Was kommt nach der Rekordernte 2014?

Kernobst 359 Was kommt nach der Rekordernte 2014? Maike Steffens Gedanken und Überlegungen zu Baumschnitt und Wuchsregulierung Maike Steffens Obstb...
Author: Sara Esser
2 downloads 1 Views 915KB Size
Kernobst 359

Was kommt nach der Rekordernte 2014?

Maike Steffens

Gedanken und Überlegungen zu Baumschnitt und Wuchsregulierung Maike Steffens Obstbauversuchsring des Alten Landes Angesichts der diesjährigen vermutlichen Rekordernte stellen sich alle Beteiligten die Frage wie gut sowohl die Quantität als auch die Qualität der Blütenknospen für das kommende Jahr sein können (Abb. 1). Im Folgenden werden Überlegungen dargestellt, wie aus der Sicht der Beratung in den kommenden Monaten bezüglich Baumschnitt und Wuchsregulierung vorgegangen werden sollte. Blickt man zurück, muss festgehalten werden, dass die beiden Jahre 2013 und 2014 vom Fruchtansatz nicht unterschiedlicher hätten sein können. 2013 konnte klar erkannt werden, dass zum einen die Lage und die damit verbundene Frühzeitigkeit unter den gegebenen schlechten Befruchtungsbedingungen einen entscheidenden Einfluss auf den Ertrag hatte. Auf der anderen Seite konnte aber auch ein Zusammenhang zwischen der Wuchsberuhigung und einem positiven Ertragsverhalten von Apfelanlagen hergestellt werden. Diese Beobachtung hatte zur Folge, dass im Winter 2013/2014 verstärkt Wurzelschnitt in Verbindung mit Langholzschnitt in den Betrieben durchgeführt wurde, um so nachhaltig das vegetative Wachstum zu bremsen und den Fruchtansatz zu verbessern.

Abb. 1: Wie viel Blüteninduktion findet bei einem derartig hohen Fruchtansatz statt? 'Elstar PCP' 6. Laub. (Fotos: Maike Steffens)

tern, konnte die Erkenntnis gewonnen werden, dass an der Schnittstelle des Wurzelmessers innerhalb eines Jahres nur sehr wenig neue Wurzelmasse entsteht (Abb. 2). Zwei Jahre nach dem Wurzelschnitt hatte sich an den Schnittstellen jedoch bereits wieder nennenswert Wurzelmasse gebildet. Für die Praxis bedeutet dies, dass der Wurzelschnitt wechselseitig durchge-

führt werden muss, damit eine Wuchsreaktion erwartet werden kann. Wird in zwei aufeinanderfolgenden Wintern die gleiche Seite geschnitten, ist kein zusätzlicher wuchsmindernder Effekt zu erwarten, da keine zusätzliche Wurzelmasse durch das Messer gekappt wird. Bei den modernen und von uns empfohlenen schrägen Wurzelmes-

Maßgeblich reduziert wird das Baumwachstum durch den Einsatz von schrägen Wurzelmessern. Diese erfassen die tieferen, kräftigeren Wurzeln, die für das massive Wachstum der Bäume verantwortlich sind. Die für die Baumversorgung notwendigen Feinwurzeln im Oberboden werden bei dieser Form von Wurzelschnitt weniger betroffen. Grundsätzlich sollte immer nur einseitig geschnitten werden. Bei der Freilegung von M9 Wurzelkörpern aus einer 20 jährigen 'Elstar'-Anlage im Januar 2014 mit wechselseitigem Wurzelschnitt in den zurückliegenden Win-

Mitt. OVR 69 ·11/2014

(Foto: A. Hahn)

Grundsätzliches zum Wurzelschnitt

Abb. 3: Mittels Abstandhalter (hier Typ Hollander) kann die Abb. 2: Reaktion der Wurzel nach Wurzelschnitt in zwei gewünschte Distanz zum Baum aufeinander folgenden Wintern. besser eingehalten werden.

360 Kernobst sern wird bei einem Abstand von 4050 cm zum Baum ca. 30% der gesamten Wurzelmasse entfernt. Um den gewählten Abstand zum Baum einheitlich beizubehalten, hat sich in der Praxis ein Abstandhalter bewährt (Abb. 3). Einhergehend mit einem Wurzelschnitt ist immer die mögliche Reduzierung der Fruchtgröße von 1-3 mm zu berücksichtigen. Vor allem in trockenen Phasen sollte die Möglichkeit bestehen, zusätzlich beregnen zu können. Die Zunahme von Berostung ist vor allem dann nach einem Wurzelschnitt erhöht, wenn zur Blüte und in den darauf folgenden Wochen Ostwindwetterlagen vorherrschen. Beobachtungen in der Praxis lassen ebenso den Schluss zu, dass ein Wurzelschnitt, der direkt vor Knospenaufbruch durchgeführt wird, einen negativen Einfluss auf die Berostungsempfindlichkeit darstellt. Abb. 4 zeigt die schematische Darstellung von Trieb- und Wurzelwachstum bei Apfel im Jahresverlauf. Nach dem Blattfall kommt die Wurzelaktivität fast vollständig zum Erliegen und steigt zum Knospenaufbruch wieder stetig an. Es ist also denkbar, dass ein Wurzelschnitt bei steigender Wurzelaktivität einen größeren Einfluss mit negativen Folgen hat, wie ein vergleichbarer Wurzelschnitt während des Winters, also in der Ruhezeit der Wurzel. Beobachtungen der letzten Jahre haben ebenfalls gezeigt, dass ein Wurzelschnitt im Frühjahr eine stärkere Wuchsminderung hervorruft, als ein vergleichbarer Wurzelschnitt im Winter. Auch in diesem Fall scheint die zunehmende Wurzelaktivität zu Beginn der Vegetationsphase einen Einfluss

ͲͲͲ Triebwachstum ´

Ernte

Blüte

Jan Febr

Mär

Apr

Wurzelwachstum

Mai

Jun

Jul

Aug

Sep

Blattfall

Okt

Nov

Dez

Abb. 4: Schematische Darstellung von Trieb- und Wurzelwachstum bei Apfel während eines Jahres (Quelle: Dierend, W. 2003).

zu haben. In den zurückliegenden Wintern konnten nach früh durchgeführten Wurzelschnittmaßnahmen (Dezember/Januar) keine negativen Auswirkungen nach anschließend eintretenden massiven Frösten festgestellt werden.

körper über den Wurzelschnitt reduziert, werden die Assimilate in den verbleibenden Teil der Wurzel eingelagert und die Wuchsreduktion durch den Wurzelschnitt könnte im Folgejahr weniger stark als geplant ausfallen (Abb. 6).

Zeitpunkt des Wurzelschnittes

Notwendigkeit des Wurzelschnittes

Eine gute Befahrbarkeit des Bodens vorausgesetzt, sollte mit dem Wurzelschnitt erst nach Ende des Blattfalls begonnen werden, weil erst dann eine Reduktion der aus den Blättern in die Wurzeln eingeverlagerten Assimilate gewährleistet ist (Abb. 5). Das Entfernen von eingelagerten Assimilaten führt im Folgejahr dann zur gewünschten Wuchsreduktion. Wird bereits vor Ende Blattfall der Wurzel-

In den vergangenen Jahren hat sich der Wurzelschnitt auf den intensiven Kernobstbetrieben zur Standardkulturmaßnahme etabliert. Es gilt nicht mehr nur in Ausnahmefällen bei extrem wüchsigen Anlagen das vegetative Wachstum durch Wurzelschnitt zu bremsen, sondern vielmehr wird Jahr für Jahr die Entscheidung für oder gegen einen erneuten Wurzelschnitt getroffen. Dabei dient der diesjährige Zu-

A

Abb. 5: Wurzelschnitt nach 100% Blattfall mit daraus resultierendem reduziertem Triebwachstum im Folgejahr.

Abb. 6: Wurzelschnitt vor 100% Blattfall führt möglicherweise zu 100% Assimilateinlagerung in verbleibenden Wurzelkörper.

Mitt. OVR 69 · 11/2014

Kernobst 361

Tab. 1: Entscheidungshilfe für oder gegen Wurzelschnitt. ØLänge des Neutriebes

Mit Regalis

Ohne Regalis

Über 30 cm 10- 30 cm Unter 10 cm Einseitiger schräger Wurzelschnitt sinnvoll

Einseitiger schräger Wurzelschnitt sinnvoll bei geringem Blütenknospenbesatz

Kein Wurzelschnitt erforderlich

wachs als Entscheidungshilfe (Tab. 1). Aus diesem Grund ist es sinnvoll, den Wurzelschnitt vor dem Baumschnitt durchzuführen, wenn der einjährige Zuwachs noch erkennbar ist. Teilflächenbehandlungen können dann viel besser umgesetzt werden. Bei durchschnittlich > 30 cm Neutrieb pro Seitenast bzw. Wasserschoss sollte ein einseitiger, schräger Wurzelschnitt durchgeführt werden. Zum einen stellt sich in solchen Anlagen die Frage, wie gut der Knospenansatz in solch wüchsigen Anlagen ist, auf der anderen Seite muss befürchtet werden, dass ein massives vegetatives Wachstum zu einem schlechten Fruchtansatz im Folgejahr führen kann. Bei 10-30 cm Neutrieb pro Seitenast muss bedacht werden, ob zusätzlich der Wachstumsregulator Regalis eingesetzt wurde. Durch Regalis wurde zwar der einjährige Zuwachs reduziert, das Wurzelwachstum wird allerdings durch den Wachstumsregulator nicht beeinträchtigt und muss im gleichen Maße über den Wurzelschnitt verringert werden, damit das vegetative Wachstum des Baumes nachhaltig ruhig bleibt. Häufig fällt der Sommerschnitt bei Anlagen in der Praxis, in denen die Wachstumsregulierung gut funktioniert viel geringer aus, als in Anlagen ohne Abb. 7, 8.

Abb. 7: 'Elstar Elshof' gepflanzt 1989, durch wiederholten Wurzelschnitt und Einsatz von Regalis Aufbau einer kompakten, lichten Krone mit sehr gutem Ertragspotential und Fruchtqualitäten in den letzten 5 Jahren.

Ruhige Bäume sind die Grundvoraussetzung für regelmäßige und hohe Erträge Optimales Pflanzmaterial vorausgesetzt, ist die Erziehung der Apfelanlagen an hohen Gerüstsystemen in den letzten Jahren populär geworden (Abb. 9). Ohne Anschnitt durch die Mitte laufen lassen, mit der Möglichkeit die Mittelachse mehrfach an-

Mitt. OVR 69 ·11/2014

Abb. 8: Alte 'Elstar'-Anlage, ohne regulierenden Eingriff in das Wachstum mit höherem Sommerschnittaufwand, geringerem Ertrag und geringeren Fruchtqualitäten.

362 Kernobst

Abb. 9: Dunkelrote 'Elstar' mit schlanker Baumform an hohem Gerüstsystem.

zubinden, sodass sie nicht umkippen kann, sind die Bedingungen für einen ruhigen Baum, der dann in allen Bereichen der Krone gleichmäßig wächst. Dieses gleichmäßige Wachstum auf einem moderaten Maße beizubehalten ist die Kunst, die es zu beherrschen gilt (Abb. 10). Durchschnittlich 10 bis max. 30 cm lang sollte der jährliche Neutrieb sein, um eine terminale Blütenknospe zu bilden. Neben dem bereits angesprochenen Wurzelschnitt dient auch der Baumschnitt der Wuchsberuhigung. Wie im vergangenen Winter, sollte der Schnitt auch in diesem Jahr nach dem Grundsatz erfolgen: weniger ist mehr! Im Umkehrschluss heißt das: nicht schnippeln, sondern konsequent schneiden! Gerade nach der diesjährigen Rekordernte sollten ganz bewusst nur wenige, dafür aber gezielte Eingriffe in die Krone erfolgen. Feines Holz, v. a. die Terminalen sollten geschont werden. Es sollten nur überbauende, schwere Äste aus dem Kopfbereich direkt an der Mittelachse über schräg geschnittene Zapfen entfernt werden. Je länger der Zapfen gelassen wird, desto waagerechter der Austrieb, da der Zapfen in diesem Fall als Formierungshilfe dient (Abb. 11). Auf diese Weise findet ein kontinuierlicher Fruchtholzwechsel statt. Ein weiterer Vorteil: auch für ungelernte Arbeitskräfte ist diese

Form von Schnitt einfach zu erlernen und kostet relativ wenig Schnittstunden pro Hektar.

Jeder Seitenast muss in der Sonne baden können! Gerade am Standort Niederelbe müssen alle Maßnahmen, die zur Baumberuhigung dienen, ergriffen werden, um die im langjährigen Mittel um 25% geringere Sonnenstundenanzahl im Vergleich zu südlicheren Anbauregionen

auszugleichen. In den vergangenen Jahren konnte zunehmend beobachtet werden, dass die Erträge bei OstWest-Pflanzungen auf der sonnenabgewandten Seite häufig deutlich geringer ausfielen, als auf der sonnenzugewandten Seite. Dieses Erscheinungsbild lässt bei einigen Betriebsleitern die Überlegung reifen, bei der Notwendigkeit einer Ausdünnung nur die sonnenzugewandte Seite auszudünnen, und die sonnenabgewandte Seite zu schonen. Letztendlich gibt es für das ungleiche Ertragsverhalten bislang keine andere Erklärung, als eine zu geringe Lichtdurchlässigkeit in den Anlagen, die es aus diesem Grund zu verbessern gilt. Abb. 12 zeigt eine 'Elstar Red Flame' Anlage ebenfalls Ost-Westausgerichtet, die durch den richtigen Baumschnitt, kombiniert mit Wurzelschnitt und Regaliseinsatz, eine sehr schlanke Baumform aufweist. Der Fruchtansatz ist auf der Schatten- und Sonnenseite der Bäume nahezu identisch. Nur in lichtdurchfluteten Baumkronen können quantitativ und qualitativ gute Blütenknospen entstehen, und gute Fruchtqualitäten heranreifen. Letztendlich muss das Baumwachstum und damit der Kronenaufbau so gesteuert werden, dass jeder Seitenast ein Maximum an Sonnenlicht erhält, oder anders gesagt: jeder Seitenast muss in der Sonne baden können!

Abb. 10: 'Junami' 4. Laub, schlanke Baumform mit lichtdurchfluteter Krone Wuchsberuhigung.

Mitt. OVR 69 · 11/2014

Kernobst 363 ist bedingt durch den im vergangenen Winter massiv durchgeführten Wurzelschnitt, häufig in Verbindung mit dem Einsatz von Regalis und den extrem hohen Fruchtansatz kein übermäßiges vegetatives Wachstum entstanden. Bei einem geringen Blütenknospenbesatz könnte es im nächsten Jahr jedoch zu einem stärkeren Wachstum kommen, welches dann wiederum den Fruchtansatz negativ beeinflussen könnte. In Anlagen in denen nur der Wachstumsregulator Regalis eingesetzt wurde, steht dem reduzierten Wachstum in der Krone ein normales Wurzelwachstum gegenüber, welches im kommenden Jahr durch stärkeres vegetatives Wachstum den Fruchtansatz verringern könnte.

Abb. 11: Waagerechter Austrieb bei langem Zapfenschnitt.

Literatur

Deutlicher Vorteil 2014: Deutlich mehr Sonnenstunden während der Vegetationsperiode!

DIEREND, W. (2003). Schematische Darstellung von Trieb- und Wurzelwachstum bei Apfel während eines Jahres, mündliche Mitteilung. HILBERS, J. (2006). Zur Intensität des Wurzelschnittes. Mitteilungen des Obstbauversuchsringes des Alten Landes: 61: 126-131. STEFFENS, M. (2013). Der perfekte Baumdie entscheidenden Kulturmaßnahmen im modernen Apfelanbau, Mitteilungen des Obstbauversuchsringes des Alten Landes 68: 106-110. STEFFENS, M. (2013). Beobachtungen zu Unterschieden im Fruchtansatzverhalten 2013 bei Äpfeln, Mitteilungen des Obstbauversuchsringes des Alten Landes 68: 388-391.

In der abgelaufenen Vegetationsphase konnte der Standort Niederelbe von April bis einschließlich September 153 Stunden mehr Sonnenschein verbuchen, als im Mittel der Jahre. Dies könnte für das kommende Jahr von entscheidender Bedeutung sein. Sowohl die Blüteninduktionsphase von Mai bis Juni, als auch die Blütendifferenzierungsphase von Juni bis August konnte ein Plus an Sonnenstunden verzeichnen. Auch an dieser Stelle sei noch einmal betont, nur wo Sonnenlicht hinkommen kann, ist auch Blüteninduktion möglich!

Zusätzlich kann positiv vermerkt werden, dass die Sorte 'Elstar' zwei Wochen früher geerntet wurde als im langjährigen Mittel, und somit während der Schönwetterphase im September noch ausgiebig assimilieren konnte.

Fazit Was sollte in den kommenden Monaten aus Sicht der OVR Beratung getan werden? • Verhaltener, aber konsequenter Baumschnitt. • Einseitiger, schräger Wurzelschnitt je nach Wuchsintensität der Anlage. Hierbei ist folgende Überlegung mit einzubeziehen: In der diesjährigen Vegetationsperiode

Abb. 12: 'Elstar Red Flame' in Ost-West-Ausrichtung. Durch Wurzelschnitt und Regalis sehr guter Lichteinfall und damit verbunden ein relativ einheitlicher Behang auf beiden Seiten des Baumes

Mitt. OVR 69 ·11/2014