Was tun, wenn der Nachbar baut? Baugenehmigungsverfahren

Was tun, wenn der Nachbar baut? Baugenehmigungsverfahren Rechtsanwalt Peter Sennekamp Fachanwalt für Verwaltungsrecht Abgrenzung zwischen öffentli...
35 downloads 2 Views 2MB Size
Was tun, wenn der Nachbar baut? Baugenehmigungsverfahren

Rechtsanwalt Peter Sennekamp Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Baurecht Öffentliches Baurecht

Privates Baurecht

Zulässigkeit und Grenzen der Nutzung von Grund und Boden durch bauliche Anlagen im Hinblick auf deren Errichtung, Veränderung und Beseitigung

Regelt die Rechtsbeziehungen zwischen privaten Baubeteiligten sowie die Rechtsbeziehungen unmittelbar zwischen Nachbarn

Verhältnis: Staat/Gemeinde ↔ Bürger Adressaten: Primär der Staat/die Gemeinden

Verhältnis: Bürger ↔ Bürger Adressaten: Die Nachbarn selbst

Abgrenzung zwischen öffentlichem und privatem Baurecht Öffentliches Baurecht

Privates Baurecht

Zulässigkeit und Grenzen der Nutzung von Grund und Boden durch bauliche Anlagen im Hinblick auf deren Errichtung, Veränderung und Beseitigung

Regelt die Rechtsbeziehungen zwischen privaten Baubeteiligten sowie die Rechtsbeziehungen unmittelbar zwischen Nachbarn

Verhältnis: Staat/Gemeinde ↔ Bürger Adressaten: Primär der Staat/die Gemeinden

Verhältnis: Bürger ↔ Bürger Adressaten: Die Nachbarn selbst

Abgrenzung zwischen Öffentlichem und privaten Nachbarrecht

Abgrenzung zwischen Bauplanungs- und Bauordnungsrecht Bauplanungsrecht Gegenstand: Das Einfügen von Bauvorhaben in die Umgebung, insb. BauGB und Nebengesetze → Konkretisierung der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 1 S. 2 GG) – Einschränkung der Baufreiheit zum Wohl der Allgemeinheit

Bauordnungsrecht Gegenstand: Die Anforderungen an Bauwerke in gestalterischer und baukonstruktiver Hinsicht sowie das Genehmigungsverfahren, insb. LBO und Nebengesetze → Gefahrenabwehr

Genehmigungsverfahren im Baurecht „Die Baugenehmigung ist zu erteilen, wenn dem genehmigungspflichtigen Vorhaben keine von der Baurechtsbehörde zu prüfenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften entgegenstehen. Soweit nicht § 52 Anwendung findet, sind alle öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu prüfen, die Anforderungen an das Bauvorhaben enthalten und über deren Einhaltung nicht eine andere Behörde in einem gesonderten Verfahren durch Verwaltungsakt entscheidet.“

Verfahrensfreie Vorhaben § 50 LBO

Baurechtsbehörde Kenntnisgabe

KenntnisgabeVerfahren § 51 LBO

Antrag

Baugenehmigung

BaugenehmigungsVerfahren § 49 LBO

Genehmigungsfreie Vorhaben

Kenntnisgabeverfahren

Baugenehmigungsverfahren

- Die Errichtung der Anlagen und Einrichtungen, die im Anhang aufgeführt sind, ist verfahrensfrei.

-

Die Errichtung und der Abbruch baulicher Anlagen sowie der in § 50 aufgeführten anderen Anlagen und Einrichtungen bedürfen der Baugenehmigung, soweit in §§ 50, 51, 69 oder 70 nichts anderes bestimmt ist.

- Die Nutzungsänderung ist verfahrensfrei, wenn 1. für die neue Nutzung keine anderen oder weitergehenden Anforderungen gelten als für die bisherige Nutzung oder 2. durch die neue Nutzung zusätzlicher Wohnraum in Wohngebäuden nach Gebäudeklasse 1 bis 3 im Innenbereich geschaffen wird. - Der Abbruch ist verfahrensfrei bei 1. Anlagen nach Absatz 1, 2. freistehenden Gebäuden der Gebäudekl. 1 und 3 3. sonstigen Anlagen, die keine Gebäude sind, mit einer Höhe bis zu 10 m. - Instandhaltungsarbeiten sind verfahrensfrei.

z.B. Gartenhäuschen, Räume ohne Aufenthaltsräume bis 40 m³, kleine Garagen, Fahnenmasten best. Größe etc.

Das Kenntnisgabeverfahren kann durchgeführt werden bei der Errichtung von

1. Wohngebäuden, 2. sonstigen Gebäuden der Gebäudeklassen 1 bis 3, ausgenommen Gaststätten, 3. sonstigen baulichen Anlagen, die keine Gebäude sind, 4. Nebengebäuden und Nebenanlagen zu Bauvorhaben nach den Nummern 1 bis 3, soweit die Vorhaben nicht bereits nach § 50 verfahrensfrei sind und die Voraussetzungen des Absatzes 2 vorliegen. -

Die Vorhaben nach Absatz 1 müssen liegen

1. innerhalb des Geltungsbereichs eines Bebauungsplans im Sinne des § 30 Abs. 1 BauGB, der nach dem 29. Juni 1961 rechtsverbindlich geworden ist, oder im Geltungsbereich eines Bebauungsplans im Sinne der §§ 12, 30 Abs. 2 BauGB und 2. außerhalb des Geltungsbereichs einer Veränderungssperre im Sinne des § 14 BauGB. Sie dürfen den Festsetzungen des Bebauungsplans nicht widersprechen. > Baubeginn nach 2 Wochen bzw. 1 Monat Vorteil: Schneller als Baugenehmigungsverfahren Nachteil: Keine Präklusion der Nachbarn, kein Bestandsschutz

Der Nachbar im baurechtlichen Verfahren BauRechtsbehörde

Bauherr

Nachbar

Achtung: Bei genehmigungsfreien Vorhaben keine Nachbarbeteiligung, hier ggf. Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten

Der Begriff des Nachbarn Das strittige Grundstück

Nachbar

Angrenzer (Nachbar)

Angrenzer (Nachbar)

Nachbar

Ferner nur dinglich Berechtigte, beispielsweise etwa: - Eigentümer - Erbbauberechtigter - Nießbraucher

- Mieter/Pächter - Inhaber einer Grunddienstbarkeit - Hypothekengläubiger

Ausnahme bei Mietern/Pächtern: Schutz anderer Rechtsgüter als des Eigentums

Die Rechte des Nachbarn § 55 Landesbauordnung Baden-Württemberg: (1) Die Gemeinde benachrichtigt die Eigentümer angrenzender Grundstücke (Angrenzer) innerhalb von fünf Arbeitstagen ab dem Eingang der vollständigen Bauvorlagen von dem Bauvorhaben. Die Benachrichtigung ist nicht erforderlich bei Angrenzern, die 1. eine schriftliche Zustimmungserklärung abgegeben oder die Bauvorlagen unterschrieben haben oder 2. durch das Vorhaben offensichtlich nicht berührt werden. Die Gemeinde kann auch sonstige Eigentümer benachbarter Grundstücke (sonstige Nachbarn), deren öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange berührt sein können, innerhalb der Frist des Satzes 1 benachrichtigen. Bei Eigentümergemeinschaften nach dem Wohnungseigentumsgesetz genügt die Benachrichtigung des Verwalters. (2) Einwendungen sind innerhalb von vier Wochen nach Zustellung der Benachrichtigung bei der Gemeinde schriftlich oder zur Niederschrift vorzubringen. Die vom Bauantrag durch Zustellung benachrichtigten Angrenzer und sonstigen Nachbarn werden mit allen Einwendungen ausgeschlossen, die im Rahmen der Beteiligung nicht fristgemäß geltend gemacht worden sind und sich auf von der Baurechtsbehörde zu prüfende öffentlich-rechtliche Vorschriften beziehen (materielle Präklusion). Auf diese Rechtsfolge ist in der Benachrichtigung hinzuweisen. Die Gemeinde leitet die bei ihr eingegangenen Einwendungen zusammen mit ihrer Stellungnahme innerhalb der Frist des § 54 Abs. 3 an die Baurechtsbehörde weiter. (3) Bei Vorhaben im Kenntnisgabeverfahren gilt Absatz 1 entsprechend. Bedenken können innerhalb von zwei Wochen nach Zugang der Benachrichtigung bei der Gemeinde vorgebracht werden. Die Gemeinde hat sie unverzüglich an die Baurechtsbehörde weiterzuleiten. Für die Behandlung der Bedenken gilt § 47 Abs. 1. Die Angrenzer und sonstigen Nachbarn werden über das Ergebnis unterrichtet.

Die Rechte des Nachbarn Geltend gemacht werden können nur subjektiv-öffentliche Rechte. > Widerspruch und Anfechtungsklage haben keinen Erfolg, wenn die Baugenehmigung zwar rechtswidrig erteilt wurde, nachbarschützende Vorschriften aber nicht verletzt sind.

Subjektiv-öffentliche Rechte müssen: -

(zumindest auch) dem Interesse des Einzelnen zu dienen bestimmt sein (Schutznormtheorie) ihm die Rechtsmacht verleihen, vom Staat zur Verfolgung dieser Interessen ein bestimmtes Verhalten verlangen zu können

Subjektiv-öffentliche Rechte sind z.B.: - Der Schutz der Gesundheit und des Lebens - Abstandsflächen

- Denkmalschutz - Verunstaltungsverbot

Die Rechte des Nachbarn Ferner müssen die geltend gemachten subjektiv öffentlichen Rechte im Bezug auf den Nachbarn drittschützend sein. Primär ist das Verhältnis bei Errichtung/Abriss/Nutzung eines Bauwerks zwischen dem Bauherrn und den Behörden ausgestaltet. Der Nachbar muss also zum geschützten Personenkreis gehören. Bsp.: VGH Kassel BauR 1990,709: Die Genehmigung einer Tennishalle auf einer im Bebauungsplan ausgewiesenen Grünfläche ist zwar rechtswidrig, verletzt aber den Nachbarn nicht in seinen Rechten, da die Festsetzung einer Grünfläche ausschließlich öffentlichen Belangen dient. OVG Münster NVwZ-RR 1999,366: Die Erweiterung eines Stadions ohne zusätzliche Schaffung von Stellplätzen Verstößt zwar gegen § 37 LBO, so dass die erteilte Baugenehmigung rechtswidrig ist. Der Nachbar kann hiergegen aber nicht mit Erfolg vorgehen, da die Vorschriften über notwendige Stellplätze nicht dem Nachbar dient.

Die Rechte des Nachbarn im Bauordnungsrecht Nachbarschützende Normen

Nicht nachbarschützende Normen

§ 3 Abs. 1 LBO – bei elementaren, durch Grundrechte geschützten Lebenspositionen

§ 4 Abs. 1 und 2 LBO -

§ 4 Abs. 3 LBO – Schutz von Waldeigentümern bzgl. des Abstandes von Feuerstätten zu Wäldern

§ 9 Abs. 2 LBO – ggf. zwingende Errichtung eines Spielplatzes

§§ 5, 6 LBO – Abstandstiefen

§ 11 LBO – Gestaltung des Bauwerks

§ 10 LBO - Veränderung der Höhenlage des Grundstücks (nur) aus Gründen der Sicherheit

§ 17 ff. LBO – Anforderungen an Bauprodukte

Die Rechte des Nachbarn im Bauordnungsrecht Bsp. Abstandsflächenrecht und Nachbarschutz

Die Rechte des Nachbarn im Bauordnungsrecht Nachbarschützende Normen

Nicht nachbarschützende Normen

§ 13 LBO – Standsicherheit

§ 33 Abs. 1 S. 1 LBO – Abwasserbeseitigung

§ 15 LBO – Brandschutz

§ 34 LBO – Anforderungen an Aufenthaltsräume

§ 27 Abs. 4 und 6 LBO – Anforderungen an Brandwände und Bedachungen bzgl. des Brandschutzes

§ 36 LBO – Anzahl und Lüftung von Toilettenräumen bzgl. eventueller Geruchsbelästigungen

Die Rechte des Nachbarn im Bauordnungsrecht Nachbarschützende Normen § 33 Abs. 2 LBO – Anforderungen an Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen bzgl. eventueller Belästigungen

§ 47 Abs. 1 LBO – Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über Einschreiten der Baurechtsbehörde bei Verstoß gegen nachbarschützende Normen

Nicht nachbarschützende Normen § 37 LBO – Anzahl bereitzustellender Fahrrad- und KfzStellplätze § 38 f. LBO – Anforderungen an Sonderbauten und barrierefreie Anlagen

§ 40 LBO – Anforderungen an Gemeinschaftsanlagen

Die Rechte des Nachbarn im Bauordnungsrecht Nachbarschützende Normen

Nicht nachbarschützende Normen

§ 48 Abs. 1 und 2 LBO: sachliche Zuständigkeit der Baurechtsbehörden

§ 49 ff. LBO: grundsätzlich Vorschriften über das baurechtliche Verfahren

§ 55 Abs. 1 LBO: Durchführung einer Angrenzerbenachrichtigung

§ 58 LBO: Erteilung einer Baugenehmigung (Ausnahme: fehlende hinreichende Bestimmtheit)

§66, 67 LBO: Bauüberwachung und Bauabnahme, sofern den Nachbar betreffende Gefahren von der baulichen Anlage ausgehen

§ 71 Abs. 1 LBO: Übernahme von Baulasten (durch einen anderen Nachbarn)

Die Rechte des Nachbarn im Bauplanungsrecht Nachbarschützende Normen § 15 BauNVO: Nachbarschützend im Bezug auf die allgemeinen Voraussetzungen über die Zulässigkeit baulicher Anlagen, wenn auf schutzwürdige Interessen Dritter Rücksicht zu nehmen ist

Bspw. rücksichtslos, neben einem lauten Schreinereibetrieb ein Studentenwohnheim zu errichten oder eine Schweinemastanstalt neben einem Wohngebiet, wenn der Landwirt auch die Möglichkeit hat, ohne weiteres einen anderen Standort zu wählen.

Nicht nachbarschützende Normen § 30 BauGB: Zulässigkeit von Vorhaben im Bereich eines Bebauungsplans – jedoch können einzelne Festsetzungen nachbarschützenden Charakter haben (Grundsätzlich: Art der baulichen Nutzung ist nachbarschützend, Maß der baulichen Nutzung sowie Erschließungserfordernis nicht)

Die Rechte des Nachbarn im Bauplanungsrecht Nachbarschützende Normen § 30 BauGB: Gebietserhaltung Art der baulichen Nutzung § 31 BauGB : „Nachbarliche Belange“

§ 34 I BauGB „Einfügen“

Nicht nachbarschützende Normen § 36 BauGB: Fehlende Mitwirkung der Gemeinde bei der Entscheidung über die Zulässigkeit von Bauvorhaben

Bsp. Gebietserhaltungsanspruch, § 30 I BauGB Nur hinsichtlich „Art der baulichen Nutzung“ §4 Allgemeine Wohngebiete (1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen. (2) Zulässig sind 1. Wohngebäude, 2. die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe, 3. Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke. (3) Ausnahmsweise können zugelassen werden 1. Betriebe des Beherbergungsgewerbes, 2. sonstige nicht störende Gewerbebetriebe, 3. Anlagen für Verwaltungen, 4. Gartenbaubetriebe, 5. Tankstellen.

Bsp. „Einfügen“ gem. § 34 I BauGB

Die Vorgehensweise des klagenden Nachbarn Erhebung der Einwendungen

Falls Einwendungen nicht berücksichtigt werden

Einlegung des Widerspruchs

Falls dem Widerspruch nicht stattgegeben wird Ausnahme: Schwarzbau, genehmigungsfreies Vorhaben oder Vorhaben im Kenntnisgabeverfahren > hier dann ggf. Verpflichtungsklage auf bauordnungsrechtliches Einschreiten nach Durchführung Widerspruchsverfahren

Klageerhebung

Vorläufiger Rechtsschutz Rechtsbehelfe gegen die Baugenehmigung haben keine aufschiebende Wirkung (§ 212a Abs. 1 BauGB) → Trotz Widerspruch/Klage kann der Bauherr (vorerst) bauen Was kann der Nachbar unternehmen? Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Baugenehmigung bei der Genehmigungs- oder Widerspruchsbehörde sowie beim Gericht → Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Nachbarrechtsbehelfs

Vorläufiger Rechtsschutz Unter welchen Voraussetzungen kann er dies unternehmen? Wenn das Interesse an der Aussetzung der Baugenehmigung das Interesse an der Vollziehung überwiegt

Einflussfaktoren: Erfolgsaussichten des Begehrens des Nachbarn

Folgen einer Errichtung vor Eintritt der Rechtskraft der Baugenehmigung Insbesondere die „Schaffung von Tatsachen“

Wann sich ein Anwalt lohnt Stadium 1

Einwendungen

• Materielle Präklusion • Einschätzung von Erfolgsaussichten

Stadium 2

Widerspruchsverfahren

• Ein gut begründeter Widerspruch verhindert ein Gerichtsverfahren • Ein ausbleibendes Gerichtsverfahren spart Kosten

Stadium 3

Gerichtsverfahren

• Ein Anwalt steigert die Erfolgsaussichten • Ein Anwalt berät auch über eine mögliche Eilbedürftigkeit