebetsweise dennoch nicht auf; hier prüft der Herr, wie sehr ihr ihn liebt. Denkt daran, daß es nur wenige Seelen gibt, die ihn in den Prüfungen begleiten und ihm nachfolgen; haltet etwas für ihn aus, Seine Majestät wird es euch vergelten“ (CE 62,2). Ebenso in CE 55,1; 27,2. 292 Z.B. in CE 17,3 “Auch wenn das nicht sofort gelingt, werdet ihr, wenn ihr um das innere Beten Sorge tragt, Schritt für Schritt in kurzer Zeit auf dem Gipfel ankommen“, in CE 47,2: „denn in kurzer Zeit kommen sie weit“, in CE 55,3: „welch großen Gewinn wir davon haben, seinem ewigen Vater diesen Dienst zu erweisen: Damit wir uns darauf einstellen, um in ganz kurzer Zeit zu erleben, daß wir am Ende des Weges sind und vom lebendigen Wasser der Quelle trinken“, in CE 70,1: „denen Gott innerhalb ganz kurzer Zeit große Gnaden erwiesen hat“ oder in CE 71,1: „freilich gibt der Herr […] manchen Leuten innerhalb so kurzer Zeit so viel.“ 293 MERTON, Vom Sinn der Kontemplation, 8. 294 Im Original lautet es „una grande y muy determinada determinación”, enthält also keine doppelte Alliteration wie in der deutschen Übersetzung. 83 291

müssen die entscheidenden Grundkomponenten klar sein, damit sie sich nicht verläuft oder verliert – also den Weg in die Irre geht oder den Mut verliert weiter zu gehen. Doch wozu dient die Entschlossenheit? „Wenn einer das wirklich hält, mit der Entschlossenheit, sich an den Gnadengeschenken und Wonnen zu freuen, die Gott dabei schenkt, dann trifft das mit dem Loslassen für alle zu“ (CE 17,4).

Es geht um die Entschlossenheit zum Loslassen.295 Der betende Mensch soll alles loslassen, was ihn an sich selbst oder die Welt bindet, dazu gehören sogar die von Gott geschenkten Gaben wie Wonnen oder Verzückungen, die kein Eigentum bilden. Ebenso ist ein konkretes Tun los zu lassen, wenn es zu einem Leistungsdenken führt und eine Heilsgewissheit vorgaukelt.296 Es geht also um eine Haltung der Entschlossenheit und nicht um ein entschlossenes Handeln. Sie führt zu Demut, Selbsterkenntnis und „wozu wir fähig sind, nämlich unseren Willen hinzugeben“ (CE 56,2). W. Herbstrith führt zwei Entscheidungen an, die zu treffen und umzusetzen sind: „Aufsuchen der Stille und Festlegung bestimmter Meditationszeiten.“297 Die Entschlossenheit treibt an, sich nicht mit dem bereits Erreichten zufrieden zu geben, sondern weiter zu wachsen. Die Seele findet ihren inneren Frieden auf diesem Weg, weil Gott sich bereits zu erkennen gegeben hat, sie sucht aber weiter, weil sie weiß, dass noch nicht alles erreicht ist, was möglich ist, „daß sie ganz nahe bei ihrem Gott ist, und daß sie, mit noch ein bißchen mehr, dazu käme, durch Einung mit ihm eins zu werden“ (CE 53,2). Wenn der erste Schritt getan ist und sich die ersten Früchte zeigen, kann der Mensch aus der entstandenen Dynamik heraus nicht mehr anders, als „daß wir alles geben, was wir können“ (CE 54,1).298 Die Hingabe des Willens führt zur Gegenbewegung von Gott auf den Menschen zu: „Ach, meine Schwestern, welche Kraft hat diese Hingabe! Wenn sie einhergeht mit der Entschlossenheit, mit der sie einhergehen soll, vermag sie nicht weniger, als den Allmächtigen 295

Vgl. CE 26,3: „Seliges Loslassen so weniger und so nichtiger Dinge.“ Eine Passage aus der Vida scheint eine andere Richtung vorzugeben: Teresa ist von großer Traurigkeit befallen und zwingt sich, zum inneren Gebet. Der Herr hilft ihr in ihrer Not und sie findet „zu mehr Ruhe und Wonne als zu manch anderen Zeiten“ (V 8,7). Was hier nach zwanghaftem Tun aussieht, ist ein bewusstes und entschlossenes Loslassen der Traurigkeit. Für U. Dobhan und E. Peeters ist ‚Loslassen‘ bei Teresa nicht ohne ihre von Milde und Sanftheit geprägten Pädagogik zu sehen. Vgl. DOBHAN/PEETERS, Einführung zu CE, 60. Vgl. auch ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 90f. 296 „Nur einen Rat gebe ich euch: Meint nicht, ihr könntet mit eurer Gewalt oder Anstrengung so weit kommen, denn das wäre umsonst. Im Gegenteil, wenn ihr vorher innerlich angerührt wart, werdet ihr erkalten. Ihr müßt nur in Einfachheit und Demut, denn die ist es, die alles vollendet, sagen: Fiat voluntas tua.“ (CE 56,3). „Nicht das Plappern vieler Gebetsworte bringt uns Gott näher, sondern die Entschlossenheit des Willens, sich ihm zur Verfügung zu stellen.“ HERBSTRITH, Von Gott beschenkt, 109. 297 HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 100. 298 Vgl. V 8,5: „Daß jemand, der mit dem inneren Beten begonnen hat, es ja nicht mehr aufgeben soll, mag er noch so viel Schlechtes tun.“ 84

herbeizuziehen, um eins zu werden mit unserer Unzulänglichkeit und uns sich gleichzugestalten und aus dem Urheber und dem Geschöpf eine Einheit zu machen“ (CE 55,5).

Teresa verdeutlicht die Entschlossenheit durch die zwei Pole Liebe und Furcht: „Nehmt diesen Rat an, der nicht von mir, sondern von eurem Lehrmeister kommt: Versucht, euren Weg in Liebe und Furcht zu gehen, und ich versichere euch: Die Liebe wird euch antreiben, eure Schritte zu beschleunigen; und die Furcht wird euch schauen lassen, wohin ihr eure Füße setzt, damit ihr nicht stürzt. Mit diesen beiden Eigenschaften werdet ihr ganz gewiß nicht getäuscht werden“ (CE 69,1).

Die Entschlossenheit zeigt sich hier weniger als bestimmtes Tun sondern als Haltung. Es ist die vollendete Form der Gottesbeziehung zwischen Mensch und Gott in Form von Braut und Bräutigam. Die Schwester in der Rolle der Braut hat kein großes Vermögen, um die Geschenke des Herrn erwidern zu können, aber sie kann ihm das Kostbarste schenken, was sie hat (, und er sich wünscht): Den „Augenblick gedankenfrei und unbelastet von anderen Dingen“ (CE 39,2). Und „diese Zeit als etwas betrachten, was nicht mir gehört“ (ebd.), denn „ihm ist so sehr daran gelegen, daß du ihn immer wieder anschaust“ (CE 42,3).

4.2 Sanftheit und Rekreation Komplementär zur Entschlossenheit führen U. Dobhan und E. Peeters als einen wichtigen Wesenszug teresianischer Pädagogik die Sanftheit an. Diese Haltung berücksichtigt die Fähigkeiten und Möglichkeiten der jeweiligen Person ohne zu überfordern. In der Sanftheit unterscheidet sich Teresa deutlich von anderen Ansätzen ihrer Zeit.299 W. Herbstrith ergänzt in Anlehnung an die Wohnungen der Inneren Burg: „Die Kräfte der Seele müssen sanft geleitet werden. ‚Sehr wichtig für jede Seele, die sich – viel oder wenig – dem Gebet widmet, ist es, dass man sie nicht in einen Winkel pfercht oder einengt […] denn Gott hat ihr eine so große Würde verliehen. Auch dränge man sie nicht dazu, lange Zeit in einem 300 einzigen Gemach zu bleiben, nicht einmal in dem der Selbsterkenntnis.“

Damit die Seele zur Freiheit Gottes gelangen kann, braucht sie also eine entsprechende Freiheit und Spontaneität, damit die bewusste und personale Beziehung zu Jesus Christus wachsen kann.301 Hervorzuheben ist in diesem Zusammenhang noch einmal das Menschenbild Teresas, das sich an einem „christlichen Humanismus“302 orientiert 299

Vgl. DOBHAN/PEETERS, Weg der Vollkommenheit, Anhang I Erklärung wichtiger Begriffe, 332. Auch im Camino finden sich Beispiele für ihre Ablehnung von Übertreibungen. Gott ist nicht schwer von Begriff, so „daß es nicht nötig ist, laut zu schreien, um zu ihm zu sprechen“ (CE 50,2). Der Böse verleitet „hier zu unbedachten Bußübungen, um die Gesundheit zu ruinieren“ (CE 32,1). Um zur Einheit mit Gott zu gelangen warnt sie: „Meint nicht, ihr könntet mit eurer Gewalt oder Anstrengung so weit kommen, denn das wäre umsonst. Im Gegenteil, wenn ihr vorher innerlich angerührt wart, werdet ihr erkalten“ (CE 56,3). Es sind die Tugenden v.a. die Demut, die hervorragen sollen und nicht die „Strengheiten“ (CE 22,3). 300 HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 66. Mit einem Zitat aus den Wohnungen der Inneren Burg. 301 Vgl. Ebd., 106. 302 J. Burggraf in Anlehnung an Ildefonso Moriones. BURGGRAF, Teresa von Avila, 230. 85

und vom Optimismus geleitet ist, dass dem Menschen zugetraut wird, „daß er seine Freiheit unbeschwert entfaltet, indem er sie dem Willen Gottes unterstellt.“ 303 Hinter der Sanftheit steckt zum Einen das Vorbild Jesu selbst, den Teresa „einen weisen, behutsamen Meister“ nennt (CE 65,7). Zum Zweiten ist sie geleitet von der Zuversicht, dass der Mensch seinen Weg finden und gehen kann, wenn er sich dazu entschlossen hat. Damit verbunden ist das Vertrauen auf Gott, der den Weg leitet und begleitet. Dass es im teresianischen Karmel nicht nur ernst zu geht, ist mit dem Wort Rekreation verbunden. Zwar verwendet Teresa das Wort im Camino vor allem für einfältige weltliche Vergnügungen304 doch in CE 37,5 spricht sie davon, wie man sich in der Erholungszeit über das weltliche Treiben lustig machen soll. In der Vida beschreibt sie die Meditation als Arbeit, von der man sich erholen muss, und es wäre „verkehrt, wenn wir, an diese Arbeit gewöhnt, nicht mehr fähig wären, ‚Sonntag zu machen‘.“305 In ihrem Artikel beschreibt C. Kaufmann den Sinn der Rekreation. Sie betont, dass durch die Rekreation die Gemeinschaft als Teil des Weges erfahrbar wird und die einzelne Schwester reift, indem sie sich ihr aussetzt, und formuliert: „Die völlige Öffnung Gott gegenüber vollzieht sich niemals ohne völlige Öffnung des eigenen Herzens für die Brüder und Schwestern. Das wußte und lebte Teresa. Das entsprach ihrem innersten Wesen. Und das übertrug sie auch auf die von ihr gegründete neue Familie des Karmel. Sie will den Ausgleich zwischen Einsamkeit und Gemeinschaft, zwischen Gebet und Rekreation, zwischen stillem Lauschen 306 zu Füßen de Herrn und Austausch inmitten der Schwestern.“

Die Rekreation ist durch die Konstitutionen fest im Alltag der Schwestern verankert: „Nach dem Mittagessen darf die Priorin alle Schwestern dispensieren, damit alle zusammen über das reden können, was ihnen am meisten zusagt“ (Cs 26). „Sie mögen bedacht sein, einander nicht zur Last zu fallen, vielmehr sollen die Scherze und Worte taktvoll sein“ (Cs 27). Die Rekreation ist also kaum Regeln unterworfen,307 Themen werden keine vorgegeben, im Gegenteil soll über das gesprochen werden, was die Schwestern bewegt. Wie breit das Spektrum ist verdeutlicht Kaufmann mit verschiedenen Übersetzungsmöglichkeiten für Rekreation: „Erholung, Linderung, Freude,

Spaß,

Abwechslung,

Vergnügen.“308

Hier

zeigt

sich

die

besondere

Verantwortung der Priorin, die Bußübungen und Rekreation zulässt „mit soviel Maß und 303

BURGGRAF, Teresa von Avila, 230. Vgl. CE 6,7; 10,4; 13,1. 305 HERBSTRITH, Die erste Kirchenlehrerin, 68. „Wir würden untauglich für das ‚Gespräch‘ mit Gott, da wir immer nur Gebende und nicht Hörende sein wollten.“ Ebd. 306 KAUFMANN, Die Rekreation in der Pädagogik der heiligen Teresa von Avila, 31. 307 Einschränkend ist nur, dass es untersagt ist zu spielen (vgl. Cs 27). Teresa empfiehlt, dass die Schwestern ihre Spinnrocken dabei haben (vgl. Cs 26) – eine einfache Handarbeit, die beiträgt, die innere Spannung nicht zu verlieren. 308 KAUFMANN, Die Rekreation in der Pädagogik der heiligen Teresa von Avila, 30. 304

86

Milde, daß es nur dazu führt, die Fehler der Schwestern zu verbessern und etwas Erleichterung zu erfahren in der Strenge der Regel.“309 Dabei ist die Rekreation eine Lebensschule, bei der sich die Schwestern im Alltag gegenseitig aushalten müssen und „diese absolute Unscheinbarkeit der Rekreation […] ist die Schule der höchsten Nächstenliebe.“310 Die regelmäßige Rekreation verhindert, dass man sich aus dem Weg gehen kann und sich auch begegnet, wenn es nichts Spektakuläres zu berichten gibt. Auch Launen und Schwächen können so nicht verborgen werden – und die Schwestern lernen sich in diesen Schwächen gegenseitig anzunehmen, wie sich selbst. Dennoch ist die Rekreation mit viel Humor und Geist verbunden, besonders wenn Gedichte vorgetragen werden oder wenn die Schwestern Feste feiern und tanzen. 311

4.3 Umgang mit Störungen „Dabei tun wir unsererseits gar nichts, bemühen uns nicht und verhandeln über nichts, und brauchen – da alles weitere nur stört und hindert – nichts weiter zu sagen als ‚Dein Wille geschehe‘“ (CE 55,4).

In diesem Zitat möchte Teresa allen Druck nehmen und weiß gleichzeitig, wie schwer es ist, allein beim ‚Dein Wille geschehe‘ zu bleiben. Ihr Buch ist nicht zuletzt den Seelen gewidmet, „die sich nicht sammeln und ihren Verstand beim inneren Beten oder in der Betrachtung nicht an etwas festmachen können“ (CE 39,7).312 Sie selbst spricht offen davon, dass sie immer wieder im Beten abschweift und dass ihr dies sogar beim Schreiben des Buches immer wieder geschieht.313 Hintergrund für Abschweifungen kann eine falsche Gebetsweise314 oder aber die Beschäftigung mit den falschen Themen sein, besonders die Beschäftigung mit 309

Ebd., 32. Ebd., 33. 311 Vgl. ebd., 35. „Jede Karmelfamilie wird der Rekreation ihren eigenen Stil aufprägen, aber nie dürfen die Elemente Wahrheit, Fröhlichkeit, Zweckfreiheit und Schönheit – in der Liebe zu Gott und allen Menschen – fehlen.“ Ebd., 37. 312 Die Zerstreuung begegnet auch denen, die sich bereits auf dem Weg befinden: „Es passiert häufig, daß die Seele in echter Ruhe weilt, während der Verstand so aufgedreht ist„ (CE 53,4). 313 Bereits in Kapitel CE 2,11 (!) oder auch in CE 26,6. Allerdings darf man die Funktion der Zerstreuung auch nicht unterschätzen, „denn ich baue das Spiel erst einmal auf“ (CE 24,1). In CE 39,1 darf man den Hinweis auf die Zerstreutheit überdies als mäßigendes Stilmittel betrachten, damit die weiteren Sätze nicht so scharf klingen. Vgl. Anm. 289 dieser Arbeit. 314 „Es gibt nämlich viele – und ich bin auch so eine gewesen –, die der Herr immer wieder zärtlich anrührt und denen er heilige Eingebungen und Licht darüber gibt, was alles wert ist, und letztlich sein Reich gibt, indem er sie in dieses Gebet der Ruhe versetzt, während sie sich taub stellen. Und es gibt Seelen, große Freundinnen von vielem Reden und dem schnellen Dahersagen vieler mündlicher Gebete, um so ihren Auftrag zu erledigen – wo sie es sich zur Pflicht machen, diese täglich zu beten –, die dieses Gebet der Ruhe und diesen inneren Frieden auch dann nicht annehmen, wenn der Herr sie ihnen schenkt und ihnen sein Reich in die Hände gibt, sondern im Gegenteil meinen, daß sie selbst mit ihrer Beterei etwas Besseres tun, und dabei zerstreuen sie sich“ (CE 53,8) Teresa nennt hier zwei Formen auf falsche Weise zu beten: 1. Taubheit für die Gaben, die Gott gibt. 2. Schnelles Beten mit vielen Worten, um einen pflichtgemäßen Gebets-Auftrag zu erledigen. 87 310

sich selbst. Wird den Abschweifungen ungezügelt nachgegangen droht die Gefahr, „einen großen Schatz“ zu verlieren (CE 53,9). Teresa fordert die Betenden auf, selbst bei Unterbrechungen „diese Gebetsweise dennoch nicht“ aufzugeben (CE 62,2). Insgesamt ist Teresa gegenüber Abschweifungen großzügig und nimmt sie als Begleiterscheinungen des geistlichen Weges hin, wenn es eine grundsätzliche Entschiedenheit und einen Fortschritt gibt. Aber sie spricht auch immer wieder davon, dass der kontemplative Weg nicht allen gegeben ist. Deshalb ist für eine Schwester, bei der es keinen Fortschritt in der Beziehung zu Gott und beim Überwinden des Prestigedenkens gibt, im Karmel nicht der richtige Platz: „Dann verschone euch Gott davon, daß sie in eurer Gesellschaft bleibt! Begreift doch, daß sie weder Ruhe gibt noch euch alle in Ruhe läßt!“ (CE 19,5).315 Gegen Abschweifungen bietet sie verschiedene Hilfen an und besonders in Kapitel 42f befasst sie sich mit der Problematik. Zum Gebetseinstieg empfiehlt sie die bekannten Formen: „Gewissenserforschung und Sündenbekenntnis und Kreuzzeichen“ (CE 42,1). Dann wird Teresa konkret und gibt einen Ratschlag für ein Tun (!): „Stellt euch den Herrn bei euch vor und schaut, mit welcher Liebe und Demut er euch belehrt!“ (ebd.). Diese Übung, sich den Herrn bei sich vorzustellen, hilft, die Gedanken wieder auf das Ziel hin zu konzentrieren. In mehreren Formen ist diese Sammlung möglich: „Wenn ihr froh seid, dann schaut auf ihn als Auferstandenen“ (CE 42,4), „wenn ihr in Nöten oder traurig seid, betrachtet ihn an der Geißelsäule […] oder schaut ihn im Garten an, oder am Kreuz, oder damit beladen“ (CE 42,5). Immer geht es um das Versenken im gegenseitigen Anschauen: „Er wird euch mit seinen schönen, mitfühlenden, tränenerfüllten Augen anschauen, und seine eigenen Schmerzen vergessen, um euch über eure hinwegzutrösten, und nur, weil ihr zu ihm kommt, um ihn zu trösten, und den Kopf wendet, um ihn anzuschauen“ (CE 42,5).

315

Teresa wird hier ungewohnt scharf. Für sie seht das Prestigedenken derart konträr zu ihrem Ansatz, dass sie es an Deutlichkeit nicht missen lässt. Wird diese Haltung der Selbstbezogenheit auch nach geraumer Zeit nicht überwunden, wird die Schwester für die gesamte (kleine) Klostergemeinschaft zur Gefahr. Dass es nicht um Lappalien geht, wird durch den eingefügten Satz klar: „Ich nenne hier keine Verfehlungen in bezug auf Buße und Fasten; denn auch wenn das eine ist, so sind es doch keine Dinge, die solchen Schaden anrichten“ (CE 19,5). Vgl. CE 20,1: „Und ich nenne eine nicht ‚keine gute Schwester‘ wegen eitlem Gebaren […]; ich nennen eine ‚keine gute Schwester‘, wenn sie nicht im Absterben geübt ist, dafür aber an weltlichen Dingen oder auch an sich hängt.“ Will eine Frau eintreten, bekommt sie durchaus die Zeit, sich einzufinden (vgl. CE 20,2), und „eine mit gesundem Menschenverstand hält mit aller Kraft daran fest, sobald sie sich für das Gute zu begeistern beginnt“ (CE 21,2). Wer also nicht über einen solchen ‚gesunden Menschenverstand‘ verfügt und sich ‚begeistern‘ lässt, und „man an ihr nicht allmählich einen Fortschritt bemerkt“ (CE 20,2), ist dem Weg der Kontemplation nicht gewachsen und man soll dafür sorgen, „sie mit der Zeit zu entlassen, damit sie in ein anderes Kloster gehe“ (ebd.). Selbst hier wird keine Aussage darüber gemacht, ob eine geistliche Berufung vorhanden ist, sondern nur, dass der Karmel nicht geeignet ist und „an einem anderen Ort oder in einem weniger strengen Kloster werden sie ihr Heil besser finden, ja vielleicht gelangen sie dort nach und nach zu der Vollkommenheit, die sie hier nicht ertragen konnten“ (ebd.). 88

Weiter empfiehlt sie „ein gutes Buch in der Volkssprache herzunehmen […] um euch zum mündlichen Gebet zu sammeln“ (CE 43,3)316, in diese Reihe gehören auch die Hilfe durch eine Abbildung oder ein Porträt (vgl. CE 43,2) oder das Betrachten der Natur.317 Doch dies sind alles nur Hilfsmittel, um neu anzufangen und den Blick wieder auf das Ziel auszurichten: Die persönliche Begegnung mit Jesus Christus.318 Wer schon eine gewisse Sicherheit auf dem Weg gefunden hat, kann sich gegen Störungen dadurch schützen, dass er nicht nachlässig wird, gute Gewohnheiten pflegt und den „Weg mit großer, großer Sorgfalt“ geht (CE 71,4) und dabei Gelegenheiten sowie Gesellschaften meidet, „die ihr nicht helfen, Gott näher zu kommen“ (ebd.). Dass es kein leichtes Unterfangen ist, den Weg der Vollkommenheit zu gehen, sondern die ureigenste Aufgabe der Schwestern, drückt der aufmunternde und motivierende Satz aus: „Da wir zu nichts anderem gekommen sind, an die Arbeit also!“ (CE 26,5). Weitere ernsthafte Gefahren auf dem Weg liegen in der eigenen Überschätzung. Teresa warnt eindringlich vor der Annahme, „wir hätten Tugenden, während wir keine haben; so etwas ist eine Pest“ (CE 66,4). Es ist die maliziöse Selbsttäuschung man sei auf dem Weg schon so weit vorangekommen, dass man sicher steht, so dass man direkt in die Grube fällt (vgl. ebd.). Sie mahnt gegen diese ‚recht gefährliche Versuchung“ darauf zu achten, „mit der Selbsterkenntnis anzufangen und aufzuhören, und euren Weg voller Furcht zu gehen und alles mit einem zu besprechen, der euch versteht“ (CE 68,2). Gegen diese Versuchung ist sogar Hilfe von außen nötig, die den Beter davor bewahrt, sich weiter in sich selbst zu verstricken und nicht mehr heraus zu finden. Tückisch ist die Einflüsterung des Bösen, dass man sich um sich selbst kümmern muss. Es sind dies „tausenderlei Dinge, die der Böse einem hier wie ein guter Engel beibringt – was ja alles gut ist –, womit er ihm aber zu verstehen gibt, daß er bereits arm ist und diese Tugend besitzt, und das damit schon alles getan sei“ (CE 66,6).

Wie Teresa betont, geht es um Dinge, die als vernünftig und gut daherkommen, aber hintergründig vom eigentlichen Ziel ablenken.

316

Vgl. CE 27,3, wo sie schreibt, dass sie lange nur beim Lesen Meditation halten konnte. Auch das Betrachten der Natur ist eine nützlich Hilfe: „Mir nützte es, Felder oder Wasser oder Blumen zu sehen. In diesen Dingen fand ich eine Spur des Schöpfers, ich meine, sie weckten mich auf und sammelten mich und dienten mir als Buch“ (V 9,5). 318 Weitere Variationen des Themas: „Ich habe es gelegentlich versucht, finde aber keine bessere Hilfe außer dem Bemühen, mein Denken auf den gerichtet zu halten, an den ich die Worte richte“ (CE 40,5); „Wenn ihr euch angewöhnt, ihn in eure Nähe zu holen, und er sieht, daß ihr das aus Liebe tut und daß ihr euch immer wieder bemüht, ihm Freude zu machen, dann werdet ihr ihn – wie man sagt – von euch nicht mehr wegtreiben können, er wird euch nie mehr fehlen, er wird euch in all euren Nöten helfen, ihr werdet ihn überall bei euch haben“ (CE 40,1); „Er lehrt uns hiermit, unseren Willen auf die himmlischen Dinge auszurichten und ihn zu bitten, daß wir schon hier anfangen dürfen, ihn zu genießen“ (CE 60,2). 89 317

Weitere Kniffe des Bösen sind, dass der Beter meint, das (kontemplative) Gebet selbst könne ihm schaden.319 Wieder andere sind Täuschungen und Illusionen des Bösen auf dem Weg schon weit vorangeschritten zu sein (die Störung besteht hier in der mangelnden Demut). Hier helfen nur das offene Gespräch mit dem Beichtvater und die Orientierung an der Lehre der Kirche.320 Vor allem die Entschlossenheit hilft gegen diese Not, um auf dem „Königsweg zum Himmel“ zu bleiben (CE 35,1), denn der Böse „hat große Angst vor entschlossenen Seelen“ (CE 39,4).

Zusammenfassung Teresa erweist sich bei der Frage nach Ablenkungen und Störungen des geistlichen Lebens als große Kennerin der menschlichen Seele mit ihren Ängsten und ihrer Jagd nach Anerkennung. Sie hält diesem Streben den Weg der Vollkommenheit entgegen, der zwar mit Mühe aber mit der Aussicht auf höchsten Lohn verbunden ist. Dabei bietet sie Hilfen auf verschiedenen Ebenen an. Dabei ist manche Störung in Form von Abschweifungen im geistlichen Leben wohl kaum zu vermeiden. Hier genügt es, den Geist wieder zu sammeln, was gegebenenfalls mit verschiedenen Hilfsmitteln erfolgen kann. Größere Störungen wie Selbstüberschätzung müssen jedoch erst einmal erkannt werden, was Aufgabe der geistlichen Begleitung ist. Wieder andere Störungen sind so massiv, dass ein Leben im Karmel nicht möglich ist. Vor allem aber gilt es bei Störungen, das Ziel nicht aus den Augen zu verlieren: Die Begegnung mit Jesus Christus.

319

Oft sind es wohlmeinende Menschen, die so warnen: „Macht euch nichts aus den Ängsten, die sie euch einflößen, noch aus den Gefahren, die sie euch vormachen“ (CE 36,1) und „laßt euch von keinem in die Irre führen, der euch einen anderen Weg als den des inneren Betens zeigt!“ (CE 36,2). 320 Vgl. CE 69,4. 90

5 Die Vaterunser-Auslegung vor Teresa von Ávila Eine kurze Einführung in die Entstehung und Auslegung des Vaterunsers hilft, Teresas Werk Weg der Vollkommenheit einzuordnen und das Neue ihrer Auslegung herauszuarbeiten.

5.1 Übersicht zur Vaterunser-Auslegung bis ins 16. Jahrhundert 5.1.1 Der biblisch-frühchristliche Befund Das Vaterunser ist in der Bibel in den Evangelien nach Matthäus und Lukas erhalten, eine weitere frühchristliche Belegstelle ist die Didache. Lukas wird dabei zugesprochen, dass er „in der Zahl der Bitten und in der Anrede, Matthäus dagegen im Wortlaut ursprünglicher ist.“ 321 U. Luz weist auf drei Charakteristika des Vaterunsers hin, die für die Auslegung durch Teresa interessant sind: 1. Jesus verwendet beim Vaterunser Aramäisch, also die Volkssprache. 2. Das Gebet, kurz und schlicht verfasst, verzichtet auf unnötige Worte. Diese Form wurde im jüdischen Kontext als Zusammenfassung längerer Gebete oder freier Formulierungen verwendet. 3. Das Vaterunser ist als individuelles Gebet anzusehen.322 In der Didache verfügt das Vaterunser bereits über zwei Elemente der Doxologie und wird als regelmäßiges Gebet vorgestellt.323 F. Bovon geht davon aus, dass das Vaterunser „integrierender Bestandteil der persönlichen Frömmigkeit (die Didache schreibt vor, es dreimal täglich zu beten) und der

Sonntagsliturgie“324

ist.

Diese

hier

beginnende

enge

Verbindung

zur

Tagzeitenheiligung und sonntäglichen (Eucharistie-)Feier wird von nun an beibehalten,

321

LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 335. Konkret handelt es sich in der lukanischen Fassung um die einfache Anrede „Vater“ und die Fünferzahl der Bitten. Bei Matthäus kommt der rhythmische Charakter der wahrscheinlich ursprünglich aramäischen Fassung besser zum Vorschein (vgl. ebd., 336). Beide Evangelisten kennen wohl die Version des jeweils anderen nicht und greifen auf die so genannte Quelle Q zurück (vgl. LUZ, Vaterunser, 504f). Unstrittig ist die Herkunft des Gebetes durch Jesus (ebd., 506), allerdings schöpft Jesus „seine Motiven aus dem Alten Testament und den Texten der außerkanonischen Literatur.“ LEONHARD, Vaterunser, 514. 322 Vgl. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 350. 323 Berger/Nord, Das NEUE TESTAMENT UND FRÜHCHRISTLICHE SCHRIFTEN, 307. Auf dieser Grundlage erklärt sich die unterschiedliche Zahl der Bitten. „Jeder der beiden Evangelisten bewahrt so gut wie möglich die gottesdienstlichen Bräuche seiner eigenen Gemeinde.“ BOVON, Das Evangelium nach Lukas, 120. 324 BOVON, Das Evangelium nach Lukas, 123. 91

desweiteren bildet sich bald die Bedeutung des Vaterunsers für die Feier der Taufe heraus.325

5.1.2 Das Vaterunser bei den Kirchenvätern Der erste Vaterunser-Kommentar ist bei Tertullian (*um 160, † nach 220) überliefert und dient wohl zur katechetischen Unterweisung von Täuflingen.326 Das Vaterunser fasst für ihn „das ganze Wort Gottes, […] so daß in dem Gebete wirklich ein kurzer Inbegriff des ganzen Evangeliums enthalten ist.“327 Origenes (* um 185, † um 254) spricht von zwei unterschiedlichen Gebeten, die Lukas und Matthäus überliefern328, und verwendet Begriffe, die auch bei Teresa eine Rolle spielen werden: „In der Seele der Vollkommenen ist es, wo der Vater mit Christus regiert wie in einer Stadt.“329 In seinem Kommentar bleibt er bei der matthäischen Fassung und beginnt zunächst mit einer Einführung in die rechte Gebetshaltung.330 Auch für Augustinus (* 354, † 430) hat das Vaterunser eine hervorgehobene Stellung, wenn er sagt, dass „kein Tag vorübergehe, an dem die Christen dieses Gebet nicht verrichteten.“331 Ein besonderes Augenmerk gilt der Vaterunser-Auslegung des Johannes Cassian (* 360/365, † 432/435) in den Collationes patrum. Wie R. Nürnberg hervorhebt ist das „Ziel seiner Lehre: Vollkommenheit der Liebe, nicht Perfektion der Askese.“332 Und K. B. Schnurr fasst die Schrift Johannes Cassians über das Vaterunser zusammen: „Nach Cassians eigener Aussage ist das Vaterunser eine Gebetsstufe, die aus der Betrachtung Gottes im Feuer der Liebe besteht […]. Es steht auf einer höheren Stufe als die vorher genannten Gebetsarten, aber noch unter der Stufe des betrachtenden inneren Gebetes, bei dem keine Worte mehr nötig sind. In seiner in den Evangelien vorliegenden Form ist das Vaterunser von Gott selbst mitgeteilt. Für die Auslegung selbst und für die Bewertung des Gebetes muß also festgehalten werden, daß Cassian zwar die traditionelle Hochschätzung des Vaterunsers teilt, daß es für ihn jedoch 333 eine Vorstufe vor der reinen Kontemplation des inneren Gebetes bedeutet.“

325

Vgl. SEITZ, Vaterunser, 516f. Vgl. SCHNURR, Hören und handeln, 23. 327 Vgl. Tertullian, private und katechetische Schriften. M. Seitz fasst zusammen, dass die Anrede ‚Vater‘ das Kindverhältnis ausdrückt und dass bei Tertullian die Brotbitte erstmals eucharistisch gedeutet wird. Vgl. SEITZ, Vaterunser, 516. 328 Vgl. Origenes, De Oratione, XVIII. Die Ansicht, dass es sich um zwei verschiedene Gebete handelt, wird heute nur noch singulär vertreten. Vgl. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 335. 329 Zitiert nach BOVON, Das Evangelium nach Lukas, 139. 330 ORIGENES, De Oratione, XIX,1. 331 Des heiligen Kirchenvaters Aurelius AUGUSTINUS zweiundzwanzig Bücher über den Gottesstaat, 21,27 332 NÜRNBERG, Johannes Cassianus, 888. 333 SCHNURR, Hören und handeln, 170. 326

92

Das Vaterunser bleibt also eine Etappe: „Das Ziel dieses Weges, die Vollkommenheit, oder, im Bereich des Gebetes, beständiges Beten des unwandelbaren Geistes in Gottes Nähe, darf dabei nicht aus den Augen verloren werden.“334 In der Liturgie ist das Vaterunser fester Bestandteil der sonntäglichen Eucharistiefeier sowie bei der Feier des Stundengebets.

5.1.3 Das Mittelalter Wichtige Stützpfeiler des Glaubenslebens im Mittelalter sind die Klöster insbesondere der Benediktinerorden. In der Benediktsregel ist an zwei Stellen in Zusammenhang mit dem Stundengebet vom Vaterunser die Rede.335 In Regel XX wird die rechte Haltung der Lauterkeit im Gebet angesprochen und es werden privates und gemeinsames Gebet unterschieden: „Deshalb sei das Gebet kurz und lauter; nur wenn die göttliche Gnade uns erfaßt und bewegt, soll es länger dauern. In der Gemeinschaft jedoch sei das Gebet auf jeden Fall kurz.“336 Allerdings dient das Vaterunser mit abnehmender Alphabetisierung des gemeinen Volkes auch als Zauber- oder Beschwörungsformel337, immerhin ist man bemüht, dass „alle Erwachsenen wenigstens das Taufsymbol (Apostolisches Glaubensbekenntnis) und das Vaterunser kennen.“338 In der Regel des Franz von Assisi spielt das Vaterunser eine hervorgehobene Rolle im Gebet

für

die

Laienbrüder,

die

des

Lesens

nicht

mächtig

sind

und

das

Offizium/Stundengebet nicht beten können. Das Gebet für die Analphabeten basiert auf dem Vaterunser, das in der nichtbullierten Regel zur Tagesheiligung 76 Mal und zusätzlich für Verstorbene und Lebende 10 Mal, also 86 Mal gebetet wird.339 Nach der bullierten Regel beten die Laienbrüder das Vaterunser zur Tagesheiligung 76 Mal.340 Über den kurzen Vaterunser-Kommentar des Franz von Assisi schreibt F. Bovon: „Was den ganzen Text hindurch auffällt, ist das Bewußtsein der Liebe und Güte Gottes, die sich in unserem Leben spiegeln sollen.“341

334

Ebd., 183. REGULA BENEDICTI XIII und XVII. In Regel XIII steht: „Die Feier von Laudes und Vesper gehe niemals zu Ende, ohne daß am Schluß der Obere das Gebet des Herrn von Anfang an so spricht, daß es alle hören können.“ 336 REGULA BENEDICTI XX. 337 Vgl. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 338. 338 SEITZ, Vaterunser, 518. So z.B. in den Anordnungen Karls des Großen als Katechumenenlehrstück, vgl. ebd. 339 Vgl. Nichtbullierte Regel 3,10. In: LEHMANN (Hg.) Das Erbe eines Armen. 340 Vgl. Bullierte Regel 3,3. In: LEHMANN (Hg.) Das Erbe eines Armen. 341 Bovon, Das Evangelium nach Lukas, 140. 93 335

Im Hochmittelalter tritt zu Vaterunser und Credo das Ave Maria als Volksgebet hinzu. Alle drei verbinden sich schließlich zum Rosenkranz, der v.a. für ungebildete Leute und Analphabeten leicht zu beten ist.342 Gerade wegen seiner Einfachheit setzte sich der Rosenkranz mit den drei Grundgebeten immer mehr durch und wird so zur „Kurzformel, die die Kirche den Gläubigen nahezubringen hatte.“343 Die Franziskaner sind in der Begleitung des einfachen Volkes in ganz Europa stilbildend. Im 16. Jahrhundert, in dem die Gruppen der so genannten Erleuchteten (Alumbrados) und die reformatorischen Umbrüche in Europa die Kirche beunruhigen, gelten das Vaterunser und der Rosenkranz als ‚unverdächtig‘ und werden als Gebete den Ordensschwestern

vorgeschrieben,

welche

dem

einfachen,

ungebildeten

Volk

zugerechnet werden. Dies ist der Hintergrund für die Auslegung des Vaterunsers durch Teresa von Ávila.

5.2 Das Vaterunser in den Schriften der Teresa von Ávila Teresa widmet sich dem Vaterunser im zweiten von ihr verfassten Buch, kommt jedoch nicht zur ebenfalls beabsichtigten Auslegung des Ave Maria.344 Allerdings versteht sie ihr Werk als allgemeine Einführung in die rechte Weise mündlichen Betens (vgl. CE 73,2). Der Weg der Vollkommenheit zeigt die Wertschätzung, die sie dem Vaterunser als Zentralgebet entgegenbringt, und betont seine Bedeutung für den christlichen Glauben.345 So wichtig Teresa die Vaterunser-Auslegung jedoch ist, umso mehr erstaunt, dass sie in der Vida und den anderen Schriften kaum mehr Bezug auf das Vaterunser nimmt. 346

342

Seitz, Vaterunser, 518f. Ebd, 519. 344 Teresa kündigt dies in CE 39,8 an und schreibt dann in CE 73, 2: „Ich hatte mir auch überlegt, euch etwas dazu zu sagen, wie ihr das Avemaria zu beten habt, bin aber schon so ausführlich gewesen, daß es hierbei bleiben soll.“ 345 Es ist das Gebet, dass einem auch von der Zensur nicht genommen werden kann (vgl. CE 36,4; CE 73,1), das „wir [oft und] notgedrungen beten müssen, wenn wir Christen sind“ (CE 39,8; vgl. CE 55,2; CE 68,5; CE 73,4), in das der Herr nach und nach einweist, um es in rechter Weise beten zu können, wenn man die Nähe des Herrn sucht (vgl. CE 40,4), und das zur vollkommenen Kontemplation führen kann (vgl. CE 41,1; CE 52,4). 346 Dies ist an lediglich sieben weiteren Stellen der Fall, einmal in den Konstitutionen im Zusammenhang mit der Gewissenserforschung vor dem Mittagessen (Cs 6), zweimal in Geistlicher Wettstreit als Werk zweier Ordensschwestern in dieser bizarren Sportart (vgl. De 9.20) und viermal in den Briefen. Auch vom (göttlichen) Vater ist außerhalb der beiden Camino-Versionen nur 48 Mal die Rede (insgesamt sind es 194 Stellen. In CE und CV zusammen mit 146 Mal die dreifache Anzahl). Immerhin verweist Teresa in einem Brief an ihren Bruder auf das Buch vom Vaterunser – sie ging also davon aus, dass er das Buch kennt und zur geistlichen Führung verwendet. Vgl. Ct 172,8 vom 2. Januar 1577 an ihren Bruder Lorenzo de Cepeda (noch unveröffentlicht).Eine weitere Untersuchung zur Verwendung des Wortes Vater für Gott kann im Rahmen dieser Arbeit leider nicht erfolgen. 343

94

Verständlich wird durch ihre Auslegung die Distanzierung von der gängigen Praxis, das Vaterunser häufig zu beten.347 Dies erweckt den Eindruck, dass die Vaterunser-Auslegung eher ein Mittel für die Einführung zum kontemplativen Gebet ist. Dem lässt sich entgegenhalten, dass Teresa im Camino eine ausführliche und reife Auslegung über dieses zentrale christliche Gebet vorlegt und die Beziehung zu Jesus Christus und mit ihm zum Vater unbezweifelbar Mitte ihres Glaubens ist.

Christus selbst ist der Meister Um den Weg der Vollkommenheit gehen zu können, braucht es einen Begleiter, der wegerfahren ist, der zum Ziel hinführen und durch geeignete Ratschläge anleiten kann, der Licht gibt, damit der Weg richtig gegangen werden kann (vgl. CE 34,1): „Schaut, […] ob ihr nicht einen guten Meister habt, der uns lehrt, wie und womit wir ihm dienen sollen, denn er weiß, womit man die Zuneigung seines Vaters gewinnen muß“ (CE 55,5). Wahrer Meister und Lehrmeister ist Christus, der den Weg der Vollkommenheit führt. Orientierung bekommt Teresa z.B. durch seine Worte in den Evangelien, die aus allerheiligstem Mund hervorgegangen sind (vgl. CE 35,4).348 Christus hat als dieser Lehrmeister ein enges Verhältnis zu seinem Schüler, der nie laut schreien muss, um ihm nahe zu sein, er bringt bei, „nicht von der Seite zu weichen“ (CE 40,4). Aus dieser Nähe heraus entwickelt sich ein natürliches Verhältnis zwischen beiden: „Es ist ja klar, daß der Meister den Schüler, dem er selbst etwas beibringt, liebgewinnt und Freude daran hat, wenn ihm gefällt, was er ihm beibringt, und daß er ihm sehr hilft, es zu erfassen. Das wird auch unser himmlischer Meister mit uns tun“ (CE 35,4).

Der Meister spricht stumm, aber im Herzen kann es der Schüler hören (vgl. CE 40,4) und „für einen Schüler ist es keine geringe Wohltat und kein kleines Geschenk, zu sehen, daß sein Meister ihn liebt“ (CE 43,4). Das Vertrauen in den Meister ist so groß, dass es keine spektakulären Beweise seiner Macht bedarf. Die Seele weiß, dass er im Kleinen und in der Einsamkeit wirkt und der Weg dennoch richtig gegangen wird (vgl. CE 41,2). Dieser Lehrmeister hat nun das Gebet des Vaterunsers gelehrt, in dem er beibringt, Pater zu sagen und auffordert zu verstehen, „wer dieser Vater ist“ (CE 40,1).

347

So z.B. wenn sie betont, dass ein einziges Vaterunser reicht, um zum Vater zu beten, es keine Häufung des Gebetes braucht, sondern die innere Haltung entscheidend ist, um den Gewinn zu erhalten (vgl. CE 50,2; CE 53,9). 348 Sie grenzt sich wieder einmal von ‚bestformulierten Büchern‘ ab. Allenfalls, schreibt sie, akzeptiert sie Bücher approbierter Autoren. Allen Studierten begegnet sie sehr misstrauisch, wer jedoch eine Erfahrung mit dem Herrn aufweisen kann, steht bei ihr hoch im Kurs, so z.B. Francisco de Osuna. 95

Teresa macht auch auf Fehlformen in der Beziehung zum Meister aufmerksam, wenn sich die Seele nicht ganz auf den Prozess einlässt und eigene Wege geht – doch dann liegt es nicht am Meister und die Seele soll nicht über ihn sondern über sich selbst klagen (vgl. CE 61,7). Für Teresa ist klar, dass sie selbst nur Schülerin ist und der Herr es ist, der das Gebet und den Weg lehrt. Auch Inhalt und Führung des Buches gehen auf ihn zurück: „Ich habe den Eindruck, daß der Herr mich der Mühe enthoben hat, indem er euch und mich gelehrt hat, worum wir in diesem Gebet bitten sollen“ (CE 73,3). Teresa beauftragt die Schwestern, dass sie selbst andere zum Gehen des Weges ermutigen sollen (also selbst zu Begleiterinnen werden), damit sich Menschen auf die Suche nach den Schätzen des Lebens begeben (vgl. CE 34,4).

5.3 Die einzelnen Vaterunser-Zeilen Nach der Systematisierung des kontemplativen Gebetes im letzten Kapitel folgt nun die Untersuchung der einzelnen Zeilen in der Vaterunser-Auslegung Teresas. Doppelungen lassen sich dabei nicht vermeiden, da Teresa, wie gesehen, ihre Vaterunser-Auslegung eng mit der Einführung ins kontemplative Gebet verbindet. Es vertieft sich der Eindruck der Innigkeit zwischen Mensch und Gott, konkret in der Freundschaft zwischen dem betenden Menschen und Jesus Christus. Vor allem die Anrede von Gott als Vater und die Bitte, dass sein Wille geschehe, nehmen bei Teresa breiten Raum ein.

5.3.1 Die Anrede: Vater unser im Himmel In den ersten Sätzen von Kapitel 44, mit dem Teresa ihre Vaterunser-Auslegung beginnt, lobt und preist sie enthusiastisch die Größe und Güte Gottes. Zuerst nennt sie die enge Verbindung zwischen Vater349 und Sohn: Beide zeigen sich einander angemessen, der Vater dem Sohn und der Sohn dem Vater. Dann weitet sie die Zweierbeziehung auf den Menschen aus350, doch indem der Mensch die ersten Worte des Vaterunsers spricht, kommt er an seine Grenzen: 349

Teresa ist eine geschlechter-bezogene Debatte fremd. Sie thematisiert das Wort ‚Vater‘ in Bezug auf das Männliche nicht und verwendet klassische Attribute eines Vaters wie der Erzeuger/Ahne (CE 37,4; 38,1; 44,1-2; 45,1; 65,5), der Versorger/Unterhaltspender (CE 44,2; 46,2; 50,2; 51,1; 72,4) oder der Strenge/Ordnungerhalter (CE 61,2; 62,2-4; 64,3; 65,4). Doch auch der Gebrauch weiblicher Attribute ist für sie unproblematisch, v.a. im Bild des stillenden Gottes: „Die Seele ist hier wie ein Säugling, der noch gestillt wird, wenn er an der Brust seiner Mutter liegt und sie ihm, ohne daß er saugt, die Milch in den Mund träufelt, um ihn zu verwöhnen“ (CE 53,5). Zur Problematik des ‚Vater-Gott‘ und der feministischen Kritik siehe BAUER, Die Rede vom Vater-Gott, 24-26. 350 Für Teresa ist klar, dass diese Beziehung für alle Menschen möglich ist. Eine eigene Auslegung des Wortes ‚unser‘ nimmt sie nicht vor (z. B. um es von einem ‚Vater mein‘ abzugrenzen), es ist ihr wohl zu selbstverständlich. Zur unser/mein-Thematik siehe BOVON, Das Evangelium nach Lukas, 139; oder auch 96

„Kaum daß wir beginnen, füllst du uns die Hände und erweist uns eine so große Gnade, daß es genug wäre, den Verstand damit anzufüllen, um unseren Willen mit seinen Empfindungen derart in Beschlag zu nehmen, daß er kein Wort mehr sprechen könnte“ (CE 44,1).

Mit der Anrede ‚Vater‘ ist das Entscheidende gesagt 351, „warum gibst du uns dann im Namen deines Vaters alles, was man geben kann“ (CE 44,2).352 Denn durch die Anrede ‚Vater unser‘ nimmt der Sohn Gottes den Menschen in die göttliche Beziehung von Vater und Sohn mit hinein. Der Sohn verbindet sich durch die Anrede mit dem Geschöpf Mensch, den er sich bereits als Freund erwählt hat, indem er ihn auffordert, dass es zu seinem Vater ebenfalls ‚Vater‘ sagen soll: Jesus wird dadurch zum Bruder des Menschen (vgl. CE 44,2 und 65,5).353 So ist die Vater-Anrede zuerst eine Aussage über die Beziehung zwischen Jesus Christus und dem Menschen und in zweiter Linie die Hineinnahme in das Verhältnis von Jesus zu seinem Vater. Dadurch ergeben sich Konsequenzen für den Vater, der nicht mehr anders kann, als sich dem Menschen zuzuwenden -

denn nun „muß er uns ertragen, wie schlimm auch immer die Verfehlungen seien,“

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„muß er uns wie dem verlorenen Sohn verzeihen“, wenn sich der Menschen ihm wieder zuwendet und

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„er muß uns in unseren Nöten trösten, wie es ein solcher Vater tut,“

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„er muß notwendigerweise besser sein als alle Väter dieser Welt, da in ihm nichts als alles Gute in Fülle sein kann,“

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„er muß uns wohl verwöhnen,“

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„er muß für unseren Unterhalt sorgen – er hat die Mittel dazu“ und

THOMAS VON AQUIN, Compendium Theologiae, Zweiter Teil, 5. Kapitel. Thomas betont beim Wort ‚unser‘, dass es nicht nur gemeinsam, sondern auch füreinander gebetet wird. 351 „Mit dem Vaterunser beginnt Teresa die Darlegung der Stufen des kontemplativen Betens, das einen dynamischen Prozeß mit fließenden Übergängen bildet. Das Wort ‚Vater‘ umfaßt die ganze Heilsgeschichte, und so überblickt Teresa zu Beginn noch einmal den gesamten Weg bis hin zur vollkommenen Kontemplation, bis zur Gotteinung.“ LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 41. 352 Wie wichtig die Anrede ‚Vater‘ für Jesus selbst ist, wird darin deutlich, dass „jedes Gebet Jesu, das uns überliefert ist, mit der Anrufung ‚Vater‘ beginnt. […] Jesus legt diesen Horizont, der ihm eigen ist, in unser Herz, er teilt ihn uns mit, er lädt uns ein, so zu beten wie er. Eigentlich müßte jede Anrufung des Vaterunsers mit der Anrufung ‚Vater‘ beginnen. […] Mit dieser Ur-Anrufung finden wir den richtigen Ton, die echte Haltung des Verfügbarseins, des Vertrauens, der Hingabe, der Gewißheit, erhört zu werden, der Sicherheit, der Überwindung der Ängste, der Klarheit der Beziehungen.“ Vgl. MARTINI, Wie lerne ich beten?, 79. Viele Exegeten weisen darauf hin, dass das Wort ‚abba‘ einen besonders vertrauten, familiären Ton enthält (Luz, Cullmann). Es gibt aber diesbezüglich auch zurückhaltende Kommentare (Bovon). Vgl. Luz, Das Evangelium nach Matthäus, 339f; Cullmann, Das Gebet im neuen Testament, 56; Bovon, Das Evangelium nach Lukas, 125. 353 Jesus wird zum Bruder im umfassenden Sinn, d.h. er teilt auch das Leiden des Menschen, worauf R. Williams hinweist: „The fundamental answer is that we are adopted – through the Holy Spirit – into the relation of God to God, Father to Son. […] In the incarnation, the Son renounces all claim to ‚special‘ status and comes to be identified with suffering men and women, and this renunciation expresses the desire of the whole of the trinitarian godhead to be present to the human world without reserve or condition.“ W ILLIAMS, Teresa of Avila, 103. 97

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er muss uns „nachher zu Teilhabern und Miterben mit dir machen“ (alle Zitate CE 44,2)

Der Sohn scheint den Vater in eine Beziehung hineinzuzwingen, aus der es keine Möglichkeit zum Entweichen gibt. Doch dies widerspricht dem Wesen des Vaters nicht, denn er zeigt sich als „Vater eines solchen Sohnes“ (CE 44,1). Gleichwohl ist diese Zumutung dem Vater gegenüber nicht einfach hinnehmbar und so bittet Teresa den Sohn: „Da schon du an den Pranger gestellt bist, um unseretwegen in Verruf zu geraten, so laß deinen Vater frei. Lege ihm doch keine so große Verpflichtung auf gegenüber so erbärmlichen Leuten wie mir, die es ihm so schlecht danken werden“ (CE 44,3).

Für eine erfüllte Beziehung sieht Teresa den Menschen nicht bereit, da dieser die entgegengebrachte Güte nicht entsprechend erwidern kann, nicht einmal ein angemessener Dank ist ihm möglich. Doch sie sieht in der Kontemplation den Weg um sich aus der Erdverfangenheit zu lösen, denn in ihr kann „die Seele in sich gehen, um so besser über sich hinausgehen zu können“ (CE 44,1).354 In CE 44,4 besinnt sich Teresa, dass einen solchen Gegensatz zwischen Sohn und Vater zu formulieren nicht statthaft ist: „Du guter Jesus, wie klar hast du gezeigt, daß du eins mit ihm bist und dein Wille der seine und seiner der deine ist!“ Jesus nimmt hier die Mittlerrolle zwischen Himmel und Erde ein, ihm spricht sie zu: Du hast als „Lieblingssohn für dich selbst und für alle gesprochen“ (ebd.). Jesus ist ein solcher „Freund des Gebens“ (ebd.), dessen sehnlicher Wunsch unser Wohl ist (vgl. ebd.), dass er das größte Geschenk nicht vorenthalten kann: Die Hineinnahme in die liebevolle Beziehung zwischen Gott-Vater und Gott-Sohn. Die Beziehung zum Sohn ist also Grundlage, um zum göttlichen Vater zu kommen: „Also, miteinander, ganz nah bei eurem Meister, fest entschlossen, von ihm zu lernen, was er euch beibringt, und Seine Majestät wird bewirken, daß ihr es nicht versäumt, zu guten Schülerinnen zu werden, und er wird euch nicht aufgeben, wenn ihr ihn nicht aufgebt. Achtet auf die Worte, die dieser göttliche Mund zu euch spricht, denn gleich am ersten werdet ihr die Liebe ablesen, die er zu euch hat, denn für einen Schüler ist es keine geringe Wohltat und kein kleines Geschenk, zu sehen, daß 355 sein Meister ihn liebt“ (CE 43,4).

Auch wenn Teresa nicht speziell auf das Wort ‚unser‘ eingeht, ist für sie logische Konsequenz des ‚Vater unser‘, dass alle den gleichen Vater haben und deshalb die

354

Hier zeigt sich noch die Ablehnung des Irdischen. Selbst der Sohn ist in seiner Menschheit mit der menschlichen Natur bekleidet, der Vater im Himmel hingegen soll nicht mit dem Irdischen ‚kontaminiert‘ werden und in Verruf geraten (vgl. CE 44,3). Es geht aber letztlich nicht um eine moralische Aufrüstung, sondern um eine Umkehr „in einem anderen Sinne, nämlich von außen nach innen, von Welt zu Gott.“ LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 41. 355 Die enge Beziehung zu Jesus, sein Vorbild als Meister verändern Beten und Tun der Menschen so, „daß die Worte von Taten begleitet sein mögen, um letztendlich in etwa wie Kinder eines solchen Vaters und Geschwister eines solchen Bruders auszusehen“ (CE 65,5). 98

Abstammung vom menschlichen Vater im Kloster keine Rolle mehr spielen darf 356: „Der gute Jesus gibt euch einen guten Vater; einen anderen Vater sollte man hier nicht kennen“ (CE 45,2).357 Über entgegengesetztes Handeln im Kloster, wenn sich das Prestigedenken nicht abstellen lässt, gibt Teresa klare Auskunft: „Es wäre die Hölle!“ (CE 45,2). Prestigedenken ist Verrat an der Freundschaft mit Jesus und ebenso Verrat an Gott als Vater (vgl. CE 45,2).358 Um den Verstand zu zügeln, beginnt sie nun das Gebet der Sammlung zu erklären.359 Auch für die Frage nach dem Vater ist dies wichtig und so fährt sie in Kapitel 46 fort, die Worte der du bist im Himmel zu erklären. Himmel ist für Teresa das Ziel des Lebens360, der Ort Gottes und seiner Heerscharen, die stets bei ihrem Herrn sind (vgl. CE 48,4f). Sie kennt die Sichtweise vom weit entfernten Himmel und widerspricht, Gott dort zu suchen: „Der ganze Schaden aber kommt daher, daß wir nicht in aller Wahrheit erkennen, daß er nahe ist, sondern ihn uns weit weg vorstellen. Und wie weit, wenn wir ihn im Himmel suchen!“ (CE 50,1).

Die vollkommene Erfüllung dieser Sehnsucht ist für den Menschen auf Erden noch nicht möglich, aber es gibt einen Vorgeschmack, wenn 356

Teresa greift in CE 45,1 einen weiteren Konflikt innerhalb der spanischen Gesellschaft auf: Wer es zu einem höheren Ansehen gebracht hat, als es die Familiengeschichte her gibt, verleugnet diese, um nicht schlecht da zu stehen. Teresa zieht eine Parallele: Wer Gott zum Vater hat, der muss versuchen, ihn immer besser kennen zu lernen: „Wo gibt es denn ein Kind auf dieser Welt, das nicht zu wissen bestrebt ist, wer sein Vater ist, wenn es einen guten und einen von solcher Güte und Majestät und Herrschaft hat?“ (CE 45,1). Das Kennenlernen geschieht im Gebet. 357 Die Schwestern sollen einen kindlichen Umgang mit dem Vater pflegen, immer seine Nähe suchen im Bemühen, „es euch bei ihm gut gehen zu lassen und euch in seine Arme zu werfen“ (CE 45,2). 358 Vgl. Kap. 3.3.2 dieser Arbeit. 359 Vgl. Kapitel 3.5.3.1 dieser Arbeit. 360 E. Lorenz nennt dies „Rückkehr zum Ursprung.“ LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 44. Ein zirkulares Denken lässt sich jedoch bei Teresa nicht belegen, ein lineares durchaus. Umkehr im biblischen Sinn meint nicht ein Zurückgehen, sondern ein sich neu ausrichten. Das griechische μετανοεîτε lässt vier Übersetzungen und Aufforderungen zu: „Appell an das Gefühlsleben: empfindet Reue, als Aufrüttelung des ganzen Bewußtseins: ändert euren Sinn, als Aufforderung zu Taten, durch die begangenes Unrecht wiedergutgemacht werden soll: tut Buße oder als Aufruf zu einer radikalen Wandlung des Verhältnisses Gott-Mensch und Mensch-Gott: kehrt um, bekehrt euch.“ BEHM, μετανοέω und μετάνοια im Neuen Testament, 994f. Eine Rückkehr kann Jesus nicht gemeint haben, wenn er seine „Grundforderung erhebt, die notwendig aus der Wirklichkeit der eschatologischen βασιλεία in der Gegenwart in seiner Person folgt.“ Ebd., 996. Diese Bindung an die Person Jesu ist neu und wesentlich für den Weg der Vollkommenheit, wie sie E. Lorenz selbst beschreibt: Es ist „wichtig, daß Teresa […] im Gebet an der Menschheit Jesu Christi festhält“ (LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 44) und „ein göttliches ‚Du‘ bleibt immer bestehen“ (ebd., 58). Problematisch ist folgende Formulierung bei E. Lorenz: „So wird der von allem anderen entleerte Raum Gottes als ein christlicher ‚programmiert.“(ebd., 47). Das Bild von einem ‚entleerten Raum‘ im Innern des Menschen ist unzutreffend. Teresa verwehrt sich dagegen, „wir seien innen hohl“, wenn sie vom Palast im Innern spricht (CE 48,2). Inhaltlich passt ein entleerter Raum ebenfalls nicht, denn Gott wartet immer schon im Innern, er muss nicht erst kommen. Teresa spricht davon präsentisch, dass er auf dem Thron sitzt, der das Herz ist (vgl. CE 48,1). Deshalb ist ein Vergleich zur Bewusstseinserweiterung fernöstlicher Meditationsschulen, die „in Teresas ‚ausbaufähigem‘ Palast seine Entsprechung“ haben, nur entfernt möglich, denn dort ist es der Mensch, der sich langsam bereitet und sich zu leeren versucht, hier weitet der personale Gott und füllt das Innere mit sich selbst. Zitat: LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 48. Richtig ist, dass es bei der Umkehr insofern um eine Rückkehr geht, als Teresa ein Hinwenden „zum Eigentlichen, zu Gott“ erreichen möchte. LORENZ, ebd., 44. 99

„die Seele in ihrem Innern in dieses Paradies bei ihrem Gott eintreten will und die Tür zu allem Weltlichen schließt! Versteht, daß dies nichts Übernatürliches ist, sondern daß wir es machen können (selbstverständlich vermögen wir alles, was ich in diesem Buch sage, nur mit Gottes Hilfe, denn ohne ihn kann man nichts, gar nichts)“ (CE 49,3).

Die Begegnung mit dem Vater ist überall möglich und so braucht er nicht mit lauten Worten erst herbeigerufen zu werden (vgl. CE 46,2), ganz nahe lässt sich das Antlitz Gottes finden (vgl. CE 50,1). Mit der Autorität des Kirchenlehrers Augustinus verweist sie auf die Begegnung der Seele im eigenen Innern.361 Nun verwendet Teresa als Gottesbezeichnung den Ausdruck ‚König‘. Dieser erweist die Ehre seines Besuchs und sein hoher Besuch ist selbstverständlich anzunehmen, denn alles andere wäre grob unhöflich und von falscher Demut geleitet (vgl. CE 46,3). Zwar ist Gott der König, doch in der Begegnung mit ihm kann man frei und zutraulich mit ihm sprechen, „wie mit einem Vater, einem Bruder und einem Herrn […], denn er ist euer Bräutigam“ (CE 46,3). Mit den drei engen Beziehungswörtern ‚Vater‘, ‚Bruder‘ und ‚Bräutigam‘ drückt Teresa die Möglichkeit der vertrauten Gottesbegegnung aus und möchte alle Befangenheit im Umgang mit Gott nehmen.362 In Kapitel 47 wirbt sie weiter für die Begegnung mit Gott im Innern: "Die Seele ist allein mit ihrem Gott; das ist die beste Voraussetzung, um sich gegenseitig zu verstehen“ (CE 47,4).363 Teresa bringt nun ihren stärksten Vergleich: Die Seele als Palast Gottes (vgl. CE 48). Das Bild besitzt höchste Aussagekraft, wird von Teresa jedoch als missverständlich bezeichnet.364 Der Palast im Innern ist komplementär zum großen „König365, der es für gut befunden hat, euer Vater zu sein“ (CE 48,1). Das heißt, der Mensch ist darauf angelegt, dass der König auf diesem „überaus prächtigen Thron sitzt, der euer Herz ist“ (CE 48,1). Es ist auch nicht so, dass dem König ein Platz bereitet werden muss, denn er ist bereits da und wartet, bis der Mensch auf ihn aufmerksam wird. 366 Der Erkenntnis der 361

Teresa wirkt an dieser Stelle etwas distanziert, spricht sie doch nicht direkt vom Vater, sondern verwendet die Formulierung: „como a padre“ – wie bei einem Vater (CE 46,2). Durch die dreimalige Verwendung wird dies noch deutlicher. Ein Erklärungsversuch: Wenn der betende Mensch mit dem Gebet der Sammlung beginnt, ist die Beziehung mit dem Vater noch nicht so gefestigt, so dass der Mensch diese engen Beziehungsworte nicht sagen oder empfinden kann. Teresa spricht davon, dass die Seele im Innern dem Gast begegnet „im Bewußtsein, dessen nicht würdig zu sein“ (CE 46,2). 362 „Man lasse ab von gewissen Anwandlungen von Scheu, die manche Leute haben und für Demut halten. […] Hört auf, euch dumm anzustellen. Nehmt ihn beim Wort, denn er ist euer Bräutigam, der euch dann auch entsprechend behandeln soll“ (CE 46,3). 363 U. Dobhan und E. Peeters verweisen in der Anmerkung: „In der Endfassung heißt es nicht ‚um sich gegenseitig zu verstehen‘ (para entenderse), sondern ‚um sich gegenseitig zu entflammen‘ (para encenderse).“ 364 Teresa spricht selbst davon, dass das Bild ‚unverschämt‘ und missverständlich aufgefasst werden kann. Hier nimmt sie sich selbst zurück, um Kritikern die Angriffsfläche zu nehmen: „Da wir Frauen nicht studiert sind und keinen so subtilen Geist haben“ (CE 48,2). 365 Der Palast ist „genau passend für einen solchen Herrn“ (CE 48,1). 366 Insofern ist das Wort ‚Gast‘ eine Untertreibung, denn auch für den König ist es nicht fremdes, sondern eigenes Land (vgl. CE 70,3). In CE 48,4 sagt sie, dass es Aufgabe ist, „daß wir uns ihm mit aller Entschlossenheit als sein Eigentum hingeben und ausräumen, damit er hinzufügen und wegnehmen kann, wie bei etwas, was ihm gehört“ (CE 48,4). 100

eigenen Seele als Palast folgt nun der Schritt, diesen Palast entsprechend herzurichten, damit „er nicht so schmutzig ist“ (CE 48,3). Was für den Menschen zu tun bleibt, ist aber kein großes Reinemachen, sondern beim Herrn zu bleiben und ihn nicht so oft allein zu lassen (vgl. CE 48,3). Es folgt ist die Weitung der Seele, damit sie die Größe Gottes immer mehr fassen kann. Handelnder ist dabei Gott selbst. Dem Menschen kommt zu, sich dem Wirken Gottes nicht zu verstellen (vgl. CE 48,4). Doch der König auf dem inneren Thron ist sanft und „ein Freund jeglichen Einvernehmens“ (CE 48,4), er lässt die Freiheit und führt nicht in eine Abhängigkeit367: „Da er unseren Willen nicht vergewaltigen will, nimmt er nur das, was man ihm gibt“ (CE 48,4).368 Das Innere des Menschen als Begegnungs- und Wohnort Gottes ist eine Besonderheit bei Teresa: Gott ist nicht mehr der Ferne, sondern „ganz nah“. 369 Der Himmel ist nicht mehr in der Ferne, sondern wird erfahrbar, im eigenen Innern erlebbar.370 Für den irdischen Menschen ist es nicht möglich, Gott in seiner ganzen Herrlichkeit zu erkennen, aber er kann sich bereiten: „Richtet eure Augen auf euch und schaut in euer Inneres; dort werdet ihr euren Bräutigam finden, der euch nicht fehlen wird“ (CE 49,1). Zum einen geht es in diesem Satz um die reinigende Kraft der Selbsterkenntnis (schaut auf Euch selbst) und zum anderen um die intime und erfüllende Begegnung zwischen Braut und Bräutigam. Die Nichtigkeiten der Welt zu erkennen, führt zur Selbsthingabe und schließlich zur Wahrheit selbst (vgl. CE 49,2), der man ins Antlitz schauen kann (vgl. CE 50,1). Hier gipfelt die Betrachtung und gibt einen Einblick, welche Möglichkeiten das Gebet birgt: „denn dann ist es so, daß wir den Himmel in uns haben, weil nämlich dessen Herr da ist“ (CE 50,1). Beim ‚Abstieg‘ von diesem Gipfel prägt sie noch einmal ein, dass laute und viele Gebete nicht nötig sind, Mühe das Gebet nicht intensiver macht, aber durch das Gebet der Begegnung im Innern „Zufriedenheit und Trost“ verheißen sind (CE 50,3).

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Dies erklärt, warum das Gebet nicht zu einer Sucht wird. Gott fordert den Menschen nicht so ein, dass er seine innere Freiheit verliert und er nicht mehr Herr seiner selbst wäre. Auch wenn der Mensch betet, dass Gott ihn zu einem Werkzeug machen solle oder er mit ihm machen solle, was ihm gefällt, geht Gott nicht über die freie Zustimmung des Menschen hinweg – die entsprechenden Gebete gehen von einer Selbstübereignung aus. Allerdings behält auch Gott seine Freiheit und muss sich, um sie zu wahren, gegebenenfalls entziehen. Vgl. dazu PLATTIG, Elija, 61. 368 Da jeder Mensch einen solchen Palast in sich trägt, besitzt er „die einmalige und unveräußerliche Würde […], die ihm von niemand genommen werden kann.“ Daraus gehen hervor „Toleranz und der Respekt vor jedem Menschen.“ Beide Zitate: DOBHAN, „Es komme in uns Dein Reich“, 167. 369 Was im Deutschen 5-mal gleich übersetzt wird, hat im Spanischen verschiedene Wörter: „muy junto“ (CE 40,4); „junta cabe“ (CE 43,4; 53,2), „cerca“ (CE 47,4); „muy cerca“ (CE 53,9). 370 Dies widerspricht dem Vorwurf, das Christentum sei nur eine Vertröstung aufs Jenseits. 101

Zusammenfassung Die Auslegung der ersten Vaterunser-Zeile befasst sich mit der Beziehung von GottVater zum Menschen, der von Gott-Sohn den Auftrag bekommt, zu seinem Vater ebenfalls ‚Vater‘ zu sagen. Der Sohn nimmt den Menschen in diese göttliche Beziehung mit hinein, was für den Menschen ein kaum fassbares Geschenk bedeutet. Auch wenn es so aussehen könnte, als ob ein Gegensatz der Interessen von Gott-Sohn und GottVater besteht, verwirft Teresa diesen Gedanken sofort, da beide den gleichen Willen haben. Mit Gott-Sohn als Bruder haben alle den gleichen Vater, deshalb sind alle weltlichen Abstammungsfragen obsolet. Teresa argumentiert an dieser Stelle streng biblisch, hat aber immer das Gemeinschaftsleben als Hintergrund, das durch Prestigedenken schwer gestört wird. Sie beginnt mit der Einführung ins kontemplative Gebet. Beim Gebet der Sammlung soll der Verstand gesammelt werden. Das Innere des Menschen als Palast Gottes, in dem Gott auf den Menschen wartet, ist Teresas Bild, um die suchenden Beterin neugierig zu machen. Die Suche nach Gott wendet sich also dem Innern des Menschen zu, dort lässt sich Gott finden und verheißt „Zufriedenheit und Trost“ (CE 50,3).

5.3.2 Name und Reich Die Heiligung des Namens und das Kommen des Reiches Gottes sind für Teresa miteinander verbunden.371 Der Mensch kann aufgrund seiner eigenen Fähigkeiten den Namen des Vaters nicht angemessen „heiligen noch preisen noch groß machen noch verherrlichen noch loben“ (CE 52,1)372, wenn der Sohn ihm nicht bereits Anteil am Reich Gottes geben würde (vgl. CE 53,1). Nur wer schon in Verbindung mit dem Sohn steht und mit dem Reich verbunden ist, kann ‚in rechter Weise‘ mit Gott in Kontakt treten und so ist Teresa davon überzeugt, „daß die Gnade Gottes uns vorangeht und uns im Gebet begleitet und daß wir ohne ihre Hilfe nichts machen können.“373 Eine solche Kontaktaufnahme ist „notwendig für uns, um seinen Namen loben und seinen Willen

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Dem stimmt auch im biblischen Befund O. Cullmann zu: „Im Beten, nicht im leeren Reden, sondern wenn es uns wirklich ernst ist mit unserem Sehnen nach der Verwirklichung der unermeßlichen Heiligkeit Gottes, geschieht Heiligung.“ CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 60. „Die zwei Du-Bitten des ursprünglichen Unservaters bilden den Kernpunkt der eschatologischen Unservaterdeutung.“ LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 341. 372 Castellano macht auf die Vielzahl der Synonyme aufmerksam, die alle „der gleichen Konstellation des Segens- und Dankgebetes“ angehören (CASTELLANO, Geheiligt werde dein Name, 147) und vermutet als Hintergrund liturgischen Lobgesang insbesondere das Magnifikat (vgl. ebd. 149). 373 Ebd., 147. 102

angemessen erfüllen zu können“374 und deshalb ist es am Menschen „alles zu tun, was wir nur können“ (CE 52,1).375 Dazu gehört, sich auf die Begegnung angemessen vorzubereiten und zu bedenken, „mit wem ihr da sprechen wollt oder mit wem ihr gerade sprecht“ (CE 38,1), womit auch die Frage verbunden ist, mit welchem Namen das Gegenüber angesprochen wird.376 Teresa zählt die Früchte des bereits angebrochenen Reiches auf377: „Das große Gut, das es unter vielen anderen im Reich des Himmels gibt, ist dies: - auf Dinge der Erde schon nicht mehr zu achten; - innere Ruhe und Herrlichkeit; - sich zu freuen, weil sich alle freuen; - beständiger Friede; - große innere Befriedigung, die daher kommt, weil man sieht, daß alle den Herrn heilig nennen und loben und seinen Namen preisen, und daß ihn niemand beleidigt“ (CE 52,2).

Es zeigt sich, dass die Verankerung im Reich Gottes ein Abwenden vom Irdischen bewirkt, schon die Früchte offenbart und zu einem gemeinschaftlichen ‚alle‘ führt, auch wenn die Vollkommenheit noch nicht erreicht ist. Für Teresa ist die Unmöglichkeit, Gott vollkommen zu lieben, nicht problematisch, sie drängt aber darauf, alles Mögliche zu unternehmen, um der vollkommenen Liebe möglichst nahe zu kommen. Sie setzt darauf, dass der göttliche Meister nicht erwartet, dass die Menschen wie „Engel sein müssen“ (CE 52,3), und er den Menschen, der „noch auf dem Meer unterwegs“ ist (CE 52,3), führt und ihm die Früchte des Gebetes der Ruhe als Vorausblick auf das Verheißene zukommen lässt.378 Der Himmel ist auf Erden erlebbar: „Wir sind der Ort, an dem Gott ist – der Himmel.“379

374

Ebd., 148. „Außerdem verbindet die Heilige die beiden Bitten, die Heiligung des Namens und das Kommen des Reiches, mit der Logik eines Menschen, der meint, daß nur im Himmelreich der Name Gottes vollkommen geheiligt wird.“ Ebd. Dass Gott selbst derjenige ist, der seinen Namen heiligt, ist für Teresa nicht im Blick, sie sieht v.a. das ungenügende Handeln des Menschen. Zur Frage, wer der ‚Heiligende‘ ist, vgl. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 344. 375 Teresa ist hier nahezu jedes Mittel recht, wenn es nur dem Zweck dient, die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen herzustellen bzw. zu stärken. Es geht ihr nicht darum, dass alle ihren Weg gehen, sondern dass sie das Ziel erreichen. Einzige Einschränkung ist, dass die Suche nicht der kirchlichen Lehre widersprechen darf. Dieser Einschub mag mit der Absicht zusammenhängen, die kirchlichen Zensoren für sich einzunehmen. Nicht unterschätzt werden darf aber ihre klare Sicht auf die Gefahr, dass ein Beter durch den Bösen auf eine falsche Fährte gelockt wird oder sich verirrt und er Kriterien benötigt, um wieder auf den rechten Weg zu finden. Nicht zuletzt diesem Anliegen ist ihre Wertschätzung gegenüber der kirchlichen Lehre und den Beichtvätern geschuldet (vgl. CE 69,4). 376 Dies können, wie gesehen, auch Kosewörter sein (vgl. CE 11,8). 377 Jesus selbst spricht davon, „daß das Reich Gottes nahe herbeigekommen ist (Mk. 1,15; Mt. 4,17) und daß es schon gekommen ist (Mt. 12,28; Luk. 11,20).“ CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 61. Er verweist darauf: Die Christen beten ‚Dein Reich komme‘ „für die Vollen und eines mit ihm [Jesus] schon gekommenen Reiches.“ CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 63. 378 Die Anstrengung des Weges zeigt sich in den Bildern von der Verbannung, vom Gefängnis, von der Wanderschaft müde Gewordenen (vgl. CE 52,3). Aus einer solchen Müdigkeit heraus lässt sich auch die Sehnsucht nach dem Tod erklären, die sich das Ende der Mühen und die Erfüllung der Verheißung herbeiwünscht (vgl. CE 53,4). 379 „We are, in a very straightforward sense, the place where God is – heaven.“ W ILLIAMS, Teresa of Avila, 94. 103

Das Bild vom Unterwegssein auf dem Meer ist passend gewählt, um die Verschiedenartigkeit der Wege zu erklären, denn auf dem Meer gibt es ebenfalls keine vorgegebenen oder ausgetretene Wege. Für Teresa sind mündliches Beten und Kontemplation kein Widerspruch und es ist Gott, der frei zur Kontemplation erhebt – ungeachtet der eingeschlagenen Wege des Menschen. Der Verweis auf eine Schwester, die durch mündliches Gebet zu tiefer Kontemplation geführt wurde, belegt dies (vgl. CE 52,4).380 Mit der Auslegung von Name und Reich verbindet Teresa die Erläuterung vom Gebet der Ruhe.381 Das Hinwenden zum Vater in der ersten Zeile ist gewährt und angenommen, also ein Wechselgeschehen zwischen Gott und Mensch. Der Empfang der Früchte des Reiches ist jedoch übernatürlich und meint, was „wir nicht selbst herbeiführen können, so sehr wir uns auch anstrengen mögen“ (CE 53,2).382 Ein weiterer Aspekt wird von Teresa nicht direkt angesprochen, liegt aber ihrem ganzen Buch zu Grunde: Teresa will die Mitschwestern zum Beten ermuntern. Diesen apostolischen Auftrag verspürt sie selbst und gibt ihn weiter, denn „wer Gott kennt, möchte, daß alle ihn loben.“383

Gott der König Das Bild des Reiches ist eng mit dem Bild des Königs verbunden. Die oberste weltliche Instanz zur Zeit Teresas ist der König, ein Bild, das bereits im Alten Testament für Gott

380

Teresa hebt die Haltung hervor, in der die Schwester das Vaterunser betet. Die Schwester hält sich am Gebet fest und behält so ihren Verstand, den sie sonst verlieren würde (vgl. CE 52,4). Teresa nutzt das Vorbild der Schwester, um für das langsam Beten des Vaterunsers zu werben und spricht ihre Kritiker direkt an, denen sie fast androht, selbst solche Erfahrungen zu machen, wenn sie in rechter Weise beten. U. Dobhan und E. Peeters deuten den Satz „Wer es nicht hören will, möge weitergehen“ (CE 52,4) als Hinweis auf die Vorlesetradition im Kloster aufgrund der hohen Analphabetenrate (vgl. CE 52,4, Anm. 10). Auch eine biblische Herkunft aus zwei Jesusworten ist möglich: „Wer Ohren hat zum Hören, der höre“ (Mk 4,9 par.) und „Wenn man euch aber in einem Ort nicht aufnimmt und euch nicht hören will, dann geht weiter, und schüttelt den Staub von euren Füßen, zum Zeugnis gegen sie“ (Mk 6,11 par.). Auf Teresa übertragen: Nicht alles kann so lange erklärt werden, bis der Letzte einverstanden ist. Sie muss ihren Weg mit denen gehen, die sich darauf einlassen. 381 Vgl. Kapitel 3.5.3.2 dieser Arbeit. 382 Teresa ist in ihren Bildern oft sprunghaft, so wollen der „Säugling, der noch gestillt wird“ und dass diese „in den Kampf zieht“ (beide CE 53,5) nicht zusammen passen. Die Absicht, das reine Geschenk Gottes und das falsche Kämpfen des Menschen darum ins Verhältnis zueinander zu setzen, wird jedoch deutlich. 383 CASTELLANO, Geheiligt werde dein Name, 150. In CV fügt Teresa eine wichtige Erweiterung hinzu: Sie überträgt das Gebet der Ruhe auf das Schwesternpaar der Martha und Maria und verbindet so „aktives und passives Leben“ (CV 31,5). „Der Schatz im Himmel, den zu erwerben uns Jesus auffordert, das ständige Liebesangebot Gottes an uns ist, die ständige Bereitschaft Gottes, mit uns Beziehung zu knüpfen und in Beziehung zu leben, macht uns fähig zu einem Leben zum Wohlgefallen Gottes und zum Nutzen unserer Mitmenschen. […] Frommsein ist in erster Linie Freude und Dankbarkeit darüber, daß Gott so ist und sich uns als solcher auch geoffenbart hat, und zwar auf menschliche Weise, im Menschen Jesus von Nazareth“ DOBHAN, „Es komme in uns Dein Reich“, 175. 104

verwendet wird und im Neuen Testament ein Titel für Jesus ist.384 Gerade beim Bild des Königs lässt sich zeigen, wie wenig systematisch Teresa vorgeht, denn sie verwendet das Wort König sowohl für Gott-Vater385 wie auch für Gott Sohn.386 Hier fließen Christologie und Trinität ineinander über. Eines der häufigsten Worte für die Gottesanrede sind bei Teresa ‚Herr‘ und ‚Majestät‘.387 Die Verwendung des Wortes König kann sich also auf beide göttlichen Personen beziehen.388 Während das Bild von Gott-Vater jedoch eindeutig ist, changiert das Bild Jesu erheblich und kann sogar als Gegenstück zum frei herrschenden König stehen, wenn sie ihn mit dem Bild Sklaven als unfreiestem aller Menschen vergleicht (vgl. CE 60,2). Insgesamt fällt auf, dass der Titel König bei Jesus den Ausblick für den Glaubenden bietet, Anteil an seinem Reich zu haben, das Königsbild des Vaters wirkt hingegen etwas statisch.

384

In seinen Gleichnissen vergleicht Jesus Gott mit einem König z.B. Mt 18,23-35 Gleichnis vom unbarmherzigen Gläubiger; Mt 22,1-14 Gleichnis vom königlichen Hochzeitsmahl. Jesus verwendet den Titel aber auch für sich selbst, so beim Einzug nach Jerusalem: „Sagt der Tochter Zion: Siehe, dein König kommt zu dir“ (Mt 21,5 par.); bei der so genannten Rede vom Weltgericht: „Dann wird der König denen auf der rechten Seite sagen: Kommt her, die ihr von meinem Vater gesegnet seid, nehmt das Reich in Besitz“ (Mt 25,34); Jesus vor Pilatus: „Als Jesus vor dem Statthalter stand, fragte ihn dieser: Bist du der König der Juden? Jesus antwortete: Du sagst es“ (Mt 27,11 par.). Auch die Aussagen über Jesus verwenden den Königstitel: „Die Aufschrift der Tafel: Das ist Jesus, der König der Juden“ (Mt 27,37 par.); „Auch die Hohenpriester, die Schriftgelehrten und die Ältesten verhöhnten ihn und sagten: Anderen hat er geholfen, sich selbst kann er nicht helfen. Er ist doch der König von Israel!“ (Mt 27:41-42 par.); bei der Begegnung mit Natanaël: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!“ (Joh 1,49). Auch die Sorge vor der falschen Interpretation des Königstitels durch das Volk lässt sich finden: „Da erkannte Jesus, dass sie kommen würden, um ihn in ihre Gewalt zu bringen und zum König zu machen. Daher zog er sich wieder auf den Berg zurück, er allein“ (Joh 6,15). 385 Belegstellen im Camino, an denen von Gott-Vater als König die Rede ist: Gott ist überall und der Wohnort des Königs ist der Himmel und dieser Himmel ist im Innern (CE 46,2); der König, dem es gefallen hat, Euer Vater zu sein und in der Seele des Menschen seinen Palast genommen hat (CE 48,1.3); der betende Mensch, der im Palast nahe beim König ist und von dessen Reich der Herr schon Anfänge gibt (CE 53,3 ); der Mensch, der nur noch nach dem Willen des Königs leben möchte (CE 72,5). 386 Belegstellen, wie Teresa den Titel König für Gott-Sohn einsetzt: Gott-Sohn Jesus Christus wird als König bezeichnet, der im Stall geboren wird (CE 2,9); den es in der Welt vor Frauen nicht gegraut hat und der auf „mutige und starke Seelen“ baut „und seien es die von Frauen“ (CE 4,1); der das Vorbild in der Demut ist (CE 15,2); der die Schwestern zu Bräuten hat (CE 19,2; 38,2); der sich von den Schwestern Schachmatt setzen lässt (CE 24,1.4); der in sein eigenes Königtum kommt und nicht in ein geliehenes (CE 37,1); der als Auferstandener sein Königreich gewinnt (CE 42,4); der, obwohl er zu Tode gedemütigt wurde, seine Ehre nicht verloren sondern gewonnen hat (CE 64,2). 387 Bei diesen Worten kapituliert die Konkordanz und listet nur eine Auswahl der Stellen auf. J. Burggraf benennt die Diskussion um die Gottesanrede Majestät und die Vermutung S. Castros, dass hier Teresas jüdische Wurzeln und die Erziehung im strengen Internat der Augustiner durchschlagen. Burggraf widerspricht dem: „Bei näherem Zusehen zeigt sich jedoch, daß die Heilige gerade hier, mit gewisser Wehmut, von ihrer großen kindlichen Vertrautheit zu Gott spricht.“ BURGGRAF, Humanität und Glaubensleben, 385. 388 Während der Sohn des Königs in der weltlichen Hierarchie als Prinz oder in Spanien auch als Infant betitelt wird, greift Teresa diese mögliche Zuschreibung für den Sohn Gottes nicht auf. Dies deckt sich mit der biblischen Tradition, in der es ebenfalls keinen solchen Titel für Gott-Sohn gibt. 105

Zusammenfassung Die Bitten um die Heiligung des Namens und das Kommen des Reiches werden von Teresa verknüpft. Eng mit dem Reich verbunden ist der Königstitel, den Teresa jedoch sowohl für Gott-Vater wie auch Gott-Sohn verwendet. Nur wer schon Anteil am Reich Gottes hat, mit Gott schon in Beziehung getreten ist und von seinen Wirkungen gekostet hat, kann auch den Namen preisen. Der Mensch hat etwas vom verheißenen Frieden erfahren und dies treibt ihn zum Gebet an. Dass er auf dem Weg noch nicht vollkommen ist, hindert weder ihn noch Gott, sich auf die Beziehung einzulassen. Sie wird als so heilsam und wichtig erkannt, dass die Schwestern dafür beten, damit sich alle Menschen auf diesen Weg der Vollkommenheit mit Gott einlassen.

5.3.3 Die zentrale Bitte: Dein Wille geschehe Teresa schreibt selbst, dass „alles, wozu ich euch in diesem Buch geraten habe, auf diesen Punkt abzielt, uns dem Schöpfer ganz hinzugeben und unseren Willen dem seinen zu ergeben“ (CE 55,3) und dies ‚wie im Himmel so auf Erden‘.

389

Vorbild für

diese Haltung ist Jesus Christus, der das Gebet gelehrt und in seinem Leben umgesetzt hat. Dein Wille geschehe ist für Teresa die logische Folge der Bitten um die Verherrlichung des Namens und das Kommen des Reiches.390 Nachdem der Herr alles wünschbar Wertvolle gegeben hat, soll nun der Mensch schauen, was der Herr vom beschenkten Menschen erbittet (vgl. CE 54,1). Aus der Konsequenz, dass der Name geheiligt und das Himmelreich schon auf Erden gegeben wird, schließt sie die Möglichkeit, dass „in mir dein Wille geschehe“ (CE 54,2). Nun macht Teresa die Erfüllung des Willen Gottes 389

U. Luz bezeichnet die Bitte „dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden“ bei Matthäus als offen, die sich sowohl auf das Handeln Gottes, wie auch auf das Handeln des Menschen beziehen kann. Durch den Nachsatz wird der Bezug auf das Handeln Gottes wahrscheinlicher. Luz verweist auf das Gebet Jesu am Ölberg, bei dem er nicht nur bittet, dass der Wille des Vaters geschehe, sondern auch, dass er selbst die Kraft bekommt, diesem Willen gemäß zu handeln: „Unsere Bitte zielt also auf ein aktives Verhalten des Menschen. Sie ist aber nicht einfach ein verkappter Imperativ, sondern sie legt Gott das Handeln des Menschen in Gestalt einer Bitte zu Füßen.“ LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 344. Bei Lukas ist die Bitte nicht Teil des Vaterunsers, der Bitt-Teil kommt aber beim Gebet Jesu am Ölberg vor, das Teresa häufig meditiert hat. Den Zusatz sieht O. Cullmann als Verbindung beider Räume: „Philologisch und inhaltlich sind die Worte […] im Sinne einer Entsprechung zu verstehen: was im Himmel schon existiert, soll auf Erden verwirklicht und erbetet werden.“ CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 65. Allerdings sieht Cullmann „keinen so schroffen Gegensatz zwischen dem menschlichen Einzellos und der irdischen Verwirklichung des himmlischen Heilsplans […]. Gewiß stet im Lichte der Vaterunserbitte alles, was dem einzelnen widerfährt und aufgetragen ist, in klarer Unterordnung unter den Gesamtplan.“ Ebd. 390 Dies knüpft an die biblische Grundlage an, weil „mit der Beziehung auf den göttlichen Heilsplan die dritte Bitte des Matthäustextes sich inhaltlich in den Rahmen des ganzen ersten Teils des Vaterunsers einfügt, da der Gegenstand der ersten und der zweiten Bitte der gleiche ist: das im Himmel sich vollziehende Geschehen (Heiligung, Königsherrschaft) soll auf der Erde verwirklicht werden.“ CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 67. Cullmann verweist auf Origenes, der den Zusatz „wie im Himmel so auf Erden“ auf alle drei Bitten bezieht. Vgl. ebd. 106

aber nicht von der Disposition oder Zustimmung des Menschen abhängig – denn dass Gott von etwas abhängig sein sollte, kommt für sie nicht in Frage (vgl. CE 54,4) – und sie ist sich bewusst, dass von ihrer Seite her diese Bitte nicht erfüllt werden kann.391 So ist die Bitte dein Wille geschehe ein Angebot Gottes (vgl. CE 54,2), dem sich die Schwestern nicht entziehen sollen (vgl. CE 54,4) und das nur Nutzen bringt, selbst wenn die Übereignung des eigenen Willens Überwindung kostet (vgl. CE 54,4392) und mit Prüfungen verbunden ist (vgl. CE 54,3.6). Ohne es direkt zu benennen, greift Teresa das Bild des Palastes wieder auf: Der Mensch besitzt einen Juwel (CE 55), welcher das angemessene Geschenk für die gewährten Gaben ist und nichts im Vergleich zu dem, was er selbst bereits erhalten hat.393 Dieser Juwel ist der Wille des Menschen, auch wenn dieser eigene Wille ursprünglich ebenfalls ein Geschenk Gottes war (vgl. CE 55,2). Das Bild deutet Teresa daraufhin weiter, dass der Mensch diesen Juwel in seiner Hand dreht, ihn aber letztlich doch nicht übergibt. Teresa hält die Inkonsequenz vor Augen: Es geht nicht, am eigenen Willen fest zu halten und gleichzeitig das Vaterunser zu beten, das die Bitte dein Wille geschehe enthält (vgl. CE 55,2).394 Dabei erkennt sie an, dass es nicht am Wollen liegt, denn der Juwel wird gezeigt und angeboten, dann aber doch festgehalten (vgl. CE 55,1). Er wird „x-Mal versprochen“ und „wir sind schnell dabei, großzügig zu tun, hinterher aber so knausrig“ (CE 55,2). Was fehlt, ist die Entschlossenheit395 zur Umsetzung, um dann einen noch größeren Gewinn zu erhalten: „Damit wir uns darauf einstellen, um in ganz kurzer Zeit zu erleben, daß wir am Ende des Weges sind und vom lebendigen Wasser der Quelle trinken, die schon erwähnt wurde. Denn ohne daß wir uns dem Herrn ganz hingeben und uns seinen Händen überlassen, damit er in allem, was uns betrifft, seinen Willen tut, läßt er uns niemals davon trinken“ (CE 55,3).

„Der Wille ist […] ein starkes, dominantes Element in uns“396 und der zur Festigkeit gereifte Wille wird alle anderen Tugenden nach sich ziehen. Über ein Hier-bin-ich-vor-dir hinaus, muss der betende Mensch nichts leisten(vgl. CE 55,4). Diese Hingabe ist verbunden mit der Bitte um Kraft diese Haltung durch „Verfolgungen, Krankheiten,

391

„Aber ohne das und bei einem so erbärmlichen, unfruchtbaren Erdreich wie dem meinen, wüßte ich nicht, wie es möglich sein sollte“ (CE 54,2). 392 Diese Stelle ist als Gebet formuliert! Die Hingabe ist nicht theoretisch und abstrakt, sondern ein Glaubensbekenntnis an ein konkretes Gegenüber. 393 „Stimmt es etwa nicht, daß er ihn uns zuvor gegeben hat?“ (CE 55,2). 394 Dass der Wille des Menschen dem Willen Gottes entgegensteht, ist bei allen drei Synoptikern zu finden (siehe: Gebet am Ölberg Lk 22, 41 par.). Vgl. CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 64. 395 Zum Thema ‚Entschlossenheit‘ siehe Kapitel 4,1 dieser Arbeit. 396 “The will is […] the strong, dominant element in us […]. Because the will is being steadily fed, it is gaining strength, and this strength will eventually, without deliberate effort, attract the rest of the fractious interior family of the human soul.” W ILLIAMS, Teresa of Avila, 93. 107

Ehrverluste und Nöte“ (CE 55,4) durchstehen zu können, wie es der Sohn vorgelebt hat. Hilfe auf dem Weg ist dabei die Eucharistie, in der der Herr bleibend zugegen ist, selbst Beispiel der Hingabe gibt und Stärkung den Weg weiter zu gehen. Mit dieser, seiner Gegenwart und Freundschaft kann sich ein Mensch ändern und so auch die ganze Kirche (vgl. CE 57,1).397 Frucht der Hingabe des Willens ist jedoch nicht Selbstaufgabe oder eigene Willenlosigkeit, sondern „eins zu werden“398 mit dem Allmächtigen, „aus dem Urheber und dem Geschöpf eine Einheit zu machen“ (CE 55,5), so „daß er ihr nicht nur ihren eigenen Willen wieder überläßt, sondern ihr zu ihrem den seinen dazugibt“ (CE 56,1). Mit anderen Worten: Frucht ist die Liebe und nach Gottes Willen wird der Mensch zu einem Handelnden der Liebe. Damit wird er seinem Wesen der Liebe gemäß mit dem Risiko des Leidens verbunden, Leiden, das nicht mehr kontrollierbar ist. 399 Die Übergabe des Willens führt zu seiner Gleichgestaltung, so dass die Bitte dein Wille geschehe zu einem Mein-Wille-werde-wie-deiner und letztlich zu einem Unser-Willegeschehe wird.400 Nun ist die vollkommene Verbindung und Freundschaft erreicht, beide stehen auf einer Stufe zueinander, sind sich ganz zugewandt. Beide wissen um das Geschenk des anderen und können sich am anderen freuen: „Das ist Verzückung“ (CE 56,1). 401 Ihr Verhältnis ist von „Einfachheit und Demut“ geprägt (CE 56,3), die beiden zu eigen ist und die dem jeweils anderen Raum lässt. Die Umsetzung des Willen Gottes besteht darin, ihn in der Freude und dem Leid des Herzens zu suchen (vgl. CE 42,6), zu vergeben und den guten Willen anzubieten (vgl. CE 63,2), einander zu lieben und den Frieden zu bewahren (vgl. CE 64,4)402 und nichts anderes anzustreben, als den Geliebten: 397

Vgl. ebd, 95. CE 55,5, vgl. Joh 17,9-26. 399 „God’s will is that we become agents of love, and this is sufficiently difficult and risky for us to be sure that it will involve suffering, the kind of suffering we cannot control.“ W ILLIAMS, Teresa of Avila, 95. 400 „Die kontemplative oder mystische Umwandlung hebt zunehmend die Trennung zwischen Gott und seinem Geschöpf auf.“ LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 73. Vgl. auch ZELL, Durch Liebe zur Identität, 43. Dem schließt sich an, dass das Gebet nicht mit einer allgemeinen Bitte endet wie: „Gib uns Vater, was gut für uns ist“ (CE 51,1). Zum einen wäre die Annahme des Gegebenen für den (störrischen) Menschen immer mit der Frage nach dem Lohn verbunden. Aber auch der eigene Wille müsste sich dann nicht bewegen und der Weg zur rechten Gebetsweise wäre verbaut. Wenn die Schwestern Gott um etwas bitten, dann „bittet, daß Seine Majestät euch Licht schenke“ (CE 51,3). 401 Im Zusammenhang mit einer Verzückung beim Kommunionempfang schreibt sie: „Daß man ihn aber unverhüllt sieht und er seine Großtaten mitteilt und ihnen seine Schätze schenkt, das will er nur mit denen machen, von denen er erkennt, daß sie sich sehr nach ihm sehnen, denn das sind seine wahren Freunde“ (CE 61,10). 402 An das dreifache Liebesgebot (Lk 10,27 par.) knüpft auch Franz von Assisi an: „Dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden: damit wir dich lieben aus ganzem Herzen (vgl. Lk 10,27), indem wir immer an dich denken; aus ganzer Seele, indem wir immer nach dir verlangen; aus ganzem Gemüte, indem wir all unser Streben zu dir hinlenken und deine Ehre in allem suchen; und aus allen unseren Kräften, indem 398

108

„Wer Gott wirklich liebt, der liebt alles Gute, will alles Gute, fördert alles Gute, preist alles Gute, tut sich mit guten Menschen zusammen, verteidigt sie immer, umfaßt alle Tugenden; er liebt nur Wahres und das, was es wert ist, geliebt zu werden. Meint ihr vielleicht, daß einer, der Gott wirklich liebt, Nichtigkeiten liebt? Das kann er nicht, auch keine Reichtümer, weltlichen Dinge oder Ehrenposten; er läßt sich auf keine Streitfälle ein und hegt keine Eifersüchteleien; und das alles, weil er nichts anderes anstrebt, als seinem Geliebten zu gefallen. Er stirbt vor Verlangen, daß Gott ihn liebe, und gibt sein Leben dafür her, um zu erkennen, wie er ihm besser gefallen kann“ (CE 69,3).

Auch wenn die Seele weiß, sie „kann oft nicht so, wie sie gern möchte, auch wenn sie wollte, ja sie kann gar nichts, wenn es ihr nicht gegeben wird“ (CE 56,2)403, alles also Geschenk ist, bleibt sie sich doch ihrer Würde bewusst, die ihr von Gott her geschenkt wird und sich durch sein Werben zeigt. Dahinter steckt keine Objektivierung des Subjekts: Gott liebt nicht sich selbst im Menschen, sondern wirbt um die Zustimmung des Menschen mitsamt seinem Willen404, sich ebenfalls hinzugeben, wie er es getan hat, und so (im Mahl405) gemeinsam das Geschenk der Freundschaft zu feiern. Es ist der in Freundschaft von Gott emporgehobene Mensch, in dem sich nun seine volle Gottesebenbildlichkeit zeigt.406 Die Todessehnsucht, die sich bei Teresa immer wieder zeigt 407 und die erst bei den Gründungen der neuen Klöster einem großen Eifer weichen wird, ist ebenfalls mit der Frage nach dem Willen verbunden. Teresa erkennt, dass es ihr auf Erden nicht gelingen wird, den Willen des Vaters vollkommen zu erfüllen: „Was für ein anderes Leben ist das, so daß man sich nicht mehr nach dem Tod sehnt! In welch ganz andere Richtung neigt sich der Wille Gottes als der unsere! Seiner sehnt sich nach der Wahrheit, unserer nach der Lüge; er sehnt sich nach Ewigem, der hier nach dem, was endlich ist; er sehnt sich nach großen, erhabenen Dingen, der hier nach unzulänglichen, irdischen; er sehnt sich nach allem, was sicher ist, der hier nach lauter Zweifelhaftem. […] Damit wir das Rechte treffen, wollen wir es seinem Willen überlassen, was er uns gibt, da wir ihm ja schon unseren Willen hingegeben haben. Sein Name sei für immer gepriesen, in den Himmeln und auf Erden; und es geschehe an mir sein Wille. Amen“ (CE 72,6).

wir alle unsere Kräfte und Empfindungen der Seele und des Leibes zum Gehorsam gegen deine Liebe und für nichts anderes aufbieten.“ LEHMANN, Das Erbe eines Armen, 42. Das Umfeld Teresas ist von der franziskanischen Spiritualität geprägt. Vgl. Kapitel 5.3.1 dieser Arbeit. 403 „Die Sehnsucht ist niemals ohne Mangel, da sie von uns kommt“ (CE 32,1). 404 Der gute Wille ist alles, was der Mensch anbieten kann (vgl. CE 63,2). 405 Die Auslegung der Bitte dein Wille geschehe wird fortgeführt in der Bitte um das tägliche Brot (siehe Kapitel 5.3.4 dieser Arbeit). Teresa zeigt die Verbindung, dass das eucharistische Brot hilft, den Blick auf die himmlischen Dinge zu richten (CE 60,2), es nährt (CE 60,1) und durch die himmlische Speise „alles leicht fällt“ (CE 63,1). 406 Zum Thema Freundschaft siehe Kapitel 3.1.4. 407 So auch im Camino: „Was finden wir denn in diesem Leben schon Gutes, Schwestern, denn wir entbehren doch so viel Gutes und sind ohne es? Erlöse mich, Herr, von diesem Todesschatten, erlöse mich von so vielen Nöten, erlöse mich von so vielen Schmerzen, erlöse mich von so vielen Veränderungen, von so vielen Anstandsformen, die wir, solange wir am Leben sind, notgedrungen wahren müssen; von so vielen, so vielen, so vielen Dingen, die mich ermüden und mir auf die Nerven gehen, daß ich den Leser ermüden würde, wenn ich sie alle aufzählen wollte. Wer hält denn dieses Leben noch aus? Diese Lebensunlust muß wohl daher kommen, daß ich so schlecht gelebt habe und sehe, daß auch das Leben, das ich jetzt führe, nicht so ist, wie ich leben sollte, da ich so viel schuldig bleibe“ (CE 72,4). Diese Not hat sich gegenüber ihren ersten Jahrzehnten im Kloster schon reduziert. Dabei geht es um eine Todessehnsucht, um ihrem Ziel näher zu kommen. Suizidale Tendenzen sind keinesfalls festzustellen. 109

Aus dieser Zuversicht heraus ermuntert Teresa die Schwestern, dass ihr in „Liebe und Gottesfurcht, in Ruhe diesen Weg gehen könnt“ (CE 72,2) und daraus die Zuversicht erwächst, dass der Tod nicht zu fürchten ist sondern er etwas Großes sein wird, weil sie den Herrn geliebt haben (vgl. CE 70,3).

Zusammenfassung Die Hingabe des eigenen Willens ist nicht ein Verlust, sondern die Voraussetzung zur wahren Fülle gelangen zu können. Im Bild des inneren Tempels bedeutet es die Bereitschaft, das Innere frei zu räumen, damit der Herr es füllen kann (vgl. CE 48,4).408 An dieser Bitte hängen die vier folgenden Vaterunser-Bitten und sind deshalb nachgestellt. Dein Wille geschehe ist die Überschrift und der Rhythmus, in dem dann um Brot, Vergebung, Führung und Erlösung gebeten wird, denn bei alledem geht es darum, dass der Beter “seinen Willen in den Willen Gottes schon ergeben hat“ (CE 63,2). Er sieht, dass er nichts angemessenes anzubieten hat und sagt deshalb: „Nimm dafür meinen guten Willen, Herr“ (ebd.).

5.3.4 Das tägliche Brot heute Mit Kapitel CE 57 als Vorrede knüpft Teresa an die Bitte dein Wille geschehe an und greift auf, wie schwer dem Menschen die Umsetzung des göttlichen Willens fällt. Der menschenfreundliche Jesus erkennt dies und steht ihm leibhaftig im Brot der Eucharistie zur Seite. Für Teresa ist klar, dass mit dem Brot in der Bitte das ‚allerheiligste Brot‘ gemeint ist. Die Auslegung, dass es außerdem um die Bitte nach der täglichen Versorgung geht, scheint ihr jedoch nicht fremd. So trägt sie den Schwestern auf: „Daß der Herr an anderes Brot für den Lebensunterhalt und die leiblichen Bedürfnissen [sic!] gedacht hätte, das möchte ich nicht glauben, und ich möchte auch nicht, daß ihr daran denkt“ (CE 60,2). Bemerkenswert ist die Anmerkung des Zensors, dass es ebenso um die Deckung des täglichen Nahrungsbedarfs geht, womit er diesen Abschnitt streicht. 409 Doch für Teresa geht es auch hier um die Haltung, sich nicht „in etwas so Unzulängliches wie die Bitte um Essen“ zu verlieren, sondern „unseren Willen auf die himmlischen Dinge 408

„Gott verwandelt uns nicht nur in Glaubende, Liebende und Hoffende, er erfüllt uns von innen so mit sich selbst, dass wir in ihn verwandelt werden.“ LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 75. 409 Vgl. CE 60,2 Anm. 6: „Christus unser Herr bat um alles, was Leib und Seele am Leben erhält, also um das materielle Brot und um die Eucharistie, auch aus Ehrfurcht vor der Seele. Und genauso bittet auch die Kirche darum in der Litanei.“ Der Zensor steht damit in der biblischen Tradition, bei der sowohl die tägliche Nahrung wie auch das geistige Brot gemeint sind. Vgl. BOVON, Das Evangelium nach Lukas, 129-133 und LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 345-347. Allerdings hat der Bezug allein auf die Eucharistie guten Leumund, so z.B. den Hl. Franziskus. Vgl. LEHMANN, Das Erbe eines Armen, 42. 110

auszurichten“ (beide Stellen CE 60,2). Teresa überträgt die Frage nach der täglichen Nahrung ebenfalls auf Gott, sieht in der Vaterunser-Bitte jedoch nur die eine Dimension, weil es um die Ausrichtung des Menschen geht. Ihr ist klar, dass sich Gott selbstverständlich um den leiblichen Unterhalt der Schwestern kümmert und diese sollen darauf vertrauen410 und müssen ihn nicht um so etwas bitten, wenn es um viel Wichtigeres geht: „Laßt ab von aller Sorge um euch, denn er trägt Sorge um euch und wird sie immer haben“ (CE 61,1), „denn sobald wir begonnen haben, uns auf ein leibliches Bedürfnis einzulassen, vergessen wir bald die seelischen!“ (CE 60,2). 411 Die Zuversicht, dass der Herr für die Schwestern sorgen wird, unterstützt sie in der Konzeption der Häuser, die eine bestimmte Größe nicht überschreiten sollen, damit die Schwestern von ihrem Umfeld getragen werden können. Entscheidend ist der geistliche Weg und sollte dieser verlassen werden z.B. durch die Sorge um genügend Essen, „dann soll er mich verhungern lassen. Wozu will ich dann noch Leben haben, wenn ich mir mit ihm von Tag zu Tag mehr den ewigen Tod verdiene?“ (CE 60,4). Teresa wählt hier drastische Worte, um die Wichtigkeit zu unterstreichen. Die Ausrichtung auf Gott hin ist ihr ein bleibendes Anliegen und sie sieht es in ständiger Gefahr. Mit Kapitel CE 58 beginnt Teresa ihre Sicht auf das Verhältnis von Gott-Vater und GottSohn darzulegen und die Auswirkung der Hingabe des Sohnes für die Menschen. Dieser Zusammenhang ist ihr sehr wichtig, „denn es hängt unser Leben davon ab“ (CE 58,1) zu erkennen, was da geschenkt wird. Das gewährte Hilfsmittel der Eucharistie bedeutet für den Sohn, „Tag für Tag weiterzuleiden“ (CE 58,2) und „sich täglich zerreißen“ zu lassen (CE 59,1), wobei er die Kosten trägt, damit der Mensch heil werden kann. Die Hinführung gerät ihr etwas kompliziert: „Und da es sich um etwas so Schwerwiegendes und Wichtiges handelte, wollte er, daß es aus der Hand des ewigen Vaters käme“ (CE 58,1). Teresa versucht damit die Zuordnung des Sohnes zum Vater aufrecht zu erhalten, der sich seinem Vater gegenüber für seine Freunde einsetzt, fügt aber im folgenden Satz

410

Vorbild dieser Haltung ist der alttestamentliche Elija, wie E. Stein in ihrem Werk „Über Geschichte und Geist des Karmel“ herausarbeitet: „Vor dem Angesicht Gottes stehen – das ist unser Beruf […] Elija kennt keine Sorge um das tägliche Brot, Er lebt im Vertrauen auf die Fürsorge des himmlischen Vaters und wird wunderbar erhalten.“ Zitiert nach: PLATTIG, Elija, 56. 411 Mit dieser Sichtweise Teresa steht auf biblischem Boden, denn bei seiner Versuchung lässt sich Jesus nicht vom Hunger nach Brot beherrschen (vgl. Mt 4,4 par.) und er sagt in der Bergpredigt: „Sorgt euch nicht um euer Leben und darum, daß ihr etwas zu essen habt, noch um euren Leib und darum, daß ihr etwas anzuziehen habt. Ist nicht das Leben wichtiger als die Nahrung und der Leib wichtiger als die Kleidung?“ (Mt 6,25 par). Auf diese Textstelle geht Teresa allerdings laut Konkordanz nur in den geistlichen Erfahrungsberichten CC 1,20 ein. 111

an, dass Vater und Sohn eins sind.412 Sie spricht darüber, was für eine Art Vater es sein muss, der eine solche Hingabe erlaubt und um welch hohen Preis dies geschieht, um Gott-Vater dann in Kapitel 59 direkt anzusprechen. Vorwurfsvoll hält sie ihm entgegen, dass das Heil des Menschen auf Kosten des Sohnes geht. Es fällt Teresa schwer, den Sohn allein die Last tragen zu lassen, und nun will sie beim Vater für den Sohn eintreten – eine Umkehr des Erlösungsprozesses (vgl. CE 59,1).413 An dieser Stelle geht sie auf das ‚unser‘ ein, jedoch nicht in Abgrenzung zu einem möglichen ‚mein‘ sondern als Verbindung zwischen dem Sohn und den Menschen.414 Dieses ‚unser‘ ist so stark, „daß du es uns schon einmal als Heilmittel gegeben hast und es uns daher nicht wieder nehmen darfst“ (CE 59,1). Sie begründet dies durch die Menschwerdung Jesu, der sich „aufgrund seiner Teilhabe an unserer Natur mit uns eins“ und „keinen Unterschied zwischen sich und uns“ macht (beide Zitate CE 59,2). Die Haltung des Sohnes ist also die unbedingte Solidarität mit dem Menschen und in dieser selbstlosen Hingabe ist er Vorbild für die Schwestern, die täglich auf seine Liebe und seinen Mut schauen sollen (vgl. CE 59,1). Das Hilfsmittel für den himmlischen Beistand ist das Brot. Es ist „jene wunderbare Erfindung, die er sich ausgesucht hatte“ (CE 62,2), um beim Menschen zu sein, und in der sich der Sohn selbst schenkt. Es ist die Form seiner bleibenden Gegenwart auf der Erde. In diesem Brot geschieht die direkte Begegnung zwischen Sohn und Mensch, es ist das Zeichen seiner Freundschaft zum Menschen. Wie gesehen zeigt sich hier seine ganze Hingabe: „Er ist nicht so wie wir, sondern weiß, daß er ihn erfüllt, indem er uns so liebt wie sich selbst, und so ging er auf die Suche, um dieses Gebot noch vollkommener zu erfüllen, und wäre es auf seine Kosten“ (CE 58,2).

Teresa gibt keine Definition von der Eucharistie, stellt keine theologische Reflexion an, dennoch wird klar, dass sie die innigste Verbindung mit Gott ermöglicht und dies auch bei ‚bloßer‘ geistiger Kommunion (vgl. CE 62,1). Jesus ist in diesem Brot ganz da, es braucht keine andere Vermittlung mehr. Teresa tadelt Schwestern, die gerne eine Zeitreise in die Jesuanische Zeit machen würden, und erklärt, wie unsinnig ein solcher Gedanke ist (vgl. CE 61,3). Ebenfalls ist in Gegenwart der Hostie kein Bild von Jesus 412

Wie bereits gesehen, ist ein Gegensatz zwischen Vater und Sohn theologisch nicht haltbar. Vgl. Kapitel 3.1.4 dieser Arbeit. 413 Sie greift dies am Ende der Auslegung in CE 62,3 noch einmal auf. Hier besteht ein gewisser Widerspruch zu einer ihrer vorherigen Aussagen, denn bei ihren Ausführungen über die Demut betont sie: „Die Demut besteht nicht darin, eine Gnade, wenn der König sie einem erweist, nicht anzunehmen, sondern sie anzunehmen, im Bewußtsein, wie unverdient sie euch zuteil wird, und euch daran zu freuen“ (CE 46,3). 414 O. Cullmann liest das unser als Hinweis auf die irdische Ausrichtung der Brotbitte, weil es den gemeinschaftlichen Aspekt gegenüber einer Spiritualisierung hervorhebt. Vgl. CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 71. 112

Christus mehr nötig und sie vergleicht es mit der Unhöflichkeit, das Bild einer Person anzuschauen, obwohl die Person selbst zugegen ist (vgl. CE 61,8). Dass er den äußeren Augen verborgen bleibt, ist der Schwäche des Menschen geschuldet, der die Wahrheit nicht ertragen könnte (CE 61,6).415 Der Kommunionempfang ist dennoch wirksam und wundertätig, denn die Eucharistie ist Arznei und Nahrung für den Leib (vgl. CE 61,3) und heilt durch die innerliche Berührung (vgl. CE 61,5). Wer die Begegnung in der Kommunion sucht, kann gewiss sein, „daß er uns die Gnade schenkt, uns so auf den Empfang einer so großen Gabe und einer so himmlischen Nahrung vorzubereiten, daß er sich den Augen der Seele aufdecken und zu erkennen geben möge, wenn schon die Augen des Leibes nicht die Freude haben, ihn zu sehen, weil er verborgen ist; das ist eine andere Nahrung von Beseligungen und Wonnen […] Sorgen wir aber dafür, daß wir uns bewußt nur darum kümmern, das vom Herrn zu erflehen, was ich gesagt habe; denn wenn wir das haben, haben wir alles.“ (CE 61,2).

Noch geht es um die Vorbereitung, die Eucharistie birgt jedoch alles in sich und wir haben sie „als sicheren Besitz“ (CE 60,2), sie muss sich nur noch erschließen. Sie gibt die Kraft für alle Situationen des Lebens, gerade für die schwierigen: „Es gibt keine Not oder Prüfung oder Verfolgung, die nicht durchzustehen wäre, sofern wir nur einmal anfangen, von den seinen auszugehen und sie durchzukauen und in unsere Betrachtung zu verlegen“ (CE 60,2).

So ist die Eucharistie Nahrung für Leib und Seele, wie das Manna in der Wüste, das die Israeliten ernährt hat und für sie zugleich Zeichen der Gegenwart und Fürsorge Gottes war. Mit der Eucharistie gelingt es, „unseren Willen auf die himmlischen Dinge auszurichten“ (CE 60,2).416 Es geht also auch hier um die Ausrichtung auf den Herrn und seine Gegenwart und Freundschaft. Für die Zeit nach dem Kommunionempfang gibt Teresa eine Reihe von Anregungen (die Schwester, von der sie in der dritten Person spricht, ist sie selbst417):

415

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„Und sie ließ dann von der Beschäftigung mit allen äußeren Dingen ab

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und verkroch sich in eine Ecke,

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im Bemühen, ihre Sinne zu sammeln,

Dazu gehört die Erkenntnis, dass mit der Wahrheit die Nichtigkeit der Welt offen gelegt wird. (Vgl. CE 61,6). 416 Das Manna ist bei vielen Autoren Sinnbild für die Eucharistie. In der Thematik der Arbeit ist hinzuzufügen, dass das Manna nur für jeweils einen Tag (bzw. am Freitag auch für den Sabbat) gesammelt werden durfte. Es sollte kein Horten geben, sondern das Vertrauen auf die Sorge des Herrn für die Seinen sollte erhalten bleiben und wachsen. O. Cullmann widerspricht der Beziehung der Brotbitte zum Manna und geht mit seiner Arbeit insgesamt in eine andere Richtung, führt aber J. Carmignac mit Argumenten für diese These an. Vgl. CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 72. 417 Dazu CE 61 Anm. 3. Ob es sich beim Bezug auf eine dritte Person wirklich um eine Taktik Teresas oder um ein bloßes Stilmittel handelt, sei dahingestellt. Die Berufung auf eine dritte Person als Autorität dürfte auch zur damaligen Zeit nur überzeugt haben, wenn der Name der Person genannt wird, für die Leser und v.a. Leserinnen wäre ein „ich habe erlebt“ eventuell gewinnender gewesen. Sicher war den Schwestern klar, dass Teresa von sich spricht, selbst wenn die Vida nicht allen zugänglich war (in V 30,14 nimmt Teresa Bezug auf die Eucharistie). 113

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um mit ihrem Herrn allein zu sein.

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Sie betrachtete sich zu seinen Füßen

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und verblieb da im Gespräch mit ihm –

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auch wenn sie keine frommen Gefühle empfand“ (CE 61,4).

Es ist die Beschreibung einer Frau, welche die Begegnung derart packt, dass sie sich zurückziehen muss, weil alles Äußere unwichtig wird. Es ist jedoch keine Frage von Wahl, denn der Gebrauch ihrer Sinne ist begrenzt. Die Begegnung mit dem Empfangenen besitzt absolute Priorität, der sich alles andere unterordnet. Die Gesprächssituation ist sehr intim (Sitzen zu seinen Füßen418), unabhängig von frommen Gefühlen und es zählt einzig, bei ihm zu verweilen (vgl. 62,1).419 Der Herr lehrt, auch wenn es der betende Mensch nicht versteht (vgl. CE 61,7) und es lohnt sich selbst bei Ausbleiben einer schnellen Erhörung auszuhalten und durchzutragen, denn nach dieser Prüfung wird er „zeigen, wie sehr er uns liebt“ (CE 62,2). Teresa ist vorsichtig genug, um hier nicht einem Automatismus das Wort zu reden, aber sie stellt in Aussicht, dass es durch dieses Verweilen zur Gotteinung kommen kann und „er sich euch ganz und gar enthüllt“ (CE 61,9).420 Teresa interpretiert die Doppelung von täglich und heute: „Sogar mir fällt auf, wie er nur in dieser Bitte zweimal dieselben Worte gebraucht, denn zuerst sagt und bittet er, du möchtest ihm dieses Brot jeden Tag geben, und dann sagt er noch einmal ‚gib es uns heute, Herr‘“ (CE 59,1).

Mit dem Wort ‚täglich‘ sieht sie den immerwährenden Beistand in der Person Jesu, der bleibt, „um uns zu helfen, zu ermutigen und zu ernähren, damit wir den Willen erfüllen“ (CE 60,1) und wir ihn im Himmel wie auf Erden besitzen. Dagegen bezieht sich ‚heute‘ auf „den einen Tag, den dieses Leben währt […], den diese Welt dauert“ (CE 60,2). Das ‚heute‘ bekräftigt, die Kürze, die dem Menschen abverlangt wird, um sich zu bewähren, zumal ihm der Sohn als Hilfe zur Seite steht. Es steht im Zusammenhang mit der rechten Sorge, die sich auf das Himmlische und nicht das Irdische ausrichten soll.421

418

Dass Sitzen zu Füßen Jesu deutet auf seine Begegnung mit Maria und Marta in Lk 10,39 oder auf die Begegnung mit der Sünderin hin, die ihm mit ihren Tränen die Füße wäscht und diese dann mit ihren Haaren abtrocknet (Lk 7,36-50). 419 Teresa betont dies mehrfach, am dringlichsten in CE 62,1: „Ich habe so ausführlich darüber gesprochen […], weil es ganz, ganz wichtig ist, dieses Verweilen allein mit Gott.“ Weitere Stellen z.B. 61,7.9. 420 Ähnlich in CE 61,5. 421 Die exegetische Kontroverse mit weiteren Übersetzungsmöglichkeiten des επιούσιος, wie sie heute geführt wird, findet bei Teresa keine Entsprechung. 114

Der Kampf gegen Häretiker und Lutheraner Bei der Betrachtung der Brotbitte spricht Teresa auch über den Kampf gegen die Häretiker und meint die Reformatoren und Lutheraner. Schon im ersten Teil des Camino taucht das Thema punktuell auf – meist in Zusammenhang mit der Eucharistie. Teresa fragt Gott-Vater, warum die Liebe seines Sohnes „in einem solchen Maß gering geachtet wird, wie es diese Häretiker heutzutage mit dem Allerheiligsten Sakrament tun, denn sie nehmen ihm seine Wohnstätten weg und zerstören seine Kirchen“ (CE 4,2). Sie bezeichnet die Lutheraner als „unheilvolle Sekte“ (CE 1,2), die viele Menschen auf den falschen Weg führt.422 Sie sieht ihr Kloster als (letzte) Bastion des Herrn: „Wenn ich nun nochmals auf den Hauptgrund zurückkomme, weshalb uns der Herr in diesem Haus zusammengeführt hat, und weshalb ich sehnlich wünsche, daß wir ein bißchen dazu taugen, um Seine Majestät zufriedenzustellen, sage ich, daß ich meinte – als ich die so großen Übel sah, wo menschliche Kräfte nicht ausreichen, um dieses Feuer einzudämmen (auch wenn man versucht hat, Männer auf die Beine zu bringen, ob die wohl mit Waffengewalt einem so großen Übel abhelfen könnten, das zudem noch so sehr vorangeht) –, daß da so etwas notwendig ist wie zur Zeit eines Krieges, wenn die Feinde das ganze Land überrannt haben, und sich der Herr, da er sieht, daß er es verloren hat, in eine Stadt zurückzieht, die er gut befestigen läßt, und es ihm von dort aus manchmal gelingt, gegen die Gegner vorzugehen. Und wenn die in der Burg solche sind, wie es ausgesuchte Leute sind, dann vermögen sie allein mehr, als man mit vielen Soldaten, wenn sie feig waren, verloren hat, und oftmals erringt man auf diese Weise den Sieg; zumindest, auch wenn man nicht gewinnt, 423 werden sie nicht besiegt“ (CE 3,1).

Der Gedanke, dass die Lutheranern beim Thema ‚bewusstes Beten‘ Verbündete sein könnten, hätte sie wohl erschrocken.424 Allerdings bleibt festzuhalten, dass beide Seiten verschiedene Konsequenzen ziehen und für Teresa die enge Verbindung zur (römischkatholischen) Kirche nicht verhandelbar ist.425 Die meiste Kritik an der Reformation setzt beim Umgang mit der Eucharistie an, die – wie gesehen – für Teresa einen herausragenden Stellenwert hat. So hält sie dem Vater vor: „Warum willst du deinen Sohn Tag für Tag in so erbärmlichen Händen sehen? […] Wie kann dein Mitgefühl tagtäglich zuschauen, wie ihm Beleidigungen zugefügt werden? Und wie viele werden heute diesem Allerheiligsten Sakrament zugefügt! In wieviel feindlichen Händen muß ihn der Vater sehen! Wie viele Ehrfurchtslosigkeiten von Seiten dieser Häretiker!“ (CE 58,2).

Der unwürdige Kommunionempfang (vgl. CE 60,2), der Bildersturm (CE 61,8) und die Profanierung von Kirchen (CE 62,3) bezeichnet sie als schweres Übel, als Brand und Sturm, dem der Herr (Gott-Vater) selbst ein Ende bereiten muss – aus Rücksicht auf

422

Vgl. dazu DOBHAN/PEETERS CE 1 Anm. 3. Allerdings steht Teresa in der Frage der Rechtfertigung Luther sehr nahe. Vgl. CE 4, Anm. 8. 423 Beachtenswert ist dazu CE 3, Anm. 3. 424 In CE 40,1 beschwert sie sich über die Sichtweise, dass bei Gebeten anscheinend nur die Form genügt ohne sie inhaltlich nachzuvollziehen – dies kritisierten auch die Reformatoren. 425 Die Kirche ist für Teresa Geistträgerin. Dies spiegelt sich immer wieder darin, dass auch der Gebetsweg mit den Lehren der Kirche übereinstimmen muss. 115

den leidenden Sohn und zur Rettung der Kirche (vgl. CE 62,4f). Für Teresa ist diese Auseinandersetzung ein großes Anliegen, weil sie mit der Geringschätzung der Eucharistie das Herz der Kirche getroffen sieht.426 Die Eucharistie gilt es mit allem, was zur Verfügung steht, zu verteidigen. So ist die Freundschaft mit dem Sohn auch ein Zeichen der Solidarität und der Versuch seine Not zu lindern, verbunden mit der Absicht beim Vater für ihn einzutreten (vgl. CE 62,3). Hier zeigen sich auch die kirchenpolitische Dimension und ihre apostolischmissionarische Ausrichtung.

Zusammenfassung Für Teresa ist klar, dass es sich beim Brot in der Vaterunser-Bitte um die Eucharistie handelt. Sie ist die Form der innigsten Verbindung zum Herrn und Freund. Dabei können und sollen sich die Schwestern ganz auf die himmlischen Güter konzentrieren, denn um die irdischen sorgt sich Gott. Die eucharistische Gabe geht jedoch ganz zu Lasten des Sohnes, der sich täglich neu unter Schmerzen in die Akzidens des Brotes inkarniert, um so dem Menschen zu helfen und ihm nahe zu sein. Hier bittet Teresa den Vater, dass er doch die Last des Sohnes mildern möge und bietet sich selbst im Tausch an. Teresa betont die Wichtigkeit der Kommunion, selbst wenn diese nur geistig ist, und gibt anhand eigener Erfahrungen Hilfen, um die Frucht der Eucharistie zu verkosten. Die beiden Worte ‚täglich‘ und ‚heute‘ interpretiert Teresa so, dass es sich bei ‚täglich‘ um das immerwährende, zeitliche und ewige Gut handelt, das ‚heute‘ bezeichnet das Jetzt, die Zeit des irdischen Daseins, welches nur einen Tag dauert. Teresas Auseinandersetzung mit den Lutheranern hält verständlicherweise einem Zugang heutiger Theologie und Wissenschaft nicht stand. Die Texte heute zu lesen kann aber zum Nachdenken anregen, gegen welche Gefahren Glaube und Kirche heute verteidigt werden müssen und welche Fehlhaltungen die Beziehung zu Gott verhindern.

5.3.5 Schuldvergebung Zuerst gilt es, eine sprachliche Eigenart zu beleuchten, denn Teresa übersetzt vom lateinischen Vaterunser das präsentische Wort ‚dimittimus‘ als Perfekt.427 Damit hebt 426

Vgl. LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 79. Mit ihrer Auslegung kommt Teresa der Vergangenheitsform des Aorist im griechischen Urtext näher. U. Luz sieht in der Zeile eine Bedingung. Vgl. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 348. Zwei Möglichkeiten warum Teresa diese Form wählt, sind denkbar. Vielleicht hatte Teresa Kenntnis vom griechischen Urtext bei Matthäus, evt. vermittelt durch eine dritte Person oder durch den Zugang zu einer Bibel-Übersetzung (zwar verboten aber wohl dennoch im Umlauf). Möglich wäre auch, dass sie die Auslegung in einer 427

116

Teresa hervor, dass beim wie auch wir vergeben unseren Schuldigern vor Gottes Vergebung die eigene Vergebung der Schuldner „bereits geschehen sein muß“ (CE 63,2).428 Problematisch ist, dass ein do ut des konstruiert werden könnte, womit Gott dem Menschen vergeben muss, weil dieser dem eigenen Schuldner vergeben hat. Eine Abhängigkeit Gottes vom Tun des Menschen widerspricht aber der ganzen Verkündigung: „Gott ist nicht abhängig von uns, aber er will, daß wir im Gebet um Vergebung mit ihm vereint seien in der Kraft, den Mitmenschen zu vergeben.“429 Schwierigkeiten bereitet zweitens die Vorleistung, in die der Mensch gehen muss, um die Vergebung Gottes zu erlangen. Das eigene Handeln bezieht sich dabei einerseits auf die Vergebung gegenüber anderen Menschen (vgl. CE 63,3) und andererseits auf die Übergabe des Willens gegenüber Gott (vgl. CE 63,2). Durch andere Menschen erlittene eigene Kränkungen fallen nicht ins Gewicht und sind Ausdruck von schädlichem Prestigedenken (vgl. CE 63,3 – 64,4). Die Schuld gegenüber Gott ist viel größer als alles andere, denn sie bedeutet Nichtachtung, Beleidigung und Verrat seiner Freundschaft.430 Wie aber soll der Mensch eine solche Vorleistung erbringen? Für Teresa ist klar, dass sich der Mensch gegenüber Gott keine Verdienste erwerben kann. Er kann vergib uns unsere Schuld nicht einklagen, denn er hat nichts adäquates anzubieten. So sagt sie folgerichtig: „Also, mein Vater, du wirst mir umsonst vergeben müssen“ (CE 63,2). Sie sieht einzig die Verdienste der Heiligen, die „sich über ungerechte Behandlungen und

Predigt gehört, wobei die Vorlage vermutlich aus der Kirchenväterliteratur stammte. So formuliert Cyprian: „Wenn der Mensch Gott bittet, gewährt Gott ihm nach seinem Versprechen Verzeihung. Allerdings nimmt er als Maß seiner Vergebung die Vergebungsbereitschaft des Menschen.“ CYPRIAN, De dominica oratione. Zitiert nach SCHNURR, Hören und handeln, 58. Hier geht die Vergebung des Menschen der Vergebung Gottes voraus. In der Reihenfolge des Vaterunsers steht die Vergebung Gottes jedoch vor der Vergebung des Menschen. 428 Der Evangelist Matthäus schreibt im Aorist und vertritt, nach U. Luz, eine Bedingung (vgl. Mt 6,14). Vgl. LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 348. Bei Lukas ist der Satzteil im Präsens geschrieben (vgl. Lk 11,4). 429 CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 76. Im Alten Testament ist diese Reihenfolge in Sir 28,2 belegt: „Vergib deinem Nächsten das Unrecht, dann werden dir, wenn du betest, auch deine Sünden vergeben.“ 430 Der Mensch wird gegenüber Gott schuldig, so dass es Gottes Sache ist, die Schuld zu vergeben. Diese Schuld ist so groß und die Beziehung so wichtig, dass dem Beter gegenüber begangene Schuld vernachlässigbar ist. Die Schuldvergebung unter den Menschen ist folgerichtig einseitig, denn nur der Beter vergibt die Schuld, es geht nicht um eine gegenseitige Schuldvergebung untereinander (dies gilt durchgängig für alle Evangelisten und wird erst in den Briefen aufgehoben; vgl. Eph 4,32 und Kol 3,13). Die gewährte Vergebung soll dann weitergeschenkt werden und in dieser Haltung wird der Christ zum Zeugen der frohen Botschaft der Versöhnung. Er selbst legt keinen Wert auf seine Ehre vor den Menschen, während er dem anderen nichts nachträgt. Jesus greift diese Einseitigkeit im Gleichnis mit dem Schuldknecht auf Mt 18,23-35. Laut Konkordanz verwendet Teresa das Gleichnis in ihren Schriften jedoch nicht. 117

Verfolgungen freuten, denn dann hatten sie dem Herrn etwas anzubieten“ (ebd.), aber im Allgemeinen sieht es aus, „daß sie [die Seelen] mit genauso leeren Händen mit ihrer Bitte daherkommen, wie ich. […] Denn in Wirklichkeit, Herr, sehe ich nichts, das es verdiente, vor dich gebracht zu werden, damit du uns eine 431 so große Gnade erweist“ (CE 64,3).

Teresa möchte keinen Freibrief ausstellen, insofern es für den Menschen ohnehin unmöglich sei etwas vorzuweisen, und fordert die Hingabe des eigenen Willens (vgl. CE 63,2 und 65,4).432 Da Teresa indes an der vollkommenen Willenshingabe zweifelt, „weil es das ist, was von uns am schwersten zu erlangen ist“ (CE 64,4), ruft sie zumindest zur Entschlossenheit auf (vgl. CE 63,2 und 65,1). Mit der Entschlossenheit kommt der Herr entgegen, denn, „was wir unsererseits herbeischaffen und gewinnen können, ist insgesamt nur ganz wenig. Sofern es aber das ist, was wir vermögen, ist es ganz gewiß, daß uns der Herr hilft, weil sein Sohn es für uns erbittet; es ist gleichsam eine Art Abkommen, das er zu unseren Gunsten mit Seiner Majestät schließt“ (CE 65,5).

Ganz im biblischen Sinn versteht sich die Bitte als eine zeitlich nicht gefasste unbestimmte, immerwährende Bereitschaft zur Versöhnung, die nicht misst und aufrechnet.433 Teresa greift dies auf und duldet für die Vergebung fremder Schuld keinen Aufschub: „Das Verzeihen muss sofort geschehen. Es darf nicht aufgeschoben werden.“434 Die Fähigkeit vergeben zu können ist für Teresa Kriterium für die Reife des Gebetes.435 Sie knüpft es an die Liebesfähigkeit, den Herrn und sich auch untereinander „zu lieben und Frieden zu wahren, denn von all den vielen Dingen […], führte der Herr nichts als nur dies an“ (CE 64,4). Immer wieder verweist Teresa darauf, dass das christliche Leben gemeinschaftsbezogen ist, wenn sie die kleine Burg der Kirche als Bild verwendet (vgl. CE 3,1f) oder es darum geht, andere im Gebet zu stärken oder aufzubauen (vgl. CE 53,1 und 71,4).436

431

Ähnlich in CE 65,4, wo sie schreibt: „ich habe weder irgend jemandem noch irgend etwas zu vergeben.“ F. Bovon beschreibt die Haltung des Evangelisten Lukas so, dass er Gott gegenüber „die Menschen als ‚zahlungsunfähig‘ erkläre.“ BOVON, Das Evangelium nach Lukas, 134. 432 Dies entspricht auch der Intention des Evangelisten Lukas: „Weder für Jesus noch für die christliche Gemeinschaft ist die Vergebung gleichbedeutend mit folgendem Sichgehenlassen. Auch wenn er mit der eschatologischen Macht zur Vergebung ausgestattet ist, erwartet Jesus eine Praxis, welche die Erneuerung bezeugt. Kein do ut des, sondern ein Ausstrahlen. Die, welche geliebt werden, lassen ihre Liebe überquellen.“ Ebd., 135. 433 O. Cullmann beschreibt es als Stehen „im ‚Kraftfeld‘ des vergebenden Gottes.“ Seiner Meinung nach kommt dieses Verständnis der aramäischen Vorlage am Nächsten. Vgl. CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 75. 434 HERBSTRITH, Lebensweg und Botschaft, 116. 435 „Mangel an Vergebungsbereitschaft hängt ja zusammen mit Mangel an Befreiung von sich selbst.“ SAGARDOY, Frei machende Mystik, 43. 436 R. Williams verweist darauf, dass vielen kirchlichen Gemeinschaften die Umsetzung schwer fällt, wobei es innerhalb einer solchen Gruppe gerade darum gehen müsste, eine „“community of friendship“ zu sein. „We are left with the suggestive paradox that forgiving is no great matter, as an event in itself – but becoming a forgiving person, through the disciplines of community, is.” W ILLIAMS, Teresa of Avila, 99. 118

Wie Jesus selbst sagt, hängt am dreifachen Liebesgebot das ganze Gesetz (vgl. Mt 22,36-40 par.) und es reicht in Verbindung mit dem Vaterunser „in die Kontemplation hinein“ (CE 65,3).437 Wer sich der Weite der Bitten des Vaterunser öffnet und nach seinen Möglichkeiten umsetzt, den behutsamen Meister sucht, der wird das ganze Heil und die ganze Sicherheit haben (vgl. CE 65,7). Bei der Behandlung des Themas durch Teresa erstaunt, dass für das Erkennen der Schuld, weder Gewissenserforschung noch Schuldbekenntnis eine Rolle spielen. 438 Die Zurückhaltung gegenüber diesen Gebeten will evt. eine Fixierung auf die Fehlersuche vermeiden, bei der sich der betende Mensch nur mit sich selbst befasst und sich deshalb nicht auf die Nähe Gottes einlässt, die andere Maßstäbe anlegt und eben nicht aufrechnet.

Zusammenfassung Auch bei dieser Bitte wird die Frage nach gelingender Beziehung gestellt. Wer sich für den Herrn öffnet, dem sind Reich und Hilfe des Herrn gewiss. Problematisch ist die Frage nach der Vorleistung des Menschen, bereits den eigenen Schuldigern vergeben zu haben. Dass es nicht um eine Bedingung geht, wird von Teresa zwar benannt, letztlich aber inhaltlich nicht durchgehalten und auf das Thema Entschlossenheit umgemünzt. Die Fähigkeit, vergeben zu können, ist ein Indikator, wie weit ein Mensch auf seinem Weg der Vollkommenheit schon gegangen ist.

5.3.6 Versuchung Die Kapitel CE 66-71 befassen sich mit der Bitte und führe uns nicht in Versuchung439, dem ungeachtet stellt Teresa gleich zu Beginn fest, dass der kontemplative Mensch immer in Versuchung gerät.440 Die Versuchung ist Ort der Bewährung441, wobei 437

In CV 36,8-13 geht Teresa intensiver die Wirkungen für das kontemplative Gebetsleben ein, wenn die Vergebungsbitte in rechter Weise gebetet wird. Einerseits sind die Kontemplativen großen Prüfungen ausgesetzt, andererseits erkennen sie den Reichtum, der ihnen daraus erwächst: „Eine Seele, die Gott heimsucht, wird immer zum Guten hin verändert. Das ist sicher. Wenn auch die inneren Gnaden und Gebetserfahrungen schnell vorübergehen – was in der Seele bleibt, sind die Früchte, die durch die Gnaden allmählich heranreifen“ (CV 36,13). 438 Teresa erwähnt es nur in CE 42,1 als Einstieg ins Gebet, führt es aber nicht weiter aus. Die Erwähnung des mündlich gebeteten, von der Kirche vorgegebenen Confiteor hätte ein Signal gegenüber den Inquisitoren sein können. 439 „Viel Tiefsinn ist auf die Frage verwendet worden, wie man die Aussage, daß Gott es sei, der in Versuchung führt, vermeiden könnte.“ LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 348. Es ist wohl die ganz alltägliche Versuchung im Leben des Menschen gemeint „Πειρασμός kann u.U. auch allgemein ‚Bedrängnis‘ oder ‚Leiden‘ heißen.“ Ebd. H. Seesemann sieht dagegen einen eschatologischen Bezug v.a. aber Gefahr von „Verfolgung und Bedrängnis um des Glaubens willen.“ SEESEMANN, πειρα, 31. O. Cullmann interpretiert die Bitte direkt: „Veranlasse, daß wir nicht in die Versuchung durch den Teufel gelangen.“ CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 82. Er geht davon aus, dass Gott in Versuchung 119

„diejenigen, die im Gebet an diesen Punkt gelangen, den Herrn nicht bitten werden, Prüfungen von ihnen wegzunehmen oder von Versuchungen und Verfolgungen und Kämpfen frei zu sein“ (CE 66,1).

Eine erkannte Versuchung ist anzunehmen und durchzustehen. Vorbilder sind ein Soldat im Kampf (vgl. CE 66,2) oder Jesus in der Passion (vgl. CE 42,5). Der betende Mensch als Soldat Christi ist froh um eine solche Chance und kann seine Treue und Festigkeit auf dem Weg beweisen. Vorteilhaft ist, dass es hier keine Täuschung gibt – vergleichbar einer offenen Feldschlacht. Teresa handelt dies rasch ab und fährt mit ihrem eigentlichen Anliegen fort, das weitaus schwieriger ist: Die Versuchung mit List, die eingefädelt wird durch „gewisse verräterische böse Geister, die sich in Engel des Lichtes verwandeln; sie kommen vermummt daher. Sie geben sich nicht zu erkennen, bis sie der Seele großen Schaden zugefügt haben, sondern saugen uns nach und nach das Blut aus und bringen uns ums Leben“ (CE 66,2).

Grundsätzlich ist die Erkenntnis wichtig, dass der Mensch insgesamt ein für Sünde und Versuchung anfälliges Wesen ist und auch der Kontemplative nicht davor verschont bleibt, obgleich der Böse modifiziert ansetzt. Teresa stellt eine ganze Reihe von Strategien an, die der Böse anwendet und gibt Hilfen zur Bekämpfung442: 1. Dem Beter wird suggeriert, dass seine Wohlgefühle von Gott kommen, obwohl sie es nicht sind. Diese Beeinflussung geht für den Bösen in die falsche Richtung, denn der Beter wird durch die Wohlgefühle das Gebet nur noch mehr suchen (vgl. CE 66,3). 2. Eine weitere besteht im Denken, man besitze schon Tugenden, also eine innere Stärke, obwohl sie nicht vorhanden sind.443 Diese Selbstüberschätzung rächt sich und der Mensch fällt in eine Grube, aus der er nicht mehr herauskommt: „Er beendet sein Leben dort, und es ist schon viel, wenn er nicht noch tiefer darin versinkt, um schließlich in der Hölle zu landen. Aber auch wenn das nicht der Fall ist, entfaltet er sich doch nicht

und Prüfung führt, indem er dem Teufel einen solchen Spielraum lässt. Gott bleibt aber selbst Herr des Geschehens und kann eine solche Situation zulassen oder eben nicht. So wird darum gebetet, „mit dem Teufel nicht konfrontiert zu werden.“ Ebd. 440 An diesem Punkt sieht F. Bovon die Intention des Evangelisten Lukas: Er „ist überzeugt, daß die Jünger nicht verschont bleiben werden […] Zweifel, Gier nach Geld, Besitz oder die Vergnügungen der Welt werden sie bedrängen. Sie werden Beharrlichkeit, Glauben, Entsagung und andere Tugenden benötigen. […] Wenn es ein Eintreten in die Versuchung gibt […], dann gibt es auch einen Ausweg. […] Eine Prüfung ist im übrigen für uns kein Übel, im Gegenteil. Es ist eine – sicher riskante – Weise, uns abzuhärten. […] Wo kein Glaube ist, gibt es auch keine Versuchung. […] Den Menschen droht also die Gefahr, in die Irre zu gehen, sich zu verlieren. Das Vaterunser fordert sie auf, sich an diesen Gott zu wenden mit der Bitte um einen Ausweg aus ihrer Versuchung und um die geistliche Kraft zum Widerstand.“ Bovon, Das Evangelium nach Lukas, 136f. 441 H. Seesemann verneint bei der Bitte einen Zusammenhang mit „Ps 139,23, wo der Beter Gott um Erprobung seines Herzens bittet. Sie müßte sonst genau umgekehrt lauten: führe uns in Versuchung.“ SEESEMANN, πειρα, 31. 442 Dieser Abschnitt gerät Teresa teilweise kompliziert und unkonkret, deshalb hat sie ihn im Codex Valladolid völlig überarbeitet (vgl. CV 38,5-9). 443 U. Dobhan und E. Peeters bezeichnen Tugenden als „positive Grundhaltungen des Menschen Gott, seinen Mitmenschen und sich selbst gegenüber“ v.a. die sozialen Tugenden. DOBHAN/PEETERS, Weg der Vollkommenheit, Anhang I Erklärung wichtiger Begriffe, 333. Einige Beispiele für diese falsche Annahme tugendhaft zu sein: CE 6,2; 66,4; CV 38,9. 120

weiter, noch nutzt er sich oder anderen, vielmehr schadet er ihnen, denn da die Grube schon gegraben ist, können viele, die diesen Weg gehen, hineinfallen (CE 66,4).

Doch der Mensch kann aus seinem Schaden lernen, den Weg aus der Grube finden, diese zuschütten und so sich und anderen helfen. Sie schlägt vor, erst einmal eine Tugend zu festigen, denn eine Tugend „zieht alle nach sich“ (CE 67,4). Somit beugt sie zudem einer Überforderung vor. Konkreter wird Teresa hier nicht, die Beispiele im Codex Valladolid sind dagegen recht anschaulich (vgl. CV 38,6). 3. Auf Einflüsterung des Bösen hält sich der Mensch für arm (nach den Evangelischen Räten) und meint, er nehme sich nur das zum Leben Nötigste. Teresa garniert die Beschreibung mit vier Ausflüchten: „‘Ich will ja nichts‘, ‚das habe ich nur, weil ich ohne es nicht auskommen kann‘, ‚schließlich muß ich am Leben bleiben, um Gott zu dienen‘, ‚er will ja, daß wir unseren Leib pflegen‘“ (CE 66,6) und fügt als weitere Untugend das Einheimsen von Kleinigkeiten bei Ordensleuten an (vgl. CE 67,1). Sie fordert die Konzentration auf das Wesentliche, denn wenn der Beter „an Höheres denkt, beschäftigt er sich nur notgedrungen mit diesen anderen Dingen“ (CE 66,7). Der Kontemplative lässt sich nicht von der Sorge nach Lebensunterhalt beunruhigen, sondern bleibt bei der Hauptsache: Die Suche nach Gott (vgl. CE 67,1). 4. In gleicher Weise behandelt sie die falsche Demut. Die Einflüsterungen bestehen hier in Sätzen wie: „‘Ob ich es wohl verdiene, mich dem Sakrament zu nähern?‘ ‚Ob ich mich wohl richtig vorbereitet habe?‘ ‚Ich tauge nicht, um unter guten Menschen zu leben‘.“ (CE 67,5). Der Mensch gerät in hemmende Unruhe, die ihn letztlich von dem fern hält, was ihm zum Leben hilft. Teresa spricht in diesem Zusammenhang auch die positive Unruhe an, die aus der Selbsterkenntnis erwächst und die Suche nach Gott stärkt (vgl. CE 67,5). 5. Ungezügelte Bußübungen kommen von einem schädlichen Leistungsdenken. Gegenmittel ist das Gespräch mit dem Beichtvater oder der Oberen, wodurch die falsche Demut entlarvt wird (vgl. CE 67,6). 6. Die vom Bösen eingeflößte Überheblichkeit zu meinen, auf dem Weg so weit vorangeschritten zu sein, dass sich ein Rückfall ausschließt, „ist die schlimmste von allen Versuchungen, vor allem, wenn sie an den Anfängen auftritt, denn sie bewirkt, daß ihr euch wieder den Gelegenheiten aussetzt“ (CE 68,1). Hier hilft die Selbsterkenntnis in Verbindung mit Gesprächen auf den Weg zurück, die der Böse freilich mit allen Mitteln zu vernebeln sucht. 7. Eine weitere Versuchung, die Teresa aber nur in einem Abspann benennt, sieht sie in Büchern, die voller Ratschläge sind aber nur eine trügerische Sicherheit geben (vgl. CE 68,2). 121

Von solchen hintertriebenen Machenschaften des Bösen soll der Herr retten, darum sollen die Schwestern das Vaterunser oft beten, damit „das Gift entdeckt werde“ (CE 66,2). Bevor sich Teresa der Frage zuwendet, wie die Bitte aktiv und positiv und nicht nur in Abgrenzung zu füllen ist, stellt sie den Schwestern Wichtigkeit und Zeugnischarakter ihres Weges vor Augen. Die Schwestern sind Vorbilder für den Weg mit Gott und viele Menschen (nicht nur die Kritiker) schauen von außen auf das Kloster. „Über einen einzigen, der auf diesem Weg getäuscht wird, entsetzen sich alle mehr als über zigtausend, die sie auf anderen Wegen schnurstracks in die Hölle wandern sehen“ (CE 68,4). Und in der Tat „sie haben recht“ (CE 68,4), denn es kommt selten vor und prägt sich deshalb umso mehr ein. Daraufhin schürt der Böse das Entsetzen, so dass die Menschen von diesem Vorbild ablassen. Dem ungeachtet gibt das innere Beten eine solche Sicherheit, dass trotz der Verschiedenartigkeit der Wege durch die Nähe beim Herrn Versuchungen schnell überwunden werden (vgl. CE 68,5).444 In CE 68,3 bittet Teresa den Herrn um „Anzeichen, damit wir unseren Weg ohne ständiges Aufschrecken gehen können.“ Ab Kapitel CE 69 weist sie in die zwei Haltungen von Liebe und Gottesfurcht ein, die eng miteinander verknüpft und starke Burgen im Kampf sind und sich ergänzen: „Die Liebe wird euch antreiben, eure Schritte zu beschleunigen; und die Furcht wird euch schauen lassen, wohin ihr eure Füße setzt, damit ihr nicht stürzt“ (CE 69,1).

Die Liebe Teresa beginnt mit der Gottesliebe, die sie hymnisch preist445: „Wer Gott wirklich liebt, der liebt alles Gute, will alles Gute, fördert alles Gute, preist alles Gute, tut sich mit guten Menschen zusammen, verteidigt sie immer, umfaßt alle Tugenden; er liebt nur Wahres und das, was es wert ist, geliebt zu werden“ (CE 69,3).

Ein liebender Mensch versucht alles, um „seinem Geliebten zu gefallen“ (CE 69,3), es ihm angenehm zu machen, gibt sein Leben für ihn her. Zwei biblische Gestalten nennt Teresa als Garanten für diese Liebe: Maria Magdalena und Paulus. 446 Nach dem Vorbild

444

U. Dobhan und E. Peeters haben mit ihrem Kommentar sicher recht, wenn sie diesen Abschnitt als Replik auf die Kritiker Teresas beziehen. Vgl. CE 68, Anm. 2. Für heutige Leser ist die Frage nach dem Zeugnischarakter aktuell und führt die Verantwortung für den Glauben vor Augen, zumal bei Menschen im geistlichen Stand. 445 Dazu U. Dobhan und E. Peeters: „Der spanische Text hat an dieser Stelle wieder einen anaphorischen Parallelismus, mit dem das Anliegen unterstrichen wird: Todo lo bueno ama, todo lo bueno quiere, todo lo bueno favorece etc.“ CE 69, Anm. 2. 446 Maria Magdalena benötigt nur einen Tag, um ihre Liebe zu Christus zu erkennen, Paulus hingegen drei Tage – eine kleine Spitze gegen die männlich dominierte Kirche. U. Dobhan und E. Peeters verweisen darauf, dass dieser Gedanke bei der ersten Korrektur noch zugelassen, bei der Endfassung jedoch 122

der beiden geht es dem kontemplativ betenden Menschen um das Zusammensein mit dem Herrn und der Liebe zu ihm: „Da ist die Liebe immer groß, und so zeigt sie sich deutlich und auf vielfache Weise. Es ist ein großes Feuer, also muß es notgedrungen einen hellen Schein haben.“ (CE 69,4). Der Grad der Liebe ist also auch Grad der Beziehung. Je leidenschaftlicher und inniger sie ist, umso näher ist sie dem Herrn und umso sicherer ist der Weg auf dem sie geht. Daraus erwächst die Absicht des Bösen: „Erstens, daß er Angst einflößt, sich dem inneren Beten zu widmen, weil man denkt, man könnte auch getäuscht werden; zweitens, er hält viele davon ab, Gott näher zu kommen“ (CE 70,1). Er versucht es mit „Täuschungen und Illusionen“ (CE 69,4) um Ängste zu schüren und innere Unruhe zu stiften. Die Gottesliebe jedoch schenkt Freude und Ruhe (vgl. CE 69,5) und das schon „innerhalb ganz kurzer Zeit“ (CE 70,1). Teresa bittet den Herrn um die Erfahrung dieser leidenschaftlichen Liebe vor dem eigenen Ableben, denn sie ist so groß und gibt eine solche Gewissheit, dass alle Schuld des Menschen unwichtig wird.447 An dieser Stelle gibt Teresa einen apostolischen Auftrag: Bemerkt eine Schwester im Kloster diese Gottesliebe, so sollen alle andern Schwestern mit ihr Gott loben und ihm danken und sie im Gebet unterstützen. Hier zeigt sich die Bedeutung, warum die eigentlich eremitische Form des Karmel in einer Klostergemeinschaft gelebt wird. Obgleich jede Schwester ihren je eigenen Weg geht, unterstützen und tragen sich alle gegenseitig (vgl. CE 70,2).

Die Gottesfurcht Wie bereits erwähnt, dient die Gottesfurcht zum Schauen, wohin die Füße gesetzt werden (vgl. CE 69,1). Sie ist wie die Liebe von außen erkennbar und wächst beim Gehen auf dem Weg der Vollkommenheit stetig, „denn sogleich entfernt man sich von Sünden und Gelegenheiten dazu und von schlechter Gesellschaft“ (CE 71,1). Nach außen zeigt sich, dass „man keine Nachlässigkeit mehr an ihr erleben“ wird (CE 71,1). Die Vermeidung jeglicher Sünde – sei sie lässlich oder vorsätzlich – ist Ausdruck der Gottesfurcht. Diesem Anliegen gilt ihre ganze Aufmerksamkeit und „es ist großartig, den Herrn nicht beleidigt zu haben, damit die Diener und Sklaven der Hölle gebunden sind“ (CE 71,2). gestrichen wurde. Bei Paulus findet sich ebenfalls ein Hymnus auf die Liebe in 1 Kor 13, den Teresa aber laut Konkordanz nirgends zitiert. 447 Hier zeigt sich, weshalb bei Teresa die Beschäftigung mit konkreten Schuldigkeiten entfällt. Diese fördert eine Fixierung auf das Falsche und hemmt die Beziehung, weil durch Betonung der Schuld der Abstand zu Gott erhöht und nicht verringert wird. Vgl. Kapitel 5.3.5 dieser Arbeit. 123

Der Gottesfurcht beigeordnet sind Aufmerksamkeit und Entschlossenheit, den Weg zu gehen und keinen Versuchungen zu erliegen. Das Sensorium wird dabei immer mehr verfeinert, bis es selbst „einen Schatten von Schuld“ wahrnimmt (CE 71,3) und die Versuchungen durch den Bösen ganz entfallen.448 Die Gottesfurcht ist keine Ängstlichkeit, sondern die Ablehnung von Egoismus, der besonders bei Vorsatz die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen stört. Die Sünde führt von Gott weg, während das Ziel ist, „Gott näher zu kommen“ (CE 71,4). Wenn die Gottesfurcht entsprechend gewachsen und verwurzelt ist, „ist es nicht mehr nötig, so ängstlich und eng zu sein, denn der Herr, und auch die Gewohnheit, wird uns schon helfen, ihn nicht mehr zu beleidigen. Im Gegenteil, dann den Weg in heiliger Freiheit gehen“ (CE 71,4). Die Frucht der Gottesfurcht ist die Freiheit, weil sich der betende Mensch bei Gott verwurzelt weiß und aus der gewachsenen Beziehung heraus das Gewissen so gebildet hat, dass es auch kleinste Widrigkeiten auf dem Weg wahrnimmt. Teresa erwähnt Skrupel als Fehlform, die den Weg zur Freiheit und damit zu Gott behindert und die Kraft weiterzugehen lähmt (vgl. CE 71,5). Als weitere Fehlform nennt sie die Überheblichkeit, über andere zu urteilen. Der Bezugspunkt ist hier nicht mehr Gott sondern die Abgrenzung zu einem anderen, was zu Verhärtungen führt und dem Weg beider zum Schaden ist (vgl. CE 71,6). Eine dritte Fehlform bezieht sich auf den prophetischen Auftrag des Karmel und jedes Christen: Es ist falsche Angst davor „Gott ja nicht zu beleidigen“ (CE 71,6), wenn man Dinge gut redet, wo man eigentlich das Wort erheben müsste.

Zusammenfassung Für Teresa ist klar, dass der Mensch immer in der Gefahr der Versuchung steht, und sie sieht diese als Chance sich zu bewähren. Das Hauptproblem ist, die Versuchung zu erkennen, da der Böse mit allerlei List vorgeht, um den jeweiligen Menschen von seinem Weg zu Gott abzubringen. Dabei haben die Schwestern und geistlichen Menschen Vorbildcharakter für ihr ganzes Umfeld. Liebe und Gottesfurcht sind die beiden Garanten für den richtigen Weg. Die Liebe treibt den Menschen an auf Gott zu zu gehen. Die Gottesfurcht hingegen lässt den Menschen wachsam sein. Beide werden im Gehen stärker, so dass es die Liebe kaum mehr

448

„Ich bin mir sicher, daß der Böse einen wirklich demütigen Menschen nicht einmal zu einer ersten Regung zu etwas zu versuchen wagt, was mit Vorrangstellungen zu tun hat; scharfsinnig wie er ist, fürchtet er nämlich, geschlagen zu werden. Es ist unmöglich, daß ein demütiger Mensch, wenn der Böse ihn von dieser Seite her anficht, in bezug auf diese Tugend nicht noch viel mehr Kraft gewinnt und im höchsten Grad vorankommt“ (CE 18,2). 124

aushält, sich ganz mit dem Herrn zu vereinen, während die Gottesfurcht zu innerer Festigkeit und Freiheit führt.

5.3.7 Der Umgang mit dem Bösen Die Abhandlung der letzten Vaterunser-Bitte hält Teresa sehr knapp und begrenzt sie auf das Kapitel CE 72. Teresa schaut zunächst auf Jesus und betont zweimal, wie er beim letzten Abendmahl aufgrund der zahlreichen Zumutungen des Lebens müde ist und vor allem am Verstoß gegen das Gebot der Nächstenliebe leidet (vgl. CE 72,3).449 In dieser Folge setzt sie die Zeile und erlöse uns von dem Bösen mit der Befreiung vom irdischen Leben gleich: „Was finden wir denn in diesem Leben schon Gutes, Schwestern, denn wir entbehren doch so viel Gutes und sind ohne es? Erlöse mich, Herr, von diesem Todesschatten, erlöse mich von so vielen Nöten, erlöse mich von so vielen Schmerzen, erlöse mich von so vielen Veränderungen, von so vielen Anstandsformen, die wir, solange wir am Leben sind, notgedrungen wahren müssen; von so vielen, so vielen, so vielen Dingen, die mich ermüden und mir auf die Nerven gehen, daß ich den Leser ermüden würde, wenn ich sie alle aufzählen wollte. Wer hält denn dieses Leben noch aus? Diese Lebensunlust muß wohl daher kommen, daß ich so schlecht gelebt habe und sehe, daß auch das Leben, das ich jetzt führe, nicht so ist, wie ich leben sollte, da ich so viel schuldig bleibe. Ach, mein Herr, erlöse mich von allem Bösen und führe mich doch, bitte, dorthin, wo es alle Wohltaten gibt!“ (CE 72,4).

Diese Jenseitssehnsucht nennt sie „eine großartige Wirkung von echter Kontemplation“ (CE 72,5).450 Dahinter steckt die Sicht, dass Gott erst nach dem Ableben ganz geschaut werden kann, dass volle und dauerhafte Einung erst nach dem Tod möglich ist. Insofern ist die Sehnsucht positiv gefüllt und nicht als bloße Ablehnung der Welt oder Wunsch nach Befreiung von Versuchung und Sünde zu verstehen (vgl. CE 72,4). Vor dem Hintergrund des hellen Scheins der Sonne der Gerechtigkeit ist es auf Erden dunkel, Wer einmal einen Strahl jener Sonne genossen hat, wünscht sie sich vollends 451 und

449

Exegetisch lässt sich nicht klären, „ob πονησου in dieser Schlussbitte maskulinisch oder neutrisch zu verstehen sei.“ LUZ, Das Evangelium nach Matthäus, 349. Die Mehrheit der Exegeten sieht diese Bitte als Nebenbitte in Verbindung mit der Versuchung und nicht personalisiert (vgl. ebd.), anders allerdings O. Cullmann. Vgl. CULLMANN, Das Gebet im Neuen Testament, 88. U. Dobhan stellt fest, „daß Teresa diese Bitte in zweifacher Weise auslegt: Einmal läßt sie Jesus für sich selbst um die Erlösung von dem Bösen bitten, sodann legt sie auch uns Menschen nahe, für uns dafür zu bitten.“ Dass Jesus für sich selbst bittet zeigt „wie sehr Teresa die Wahrheit von der wahren Menschheit Jesu festhält.“ Beide Zitate: DOBHAN, „Sondern erlöse uns von dem Bösen“, 173. E. Lorenz sieht die Bitte um Erlösung begrenzt auf das, was Jesus „von uns angetan wird“, weil er es ist, der die Bitte ausspricht. LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 90. „Die Welt, von der Teresa spricht und die sie als den Gegenpol Gottes empfindet, ist nicht so sehr die irdische Wirklichkeit, sondern weit mehr ihre eigene ’Welt‘.“ STEGGINK, Erfahrung und Realismus bei Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz, 110. In CV 37,5 stellt Teresa fest, wie wichtig für geistliche Menschen zu erkennen ist, „dass sie Feinde haben.“ Insofern geht es nicht nur um mangelnde Liebe gegenüber Jesus, sondern auch um äußere Gefahr. Bei Lukas ist diese Bitte nicht Teil des Vaterunsers. 450 Die Beschreibung in CE 72,4-5 war wohl auch dem Zensor zu extrem, denn die Passage wurde für den Codex Valladolid völlig umgearbeitet. Die Abwertung des irdischen Lebens ist nicht mehr enthalten bzw. allgemein gefasst und aus dem grandísimo efecto in CE wurde ein gran efecto in CV. 451 In diesem Sinne versteht sie das Amen als „für immer von allem“ (CE 72,4). 125

kann nur bei ihr glücklich sein (vgl. CE 72,5). Es ist der Gegensatz von Vollkommenheit und Stückwerk: „In welch ganz andere Richtung neigt sich der Wille Gottes als der unsere! Seiner sehnt sich nach der Wahrheit, unserer nach der Lüge; er sehnt sich nach Ewigem, der hier nach dem, was endlich ist; er sehnt sich nach großen, erhabenen Dingen, der hier nach unzulänglichen, irdischen; er sehnt sich nach allem, was sicher ist, der hier nach lauter Zweifelhaftem“ (CE 72,6).

Teresa weiß, dass es viel ist, worum sie hier bittet, aber bei einem solchen Herrscher darf es nicht um Kleinigkeiten gehen. Ohnehin ist es seinem Willen überlassen, ob er die Bitte erfüllt oder nicht (vgl. CE 72,6). Obwohl die Bitte letztlich positiv gefüllt ist, lässt sie doch eine Würdigung des Lebens vermissen, welches ja ebenfalls ein Geschenk Gottes ist. Auch wenn sie als humorvolle und gern gesehene Frau beschrieben wird452, sieht Teresa ihr bisheriges Leben von vielen Qualen und Irrwegen durchzogen, von denen sie erlöst werden möchte und trägt dies wie eine Litanei vor (vgl. CE 72,4). Trotzdem nimmt sie die Aufgabe an, die sie aufgetragen bekommen hat.453 Gleichwohl ist bereits in dieser Lebensphase die Lebensunlust nicht mit Enge oder Unruhe454 verbunden (vgl. CE 72,1-2), sondern getragen von der Sehnsucht nach immer größerem Frieden, nach Freiheit und der Gemeinschaft mit Gott, die sie wie bereits dargelegt, anfanghaft schon erleben durfte. Gott soll vom Bösen erlösen. Auf ihn setzt sie ihr Vertrauen, dass er „uns trotz allem liebt, das heißt, daß seine Liebe immer noch größer ist als alles Böse in uns und in der Welt um uns herum.“455

Zusammenfassung Bei Gott zu sein, ist Teresas ganzes Streben, und so erbittet sie mit der Erlösung vom Bösen die Befreiung vom irdischen Leben. Die Welt ist Ort der Qual und der Trennung von Gott. Trotz ihrer eigenen Unvollkommenheit vertraut sie darauf, dass Gott den Weg über alle Hindernisse hinweg zum Guten lenken und die ersehnte Gemeinschaft stiften wird.

452

In der Vida berichtet sie: „Darin hat Gott mir Gnade gegeben, daß ich überall, wo ich hinkam, Sympathie hervorrief, und so war ich sehr beliebt.“ V 2,8. Weitere Stellen V 1,3; 2,2; 5,4. 453 Teresa schreibt den Camino nicht lange nach ihrer spirituellen Lebenswende. Im Verlauf der Neugründungen von Klöstern, im Aufbrechen der unbeschuhten Karmelitinnen mit ihrer großen Ernsthaftigkeit ändert sich diese ‚lebensunlustige‘ Haltung wieder. 454 Für Teresa wird der „Gegensatz von Ruhe und Unruhe zu einem Unterscheidungsmerkmal.“ LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila, 86. 455 DOBHAN, „Sondern erlöse uns von dem Bösen“, 175. 126

5.4 Wirkgeschichte der Auslegung Wie viele der Schriften Teresas ist der Camino zunächst nur einem kleinen Kreis zugänglich, einige ihrer Schriften bleiben bis zu ihrem Tod unter Verschluss. In der aufgeheizten (kirchen-)politischen Situation ihrer Zeit gibt es Vorbehalte gegen ihren Weg des inneren Betens und sie selbst wird mehrfach bei der Inquisition verklagt, was Auswirkung auf die Verbreitung ihrer Texte hat. Ein Ergebnis solcher Verdächtigungen sind u.a. die verschiedenen Versionen des Camino. Manche Motive, wie den Palast im Innern des Menschen, greift sie noch öfter auf und „in ihrem Spätwerk, der Inneren Burg, finden wir nun ihre reifste, ausgewogenste Synthese des geistlichen Weges, wie sie ihn selbst gegangen ist und bei anderen beobachtet hat.“456 Bald nach ihrem Tod werden ihre Schriften veröffentlicht und ihre Verehrung führt bereits 1614 zu ihrer Selig- sowie wenige Jahre später 1622 zu ihrer Heiligsprechung. Obwohl sie in Deutschland durchaus bekannt ist, verbreiten sich ihre Schriften erst relativ spät um 1650457, wobei die Verzögerung nicht zuletzt durch die geringe Verbreitung der Unbeschuhten Karmeliten in Deutschland bedingt ist. 458 Dabei finden die Schriften über ein Jahrhundert hinweg durchaus Anklang, bis sich die Religiosität um 1750 ändert und Teresa außerhalb des Karmel „nur relativ bescheiden rezipiert“ wird.459 Interesse wird „Teresa und Johannes vom Kreuz in der folgenden Zeit in protestantischen Kreisen entgegengebracht.“460 Vor allem im Pietismus gibt es Anknüpfungspunkte durch den mystischen Grundzug und die vermeintliche Nähe zum Quietismus. Der Konvertit Angelus Silesius gilt als Wegbereiter dieser Rezeption.461 Erst Mitte des 19. Jahrhunderts finden Teresa und Johannes vom Kreuz in der katholischen Kirche Deutschlands wieder größere Beachtung.462 Die Vaterunser-Auslegung hat, wie bereits gesehen, schon vor Teresa eine große Tradition und geht auch nach ihrer Auslegung selbstverständlich weiter.463 Ein Blick auf die heutige Zeit: Die Übersetzung der Sämtlichen Schriften Teresas 193141 herausgegeben von A. Alkofer war über Jahrzehnte Standard. 464 Erst in jüngerer Zeit entstehen wieder neuere Übersetzungen, zuletzt die Vaterunser-Auslegung im Codex 456

DOBHAN/PEETERS, Wohnungen der Inneren Burg. Einführung, 41f. Vgl. GEMERT, Teresa de Avila und Juan de la Cruz im deutschen Sprachgebiet, 77ff. 458 1626 wurde die deutsche Ordensprovinz des Teresianischen Karmels errichtet, 1627 das erste Kloster in Würzburg gegründet. Vgl. DOBHAN, Der Teresianische Karmel (OCD) von seinen Anfängen bis zur Gegenwart, 41. 459 GEMERT, Teresa de Avila und Juan de la Cruz im deutschen Sprachgebiet, 103. 460 Ebd. 461 Vgl. ebd., 105. 462 Ebd. 463 Reinhard Körner hat einen Überblick zusammengestellt. Vgl. KÖRNER, Das Vaterunser, 15-17. 464 Sämtliche Schriften der hl. Theresia von Jesus. hg. von A. ALKOFER, 6 Bände. 1931-1941. 127 457

Valladolid durch R. Körner465 und die des neu hervorgeholten Codex Escorial durch U. Dobhan und E. Peeters466, auch die Zusammenstellung, Übersetzung und der Kommentar von E. Lorenz467 sollen nicht unerwähnt bleiben. Jede Übersetzung ist ein Zusammenspiel von Urtext und dem Anliegen der übersetzenden Person(en). Der Camino steht in der teresianischen Literatur etwas im Schatten der Vida und den Wohnungen der Inneren Burg. In wissenschaftlichen Abhandlungen wird der Weg der Vollkommenheit

meist

nur

in

übergeordneten

Themenstellungen

oder

in

Zusammenhang mit den anderen Werken Teresas betrachtet.468 Innerhalb des Karmels ist der Camino Einführungslektüre, also einer der wichtigsten Grundlagentexte des Ordens.469 Obwohl Gründerin des Zweiges der Unbeschuhten Karmeliten ist Teresa von Ávila längst zur Heiligen des gesamten Ordens geworden und maßgeblich für seine Spiritualität.470 In seinem Buch über das Vaterunser als ‚Lebenshilfe aus dem Glauben‘ bezieht sich R. Körner immer wieder auf Teresa, jedoch weniger als man es bei einem Karmeliten erwarten würde. Sein narrativer Zugang lässt sich jedoch in Verbindung zu Teresa setzen, die ebenfalls beim Verfassen ihres Buches den Blick auf die Leserschaft richtet.471 Auch V. E. Schmitt wählt einen persönlichen Weg, wobei ihr kontemplativer Weg mit Zen, also fernöstlicher Meditationstechnik begonnen hat472, ein Zug, der auch

465

Teresa von Ávila, Das Vaterunser meditieren. In der Gebetsschule Jesu. Hg. R. KÖRNER. TERESA VON ÁVILA, Weg der Vollkommenheit. (Kodex von El Escorial). Vollständige Neuübertragung. Herausgegeben, übersetzt und eingeleitet von U. DOBHAN, E. PEETERS. Die beiden Autoren übersetzen bewusst die erste Version des Camino, während vorher der Codex Valladolid Standard war. 467 LORENZ, Das Vaterunser der Teresa von Ávila. Anleitung zur Kontemplation. 468 Ein Überblick deutschsprachiger Monografien der letzten 30 Jahre (in Klammern das Erscheinungsjahr): SUDBRACK, Teresa von Avila. Jesusmystik (1981); ZELL, Durch Liebe zur Identität bei Teresa von Avila (1983); HERRAIZ-GARCIA, Beten mit der hl. Teresa. Anleitung zum geistlichen Leben (1987); OBEREDER, Gespräch mit einem Freund. Das innere Gebet bei Teresa von Avila (1992); BURGGRAF, Teresa von Avila. Humanität und Glaubensleben (1996); SOUVIGNIER, Die Würde des Leibes. Heil und Heilung bei Teresa von Avila (2001); HERBSTRITH, Teresa von Avila. Lebensweg und Botschaft (2007). 469 „Damit aus den Kandidatinnen echte Unbeschuhte Karmelitinnen nach dem Herzen der hl. Mutter werden, halte man sich bei ihrer geistlichen Ausbildung, besonders für das Gebetsleben, an ihre Lehre und nehme als eine Art Handbuch für die Ausbildung den Weg der Vollkommenheit, ‚der von Teresa von Jesus für ihre Schwestern und Töchter geschrieben wurde‘.“ Regel und Konstitutionen der Unbeschuhten Schwestern. Konstitutionen 1991, Nr. 156. 470 Dies zeigt nicht zuletzt die Homepage des Karmel unter: www.karmelitenorden.de 471 In dieser Weise interpretiert Körner Teresa: „Das ‚Vaterunserbuch‘, wie Teresa ihr umfangreiches Werk nannte […] ist keine Auslegung im eigentlichen Sinne. Die Kirchenlehrerin der christlichen Spiritualität leitet den Leser vielmehr dazu an, das VATERUNSER als eine Schule zu betrachten, in der man beten und leben lernen kann.“ KÖRNER, Das Vaterunser. Spiritualität aus dem Gebet Jesu, 51. 472 SCHMITT, Contemplatio, 121. 466

128

bei E. Lorenz zu finden ist.473 Beide Autorinnen finden jedoch den Weg zur christlichen Kontemplation als personaler Begegnung mit Jesus Christus.474 Es fällt auf, dass es eine Unzahl längerer und kürzerer Lebensbeschreibungen der Heiligen sowie Erbauungsliteratur gibt, die jeweils einen eigenen Zugang zu ihrer Gebetsweise nahebringen möchten – oft verbunden mit einer großen Zahl von Textbeispielen.475 Darüber hinaus wird ihr Name in unzähligen Artikeln, Anleitungen und Meditationsbändchen genannt. Hintergrund sind die Faszination an Teresa und am Thema Kontemplation, während ihre Schriften nicht leicht lesbar sind. Eine solche Leseweise mindert jedoch die unvermittelte Beschäftigung mit der Heiligen. Teresa

ist

zur

Heiligen

der

Kontemplation

geworden.

„Etwa

70

andere

Ordensgemeinschaften und mehrere Säkularinstitute haben die Spiritualität des Karmel zur Grundlage ihrer Lebensregel gemacht.“476. Dies bedeutet allerdings nicht, dass alle, die sich auf sie berufen, ihrem Weg der Kontemplation folgen oder überhaupt ihre Grundanliegen übernehmen. Oft werden Dinge vermischt, verkürzt oder gar entstellt. Anhand des Camino lassen sich Kriterien für einen Weg im Sinne Teresas erkennen: 1. Die Freundschaft mit der Person Jesus Christus 2. Der nüchterne und äußerst vorsichtige Blick auf Visionen, wobei geistliche Begleitung zur Unterscheidung hilft, 3. Die Treue zur Heiligen Schrift und zur kirchlichen Lehre. 473

Vgl. LORENZ, Wort im Schweigen, 8f. In der Auseinandersetzung um die Vereinbarkeit von fernöstlicher Meditation mit christlicher Kontemplation sei auf folgenden Artikel verwiesen, der sich insbesondere mit dem Ansatz von W. Jäger befasst: SUDBRACK, Kontemplation – Andacht zur Wirklichkeit. 475 Eine Auswahl von Büchern mit Bezug zum Camino im deutschen Sprachraum der letzten 30 Jahre (in Klammer das Erscheinungsjahr): TERESA VON AVILA, „Ich bin ein Weib und obendrein kein gutes“. Ein Porträt der Heiligen in ihren Texten. Ausgewählt, übersetzt und eingeleitet von E. LORENZ (1982); HERBSTRITH, Von Gott beschenkt. Ursprünge geistlichen Lebens (1984); HOFFMANN-HERREROS, Teresa von Avila (1986); LORENZ, Teresa von Avila. In: Frauen der Kirche. (1986); PLATTIG, Freundschaft mit dem allmächtigen Gott (1993); LORENZ, Praxis der Kontemplation. Die Weisung der klassischen Mystik (1994); LORENZ, Teresa von Avila. Eine Biographie mit Bildern von Helmuth N. LOOSE u.a. (1994); DOBHAN, Teresa von Avila. In: Geschichte der Seelsorge in Einzelporträts (1995); SAGARDOY, Interviews mit Teresa von Avila (1995); TERESA VON AVILA, Wie mit einem Freund. Wege zum Gebet. Eingeleitet und herausgegeben von M. BAUMOTTE (1998); DYCKHOFF, Aus der Quelle schöpfen. Das innerliche Gebet nach Teresa von Avila (2000); SAGARDOY, Neben dir. Erfahrungen der hl. Teresa von Avila mit der geistlichen Begleitung (2002); LORENZ, Weg in die Weite. Die drei Leben der Teresa von Ávila (2003); MÜNZEBROCK, Teresa von Ávila. Meister der Spiritualität (2004); SAGARDOY, Frei machende Mystik. Teresa 2 von Avila (2004 ); SAGARDOY, Wenn du beten willst. Gebetsschule nach Teresa von Avila. Band 1 (2004); KÖRNER, Du, Gott. Christliche Spiritualität aus dem Teresianischen Karmel (2005); SAGARDOY, Beten mit Mund und Herz. Gebetsschule nach Teresa von Avila (2005); SAGARDOY, Das Gespräch mit Gott. Briefe nach Texten der hl. Teresa von Avila (2005); LANGENSTEIN, Nada te turbe. Nichts soll dich ängstigen. Das Lied vom Vertrauen (2007); SCHMITT, Contemplatio. Die Mystik des Karmel aus Quellen frühchristlicher Kontemplation. (2007); SONDERMANN, Teresa von Avila begegnen (2007); KÖRNER, Quellen lebendigen Wassers. Kernworte christlicher Mystik für die Spiritualität im Alltag (2008); W EHR, Christliche Mystiker. Von Paulus und Johannes bis Simone Weil und Dag Hammarskjöld (2008); ŽUŠKA, Norbert Jaroslav, Beziehung, die wirkt. Geistliche Begleitung im Dialog mit Carl. R. Rogers und Teresa von Avila (2009). 476 KÖRNER, Du, Gott, 18. 129 474

Ein weiteres Thema, das in dieser Arbeit nur angerissen werden kann, ist Teresas Rolle als Frau in der Kirche.477 1970 wurde Teresa von Ávila (mit Katharina von Siena) von Papst Paul VI. zur ersten Kirchenlehrerin erhoben und wird nun vor verschiedene Argumentationslinien gespannt. Während J. Burggraf Teresa nicht als Vorkämpferin für die Frauen in der Kirche sieht478, geben ihr andere wie W. Herbstrith oder U. Dobhan und E. Peeters durchaus eine entsprechende Bedeutung.479 O. Steggink nennt im Zusammenhang mit ihr „das weibliche Lehramt der Erfahrung.“480 Teresa selbst spricht im Camino davon, dass sie in der Welt gerne einen größeren Beitrag für Gott leisten würde, ihr dies als Frau aber verwehrt wird. Allerdings macht sie aus der Not eine Tugend, weil ihr als ‚schwacher‘ Frau manches auffällt, worüber Studierte hinwegsehen (vgl. CE Vorwort 3). Zudem sieht sie es als ihren Beitrag, „die evangelischen Räte mit aller Vollkommenheit, zu der ich fähig wäre, zu befolgen und dafür zu sorgen, daß die paar Schwestern, die hier sind, das gleiche täten“ (CE 1,2). Folgende Passage drückt sehr direkt aus, wie sie unter den Vorbehalten der männlich geprägten Kirche und Gesellschaft ihrer Zeit leidet, bei wem sie Zuneigung findet und welche Hoffnung sie trägt: „Du, Herr meiner Seele, dir hat vor den Frauen nicht gegraut, als du durch diese Welt zogst, im Gegenteil, du hast sie immer mit großem Mitgefühl bevorzugt, und hast bei ihnen genauso viel Liebe und mehr Glauben gefunden als bei den Männern, denn es war da deine heiligste Mutter, durch deren Verdienste – und weil wir ihr Gewand tragen – wir das verdienen, was wir wegen unserer Schuld nicht verdient haben. Reicht es denn nicht, Herr, daß die Welt uns eingepfercht und für unfähig hält, in der Öffentlichkeit auch nur irgend etwas für dich zu tun, was etwas wert wäre, oder es nur zu wagen, ein paar Wahrheiten auszusprechen, über die wir im Verborgenen weinen, als daß du eine so gerechte Bitte von uns nicht erhörtest? Das glaube ich nicht, Herr, bei deiner Güte und Gerechtigkeit, denn du bist ein gerechter Richter, und nicht wie die Richter dieser Welt, die Söhne Adams und schließlich lauter Männer sind und bei denen es keine Tugend einer Frau gibt, die sie nicht für verdächtig halten. O ja, mein König, einmal muß es doch den Tag geben, an dem man alle erkennt. Ich spreche nicht für mich, denn meine Erbärmlichkeit hat die Welt schon erkannt, und ich bin froh, daß sie bekannt ist, 477

“Bis heute faszinierend ist ihr Selbstbewußtsein als Frau, ihr betont weiblicher Stil und die Attraktivität ihres Denkens.” OTT, Einheit von Selbst- und Gotteserkenntnis bei Teresa von Avila, 336. 478 Vgl. BURGGRAF, Teresa von Avila. Humanität und Glaubensleben, 137; 433-436 und vor allem 198-206. Polemik gegenüber dem Feminismus ist nicht zu übersehen: Teresa achtet darauf, nicht „zu übertreiben und alles, was Frauen tun, von vornherein als richtig einzustufen – alles, was Männer tun, dagegen als falsch.“ Ebd., 198. Es „können ihre situationsgebundenen Handlungen und Aussagen weder als feministisch noch als misogyn verstanden verden [sic!].“ Ebd. 206. 479 Vgl. HERBSTRITH, Teresa von Avila. Lebensweg und Botschaft, 139-150 und DOBHAN, Teresa von Avila und die Emanzipation der Frau. Auch in den Anmerkungen zu den Werken lassen U. Dobhan und E. Peeters keine Zweifel missen, dass Teresa eine ‚Vorkämpferin‘ für eine selbstbewusste Rolle der Frau in der Kirche ist. Exemplarisch sei verwiesen auf CE Vorwort, Anm. 14: „Eine eindeutig ironische Anspielung Teresas auf den damals bei den Männern der Kirche, aber auch in den anderen Bereichen der Gesellschaft vorherrschenden Überlegenheitskomplex; in Wirklichkeit glaubt Teresa nicht an diese Überlegenheit“ sowie CE Vorwort, Anm. 6: „Die Selbstherabsetzung als Frau, die sie an dieser Stelle generell auf alle Frauen ausdehnt, ist bei Teresa ein Stilmittel, also eine bewußte Strategie, um in einem Umfeld, das von Frauen Unterwürfigkeit erwartete, durch vorgetäuschte Demut ihre männlichen Zensoren wohlwollend zu stimmen“ und CE 1, Anm. 5: „Mit diesen und ähnlichen Worten greift Teresa scheinbar die Einstellung der Männer, vor allem der letrados ihrer Zeit auf, ohne jedoch deren schlechte Meinung über die Frau zu teilen. Durch diese kluge Taktik gelingt es ihr, als Frau nicht nur zu überleben, sondern den Männern ihrer Zeit auch etwas zu sagen.“ 480 STEGGINK, Erfahrung und Realismus bei Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz, 150. 130

sondern weil ich die Zeiten so sehe, daß es keinen Grund gibt, mutige und starke Seelen zu übergehen, und seien es die von Frauen“ (CE 4,1).

Die Kritik an den kirchlichen Strukturen verpackt Teresa oft in Ironie, worauf U. Dobhan und E. Peeters in ihren Kommentaren immer wieder hinweisen. 481 Andererseits sieht Teresa durchaus frauentypische Ausflüchte beim inneren Beten.482 Die jüngeren Publikationen konzentrieren sich wieder verstärkt auf Teresas erstes Anliegen: Die Gestaltung der Freundschaft mit Gott. Dies gilt auch für geistliche Übungswege und Exerzitien im Alltag, die Thema des zweiten Teils dieser Arbeit sind.

481

Vgl. CE 2 Anm. 5; 11, Anm. 16; 35,2; 48,2, Anm. 3. Vgl. CE 15,3-6; 16,1-2. Eine besondere Gefahr drohte Frauen allerdings durch die Inquisition. Vgl. CE 29 Anm. 11. 131 482

132

2. Teil: Umsetzung der Vaterunser-Auslegung Teresas heute Der zweite Teil dieser Arbeit beschäftigt sich mit der Umsetzung der VaterunserAuslegung anhand von Exerzitien im Alltag. Zunächst geht es um eine Klärung, der Anliegen und Grundlagen von Exerzitien im Alltag. Darauf werden drei verschiedene Modelle vorgestellt, die sich an Teresa von Avila orientieren. Mittelpunkt dieses Teiles ist die Darstellung und Auswertung von Exerzitien im Alltag, die im Frühjahr 2010 in der Seelsorgeeinheit Emmendingen stattgefunden haben. Am Schluss steht die Frage, welche Konsequenzen sich für die geistliche Begleitung anhand der Exerzitien und des Camino ergeben.

6 Exerzitien im Alltag 6.1 Was sind Exerzitien im Alltag? Auch wenn Exerzitien eine lange Tradition in der Kirche haben483, sind sie eng mit Ignatius von Loyola (1491-1556) verbunden. Exerzitien sind getragen von der Einsicht, „daß man üben darf, es also im geistl[ichen] Leben keinesfalls nötig ist, all das im vorhinein beherrschen zu müssen, was man können möchte.“484 Nach dem Tod des Ignatius haben sich Exerzitien erst einmal zu Vortrags- und begleiteten Einzelexerzitien entwickelt. Seit ca. 1980 hat sich in den Exerzitien im Alltag eine weitere Form etabliert, die sich an die Anweisung 19485 aus dem Exerzitienbuch des Ignatius lehnt und eine eher einfache und offene Form bildet.486 Bei ignatianischen Exerzitien sind folgende Dimensionen charakteristisch:

483

-

Erfahrungen mit sich selbst

-

Blick für die Beziehung zu anderen Menschen

Vgl. VERCRUYSSE, Exerzitien, 699-700. Vercruysse verweist auf den ‚Ruf in die Wüste‘ bei den Karmeliten und erwähnt die Tradition der Volksmission. 484 IMHOF, Exerzitien, 1106. 485 „Neunzehnte Anweisung. Wer gebildet und begabt ist, aber von den Dingen der Öffentlichkeit oder entsprechenden Geschäften in Anspruch genommen wird, widme sich (täglich) anderthalb Stunden den Übungen. Man erkläre ihm, wozu der Mensch geschaffen ist, ebenso kann ihm in einer halben Stunde die besondere und nachher die allgemeine Gewissenserforschung vorgelegt werden und die Art und Weise, zu beichten und das Sakrament zu empfangen.“ IGNATIUS VON LOYOLA, Geistliche Übungen, Anweisung 19. 486 Zur Geschichte der Exerzitien: LEFRANK, Exerzitien, 1109. 133

-

Wohin treibt der Geist den Menschen und wie ist sein Wirken zu erkennen (Frage nach der Unterscheidung der Geister)

-

Gestaltung der persönlichen Beziehung zu Gott

-

Persönliche Beziehung zu Jesus Christus487

In seiner Arbeit über „Genese und Kriterien der ignatianischen Exerzitien im Alltag“ führt M. Hettich die Entwicklung und Konsequenzen für die heutige Zeit aus. 488 Dabei konkretisiert er die obigen Dimensionen der ignatianischen Exerzitien auf die Form der Exerzitien im Alltag. Ähnlich wie es Ignatius zu seiner Zeit antraf, stellt Hettich auch für heute einen Verlust an Glaubenswissen und Glaubenspraxis fest, der einer lebendigen Beziehung zu Gott oft im Weg steht.489 Exerzitien im Alltag haben deshalb die Aufgabe, zum Beten anzuleiten, damit die „Vertrautheit mit Gott in Christus“490 erkannt wird und wächst. Dazu ist eine geregelte und regelmäßige Gebetspraxis nötig und einzuüben. Exerzitien im Alltag führen in den Glauben ein und helfen, ihn zu vertiefen, sowohl intellektuell, wie auch affektiv. Mit der Erkenntnis der eigenen Person geht es darum, den Willen Gottes zu erkennen und in Lebensentscheidungen eine gute Wahl zu treffen. Dadurch wächst der Mensch in Glauben, Hoffnung und Liebe und gestaltet sein Leben entsprechend. 491 Ein besonderer Stellenwert kommt dabei dem Gebet der liebenden Aufmerksamkeit zu, welches für das eigene Leben und die Gegenwart Gottes darin sensibilisiert.492 Ignatianische Exerzitien „sind in erster Linie für Menschen gedacht, die eine Lebenswahl treffen wollen.“493 Exerzitien im Alltag sind offen gehalten und richten sich an Menschen, die sich nicht zu klassischen Exerzitien zurückziehen können, Ignatius spricht von rudes et illiterati – gemeint sind einfache und ungebildete Menschen – und setzt damit nur wenig für den Beginn der Übungen voraus. Er weist an, gegebenenfalls ‚leichte Übungen‘ zu geben.494 Als Früchte der Übungen nennt P. Faber:

487

Vgl. IMHOF, Exerzitien I, 1108. HETTICH, Den Glauben im Alltag einüben. 489 Vgl. die Analyse von M. Seitz. Er zählt auf: „a.) die Überlastung vieler Menschen durch zu viel Arbeit (ebenso wie die Gefährdung zahlreicher anderer durch zuviel Freizeit); b.) die Uniformität und räumliche Enge des Wohnens vor allem bei Familien mit Kindern; c.) die Auswirkung der Lärmbelästigung auf den menschlichen Organismus; d.) die Anonymität des Glaubens in unüberschaubaren Gemeinden, und e.) die weithin fehlende Anleitung, den Glauben in konkreten Akten des Aufmerkens und der Anbetung auch im Alltag zu vollziehen.“ SEITZ, Exerzitien, 703f. 490 HETTICH, „Den Seelen helfen“, 254. 491 Vgl. zu den Merkmalen der Übungen: Ebd., 260f. 492 Vgl. LAMBERT, Gebet der liebenden Aufmerksamkeit, 17-20.26. 493 HETTICH, „Den Seelen helfen“, 254. 494 Vgl. ebd., 256. „Vorgelegt werden verschiedene Arten der Gewissenserforschung sowie als Betrachtungsgegenstände die Zehn Gebote, die fünf Kirchengebote, die sieben Hauptsünden, die fünf Sinne, die sieben Werke der Barmherzigkeit, schließlich die regelmäßige Beichte und die regelmäßige Kommunion.“ Ebd. 256f. 488

134

„tiefen inneren Frieden, Trost, Wachstum in der Nächsten- und Gottesliebe, Einführung in die Unterscheidung der Geister, Vertiefung des Gebets, Entschiedenheit, sich in den Dienst Gottes zu 495 stellen.“

Dem Exerzitienbegleiter kommt eine große Verantwortung zu, da er den Prozess begleiten und darin beurteilen muss, was dem Exerzitanten zugemutet werden kann, bzw. wie er zu fordern ist.496 Nicht zu vernachlässigen ist, dass Exerzitien im Alltag eine Gruppenerfahrung ermöglichen.497 Für den Geber der Übungen bedeutet das: „Er hat darauf zu achten, dass nicht nur die Gruppe, sondern auch der Einzelne die verschiedenen Phasen des Exerzitienprozesses Schritt für Schritt durchläuft.“498 Für M. Giuliani, einem weiteren Wegbereiter der heutigen Exerzitien im Alltag, ist die Einübung einer Gebetspraxis wesentlich, die zu einer Gewohnheit im Alltag führt. 499 Das Evangelium wird zur Hilfe, den eigenen „Alltag zu lesen“500, und so wird der Alltag „nicht als eine Unterbrechung des Gebets oder als Ort der Zerstreuung und Ablenkung gesehen, sondern als Ort, an dem sich die gemachten Erfahrungen (von Gott geliebt zu sein, Trost, Frieden 501 etc.) fortsetzen und bewahrheiten.“

Durch die Einübung in den Exerzitien im Alltag angeregt, durchdringen sich Alltag und Gebetsleben, bleiben soziale Bindungen und Aufgaben bei wachsender Aufmerksamkeit für die Gegenwart Gottes in ihnen.502

495

Ebd., 257. Vgl. HETTICH, Den Glauben im Alltag einüben, 50f. Dazu Vercruysse: „Die Heranbildung qualifizierter Exerzitienbegleiter blieb für Ignatius ein Hauptanliegen.“ VERCRUYSSE, Exerzitien, 701. Und ergänzend: „Ohne geistliche Begleitung und Beratung der Teilnehmer [werden Exerzitien] nirgends geschehen dürfen.“ SEITZ, Exerzitien, 706. 497 Dies hat nach G. Cusson als Voraussetzung: „Es muss eine gemeinsame Motivation vorhanden sein; die Teilnehmer müssen sich untereinander gut kennen, d.h. sie müssen bereit sein, ihre eigene Glaubensund Lebensgeschichte einander mitzuteilen; der Prozess erfordert Geduld, da jeder Teilnehmer seine Erfahrungen in einem eigenen Rhythmus macht und sowohl jene, die in ihrem geistlichen Fortschritt schneller vorangehen, als auch jene, die langsamer sind, aufeinander Rücksicht nehmen müssen.“HETTICH, Den Glauben im Alltag einüben, 199. 498 Ebd., 199. „Dazu soll der Geber ‚private Kontakte‘ (‚private contacts‘) mit den einzelnen Exerzitanten unterhalten“ Ebd. 499 Vgl. ebd., 223. „Weil der Exerzitant ständig im Alltag lebt, wirkt sich dieser auf Betrachtung, Reflexion und Gebet aus; ebenso gilt für Cusson umgekehrt, dass sich Betrachtung, Reflexion und Gebet auf den Alltag auswirken.“ Ebd., 201. 500 Ebd., 225. 501 Ebd., 226. 502 „Möglicherweise wartet hier ein noch nicht recht ergriffenes Mittel der Evangelisation auf den Gebrauch durch die Gemeinden, um Entfremdete zurückzurufen und das Leben der Christen zu erneuern und zu vertiefen.“ SEITZ, Exerzitien, 706. G. Ruhbach postuliert für interkonfessionelle Exerzitien folgende Gemeinsamkeiten: „a) E[xerzitien] sind Übungen, die Lebensprozesse und Glaubensreifungen bewirken. b) Diese benötigen einen erfahrenen geistl[ichen] Begleiter, nicht nur für Einzelgespräche. c) Tägliche Gottesdienste und längere Gebetszeiten geben dem Tag seinen Rhythmus. d) Der Rückzug aus der Welt und die Rückkehr in die Welt (‚auf den Marktplatz‘) gehören zusammen. e) Die agricultura sui (Luther) bedient sich auch psychologischer und päd[agogischer] Methoden, selbst wenn diese nur äußere Reglementierungen und Hilfen sind, bestenfalls für die Begegnung mit Gott öffnen und das Verhältnis zum Mitmenschen klären. Durch die ‚Unterscheidung der Geister‘ wird Gottes Wille, die immer neue persönliche Entscheidung für Christus und die Sendung in den konkreten Alltag gesucht.“RUHBACH, Exerzitien, 1806. 135 496

6.2 Drei Modelle Es werden nun drei Modelle von Exerzitien und Übungen vorgestellt, die sich im Titel auf Teresa von Ávila berufen. Ein Modell will zu einer kontemplativen Lebenshaltung hinführen und schlägt einen Bogen, der das ganze Leben dauert. Zwei weitere orientieren sich an den Exerzitien im Alltag.

6.2.1 Veronika Elisabeth Schmitt: Kontemplative Exerzitien mit Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz Das Buch von V. E. Schmitt ist „als Einzelexerzitien für Menschen gedacht, die ihren geistlichen Weg vertiefen wollen“503 und setzt damit voraus, dass der Exerzitant bereits einen geistlichen Weg gegangen ist. Den Begriff der Kontemplation fasst sie zusammen, „als jenes Gebet, bei dem der Mensch rezeptiv die Erfahrung des Wirkens Gottes macht.“504 Der Weg, den sie vorschlägt, ist keine Gebetsmethode, sondern eine Gebetslehre, anhand der Erfahrungen von Teresa und Johannes vom Kreuz.505 Nun geht es darum, „den Menschen empfänglich zu machen für das Wirken Gottes in ihm. […] Das Ziel des Weges ist die Gotteinung.“506 Zu Beginn skizziert sie im Kapitel ‚Grundlagen‘ den angestrebten Weg: Er geht von der Selbsterkenntnis über die Demut zur Gottesbegegnung. Ziel ist die bewusste Beziehung zu Gott als Freund in der Erfahrung in der eigenen Seele. Das Verweilen bei ihm bewirkt Wandlung des Selbst, in dem der Mensch alles lassen muss, um schließlich nach der ‚Nacht‘ die Dunkelheit als Licht zu erkennen.507 Die nun folgenden konkreten Hinweise sollen „für die Kontemplation disponieren und Orientierungshilfen für den Weg geben“508, entlassen aber nicht aus der eigenen Verantwortung: Nichts darf erzwungen werden, alles muss für die Seele stimmig sein.509 Praktische Hinweise beschäftigen sich mit der Körperhaltung bei der Meditation, der Atmung, der Erstellung von Sitzgelegenheiten, der Aufforderung ein festes Ritual zu finden (Form, Dauer, Ort und Uhrzeit) und laden ein, den Prozess kreativ zu gestalten (Malerei). Die praktischen Hinweise schließen mit dem „Einführungstext in die

503

SCHMITT, Kontemplative Exerzitien mit Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz, 5. Ebd. 505 Vgl. ebd., 6. 506 Ebd., 7. 507 Vgl. ebd., Kapitel IV und V. 508 Ebd., 10. 509 Vgl. ebd. 504

136

Meditation.“510

Dieses

Kapitel

ist

gekennzeichnet

von

großer

Offenheit

und

Variantenreichtum, die sich in häufigem „oder“ sowie „vielleicht“ ausdrücken. Es folgen die Kapitel II bis VI, die den kontemplativen Weg vorzeichnen. Im ersten Abschnitt des Buches stellt Schmitt voran, dass die Exerzitien „als ein Übungsweg zu verstehen [sind], der sich über verschiedene Zeiträume erstrecken und das ganze Leben umfassen kann. Die angebotenen Texte und Impulse können schnell oder langsam 511 durchlaufen werden.“

Obwohl Schmitt immer wieder beteuert und mit Texten belegt, dass einem Wirken Gottes nicht vorgegriffen werden kann, stellt sie den Weg Schritt für Schritt vor. Sie legt eine knappe Skizzierung des kontemplativen Weges vom Gebet der Sammlung bis hin zur Gotteinung dar, wie er sich bei Teresa und Johannes finden lässt.

Für ein Exerzitienbuch ergeben sich einige Problemfelder: 1. Die Exerzitien haben bei Schmitt keine zeitliche Begrenzung. Es ist richtig, zur geistlichen Gestaltung des gesamten Lebens einzuladen und aufzufordern, und es ist Absicht von Exerzitien darauf hinzuarbeiten. Exerzitien sind als Form jedoch zeitlich gefasst und begrenzt. 2. Die Einführung ins Gebet der Sammlung in Kapitel II befasst sich mit dem Bild der inneren Burg und der Freundschaft zu Gott. Hier gibt die Autorin Tipps für die Gestaltung einer Gebetszeit. Allerdings geht sie nur wenig auf Fehlhaltungen, Störungen oder Irrwege im Gebet ein, ebenso fehlen Hinweise zum Umgang mit ihnen oder zur Behebung. 3. Folgerichtig erwähnt sie zwar an zwei Stellen Geistliche Begleitung, erklärt aber nicht ihre Notwendigkeit für den geistlichen Weg. Teresa betont immer wieder die Wichtigkeit eines guten Beichtvaters (vgl. geistlichen Begleiters). Angesichts der langen Gebetszeiten und der Dauer im gesamten Lebensbogen eines Menschen bleibt der Beter hier auf dem Weg allein und ist sich und den Unbillen des Weges ausgeliefert, ohne diese Hilfe zu Korrektur, Vergewisserung und Ermutigung.512 Dass Gott den Weg begleitet ist richtig und auf ihn kommt es an, aber er gesellt zugleich Menschen zur Seite, die bei der Klärung des Weges dienen. 4. Texte und Begriffe von Teresa und Johannes werden nebeneinander gestellt, wobei sie durchaus Unterscheidungen und Akzentuierungen aufweisen und letztlich auch verschiedene Adressaten für ihre Bücher haben. Beim Thema Visionen greift Schmitt

510

Ebd., 14. Ebd., 5. 512 Vgl. dazu Kapitel 7 dieser Arbeit. 511

137

dies auf.513 Einen großen Raum nimmt die Darstellung der dunklen Nacht aus den Schriften des Johannes vom Kreuz ein. Die dunkle Nacht kommt bei Teresa als Wort nicht vor, sondern wird von ihr mit der Erfahrung von Trockenheit beschrieben. Eine Akzentverschiebung ist erkennbar. 5. Insgesamt scheint bei V. E. Schmitt ein Weg durch, der schon feste Stationen und Erfahrungen vorzeichnet. So ist z.B. klar, dass Trockenheit und Lustlosigkeit warten, wie auf die Nacht des Sinnenbereiches die Nacht des Geistes folgt, dass Taten und Wirken entspringen.514 Gerade diese Vorzeichnung steht aber dem Anliegen von Teresa und Johannes entgegen, die immer wieder betonen, dass sie zwar den geistlichen Weg beschreiben und diese Phänomene und Stufen möglich sind, jeder Mensch aber einen je eigenen Weg geht, je eigen von Gott begleitet und geführt wird und sie so jegliche Festlegung vermeiden. Letztlich geht es den beiden Autoren ‚nur‘ um die Begegnung mit Gott in der Person Jesus Christus, der Weg dorthin spielt keine Rolle. 6. An zwei Stellen werden Bezüge zum Zen-Buddhismus erstellt515, ohne diese jedoch aufzuarbeiten, womit eine Übereinstimmung der beiden Wege suggeriert wird. Das Ziel für Teresa und Johannes ist jedoch nicht die Leere sondern die Fülle von Gott her, der in Jesus Christus ein personaler Gott ist!

6.2.2 Cornelia M. Knollmeyer, Evaldine M. Ketteler: Gott zum Freund haben. Exerzitien mit Teresa von Avila Diese 40tägigen Exerzitien sind gedacht als Einführung in das kontemplative Gebet durch Teresa von Avila.516 Die „Anregungen für die Geistlichen Übungen“ sprechen von der Eignung für Einzelne und Gruppen, wobei im Buch keine Hinweise gegeben werden, wie ein Exerzitienprozess für eine Gruppe gestaltet werden kann. Als fest stehende Elemente für die gesamte Zeit schlagen die Autorinnen vor: -

Meditationstext jeweils am Vorabend lesen und alles Nötige bereit legen.

-

Vor der Meditationszeit innere Versöhnung mit sich selbst, den Mitmenschen und Gott, besonders mit unsympathischen Menschen.

513

-

Bitten um die Offenheit für Gottes Geist.

-

Sprechen mit Gott, wie mit einem Freund.

-

Nach der Meditation aufschreiben, was angeregt worden ist.

SCHMITT, Kontemplative Exerzitien mit Teresa von Avila und Johannes vom Kreuz, 37f. Vgl. ebd., 43. 515 Vgl. ebd., 35 und 40. 516 Vgl. KNOLLMEYER/KETTELER, Gott zum Freund haben, 7. 514

138

-

Intensive Meditation am folgenden Tag wiederholen.

-

Impulse notieren und den Tag über sichtbar anbringen.

-

Auf Widerstände gefasst sein. 517

Die 40 Tage sind in vier Einheiten á 10 Tage eingeteilt. In der ersten Einheit „Alles zu gewinnen“ steht die Selbstwahrnehmung im Mittelpunkt. Die zweite Einheit „Mein erbärmliches Leben“ befasst sich mit dem Stehen vor Gott, Widerständen und Störungen auf dem Weg sowie Hilfen. Die dritte Einheit „Verzehrendes Feuer“ führt in die Verwandlung durch den Gebetsprozess ein. Die vierte Einheit endet mit der Gestaltung des Lebens mit Gott: „Ein anderes, neues Leben“. Die Meditationen der einzelnen Tage sind aufgebaut in: Einstimmung, Impulse zur Reflexion und Meditation einschließlich Fragen, Schriftvers, Gebet, Impuls für den Tag. An zwei Tagen folgt nach der Einstimmung eine Bildbetrachtung. Im Zentrum stehen die Impulse zur Reflexion und Meditation, die versuchen, den Beter mit aktuellen Bezügen oder mithilfe geistlicher Personen der jüngeren Zeit ‚abzuholen‘ und Texte Teresas darin zu spiegeln.518 Insgesamt spielt das „Ich“ eine große Rolle, die meisten der Einstimmungen und auch der Impulsfragen beginnen mit diesem Wort, zentral ist bei den Impulsen die Selbsterfahrung.519 Dennoch bleibt die Hinführung in die Freundschaft mit Jesus Christus als Ziel der Exerzitien und wird v.a. in der Reflexion nach der Meditation und schließlich in der vierten Einheit eingeübt. Dazu wollen die beiden Autorinnen auch für die Zeit nach den Exerzitien ermuntern (vgl. 40. Tag).520 Je etwa zwei Seiten Text pro Tag bieten Platz für viele verschiedene Anregungen, die Gedanken von Teresa mit Bibelstellen, Ideen und Worten v.a. geistlicher Schriftsteller521 anreichern. Einen besonderen Stellenwert hat das Schreiben, zu dem die Autorinnen immer wieder anregen und auf das sie bei den Reflexionen immer wieder zurückgreifen.522

517

Ebd., 8f. Die Qualität der Textangaben ist nicht gut ausgearbeitet, Stellenangaben stimmen nicht (z.B. Anm. 10), welche Quelle sich hinter dem Kürzel „L“ verbirgt, wird nicht genannt. 519 Bsp. 8.Tag: „Ich spreche langsam und bewußt das Schuldbekenntnis und spüre nach, wie es mir damit geht.“ Ebd., 28. 520 In der Übung zum Ankommen zeigen die Autoren den Weg vom Ich zum Du. Die ersten sieben Schritte beschäftigen sich damit, dass Ich zu bändigen, im achten Schritt geht es um das „Da sein in Gottes Gegenwart“ und dem Verweilen bei ihm. Ebd., 100f. 521 Dies sind u.a. bekannte Zeugen des Glaubens wie Paulus, Augustinus und Edith Stein, darüber hinaus Theologen und Philosophen von Sören Kierkegaard über Albert Schweitzer, Romano Guardini, Martin Heidegger, Karl Rahner bis hin zu Gisbert Greshake, aber auch Schriftsteller wie Johann Wolfgang von Goethe, Gertrud von Le Fort und sogar Marcel Reich Ranicki. 522 Eine Gefahr kann sein, sich mit den vielen zitierten Autoren messen zu wollen oder sich darauf zu konzentrieren, welche Notizen man im Anschluss machen möchte. 139 518

Im Buch von C. M. Knollmeyer und E. M. Ketteler spielt Begleitung während der Exerzitien keine Rolle. Am 23. Tag sprechen sie lediglich davon, dass Teresa die Beichte wichtig war, regen aber weder zur Beichte noch zu anderen Gesprächen mit einem geistlich erfahrenen Menschen an.

6.2.3 Katholische Landvolkbewegung Bayern: Gottverbunden – mit Teresa von Avila Der Begleiter durch die Fastenzeit 2008 der Katholischen Landvolkbewegung in Bayern besticht durch eine einfache und klare Struktur.523 Angesprochen sind Einzelne524 wie auch Gruppen und er ist auch über die Landvolkbewegung hinaus ausgerichtet. Die Autoren betonen in der Einführung, dass es ein persönlicher Weg ist und ihn niemand anderer so geht wie der Betende selbst. Der Aufbau der Meditationen ist übersichtlich gegliedert mit der zeitlichen Festlegung auf den Morgen. Auf eine knapp gehaltene Einstimmung folgen einige Minuten in Stille und dann der Tagesimpuls für den täglich eine Seite vorgesehen ist. Er beginnt mit einem Zitat aus den Schriften Teresas525, einer kurzen Hinführung, Impulsfragen und einer Anregung zum Weiterdenken bzw. zur Gestaltung des Tages.526 Das anschließende Jesusgebet wird eigens erklärt527 und bekommt jeden Tag eine eigene Formulierung. Die Meditation schließt mit Kreuzzeichen und/oder Gebet. Der Abend ist schlicht gehalten und vom Tagesrückblick geprägt. Die Exerzitien ziehen einen Bogen von Elementen der Selbstwahrnehmung bis zur bewussten Hinwendung an Gott. Symbole wie Wasser, Wohnung, Honig, die Teresa in ihren Schriften verwendet, werden immer wieder aufgegriffen. Die einzelnen Wochen sind mit Titeln überschrieben und der Fortgang des Weges wird erläutert. Die erste

523

Auch wenn der ‚Wegweiser‘ aufgebaut ist wie viele ähnliche Projekte, verwenden die Autoren den Begriff Exerzitien im Alltag nicht. Die praktisch ausklappbare vordere Einbandseite gibt eine Übersicht über den Ablauf der beiden Gebetszeiten, die im Innenteil ausführlich erklärt werden. Vgl. LANDESSTELLE DER KATH. LANDVOLKBEWEGUNG (KLB) BAYERN, Gottverbunden – mit Teresa von Avila, 5. 524 Für einige der angegebenen Übungen muss man zu zweit sein, was für einen einzeln Gehenden nicht leicht zu bewerkstelligen ist. Ebd., 53. 525 Einzige Ausnahmen sind der Freitag nach Aschermittwoch, hier wird Francisco de Osuna zitiert, und der 1. Fastensonntag mit Fray Luis de Leon. Vgl. ebd., 11 und 14. Leider sind die Quellen teilweise nicht nachvollziehbar. Zum einen wird die verwendete Ausgabe des Camino in der Literaturliste nicht aufgeführt und nur am Dienstag und Mittwoch der fünften Woche auf die Ausgabe von A. Alkofer verwiesen, dazu stimmt aber die Angabe am Sonntag der 4. Woche nicht. Auch Das Buch der Gründungen, die Gewissensberichte/Geistliche Erfahrungsberichte, die Gedichte und die Briefe sind bei den Abkürzungen zwar aufgeführt, fehlen aber in der Literaturliste (ebd. 93). Vgl. ebd., 3. 526 Durch die Größe des Redaktionsteams mit 6 Personen verliert der Bogen an Einheitlichkeit, was aber nicht ins Gewicht fällt. 527 Ebd., 6f. 140

Woche mit dem Thema „nichts zu verlieren“528 verweist darauf, dass Gott alles schenkt und man nichts zu verlieren hat. Die zweite Woche „alles zu gewinnen“ fragt nach der eigenen Beziehung zu Gott, und macht in der dritten Woche „nichts als die Wahrheit“ auf die eigenen Wahrheiten, Begabungen und Schwächen aufmerksam. Mit „Komme, was kommen mag“ ist die vierte Woche überschrieben und greift das Leiden im persönlichen Lebensalltag auf. Der Prozess der Veränderung, auf den sich der Beter einlässt, ist in der fünften Woche mit „alles oder nichts“ überschrieben. Die Karwoche (sechste Woche) ist mit „Gott nur genügt“ überschrieben und geht über das Osterfest hinaus bis zum Ostermontag, an dem die Übungen enden. In diesem Weg durch die Fastenzeit sind Vorschläge für wöchentliche Gruppentreffen erarbeitet, die mit einem Lied und einem Gebet beginnen, zum Austausch anregen und mit Impulsfragen auf das Leitwort der folgenden Woche verweisen. Nun folgen ein Schriftgespräch529, Dank und Fürbitten, Vaterunser, Segen und ein Lied. Obwohl die Übungen die Fastenzeit als Zeitfenster haben, sind mit der Ausnahme des Triduums keine Bezüge zum liturgischen Bogen erkennbar.530 Für den Abschluss wird eine Eucharistie- oder Agapefeier empfohlen.531 Begleitung wird weder in Form der Beichte noch durch Begleitgespräche angeregt oder thematisiert, einzig die Gruppentreffen bieten die Möglichkeit, sich über den geistlichen Prozess auszutauschen.

6.3 Exerzitien im Alltag in Emmendingen 2010 Im Frühjahr 2010 fanden vierwöchige Exerzitien im Alltag in der Seelsorgeeinheit Emmendingen statt.532 Grundanliegen der Exerzitien ist die Einübung in eine Gebetshaltung und in ein Leben in der Gegenwart Gottes. Grundlage für den

528

Die Kleinschreibung der Wochen-Überschriften wird nicht durchgehalten. In der vierten und sechsten Woche wird das erste Wort groß geschrieben – eine Erklärung erfolgt nicht. 529 Nicht alle Texte stammen wie auf S. 68 aus der Bibel: Beim Treffen nach der ersten Woche ist er der Vida entnommen, in der vierten Woche aus dem Camino in der Valladolid-Fassung, nach der 6. Woche ist ein Text des Franz von Sales vorgeschlagen. 530 Anknüpfungspunkte wären z.B. an Aschermittwoch, Laetare oder Palmsonntag leicht möglich gewesen. 531 Ebd., 83. 532 Die Seelsorgeeinheit Emmendingen besteht aus drei Pfarreien, die sehr unterschiedlich geprägt sind, zum einen dörflich mit einem ausgeprägten Gemeindeleben, das die religiösen Feiern im Jahr trägt, zum anderen bürgerlich-städtisch und ein Neubaugebiet, in dem viele junge Familien leben. Konzipiert und geleitet wurden die Exerzitien durch Pfarrer M. Teipel und Gemeindereferentin R. Wangler, Studienrätin M. Kannen leitete eine Gesprächsgruppe und ergänzte das Gesprächsangebot. 141

Exerzitienkurs und die inhaltlichen Impulse ist die Vaterunser-Auslegung der Teresa von Ávila in ihrem Buch Weg der Vollkommenheit.533

6.3.1 Der Aufbau des Kurses Der Aufbau der Exerzitien orientiert sich an folgendem Rhythmus534: -

Jede Woche besteht aus sechs thematischen Einheiten und einer selbst zu wählenden Einheit zur Wiederholung und Vertiefung, die notfalls auch entfallen kann.535

-

Beim wöchentlichen Gruppentreffen wird zu Beginn die Körpermeditation eingeübt. Dann leitet ein Rückblick auf die Überschriften der vergangenen Woche zum Austausch in den Kleingruppen über, wobei inhaltliche Fragen in einem abschließenden Gespräch in der Gesamtgruppe gestellt werden können. Die Abende schließen mit dem Ausblick auf die kommende Woche, dem gemeinsamen Tagesrückblick in Stille, dem langsam gebeteten Vaterunser536, einem Segen und dem Taizé-Lied Nada te turbe.

-

Die Einheiten für die einzelnen Tage, haben eine einheitliche Struktur: Eine Überschrift, Ritual und Körperübung zur Sammlung, eine oder mehrere Textstellen aus dem Weg der Vollkommenheit, eine Bibelstelle und Anregungen zum Nachdenken, Vertiefen und Reflektieren.537 Die Anregungen enden mit dem Auftrag, die eigenen Gedanken mit Gott ins Gespräch zu bringen. Die Haltung einzuüben, mit Gott über das eigene Leben, die eigenen Gedanken, alles, was das Leben ausmacht, im Gespräch zu sein, ist das Ziel dieses Kurses im Sinne des „Betet ohne Unterlass“ (1 Thess 5,17).

533

Eine Ausnahme bildete in Einheit 3 „Freundschaft“ der Verweis auf Das Buch meines Lebens 8,5. Alle anderen Texte stammen aus Teresas Werk Weg der Vollkommenheit. Zusammenstellung der Themen und Texte der einzelnen Einheiten durch M. Teipel (siehe Anhang 2). 534 Die ritualisierte Form ermöglicht, dass sich der Rhythmus der Exerzitien immer mehr einprägt und vertraut wird, womit gefördert wird, in die Tiefe zu gehen. So entfaltet sich die heilende und belebende Wirkung des Rituals und führt in die Stille, in die Lärm und Unruhe des Alltags nicht vordringen können. Eigenes Denken und Planen werden unterbrochen und der Blick auf das gesamte Leben mit seinen Sinnzusammenhängen wird möglich. 535 Eine realistische Herangehensweise, da nicht alle jeden Tag die Einheiten halten können. 536 Für den Tagesrückblick in Form des Gebets der liebenden Aufmerksamkeit und das Vaterunser nimmt man sich bei der Hand, indem man die eigene rechte Hand in die Linke des Nachbarn legt. Die Geste symbolisiert: Ich trage und werde getragen. 537 Die Texte aus dem Camino sind auf den Tagesblättern ohne Kapitelangabe, um ein ‚Studium‘ zu vermeiden. In Anhang 2 dieser Arbeit sind die Textstellen angegeben. Auf die Bibelstellen wird nur verwiesen ohne sie abzudrucken. Sie sollen verwendet werden, wenn das innere Gebet stockt. Es sind v.a. narrative Evangelien und Gleichnisse, keine Lehrtexte, um dem Menschen Jesus Christus zu begegnen. 142

Abschluss der Meditationszeit bilden das Gebet „Nichts soll dich verstören“ (Nada te turbe) und das Kreuzzeichen. -

Jeder Tag schließt mit einem gleichbleibend aufgebauten Tagesrückblick ab: Kreuzzeichen, Durchgang des Tages in je eigener Geschwindigkeit anhand von Leitfragen, die für die Begegnung mit anderen Menschen und mit Gott und für den eigenen inneren Prozess sensibel machen; Vaterunser, gebetet im eigenen langsamen Tempo, und das Kreuzzeichen.

6.3.2 Das erste Treffen Beim ersten Treffen der Gruppe538 zum Einstieg werden mit der Vita Teresas die historischen Zusammenhänge knapp zusammengefasst. Mit der Vorstellung von Teresas Weise zu beten, ist zugleich die Einführung ins Gebet selbst verbunden. Zentraler Punkt ist die Lenkung der Aufmerksamkeit auf die Beziehung zu Gott. Ergänzt wird die Einführung durch die Erläuterung des Begriffspaares Sanftheit und Entschlossenheit und die Ermunterung, sich ganz Gottes Führung anzuvertrauen. 539 Ermutigt werden die Teilnehmer, nur die Texte und Anregungen zu verwenden, welche ihnen wirklich weiterhelfen. So soll jedes Leistungsdenken oder Absolvieren vermieden werden. Dies wird in den Einheiten der ersten Woche noch einmal vertieft. Weitere Elemente des ersten Treffens sind Empfehlungen zum Einrichten einer ‚Gebetsecke‘, der Umgang mit Störungen, die Tagesstruktur, die Vorstellung wie die kommende Woche und die wöchentlichen Gruppentreffen ablaufen werden sowie die Einübung von Körpermeditation und Tagesrückblick. Einzelgespräche während der Exerzitien werden erläutert, empfohlen und angeboten.540

6.3.3 Die erste Woche Die erste Woche ist darauf angelegt, dass die Exerzitanten für Gottes Gegenwart und eine ihr angemessene Haltung aufmerksam werden. Ebenso werden einige Grundlagen Teresas zum Gebet vorgestellt und eingeübt. Der Bogen reicht von der Einheit „Beten“, über „Achtsamkeit“ und „Freundschaft“ zum Paar „Sanftheit“ und „Entschlossenheit“, den Abschluss bildet eine erste Einheit zum Vaterunser. 538

Ein Informationsabend zu Teresa von Ávila und Exerzitien im Alltag fand ca. einen Monat vor Beginn des Kurses statt. Nur ca. die Hälfte der späteren Teilnehmer nahm an diesem Treffen teil. 539 Da einige Exerzitanten von den Visionen Teresas gelesen haben, wird knapp erläutert, dass das Ziel nicht Visionen, sondern die Früchte der Kontemplation sind. 540 Vgl. Anhang 1. 143

Diese ersten Schritte sind darauf angelegt, in die Exerzitien hineinzufinden. Die Überschriften sind zunächst noch nicht spezifisch für Teresa von Ávila, führen aber zu ihren Schwerpunkten hin. Dem dienen zum einen die Textstellen aus dem Weg der Vollkommenheit,

desweiteren

sind

Bibelstellen

gewählt,

welche

die

Thematik

veranschaulichen und gerade für Ungeübte eine Hilfe sein können. 541 Die Anregungen sind in dieser Woche konkret, um Ungeübten Halt zu bieten. Die erste Einheit: „Beten“ Für viele der Teilnehmer ist es neu, auf die von Teresa vorgestellte Weise zu beten, da für die meisten v.a. das mündlichen Gebet vertraut ist. So wird in der ersten Woche der Blick auf das innere Beten gelenkt. Die angestrebte Haltung wird gleich in der ersten Einheit angesprochen: Gebet heißt, Gott Zeit zu schenken (vgl. CE 39,2). Diese Haltung der geschenkten Zeit verbunden mit dem Auftrag, langsam zu beten, ist ein erster Ansatz,

möglichem

Leistungsdruck

entgegenzuwirken.

Zwei

weitere

Sätze

unterstreichen dies: Mit einem ab und zu gesprochenen Wort des Vaterunsers bewirkt ihr viel mehr, als wenn ihr es schnell und oft dahersagt und euch dabei nicht versteht. Der zu dem ihr betet, ist ganz nahe; er kann gar nicht versäumen, euch zu hören (vgl. CE 53,9). Zurückhaltung beim Bitten, damit er in rechter Weise schenkt (vgl. CE 51,1).

Hier steht dem Beter vor Augen, dass es nicht auf sein eigenes Tun ankommt, damit das Gebet angenommen wird, denn notwendig ist allein das Vertrauen auf die Beziehung zu Gott.542 Auch die angegebene Schriftstelle vom Rückzug Jesu ins Gebet dient der Entschleunigung. Bei den Anregungen geht es am ersten Tag darum, einen geeigneten Platz und eine gute Zeit für das Gebet zu finden. Die zweite Einheit: „Achtsamkeit“ Die Überschrift „Achtsamkeit“ entlehnt sich einem Wort aus Teresas Text. Er soll für die Gegenwart Gottes sensibilisieren, seine Nähe zu suchen, sich an ihn erinnern. Dies knüpft an den ersten Tag an mit seinem Zitat: „Betet ohne Unterlass“ an.

541

Teresa empfiehlt die Betrachtung von biblischen Themen in CE 42,4-6, besonders die Betrachtung von Leiden und Sterben Jesu sowie Jesus als Auferstandenen. Die Betrachtung bleibt aber Mittel, um zum inneren Gebet geführt zu werden, zum persönlichen Sprechen mit Gott. Meditation ist für sie nur ein Zwischenschritt zur Kontemplation: „Nun werdet ihr sagen […] ‚wieso ich mit euch über Tugenden rede, wo ihr doch viele Bücher habt, die sie euch lehren‘, und ‚ihr doch nur Kontemplation wollt‘. Dazu sage ich: Wenn ihr noch um Meditation bitten würdet, dann könnte ich etwas dazu sagen und allen raten, sie zu halten, auch wenn sie keine Tugenden hätten, denn sie ist der Anfang, um alle Tugenden zu erlangen“ (CE 24,3). 542 Dies steht z.B. einem ‚Bestürmen Gottes‘ entgegen. Gott erhört Bitten nicht aufgrund einer größtmöglichen Anzahl von Gebeten. 144

Die dritte Einheit „Freundschaft“ Die zentrale Einheit dieser Woche soll in die bewusste Beziehung zu Gott hinführen. Für viele der Teilnehmer ist dies verbunden mit einer neuen Blickweise für Gott. In dieser Einheit wird einmalig eine Stelle verwendet, die nicht aus Teresas Weg der Vollkommenheit stammt. Der Satz: „Meiner Meinung nach ist inneres Beten nichts anderes als Verweilen bei einem Freund“ (V 8,5) ist jedoch für die Erläuterung der Haltung nicht ersetzbar. Zunächst wird Druck aus dem Prozess genommen, wenn es heißt, dass bereits ein Ansatz reicht, um mit dem Weg der Freundschaft zu beginnen. Dass sich dieser Weg nicht nur vertikal zwischen Himmel und Erde abspielt, sondern auch eine horizontale Dimension hat, verdeutlicht der zweite Satz: „Um Gott zu haben, ist es aber eine große Hilfe, mit seinen Freunden zu verkehren“ (CE 11,4). In CE 42,1 schlägt Teresa vor, sich die Freundschaft mit Gott auf ganz ähnliche Weise wie die mit einem Menschen vorzustellen. Eine Freundschaft unter Menschen ist den Teilnehmern vertraut und sie können an dieses Bild anknüpfen, auch wenn es ungewohnt ist. Ein ganz intimes Bild wird als Schriftstelle angeboten: In der Johannesminne liegt der Jünger (mit der Person des Apostels Johannes identifiziert) an der Seite Jesu. Eine solche Beziehungsintensität wird angestrebt, wenn sich die Exerzitanten ein solches Verweilen vor Gott ganz konkret vorstellen. Die vierte und fünfte Einheit: „Sanftheit“ und „Entschlossenheit“ Diese beiden Einheiten sind direkt aufeinander bezogen. Um einem Rigorismus und Leistungsbeten zu entgegnen, knüpft die Einheit „Sanftheit“ an das Bild des Freundes an. Gutes Beten zeigt sich nicht durch Anstrengungen oder „unbedachte Bußübungen“ (vgl. CE 32,2). Gerade vor solchen Vorstellungen will der „behutsame Meister“ (CE 65,7) bewahren und ihn als solchen zu erkennen, bringt die entscheidende Sicherheit. Die Meinung, etwas aus sich selbst heraus erlangen zu können, sieht Teresa als Gefahr an. Durch das leichte Joch (Mt 11,28-30) und das Lernen vom Herrn wird die Seele bei ihrer Suche nach Ruhe unterstützt. Dennoch braucht es zugleich eine große Konsequenz, um auf dem Weg fortschreiten zu können. Die Entschlossenheit, von der Teresa spricht, ist der Anteil des Beters am Weg. Der Satz: „Alles [ist] an einer großen und ganz entschlossenen Entschlossenheit gelegen“ (CE 35,2) drückt dies nicht zuletzt durch die Wortwiederholung aus. Gleich was passiert, an dieser Entschlossenheit darf es nicht fehlen, allen Hindernissen zum Trotz. Teresa beschreibt die Argumente der Gegner des inneren Gebetes, die v.a. Frauen nur 145

mündliches Beten zugestehen wollen. Da sich der Reichtum des Gebetes meist nicht von Beginn an eröffnet, geht sie auf innere Widerstände ein, v.a. soll an der Gebetsweise festgehalten werden (vgl. CE 62,2). Das Gleichnis von Reichtum und Nachfolge (Mk 10,17-22) verdeutlicht die Notwendigkeit der Entschlossenheit, die zwar unbequeme Seiten hat und wie ein enges Nadelöhr sein kann, aber nur so zum ewigen Leben führt. Das Paar von Sanftheit und Entschiedenheit drückt die Wegmarkierungen aus, anhand derer der Mensch auf Gott zu geht. In der Sanftheit Gottes braucht der Mensch keine herausragenden Werke, damit Begegnung gelingt. Ganz im Gegenteil unterstützt Gott den Beter auf seinem Weg und hilft ihm über Durststrecken hinweg. Mit der richtig verstandenen Entschlossenheit setzt der Mensch alles auf Gott und lässt sich durch Hindernisse nicht vom Weg abbringen. Das Vorbild Gottes, der auf die inneren Prozesse schaut und den Weg in Sanftheit anbietet, lässt den Menschen auf Rigorismus und ungezügelte Bußübungen verzichten, freilich ohne es an Entschlossenheit mangeln zu lassen. Die Sechste Einheit: „Das Vaterunser beten“ In der abschließenden Einheit zur ersten Woche wird erstmals das Vaterunser selbst thematisiert. Die Anweisungen Teresas in CE 56,3 möchten einmal mehr alle Angestrengtheit verhindern, da sie für den Prozess hinderlich ist. Die Einheit führt zum einen in Teresas Art das Vaterunser zu beten ein und verweist mit dem Fiat voluntas tua schon auf die dritte Woche, die das inhaltliche Zentrum der Exerzitien bildet. Gruppentreffen nach der ersten Woche Die Teilnehmer sind, wie zu erwarten, verschieden in die Einheiten hineingekommen. Nicht leicht ist es für manche, täglich eine Gebetszeit zu halten und einen Rhythmus zu finden. Inhaltlich wird der Ansatz von „Freundschaft mit Gott“ als neu und wohltuend empfunden. Als Bereicherung wird die Einheit „Sanftheit“ genannt – für manche Teilnehmer ist sie in diesem Zusammenhang neu und steht einer in der Kindheit erlernten Haltung entgegen.

6.3.4 Die zweite Woche Die zweite Woche beschäftigt sich mit der Anrede Gottes und den ersten beiden Bitten des Vaterunsers. Ziel ist das Bewusstsein für die Gegenwart Gottes zu schärfen und die Beziehung zu ihm zu vertiefen. 146

Die achte Einheit: „Vater unser im Himmel“ Mit der Anrede des Vaterunsers wird der Beter in die Beziehung von Vater und Sohn hinein genommen. Diese familiäre Verbundenheit enthält die Unverbrüchlichkeit der Beziehung, aus der man letztlich nicht herausfallen kann – in die man höchstens, wie der verlorene Sohn, nach einer Verfehlung zurückkehren kann. Was bleibt ist die Bereitschaft des Vaters und des Sohnes, den Menschen reich zu beschenken. Die Einheit regt an, die Beziehung zu Gott als Vater und zu Jesus als Bruder zu betrachten. Das Bild, Gott zum Vater und Jesus zum Bruder zu haben, stellt sich neben das Bild des Freundes. Die neunte Einheit: „Den Blick auf die himmlischen Dinge richten Den Himmel nicht als fernen Ort zu verstehen, ist Teresa sehr wichtig. Wenn es darum geht, den Blick auf die himmlischen Dinge zu richten, meint sie damit als Blickrichtung die eigene Seele (vgl. CE 47,2). Dort sind die Früchte zu entdecken, wie innere Ruhe, Herrlichkeit, Freude und beständiger Friede (vgl. CE 52,2). Teresa betont mehrfach, dass sie schon nach kurzer Zeit erfahrbar sind. Interessant ist die Aussage über den Tod, in dem der Mensch nicht in ein fremdes sondern in eigenes Land geht. Die Verbindung zum Herrn macht es zum eigenen Land, in das man heimkehrt, also dort die eigentliche Heimat ist (vgl. CE 70,3). Diese Einheit möchte für diese Zusammenhänge sensibilisieren und die Sehnsucht nach den himmlischen Dingen bewusst machen. Die zehnte Einheit: „Dein Name“ Für einen persönlichen Glauben ist ein geklärtes Gottesbild wichtig. Diese Einheit regt an,

sich

mit

dieser

Frage

eines

eigenen

Gottesbildes

und

Gottesnamens

auseinanderzusetzen, womit sie an Teresas Vorschlag in CE 38,1 anknüpft. Durch eine Passage aus CE 53,5 wird neben das männliche Bild des Vaters, das in der achten Einheit entfaltet wurde, der weibliche Gegenpart Mutter gestellt. Die Seele wird mit einem Säugling an der Brust der Mutter verglichen.543 Das Bild einer zärtlichen Freundschaft wird wieder aufgegriffen, wenn ein Kosename für Gott gefunden werden soll (vgl. CE 11,8). Dass dies sehr intim ist unterstreicht die begleitende Bibelstelle vom Gebet in der Kammer (Mt 6,6), die einen geschützten Rahmen bietet und einem solchen Koseworten angemessen ist. Einen solchen Namen

543

Dass Teresa ein männlich geprägtes Gottesbild hat, lässt sich einen Satz später erkennen, wenn sie vom Herrn spricht, der die Milch verabreicht (vgl. CE 53,5). 147

zu finden und ihn auch auszusprechen, stellte für viele Teilnehmer eine hohe Hürde dar, wird aber als anregend empfunden. Die elfte Einheit: „Geheiligt werde dein Name“ Diese Einheit vertieft die vorherige und fügt mit dem Bild des Bräutigams ein weiteres hinzu. Die vielen Bilder betonen die Andersartigkeit Gottes, die ihn letztlich unfassbar bleiben lassen: Der Herr ist, der er ist (vgl. CE 8,1; 29,7 und 33,1). Schwerpunkt bildet die gegenseitige Verwiesenheit des Beters, der keine Hilfe findet „außer dem Bemühen, mein Denken auf den gerichtet zu halten, an den ich die Worte richte“ (CE 40,5) und des Herrn der Welt, der angesichts des Beters seine eigenen Schmerzen vergisst (vgl. CE 42,6). Die Bitte um den gemeinsamen Weg schließt im Ausruf „Wir gehen zusammen, mein Herr“ (CE 42,6). Die zwölfte Einheit: „Dein Thron in mir“ Teresas Bild von der Seele als Palast und vom Herz des Menschen als Thron Gottes verdeutlicht ihr positives Menschenbild. Zugleich fordert es den Menschen heraus, diesen Palast durch gelebte Tugenden für den Herrn passend zu gestalten. Dieses Bewusstsein der eigenen Würde und für den mit ihr verbundenen Auftrag spiegelt sich in der Schriftstelle von der Verkündigung wider (Lk 1,26-31). Die konkrete Vorstellung des Thrones im eigenen Inneren und seine Bereitung werden in den Anregungen aufgegriffen. Die 13. Einheit: „Dein Reich komme“ Die zweite Vaterunser-Bitte dein Reich komme schließt den inhaltlichen Bogen der Woche ab und verweist auf das ‚Gebet der Ruhe‘.544 Der komplexe Text aus Teilen von CE 53,1 und 53,2 erläutert anhand der Person des greisen Simeon (Lk 2,25-32), wie sich Jesus zu erkennen gibt. Die Anfänge des Reiches Gottes sind bereits auf Erden erfahrbar, allerdings bleibt diese Erkenntnis reines Geschenk und ist nicht herbeiführbar. Die beiden Elemente ‚Ruhe‘ und ‚Frieden‘ werden als Charakteristika für eine beginnende Erkenntnis des Reiches genannt, wenn auch noch nicht mit ganzer ‚Klarheit‘ erfasst. Mit Simeon, der unvermutet auf das von anderen unerkannte Gotteskind trifft, wird der Beter eingeladen, das nicht Herbeiführbare zu erwarten.

544

Das ‚Gebet der Ruhe‘ wird nicht in einer eigenen Einheit eingeführt. Bewusst wird auf die einzelnen Gebetsstufen Teresas bei den Exerzitien verzichtet, da sich ihr Erreichen nicht planen lässt. 148

Gruppentreffen nach der zweiten Woche Die Teilnehmer sind im Prozess fortgeschritten, Hindernisse beim Einhalten der täglichen Gebetszeiten sind bei einigen weiterhin vorhanden. Für manche ist die Sprache Teresas eine bleibende Herausforderung. Für viele ist die Anregung schwierig, für Gott einen Kosenamen zu finden. Die Vorstellungen Jesus als Bruder und dadurch Gott als Vater zu haben sowie vom Thron Gottes im eigenen Innern werden als angenehm empfunden. Das Thron-Bild wird von vielen bei der Wiederholung vertieft. Interessant aber nicht leicht ist die Anregung, sich für das nicht Herbeiführbare zu öffnen.

6.3.5 Die dritte Woche Die dritte Woche der Exerzitien dreht sich um die Vaterunser-Bitte: Dein Wille geschehe. Für Teresa ist entscheidend, dass wir unseren Willen hingeben (vgl. CE 17,2 und 55,2) und der Herr dazu sein Licht zur Stärkung schenkt (vgl. CE 29,7). Wenn sie schreibt, dass in der Einung mit Gott die Verbindung mit dem Menschen so stark ist, dass sich der Herr sogar nach dem Willen des Beters richtet (vgl. CE 42,4), ist dies sicher eine Stufe, die bei den Exerzitien im Alltag kaum zu erwarten ist. Sie zeigt jedoch, dass es letztlich darum geht, dass der Wille des Herrn und der Wille des Beters am Ziel des Weges der Vollkommenheit in Einklang kommen. Die Woche versucht eine Hinführung zur Haltung, den eigenen Willen zu übergeben. Die Exerzitanten sind den Weg der Exerzitien nun zwei Wochen gegangen, so dass die Gefahr besteht, sich im Erreichten einzurichten. Dem wirken die Einheiten entgegen, die vor falschen Wohlgefühlen und weiteren Hindernissen warnen. Wiederholt wird auf den Schwerpunkt der Sehnsucht nach Gott hingewiesen. Die 15. Einheit: „Dein Wille geschehe im Himmel und auf Erden“ CE 54,2 knüpft an den Abschluss der zweiten Woche an: „Wenn die Erde zum Himmel geworden ist, wird es auch möglich, daß in mir dein Wille geschehe.“ Teresa verschränkt in dieser Passage beide Zielrichtungen der Vaterunser-Bitte, wenn sie einerseits schreibt, dass „wir erfüllen können“, also der Anteil des Menschen betont wird, und im Anschluss, „was du ihm in unserem Namen zusagst“, die Erfüllung der Verheißung eröffnet. Der folgende Satz fasst dies noch einmal kurz zusammen „Wenn die Erde zum Himmel geworden ist.“ (Alle Stellen CE 54,2). Dem gegenüber unterstreicht die Passage aus CE 53,6, dass der eigene Wille seine Grenzen hat und sich im geistlichen Prozess nichts erzwingen lässt. Aber Gott verwehrt 149

niemandem, „zu diesem Lebensquell zu kommen, um zu trinken“ (CE 33,1). Die Bibelstelle vom Gebet Jesu am Ölberg greift die Übergabe des Willens noch einmal auf (Mt 26,36-42). Die beiden Anregungen „Weiß ich, was ich will?“ und „Worin unterscheiden sich der Wille Gottes und mein eigener?“ fordern heraus, den Blick auf den eigenen Willen zu schärfen und zu klären, was im Leben wirklich wesentlich und wichtig ist? Das Thema, dass der eigene Wille grundsätzlich auf die himmlischen Güter und Gnadengaben ausgerichtet ist, wird in den folgenden Einheiten entfaltet. Die 16. Einheit: „Furcht und Liebe“ Dieses Wortpaar will den Beter für den Weg stärken und vor Irrwegen warnen. Die Aufmerksamkeit richtet den Blick auf mögliche Gefahren, die jedoch v.a. im Innern des Menschen lauern. Geschützt wird der Beter durch ‚Selbsterkenntnis‘ und sich „mit einem zu besprechen, der euch versteht“ (CE 68,2). Die beiden ersten Anregungen zur Einheit unterscheiden zwischen der antreibenden, lebensfördernden Ehrfurcht vor Gott, und einer ängstlichen, lebensbehindernden Zaghaftigkeit.545 Die 17. Einheit: „Um das Rechte bitten“ Teresa kennt die Gefahr, es sich mit beim Bitten zu leicht zu machen. Auch beim Bittgebet kommt es auf die entsprechende Haltung an, die Gott nicht vorgreift. Durch die Texte aus CE 51 wird deutlich, dass es sich hierbei nicht um ein naives Geschehen handelt, sondern sich der Bittende der Tragweite seines Anliegens weitestmöglich bewusst ist. Teresa verwendet hierzu das alltagsbezogene Bild eines Bittstellers, der sich gut überlegt, wie er bei einer hochgestellten Persönlichkeit vorgehen muss, damit sie seiner Bitte entspricht. Die Schriftstelle aus Mt 7,7-11 (Vom Vertrauen beim Beten) ermutigt zum Gebet und stärkt den Glauben an den „Vater im Himmel“, der denen Gutes gibt, „die ihn bitten.“546 Die Anregungen zur Einheit befassen sich mit Inhalt und Haltung im eigenen Bitten.

545

In der begleitenden Schriftstelle Mk 5,21-24.35-42 sagt Jesus zu Jaϊrus: „Sei ohne Furcht, glaube nur!“ Nach der erfolgten Auferweckung der Tochter heißt es: „Die Leute gerieten außer sich vor Entsetzen.“ Der Glaube kann also lehren, mit Furcht umzugehen wie auf die heilende und führende Kraft des Herrn zu vertrauen. Wer aber keinen Glauben hat, gerät in großes Entsetzen und hat keine Form gefunden, mit den herausfordernden Dingen des Lebens umzugehen. 546 Die Wirkgeschichte dieses Textabschnitts für das kontemplative Gebet kann an bei den Exerzitien nicht entfaltet werden, ist aber kundigen Exerzitanten nicht entgangen. Vgl. Kapitel 2 dieser Arbeit. 150

Die 18. Einheit: „Begegnung in einem Innern“ Die Einheit vertieft die Begegnung mit Gott: Gott ist der Nahe (vgl. CE 50,1), mit ihm allein zu sein, hilft zum besseren Verstehen (vgl. CE 47,4). Der Beter wächst in ein lebendiges Verhältnis immer tiefer hinein. Ein neuer Aspekt ist der Zusammenhang mit möglichen Ablenkungen. Teresa ermutigt, den Weg weiterzugehen und verspricht die rasche Belohnung, „vom Wasser der Quelle zu trinken, denn in kurzer Zeit kommen sie weit“ (CE 47,2). Eine Aufmunterung für die Exerzitanten, dass es sich trotz möglicher Hindernisse und Widerstände lohnt, den Weg nach Innen weiterzugehen. Die verheißene Freude wird durch die Verkündigung der Geburt des Herrn und den Beginn des Magnifikat als Schriftstelle weitergeführt. Die 19. Einheit: „Mögliche Hindernisse: Besitz und Prestige“ Für Teresa stellen Besitz- und Prestigedenken schwere Versuchungen für den geistlichen Weg dar. Die Einheit greift Mechanismen des Prestigedenkens auf und lenkt den Blick auf

das eigentliche

Ziel. Schriftstelle

(Lk 14,7-11,

Mahnung zur

Bescheidenheit) und Anregungen führen den Gedanken weiter und vertiefen ihn für das persönliche Gebet. Die 20. Einheit: „Demut verheißt guten Mut“ Die Einheit beginnt mit der Mahnung vor Selbstüberschätzung und bedient das klassische Bild der Demut, die sich stets in Gefahr sieht und deshalb vor „Leichtsinn und Täuschung“ (CE 67,2) warnt. Die wahre Haltung der Demut wird von Teresa mit Anspruch und Selbstbewusstsein verknüpft. Demut bedeutet für sie, zwar alles in der eigenen Macht Stehende zu tun, um den Weg vorangehen zu können, zugleich aber alles von Gott zu erwarten. Die Zuversicht, „dass Gott uns die Hand reichen wird“ auf dem Weg zum Ziel der Heiligkeit, ermöglicht in der Demut zu wachsen und „immer guten Mutes zu sein, denn Gott gibt ihn den Starken.“ Gerade in diesem Abschnitt spricht sie selbst Mut zu: „Habt keine Angst“ und ermuntert, den Weg zu gehen. Demut ist für sie ganz von Gott her zu sehen und der Frage „womit dem Herrn mehr gedient ist“ (alle Zitate CE 26,5). Im „Beispiel vom Pharisäer und vom Zöllner“ (Lk 18,9-14) versteht sich der Pharisäer mit seinen

Bußübungen

in

Abgrenzung

zum

Zöllner

und

begründet

so

seine

Tugendhaftigkeit. Der Zöllner hingegen erkennt seine Hilfsbedürftigkeit und wird offen für Gott.

151

Gruppentreffen nach der dritten Woche Die Exerzitanten kommen langsam in den Rhythmus hinein, dennoch gelingt es nicht immer, die Gebetszeiten zu ‚verteidigen‘. Die Frage nach dem eigenen Willens ist für viele nicht leicht zu beantworten, weil viele Elemente von Außen hineindrängen und das Leben bestimmen. Hier tut die Rückzugszeit der Exerzitien im Alltag gut und hilft der Ordnung. Weiterhin ist bestimmend, dass sich Gott im eigenen Innern finden lässt, nicht allen fällt das persönliche Gespräch ‚wie mit einem Freund‘ leicht.

6.3.6 Die vierte Woche Die vierte Woche der Exerzitien beschäftigt sich mit den vier letzten Bitten des Vaterunsers und schließt die Exerzitien ab. Nachdem das Verhältnis zu und die Bedürftigkeit von Gott thematisiert wurde, richtet sich der Blick nun auf die alltägliche Sorge nach dem Brot, dem Verhältnis der Menschen untereinander und den Versuchungen des Bösen. Die abschließende Einheit möchte in Anklang an die Doxologie einen Ausblick bieten und ermuntern am Weg des inneren Betens fest zu halten. Die 22. Einheit: Unser tägliches Brot gib uns heute“ Für Teresa ist die Bitte um das tägliche Brot mit der Eucharistie verknüpft und so möchte die Einheit für die Bedeutung Eucharistie sensibilisieren. Sie ist bleibende Gegenwart Jesu durch die Zeit hindurch (vgl. CE 58,1), Hilfe, Ermutigung und Nahrung (vgl. CE 60,1) außerdem Arznei. (vgl. CE 61,3) Die Bibelstelle Joh 6,31-35 und die Anregungen weisen auf die Begegnungsmöglichkeit mit Jesus Christus im ‚Brot des Lebens‘ hin. Die 23. Einheit: „In der Sehnsucht wachsen“ Die Einheit bleibt bei der Begegnung mit dem Herrn in der Eucharistie. Die Wirkung der ersehnten und kommunizierten Eucharistie führt zur Einung also Communio mit Gott selbst. Eine so konkrete Anweisung für den Weg der Gotteinung ist bei Teresa eine Besonderheit. Die Sehnsucht nach dem Herrn bleibt die Bewegung des Menschen auf Gott zu, ist einzige Voraussetzung und begründet die wahre Freundschaft (vgl. CE 61,10). Die Schriftstelle vom Letzten Abendmahl zeigt, dass sich auch Jesus nach der Begegnung mit seinen Aposteln sehnt: „Ich habe mich danach gesehnt, […] dieses Paschamahl mit euch zu essen“ (Lk 22,15). Der Text vom Mahl markiert den Zusammenhang von Begegnung mit Jesus in Eucharistie und Gemeinschaft. 152

Die 24. Einheit: „Vergib uns unsere Schulden, wie wir ihnen vergeben“ Teresa unterstreicht den Zusammenhang zwischen dem Vergeben-bekommen eigener Schuld und der Vergebung eigenen Schuldnern gegenüber. Für Teresa steht vor der Vergebung durch den Vater das eigene Vergeben. Die Bibelstelle (Lk 7,36-50, Begegnung Jesu mit der Sünderin) zeigt das Gefälle: Wer sich des Erbarmen Gottes bewusst ist, wird in ein besonderes Verhältnis zu ihm treten und sich entsprechend verhalten.547 Die 25. Einheit: „Und führe uns nicht in Versuchung“ Prüfungen, Versuchungen, Verfolgungen und Kämpfe gehören zum Leben dazu und wollen bestanden werden. Hintergrund ist die Einsicht, dass ein als falsch erkannter Weg zu einem neuen Antrieb zum Guten hin führt und diese Erkenntnis innere Ruhe verschafft. Die Einheit fordert den Exerzitanten auf, sich der eigenen Versuchungen bewusst zu werden und sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dazu hebt Teresa die Souveränität Gottes hervor, immer einen neuen Anfang setzen zu können und dass keine noch so schwere Tat von ihm trennen kann. Wie der Schrifttext in Lk 4,1-12 (Versuchung Jesu) zeigt, setzen Versuchungen bei körperlichen Grundbedürfnissen wie Hunger und bei Besitz- und Prestigedenken an. Jesus zeigt, dass eine enge Verbindung zur Heiligen Schrift genügend Hilfe zur Hand gibt, um der Versuchungen Herr zu werden. Allerdings schreibt Lukas auch, dass Versuchungen selbst von Jesus nur für eine gewisse Zeit überwunden werden können. Die 26. Einheit: „ Sondern erlöse uns von dem Bösen“ Die Auseinandersetzung mit Störungen ist bei den Exerzitien an verschiedenen Stellen erfolgt548 und endet nun in der Bitte um Erlösung von dem Bösen. Die vorletzte Einheit der Exerzitien leitet den Abschluss ein und ermutigt, den Weg trotz Hindernissen weiterzugehen.549 Noch einmal werden die Mechanismen aufgedeckt, mit denen der Böse die Seelen zu verwirren sucht und Teresa argumentiert mit dem Gewicht ihrer eigenen Erfahrung (vgl. CE 39,4). Dass das Gebet selbst als Gefahr angesehen wird, kann Teresa nicht unkommentiert lassen und muss als Kernelement des Lebens mit Gott unbedingt geschützt werden.

547

Die Sünderin drückt ihren Dank durch die intime, für die Umstehenden anzüglich wirkende Geste der Fußwaschung aus. Die Stelle wurde ausgewählt, um die Möglichkeit aufzuzeigen, von welcher Intimität die Beziehung zwischen Gott und dem betenden Menschen sein kann. 548 Z.B. beim Einstiegsreferat und bei den Gruppentreffen der einzelnen Wochen. 549 So beginnt die Einheit nicht mit dem Blick auf das ‚Böse‘, sondern dass die bereits betrachteten ‚Liebe und Gottesfurcht‘ den Weg der Ruhe versprechen. 153

Das Gespräch über den Weg zum Vater (Joh 14,1-7a) ruft noch einmal in Erinnerung, dass das Ziel die Heimat beim Vater ist. Es gilt, sich auf dem Weg nicht verwirren zu lassen, sondern am Glauben als richtungsgebende Hilfe fest zu halten. Die verschiedenen Wohnungen verweisen auf die Zuwendung des Vaters und die Individualität jedes Menschen, inklusive der je eigenen Weise den Glauben zu leben. Die 27. Einheit: „Die Herrlichkeit des Vaters in mir“ Zunächst führt Teresa einen logischen Beweis: Die Universalität Gottes bedeutet, dass er

auch

im

Innern

des

Menschen

ist.

Nun

wechselt

sie

zu

einer

Beziehungsbeschreibung: Nicht mehr von ‚Gott‘ ist nun die Rede, sondern vom Beziehungswort ‚Vater‘. Kein entfernter Himmel ist aufzusuchen, kein lautes Gebet ist zu sprechen, um mit ihm in Kontakt zu kommen. Es reicht der stille Gang in die Einsamkeit des Inneren und „er wird sie hören.“ (CE 46,2) Dieses zärtliche Bild für die Beziehung zu Gott soll den Exerzitienkurs inhaltlich abschließen und ermutigen, am begonnenen Weg fest zu halten. Dies greift auch die Bildrede vom Fruchtbringen aus dem Johannesevangelium (Joh 15,1-17) auf, die im Satz gipfelt: „Bleibt in meiner Liebe“ (Joh 15,9). Gruppentreffen nach der vierten Woche Die letzte Woche wird als kurz erlebt. Thema der Austauschrunde ist die Frage, was die Exerzitanten nach den Exerzitien beibehalten wollen. Sie nennen v.a. die Gebetszeit am Abend und das langsam gebetete Vaterunser. Weiteres Thema ist in Rückblick auf die vergangene Woche die eigene Bedürftigkeit und das Vertrauen auf Gottes Beistand. Er ist der Nahe und gibt Kraft, den Alltag zu gestalten.

6.3.7 Abschlusstreffen Das Abschlusstreffen in der Gruppe beginnt mit der Eucharistiefeier. Vier Fragen zu den vier Exerzitienwochen eröffnen ein Element zu Austausch: -

Was ist bei mir passiert? Was ist geblieben? Was habe ich beibehalten? Was hat sich verändert?

Lesungstext ist die Begegnung von Gott und Elia am Berg Horeb (1 Kön 19,8-13a), Evangelium die Freundschaft Jesu zu seinen Jüngern (Joh 15,1-17). Freie Fürbitten und Dank ermöglichen, den Kurs persönlich in der Gruppe abzuschließen. Den Teilnehmern wird ein kleiner ungeschliffener Amethyst überreicht, der für den kostbar ausgestatteten 154

Palast im Innern des Menschen steht und an die Exerzitien im Alltag erinnert. Ein frohes Fest schließt sich an.

6.4 Auswertung der Exerzitien im Alltag550 6.4.1 Statistische Angaben An den Exerzitien nahmen 22 Exerzitanten (17 Frauen, 5 Männer) im Alter von 30 bis über 70 Jahren teil. Zwei Teilnehmer brachen den Kurs vorzeitig ab. 16 Teilnehmer gaben einen ausgefüllten Rückmeldebogen ab - auf sie beziehen sich die folgenden Angaben: Für neun Teilnehmer waren es die ersten Exerzitien, an denen sie teilnahmen. Neun hatten bereits an ‚geschlossenen Exerzitien‘ teilgenommen.

6.4.2 Inhaltliche Auswertung (Fragebogen 4-11) 4. Wie ging es mir in den Gruppen (Großgruppe/Kleingruppe)? Insgesamt wurde sowohl die Erfahrung der Groß-, wie auch der Kleingruppe von den meisten Exerzitanten positiv zurückgemeldet. Drei Stimmen äußern sich kritisch gegenüber dem Austausch in der Großgruppe. Der zunehmend offene Austausch in der Kleingruppe wird von allen als bereichernd, angenehm und stärkend erlebt. 5. Hat mich der Aufbau angesprochen (Ankomm-Meditation, Tagesabschluss, Gruppentreffen)? Alle Rückmeldungen bejahen diese Frage. Die relativ lange Zeit für den Tagesrückblick spielt sich im Laufe der Exerzitien ein, ebenso das langsam und Zeile für Zeile gebetete Vaterunser. 6.

Wie

habe

ich

die

Begleitung

durch

die

Kursleitung

erlebt

(Rückmeldung/Anregung)? Neben den positiven Rückmeldungen wird zwei Mal mehr (theologische) Auslegung gewünscht. Die Offenheit für den je einzelnen Weg der Exerzitanten konnte vermittelt werden. Ein persönliches Begleitgespräch wurde von etwa der Hälfte der Teilnehmer gesucht.

550

Zu diesem Kapitel siehe Anhang 3. 155

7. Zu den Inhalten der Tages-Impulse (Texte / Einheiten / Fragen): 7a) Was war mir neu? Hier wurde v.a. die Beschäftigung mit der Person Teresa von Ávila genannt. Weitere Nennungen: Die langsame Art, das Vaterunser zu beten, die Beziehung zu Gott als Freundschaft zu sehen und die vollkommene Solidarität Jesu mit den Menschen. 7b) Was war mir wichtig? Die Anregungen für die einzelnen Tage wurden hier am meisten genannt, gefolgt von der Zeit in der Stille. Durchgängiges Thema ist die Vertiefung der Gottesbeziehung. 7c) Womit hatte ich Schwierigkeiten? Schwierigkeiten bereiteten v.a. die ungewohnte Sprache Teresas und die eigene Disziplin, die Einheiten durchzuhalten. Weitere Themen beziehen sich auf die Gestaltung der Gebetszeit und die Umsetzung der Erkenntnisse in den Alltag, zweimal wird die Theodizee-Frage thematisiert. 8. Welches Bild habe ich für meine Gottesbeziehung? Hier sind die Rückmeldungen am unterschiedlichsten: 7-mal wird die Beziehung zu Gott als Freund benannt, 3-mal Gott als Vater und/oder Mutter. Weitere Gottesbilder sind durch je ein Wort (Du, Quelle, Schatz, Schöpfer), paradoxe Bilder (der Nahe und der Ferne) oder konkrete Erfahrungen gespeist. 9. Was hat sich bei mir durch die Exerzitien im Alltag 2010 verändert? 5-mal wird hier genannt, dass das Vaterunser bewusster gebetet wird. Weitere Nennungen: Dass es ein gewachsenes Bewusstsein für die Gottesbeziehung gibt, die Bestätigung für den eigenen Weg, die Ermutigung, dass so viele andere einen solchen Weg gehen. Drei Exerzitanten sagen, dass sie keine große Veränderung spüren. 10. Was möchte ich nach den Exerzitien beibehalten? Hier wurde 11-mal ein bewusstes Innehalten angeführt (täglich oder zumindest immer wieder). Hinzu kommt die 4-malige Nennung des Tagesrückblicks. Wichtig bleibt fünf Teilnehmern das langsame Beten des Vaterunsers. 11. Was ich noch sagen möchte: Neben vielfältigem Dank werden Anregungen für weitere Kurse gegeben und Wünsche geäußert (nächster Kurs, Angebot zum Austausch, Diskussion…). Wichtig ist für viele die Gemeinschaftserfahrung (5-malige Nennung). Hinzu kommen das Weitergehen mit Teresa von Avila und der Dank für ein klareres Gottesbild. 156

6.4.3 Bewertung des Kurses Die Exerzitien im Alltag in Emmendingen sind von den Teilnehmern als Bereicherung angenommen worden und haben das Ziel erreicht, dass sich Menschen intensiv mit ihrer Gottesbeziehung auseinandersetzen und für den persönlichen Glaubensweg gestärkt werden. Die Erfahrung der Gruppe hat eine positive Kraft entfaltet, und die Teilnehmer ermutigt, ihr Christsein im Alltag bewusst zu leben und regelmäßig Akzente des Glaubens zu setzen. Die Person Teresa von Ávila hat herausgefordert und Anstöße gegeben, das eigene Gottesbild zu klären oder auch zu weiten.

157

158

7 Konsequenzen für die Begleitung und die Begleitenden 7.1 Das Thema Begleitung im Camino Teresa hat immer wieder darüber geklagt, wie schwer es ist, einen guten Beichtvater zu finden551 und darüber hinaus einen guten Umgang mit ihm. Besonders eindrücklich berichtet sie in der Vida, wie sehr eine Begleitung ohne rechtes Wissen um geistliche Prozesse und ohne entsprechendes Instrumentarium schädlich sein kann.552 In Kapitel 7 und 8 des Camino schreibt sie, dass sich ein Beichtvater mit den verschiedenen Formen des Weges zu Gott und v.a. mit den Fallstricken auf ihm auskennen muss.553 Er muss „zurückhaltend und klug mit der Liebe umgehen“ (CE 7,1), „heiligmäßig und geistlich“ sein (CE 7,2) und braucht große „Sorgfalt und Vorsicht“ (ebd.). Den Schwestern gibt Teresa folgenden Rat: „Wenn ihr beim Beichtvater merkt, daß es bei all seinen Gesprächen darum geht, eurer Seele von Nutzen zu sein, und ihr an ihm keine sonstige Eitelkeit bemerkt oder erkennt (denn das erkennt man gleich, wenn man sich nicht dumm stellen möchte), und ihr erkennt, daß er gottesfürchtig ist, dann quält euch wegen keiner Versuchung, die man da wegen großer Zuneigung haben mag; denn sobald 551

„Einen Lehrmeister, ich meine einen Beichtvater, der mich verstanden hätte, habe ich nämlich trotz meiner Suche in den ganzen zwanzig Jahren danach nicht gefunden“ (V 4,7). 552 In Kapitel V 23, berichtet sie von der Begleitung durch verschiedene Männer, die sie zwar als durchaus geistlich bezeichnet, die aber mit der Situation und ihrer Begleitung überfordert sind (besonders V 23,7f.10.13). In V 23,14 erzählt sie, dass die Männer ihren Weg als vom Bösen halten und ihr zu ihrem großen Glück den Rat geben, sich einem Jesuiten anzuvertrauen, „weil diese Patres in geistlichen Dingen sehr erfahren seien“ (V 23,14). Der Jesuit, dessen Namen sie nicht nennt, erweist sich als Segen, denn er erkennt ihre „Gnaden“ und ermutigt sie, den Weg des Inneren Gebetes weiterzugehen (V 23,16f). 553 Einen Einblick in ihr eigenes Wirken als Geistlicher Begleiterin geben ihre Briefe: „Bei [Schwester] San Jerónimo wird es nötig sein, sie ein paar Tage Fleisch essen zu lassen und ihr das innere Beten zu entziehen, und durch Eure Paternität aufzutragen, nur mit Ihnen zu sprechen oder aber mir zu schreiben. Sie hat nämlich eine blühende Phantasie und glaubt zu sehen und zu hören, was sie meditiert; allerdings mag es mitunter schon mal wahr sein, wie es schon vorkam, denn sie ist eine sehr gute Seele.“ Ct 136,9 vom 23. Oktober 1576 an Jerónimo Gracián. Ein weiteres Beispiel: „Bevor ich es vergesse: Es ist mir nicht recht, dass die Schwestern dort ihre Gebetserfahrungen aufschreiben, denn es gibt da viele Nachteile, die ich gern aufzählen würde. Wissen Sie, allein schon der Zeitverlust und die Blockierung der Seele, ihren Weg in Freiheit zu gehen, wobei sie sich sogar vieles nur einbilden können! Wenn ich daran denke, werde ich es unserem Pater sagen; wenn nicht, dann sagen Sie es ihm. (...) Weil ich um die Nachteile weiß, die es gibt, wenn sie sich zu überlegen beginnen, was sie denn schreiben sollen, und was der Böse ihnen alles vorgaukeln kann, betone ich das so. Wenn es etwas ganz Schwerwiegendes ist, können Euer Ehrwürden es auch ohne ihr Wissen aufschreiben. Wenn ich mir etwas aus den Erfahrungen von San Jerónimo gemacht hätte, wäre sie nie an ein Ende gekommen; aber sogar als mir einige davon verlässlich vorkamen, schwieg ich dazu. Glauben Sie mir, das Beste ist, den Herrn zu loben, der es schenkt; und wenn es vorbei ist, darüber hinwegzugehen, denn die Seele ist es, die den Gewinn verspüren wird.“ Ct 237,3 vom 28. März 1578 an María de San José. E. Peeters fasst zusammen, wie Teresa in der Begleitung vorgeht: „- diätistische Maßnahmen: Fleisch essen, nicht zu viel fasten - verhindern, dass die Person sich mit ihren inneren Erfahrungen wichtig macht bzw. immer mehr hineinsteigert: nicht wichtig nehmen; keine Gelegenheit geben, mit jedermann darüber zu sprechen, sondern nur mit einem/r erfahrenen und klugen Begleiter/in (Teresa selbst und Gracián); auch keine Gelegenheit geben, ihre Erfahrungen aufzuschreiben - Gebetszeit beschränken bzw. (vorübergehend) ganz streichen, statt dessen praktisch beschäftigen - versuchen, ihnen klarzumachen, dass die angeblich mystischen Erfahrungen in der eigenen Psyche begründet sind – oder noch schlimmer: auf einer Täuschung durch den Bösen beruhen.“ Quelle: Brief an M.T. vom 20.10.2010. 159

der Böse müde wird, wird sie euch vergehen. Wenn ihr aber beim Beichtvater erkennt, daß er bei dem, was er euch sagt, auf irgendeine Eitelkeit aus ist, dann haltet alles für verdächtig und führt mit ihm auf keinen Fall Gespräche, auch wenn sie über das innere Beten oder Gott gingen, sondern nur kurz beichten und dann fertig. Am besten wäre es, der Mutter zu sagen, daß es eurer Seele bei ihm nicht gut geht, und ihn zu wechseln (das ist das Gescheiteste, wenn das zu machen ist, und ich hoffe zu Gott, daß es so sein wird), und was möglich ist, daran zu setzen, nicht mehr mit ihm umzugehen, auch wenn man den Tod spüren sollte“ (CE 7,2).

Ein weiteres Problemfeld sieht sie in innerklösterlichen Verquickungen des Begleiters: „Wehe, wenn sich die Priorin mit dem Beichtvater gut steht! Sie wagen es dann nicht mehr, ihm noch etwas über sie oder ihr etwas über ihn zu sagen“ (CE 8,1). Immer wieder mag sie die Studierten aufziehen, die zwar von Theologie Ahnung haben nicht aber von geistlichem Leben, dennoch empfiehlt sie, dass ein Beichtvater studiert haben soll (vgl. CE 8,2f)554, allerdings soll der betende Mensch ebenso mit Leuten des Geistes ins Gespräch kommen (vgl. CE 8,4). Im Idealfall verfügt der Begleiter über beide Gaben.555 Die Vorsicht, die sie beim Blick auf ihren eigenen geistlichen Weg walten lässt, gilt auch in Bezug auf den Beichtvater, der ebenso getäuscht werden kann, sei es durch den Bösen (CE 7,2), sei es durch Unwissenheit (CE 8,3f). Teresa wendet sich gegen jegliche Eitelkeit und fordert innere Unabhängigkeit des Begleiters, sowie einen Abstand zum Alltag im Kloster (vgl. CE 8,6). 556 Wichtig ist, dass er die Schwester versteht (vgl. CE 29,6), damit sie in Selbsterkenntnis und Demut reifen sowie Prestigedenken und falsche Skrupel überwinden kann.557 Der Begleiter hilft, das (geistliche) Leben zu sortieren und zu ordnen (z.B. falsche Motivationen, Einbildungen, Eingebungen des Bösen oder Autosuggestionen aufzudecken).558 Teresa empfiehlt

554

Auch hier klingen Teresas eigene schlechte Erfahrungen an und angesichts von Hl. Schrift und Lehre der Kirche als Kriterien für den geistlichen Weg, wird die Haltung verständlich. In CE 8,2 stellt sie die Frage nach dem Studium sogar über den geistlichen Weg des Begleiters: „Gott befreie sie davon, in allem von dem geleitet zu werden, der nicht studiert ist, so viel Geist er ihrer Meinung nach oder auch tatsächlich hat.“ Kapitel CE 8,3 wird zum Plädoyer für eine solide Ausbildung der Begleiter: „Man müßte meinen, daß das jeder Beichtvater weiß. Doch da täuscht man sich sehr, denn ich habe mit einem gesprochen, der den ganzen Theologiekurs absolviert hatte und mir in manchen Dingen, von denen er mir zu verstehen gab, daß sie nicht schlecht seien, großen Schaden zugefügt hat. Ich weiß, daß er nicht die Absicht hatte, mich zu täuschen (denn dazu hatte er keinen Grund), aber er wußte es nicht besser.“ Ergänzend zum Thema schreibt sie in V 5,3: „Einer mit guten Studien hat mich noch nie in die Irre geführt. Auch die anderen wollten mich gewiß nicht in die Irre führen, aber sie wußten es nicht besser.“ 555 In der Vida schreibt sie: „So ist es wichtig, daß der Lehrmeister gescheit sei – ich meine, mit gutem Urteilsvermögen – und daß er Erfahrung habe. Wenn er dazu noch studiert ist, dann ist das ein glänzendes Geschäft“ (V 13,16). 556 So soll er nicht die Aufgaben eines Oberen haben, sondern nur „um den guten Ruf des Hauses“ besorgt sein (CE 8,6). 557 Vgl. CE 7,2; 15,4; 67,6 und 69,4. In CE 15,4 gibt sie ein Beispiel, wie sich ein Mensch auf dem geistlichen Weg verrennen kann, indem er zunächst die Bußübungen übertreibt und dann aus Enttäuschung über ausbleibende ‚Erfolge‘ alles Mühen in sich zusammenbricht. In CE 15,4-6 schreibt sie über das Kopfweh von Schwestern, die damit andere Schwierigkeiten überdecken. In CE 67,6 zeigt sie in einem Beispiel auf, wie eine falsche Bußhaltung offenbar wird: „Wenn es euch weh tut, sobald euer Beichtvater oder Oberer zu euch sagt, es nicht zu tun, und ihr es doch wieder tut, dann ist die Versuchung offensichtlich.“ 558 Vgl. Kapitel 4 dieser Arbeit. Gebetshaltungen. Teresa als Pädagogin. 160

wiederholt, sich einem Begleiter ganz anzuvertrauen, weil andere Hilfsmittel nur trügerische Sicherheit geben können: „Was nun die Wohlgefühle anbelangt, sobald euch der Herr zur Kontemplation und einer besonderen Teilgabe seiner selbst und von Beweisen seiner Liebe führt, dann achtet darauf, mit der Selbsterkenntnis anzufangen und aufzuhören, und euren Weg voller Furcht zu gehen und alles mit einem zu besprechen, der euch versteht, denn hier pflegt der Böse seine Überfälle auf vielfältige Weise einzufädeln. Es gibt viele Bücher voll solcher Ratschläge, und doch können sie uns allesamt nicht die volle Sicherheit geben, weil wir uns nicht zu durchschauen vermögen“ (CE 68,2).

Die Forderung nach „Unterwerfung unter einen Beichtvater“ (CE 69,4) mag einen kirchenpolitischen Anteil haben, die hohe Wertschätzung und Offenheit ihm gegenüber sind aber mehr der immer tieferen Suche nach Selbsterkenntnis geschuldet, die ein starkes Korrektiv bedarf und mit einer entsprechenden Autorität ausgestattet sein muss. Auch auf die Beziehung zwischen Begleiter und Begleitetem ist zu beachten. In ihrer Vida schreibt Teresa von einem Beichtvater, der sich in sie verliebt, was ihn für die Begleitung unbrauchbar macht.559 Auch umgekehrt kann es zu starker Zuneigung kommen, wie sie im Camino anführt: „Denn wenn Menschen, die inneres Beten halten, ihn [den Beichtvater] als heiligmäßig erleben, und er sie in ihrem Vorgehen versteht, gewinnen sie ihn sehr lieb“ (CE 7,1). Deshalb ist es gut, nicht nur mit dem Beichtvater über den geistlichen Weg sprechen: „Um Gott zu haben, ist es aber eine große Hilfe, mit seinen Freunden zu verkehren“ (CE 11,4 und vgl. CE 8,5). Diese Freunde Gottes verweisen ‚nur‘ auf den Herrn und dennoch ist die Begegnung mit ihnen glückselig zu nennen (vgl. ebd.). Die Freunde Gottes sind Begleiter auf dem eigenen Weg.560

7.2 Konsequenzen für die Begleitung heute Die Erkenntnisse weisen voraus, welche Kompetenzen ein Geistlicher Begleiter heute haben muss.561 Teresa fordert zum einen mit Verweis auf die Studierten theologische Kompetenz und zum anderen eigene Erfahrung mit Gott.562 559

Vgl. V 5,4. „Die Parallelität zwischen wahrer Freundschaft und dem inneren Gebet macht verständlich, warum geistliche Begleitung gerade durch Freundschaft besonders überwältigend und unmittelbar ans Ziel gelangen kann.“ HENSE, Begleitung, 138. Auch hier lohnt sich ein Blick über den Camino hinaus. Teresa war bei der Wahl eines Geistlichen Begleiters sehr vorsichtig und rät dies auch den Schwestern. Eine Vision öffnet ihr allerdings selbst einen neuen Weg: Sie sieht, wie Christus die rechte Hand von P. Gracián in ihre Hand legt und Christus ihr sagt, sie solle nun von ihm ihr Leben lang begleitet werden. Eine solche Freundschaft ist nur durch geistige Gleichgestimmtheit möglich, die durch die enge Verbindung beider zu Jesus Christus zustande kommt. Teresa weiß um die Gefahr einer solch engen Bindung und sagt deshalb: „Nicht alle Nonnen dürfen das.“ (Ct 162. Zitiert nach HENSE, Begleitung, 136). 561 Diese Arbeit kann das Thema geistliche Begleitung nach dem Vorbild von Teresa von Avila nur knapp anreißen. Hilfreich ist für die Vertiefung die Arbeit und der Aufsatz von N. Žuška. 161 560

In seinem Aufsatz zeigt N. Žuška, welche Dimensionen Geistliche Begleitung nach Teresa von Avila heute hat: „Als Frauen und Männer, die Verweise auf das Geheimnis des Lebens sind, brauchen Menschen zu ihrer Menschwerdung Mystagogen und Inspiratoren; als freigelassene Geschöpfe brauchen sie Freisetzer und Mahner; als Mitmenschen – als auf Liebe ausgerichtete Wesen – brauchen sie Stellvertreter und Anwälte; als Zukunftssuchende brauchen sie Wegbegleiter. Die – nicht bloß theoretische – Möglichkeit, auf dem Weg der Menschwerdung zu scheitern, unterstreicht die 563 Bedeutung solcher Frauen und Männer.“

Die eigene Erfahrung des Begleiters mit Gott bildet das Fundament, andere Menschen begleiten zu können. Dazu gehört auch die Erfahrung von Begrenztheit und Scheitern beim Gehen auf Gott zu sowie die Erfahrung, wie eigene Grenzen die Beziehung nicht zerstören können.564 Diese Beziehung zu Gott öffnet den Blick für Gottes Wirken im Andern und die eigenen Erfahrungen ermöglichen Wegbegleitung. 565 Der Begleiter orientiert sich am Wirken Gottes, freut sich am eigenen Weg in Freiheit mit ihm, braucht sich deshalb nicht selbst als Maß zu setzen und damit die begleitete Person an sich zu binden, die ohnehin als ‚Experte‘ für den eigenen Weg mit Gott anzusehen ist. 566 Ziel ist die

einmalige

Gestaltung

des

Lebens

eines

Menschen

mit

Gott

in

der

Unterschiedlichkeit, die jedem Menschen zu eigen ist.567 Dabei solidarisiert sich der Begleiter mit dem Begleiteten, trägt dessen Ringen mit, hilft im Gespräch zur Selbsterkenntnis und Klärung der Beziehung und bestärkt, den Weg weiter zu gehen, auch wenn dieser schmerzhaft ist: „Es geht um Einsehen der Wahrheit über die verwundete – um des Menschen willen gescheiterte – Liebe Gottes, die von uns meistens nicht wahrgenommen und infolgedessen auch nicht beantwortet wird. Es geht um Gottes- und um Selbsterkenntnis, die schmerzt, weil sie die Desillusionierung 568 unseres Selbstbildes mit sich bringt.“

Die Selbsterkenntnis steht am Beginn, wenn sich ein Mensch auf den Weg mit Gott zu begibt. So postuliert Žuška als Bedingung für den geistlichen Begleiter: „Wenn ein Mensch sein ganzes Vertrauen auf den Mensch gewordenen, gescheiterten und auferstandenen Sohn Gottes setzen kann und tatsächlich setzt, dann ist er für mich ein Zeuge und ein vertrauenswürdiger Wegbegleiter auf dem Weg zur Menschwerdung und zur Gottfindung; zur

562

Vgl. EISENSTEIN, Geistliche Begleitung, 385. ŽUŠKA, Mit Teresa von Avila auf dem Weg zur Menschwerdung, 46. Žuška orientiert sich hierbei an K. Kießling. 564 Vgl. DOBHAN, „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen!“, 55-57. 565 Der Begleiter bietet sich aufgrund seiner eigenen Erfahrungen an, ohne diese überzustülpen oder diese für den Begleiteten ebenso zu erwarten. Deshalb ist der Begriff Geistliche Begleitung im Gegensatz zu Geistliche Führung angemessen, weil damit die Selbsterkenntnis verbunden ist, dass die eigene Erfahrung begrenzt und unvollkommen ist. Diese Demut erkennt an, dass es Gott ist, der (beide – Begleiter und Begleiteten) führt. Das Wort Erfahrung spiegelt dies wider. Sie greift auf eigenes Erlebtes zurück, ist aber offen für wieder neue Erfahrungen. Das Wort Wissen als Gegensatz lässt einen solchen Spielraum nicht. 566 Vgl. ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 135. N. Žuška entfaltet dies im weiteren Verlauf des Kapitels. 567 Vgl. ŽUŠKA, Mit Teresa von Avila auf dem Weg zur Menschwerdung, 50f. 568 Ebd., 60f. 563

162

Menschwerdung in der Gottfindung; zur Gottfindung, die an der Menschwerdung eines Menschen nie 569 vorbeigehen kann.“

Daraus ergibt sich für den Begleiter, das Zweiergespräch zwischen Gott und dem Begleiteten zu unterstützen. H.-J. Wagner und K. Kießling bezeichnen es als „ein Mitgehen, ein emotionales Verkünden, nahe zu sein, und ein lebensförderndes Nachdenken“570, das den begleiteten Menschen zum partnerschaftlichen, aufrechten Stehen vor Gott führt, der den Menschen bedingungslos liebt.571 Die Geistliche Begleitung orientiert sich an Gott, der „alle Wege mitgeht, in dessen Augen der Mensch kostbar und wertvoll ist und der bedingungslos annimmt, obwohl er konfrontiert.“572 Diesen Gott selbst erfahren zu haben573 und nun „aufscheinen zu lassen“574 ist Maß und Ziel eines Geistlichen Begleiters.575 In ihrer Untersuchung postulieren H.-J. Wagner und K. Kießling drei Faktoren für eine gelingende Begleitung. Als erstes wird die Vermittlung eines „apriorisch kommunikativaufrichtenden“576 Gottes genannt. Als Zweites kommt es auf die „Kompetenz“ des Begleiters an, damit Begleitung „geistlich wachsend, befreiend und nicht belastend“577 verläuft und als Drittes die Auseinandersetzung mit dem Gottesbezug, die mit Gefühlen „des Freiwerdens und der Erleichterung“578 verbunden ist. In der karmelitischen Tradition gibt es keine vorgegebene Form der Begleitung oder Anleitung zum Gebet. Sie bietet Raum für „große Kreativität, den Mut zu neuen Expeditionen und die feinfühlige Achtsamkeit für individuelle Entwicklungen.“579 Gerade eine so freie Form der Begleitung braucht neben der Sicherheit des Begleiters das

569

Ebd., 62. Dieser Absatz drückt sich im Titel dieser Arbeit aus: Gott als Gott zu erkennen und das eigene Ich auf dem Weg zu sich selbst ermöglichen diese Begegnung in Freundschaft. 570 W AGNER/KIEßLING, Qualitativ-empirischer Zugang zu Geistlicher Begleitung, 87. 571 Vgl. ebd., 88. 572 Ebd., 92. Vgl. auch ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 121. 573 Vgl. W AGNER/KIEßLING, Qualitativ-empirischer Zugang zu Geistlicher Begleitung, 96. 574 Ebd., 92. 575 U.a. stellen sie der befragten Gruppe von Geistlich Begleiteten vier Varianten von Gottesbildern zur Auswahl: „Wege-Gott“: der alle Wege mitgeht; „apriorischer Gott“: Gott in dessen Augen ich kostbar und wertvoll bin; Gott, der mich bedingungslos annimmt, obwohl er auch konfrontiert; „kommunikativaufrichtender Gott“: Gott, der mich stärkt und aufrichtet und mir das Leben in Fülle schenken will; Gott, der mit mir in Kommunikation steht, der mir begegnet und mich berührt; „personaler Gott“: Gott, der für mich ein Freund des Lebens ist.“ Die Autoren kommen zur Bewertung, dass dem Gottesbild „Freund des Lebens“ signifikant mehr von Frauen zugestimmt wird als von Männern. W AGNER/KIEßLING, Quantitativempirischer Zugang zu Geistlicher Begleitung, 117. 576 Ebd., 131. 577 Ebd., 132. „Eine gute Ausbildung schützt den Begleiter zugleich vor einem möglichen Überschreiten seiner Kompetenzen und erleichtert ihm […] den Zugang zu einer interdisziplinären Zusammenarbeit mit Fachleuten aus dem Bereich der Psychologie bzw. Psychiatrie.“ ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 122. 578 W AGNER/KIEßLING, Quantitativ-empirischer Zugang zu Geistlicher Begleitung, 132. 579 HENSE, Begleitung, 145. N. Žuška sieht z.B. Verbindungslinien zum personenzentrierten Ansatz von C. Rogers her und stellt sie anhand der Stichworte Akzeptanz, Empathie und Kongruenz vor. ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 129-135. 163

große Vertrauen, dass Gott selbst Wegbegleiter ist. Ihm kann sich auch anvertrauen, wer bei aller Suche keine geeignete Begleitung findet.580 So hat sich der Geistliche Begleiter an der Beziehung zwischen begleitetem Menschen und Jesus Christus auszurichten581 und steht in der Pflicht, dieser Beziehung zu dienen. Diese „ist Begegnung zweier Personen; es ist Freundschaft, Vertrauen, Offensein, sein zu können, wie man ist, Angenommensein; Beten ist, so gesehen, die einzige Möglichkeit, um ganz Mensch, Person zu werden, ist die einzige vollgültige Antwort auf die Frage nach dem Sinn des Lebens, und zwar eine 582 Antwort, die auch angesichts des Todes, des Leidens und des Kreuzes nichts an Gültigkeit verliert.“

Praktische Umsetzung Aus der theoretischen Grundlegung geht hervor, dass es weder eine allgemeingültige Form der Begleitung noch eine ebensolche Methode gibt, die den Weg zu Gott garantieren können. Der Weg zu und mit Gott ist so individuell, dass er bei jedem Menschen anders aussieht und aussehen muss. Dennoch gibt es Grundlagen, auf die zurückgegriffen werden kann. Die vorgestellte Form der Exerzitien im Alltag sind zum einen eine Gebetsschule, bei der ein Weg vorgestellt, gemeinsam gegangen und begleitet wird. Sie ermutigen, die Begegnung und das Gespräch mit Gott bewusst zu suchen und die Beziehung zu vitalisieren. Eine wichtige Rolle spielt das Gottes- und Menschenbild, das den Einzelnen wertschätzt und zugleich in Verantwortung nimmt. Mit der Pädagogik Teresas ist feiner Humor verbunden, der einer allzu engen Sicht vorbeugt ohne die Ernsthaftigkeit des Weges in Frage zu stellen Der Aufbau der Morgen- und Abendeinheit sind so gewählt, dass sie auch über die Zeit der Exerzitien hinaus ganz oder in Teilen leicht weiterzuführen sind, hier ist besonders das langsam gebetete Vaterunser zu nennen. Mit der Durchführung vor Ort ist sie zudem mit einem geringen Organisationsaufwand für Leitung und Teilnehmer verbunden. Der Austausch in der Gruppe zeigt jedem Teilnehmer, dass es möglich ist, mit anderen über den eigenen Glauben zu sprechen (Experte für ihn zu sein). Die positive Erfahrung der Gruppe wirkt nicht nur während der wöchentlichen Treffen sondern auch beim privaten Gebet. Es baut auf, dass es in der eigenen Gemeinde weitere Menschen gibt, die einen intensiven Weg mit Gott gehen wollen (und auch sie erzählen, dass nicht alles

580

Vgl. J. de Saint Samson nach HENSE, Begleitung, 145. Die Beziehung zwischen einer begleitenden Person und Jesus Christus untersucht N. Žuška in seiner Arbeit. ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 122-126. 582 DOBHAN, „Getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen, 63. 581

164

glatt läuft). Die Situation in der Gruppe stellt zudem eine Beziehung zu den Begleitenden her, so dass der Schritt zum Einzelgespräch erleichtert wird. Für den Begleiter ist es wichtig, dass er zugewandt ist583 und nicht zuletzt zeitlich erreichbar. Hilfreich ist es, wenn er die Menschen, die er begleitet, in sein eigenes Beten mit hinein nimmt. Die Erfahrung von Gruppe und Begleitperson ist auch bei anderen Modellen z.B. Wallfahrten möglich, obgleich eine Gebetsschule wie die Exerzitien im Alltag eine sehr intensive Form darstellt.

583

N. Žuška verweist in diesem Zusammenhang C. Rogers, dessen Erfahrung zeigt, „dass für die Effizienz eines therapeutischen Prozesses nicht die Methoden, nicht die Techniken, nicht die Theorien verschiedener Schulen, sondern die Einstellung des Therapeuten dem Klienten gegenüber entscheidend ist.“ ŽUŠKA, Beziehung, die wirkt, 178. 165

166

Schlusswort Der erste Teil der vorliegenden Arbeit beschäftigt sich mit dem kontemplativen Gebet bei Teresa von Avila. Nach einer zeitgeschichtlichen Einordnung geht es in einem Exkurs um die Frage, ob Teresa mit ihrem Buch „Weg der Vollkommenheit“ nicht die Vorform einer Regel gegeben hat. Noch heute lesen die Novizinnen des von ihr reformierten Karmelzweiges dieses Buch in der Ausbildung. Es folgt eine Übersicht darüber, was unter kontemplativem Gebet zu verstehen ist. Das dritte Kapitel befasst sich mit dem kontemplativen Gebet bei Teresa. Es zeigt sich, dass für diese Gebetsform das Verhältnis von Gott und Mensch eine entscheidende Rolle spielt. Teresas eigenes Gottesbild ist das von Gott als Freund und nicht nur im Camino wird dies immer wieder deutlich. Dieses partnerschaftliche Gottesbild nimmt der Majestät Gottes nichts (den sie auch immer wieder mit diesem Titel anspricht), fördert aber die Auseinandersetzung mit dem eigenen Ich und wie sehr es der Freundschaft gerecht wird. Über die Selbsterkenntnis, wie der Mensch vor Gott steht, und was Gott für die eigene Person bedeutet, kann sich der Mensch Gott gegenüber öffnen und kommt so nicht nur Gott näher, sondern auch dem eigenen Ich und darüber hinaus auch dem Andern. Dazu muss alles falsche Streben überwunden werden, das Teresa v.a. im Prestigedenken sieht. Die Vollkommenheit, die vollständige Vereinigung mit Gott, die Kontemplation, ist allerdings im irdischen Leben nicht erreichbar, wird auf dem Weg jedoch immer mehr ersehnt und zugleich vertrauter, weil Gott schon davon verkosten lässt. Teresa schreibt ihr Buch, um die Schwestern für den Weg des inneren Betens einzustimmen und muss sich zugleich gegen Vorwürfe wehren, sie verlasse den rechten Glauben. In der Auseinandersetzung mit dem mündlich gesprochenen Gebet zeigt sie auf, dass sowohl das mündliche, wie auch das kontemplative Gebet innerlich vollzogen werden müssen. So bieten beide Wege die Möglichkeit zur Gotteinung zu gelangen. Der Camino stellt anhand des Vaterunsers dar, wie auf den Gebetsstufen Gebet der Sammlung, Gebet der Ruhe und Gebet der Gotteinung der Weg der Vollkommenheit hin zur Kontemplation entlangführt. Hierbei zeigt sich Teresa als erfahrene Pädagogin, die weiß, wann sie eine Schwester fordern muss und wann Phasen der Entspannung angebracht sind (Kapitel 4). Durch den eigenen Weg kann sie auf die Erfahrung zurückgreifen, welche Ausflüchte und Störungen auf dem Weg auftreten und wie sie behoben werden können. Großen Wert legt Teresa auf die Entschlossenheit, die quasi Motor auf dem Weg zu Gott ist. 167

Die Auslegung der einzelnen Vaterunser-Bitten verwendet Teresa, um die drei Gebetsstufen vorzustellen (Kapitel 5). Dabei zeigt sich, dass die dritte Gebetsstufe der Gotteinung von ihr nicht mit gleicher Konsequenz bearbeitet wird, wie die ersten beiden. Dies lässt den Schluss zu, dass sie diese Stufe bereits dem menschlichen Zugriff entzogen sieht. Besondere Schwerpunkte legt sie bei der Auslegung auf die Anrede Vater und die Frage nach dem Willen. Der Weg der Vollkommenheit, wie ihn Teresa versteht, ist der Weg des Menschen mit Gott und auf ihn zu. Er ist mit der Absicht verbunden, diesem Gott, der Grundlage und Ziel des Lebens ist, immer näher zu kommen, bis er schließlich zur vollkommenen Einung führt. Der Weg dorthin kann als Einübung verstanden werden, immer mehr im Bewusstsein der Gegenwart Gottes zu leben. Das Bild vom Palast aus Edelsteinen und dem Thron Gottes im Innern des Menschen zeigt Teresas positives Menschenbild und welche Würde dem Menschen zukommt. Zugleich ist dieses Bild mit der Verantwortung verbunden, Gott und dem Gebet entsprechende Aufmerksamkeit zu widmen. Diese Aufgabe ist jedoch nicht zermürbend oder niederdrückend, sondern baut auf und führt zur Freiheit des Menschen in der Freundschaft mit Gott. Der zweite Teil der Arbeit befasst sich in Kapitel 6 mit der Umsetzung der Erkenntnisse in den Exerzitien im Alltag, die von mir im Frühjahr 2010 in Emmendingen konzipiert und angeboten wurden. Wichtige Elemente sind die Meditationszeiten mit Texten Teresas, der Tagesrückblick sowie die wöchentlichen Gruppentreffen. Ziel ist es, das Gespräch zwischen dem Exerzitanten und Gott zu fördern. Die empfohlene Einzelbegleitung wird von einem großen Teil der Teilnehmenden angenommen und positiv bewertet. Drei im Vergleich begutachtete Modelle von Exerzitien im Alltag nach Teresa von Avila lassen die Frage nach der Begleitung weitgehend aus. Für Teresa von Avila, die lange nach einem geeigneten Begleiter suchen musste, ist eine gute Begleitung jedoch ein wichtiger Faktor für den kontemplativen Weg, wie in Kapitel 7 der Arbeit gezeigt wird. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Begleitung stimmt darin überein, dass eine gute Begleitung auf zwei Säulen ruht: Eigene Erfahrung auf dem Weg mit Gott und die Kompetenz einen Prozess begleiten zu können. Dabei spielt das Gottesbild, das der Begleiter selbst hat und vermitteln möchte, eine wichtige Rolle. Ein aufrichtend-annehmender Gott wird vom begleiteten Menschen als heilsam und befreiend erfahren. Eine solche Erfahrung zu ermöglichen sollte Grundanliegen pastoraler Arbeit sein und dafür bieten Exerzitien im Alltag eine gute Gelegenheit.

168

Die Vaterunser-Auslegung Teresas beschäftigt sich zwar mit dem Gottesbild des Vaters und in der Konsequenz mit Jesus, dem Sohn Gottes, als Bruder, das grundgelegte Gottesbild bleibt aber der Gott als Freund, wie er bereits in der Vida aufgezeigt wird. Dies erklärt auch, warum Teresa das Vaterunser und die Anrede Vater für Gott außerhalb des Camino kaum mehr aufgreift. Dennoch ist ihre Auslegung mehr als nur eine Einführung ins innere Beten über die Methode eines vorformulierten und mündlich gesprochenen Gebetes. Sie zeigt die enge Beziehung zwischen Gott und dem Menschen und die Verwiesenheit des Menschen auf Gott hin, um zu seinem wahren Menschsein zu gelangen. Vor diesem Hintergrund wäre es interessant zu untersuchen, wie sich die Begleitung bei Johannes vom Kreuz darstellt, der mit Teresa in engem Austausch stand, und wo eine gegenseitige Beeinflussung erfolgt ist. Auch die Weiterführung der Gedanken durch Teresa v.a. in den Wohnungen der inneren Burg und die konkrete Umsetzung in der Begleitung, wie sie v.a. in den Briefen nachvollziehbar wird, lohnen einer eingehenden Betrachtung, denn nur einige wenige Querverbindungen v.a. zur Vida konnten hier gezogen werden. Allerdings ist es gerechtfertigt, sich auf den Camino zu begrenzen, und reizvoll, den Weg der Vollkommenheit anhand dieses Werkes nachzuzeichnen. Am Ende der Arbeit möchte ich noch einmal auf ihren Titel verweisen: „Weil du du bist und ich ich bin.“ Der Begriff von Freundschaft des Michel de Montaigne schimmerte immer wieder unmerklich in dieser Arbeit durch und hat in Bezug auf diese Arbeit eine doppelte Ausrichtung: Zuerst geht es um die Beziehung zwischen Gott und dem Menschen. Im Satzteil: „Weil ich ich bin“ erkennt der Mensch sich selbst. Er bekennt die eigenen Schwächen, aber auch die Suche und Sehnsucht, die ihn antreiben, nach der Wahrheit zu streben, ebenso sieht er seine eigenen Gaben und Talente, seine Berufung. Solche Selbstakzeptanz überwindet ein Um-sich-selbst-Kreisen und macht offen für das Gegenüber in Gott. Der Mensch kann zu Gott sagen: „Weil du du bist.“ Damit respektiert er Gottes Unbegreiflichkeit und spricht ihn gleichwohl mit dem Beziehungswort ‚Du‘ an. Der Mensch erkennt, dass er auf Gott ausgerichtet und diese Beziehung für ihn wichtig ist. Die Beziehung kann wachsen ohne zu vereinnahmen, sie behält ihre Spannung in Erwartung der Vollkommenheit. Desweiteren gilt der Satz auch für die Geistliche Begleitung. Der Begleiter hebt mit diesem Satz die Unterschiedlichkeit zwischen sich und der begleiteten Person nicht auf. 169

Er sieht, dass beide auf dem Weg zu Gott sind, und akzeptiert, dass ihre Wege unterschiedlich sind. Daraus folgt ein Begleitverhältnis, das von Offenheit und Unterstützung bei der Suche geprägt ist und zugleich Abhängigkeit oder Projektionen vermeidet.

Und so ergibt sich ein Bild für die Gottesbeziehung und die Begleitung: Als Freund Jesu seine Freunde auf ihrem Weg unterstützen. „An die Arbeit, also!“ (CE 26,5).

170

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178

STOLINA, Ralf, Das Geheimnis Gottes und die Würde des Menschen. In: M. PLATTIG, R. STOLINA (Hg.), Das Geheimnis Gottes und die Würde des Menschen. Spiritualität zu Beginn des dritten Jahrtausends. Ostfildern 2008, 10-37. SUDBRACK, Josef, Kontemplation – Andacht zur Wirklichkeit. Zu einer aktuellen Thematik. In: GuL 73 (2000), 431-441. SUDBRACK, Josef, Meditation. III. Spirituell. In: LThK3, Freiburg, Basel, Wien, durchgesehene Ausgabe der 3. Auflage 1993-2001, Bd. 7, 2006, 48-51. SUDBRACK,

Josef,

Teresa

von

Avila:

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In:

Zeugen

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Gotteserfahrung. Herausgegeben von J. Sudbrack SJ. Mainz 1981, 132-152. TERTULLIAN, Private und katechetische Schriften. Aus dem Lateinischen übersetzt von Dr. K. A. H. KELLNER. (Bibliothek der Kirchenväter, 1. Reihe, Band 7). München 1912. THEOBALD, Michael, Freundschaft. I. Griechisch-hellenistisch u. im Neuen Testament. In: LThK3, Freiburg, Basel, Wien, durchgesehene Ausgabe der 3. Auflage 1993-2001, Bd. 4, 2006, Sp. 132-133. THOMAS

VON

AQUIN, Compendium Theologiae. Grundriß der Glaubenslehre. deutsch-

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Meditation/Kontemplation.

In:

Neues

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theologischer

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ZELL, Rosmarie, Durch Liebe zur Identität bei Teresa von Avila. Rom 1983. ŽUŠKA, Norbert Jaroslav, Beziehung, die wirkt. Geistliche Begleitung im Dialog mit Carl. R. Rogers und Teresa von Avila. (Pastoralpsychologie und Spiritualität, Bd. 13). Frankfurt am Main 2009. ŽUŠKA, Norbert Jaroslav, Mit Teresa von Avila auf dem Weg zur Menschwerdung. Inspiration für eine Konzeption Geistlicher Begleitung. In: K. KIEßLING (Hg.), Geistliche Begleitung. Beiträge aus Pastoralpsychologie und Spiritualität. Göttingen 2010, 46-62.

Ich versichere, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig erarbeitet und die verwendeten Hilfsmittel angegeben habe.

Michael Teipel Freiburg/Baden-Baden, 18.11.2010

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M. Teipel: Weil du du bist und ich ich bin. Das Vaterunser als kontemplatives Gebet bei Teresa von Ávila

Anhang Anhang 1

Exerzitien im Alltag 2010: Einführung beim ersten Gruppentreffen

Anhang 2

Exerzitien im Alltag 2010: Einheiten zu den einzelnen Tagen (Extra-PDF, bitte beim Autor anfragen unter: [email protected])

Anhang 3

Exerzitien im Alltag 2010: Fragebogen zu den Exerzitien im Alltag 2010. Auswertung

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Exerzitien im Alltag 2010, Einführung beim ersten Gruppentreffen Zu Beginn der Exerzitien im Alltag möchte ich Ihnen Teresa von Ávila vorstellen, deren Texte dir Grundlage für die Tagesimpulse bilden. Ihr Lebensweg ist eng mit ihrem Glaubensweg verknüpft, so dass ich die Einführung ins Gebet mit ihr anhand einiger biografischer Stationen verbinde. Teresa von Ávila wurde am 28. März 1515 in Ávila geboren (der Tag fällt dieses Jahr auf den Palmsonntag – wenige Tage nach unserem Kursabschluss). Das Herrscherhaus der Habsburger war damals die bedeutendste Weltmacht, sie regierten das heilige römische Reich deutscher Nation, die Niederlande und Spanien. Beim Fall von Granada 1492 wurden die Moslems in Spanien besiegt und schließlich verbannt. Auch die jüdische Gemeinde wurde vor die Wahl gestellt: Entweder Taufe oder Aussiedlung – der Vater Teresas war Jude und entschloss sich für die Taufe. Mit der Entdeckung Amerikas durch Christopher Kolumbus 1492, also im gleichen Jahr wie der Fall Granadas, entwickelten sich die Kolonien Spaniens so stark, dass es von Kaiser Karl V. hieß, dass in seinem Reich die Sonne nicht untergehe. In diese Zeit fällt auch die Auseinandersetzung mit Martin Luther, die zu starken Verwerfungen und schließlich zur Kirchenspaltung führte. In dieser Auseinandersetzung war die Inquisition in Spanien sehr misstrauisch, da sie alle häretischen – also nicht dem Glauben der Kirche entsprechenden Lehren – unterbinden wollte. Eine der beargwöhnten Richtungen war in Spanien die der Alumbrados oder Illuminati, also „Erleuchtete“. Bei ihnen geht es um die Vereinung der Seele mit Gott. Frauen standen im Ruf, besonders anfällig für diese häretische Bewegung zu sein. Deshalb gab es Bestrebungen in den Reihen der Kirchenleitung, dass Frauen, um nicht auf Abwege zu geraten, möglichst nur noch das Vaterunser und den Rosenkranz beten sollen. Inneres Beten war höchst verdächtig. Da die Reformation in Deutschland eng mit der Übersetzung der Bibel und theologischer Texte in Deutsche verbunden war, wurden Schriften in der Muttersprache in Spanien nach und nach verboten – übrigens auch die Bibel durfte auf Spanisch nicht gelesen werden. Dieser Hintergrund ist wichtig, weil er manche Äußerung Teresas inhaltlich erklärt. Teresa wuchs, trotz ihrer jüdischen Wurzeln, ganz als Christin auf und wollte als Sechsjährige mit ihrem Lieblingsbruder ins Land der Mauren ziehen, um für Jesus zu sterben. Als sie 13 Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter. Nach eineinhalb Jahren im Augustinerkloster zur Ausbildung, muss sie das Kloster aus gesundheitlichen Gründen wieder verlassen. Mit 21 Jahren tritt Teresa in das Karmelkloster in Ávila ein – zunächst gegen das Wissen ihres Vaters, der aber schnell in 182

die Entscheidung einwilligt. Doch schon bald wird Teresa krank, wohl falsche Behandlung ruiniert ihre Gesundheit – innerlich wird sie immer verzweifelter. Ein Franziskanerpater führt sie behutsam zum inneren Gebet. Ein großer Segen für sie, dessen Frucht immer mehr aufgehen soll. Ein Anfang ist gemacht. Nach fast 20 Jahren im Kloster spürt sie, dass etwas Neues gewachsen ist, dass es für sie in der bisherigen Form nicht mehr weitergehen kann und so gründet sie einen neuen Karmel in Avila, die unbeschuhten Karmelitinnen, für Frauen, die ebenfalls den Weg des inneren Gebets gehen wollen. Der Weg des inneren Betens ist ein Weg der Beziehung. Die Beziehung zu Gott steht im Mittelpunkt, nur was die Bindung an Gott stärkt, bleibt übrig, alles, was diese Bindung hemmt, soll hinter sich gelassen, abgebrochen werden. So erklärt sich von selbst, dass Beten ohne inneren Mitvollzug für sie unmöglich ist. Ein bloßes Dahersagen von Texten, Ritualgebeten, dazu gehören auch Bußübungen, besonders mit damals üblichen Übertreibungen, hindert, kann sogar schädlich sein. Nur um die Beziehung, die Freundschaft zu Gott geht es. Ich betone dies deshalb so sehr, weil es auch für den Aufbau der Exerzitien der entscheidende Punkt ist. Die Exerzitien im Alltag haben einzig und allein das Ziel, für Gott offen werden, dass die Beziehung zwischen Ihnen und Gott gestärkt wird. Es kommt also darauf an, ein Gespür zu entwickeln, auf welche Weise das Wachstum gefördert werden kann. Da dies bei jedem Menschen ganz unterschiedlich ist, gibt Teresa auch keine konkreten Übungen mit. Ab und zu empfiehlt sie etwas, aber entscheidend ist, immer mehr eine entschlossene Haltung einzuüben. Die Zusammenfassung für Teresas Bild von Gebet ist: „Verweilen bei einem Freund.“ Stellen Sie sich dies ganz bildlich vor: -

Ich darf bei einem Freund verweilen;

-

bei jemandem, mit dem ich schon viel erlebt habe der mich kennt;

-

bei dem ich nicht viel erklären muss;

-

bei dem ich mich wohlfühle – dessen Nähe ich suche, wenn es mir nicht gut geht oder auch, mit dem ich mich freue;

-

jemand, den ich auch bei einem Fest dabei haben möchte;

-

jemand, bei dem ich mich anlehnen, umarmen kann;

-

jemand, der mich versteht.

Die hört sich erstmal leichter an, als es ist – oder vielleicht auch schwieriger, als man es sich machen sollte.

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Teresa ist da sehr erfrischend. Sie scheint einfach in die Hände zu klatschen und zu sagen: „An die Arbeit!“ oder anders: Fang einfach an. Gott kommt dir dann schon entgegen. Die Texte der einzelnen Tage sollen zur Begegnung und Auseinandersetzung helfen. Wenn Ihnen ein Text nicht zusagt, sie ihn nicht verstehen oder ein anderes Thema für sie dran ist, lassen Sie die Texte weg. Nehmen Sie nur, was Ihnen für das Wachstum Ihrer Beziehung zu Gott nützt.

Folgende Dinge können Ihnen helfen: -

Nehmen Sie sich feste Zeiten vor, jeden Tag fest oder machen Sie sich einen Tagesplan.

-

Versuchen Sie, die Zeit fest einzuhalten. Wenn Sie eine viertel Stunde planen, sind es 15 Minuten und nicht 10 oder 20. Wenn Sie merken, dass es länger geht, verändern Sie es am nächsten Tag. Es kann auch sein, dass es nicht so lange geht, dann verkürzen Sie die Zeit am nächsten Tag. Es geht hier nicht um richtig oder falsch. Es geht nicht um Leistung!

-

Die Entschiedenheit, von der Teresa immer wieder spricht, bezieht sich auf den Willen, den Weg zu gehen, ihn mit Gott zu gehen und alles wegzulassen, was auf dem Weg hemmt.

-

Entschiedenheit meint nicht, etwas zu erzwingen. Druck hemmt die Entwicklung, Sie müssen nichts erreichen! Sie beginnen einen Weg, der auch nach den vier Wochen nicht zu Ende sein wird, wie auch heute nicht sein Anfang ist.

-

Deshalb spricht Teresa immer wieder von Sanftheit. Das meint, dass Gott der eigentlich Führende ist. Ihm vertraue ich mich an. Er ist Grund und Ziel; er ist die Quelle, der Herr. Ihm als König meines Lebens möchte ich einen Thron in meinem Innern bereiten.

-

Versuchen Sie, im Kontakt mit Gott zu bleiben. Wenn Sie abschweifen und es merken, ärgern Sie sich nicht lange herum, sondern beginnen Sie einfach von Neuem. Verlängern Sie die Gebetszeit nicht, um die Dauer der abgeschweiften Zeit. Sonst beginnen Sie nur noch, auf die Uhr zu schauen.

-

Überlegen Sie vorher, wie Sie mit Störungen umgehen. Welche Störung ignoriere ich (Telefon), welche darf mich stören (das Haus brennt ab).

-

Wenn Sie merken, dass Sie gar nicht zur Ruhe kommen, lesen Sie etwas in der Bibel. Die Bibelstellen zu den Tageseinheiten sind i.d.R. sehr kurz. Lesen Sie nicht mehr als diese Verse. Die Texte sollen Sie anregen, in die Beziehung zu

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Gott hineinzukommen. Bücher können den Weg hemmen, wenn sie gegen Langeweile gelesen werden, wenn sie zur Beziehung anregen, sind sie OK. -

Teresa berichtet, dass sie Visionen hat, aber sie sieht sie nicht als entscheidend an, sie können sogar verwirren und somit gefährlich sein! Entscheidend sind nicht Visionen sondern die Früchte des Gebets. Erwarten Sie keine Visionen oder wünschen sich welche, denn darum geht es nicht.

-

Der Weg der Exerzitien geht auch über eine tiefere Selbsterkenntnis, dies kann schmerzhaft sein, aber es gehört zum Exerzitienprozess dazu.

-

Teresa spricht davon, dass sie lange keinen geeigneten Beichtvater finden konnte. Nutzen sie das Angebot der Begleitung als Hilfe und Beistand. Die Begleitung hilft Dinge zu sortieren, gibt Bestätigung oder kann helfen einen neuen Blick auf das Erlebte zu werfen. Dies kann etwas Aktuelles sein oder etwas, was schon lange Zeit zurückliegt.

-

Wenn Sie überhaupt nicht zur Ruhe kommen bzw. Sie etwas stark beunruhigt, bitte ich Sie, sich zu melden. Der Weg des inneren Gebetes birgt auch Gefahren, die so überwunden werden können.

-

Sie erhalten für jede Woche sechs Einheiten, das heißt, an einem Tag können sie eine Einheit vertiefen oder wiederholen. Es hat sich auch gezeigt, dass es mal einen Tag gibt, an dem es nicht möglich ist, sich die Zeit zur Meditation zu nehmen. Wie gesagt, es geht nicht darum, etwas zu erledigen, sondern um in der Beziehung zu Gott zu wachsen.

-

Überlegen Sie sich, wie Sie den Exerzitienprozess unterstützen können: Genügend Schlaf und Bewegung ist wichtig. Vielleicht besuchen Sie bewusst einen Gottesdienst. Überlegen Sie auch, was in dieser Zeit entfallen kann, weil es weg führt (Fernseher, Alkohol, Radio, …).

Und nun: Machen Sie eine Erfahrung mit Gott und aus dieser Erfahrung werden weitere wachsen und so wächst die Beziehung immer mehr. Freuen Sie sich auf die Freundschaft mit Gott.

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Fragebogen zu den Exerzitien im Alltag 2010 – Auswertung – Sehr ähnliche oder synonyme Angaben werden zusammengefasst Sortierung nach Anzahl der Nennungen, dann thematisch 1. Geschlecht:

männlich 3 (von 5)

2. Alter:

bis 39 Jahre 40-49 Jahre 50-59 Jahre 60-69 Jahre über 70 Jahre

2 3 6 6 3

weiblich 13 (von 17)

3. Teilnahme an Exerzitien im Alltag 9 1 5 9

erstmalig es waren meine zweiten Exerzitien im Alltag ich habe schon mehrfach an Exerzitien im Alltag teilgenommen Ich habe schon an ‚geschlossenen‘ Exerzitien teilgenommen (also mehrere Tage am Stück)

4. Wie ging es mir mit der Gruppe: Großgruppe (GG) / Kleingruppe (KG) -

10x: fühlte mich in KG und GG sehr wohl, offen anregend; fühlte mich ernst- und angenommen 10x: KG guter Austausch; vertrauensvolle Atmosphäre, achtsam und aufmerksam im Miteinander; berührende Momente erfahren, durch die Offenheit der Teilnehmenden 3x: GG etwas befremdend; wäre nicht nötig gewesen; zahm Neugier über den Ablauf, etwas zurückhaltend; angenehm überrascht über den entstandenen Dialog Zuerst war ich zurückhaltend, dann merkte ich, dass andere Gruppenmitglieder oft bei denselben Textstellen Schwierigkeiten hatten. das wirkte auf mich befreiend Ich brauchte etwas Zeit, um abzuschalten

5. Hat mich der Gruppentreffen)? -

Aufbau

angesprochen

(Ankomm-Meditation,

Tagesabschluss,

15x: ja, sehr bereichernd; genau die richtige Dauer 3x: Meditation war wichtig, Ruhe und Entspannung, konnte mich auf das Zwiegespräch mit Gott einlassen Gut, dass sich die Elemente wiederholten. Eine schöne und intensive Erfahrung war der Kreis mit „Tragen und Getragenwerden“. Es floss wie Strom durch die Hände. Die Stille hat eine besondere Kraft und Wirkung (Zufriedenheit) 2x: Beim Tagesabschluss die Gefahr, sich in Einzelheiten zu verlieren, abzugleiten „wegzudriften“, war für mich schwieriger; die Abschlussmeditation war mir persönlich zu lang

6. Wie habe ich die Begleitung durch die Kursleitung erlebt (Rückmeldung / Anregung) -

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13x: sehr angenehm, positiv, wichtig engagiert, kompetent, glaubwürdig, gut brüderlich, aufmerksam, grundsätzlich positiv und akzeptierend; Angebote, aber nichts aufgedrängt 3x: Hätte mir bei manchen Einheiten noch intensivere Auslegung erhofft Begleitung war gut, besonders das Angebot zu persönlichen Gesprächen fand ich gut (wenn ich es auch nicht genutzt habe). Auch die inhaltlichen Impulse zu den Texten waren sehr gut

-

Ohne die theologische Begleitung durch die Kursleitung je nach Frage-Stellung wären wir öfters mitten auf dem Weg stehen geblieben. Durch die Begleitung solcher Persönlichkeiten wurden die Exerzitien erst zu dem guten Glaubenswerkstück (Salz im Brot)

7. Zu den Inhalten der Tages-Impulse (Texte / Einheiten / Fragen): 7a) Was war mir neu? -

7x: Die Impulse zum Gebet von Teresa, die Heilige selbst 2x: Verflechtung von Vaterunser (Meditation) und anderen Impulsen Mit Gott ins Gespräch zu kommen. Die persönliche Gottesbeziehung zu suchen, Gott als Freund zu sehen Ein Kosewort für den Herrn Es war, als ich hätte ich das 1000x gebetete Vaterunser erstmals gebetet. Für mich ergreifend neu: unser tägliches Brot … uns heute, vergib uns unsere Schuld. das heißt die totale Solidarisierung Jesu mit uns Menschen, mit mir

7b) Was war mir wichtig? -

6x: Ich fand die „Anregungen“ hilfreich und die gleichbleibende Form 5x: Die Zeit in der Stille Mehr als konkrete Inhalt der Texte war die Einübung in die Haltung Teresas zum Gebet, die in den Texten durchschien Intensiver das Vaterunser für mich entdecken Gebet = Gott Zeit schenken = Verweilen bei einem Freund; dass ich meine Gedanken mit Gott ins Gespräch bringe, dass das ‚täglich‘ als „Aufforderung“ aufgeführt war Die Gedanken an Gott zu vertiefen Von Theresa Glaubens-Tiefgang erfahren Das Angebot der Bibelstellen, wenn mich der Text mal nicht so angesprochen hat Zusammenfassung der jeweiligen Einheiten

7c) Womit hatte ich Schwierigkeiten? -

9x: Texte waren (teilweise) nicht leicht verständlich 4x: Disziplin für die Einheiten 2x: Zusammenhang zwischen Thematik und Texten war nicht immer ganz klar Anfangs die Frage: Wo bin ich heute Gott begegnet. Doch dann wurde mir bewusst, dass es nicht nur große Gotteserfahrungen sein müssen – dass man Gott auch in kleinen Dingen finden kann und auch ihn in mir selber suchen darf Wogegen regt sich in mir Widerstand?: Bei der Aufforderung Teresas, man solle sich vorab genau überlegen, wie man in rechter Weise bittet, ohne ihm auf die Nerven zu gehen (Ich gehe Gott gern auf die Nerven) Manche Texte waren zu diesem Zeitpunkt nicht so spannend. Habe mich dann lieber mit vorangegangenen Impulsen beschäftigt Die Gedanken in Worte umzusetzen Vergeben Feedback in der GG Mit der Not in der Welt und die Zulassung Gottes durch die vielen Erdbeben

8. Welches Bild habe ich für meine Gottesbeziehung -

7 Freund 3x. Gott ist für mich Vater und Mutter; Gott der Milch zum Säugen gibt; Vater mit seinem Kind 2x: Gott ist immer da. Ich kann jederzeit einen Gedanken an Gott haben, ihm meine Freuden und Sorgen anvertrauen;… nur meine Gedanken sind meist woanders mehr Bezug zu Jesus 187

-

-

Du Gott ist für mich eine Quelle Schatz Der gütige dreifaltige Gott leitet die Geschicke der Welt und des Weltalls. Die Erde ist trotz Wissenschaft und Technik nicht vollkommen. Das Böse an sich und im Menschen verursacht Leid. Ich glaube, auch nicht getaufte Menschen können das Heil erlangen Gott ist für mich der Geheimnisvolle, Unbegreifliche und doch der Nahe, aber auch der Ferne. Er ist der Schöpfer und der ganz Andere. Er ist für mich Halt und Freund in allen Lebenslagen und die Sehnsucht, auf ihn zuzugehen Wenn man von den vielen verschiedenen Gotteswegen einen für sich aufspürt und ihm langsam und beharrlich und in dankbarer Weise zu folgen, sich bemüht im Nächsten viel Gutes zu sehen. Das Angebot ihm näher zu kommen in Gebet, Psalmen, Lieder, verschiedene Berührungspunkte zu ihm sind immer da. Wenn ich durch einen Menschen Hilfsbereitschaft Toleranz, Freundlichkeit erfahre, kann man Gott spüren, das ist ein Stück Himmel Ich habe kein festes Bild. Es ist eher so, dass ich versuche, konkrete Erfahrungen in seine Richtung zu „verlängern“. Ich finde z.B. einen konkreten Menschen wunderbar, erlebe Musik, die mich tief berührt, schaue den Sternenhimmel an, staune über die Gesetzmäßigkeiten des Universums, empfinde die Weite der Landschaft und denke dann gelegentlich: „So und noch ein bisschen größer(da er es erschaffen hat) muss Gott sein. und irgendwie ist er auch in diesem allen, es ist, als sei er in alles verwoben

9. Was hat sich bei mir durch die Exerzitien im Alltag 2010 verändert? -

5 Ich bete das Vaterunser bewusster und langsamer 3 Große Veränderungen spüre ich nicht 2 Achtsamkeit im Alltag für Gottes Anwesenheit, Ruhe gefunden Gott kann es sich leisten, leise zu sein. Gottesbegegnung wird durch Hören in der Stille ermöglicht Ich fühle mich in meinem Weg bestärk und bestätigt; das Übrige wird sich noch zeigen Gestärkt im Glauben, der Hoffnung, der Liebe Ich erlebe die hl. Kommunion intensiver Ich darf mir Gott als Freund vorstellen Ich spüre meine körperliche Mitte wieder besser Ich erlebte die Wochen der österlichen Bußzeit intensiver, in anderen Jahren hatte ich manchmal zu wenig daraus gemacht und war unzufrieden Ermutigend, wie viel Menschen in der Seelsorgeeinheit einen geistlichen Weg gehen (wollen) Zugang zu Teresa von Ávila gefunden

10. Was möchte ich nach den Exerzitien beibehalten? -

11x: Einmal am Tag / immer wieder innehalten, da sein vor Gott 5x: Tägliches langsames Beten des Vaterunsers 4x:Tagesrückblick In der Bibel lesen

11. Was ich noch sagen möchte: 188

11x: Dank für die Exerzitien 5x: Tut gut, Teil einer größeren Gemeinschaft zu sein, die eine solche Tiefe sucht 3x: sehr intensiv Fastenzeit / die Kartage und Ostern; freue mich auf die nächsten Exerzitien 2x: Mir wurde ein neues Gottesbild erschlossen, (das mir in meiner schmerzlichen Situation geholfen hat es waren lehrreiche Erfahrungen Es waren fruchtbare Wochen, in denen die Prioritäten in meinem Leben bestätigt und z.T. wieder an die richtige Stelle gerückt wurden

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„solo Dios basta“ bleibt in meinem Kopf solange ich lebe. Möge mir Gott noch ein paar Jahre schenken. Als Jüngling habe ich an Exerzitien nach Ignatius teilgenommen. Mit den damals erworbenen Prinzipien, der katholischen Lehren, bin ich im Umfeld oft angeeckt. Die Exerzitien im Alltag haben meinen Glauben gestärkt Wünsche mir Angebote, die auch jüngere Personen, die mitten im Leben stehen und ihre Lebenssituation zu Gott / Glaube und Kirche auf neue zeitgemäße Art ansprechen. Z.B Diskussionen zum Glaubensleben in der heutigen Zeit, Trauerbewältigung, Vorträge und Diskussionen zu anderen Mystikern Die Zeit in den Kleingruppen war zu kurz

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