Was das Meer zu leisten vermag

2 > Vi el e Ökosys t em l ei st ungen, di e das Meer br i ngt , s i nd heut e d u rch Üb e rn u tzu n g , Um- w el t ver s chm ut zung und Tr ei ...
Author: Günther Kraus
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> Vi el e Ökosys t em l ei st ungen, di e das Meer br i ngt , s i nd heut e d u rch Üb e rn u tzu n g , Um-

w el t ver s chm ut zung und Tr ei bhaus gas e bedr oht . Wi e st ar k di e ei nzel nen Lebe n srä u me g e sch ä d i g t u n d di e Ökosys t em l ei st ungen beei nt r ächt i gt s i nd, i s t aber vi el f ach ni cht bekannt . Fo rsch e r v e rsu ch e n d a h e r,

Was das Meer zu leisten vermag

den Zus t and der m ar i nen Ökosys t em e genau zu bes t i m m en. Ei ne sol che Anal ys e i st w i ch ti g , u m k o n k re te Schut zm aßnahm en zu pl anen s ow i e Gr enz- und Zi el w er t e zu def i ni er en.

38

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

39

Da s Gute i m Me e r

> Wi r Me n s ch e n l e b e n s e i t E w i g k e i t e n m i t u n d v o n d e n Me e r e n . S ie s t ellen

Na hr ung, Bode nsc hä t z e , Tr a nsp o r t w e g e u n d a n d e r e D i e n s t l e i s t u n g e n f ü r u n s b e r e i t . Vo n f u n d am en ta l e r Be de ut ung si nd di e k l i m a r e g u l i e r e n d e Wi r k u n g d e r O ze a n e u n d d i e i m Me e r a b l a u f e n d en b io c he m i sc he n Pr oz e sse . M a nc he d i e s e r D i e n s t l e i s t u n g e n s i n d h e u t e b e d r o h t , w e s h a l b e s a n d er Z eit is t ,

2.2 > Der Tiefwasser-

Konz e pt e f ür e i ne na c hha l t i ge r e N u t zu n g d e r Me e r e zu e n t w i ck e l n .

liegeplatz der chinesischen Firma CIMC Raffles in der Provinz Schandong. An dieser Anlegestelle können

Vom be dr ohl i c he n z um be dr oht e n O ze a n

bis zu 9 Bohrinseln

an Land verändern werden. Die durch den Menschen ver-

zugleich festmachen.

ursachten – anthropogenen – Veränderungen im Meer, in

Das zeigt, welche

Jahrtausendelang erschien den Menschen das Meer un-

der Atmosphäre und auch an Land sind so tief greifend,

endlich weit. Die Bewohner der Küsten, die Fischer und

dass Wissenschaftler um den Meteorologen Paul Crutzen

rung von Erdgas und

Seefahrer empfanden das Meer als übermächtig und so-

im Jahr 2000 vorschlugen, den Zeitabschnitt seit Beginn

Erdöl im Meer inzwi-

gar bedrohlich, obgleich es ihre Lebensgrundlage war.

der industriellen Revolution als eigene erdgeschichtliche,

Mythen von Seeungeheuern und Meeresgöttern rankten

durch den Menschen geprägte Epoche zu betrachten.

sich um die unergründlichen Tiefen.

Crutzen, einer der Mitentdecker des Ozonlochs, bezeich-

In den meisten Ländern und Regionen ist das Meer

net diese Epoche passend als Menschen-Zeitalter, als

längst entmystifiziert. Und wie sich zeigt, sind die Ozeane

Anthropozän (von dem altgriechischen Wort ánthrõpos:

keineswegs so unverwundbar, wie unsere Vorfahren

Mensch).

Dimension die Förde-

schen erreicht hat.

glaubten – im Gegenteil: Heute beeinflusst und schädigt 2.1 > Eine Keramik

der Mensch den Ozean. Er leitet Gifte und übermäßig

aus dem 5. Jahrhun-

viele Nährstoffe ins Meer und plündert Fischbestände.

dert vor Christus.

S t e i g e n d e r R e s s o u r ce n v e r b r a u ch

Sagengestalten wie

Durch den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid, das sich

Obwohl die Schäden, die der Mensch verursacht, längst

So will der kanadische Bergbaukonzern Nautilus Minerals

zahlen muss, stehen die Handelsrouten über den offenen

das griechische

in großen Mengen im Meerwasser löst, verändert der

bekannt sind, ist es bislang nicht oder allenfalls in gerin-

2016 vor Papua-Neuguinea endgültig mit dem Abbau von

Ozean kostenlos zur Verfügung. Per Schiff werden Erdöl,

Meeres­u ngeheuer

Mensch inzwischen sogar die Chemie der Wassermassen.

gem Maße gelungen, die Weltwirtschaft auf einen nach-

Erzen beginnen, nachdem im Herbst 2014 ein Streit um

Kohle, Erze und Getreide um die Welt getragen. Elektroge-

Skylla waren beliebte

Viele Klimaforscher gehen davon aus, dass sich durch die

haltigen Kurs zu bringen. Stattdessen nimmt der Ver-

die Finanzierung zwischen dem Konzern und dem Insel-

räte, Kleidung und Lebensmittel gelangen in Containern

rung von Alltagsge-

Erwärmung der Atmosphäre und des Ozeans künftig Mee-

brauch an Erdgas, Erdöl und Kohle sowie an Metallen und

staat beigelegt wurde. Nautilus Minerals will dort soge-

von Asien nach Nordamerika und nach Europa. In Öltan-

genständen.

resströmungen und in der Folge die Wetterbedingungen

anderen Rohstoffen weiter zu. Seit Anfang der 1970er Jah-

nannte Massivsulfide abbauen: Ablagerungen, die sich an

kern wird Rohöl vom Persischen Golf oder aus Südamerika

re hat sich der weltweite Energieverbrauch verdoppelt.

heißen vulkanischen Quellen am Meeresboden gebildet

verschifft. Abgesehen von sinkenden Transportzahlen

Bis zum Jahr 2035 wird er sich nach Angaben der Interna-

haben und die reich an Edelmetallen sind.

während der Wirtschaftskrise 2008 und 2009 ist die

Motive für die Verzie-

In die Tiefsee locken auch Manganknollen oder Ko-

Menge der per Schiff transportierten Güter seit Mitte der

baltkrusten, die teils hohe Metallgehalte aufweisen und

1980er Jahre ständig gewachsen – von rund 3,3 Milliar-

Auf der Suche nach neuen Rohstoffvorkommen dringt

ingesamt sogar größere Mengen an bestimmten Metallen

den Tonnen im Jahr 1985 auf rund 9,6 Milliarden Tonnen

der Mensch auch immer weiter ins Meer vor. Heute wird

enthalten als entsprechende Lagerstätten an Land. Für

2013. In der Seefahrt sind allein rund 620 000 Schiffsoffi-

rund ein Drittel des Erdöls im Meer gefördert – Tendenz

den Bergbau im Meer werden derzeit die ersten schweren

ziere beschäftigt. Hinzu kommen viele Millionen Men-

steigend. Dabei erobert die Mineralölindustrie dort inzwi-

Unterwasserfahrzeuge gebaut.

schen, die als Matrosen oder als Hafenarbeiter tätig sind.

D as Meer – d er wich t ig s t e H an d els weg

allem die Meeresküsten. Nicht umsonst befinden sich hier

tionalen Energieagentur (IEA) in Paris nochmals um mehr als ein Drittel erhöhen.

Von besonderem Interesse für die Menschen sind vor

schen die letzte Bastion: den Tief- und Tiefstwasserbereich unterhalb von 400 beziehungsweise 1500 Metern.

viele Großstädte wie etwa Hongkong, New York oder Sin-

Etwa 10 Prozent des weltweit geförderten Erdöls werden derzeit aus so großen Tiefen heraufgeholt. Die Investi-

Auch in anderer Hinsicht ist das Meer für die Menschen

gapur. Zahlreiche Industrieanlagen wurden und werden

tionen der Mineralölkonzerne für die Ölgewinnung im

von großer ökonomischer Bedeutung. Es ist nämlich der

am Meer errichtet, denn über das Wasser können Roh-

Meer sind entsprechend hoch.

wichtigste Handelsweg. Kein anderes Verkehrsmittel

stoffe und Güter schnell an- und abtransportiert werden.

Des Weiteren erwarten Fachleute, dass im Jahr 2016

transportiert so viele Güter wie das Schiff. Und anders als

Fachleute schätzen, dass heute 41 Prozent der Weltbevöl-

auch die Gewinnung von Erzen im Meer beginnen könnte.

die Straßen an Land, für die man in vielen Ländern Maut

kerung höchstens 100 Kilometer entfernt vom Meer

und eindeutig unumkehrbar ist beispielsweise das mas-

mangel. Der Mensch an Land aber bemerkt davon wenig –

10 0 0 0

senhafte Aussterben von Lebewesen.

wicht ig s te Ma ssengüter : Eisener z, Kohle, Get reide, Bauxit , Phosphat

abgesehen von einigen Fischern, deren Fanggründe sich

Derzeit, so die Forscher, werden bereits bei 4 der 9

durch die Ausdehnung der Todeszone verkleinert oder

Dimensionen die planetaren Grenzen beziehungsweise

2.4 > Das Modell der

verlagert haben.

die ökologischen Grenzwerte überschritten: bei der Arten-

planetaren Grenzen

Erdöl und Erdga s 8 000

den 1980er Jahren 6 000

4 000

vielfalt, dem globalen Phosphor- beziehungsweise Stick-

zusammenhängende Meeresgebiete nationale Grenzen

stoffkreislauf, dem Klimawandel und der Landnutzung.

Ressourcen übernutzt.

überschreiten oder – wie die Hohe See – sogar internatio-

Betrachtet man die Situation nicht global, sondern regio-

Der Zustand der ein-

nale Gebiete sind. Nachhaltigkeit im Meer lässt sich also

nal, so werden auch in anderen Dimensionen, etwa dem

zelnen ökologischen

nur dann erreichen, wenn viele Nationen an einem Strang

Wasserverbrauch, schon Grenzen überschritten, bei-

ziehen. So werden heute neue Konzepte für eine nachhal-

spielsweise in trockenen Regionen wie dem Westen der

tige Nutzung des Meeres benötigt, die vor allem interna-

USA, Teilen Südeuropas, Asiens und des Mittleren Ostens.

tional anwendbar sind.

2 000

die Menschheit die

Dimensionen wird in unterschiedlichen Farben dargestellt.

Nach Schätzungen der Internationalen Union zur

B ereich mit hohem R isiko und /oder schwer wiegenden Folgen

Bewahrung der Natur und natürlicher Ressourcen (InterD ie G r en zen im Blick 0 19 8 0

19 8 5

19 9 0

19 9 5

20 0 0

20 0 5

20 0 6

20 07

20 0 8

20 0 9

2010

2011

2012

2013

national Union for Conservation of Nature and Natural Resources, IUCN) gehen weltweit durch die anhaltende

Ein anschauliches Konzept, das derzeit die Nachhaltig-

Zerstörung artenreicher und naturnaher Lebensräume in

Unsicher heit s- / Gefa hrenb ereich

keitsdiskussion international befeuert und Land und Oze-

zunehmender Geschwindigkeit Spezies – und damit deren

sicherer B ereich

(planetary boundaries). Bei diesem Konzept, das zuerst

Verglichen mit fossilen Daten ist die Aussterberate heute

Regionen Millionen von Touristen aus dem Inland, die die

Mine Flüsse und Böden für lange Zeit verseucht, dann gibt

2009 im Fachmagazin „Nature“ veröffentlicht und 2015

Küsten zum Baden und zur Erholung aufsuchen.

es direkt Betroffene, deren Nutzungs- oder Eigentums-

im Magazin „Science“ aktualisiert wurde, hat sich ein

Die wichtigste lebende Ressource des Meeres ist aus

rechte verletzt sind. Schäden sind meist direkt sichtbar

internationales Forscherteam unter schwedischer Leitung

Sicht des Menschen der Fisch. So bestreiten nach Schät-

oder zumindest messbar. Schnell ist auch klar, wer Nutz-

die Frage gestellt, wie sich potenziell katastrophale Um-

zungen der Welternährungsorganisation (Food and Agri-

nießer ist. So können Interessengruppen klar definiert,

weltveränderungen in der Zukunft vermeiden lassen. Zu

culture Organization of the United Nations, FAO) heute

Konflikte ausgetragen und am Ende Verhandlungen um

diesem Zweck definierten sie 9 essenzielle ökologische

600 bis 820 Millionen Menschen weltweit ihren Lebens-

eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen geführt

Dimensionen beziehungsweise Erdsystemprozesse wie

unterhalt direkt oder indirekt mit der Fischerei. Dazu

werden.

zum Beispiel Klimawandel, Süßwasserverbrauch oder

schichten, wo sie von Bakterien abgebaut werden, die

zweitens ein Unsicherheits- beziehungsweise Gefahren-

haupt eine nachhaltige Nutzung der Ozeane erreichen las-

dabei Sauerstoff verbrauchen. Gibt es nun besonders viele

bereich, der anzeigt, dass das Risiko schwerwiegender

sen könnte. Üblicherweise beziehen sich Nachhaltigkeits-

Algen, wird der Sauerstoff beim mikrobiellen Abbau nach

Effekte ansteigt; und drittens ein Bereich, der signalisiert,

iv

fa

l

ne el

le

roso Ae he

isc r

se

sich die Frage, wie sich unter diesen Umständen über-

as

3 Risikostufen angegeben: erstens ein sicherer Bereich;

ßw

tungen zu veranschaulichen, werden für jede Dimension

die Algen absterben, sinken sie in die tieferen Wasser-



führen die Nährstoffe zu üppigem Algenwachstum. Wenn Der Druck auf das Meer nimmt weiter zu, und so stellt

är

Um das Gefahrenpotenzial der Grenzüberschrei-

n

dann in die Küstenregion eingetragen werden. Im Meer

Ph o kr spho eis r lau f

bi

og

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sondere für den Klimawandel und das Artensterben.

Unsi c ht ba r e M i ssst ä nde i m M e e r

os

Erde. Nach Auffassung der Wissenschaftler gilt das insbe-

Nährstoffen, die aus der Landwirtschaft in den Fluss und

t

m

handen ist. Die Ursache dafür sind große Mengen von

zonschicht der O

scheln auch Algen und Quallen.

bau

kommen – mit unabsehbaren Folgen für das Leben auf der

Ab

eine Todeszone, gebildet, in der kaum noch Sauerstoff vor-

n,

genden globalen oder regionalen Umweltveränderungen

Konsumiert werden neben Fischen, Krebsen und Mu-

ie

diese überschritten, sagen sie, könne es zu schwerwie-

reich eine 20 000 Quadratkilometer große „dead zone“,

al

ko etwa hat sich in den vergangenen Jahren im Küstenbe-

ihren Nahrungsbedarf zu etwa 20 Prozent aus dem Meer.

du

wichtige Eiweißquelle. Insgesamt deckt die Menschheit

un ikr ate o d r S c org pla i ha ds an to

in

figen Berechnungen – Grenzwerte bestimmen. Würden

e ch tis ne falt e G el Vi lle t

ik e ch is e ) ff

chen. Vor der Mündung des Mississippi im Golf von Mexi-

t

st

Forscher – nach den vorliegenden und zum Teil vorläu-

vielerorts Hauptbestandteil der Nahrung und eine sehr



Bel a che s tun mi g sc he dur (N Ve c h an rb M om

o gv

Ozeanversauerung. Für 7 dieser Dimensionen können die

Menschen unsichtbar und sind schwer zu veranschauli-

si

r

zun

Die Vorgänge im Meer aber bleiben für die meisten

zum Beispiel Hersteller von Fanggeräten. Fisch ist zudem

er

e sv

Nut

­z ählen die Familien der Fischer und auch Zulieferer wie

Klimawa ndel t lus

noch keine Grenze fes tgeleg t

e en

sind. Werden zum Beispiel durch das Abwasser einer

ig

diese Zahl künftig weiter steigen. Hinzukommen in vielen

rt

genetische Informationen – unwiederbringlich verloren.

ua

an verbindet, ist das Konzept der planetaren Grenzen

ng

theorien auf die Situation an Land, wo Missstände evident

ne

leben. Nach Auffassung der Vereinten Nationen dürfte

tio

zugenommen.

verdeutlicht, wie stark

Der zweite große Unterschied zum Land ist der, dass

Vi

tierten Güter hat seit

eine Katastrophe. Sie fliehen oder sterben bei Sauerstoff-

sons t ige Trockenladungen

od

dem Seeweg transpor-

oder solche Effekte bereits eingetreten sind. Eingetreten

Cont a iner

nk

Die Menge der auf

dass ein hohes Risiko für schwerwiegende Effekte besteht

wie etwa Fische, Krebse, Muscheln und Schnecken ist das

Bi

tigste Transportweg.

und nach vollständig verbraucht. Für höhere Organismen

12 0 0 0

Fu

der weltweit wich-

41

Ve r ä n d e r ung der Landnu t zun g

2.3 > Die Ozeane sind

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

L adung in M illionen Tonnen

40

A

Stick

s t o f fkreis lauf

eo c Kre hemis che islä ufe

Ozea n

a ver s

ue

ru

ng

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

Grenzen und innen von den essenziellen Bedürfnissen

Aminosäuren sind die

einmal um den Faktor 10 erhöhen. Ein wesentlicher

stoffmangel.

der Menschen begrenzt ist. Sowohl der Donut als auch das

Bausteine von Eiwei-

Grund für das Artensterben ist die fortschreitende Land-

Konzept der planetaren Grenzen sind so weit gefasst, dass

Menschheit zu erreichen, müssen einzelne Lebensräume

biochemischen Pro-

zung um weitere 10 bis 20 Prozent schrumpfen – und

bereich, in dem ein hohes Risiko schwerwiegender und

daraufhin untersucht werden, wie sich künftig eine nach-

synthese, zu Proteinen

damit naturnahe Lebensräume mitsamt den in ihnen

irreversibler Umweltänderungen herrscht. Seit Langem

haltige Nutzung erreichen lässt.

zusammengesetzt.

lebenden Arten.

mahnen Klimaforscher, dass sich die Temperatur der Erd-

rezusammensetzung

Glei chb erec htig ung chter e s c h le der G

W id e r s

M

un

Des Guten so viel z So

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atmosphäre weltweit im Durchschnitt nicht um mehr als

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Stickstoff ist unter anderem für den Aufbau von Ami-

dh

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ec

Je nach Aminosäu-

sun

es

er

zess, die Proteinbio-

Ge

g

das Ideal eines sicheren und gerechten Raumes für die

Konzentration von 399 ppm liegt sie in einem Gefahren-

t

Teile pro Million Teile) definiert ist. Mit einer aktuellen

Wald und Grasland bis 2050 durch intensivere Landnut-

lus

China und Südostasien. Weltweit dürfte die Fläche an

einen komplizierten

s ver

Aminosäuren über

Wa s s e r

sgr

Me

ng

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f- u n d ks tof St ic rkreislauf spho

Trotzdem geben sie nicht im Detail vor, was zu tun ist. Um

t l i c h e B e l a s tung

haf

t zu

ze

Pho

tion in der Atmosphäre von 350 ppm (parts per million,

zen und Tieren werden

G

es

sc ell

g

Ackerfläche zu gewinnen, etwa in Südamerika oder in

den Zellen von Pflan-

er

un

sie sich auf alle Kulturen weltweit übertragen lassen.

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Grenze, die durch eine maximale Kohlendioxidkonzentra-

er

chter Raum für d ie gere

Na

nutzung. So werden weiterhin Wälder abgeholzt, um

S

h ic

Nu ren

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ßen (Proteinen). In

Auch der Klimawandel überschreitet die planetare

B el a s t u n g s g

en

wässern, zu Algenblüten und zum gefürchteten Sauer-

Ök

ische olog

mm

1000-mal höher. Bis zum Jahr 2050 dürfte sie sich noch

Aminosäuren

ng r u ung de ut z n ä dn an

ko

sichere und gerechte Raum außen von den planetaren

Ein

führt zur Eutrophierung von Flüssen, Seen und Küstenge-

d e Ve r r L

raum von den 1970er Jahren bis heute lag die Rate 100- bis

Klimawandel

r

dem Bild eines Donuts veranschaulicht, bei dem der

se

Menschheit verwirklicht. Dieser Zusammenhang wird mit

der USA wird dieser Dünger im Übermaß genutzt und

as

in Mitteleuropa sowie in den Agrarregionen Chinas und

send beispielsweise nur eine Säugetierart aus. Im Zeit-

43

ßw

wesentlich höher. In historischen Zeiten starb pro Jahrtau-

B iodiver sit ät

42

du

ng

t a n d sk ra

tim

m

ft

die Proteine in ihrer

mensetzen. Daher benötigen sowohl Pflanzen als auch

ten Folgen des Klimawandels zu verhindern.

Funktion. Manche

Tiere Stickstoff. Stickstoff kommt in der Natur in der

Um Nachhaltigkeit zu erreichen, müssen für jede die-

man zunächst erkennen, welche Aspekte dabei überhaupt

werden in Muskel-

Atmosphäre als Luftstickstoff vor. Höhere Tiere und Pflan-

ser ökologischen Dimensionen nicht nur die richtigen

relevant sind. Die Meere etwa liefern besondere Dienst-

zen können diesen Luftstickstoff aber in der Regel nicht

Grenzen bestimmt, sondern auch umfassende Lösungen

leistungen, die vielfach von globaler Bedeutung sind und

Stoffwechselprozesse.

direkt aufnehmen und verwerten. Dazu sind nur einige

erarbeitet werden, die sich politisch sowohl auf regionaler

die der Mensch direkt oder indirekt nutzt und ausbeutet.

Der zentrale Bestand-

spezialisierte Organismen wie etwa Bakterien in der Lage.

als auch überregionaler Ebene durchsetzen lassen. Wie

Meere speichern beispielsweise die Energie aus dem Son-

teil jeder Aminosäure

Im Meer zählen dazu die Cyanobakterien, Einzeller, die

schwierig das im Kontext Meer ist, zeigt unter anderem

nenlicht über viele Monate und gleichen so die jahreszeit-

frei im Wasser schweben und früher als Blaualgen bezeich-

der ­ l angjährige Streit um die Fischfangmengen in der

lichen Klimaschwankungen aus. Die Meeresströmungen

net wurden. Cyanobakterien nehmen Luftstickstoff auf,

Euro­p äischen Union zwischen Politikern und Fischerei-

verteilen die Wärme zusätzlich über Tausende von Kilo-

der sich in den oberen Meeresschichten im Wasser löst.

wissenschaftlern. Da die Forscher Fischmengen nur

metern. Der Golfstrom etwa transportiert die subtropische

Bereitstellende Dienstleistungen

2.6 > Das Donut-

Auf diesem Weg gelangt der Stickstoff in die marinen Nah-

schätzen können, ist dieser Schwachpunkt häufig von

Wärme aus dem Golf von Mexiko über den Atlantik in das

Zu den wichtigen bereitstellenden Dienstleistungen des

Schaubild visualisiert

rungsnetze. Der Mensch setzt Stickstoff vor allem in Form

politischer Seite ausgenutzt worden, um höhere Fangquo-

kühlere Europa. Dank der ozeanischen Wärmespeiche-

Meeres aus Sicht des Menschen zählen unter anderem

von Kunstdünger in der Landwirtschaft ein. Insbesondere

ten festzu­l egen.

rung und des Golfstroms herrscht in Europa ein gemä-

die ozeanischen Transportwege oder der Fisch und die

ßigtes Klima, was dort eine wichtige Voraussetzung für die

Meeresfrüchte, die für die Ernährung vieler Millionen

Dimensionen. Nur im

Produktivität der Landwirtschaft ist.

­M enschen essenziell wichtig sind. Pro Jahr werden welt-

grün gekennzeich-

At

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Stickstoff enthält.

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Aminogruppe, die

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ist die sogenannte

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andere regulieren

En

de

masse eingebaut,

Bevor man ökologische Grenzen definieren kann, muss

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unterscheiden sich

hb

1,5 bis 2 Grad Celsius erwärmen dürfe, um die schlimms-

Abb

nosäuren wichtig, die sich wiederum zu Proteinen zusam-

e t ig ar n u e n e ng u rch g du rbind Bela stun e V e h chemisc

Zusammenhänge zwischen ökologischen und sozialen

neten Bereich ergibt

Meeresexperten haben nach dem Vorbild des interna-

weit rund 80 Millionen Tonnen aus den Ozeanen geholt.

Doch die planetaren Grenzen sind nur eine der vielen

tionalen Großprojekts Millennium Ecosystem Assessment

Der Wert der jährlich angelandeten Fische beträgt etwa

gerechter Raum für

Herausforderungen für das künftige Leben auf der Erde.

(MA) der Vereinten Nationen die Ökosystemleistungen

115 Milliarden US-Dollar. Durch die weitere Verarbeitung

die Menschheit, da

Die Menschheit sieht sich auch mit sozialen Problemen

des Meeres herausgearbeitet und in die 4 Kategorien

zu verschiedenen Fischprodukten, die ebenfalls verkauft

hier die Grenzwerte

konfrontiert. Viele Menschen leiden immer noch Hunger

bereitstellende Dienstleistungen, unterstützende Dienst-

werden, erhöht sich die Wertschöpfung in der Fischerei-

und leben in extremer Armut. Das Gesundheits- und Bil-

leistungen, regulierende Dienstleistungen und kulturelle

industrie sogar noch. Fisch ist damit eine wichtige ökono-

dungswesen ist in vielen Ländern weiterhin stark unter-

Dienstleistungen eingeteilt. Nicht immer lassen sich die

mische Größe. Etwa 90 Prozent der Fischereiaktivitäten

entwickelt, und soziale Gerechtigkeit ist vielerorts nicht

einzelnen Dienstleistungen jeweils nur einer einzigen

finden in den nährstoffreichen und produktiven Küstenge-

gegeben. In den vergangenen Jahren wurde daher das

Kategorie zuordnen. So gibt es beispielsweise einige Mee-

bieten statt.

Konzept der planetaren Grenzen weiterentwickelt und

resgüter, die sowohl eine bereitstellende als auch eine kul-

Vor allem in den Schwellenländern lebt die Küstenbe-

um diese sozialen Aspekte ergänzt. Erst wenn auch diese

turelle Dienstleistung darstellen – Muscheln etwa, die

völkerung oftmals direkt vom Fischfang. Einer wissen-

sozialen Dimensionen erfüllt sind und die entsprechenden

nicht nur als wichtige Nahrung an die Bevölkerung, son-

schaftlichen Studie zufolge ist in 136 von 144 Küsten-

bezeichneten Wasserbewohner sind in der Lage, reinen Stick-

gesellschaftlichen Belastungsgrenzen nicht überschritten

dern auch als traditioneller Schmuck an Touristen verkauft

staaten die Kleinfischerei in einfachen Motor-, Ruder- oder

stoff zu verarbeiten.

werden, ist ein sicherer und gerechter Raum für die

werden.

Segelbooten für viele Menschen der Haupterwerb. In eini-

2.5 > Die länglichen Cyanobakterien ähneln, unter dem ­M ikroskop betrachtet, Perlenketten. Die früher als Blaualgen

sich ein sicherer und

nicht überschritten werden.

Üb e rsic ht der ma ri ne n Ök o sy s tem l ei s tu ng en Die Vorteile und der Nutzen, die die Meere aus Sicht des Menschen erbringen, werden als Ökosystemleistungen bezeichnet.

BEREITSTELLENDE ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN

Ökosystemleistungen können sowohl materieller als auch immaterieller Art sein und werden in 4 Kategorien eingeteilt.

umfassen einerseits Produkte und Güter für die direkte

Fisch und Meeresfrüchte

Versorgung des Menschen, andererseits Räume und Flächen,

aus Wildfang und Aquakultur

die das Meer zur Verfügung stellt

Trinkwasser aus

Aufrechterhaltung von Lebensräumen

Meerwasserent-

(durch Zulieferung von Nahrung, Sauerstoff,

UNTERSTÜTZENDE ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN

Transportwege

sauberem Wasser o. Ä.)

können als unabdingbare Basis für die übrigen

salzungsanlagen

Erneuerbare Energien (Gezeiten, Welle und Wind)

Dienstleistungen angesehen werden

Wasserkreislauf (Verdunstung Erhaltung der Nahrungsnetz-

und Regen; Austausch zwischen

Flächen für Pipelines

dynamik (funktionierende

Land, Atmosphäre und Meer)

und Seekabel

Medizinische Wirkstoffe und

Räuber-Beute-Beziehungen)

andere biochemische Substanzen, beispielsweise für die Lebens-

Sicherung der

mittel- und Kosmetikindustrie

Artenvielfalt Militärisch Güter für Schmuck

Primärproduktion

nutzbare Flächen

oder Souvenirs

(Produktion von Biomasse)

Nährstoffkreisläufe (Bildung von

Genetische Ressourcen aus Bakterien,

Erhaltung der Wider-

Nährstoffen durch Primärproduktion,

Schwämmen und anderen Lebewesen,

standsfähigkeit der

Abbau von Nährstoffen durch Bak-

Meereslebensräume

terien sowie biochemische Umwandlung

Nicht erneuerbare Ressourcen

beispielsweise für die Entwicklung neuer

(Erdgas, Erdöl, Kies und Sand)

Medikamente

am Meeresboden oder im Wasser)

REGULIERENDE ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN

KULTURELLE ÖKOSYSTEMLEISTUNGEN

beschreiben Vorteile und Nutzen, die der Mensch

beinhalten vielfältige Funktionen, die dem immateriellen Wohlbefinden des Menschen dienen

Beitrag für die Wissenschaft

aus der regulierenden Wirkung des Meeres und seiner

und für die naturkundlich-

Ökosysteme bezieht

Klimaregulierung durch den Transport von Wärme durch die Meeresströmungen

wissenschaftliche Bildung

und den Austausch von Wärme zwischen Wasser und Atmosphäre Küstenschutz durch

Ästhetischer Wert

Dünen, Korallenriffe und

schöner Meereslandschaften

Religiöser und spiritueller Wert

Mangrovenwälder

von Meereslandschaften und Orten am und im Meer

Wasserreinhaltung durch den Abbau von Nährstoffen, die

Inspiration für Folklore,

aus Abwässern und der Land-

Kunst, Architektur o. Ä.

wirtschaft ins Meer gelangen Erhaltung der Luftqualität durch Produktion von Sauerstoff durch Algen oder Aufnahme von Kohlendioxid ins Meer Kulturerbe (kulturell bedeutsame

Erholung und

Landschaften und Orte am und im

Tourismus

Meer, kulturell bedeutsame Meerestiere für traditionellen Schmuck o. Ä.)

Wasserreinhaltung durch den Abbau von Schadstoffen durch Verdünnung, durch chemische Veränderung in unschädliche Substanzen oder durch das Absinken und Einlagern ins Sediment

46

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

gen Regionen Madagaskars verdienen bis zu 87 Prozent

Bauanleitung für medizinisch interessante Proteine ent-

die durch das Steigen und Fallen des Wassers im Ablauf

der Erwachsenen ihren Lebensunterhalt mit Kleinfische-

halten. Gelingt es, solche Gene in industriell genutzte

der Gezeiten in Bewegung gesetzt werden. Recht bekannt

rei. In Ozeanien wiederum betreiben 82 Prozent der in

Zuchtbakterien wie Escherichia coli zu übertragen, könn-

ist inzwischen auch die Anlage Pelamis. Dieser Wellen­

der Fischerei tätigen Menschen Kleinfischerei – industri-

ten die Wirkstoffe in großem Stil hergestellt werden. Auch

energiewandler reitet wie eine Seeschlange auf dem Meer.

2.8 > Die Purpur-

elle Fischerei mit großen Fangschiffen ist dort quasi nicht

verspricht man sich, aus Meerestieren neue antibakteriel-

Er besteht aus mehreren Segmenten, die sich gegeneinan-

schnecke Bolinus

vorhanden. In solchen Regionen hat Fisch eine besondere

le Wirkstoffe zu isolieren, die auch gegen die gefürchteten

der bewegen und dabei hydraulischen Druck aufbauen.

Bedeutung, weil er in Ermangelung von Alternativen Nah-

multiresistenten Keime wirken, die mit klassischen Anti-

Der wiederum treibt eine Turbine an. Inzwischen gibt es

rung und Einkommen zugleich liefert.

biotika nicht mehr zu bekämpfen sind.

mehrere Pelamis-Anlagen, die vor Portugal oder bei den

Sekret in der Mantelhöhle gewonnen.

brandaris. Der Purpurfarbstoff wurde aus einem weißlichen

Auch die handwerkliche Produktion von Meerestie-

Die Meere bieten ferner eine Reihe weiterer bereit-

Orkney- und Shetlandinseln in Betrieb sind. Experten

ren wie etwa Muscheln und Schnecken, die zu Souvenirs

stellender Dienstleistungen. Dazu zählen die nicht erneu-

schätzen, dass sich allein durch Wellenenergie jährlich

oder Schmuck verarbeitet werden, wird zu den bereitstel-

erbaren Energieträger Erdgas und Erdöl sowie die Erze am

1700 Terawatt Strom erzeugen ließen, was in etwa 10 Pro-

1 Gramm des Farb-

lenden Dienstleistungen der Ozeane gezählt. In vielen Fäl-

Meeresgrund, aber auch Diamantenvorkommen. Sand,

zent des weltweiten Strombedarfs entspricht. Inzwischen

stoffs zu produzieren.

len werden heute bereits Substanzen aus dem Meer für

der vor den Küsten abgebaut wird, um Sandstrände nach

nimmt auch die Zahl der Windräder im Meer zu. Führend

200 Gramm davon

kosmetische Produkte oder in der chemischen Industrie

schweren Stürmen aufzufüllen, oder auf Baustellen einge-

bei der sogenannten Offshore-Windenergie ist Großbritan-

verwendet. Das aus Krebspanzern extrahierte Chitosan

setzt wird, zählt ebenfalls dazu. Und natürlich die Trans-

nien, vor dessen Küste bereits ein gutes Dutzend größere

etwa wird Zahnpflegeprodukten beigemischt, da es den

portwege, die das Meer der Schifffahrt bietet.

Windparks errichtet wurde.

Zahnschmelz schützt.

8000 Purpurschnecken waren nötig, um

waren erforderlich, um 1 Kilogramm Wolle zu färben.

Das Meer stellt aber nicht nur Energie in Form fossiler

Von zunehmendem Interesse ist ferner das medizi-

Brennstoffe bereit, sondern auch in Form erneuerbarer

Kulturelle Dienstleistungen

nische Potenzial sowie die genetische Information von

Ressourcen. So versucht man heute verstärkt, die Energie

Bei den kulturellen Dienstleistungen handelt es sich um

Meereslebewesen. So wurden aus Schwämmen Wirk-

nutzbar zu machen, die in Wellen, in Tideströmungen und

solche, die insbesondere gesellschaftliche, religiöse oder

stoffe gegen Herpes oder Krebstumoren isoliert. Außer-

im Wind über dem Meer steckt. An der irischen Küste

spirituelle Bedeutung haben beziehungsweise zu den

dem hofft man, künftig Gene isolieren zu können, die die

wurden vor einiger Zeit Unterwasserpropeller installiert,

­Traditionen eines Volkes gehören. Ferner zählen zu den

Ein anderes Naturprodukt, das große Bedeutung und

kulturellen Dienstleistungen die Ästhetik einer Land-

beachtlichen Reichtum verkörperte, waren lange Zeit Per-

schaft sowie ihre Erholungsfunktion, ihr Freizeitwert oder

len, die im Persischen Golf von Perlentauchern gewonnen

die Inspiration, die sie bietet. Auch den Anreiz, der von

wurden. Viele Jahre war der Perlenhandel der bedeu-

einem Meeresgebiet für die Wissenschaft oder die Natur-

tendste Wirtschaftszweig in dieser Region. Zu Beginn des

2.7 > Fischer am

kunde ausgeht, zählen Nachhaltigkeitsexperten zu den

20. Jahrhunderts erlebte die Perlenindustrie dort ihre letz-

Strand von Kayar,

kulturellen Dienstleistungen. Es ist durchaus möglich,

te Blüte. Jährlich wurden Perlen im Wert von 160 Millio-

dass sich diese mit anderen Ökosystemleistungen über­

nen US-Dollar umgesetzt. Kurze Zeit später jedoch gelang

Pirogen, fahren sie

lappen – beispielsweise mit den bereitstellenden Dienst-

es in Japan, Perlmuscheln in großen Mengen zu züchten.

aufs Meer hinaus,

leis­t ungen.

Damit brach das Monopol der Perlentaucher am Persi-

Senegal. Mit ihren Einbaumschiffen, den

um die lokalen Märkte mit Fisch zu

Ein historisches Beispiel ist der Farbstoff Purpur, mit

schen Golf zusammen.

dem während der Antike reger Handel getrieben wurde.

Anders als Purpur und Perlen aus dem Persischen Golf

sende an Senegals

Der Farbstoff wurde seinerzeit vor allem in Griechenland

ist Haifischflossensuppe auch heute noch von Bedeutung.

Küste betreiben „la

aus den im Meer lebenden Purpurschnecken gewonnen.

Der Verzehr dieses Gerichts hat vor allem in chinesisch-

pêche artisanale“ –

Da jede Schnecke nur sehr wenig Farbstoff enthält, benö-

sprachigen Regionen Tradition. Heute wird die Suppe zu

tigt man viele Tiere, was die Produktion aufwendig und

sehr hohen Preisen angeboten. Sie dient nicht nur als

teuer macht. Der gewonnene Purpur war ein exklusives

Nahrung, sondern symbolisiert auch Prestige und Status,

Produkt und blieb lange Zeit Würdenträgern und hohen

womit sie eine bereitstellende und eine kulturelle Dienst-

Beamten vorbehalten. Daher hatte er auch einen hohen

leistung zugleich ist.

versorgen. Zehntau-

das handwerkliche Fischen.

47

symbolischen Wert. In Rom schmückten beispielsweise

Der Haifischfang jedoch ist stark umstritten. Da er

die Mitglieder des Senats ihre Togen mit purpurnen

sehr profitabel ist, werden Haie, unter anderem auch be-

­B ordüren. Der Purpurhandel war über Jahrhunderte ein

drohte Arten, intensiv bejagt, wodurch die Bestände zum

profitables Geschäft.

Teil stark abgenommen haben. Zudem werden die gefan-

48

> Ka pi t e l 02

2.10 > Die iranischen Lenj-Holzboote wurden früher am Persischen Golf für den Handel, das Perlentauchen oder die Fischerei genutzt. Die UNESCO will die Tradition des LenjBootsbaus erhalten.

vention of Marine Pollution by Dumping of Wastes and Other Matter, kurz: London Convention, LC) das Versenken von Urnen als Ausnahme zulässt. Von kultureller Bedeutung ist heute auch die alte Tradition des Lenj-Bootsbaus, die man im Iran pflegt. Die etwa 15 Meter langen Holzboote wurden an der Nordostküste des Persischen Golfs lange Zeit für den Handel, für Reisen, das Perlentauchen und die Fischerei genutzt. Es gibt viele Erzählungen, die sich um die Lenj-Boote ranken. Heute pflegen auch Künstler die Tradition. Mancherorts werden eigens Lenj-Festivals veranstaltet. Die UNESCO (United Nations Educational, Scientific and Cultural Organization; Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) hat den Lenj-Bootsbau auf ihre Liste des sogenannten immateriellen Kulturerbes gesetzt. Darauf findet sich beispielsweise auch die traditionelle belgische Garnelen- beziehungsweise Krabbenfischerei, bei der schwere Arbeitspferde eingesetzt 2.9 > Im belgischen

genen Tiere vielfach nicht komplett verwertet. Oftmals

werden. Die Kaltblüter ziehen dabei ein Fanggeschirr durch

Oost­d uinkerke gibt es

werden nur die wertvollen Flossen abgetrennt und die

das Wasser parallel zum Strand. Die weitaus meisten Krab-

Kadaver ungenutzt zurück ins Meer geworfen.

ben in Westeuropa werden seit Jahrzehnten mit Kuttern

noch einige Fischer, die Krabben auf sehr

Anders stellt sich die Situation der Nuu-chah-nulth

gefischt, doch gibt es an der Ärmelkanalküste bei Oostduin­

fangen. Sie sitzen auf

dar, Indianer, die auf oder bei Vancouver Island an der

kerke immer noch Familien, die an der mühevollen Tradi-

einem Pferd, das die

kanadischen Pazifikküste leben. Sie betrieben Walfang,

tion mit dem Ross festhalten. Der Fang zu Pferd wirft gera-

netze hinter sich

was heute aus Gründen des Artenschutzes verboten ist.

de so viel ab, sagen die Fischer, dass es zum Leben reicht.

herzieht.

Die Nuu-chah-nulth empfinden das Verbot als schweren

Die wirtschaftliche Bedeutung für die Region ist eher zu

Verlust einer Tradition. Denn der Walfang, das gemein-

vernachlässigen.

eigentümliche Weise

schweren Krabben-

same Jagen, das Schlachten der Tiere und die traditionellen Feste, die den Walfang begleiteten, förderten die

Derzeit enthält die UNESCO-Liste insgesamt 42 Meeres- und Küstengebiete oder entsprechende Traditionen.

Gemeinschaft der Indianer fundamental. Mit dem Walfangverbot ist dieses wichtige soziale Bindeglied entfal-

Kulturelle Dienstleistungen –

len. Dieser Fall macht deutlich, wie komplex die Bewer-

Basis für den Tourismus

tung von kulturellen Ökosystemleis­t ungen sein kann.

Aspekte wie der Erholungswert oder die Schönheit einer

Ein Beispiel für religiöse und spirituelle Aspekte des

Küstenlandschaft, die zu den kulturellen Ökosystemleis­

Meeres sind Seebestattungen, die in Europa oder auch in

tungen gezählt werden, sind eng mit dem Tourismus ver-

Japan üblich sind. So wünschen sich viele Menschen nicht

bunden. Religiöse Stätten und andere Kulturdenkmäler,

in der Erde, sondern im offenen Meer, dem Ursprung des

schöne Landschaften und Erholungsgebiete locken jedes

Lebens, bestattet zu werden. Nach der Verbrennung des

Jahr Millionen Urlauber an. Wie viele Menschen am Meer

Leichnams wird die Asche in einer wasserlöslichen Urne

Urlaub machen und wie groß damit die Bedeutung der

im Meer versenkt. Die Bestattung ist nur in bestimmten

Küsten für den Tourismus weltweit ist, lässt sich nach

Meeresgebieten erlaubt. Zudem ist sie nur deshalb mög-

Auffassung der UN-Welttourismusorganisation (United

lich, weil das Übereinkommen über die Verhütung der

Nations World Tourism Organization, UNWTO) heute

Meeresverschmutzung durch das Einbringen von Abfällen

kaum beziffern, weil die Daten in verschiedenen Regio-

und anderen Stoffen von 1972 (Convention on the Pre-

nen unterschiedlich erhoben werden oder unvollständig

50

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

sind. Zudem lässt sich kaum analysieren, inwieweit vom

angeboten. Etwa 13 Millionen Menschen nutzen dieses

Tourismus an der Küste auch das Hinterland profitiert –

Angebot jährlich. Dafür geben sie rund 800 Millionen US-

etwa durch Strandurlauber, die Städte im Binnenland

Dollar aus. Rechnet man die Kosten für Unterkunft, Anrei-

besuchen. In Europa versucht man immerhin abzuschät-

se und Verpflegung hinzu, belaufen sich die Ausgaben der

zen, wie hoch der Anteil der Touristen in den Küstenregi-

Touristen auf 2,1 Milliarden US-Dollar pro Jahr.

steinhöhlen auf der mexikanischen Halb-

Afrika and Mittlerer Osten

Ländern insgesamt etwa 28 Millionen Bettenplätze (in

Unterstützende Dienstleistungen

Ferienwohnungen, Hotels, Herbergen oder auf Camping-

Biologische, chemische und physikalische Prozesse, die in

plätzen) zur Verfügung standen. Davon befanden sich

der Umwelt auf natürliche Weise ablaufen und damit Basis

rund 60 Prozent in den Küstenregionen. Laut einer Umfra-

des Lebens auf der Erde sind, zählen zu den unterstüt-

ge in der Europäischen Union (EU) verbringen 46 Prozent

zenden Dienstleistungen. Auch die Dynamik des Nah-

der EU-Bürger ihren Jahresurlaub als Badegäste am Strand.

rungsnetzes im Meer, das fein abgestimmte Miteinander

In dieser Statistik nicht erfasst wurden Touristen, die ans

von Beute und Räubern, gehört dazu und ist letztlich auch

Meer fahren, um dort zu tauchen oder anderen sport-

für den Menschen von großem Nutzen, da Fisch ein wert-

lichen Aktivitäten nachzugehen. Das wiederum bedeutet,

volles Lebensmittel ist. Sogar die Artenvielfalt der Lebens-

dass die Gesamtzahl der maritimen EU-Urlauber höher

räume und die verschiedenen Lebensräume selbst zählen

einzuschätzen ist.

zu dieser Art von Dienstleistungen. Wissenschaftler

Wal- und Delfinbeobachter 2008 1 361 330

Länder 2008

22

Direkte Ausgaben (Millionen USD) 31,7

Gesamtausgaben (Millionen USD) 163,5

2.12 > Wal- und Delfinbeobachtungen

Europa

onen ist. So schätzt man, dass 2009 in 27 europäischen

2.11 > Die Kalk-

Region

51

828 115

22

32,2

97,6

Asien

1 055 781

20

21,6

65,9

Ozeanien, Pazifische Inseln, Antarktis

2 477 200

17

117,2

327,9

sind ein wichtiges Segment der Tourismusindus­t rie. 2008 gingen weltweit fast 13 Millionen Menschen auf eine solche Safari. Dafür

Nordamerika

6 256 277

4

566,2

1 192,6

Mittelamerika und Karibik

301 616

23

19,5

53,8

Südamerika

696 900

11

84,2

211,8

12 977 218

119

872,7

2 113,1

gaben sie mit Anreise und Übernachtung 2,1 Milliarden US-Dollar

GLOBAL TOTAL

Als ein Beispiel dafür, wie beliebt das Meer bei Tou-

haben festgestellt, dass die Artenvielfalt für die Stabilität

risten ist, führt die UNWTO die Wal- und Delfinbeobach-

der marinen Ökosysteme extrem wichtig ist. Das haben

tungen an. Für dieses touristische Segment liegen ausrei-

unter anderem Experimente in Großalgenwäldern gezeigt.

sich, dass die Menge an gefangenem Fisch in Gebieten mit

Regulierende Dienstleistungen

chend Daten vor. Walbeobachtungen wurden erstmals

In einem Freilandexperiment wurde beispielsweise die

zeitweise hoher Primärproduktion um bis zu 30 Prozent

Der Schutz vor Stürmen und Überflutungen, den etwa

Anfang der 1950er Jahre auf der Point-Loma-Halbinsel in

Anzahl der Großalgenarten künstlich reduziert, indem

stieg, während sie in anderen Regionen in Zeiten schwa-

Mangrovenwälder, Dünen oder Korallenriffe bieten, zählt

Kalifornien angeboten. Damals wurden die Meeressäuger

man einige zu Beginn der Wachstumsperiode entfernte.

cher Primärproduktion um bis zu 40 Prozent abnahm.

ebenso zu den regulierenden Dienstleistungen, wie der

noch vom Land aus beobachtet. Bereits zu jener Zeit

Tatsächlich verringerte sich in diesem artenarmen Lebens-

Mit der Primärproduktion sind die verschiedenen bio-

Schutz vor Erosion, also der Verlust von Sand an der Küste

lockten die Wale jährlich rund 10 000 Besucher an. Es

raum die Algenbiomasse insgesamt – und damit auch die

chemischen Prozesse und Stoffkreisläufe des Meeres ver-

durch Stürme und Strömungen. Diesen Schutz leis­ t en

zeigte sich, dass auch anderswo Menschen von den gro­

Nahrung für die Konsumenten sowie die Zahl der verfüg-

bunden. Ein Beispiel für diese fundamentalen Prozesse im

intakte Ökosysteme wie etwa die dichte Vegetation auf

ßen Tieren fasziniert sind, und so verbreitete sich diese

baren Habitate.

Ozean ist der Kreislauf des Kohlenstoffs. Der Körper des

Dünen, die den Sand bei Sturm zusammenhält, oder See-

insel Yucatán sind bei

Touristenattraktion schließlich über die ganze Welt. Wal-

Eine für das Leben im Meer bedeutende unterstüt-

Menschen ist aus Kohlenstoff aufgebaut, und auch tieri-

graswiesen und Muschelbänke im Wasser, die verhin-

Tauchern sehr beliebt.

und Delfinbeobachtungen werden heute in 119 Ländern

zende Dienstleistung ist die sogenannte Primärproduk-

sche und pflanzliche Biomasse besteht zu einem großen

dern, dass Wellen das feine Sediment forttragen.

tion, deren Grundlage die Photosynthese des pflanzlichen

Teil daraus. Pflanzen an Land und Algen im Meer nehmen

Abfall und Fäkalien gelangen in großen Mengen über

Planktons ist. Bei der Photosynthese bauen Pflanzen mit-

ihn in Form von Kohlendioxid aus der Atmosphäre oder

die Flüsse ins Meer oder werden vielerorts aus der Kanali-

hilfe des Sonnenlichts energiereiche Moleküle wie Zucker

dem Wasser auf. Das CO 2 dient den Pflanzen dann als Bau-

sation direkt in die Küstengewässer eingeleitet. Ihr biolo-

und Stärke auf. Stimmen Lichtstärke und Nahrungsange-

stein für die Zucker- und Stärkeproduktion während der

gischer Abbau wird ebenfalls als eine regulierende

bot, können Algen sehr schnell wachsen und sich vermeh-

Photosynthese. Durch den Stoffwechsel von Organismen

Ökosys­temleistung betrachtet, wie auch die Aufnahme

ren. Die Leistung der Meeresalgen ist beachtlich: Alles in

und natürliche chemische Prozesse wechselt der Kohlen-

von Giftstoffen, die der Mensch freigesetzt hat, etwa

allem erzeugen sie etwa 50 Prozent der pflanzlichen Bio-

stoff immer wieder seinen Zustand. Im Meer etwa sinken

Schwermetallen oder langlebigen Chlor- und Fluorverbin-

masse weltweit.

große Kohlenstoffmengen in Form von abgestorbener Bio-

dungen. Vor allem Einzeller und Bakterien bauen diese

Die Primärproduktion ist die Basis des Nahrungs-

masse wie etwa Algen oder Kleinstkrebsen in die Tiefe,

organische Schmutzfracht ab. Sterben sie und sinken zu

netzes. Einzellige Algen werden von Fischlarven und

die während des Absinkens bereits zum Teil wieder von

Boden, setzen sich mit ihnen auch die Schadstoffe ab, die

Kleinkrebsen gefressen, die ihrerseits wieder Nahrung für

Bakterien als Nahrung genutzt und somit verstoffwechselt

sich im Sediment sammeln und damit aus dem Wasser ent-

größere Fische oder Meeressäuger sind. Wie wichtig die

werden.

fernt werden. Natürlich verbleiben die Giftstoffe im Sedi-

Primärproduktion im Meer ist, zeigen Studien, in denen

Neben dem Kohlenstoffkreislauf gibt es noch eine Rei-

ment noch für längere Zeit in der Umwelt. Im Wasser aber

untersucht wurde, inwieweit die Größe von Fischbestän-

he von anderen Kreisläufen, die für das Leben von Bedeu-

wären ihnen viele Meereslebewesen direkt ausgesetzt

den mit der Primärproduktion zusammenhängt. Es zeigte

tung sind. Ein Beispiel ist der Stickstoffkreislauf.

gewesen. Vor allem Planktonorganismen hätten diese

aus.

52

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

Schadstoffe mit kleinen Nahrungspartikeln aus dem Was-

befördert. Doch die Sonne über den Tropen ist nicht der

Doch nicht nur die thermohaline Zirkulation, sondern

zur Wolkenbildung beiträgt. Da Wolken Sonnenlicht und

ser aufgenommen und dann in der Nahrungskette an

einzige Antrieb. Auch physikalische Prozesse an den

auch die Winde beeinflussen die Meeresströmungen.

zum Teil auch Wärmestrahlung reflektieren, hat Dimethyl-

andere Organismen weitergegeben.

Polen halten die Weltklimamaschine in Gang: Dort kühlt

Winde entstehen dadurch, dass sich Meeresgebiete oder

sulfid eine Bedeutung für das Klima, vermuten die Wissen-

das Wasser stark ab, sodass sich Eis bildet. Da Eis kein Salz

verschiedene Landmassen unterschiedlich stark aufhei-

schaftler. Damit betrachtet man heute auch die Produktion

enthält und das Salz beim Gefrieren im Meerwasser

zen. Dadurch ergeben sich Luftdruckunterschiede, die

von Dimethylsulfid und dessen Austausch zwischen

Klimamotor Meer

zurückbleibt, steigt in den Meereisgebieten der Salzgehalt

durch Windströmungen ausgeglichen werden. Von beson-

Wasser und Luft als regulierende Ökosystemleistung des

Das Meer hat einen entscheidenden Einfluss auf das Kli-

des Wassers. Der hohe Salzgehalt und die Abkühlung füh-

derem Einfluss sind die Passatwinde, die in den Tropen

Meeres.

ma. Wissenschaftler bezeichnen es sogar als Klimamotor

ren dazu, dass das Meerwasser dichter und damit schwe-

und Subtropen mehrere Monate lang aus derselben Rich-

der Erde. Zum einen hat das Meer einen regionalen Ein-

rer wird. Dadurch beginnt das Wasser abzusinken. Dieses

tung wehen. In bestimmten Gebieten treiben die Passate

fluss. Da es Wärme lange speichern kann, heizt es im Win-

Phänomen, das in einigen wenigen polaren Meeres­

das Oberflächenwasser von den Küsten fort. In der Folge

ter die Atmosphäre auf und bringt damit in den Küsten­

regionen auftritt, nennen Fachleute Konvektion. Unter-

steigt an den Küsten aus der Tiefe kaltes und nährstoffrei-

Die regulierenden und unterstützenden Dienstleistungen

gebieten wärmere Luft auf das Festland. Weil über dem

halb von etwa 2000 Metern schichtet sich das Wasser in

ches Wasser auf. Fachleute nennen diese Meeresregionen

des Meeres haben für das Leben auf der Erde eine beson-

Meer viel Wasser verdunstet, liefern die Meere in vielen

die tiefen Wassermassen ein und strömt gemächlich

Auftriebsgebiete. Beispiele dafür sind die Küstengewässer

dere Bedeutung, weil zu ihnen fundamentale biologische,

Regionen außerdem zu einem großen Teil den Regen, der

zurück gen Äquator. Damit schließt sich der Kreis der

vor Peru und Südafrika. Da das aufsteigende Wasser viele

biochemische und physikalische Prozesse zählen. Diese

über dem Land niedergeht.

Ve r a n t w o r t u n g f ü r k o m m e n d e G e n e r a t i o n e n

großen Meeresströmungen, der in den Tropen beginnt.­

Nährstoffe aus der Tiefe an die Oberfläche bringt, ist hier

Prozesse laufen seit Jahrtausenden ab und reagieren zum

Zum anderen hat das Meer eine globale Klimawir-

Da diese den Globus umspannenden Strömungen durch

die Primärproduktion besonders hoch. Entsprechend sind

Teil sehr träge auf Veränderungen. Das gilt insbesondere

kung. So nimmt das Meerwasser in den Tropen große

Temperaturen und Salzgehalt getrieben sind, nennen

die Gewässer besonders reich an Fisch.

für den Klimamotor Meer.

Mengen an Sonnenenergie auf und transportiert diese in

­Wissenschaftler dieses Phänomen thermohaline Zirkula­

Richtung der Pole. Da Wasser Wärmeenergie lange spei-

tion (thermo: angetrieben durch Temperaturunterschiede;

Austausch von Gasen

große Wassermassen um, bewegen sich aber meist sehr

chern kann, wird diese über viele Tausend Kilometer

halin: angetrieben durch Salzgehaltsunterschiede).

Die Meeresströmungen wälzen stetig ungeheuer langsam – oftmals langsamer als im Schritttempo. Das TieDas Meer reguliert nicht nur das Klima, sondern auch

fenwasser, das bei der thermohalinen Zirkulation an den

Gase. So tauschen die Ozeane und die Atmosphäre perma-

Polen abgesunken ist, bewegt sich so langsam, dass es

nent große Mengen an Gasen aus. Täglich nimmt das

mehrere Hundert bis 1000 Jahre in der Tiefe verbleibt. Die

Meerwasser beispielsweise Kohlendioxidmengen auf, die

durch den Menschen verursachten Klimaveränderungen,

dem Gewicht von 4 Millionen Mittelklasseautos entspre-

durch die sich das Meerwasser erwärmt, sind infolgedes-

chen. Seit dem Beginn der industriellen Revolution haben

sen bislang vor allem an der Meeresoberfläche erkennbar.

die Meere etwa die Hälfte des gesamten Kohlendioxids

Es wird noch einige Zeit dauern, bis der Klimawandel

(CO 2) geschluckt, das durch die Verbrennung von Erdgas,

wirklich in der Tiefe angekommen ist. Ein Grund zur Ent-

Erdöl und Kohle freigesetzt worden ist. Ohne diese stete

warnung ist das jedoch nicht. Die Veränderungen regulie-

CO 2-Aufnahme hätte sich die Atmosphäre bis heute

render und unterstützender Ökosystemleistungen des

bereits deutlich stärker erwärmt. Neben dem CO 2 gibt es

Meeres wiegen damit in intergenerationeller Hinsicht

eine Reihe von anderen Gasen, die zwischen Meer und

besonders schwer. Veränderungen, die der Mensch heute

Atmosphäre hin und her wandern, beispielsweise Stick-

bewirkt, könnten das Leben der Menschen noch in meh-

stoff oder auch Methan.

reren Hundert Jahren beeinflussen.

A l g e n d u f t a l s Wo l k e n m a c h e r

und unterstützenden Ökosystemleistungen des Meeres

Angesichts der großen Bedeutung der regulierenden geben Nachhaltigkeitsexperten heute zu bedenken, dass Seit einigen Jahren interessieren sich Forscher zudem für

auch der Golfstrom oder der Kohlenstoffkreislauf als kritisches Naturkapital beziehungsweise kritische Dienstleis­

2.13 > Die weltumspannenden Strömungen sind komplex und

und erwärmt, bis sie schließlich aufsteigen. Die Pfade der war-

ein Gas, das lange unbeachtet war: das Dimethylsulfid. Es

verbinden alle Ozeane. Die thermohaline Umwälzbewegung ist

men oberflächennahen Rückströmungen sind rot gezeichnet.

entsteht, wenn sich abgestorbene Algen zersetzen. Es ver-

tungen gesehen werden könnten. Wichtigste Aufgabe für

in der Grafik vereinfacht dargestellt. Die gelben Kreise stel-

­D unkle Gebiete weisen einen höheren, weiße Gebiete einen

ursacht den typischen Duft, den Algen am Meeresstrand

die Zukunft ist es daher, Strategien zu entwickeln, um

len die wichtigsten Gebiete dar, in denen Wasser in die Tiefe

niedrigeren Oberflächensalzgehalt auf. Da der Atlantik im

absinkt. Die lila und blauen Linien, die von dort ausgehen,

Durchschnitt salziger als der Pazifik ist, kann sich hier Tiefen-

verbreiten. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass

diese kritischen und auch die anderen Ökosystemleis­

markieren die Pfade der Boden- und Tiefenströmungen. Auf ih-

wasser leichter bilden. Der Zirkumpolarstrom zeigt, dass alle

Dimethylsulfid in großen Mengen aus dem Meer aufsteigt

tungen des Meeres im Kontext von nachhaltiger Entwick-

rem Weg durch den Ozean werden diese Strömungen ver­m ischt

Ozeane miteinander verbunden sind.

und in der Atmosphäre als wichtiger Kondensationskeim

lung für die Zukunft zu sichern.

53

54

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

55

D e r b e dro hte Oz ean

> S e i t Ja h r ze h n t e n s ch ä d i g t d e r Me n s ch d a s Me e r, i n d e m e r S ch ad s t o ff e

Má laga

e i nl e i t e t , Küst e nl e be nsr ä um e z e r s t ö r t o d e r F i s ch b e s t ä n d e ü b e r m ä ß i g n u t zt . Mi t d e r Me e r e s e rwär m u n g und de r Oz e a nv e r sa ue r ung ge se l l e n s i ch h e u t e B e d r o h u n g e n v o n g l o b a l e m A u s m a ß h i n zu . Vo r au s s et Cádiz

z ung f ür e i ne na c hha l t i ge Nut z u n g d e r Me e r e i s t , i h r e n Z u s t a n d e x a k t zu a n a l y s i e r e n , u m k ü n f t ig d ie

2.15 > Auch Lärm ver-

S P A N I E N

schmutzt die Meere.

ri c ht i ge n um w e l t pol i t i sc he n M aß n a h m e n e r g r e i f e n zu k ö n n e n .

Französische Forscher veröffentlichten 2014 erstmals eine Karte

Gibra lt a r

Vi e l e Ur sa c he n f ür de n k r i t i sc he n Z u s t a n d

zen. Kaum überblicken hingegen können Forscher, wie

de r M e e r e

sich die schleichende Versauerung der Ozeane auf ver-

der Schallbelastung in der viel befahrenen Straße von Gibraltar.

Ceut a

Die Rotfärbung veran-

schiedene Meereslebewesen wie zum Beispiel Fische, Ob Überfischung, Meeresverschmutzung, Erwärmung oder auch Versauerung: Die Meere und ihre Ökosystem-

Meereswissenschaftler haben in den vergangenen

leistungen sind heute stärker bedroht als je zuvor. All die

Jahren versucht, die verschiedenen Aspekte, auf die die

vielen Probleme, die durch regionale Missstände oder

zunehmende Belastung der Meere zurückzuführen ist, zu

durch den weltweiten Klimawandel verursacht werden,

identifizieren und zu ordnen.

A T L A N T I S C H E R

Höhe des Schallpe-

Ta nger

M I T T E L M E E R

O Z E A N

nach von besonderer Bedeutung:

von Einzelmaßnahmen begegnen. Besonders betroffen sind die Küstenregionen, weil sie



gefangen, nach Erdgas und Erdöl gebohrt und intensiver

– Nährstoffe, insbesondere Phosphate und Stickstoff,

Schiffsverkehr betrieben. Auch der Tourismus stellt für

aus der Landwirtschaft und aus ungeklärten Abwäs-

Küsten nämlich vielerorts beliebte Urlaubsziele sind, wer-

–  L ärmverschmutzung der Ozeane durch Schifffahrt

den Naturgebiete, die hier liegen, häufig durch den Bau

und wachsende Offshore-Industrie (Erdgas- und

von Hotelanlagen zerstört.

Erdölgewinnung, Bau von Windenergieanlagen, zukünftiger Meeresbergbau)

Voraussetzung für eine künftige nachhaltige Nutzung

des Tankers „Exxon Valdez“ 1989 vor Alaska wurde ein



zung der Fischbestände; illegale Fischerei •

–  Erdgas- und Erdölgewinnung in küstennahen

fach. Die Verschmutzung, die ein havarierter Öltanker

Gebieten und zunehmend in der Tiefsee, bei der

verursacht, lässt sich noch vergleichsweise gut abschät-

kleinere oder größere Ölmengen frei werden

G lo b ale Bed r o h u n g en



reserwärmung und die Ozeanversauerung dürften sich

– B aumaßnahmen wie zum Beispiel Hafenerweite-

nach Ansicht vieler Wissenschaftler global auf die Meere auswirken. Der Grund für eine Versauerung des Meer-

– Abholzung von Mangroven

wassers ist, dass die höhere Kohlendioxidkonzentration

– Zerstörung von Korallenriffen durch Fischerei oder

(CO 2 ) in der Atmosphäre eben auch zu einer größeren

Tourismus

Menge an gelöstem CO 2 im Meer führt. Dabei bildet sich,

Bioinvasion

vereinfacht ausgedrückt, Kohlensäure. In Laborexperi-

– Einwanderung fremder Arten durch Schiffsverkehr

menten hat man gezeigt, dass durch die Versauerung von

oder Muschelzuchten; Veränderung charakteristi-

Wasser der Kalk (Kalziumkarbonat, CaCO 3 ) von Mee-

scher Lebensräume

restieren wie zum Beispiel Korallen, Muscheln, Schne-

Klimawandel

cken oder Seeigeln angegriffen wird. Das CaCO 3 kommt

– Sand, Kies und Steine für Baumaßnahmen

–  Meereserwärmung

in der Natur in verschiedenen Formen vor, die sich mini-

– für die Entwicklung neuer Medikamente: Gewin-

–  Meeresspiegelanstieg

mal in ihrem chemischen Aufbau unterscheiden – etwa in

–  Ozeanversauerung

den beiden CaCO 3 -Varianten Aragonit und Kalzit, die von

nung von genetischen Ressourcen aus Bakterien,



Vor allem die mit dem Klimawandel einhergehende Mee-

Zerstörung von Lebensräumen rungen, Hotels

Steigende Nachfrage nach Ressourcen

und richtig eingeschätzt werden. Das ist nicht immer ein-

Überfischung – F ischerei in industriellem Maßstab und Übernut-

sern (Eutrophierung der Küstengewässer)

die Uferbereiche eine besondere Gefährdung dar. Weil

des Meeres ist, dass die einzelnen Bedrohungen erkannt



(Abwässer und Abgase)

genutzt wird. In Küstengewässern wird der meiste Fisch

2.14 > Bei der Havarie

Meeresverschmutzung –  G ifte und Schwermetalle aus Industrieanlagen

besonders dicht besiedelt sind und das Meer dort intensiv

Schwämmen und anderen Lebewesen, bei deren

verschiedenen Meerestieren in unterschiedlichen Men-

Küstenstreifen von

Abbau Lebensräume am Meeresboden geschädigt

Die Bedrohungen haben sich den letzten Jahren nicht ver-

genverhältnissen in Gehäusen und Schalen eingebaut

2000 Kilometer Länge

werden könnten

mindert. Nur was die Ölverschmutzung betrifft, ist ein

werden. Wie die Experimente zeigen, könnten unter der

– zukünftiger Meeresbergbau (Abbau von Erzen am

positiver Wandel zu verzeichnen: Die Menge des Öls, die

Ozeanversauerung zunächst vor allem jene Tierarten

Meeresboden), der Lebensräume in der Tiefsee

jährlich ins Meer gelangt, nimmt ab. Außerdem fließen in

­l eiden, die hauptsächlich Aragonit verwenden.

schädigen könnte

Westeuropa heute weniger Nährstoffe in die Nordsee. Bei

Insbesondere die zum Zooplankton zählenden Ptero-

den meisten Einflussgrößen aber ist keine Trendwende in

poden könnten künftig betroffen sein, erbsengroße Flügel-

Sicht. Im Gegenteil: Die Bedrohung nimmt eher zu.

schnecken, die durch das Wasser rudern. Sie sind eine

verölt. Dort befinden sich mehrere Vogelund Naturschutz­ gebiete.

–  Aquakultur (Freisetzung von Nährstoffen, Medikamenten und Krankheitserregern)

gels – je röter, desto lauter.

M A R O K K O

Folgende Bedrohungen und Einflussgrößen sind dem-

machen den Meeresschutz zu einer besonderen Herausforderung. Denn man kann ihnen nur mit einer Vielzahl

schaulicht dabei die

Muscheln oder Schnecken auswirkt.

56

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

Von den weltweit 20 Megastädten mit jeweils mehr als

große Mengen an Schadstoffen ins Küstenmeer eingetra-

10 Millionen Menschen liegen 13 in Küstennähe. Dazu

gen. Diese Schadstoffe können ihren Ursprung tief im

zählen die Städte beziehungsweise Ballungszentren

Landesinnern haben. So gelangen beispielsweise die

2.16 > Pteropo-

Dhaka (14,4 Millionen), Istanbul (14,4), Kalkutta (14,3),

chemisch sehr stabilen Fluorpolymere, die für die

den besitzen zarte

Mumbai (18,2) und Peking (14,3). Fachleute erwarten,

Herstellung von Outdoorjacken oder fett-, schmutz- und

Kalkschalen, die sich

dass die Verstädterung der Küstengebiete in den nächsten

wasserabweisenden Papieren genutzt werden, über die

der Ozeanversauerung

Jahren weiter zunehmen wird. Nach ihrer Einschätzung

Fabrikschornsteine in die Atmosphäre und können

auflösen könnten.

wird sich beispielsweise in Westafrika bis zum Jahr 2020

dort Tausende von Kilometern bis in weit entfernte Regi-

der heute bereits dicht besiedelte, 500 Kilometer lange

onen zurücklegen. Auch der Transport von Fäkalien oder

unter dem Einfluss

Küstenstreifen zwischen der ghanaischen Hauptstadt

mit Schwermetallen belasteten Industrieabwässern bis

Accra und dem Nigerdelta in Nigeria zu einem urbanen

ins Meer beginnt oft weit im Landesinnern. Fachleute

Band, einer Megalopolis, mit mehr als 50 Millionen Ein-

schätzen, dass heute 80 Prozent der Meeresverschmut-

wohnern entwickeln.

zung einschließlich der Düngemittel vom Land stammen.

57

Überhaupt fällt es schwer, eine klare Grenze zwiD ie Bed eu t u n g d es H in t er lan d s f ü r d ie Kü s t en

schen Küste und Hinterland zu ziehen – wo beginnt das eine, wo hört das andere auf ? Tatsächlich gibt es keine all-

Wie es den Küstenmeeren geht, hängt zum einen von den

gemeine Definition des Begriffs „Küste“. Wissenschaftler

Aktivitäten direkt an der Küste und zum anderen vom Ein-

einzelner Fachrichtungen haben in dieser Frage unter-

fluss des Hinterlands ab. Manche Probleme wie etwa die

schiedliche Relevanzkriterien. Für Geologen mag der Sedi-

Einleitung ungeklärter Abwässer oder die Zerstörung des

menttransport aus den Bergen oder dem Hinterland ins

wichtige Nahrung für Fische oder auch Wale. Pteropoden

zusammen und katapultiert sich mit einem Wasserstrahl

Uferstreifens durch Baumaßnahmen ergeben sich direkt

Küstenmeer von Interesse sein. Botaniker hingegen, die

besitzen besonders zarte Aragonitschalen, die, so befürch-

aus der Gefahrenzone. Mit zunehmend saurem Wasser

vor Ort an der Küste. Über die Flüsse oder die Luft aber

die Vegetation in Salzwiesen erforschen, dürften den Küs-

ten es Meeresbiologen, sich sehr schnell auflösen könnten.

aber verlangsamen sich die ruckartigen Bewegungen,

werden in vielen Regionen auch aus dem Hinterland

tenbegriff enger fassen.

Studien zeigen, dass die Ozeanversauerung sogar ihren

sodass die Muschel vor ihren Feinden weniger gut flüch-

Nachwuchs bedroht, der schon während der Wachstums-

ten kann.

phase eingehen könnte. Aber auch die Gehäuse erwachsener Tiere zersetzen sich nach und nach.

Beunruhigend ist, dass mit der Ozeanversauerung und der Meereserwärmung 2 Phänomene zusammenkommen,

Da sich Gase wie CO 2 besonders gut in kaltem Wasser

die einander verstärken können. So konnten Ökophysiolo-

2.17 > Ein Slum in

lösen, versauern vor allem die kalten Gewässer in höheren

gen, die sich mit dem Stoffwechsel von Tieren befassen,

der ghanaischen

Breiten am schnellsten. Meeresforscher haben bereits

anhand von Laborversuchen zeigen, dass manche Krebse

erste Anzeichen dafür gefunden, dass in kalten Gewäs-

oder Fische schneller sterben, wenn das Wasser zugleich

sern langsam jener kritische Punkt überschritten wird, ab

wärmer und saurer wird.

500 Kilometer lange Küstenstreifen zwischen Accra und dem Nigerdelta in Nigeria

dem sich das Aragonit aufzulösen beginnt. So wurden bei Schiffsexpeditionen der Wetter- und Ozeanografiebehörde

Hauptstadt Accra. Der

Brennpunkt Küste

der USA (National Oceanic and Atmospheric Administra­

dürfte sich bis 2020 zu einem urbanen Band mit mehr als 50

tion, NOAA) im Pazifik vor den nördlichen US-Bundes-

Nicht alle Meeresregionen sind von den gleichen Umwelt-

Millionen Einwohnern

staaten Washington und Oregon bereits zahlreiche ausge-

problemen bedroht. Vor allem in den Küstenregionen aber

entwickeln.

wachsene Pteropoden gefangen, deren Gehäuse deutliche

kommen viele Probleme zusammen, da diese oftmals zu

Spuren von Korrosion zeigten.

den am dichtesten besiedelten Gebieten der Welt gehören.

Auch das Verhalten von Tieren kann sich durch ver-

Ein umfassender Meeresschutz in diesen Regionen käme

sauerndes Wasser verändern. So stellten Forscher fest,

damit sehr vielen Menschen zugute. Nach Schätzungen

dass die im Atlantik heimische Große Pilgermuschel ihre

der Vereinten Nationen leben heute mehr als 40 Prozent

Fähigkeit verliert, vor ihren Feinden zu fliehen. Für

der Weltbevölkerung, rund 2,8 Milliarden Menschen, in

gewöhnlich presst die Muschel bei Gefahr ihre Schalen

einem Abstand von maximal 100 Kilometern zur Küste.

58

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

D i e S um m e v i e l e r Be dr ohunge n :

Extremfall entstehen sauerstofffreie Zonen, in denen

d a s Küst e nsy ndr om

Fische, Krebse oder Muscheln nicht mehr überleben kön-

Gemessene Pla s t ikmüllkonzent rat ion in Gra mm pro Quadrat kilometer

nen. Beispiele für stark eutrophierte Meeresgebiete sind Mit Blick auf die Häufung von Umweltproblemen an den

das Mississippidelta am Golf von Mexiko und das Gelbe

Küsten haben Umweltforscher den Begriff „Küstensyn-

Meer an der Ostküste Chinas.

0 0 bis 5 0 5 0 bis 20 0

20 0 bis 5 0 0 5 0 0 bis 10 0 0 10 0 0 bis 25 0 0

stark mit Plastikmüll

lichen, dass Küstengewässer vielerorts Symptome zeigen,

wirtschaft, die der Mississippi mit sich trägt, hat sich vor

die darauf hindeuten, dass ihre Funktions- und Leis­

der Küste des US-Bundesstaats Louisiana in den vergange-

1 bis 2,5 Kilogramm

tungsfähigkeit gestört ist. Die Forscher berücksichtigen

nen Jahren eine sogenannte Todeszone gebildet, die eine

pro Quadratkilometer

dabei sowohl den Einfluss, den das Hinterland auf das

Ausdehnung von bis zu 20 000 Quadratkilometern errei-

Küstenmeer hat, als auch jene Probleme, die unmittelbar

chen kann.

belastet. Die höchsten Konzentrationen von

finden sich in den großen Meereswirbeln – insbesondere im Nordpazifik.

Im Gelben Meer, dem Meeresgebiet zwischen China und Korea, bilden sich seit 2007 in jedem Sommer große Blüten der Großalge Ulva prolifera, die als dicke grüne

Überdüngung (Eutrophierung)

Schicht auf der Meeresoberfläche treiben. Im Sommer

In Regionen, in denen intensiv Landwirtschaft betrieben

2008 erreichte der Algenteppich seine bislang größte Aus-

wird, gelangen viele Nährstoffe in den Boden. Sie werden

dehnung von rund 1200 Quadratkilometern, was in etwa

als Kunstdünger auf die Felder gebracht oder fallen als

der doppelten Größe des Genfer Sees entspricht. Mitten in

Gülle in Mastbetrieben an. Hinzu kommen ungeklärte

der Hochsaison und während der olympischen Segelwett-

Von Fischerbooten

Abwässer aus Kommunen und insbesondere Fäkalien, die

bewerbe trieb er vor die chinesische Küstenmetropole

Verschmutzung

aus versuchen Helfer,

ebenfalls nährstoffreich sind. Über Bäche und Flüsse oder

Qingdao. Allein von den Stränden vor Ort mussten die

Es gibt 2 völkerrechtliche Verträge, die den Meeresschutz

wässer. Ein großer Teil sammelt sich mitten in den Ozea-

die grünen Massen

die Kanalisation gelangen überschüssige Nährstoffe bis

Behörden anschließend rund 1 Million Tonnen Biomasse

international zur Pflicht gemacht haben: das Übereinkom-

nen. Dort rotieren große Wassermengen in gigantischen

etwa 10 Jahren treten

ins Meer. Vor allem Phosphor- und Stickstoffverbindungen

abtragen. In einer aktuellen Studie kommen chinesische

men über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch

Wirbeln, die den Müll gewissermaßen einfangen. Der

Algenblüten in der

regen Algen zu starkem Wachstum an, und es kommt zu

Forscher zu dem Schluss, dass die Nährstoffbelastung der

das Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen (London

gewaltigste dieser Müllflecken ist der mehrere Tausend

Region auf. Forscher

Algenblüten. Am Ende werden die abgestorbenen Algen

chinesischen Küstengewässer am Gelben Meer von 2007

Convention, LC) von 1972 und sowie das London Protocol

Quadratkilometer große Great Pacific Garbage Patch (Gro-

führen sie auf den

von Bakterien abgebaut, die Sauerstoff zehren. Je mehr

bis 2012 im Durchschnitt um 45 Prozent höher lag als im

(LP) von 1996, das die Bestimmungen verschärft und kon-

ßer Pazifischer Müllflecken). Wie dicht der Müll dort ist,

Nährstoffen ins Meer

Algen vorhanden sind, desto intensiver ist der bakterielle

Zeitraum 2001 bis 2006.

kretisiert. Dennoch ist die Situation auch heute noch in

zeigte die dramatische Suche nach Trümmern des am

zurück.

Abbau und desto größer der Sauerstoffverbrauch. Im

Küstenstadt Qingdao.

einzusammeln. Seit

starken Eintrag von

sind unterschiedlich

Aufgrund der großen Nährstoffmengen aus der Land-

Küstensyndrom bei:

vor der chinesischen

2.19 > Die Weltmeere

drom“ geprägt. Mit diesem Ausdruck wollen sie verdeut-

an der Küste auftreten. Folgende Aspekte tragen zum

2.18 > Algenplage

59

Der Plastikmüll verschmutzt nicht nur die Küstenge-

Dass sich die Nährstoffmengen zumindest teilweise

vielen Küstengebieten desolat. Noch immer gelangen

8. März 2014 über dem Pazifik abgestürzten Passagierflug-

reduzieren lassen, zeigen Untersuchungen aus Deutsch-

große Mengen verschiedener Schadstoffe ins Meer:

zeugs der Malaysia Airlines (Flug MH370). Tagelang ver-

land. So ließen sich die jährlichen Einträge von Phos-

Schadstoffe aus ungeklärten Abwässern oder der Abluft

suchten Spezialisten von Flugzeugen aus und mithilfe von

phaten im deutschen Einzugsgebiet der Nordsee durch

von Industrieanlagen, Erdöl aus dem Routinebetrieb von

Satellitenbildern, Teile des Wracks zu entdecken. Perma-

das Verbot phosphathaltiger Waschmittel, durch eine ver-

Bohrinseln oder von Tankerunfällen und mengenweise

nent gab es Falschmeldungen, weil die Suchtrupps Müll-

besserte Abwasserreinigung in Kläranlagen und einen

Plastikmüll. Der Plas­t ikabfall stammt zum großen Teil vom

teile mit Trümmern verwechselten.

optimierten Einsatz von Phosphatdüngern zwischen 1985

Land. Vor allem dort, wo eine gut organisierte Müllabfuhr

und 2005 von rund 67 000 Tonnen auf 18 000 Tonnen

fehlt, wird er über Flüsse ins Meer gespült oder vom Land

Zerstörung küstennaher Lebensräume

reduzieren. Die Stickstoffmenge wurde im selben Zeit-

direkt ins Wasser geweht.

Zu den küstennahen Lebensräumen, die nach wie vor zer-

raum vor allem durch optimierte Düngetechnik von

In viel befahrenen Schifffahrtswegen (beispielsweise

stört werden, zählen Feuchtgebiete, Salzwiesen und Watt-

804 000 auf 418 000 Tonnen verringert. Letztlich hat sich

Ärmelkanal) hat der Schiffsmüll einen hohen Anteil am

flächen, Korallenriffe und Mangrovenwälder. Die Gründe

die Düngung in den vergangenen Jahrzehnten generell

Plastikabfall im Meer. Bis heute gibt es nur ungenaue

für die Zerstörungen unterscheiden sich von Region zu

verbessert, weil Landwirte heute vermehrt zum optimalen

Schätzungen der Plastikmenge, die jährlich auf der ganzen

Region. Feuchtgebiete wie zum Beispiel manche Buchten

Zeitpunkt düngen. Zudem werden heute Dünger angebo-

Welt ins Wasser gelangt. US-Forscher der National Aca-

oder Wattgebiete gehen häufig durch Bauprojekte, durch

ten, die besser von den Pflanzen aufgenommen werden.

demy of Sciences gingen bereits 1997 von 6,4 Millionen

Landgewinnung und Eindeichungen verloren. So wurde

Damit verbleibt weniger überschüssiger Dünger im Boden,

Tonnen Plas­tikmüll aus. Bis heute dürfte sich die Menge

2006 vor der Küste Südkoreas die Saemangeum-Bucht mit

der mit dem Regen ausgewaschen werden könnte.

noch erhöht haben.

einem 33 Kilometer langen Deich vom Meer abgetrennt,

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Korallenriffe, wie dieses im Roten Meer vor Ägypten, sind wegen ihres Artenreichtums von besonderer Bedeutung. Weltweit leben in Korallenriffen rund 1 bis 3 Millionen verschiedene Spezies. Allerdings sind diese Lebensräume heute gleich mehrfach bedroht.

um Land zu gewinnen. Die Bucht war bis dahin das dritt-



Küstenentwicklung (Baumaßnahmen);

größte Wattenmeer weltweit gewesen (nach dem Watten-



Verschmutzung des Meerwassers durch Eintrag von Schadstoffen oder Trübstoffen aus den Flüssen;

meer an der dänischen, deutschen und niederländischen Nordseeküste und der Bay of Fundy an der kanadischen



Verschmutzung des Meerwassers vor Ort durch

Tropen

Atlantikküste). Durch den Bau des Deiches ging eine Watt-

direkte Einleitung von Abwässern an der Küste und

Als Tropen be-

fläche von 400 Quadratkilometern verloren, was in etwa

von Handels- und Kreuzfahrtschiffen sowie Zerstö-

zeichnet man die

der Fläche der griechischen Insel Naxos entspricht.

rung durch Grundberührung von Fähren oder touristi-

Klimazone zwischen

Zwar gibt es ein Sperrwerk, über das Wasser aus der

schen Booten.

dem nördlichen und südlichen Wendekreis

Bucht abfließen kann, allerdings wurde der regelmäßige

der Sonne. Korallen kommen zum Teil

Gezeitenstrom unterbrochen, sodass das Wattenmeer

Zählt man zu diesen direkten Bedrohungen noch den glo-

nicht mehr vorhanden ist. Saemangeum war früher eines

balen Einfluss des Klimawandels, der Meereserwärmung

der wichtigsten Rastgebiete von verschiedenen Zug­

und der Ozeanversauerung hinzu, dann müssten heute

vögeln, die in Sibirien brüten und in Südostasien überwin-

nach Ansicht von Experten bereits 75 Prozent aller tro-

zum 30. Breitengrad

tern. Durch die Eindeichung des Wattenmeeres ging vie-

pischen Korallenriffe als bedroht eingestuft werden. Vor

vor, beispielsweise

len Vögeln dieser wichtige Nahrungsraum verloren. In der

allem die Meereserwärmung ist ein Problem. Korallen

Folge sind die Bestände einiger seltener Zugvogelarten

sind auf symbiontische Einzeller angewiesen, die auf ihrer

stark geschrumpft.

Oberfläche leben, Photosynthese betreiben und die Koral-

Wildtiere (Sacramento Fish and Wildlife Office) jetzt einen Maßnahmenplan ausgearbeitet, nach dem die Bucht zum Teil renaturiert werden soll.

40

20

Bedroht sind heute auch tropische Korallenriffe. Sie bedecken nur etwa 1,2 Prozent der Kontinentalschelf­

0

gebiete weltweit. Doch sie sind ungeheuer artenreich.

Loka le Gefä hrdungen

Man schätzt, dass tropische Korallenriffe etwa 1 bis 3 Millionen Arten von Fischen, Muscheln, Korallen oder Bakterien beheimaten. Allein etwa ein Viertel aller Meeresfischarten lebt in tropischen Korallenriffen. Experten

2.21 > Ein internationales Forscherteam hat 4 Kategorien von Bedrohungen definiert, denen tropische Korallenriffe vor Ort ausgeliefert sind. Fasst man diese Gefährdungen zusammen, so ergibt sich, dass 60 Prozent der Korallenriffe mindestens

gehen davon aus, dass bis heute rund 20 Prozent der tro-

mittelstark gefährdet sind. Berücksichtigt man darüber hinaus

pischen Korallenriffe zerstört wurden. 30 Prozent sind

auch die Meereserwärmung, muss man sogar 75 Prozent der

stark geschädigt. Mehr als 60 Prozent aller tropischen

Riffe als mindestens mittelstark gefährdet einstufen. Die bedeutendste einzelne Gefährdungskategorie ist die Überfi-

Korallenriffe sind aktuell durch mindestens einen der fol-

schung und unachtsame Fischerei. Davon sind 55 Prozent al-

genden lokal bedingten Aspekte bedroht:

ler tropischen Riffe mindestens mittelstark betroffen. Für jede Kategorie wurde der Grad der Gefährdung (schwach bis stark)



Zerstörung durch Überfischung oder unachtsame Fischerei, bei der die Korallen verwüstet werden;

Roten Meer. Vereinfachend aber werden all diese Korallen als

angepasste KaltwasZusa mmengefa ss te loka le Gefä hrdungen und M eereser wä r mung

wurde. In der Stadt Sacramento hat das Amt für Fisch und

vor Florida oder im

es an kaltes Wasser Zus a mmengefa ss te loka le Gefä hrdungen

cken und Siedlungsbereiche zerschnitten und überbaut

60

S chads tof feint rag durch Flüsse

Zustand, da ein Großteil der Fläche durch Straßen, Brü-

schwach mit tel stark sehr s t a r k

Küs tenent wicklung

den sich nur noch etwa 8 Prozent in einem natürlichen

80

direk te Einleitung von S chads tof fen und B eschädigung durch S chif f s ver kehr

das größte Feuchtgebiet an der US-Westküste. Heute befin-

10 0 Üb er f ischung und unacht s a me Fischerei

Das Gebiet hat in etwa die Fläche von Manhattan und ist

Subtropen bis etwa

Darüber hinaus gibt Prozent der welt weiten Kora llenr if fe nach K ategor ie der Gefä hrdung

wiesen und Schilfgürtel an der Bucht von San Francisco.

Wendekreise in den

tropisch bezeichnet.

Auch viele Feuchtgebiete an den Küsten weltweit werden oder wurden zerstört. Ein Beispiel sind die Salz­

auch jenseits der

ermittelt. Riffe, die gleich in mehreren Kategorien stark gefährdet sind, gelten in der Zusammenfassung als sehr stark gefährdet.

serkorallen, die in größeren Tiefen und dunkler Umgebung leben, beispielsweise vor Norwegen. Diese sind hier nicht berücksichtigt.

62

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

Indischer Ozea n

Kora llenr if fe

63

Aus t ra lien

M it t lerer Os ten

Pa zif ischer Ozea n

Südos t a sien

At la nt ischer Ozea n

Ma ngroven

2.22 > Das Verbrei-

len mit Nährstoffen versorgen. Wird das Wasser zu warm,

Weltweit gibt es rund 70 verschiedene Mangrovenarten.

Überfischung

kaufte die inzwischen abgewählte senegalesische Regie-

2.23 > Mangroven

tungsgebiet tropischer

sterben zunächst die Symbionten und dann die Korallen.

Die unter Wasser reich verzweigten Mangrovenstämme

Rund 90 Prozent des gesamten Wildfischfangs stammen

rung über viele Jahre Fischfanglizenzen an ausländische

kommen in den

Die Ozeanversauerung erhöht den Stress für die Korallen

sind ein wichtiger Lebensraum für viele Tierarten, insbe-

aus den Küstengebieten beziehungsweise aus den Aus-

Fangflottenbetreiber. Diese befischten die senegalesi-

zusätzlich.

sondere auch für Jungfische. Da Mangroven die Küsten

schließlichen Wirtschaftszonen (AWZ), in denen jeweils

schen Gewässer so intensiv, dass die Fangmengen der ein-

Im weltweiten Vergleich sind die Korallenriffe in Süd-

wie ein grünes Band umgeben, wirken sie auch als natür-

nur der entsprechende Küstenstaat fischen darf. Viele

heimischen Fischer massiv schrumpften. Zum anderen

Mangrovenarten,

ostasien am stärksten bedroht. 95 Prozent der Riffe dort

liche Wellenbrecher und schützen vor Tsunamis und Stür-

Nationen haben ihre Küstengewässer und ihre AWZ in

kann die intensive Fischerei dazu führen, dass sich die

von denen viele vom

werden durch mindestens einen der genannten lokal

men.

den vergangenen Jahrzehnten zu intensiv befischt.

Nahrungsnetze im Meer und somit ganze Lebensräume

Korallen umfasst ungefähr den Bereich zwischen 30 Grad nördlicher und 30 Grad südlicher Breite. Um zu untersuchen, wie bedroht die Koral-

Subtropen und Tropen vor. Es gibt insgesamt 70 verschiedene

Aussterben bedroht sind, besonders jene

lenriffe sind, haben

bedingten Aspekte belastet. Und auf rund 50 Prozent der

Mangroven sind in den vergangenen Jahren vielerorts

Dadurch hat die Größe der Fischbestände zum Teil dras­

verändern. Anfang der 1990er Jahre brachen durch die

in Indonesien, den

Forscher verschiedene

südostasiatischen Korallenriffe wirken gleich mehrere

zerstört worden. So wurden Mangrovenwälder trockenge-

tisch abgenommen. So ist nach Angaben der Welternäh-

industrielle Fischerei die Kabeljaubestände vor Neuschott-

Philippinen und Zen-

Regionen, in denen

Bedrohungs­ a spekte ein. Besonders betroffen sind die

legt, um Bauland für Hafenanlagen oder Hotels zu gewin-

rungsorganisation (Food and Agriculture Organization of

land an der Ostküste Kanadas zusammen. Obwohl ein

tralamerika.

miteinander ver­

Korallenriffe in Indonesien und den Philippinen. In beiden

nen. Auch für den Bau von Garnelen-Zuchtfarmen wurden

the United Nations, FAO) die Zahl der zusammengebro-

Fangverbot verhängt wurde, haben sich diese Bestände

glichen.

Gebieten sind Überfischung und unachtsamer Fischfang

in vielen Regionen Mangroven zerstört. In Ecuador und

chenen und überfischten Bestände von 10 Prozent im

bis heute nicht wirklich erholt. Man fürchtet, dass sich der

für die Riffe die größten Stressfaktoren.

den Philippinen hat man für die Zucht von Garnelen rund

Jahr 1974 auf 28,8 Prozent im Jahr 2011 gestiegen. Da

Lebensraum so verändert hat, dass diese Fischart kaum

70 Prozent der Mangrovenfläche vernichtet.

zunächst viele Fischbestände auf der Nordhalbkugel

nachwachsen kann. Der Kabeljau ist ein Raubfisch, der kleinere Fischarten wie den Hering oder die Lodde jagt,

Korallen vorkommen,

Zu den wichtigen küstennahen Lebensräumen, die heute weltweit stark gefährdet sind, gehören die Mangro-

Der Holzeinschlag trägt ebenfalls zur Zerstörung der

geplündert wurden, verlegte sich die Fischerei von den

venwälder. Mangroven sind die einzigen Baumarten, die

Mangrovenwälder bei, was für die oftmals arme Küstenbe-

klassischen Fischrevieren im Nordatlantik und Nordpazi-

die sich von Plankton ernähren. Als er verschwand, ver-

direkt im Meerwasser wachsen. Ihre Wurzeln befinden

völkerung existenzbedrohend ist. Da mit den Mangroven

fik immer weiter nach Süden.

mehrten sich die kleinen Planktonfresser deutlich und

sich stets unter Wasser beziehungsweise im feuchten

die Kinderstube der Fische verschwindet, fangen Fischer

Heikel ist diese Situation in zweierlei Hinsicht. Zum

fraßen den Kabeljaularven, die sich ebenfalls von Plankton

Sediment. Sie kommen in tropischen und subtropischen

in vielen Gebieten bereits deutlich weniger Fisch. Und

einen entzieht der Raubbau in einigen Gebieten den ein-

ernähren, die Nahrung weg. Hinzu kommt, dass Hering

Breiten vor. Mangroven haben Stoffwechselprozesse ent-

durch den Verlust des Küstenschutzes richten Stürme

heimischen Fischern ihre Erwerbsgrundlage und der

und Lodde auch Kabeljaueier und Kabeljaularven fressen

wickelt, mit denen sie das Salz, das sie über die Wurzeln

heute oftmals erheblich mehr Schäden an als noch vor

Bevölkerung eine wichtige Nahrungsquelle. Dieses Pro-

und damit den Nachwuchs dezimieren. So haben sich die

aufnehmen, speichern und wieder ausscheiden können.

wenigen Jahren.

blem ist beispielsweise aus dem Senegal bekannt. So ver-

Kabeljaubestände bis heute nur wenig erholen können.

64

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

Veränderung der Biodiversität

Welt in ein anderes vordringen können; diese tragen

Ein Beispiel dafür, wie stark sich eine fremde Art in neuen

sam in die Höhe wachsenden Sedimentmassen kompen-

Überfischung und Eutrophierung sowie Hitze- und Säure-

jeweils zu etwa einem Drittel zur Bioinvasion bei:

Gebieten durchsetzen kann, ist der Pazifische Rotfeuer-

siert werden. Zum anderen kann der Sedimenttransport so

fisch Pterois volitans, der sich vor Florida, im Golf von

stark sein, dass die Sedimente langsam in die Höhe wach-

stress beeinträchtigen die Artenvielfalt und die LebensEinschleppung durch Bewuchs auf Rümpfen von Han-

Mexiko und in den Korallenriffen der Karibik verbreitet

sen, wodurch sich das Delta nach und nach verbreitert,

nen sich diese Faktoren in ihrer Wirkung verstärken. In

delsschiffen (Biofouling). Dazu zählen vor allem

hat und ursprünglich aus japanischen Gewässern stammt.

weil sich der Fluss immer neue Wege ins Meer sucht.

anderen Fällen verändert bereits ein Faktor die Meeres­

Muscheln, Schnecken oder Seepocken, die sich direkt

Der Rotfeuerfisch ist ein Räuber und dezimiert einheimi-

Außerdem kann es sein, dass der Sedimenttransport nicht

umwelt in großem Umfang. Von der Eutrophierung zum

an die Bordwand heften. Zahllose andere Arten finden

sche Tierarten. Er verfügt über giftige Stacheln an seinen

ausreicht, um das Absinken der Lithosphäre zu kompen-

Beispiel können größere Algenarten betroffen sein, die

in diesem Aufwuchs Schutz.

Flossen und wird daher kaum gejagt. Man vermutet, dass

sieren, sodass die Deltaregion langsam versinkt und der

Einschleppung durch Ballastwasser in Schiffen.

Aquaristen Anfang der 1990er Jahre einige Exemplare vor

Meeresspiegel in Relation zum Land ansteigt.

des Planktons das Wasser trübt, gelangt weniger Licht in

­B allastwasser stabilisiert Schiffe bei Leerfahrten. Je

der US-Küste aussetzten. Seitdem haben sich die Bestände

die Tiefe. Aufgrund dieses Lichtmangels ist beispielsweise

nachdem, ob ein Schiff nun be- oder entladen wird,

weit nach Süden ausgebreitet.

der Blasentang Fucus vesiculosus, der sich unter Wasser

wird Ballastwasser im Hafen ab- oder zugepumpt. Mit

Große wirtschaftliche Auswirkungen in Argentinien

Regionen nämlich entsteht ein Mangel an Sedimenten,

an Steine heftet, in der Ostsee aus dem Tiefenbereich zwi-

dem Ballastwasser können Eier oder L­ arven von Mee-

hatte die Ausbreitung der aus Flussmündungen in China

weil Staudämme das Wasser zurückhalten. Weltweit sind

schen 6 und 12 Metern verschwunden. Er kommt nur

restieren übertragen werden, zum Teil sogar Krank-

stammenden Goldmuschel Limnoperna fortunei. Im Río

mehr als 41 000 große Staudämme in Betrieb. Hinzukom-

noch im flachen Wasser vor, in dem noch ausreichend

heitserreger.

de la Plata verdrängte sie die bisher verbreiteten einheimi-

men viele kleinere Dämme und Wasserreservoirs. Zusam-

räume in den Küstengewässern. In manchen Fällen kön-

fest am Meeresgrund sitzen. Da das vermehrte Wachstum





Ein Versinken der Deltaregion kann auch durch den Bau von Staudämmen herbeigeführt werden. In vielen

Einschleppung durch Muschelzüchter oder Aquaris-

schen Spezies und wuchert bis heute Hafenmauern, Trink-

men stauen sie 14 Prozent des weltweiten Gesamtab-

schwindenden Blasentangwäldern auch Jungfische ihren

ten. Saatmuscheln, die beispielsweise für die Austern-

und Kühlwasserleitungen sowie die Turbinen von Wasser-

flusses der Flüsse und gewaltige Mengen Sediment. Damit

Lebensraum sowie zahlreiche andere Organismen, die auf

zucht ausgesetzt werden, verbreiten sich in den

kraftwerken zu. Mit großem Aufwand muss sie nun

geht der Küste Nachschub verloren, der das durch Strö-

dem Blasentang leben.

Licht vorhanden ist. Fatalerweise verlieren mit den



Importgebieten. Oftmals befinden sich auf den Saat-

regelmäßig mit Hochdruckreinigern von den Bauten ent-

mungen und Wellen permanent fortgetragene Sediment

Küstenlebensräume werden auch durch aus fremden

muscheln noch andere Arten, die, sofern die Umwelt-

fernt werden.

wieder auffüllen und ein Absinken verhindern könnte.

Gebieten eingeschleppte neue Pflanzen- oder Tierarten

bedingungen günstig sind, ebenfalls im neuen Gebiet

Inzwischen weiß man, dass von der Bioinvasion ins-

verändert, die sich breitmachen. Wissenschaftler nennen

heimisch werden können. Aquarienbetreiber setzen

besondere Häfen in den Subtropen und Tropen betroffen

staudamms

dieses Phänomen Bioinvasion. Generell gibt es 3 Wege,

Zuchtfische und andere Arten gelegentlich bewusst

sind. So haben Experten für Mathematische Biologie vor

schwemmungen fruchtbare Sedimente aus dem Landesin-

auf denen fremde Arten aus einem Küstengebiet dieser

aus, um sich ihrer zu entledigen.

Kurzem berechnet, wie groß das Risiko einer Artver-

nern in das Nildelta am Mittelmeer. Die Sedimente waren

schleppung zwischen einzelnen Häfen durch den Trans-

nicht nur für die Bauern an den Ufern des Nils essenziell,

port von Ballastwasser ist. Dazu analysierten sie die Reise-

sondern auch, um das Absinken der schweren Deltaregion

daten von mehr als 30 000 Schiffen aus den Jahren 2007

zu kompensieren. Mit dem Dammbau in den 1960er Jah-

Ein Beispiel dafür ist der Nil. Vor dem Bau des Assuanspülten

jährlich

wiederkehrende

Über-

und 2008, mitsamt allen Stopps in rund 1500 Häfen. In

ren blieben die Überflutungen und Sedimenttransporte

2.24 > Der Rotfeuer-

ihre Berechnung ließen die Forscher auch Informationen

aus. Die Deltaregion sinkt dadurch bis heute ab. Das hat

fisch Pterois volitans

über die Wassertemperaturen und den Salzgehalt in den

auch dazu geführt, dass Salzwasser in den Flussmün-

Häfen einfließen. Zu den Hochrisikohäfen und -gebieten

dungsbereich sickert, sodass das Grundwasser versalzt.

Gewässern. Als

zählen demnach Singa­p ur, der Sueskanal, Hongkong, der

Nachhaltige Ernterückgänge und massive Küstenerosion

Raubfisch hat er sich

Panamakanal und Kaohsiung auf Taiwan.

sind die Folgen. Ähnliche Probleme sind für den Drei-

stammt ursprünglich aus japanischen

von Florida bis in die Karibik ausgebreitet. Man vermutet, dass

Schluchten-Staudamm im Jangtsedelta zu erwarten. Veränderung des Sedimenttransports

Der Mensch greift aber noch auf andere Weise in den

erste Exemplare in

Wie stark Küste und Hinterland miteinander verknüpft

Sedimenthaushalt ein. Durch die Rodung von Wäldern,

den 1990er Jahren

sind, zeigen auch die Veränderungen des Sedimenttrans-

durch Überweidung und ungünstige Felderwirtschaft

von Aquaristen an der

ports aus den Flüssen ins Meer. Sedimente lagern sich

kommt es vor allem in tropischen Regionen zu starker

häufig in den Mündungsgebieten von Flüssen ab, etwa in

Bodenerosion. Mit dem Regen wird der Boden verstärkt

Deltas. Zum Teil bilden sich dort mächtige Sedimentpa-

in die Flüsse gespült. Dadurch wird das Wasser getrübt,

kete. Durch das Anhäufen der Sedimente gibt die Litho-

und die Gewässergüte verschlechtert sich. Im Mündungs-

sphäre, die obere Schicht des Erdkörpers, allmählich nach.

bereich der Flüsse lagern sich dann vermehrt Sedimente

Je nach Situation vor Ort kann das unterschiedliche Fol-

ab, wodurch Lebensräume am Boden verdeckt und so zer-

gen haben. Zum einen kann das Absinken durch die lang-

stört werden können.

US-Küste ausgesetzt worden waren.

65

66

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

Der Klimawandel als Bedrohung für die Küsten

Die Suche nach dem Idealzustand

Viele Bedrohungen für die Küsten haben ihren Ursprung

Ein Teu f els kr eis au s Ar m u t u n d U m welt zer s t ö r u n g

in der betroffenen Region selbst oder im Hinterland des

Alles in allem befinden sich die Meere zurzeit in einem

Küstenstaates. Der Klimawandel hingegen ist ein Phäno-

schlechten Zustand. Sie sind übernutzt und verschmutzt.

Die Zerstörung der Küstenökosysteme trifft in vielen Regionen vor

die Produktion von Holzkohle zu schlagen. Das schnelle Bevölke-

men, das keine Grenzen kennt und auf dem ganzen Glo-

Bis heute ist es der Menschheit ganz offensichtlich nicht

allem die Armen, weil sie diverse Güter aus ihrem unmittelbaren

rungswachstum und die Armut führten dazu, dass Haiti bis in die

bus wirkt. Aus Sicht des Menschen stellt insbesondere der

gelungen, die marinen Naturkapitalien nachhaltig zu nut-

Lebensumfeld wie beispielsweise Fisch oder Mangrovenholz für ihr

1990er Jahre fast völlig entwaldet wurde, um Platz für Ackerflä-

zen und sicherzustellen, dass die Meere auf lange Sicht

Überleben benötigen. Sie verdienen nicht genug Geld, um sich auf

chen zu schaffen. Der Wald schrumpfte auf knapp 4 Prozent der

den Ausstoß des Klimagases Kohlendioxid (CO 2 ) zu ver-

ihre Ökosystemleistungen erbringen können. Die Pro-

andere Weise mit Lebensmitteln oder Energie zu versorgen oder

ursprünglichen Fläche. Auch die Mangroven an der Küste wurden

ringern, das durch die Verbrennung von Erdgas, Erdöl und

bleme sind seit Langem bekannt.

aus Gebieten fortzuziehen, die von Umweltschäden betroffen sind.

zum großen Teil zerstört. Das Klima auf Haiti ist heute wesentlich

Experten definieren in diesem Zusammenhang 2 Arten von Armut:

trockener als früher, da der Boden jetzt deutlich weniger Wasser

die exogene und die endogene Armut.

speichert und verdunstet als zu der Zeit, als er noch bewaldet war.

Meeresspiegelanstieg eine Gefahr dar. Gelingt es nicht,

Kohle freigesetzt wird, wird sich die Erde so weit erwär-

Häufig fehlte es überhaupt am politischen Willen zu

men, dass die Eismassen verstärkt schmelzen. Weniger

einer nachhaltigen Entwicklung, aber es wurden in der

problematisch ist das Schmelzen des relativ dünnen Meer-

Vergangenheit auch allzu oft Schutzziele formuliert, die

Verarmung der Bevölkerung. Das ist beispielsweise der Fall, wenn

Als geradezu katastrophal erwies sich die durch die Armut pro-

eises, das ohnehin mit den Jahreszeiten wächst und

viel zu schwammig waren, als dass man sie in konkrete

durch den Abbau von Ressourcen die Lebensgrundlage der lokalen

vozierte Entwaldung, als im Jahr 2004 der Hurrikan Jeanne über

schrumpft. Kritisch wird es vielmehr, wenn die mächtigen

politische Maßnahmen hätte umsetzen können. Verschie-

Bevölkerung zerstört und sie nicht an den Gewinnen beteiligt

Hispaniola fegte und durch die immensen Regenmengen Teile der

Eispanzer des Festlandeises schmelzen, die Hochgebirgs-

dene Staaten und die Europäische Union arbeiten daher

wird – etwa wenn große Fischfangflotten mit Erlaubnis des Staates

Insel überflutete. Die Zerstörungskraft des Hurrikans konnte sich

zurzeit daran, klare Nachhaltigkeitsziele zu definieren,

die Fanggebiete der lokalen Fischer ausbeuten. Auch der Abbau

im ungeschützten Haiti voll entfalten. Da der Wald fehlte, gab es

die Grundlage für entsprechende politische Entschei-

von Bodenschätzen im Zusammenhang mit unverantwortlicher

in vielen Regionen Erdrutsche. 5400 Menschen starben. In der

rund 80 Prozent von Grönland bedeckt. Dadurch dürfte

dungen sein sollen. Voraussetzung dafür ist, dass die

Regierungsführung kann unter Umständen zu exogener Armut

benachbarten Dominikanischen Republik, die immerhin noch zu

der Meeresspiegel auf der ganzen Welt in beträchtlichem

Wissenschaft Bedrohungen und Probleme detailliert

führen. In Papua-Neuguinea beispielsweise flossen zwischen 1984

gut 28 Prozent bewaldet und zu einem Teil durch Mangroven

Umfang steigen.

analysiert, sodass auf politischer Ebene die richtigen

und 2013 viele Millionen Tonnen giftiger Abwässer aus einer Kup-

geschützt ist, starben hingegen nur 20 Menschen.

gletscher oder das Grönländische Inlandeis, das eine Ausdehnung von 1,8 Millionen Quadratkilometern hat und

Nach aktuellen Prognosen erwarten Wissenschaftler für dieses Jahrhundert einen weltweiten Meeresspiegel-

­Weichen für eine nachhaltige Nutzung gestellt werden können.

Bei der exogenen Armut führen zunächst äußere Faktoren zur

Die Niederschlagsmenge hat um bis zu 40 Prozent abgenommen.

fer- und Goldmine in den Ok-Tedi-Fluss und ins Meer. Über Jahre wurden auf diese Weise der Fluss, Sümpfe und Küstengewässer vergiftet.

anstieg von 80 bis 180 Zentimetern, sofern der CO 2 -Aus-

Folgende Dinge sind dafür nötig: Erstens muss man

Die von außen induzierte (exogene) Armut führt oft zu endo-

stoß nicht gedrosselt wird. Die Forscher sehen das mit

feststellen, in welchem Zustand sich ein Lebensraum

gener Armut, die von der Bevölkerung selbst verursacht wird. Um

großer Sorge, denn viele Menschen leben heute in flachen

befindet und inwieweit er intakt oder durch den Men-

zu überleben, müssen die Menschen andere Ressourcen nutzen,

Küstenregionen. Nach Schätzungen der Vereinten Natio-

schen gestört ist. Zweitens muss man einen idealen

etwa indem sie statt Fischfang Ackerbau betreiben. Aus Mangel an

nen könnten bis zum Jahr 2050 zwischen 50 und 200

Zustand definieren, den der Lebensraum künftig durch

landwirtschaftlicher Fläche werden oftmals ungeeignete Böden

Millionen Menschen aufgrund von Überflutungen ihre

Schutzmaßnahmen erreichen soll, also wie ein nachhaltig

Heimat verlieren. Auf der ganzen Welt leben heute rund

genutzter Lebensraum künftig eigentlich aussehen sollte.

700 Millionen Menschen in flachen Küstengebieten, die

Das Problem besteht darin, dass sich heute viele

nur einige wenige Meter über dem Meeresspiegel liegen

Lebensräume in einem schlechten Zustand befinden. Den

oder, wie etwa in den Niederlanden durch Deiche ge-

ursprünglichen Zustand, den diese Meeresgebiete vor

Die drastischen Konsequenzen dieses Teufelskreises hat Haiti

schützt, sogar unterhalb des Meeresspiegels.

Jahrzehnten oder Jahrhunderten hatten, kennt man zum

zu spüren bekommen. Das Land Haiti nimmt den westlichen Teil

Inwieweit sich durch den Klimawandel Meeresströ-

Teil gar nicht. Zudem gilt es als unrealistisch, einen

der Karibikinsel Hispaniola ein. Der östliche und mittlere Teil ist

mungen und damit auch Winde verändern werden, ist

ursprünglichen, vom Menschen unbeeinflussten Zustand

das Staatsgebiet der Dominikanischen Republik. Haiti gehört auf-

heute noch ungewiss. Auch lässt sich nicht mit Sicherheit

anstreben zu wollen, weil die meisten Regionen weltweit

grund von Bürgerkriegen und einer über viele Jahre verantwor-

beantworten, ob und in welchen Regionen häufiger

über Jahrhunderte vom Menschen beeinflusst und verän-

schwere Stürme auftreten werden. Verschiedene mathe-

dert worden sind. Erstrebenswert ist vielmehr ein Um-

matische Klimamodelle kommen zu unterschiedlichen

weltzustand, der im Sinne der Nachhaltigkeit Naturkapi-

Ergebnissen. Zwar nutzen alle Modelle dieselben Glei-

talien auf lange Sicht erhält.

bearbeitet oder Waldflächen gerodet. Böden verarmen und erodieren. Weitere Umweltzerstörung ist die Folge. Die endogene Armut führt meist in einen Teufelskreis, denn nach und nach gehen die natürlichen Ressourcen verloren, was weiteren Raubbau an den Ressourcen, den Naturkapitalien, nach sich zieht.

tungslosen Regierungspolitik zu den ärmsten Ländern der westlichen Hemisphäre. Etwa 65 Prozent der Bewohner Haitis müssen mit weniger als 1 US-Dollar pro Tag auskommen. Nach der Definition der Weltbank ist extrem arm, wer weniger als 1,25 Dollar pro Tag zur Verfügung hat.

chungen, Messgrößen und Eingabeparameter. Es ist aber

Politik und Wissenschaft müssen also zunächst einen

Ursprünglich war Haiti komplett bewaldet. Bereits in den

schwierig, kleinräumige Klimaeinflüsse richtig einzu-

Zustand definieren, der als Richtwert dienen kann und der

1950er Jahren aber wurde begonnen, große Teile der Wälder für

schätzen und korrekt in die großen, globalen Modelle zu

das wünschenswerte Ziel einer nachhaltigen Entwicklung

übertragen.

sein soll.

2.25 > Grenzfluss zwischen Haiti (linke Seite) und Dominikanischer Republik. Die Armut hat dazu geführt, dass Haiti fast völlig entwaldet wurde. In der Dominikanischen Republik hingegen blieb der Wald zu einem Teil erhalten, wodurch die Bevölkerung besser vor Hurrikans geschützt ist.

67

68

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

G l oba l e r Übe r bl i c k

S t ä r k e n u n d S ch w ä ch e n d e r g l o b a l e n A n alys e

weltweite Situation von Jahr zu Jahr zu vergleichen. Für

erreichen. Dabei folgt die MSRL dem Ökosystemansatz.

konkrete politische Maßnahmen aber werden für die

Demnach sollen nicht nur einzelne Arten, sondern ganze

Natürlich werden seit vielen Jahren für bestimmte Mee-

Der OHI wird durchaus als ein willkommenes Instrument

Praxis verwendbare Parameter und Grenzwerte benötigt.

Lebensräume betrachtet und geschützt werden. Darüber

resgebiete wie etwa die Nordsee Umweltanalysen durch-

gesehen, um einzelnen Staaten zu verdeutlichen, wie die

In Europa versucht man daher derzeit, solche Werte

hinaus berücksichtigt diese Richtlinie die Idee einer inter-

geführt und beispielsweise einzelne Schadstoffe gemes-

Situation in ihren Gewässern ist. Das kann im Idealfall­

zu definieren. Grundlage dafür ist die Europäische Mee-

generationellen Verantwortung der heute lebenden Men-

sen. Eine umfassende Analyse zum Status quo aller Meere

zu einer nachhaltigen Politik motivieren. Andererseits

resstrategie-Rahmenrichtlinie (MSRL), die 2008 in Kraft

schen. Der gute Umweltzustand wird in der MSRL folgen-

aber fehlte lange. Diese lieferte schließlich im Jahr 2012

besteht die Schwierigkeit bei der Erstellung eines umfas-

trat. Sie hat zum Ziel, die Meeresumwelt besser als bisher

dermaßen definiert: „,Guter Umweltzustand‘ ist der

eine Arbeitsgruppe von mehr als 65 US-Forschern in

senden Index darin, dass es bei der Sammlung und Aufbe-

zu schützen beziehungsweise bereits beeinträch­ t igten

Umweltzustand, den Meeresgewässer aufweisen, bei

Form des Ocean Health Index (OHI), mit dem zunächst

reitung einer solch großen Datenmenge zu Fehlern oder

Meeresgebieten die Möglichkeit zu geben, sich zu erho-

denen es sich um ökologisch vielfältige und dynamische

der Zustand der Ausschließlichen Wirtschaftszonen von

Unschärfen kommen kann, sodass die Wirklichkeit nicht

len. Das übergeordnete Ziel der Richtlinie ist es, den

Ozeane und Meere handelt, die im Rahmen ihrer jewei-

171 Ländern erfasst wurde.

korrekt abgebildet wird. Auch wurde kritisiert, dass die

„guten Zustand der Meeresumwelt“ bis zum Jahr 2020 zu

ligen Besonderheiten sauber, gesund und produktiv sind

69

Um den Index zu ermitteln, formulierten die Forscher

beim OHI verwendeten 10 Kategorien schlicht aufaddiert

10 allgemein akzeptierte Kategorien, die die nachhaltige

und daraus anschließend einfache Mittelwerte errechnet

ökologische, wirtschaftliche und soziale Bedeutung des

wurden. Damit, so die Kritiker, können schlechte Ergeb-

Meeres für den Menschen widerspiegeln. Diese lehnen

nisse bei einer Kategorie durch gute Ergebnisse in einer

sich größtenteils an die Ökosystemleistungs-Kategorien

anderen Kategorie ausgeglichen werden. Erhält beispiels-

2.26 > Während

des Millennium Ecosystem Assessment (MA, Millenni-

weise eine Meeresregion für die ökonomische Situation

einer Forschungs-

umsbericht zur Bewertung der Ökosysteme) der Vereinten

der Küstenbevölkerung einen hohen Wert von 90, in

Nationen an und umfassen zum Beispiel den Küsten-

Sachen Wasserqualität aber nur den Wert 10, so ergibt sich

schutz, Artenreichtum, Tourismus und die Erholung sowie

im Mittel ein Wert von 50. Eine Region wiederum, die in

Bodengreifer mit

die Funktion des Meeres als Kohlendioxidsenke. Auch

beiden Kategorien einen Wert von 50 Punkten erreicht,

einer Sedimentprobe

wird berücksichtigt, dass das Meer für den Menschen

erzielt ebenfalls einen Mittelwert von 50. Die eigent-

wertvolle Pflanzen- und Tierarten oder auch besondere

lichen Unterschiede zwischen den Meeresgebieten treten

Orte zur Verfügung stellt.

damit nicht klar hervor. Weiter wird kritisiert, dass der

der Ostsee bestimmte

Informationen und vergleichbare Daten zu den einzel-

OHI mit diesem Bewertungsprinzip implizit der Idee der

Arten vorkommen.

nen Kategorien trugen die Forscher sowohl aus nationalen

schwachen Nachhaltigkeit folgt, die ja davon ausgeht, dass

Statistiken als auch aus internationalen Erhebungen

sich ein zerstörtes Naturkapital praktisch unbegrenzt

zusammen. So nutzt der Ocean Health Index unter ande-

durch andere Naturkapitalien substituieren lässt. Die Kri-

rem Daten der FAO, um den Zustand der Fischbestände zu

tiker fordern daher, die Kategorien bei der Errechnung des

bewerten. Für jede der Kategorien ermittelt der Index

Indexwertes unterschiedlich zu gewichten.

einen Wert, der zwischen 0 (sehr schlecht) und 100 (sehr

Seit seiner Veröffentlichung im Jahr 2012 wird der

gut) liegt. Damit wird sowohl ein Ranking der verschie-

OHI jährlich weitergeführt und aktualisiert. Inzwischen

denen Meeresregionen als auch eine Bewertung des

berücksichtigt der Index nicht mehr nur die Ausschließ-

Gesamtzustands des Meeres möglich.

lichen Wirtschaftszonen, sondern auch die Arktis, Antark-

Die Ergebnisse des OHI zeigten, dass sich die entfern-

tis und die Hohe See. Damit sind zu den mittlerwei-

testen, kaum besiedelten oder wenig genutzten Meeresre-

le 220 AWZ weitere 20 Regionen hinzugekommen, deren

gionen im besten Zustand befinden. So schnitt das Mee-

Daten vollständig auf einer Internetseite frei zugänglich

resgebiet um das australische Territorium Heard und

veröffentlicht werden. Der aktuelle Gesamtwert des

MacDonaldinseln, ein Naturschutzgebiet im südlichen

Zustands der Meere weltweit beträgt 67.

Indischen Ozean, am besten ab. Am schlimmsten ist die Situation hingegen in den Meeresgebieten von Entwick-

K o n k r e t e We r t e f ü r n a ch h a l t i g e P o l i t i k

lungsländern, in denen lange Zeit Krieg geherrscht hat – beispielsweise die Meeresregion vor dem westafrika-

Einzelne Indexwerte über den Zustand des Meeres

nischen Liberia.

machen es zwar möglich, verschiedene Regionen oder die

fahrt auf der Ostsee ziehen deutsche Wissenschaftler einen

an Bord. Sie wollen herausfinden, in welchen Sedimenten

70

> Ka pi t e l 02

und deren Meeresumwelt auf nachhaltigem Niveau D eskripto ren zur B e sc hr e i bung

genutzt wird, sodass die Nutzungs- und Betätigungsmög-

des g uten Umwelt z ust a nds de s M e e r e s

lichkeiten der gegenwärtigen und der zukünftigen Generationen erhalten bleiben.“

Die Beschreibung des guten Umweltzustands der EU-Gewässer erfolgt auf der Grundlage von 11 qualitativen Deskriptoren, die weiter in Kriterien und Indikatoren aufgeteilt sind – also letztlich in greifbare Parameter, die sich messen und vergleichen lassen. Dieses Prinzip lässt sich am Beispiel von Deskriptor 10 „Abfälle im Meer“ verdeutlichen. Generell sollen die

Die MSRL gibt vor, dass der gute Umweltzustand

beispielsweise der Deskriptor „Eutrophierung“. Zu jedem

ligen Meeresgebiete geeignet sind. Die Deskriptoren 1, 3, 4 und 6 be-

Deskriptor gibt es mehrere konkrete Kriterien. Diese Kri-

schreiben den Zustand des Meereslebensraums und seiner Bewohner. Die

terien wiederum werden durch direkt messbare Indika-

übrigen beschreiben die Belastungen, denen die Meere ausgesetzt sind.

toren beschrieben, die als Grenzwerte fungieren. Für den

6: Meeresgrund

2: Nichteinheimische Arten

7: Hydrographische Bedingungen

3: Z ustand kommerzieller Fisch-

8: Schadstoffe

rung“, zu dem die Indikatoren „Chlorophyllkonzentration

9: Schadstoffe in Lebensmitteln

in der Wassersäule“ sowie „Sichttiefe“ gehören. Dabei ist

10: Abfälle im Meer

der Chlorophyllgehalt ein Maß für die Menge des pflanz-

5: Eutrophierung

11: Einleitung von Energie

lichen Planktons, das wie auch Landpflanzen Chlorophyll

Indikator 1: Trends bei den Abfallmengen, die angespült oder an den Küsten entsorgt werden (Mülldichte). Hierbei wird analysiert, wie sich der Müll zusammensetzt, wie er sich verteilt und aus welchen

rimentell gut messbaren Chlorophylls. Die große Herausforderung bleibt allerdings, einzelne passende Grenzwerte zu bestimmen. Beispielsweise müssen Forscher zunächst einmal herausfinden, wie viele Nährstoffe ein Küstengebiet abpuffern kann, ohne dass

vention vom 22. September 1992) wird dafür an den Küsten

Frage beantworten, wie viel Stickstoff ein Fluss maximal

des Nordostatlantiks Müll gesammelt und nach einheitlichen

ins Küstenmeer einleiten darf. Wie schwierig das ist, zeigt

Kategorien protokolliert.

ein entsprechendes aktuelles Forschungsprojekt an der

ben. Es wird untersucht, wie sich der Müll zusammensetzt, wie er sich verteilt und aus welchen Quellen er stammt. Dazu dienen beispielsweise Beobachtungsflüge. Indikator 3: Trends bei der Menge, Verteilung und Zusammensetzung von Mikropartikeln (insbesondere Plastik). Kriterium 2: Belastung des Lebens im Meer durch Müll Indikator 1: Trends bei der Menge und Zusammensetzung von Müll, der von Meerestieren verschluckt wird (Magenuntersuchungen). Dafür werden an den Küsten des Nordostatlantiks tote und gestran-

Meer in einzelne Gebiete unterteilt und jedem einen eigenen Höchstwert für

F I N N L A N D

den Stickstoffeintrag zugeForscher kritisieren, dass

N O R W E G E N

K at te g at 1, 5

werden, einer zwischenstaatlichen Meeresschutzkommission der Ostseeanrainer, die im Rahmen der Helsinki-Konvention gegründet wurde. In diesem Zusammenhang wurde die Ostsee in 17 verschiedene Meeresgebiete („Sub-

wasser durchmischt wird, bis zum Bottnischen Meerbusen, der im Winter eisbedeckt ist. Die HELCOM berück-

dete Vögel untersucht, unter anderem Eissturmvögel (Hoch-

sichtigte diese Unterschiede, indem sie jedem Meeres-

seevogelart). Darüber hinaus werden auch tote Seehunde,

gebiet einen eigenen Höchstwert für den Stickstoffeintrag

Kleinwale und Kegelrobben analysiert.

zuordnete, also die maximale Stickstoffmenge, die in dem Gebiet noch problemlos im Wasser abgebaut werden kann.

deshalb für die deutsche Ostseeküste differenzier-

Rig aer Me er busen 2 ,7

tere und kleinräumigere Höchstwerte für den Nährstoffeintrag errechnet (unten). Die Abbildungen

L E T T L A N D

Ös t lic he G ot la ndse e 1, 9

zeigen die jeweils empfohlenen Höchstwerte für den Sommer. Dargestellt

L I T A U E N Bor nholmse e 1, 8

ist nicht der maxi­m ale Stickstoff­e intrag, sondern

W E I S S -

Da nziger Buc ht 2,2

der maximale Chlorophyll-

RUSSL AND

wert, also der Grenzwert für die Algenkonzentration,

R U S S L A N D

Buc ht 1, 8

der wiederum von der

P O L E N

D E U T S C H L A N D

eingetragenen Nährstoffmenge beeinflusst wird.

5, 2 1, 8

1,6

Flensburg 3, 3 12 ,4

2 ,4

1,4 1, 8

1, 3

1, 2

1, 2 7, 2 Kiel

1,6

1,4

1,0

Lübeck

12

7,4

E mpfohlener Zielwer t : Durchschnit t liche Chlorophyll-a- Konzent rat ion im S ommer in M ikrogra mm pro Liter

9,4 St ra lsund

35, 8 6 ,6 7, 9

4,8

1, 8

4 ,7 1,7 2,9

3, 9

19,4 27,4

1, 8 1, 9

8,5 3, 8

0, 8

1, 2

basins“) aufgeteilt, die sich zum Teil deutlich voneinander unterscheiden. Sie reichen vom Kattegat, das mit Nordsee-

berücksichtigen. Sie haben E S T L A N D

D Ä N E -

F ehma r nsund 1, 2 M A R K G roß er Belt Ar kona se e 1,7 1, 8 Kieler Buc ht 2 ,0 Me c klenburger

Küstengewässer wie etwa Bodden oder Förden

Nördlic he Zent r ale Os t se e 1,7 Wes t lic he G ot la ndse e 1, 2

gehalt der verschiedenen

Finnisc her Me er busen 2 ,0

Åla ndse e 1, 5

S C H W E D E N

deutschen Ostseeküste. Seit längerer Zeit gibt es für die Ostsee Richtwerte, die von der HELCOM veröffentlicht

diese Höchstwerte nicht die kleinräumigen Unterschiede im natürlichen Nährstoff-

ist die Algenbiomasse im Wasser und die Menge des expe-

sich sein Zustand verschlechtert. Erst dann lässt sich die

der Wassersäule schweben und auf der Wasseroberfläche trei-

Schutzkommission, das

Bot tense e 1, 5

enthält. Je mehr Nährstoffe vorhanden sind, desto größer

Quellen er stammt. Im Rahmen der OSPAR (Oslo-Paris-Kon-

Indikator 2: Trends bei den Abfallmengen, die am Meeresboden liegen, in

eine zwischenstaatliche

ordnet (links). Deutsche

das Kriterium „Auswirkungen der Nährstoffanreiche-

4: Nahrungsnetz

Kriterium 1: Eigenschaften von Müll in der Meeres- und Küstenumwelt

gern, hat die HELCOM,

L A N D

Kva r ken 2 ,0

Deskriptor „Eutrophierung“ etwa gibt es unter anderem

1: Biologische Vielfalt

lichen Auswirkungen auf die Küsten- und Meeresumwelt.“

Bot tenwiek 2 ,0

E mpfohlener Zielwer t : Durchschnit t liche Chlorophyll-a- Konzent rat ion im S ommer in M ikrogra mm pro Liter

soll. Bei den Deskriptoren handelt es sich um Kategorien,

ermitteln, die für die Beschreibung des guten Umweltzustands ihrer jewei-

„Die Eigenschaften und Mengen der Abfälle im Meer haben keine schäd-

rung der Ostsee zu verrin-

R U S S -

rien und Indikatoren bewertet und überwacht werden die im Zusammenhang mit der Meeresumwelt stehen –

Deskriptor 10:

Subba sins AW Z

künftig anhand von 11 Deskriptoren und etwa 100 Krite-

EU-Mitgliedsstaaten alle Deskriptoren prüfen, um diejenigen für sich zu

und Schalentierbestände

2.27 > Um die EutrophieKüs tenzonen L ä ndergrenzen

3,0

Greif s wa ld

Ros tock

17, 5

W isma r

33, 5 9, 8 14 , 3

0, 8 – 1,0

1, 5 – 1,7

2 , 5 – 3, 9

5, 3 – 10,0

15,1 – 20,0

1,1 – 1,4

1, 8 – 2 ,4

4 ,0 – 5, 2

10,1 – 15,0

20,1 – 35, 8

72

Was d as Meer zu l ei s t en vermag
Ka pi t e l 02

Wie aber eine Untersuchung von deutschen Forschern

tion so gut wie möglich annähern. Da es an historischen

zeigt, schenkt diese Einteilung den natürlichen Unter-

Daten fehlt, verwenden sie Stellvertreterdaten, sogenann-

schieden zwischen den verschiedenen Küstengewässern

te Proxys.

Co n c lu s i o

nicht ausreichend Beachtung. So geht die HELCOM nicht

In dem Ostseeprojekt verwendeten die Forscher histo-

Ö ko s ys t em leis t u n g en

schen, in einer Entfernung von maximal 100 Kilome-

darauf ein, dass die einzelnen Küstengewässer der Ostsee

rische Quellen zur Landnutzung, in denen im Detail

d es Meer es in G ef ah r

tern zur Küste. Von den weltweit 20 Megastädten

zum Teil sehr kleinräumige Unterschiede im Hinblick auf

Ackerflächen verzeichnet sind. Da man die damaligen

die natürlichen Nährstoffkonzentrationen aufweisen. Da

Ackerbaumethoden kennt und auch die Mengen an Natur-

Das Meer ist für den Menschen von elementarer

13 in Küstennähe. Entsprechend stark genutzt und

Buchten, Boddengewässer und Förden eng mit dem Land

dung, die aufgebracht wurden, kann man mit den entspre-

Bedeutung, weil es sehr viele Ökosystemleistungen

damit auch beeinträchtigt sind viele Küstengebiete.

verbunden sind, sind die Nährstoffkonzentrationen dort

chenden Modellen schätzen, wie groß damals die Nähr-

erbringt. Um einen Überblick über die Fülle dieser

Ein großes Problem ist die Überdüngung der

auch ohne den Einfluss von Kunstdünger sehr viel höher

stoffeinträge in die Flüsse und Küstengewässer gewesen

Leistungen zu bekommen, haben Meeresexperten

Küstenmeere durch Nährstoffe aus der Landwirt-

als beispielsweise an Küstenabschnitten ohne Buchten

sein müssen. Wie das Modell zeigt, lagen sie damals etwa

sie in 4 Kategorien unterteilt: bereitstellende Dienst-

schaft, die zu starkem Algenwachstum und mit dem

oder Zuflüsse. Die HELCOM-Grenzwerte erwiesen sich

bei 25 Prozent der heutigen Werte. Verwendet man die

leistungen, unterstützende Dienstleistungen, regu-

Verrotten der Algen zu Sauerstoffmangel im Wasser

somit vielerorts als unrealistisch streng. Das Fazit der For-

historischen Nährstofffrachten, ergeben sich im Modell

lierende Dienstleistungen und kulturelle Dienstleis­

führt. Auch die direkte Zerstörung der küstennahen

scher: Derart niedrige Grenzwerte würde man selbst dann

deutlich geringere Nährstoffkonzentrationen in der Ost-

tungen. Zu den bereitstellenden Dienstleistungen

Lebensräume hält bis heute an. Betroffen sind

nicht erreichen können, wenn man die Stickstofffracht

see als heute, wobei das Verhältnis zu heutigen Konzen-

gehört insbesondere die Produktion von Meeres-

Feuchtgebiete, Salzwiesen und Wattflächen, Koral-

aus den Flüssen massiv reduzierte. Für die deutschen

trationen regional deutlich variiert.

fisch. Zu den kulturellen Dienstleistungen zählen un-

lenriffe und Mangrovenwälder. Ursachen sind insbe-

mit jeweils mehr als 10 Millionen Menschen liegen

Gewässer waren die HELCOM-Werte damit unbrauchbar.

Die vom Modell errechneten Nährstoffkonzentra-

ter anderem der Tourismus oder Traditionen, die mit

sondere Baumaßnahmen, Eindeichungen oder die

In dem erwähnten Forschungsprojekt ist es jetzt gelun-

tionen indes lassen sich nicht direkt als Zielwert auf die

dem Meer verbunden sind, wie etwa der handwerk-

Einleitung von Schadstoffen.

gen, differenzierte Grenzwerte zu definieren, die auch

Gegenwart übertragen. Zum einen weiß man zu wenig

liche Bootsbau. Zu den unterstützenden Dienstleis­

Um künftig eine nachhaltige Nutzung der Mee-

feinere Unterschiede zwischen den Wasserkörpern der

darüber, wie sich Veränderungen auf die Ostseelebensräu-

tungen wiederum zählt vor allem die Primärproduk-

reslebensräume zu erreichen, versuchen Forscher

Ostsee berücksichtigen und je nach Situation vor Ort

me in Bezug auf die Artenzusammensetzung des Plank-

tion, der Aufbau von Biomasse durch das pflanzliche

heute, zunächst zu klären, in welchem Zustand sie

andere Stickstoffhöchstmengen vorgeben. So lassen sich

tons oder der Großalgen am Boden ausgewirkt haben,

Plankton im Meer mithilfe der Photosynthese. Unter

sich überhaupt befinden. Denn um gezielte Verbes-

gezielt Maßnahmen zur Reinhaltung der verschiedenen

sodass sich Abweichungen zwischen der heutigen Situa-

dem

Flüsse vorbereiten und durchführen.

tion und der Vergangenheit ergeben. Zum anderen wird

schließlich fassen die Wissenschaftler fundamentale

bekannt sein, wie stark der Lebensraum gestört ist

man so niedrige Nährstoffeinträge wie damals auch lang-

biologische, chemische und physikalische Prozesse

oder inwieweit er noch dem ursprünglichen, „guten“

fristig nicht erreichen können, da die Böden über 150 Jah-

im Meer zusammen – beispielsweise den Kreislauf

Zustand ähnelt. US-Forscher haben zu diesem Zweck

re lang mit Nährstoffen behandelt wurden. Die heutigen

des Stickstoffs oder des Kohlenstoffs und die Meeres-

einen globalen Meeresgesundheitsindex entwickelt,

Die MSRL empfiehlt, sich bei der Definition des guten

Böden haben aufgrund dieser Nährstoffhistorie einen

strömungen, die nicht zuletzt das Klima an Land

mit dem sich der Zustand verschiedener Meeresle-

Umweltzustands und der Festlegung von Grenzwerten

anderen Charakter als jene damals. Selbst wenn man den

beeinflussen. Auch der Abbau von Schadstoffen im

bensräume vergleichen lässt. Dabei werden Umwelt-

an der Situation in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts

Nährstoffeintrag heute stoppte, was im Hinblick auf die

Meer zählt zu den regulierenden Dienstleistungen.

aspekte wie etwa die Artenvielfalt berücksichtigt,

zu orientieren. Damals waren die europäischen Küsten

Nahrungsproduktion unrealistisch wäre, würden die

Viele dieser Dienstleistungen sind heute durch

aber auch soziale Aspekte wie etwa der Wohlstand

bereits durch den Menschen, durch Hafenanlagen oder

Böden lange noch höhere Nährstoffmengen abgeben.

Übernutzung, Umweltverschmutzung oder den Aus-

der Küstenbevölkerung. Für gezielte umweltpoli-

andere Bauwerke beeinflusst, aber das Wasser war weni-

Daher wurden für die neu berechneten Zielwerte nicht

stoß von Treibhausgasen bedroht. Vor allem der Aus-

tische Maßnahmen aber reicht das nicht aus. So

ger belastet – vor allem, weil in der Landwirtschaft noch

einfach die historischen, niedrigeren Werte zugrunde

stoß des Klimagases Kohlendioxid stellt heute eine

bedarf es konkreter Mess- und Grenzwerte, um bei-

kein Kunstdünger eingesetzt wurde. Der Eintrag von

gelegt, sondern höhere Zielwerte abgeleitet, die sich auch

weltumspannende Bedrohung für das Meer dar. Zum

spielsweise den Eintrag von Nährstoffen in ausrei-

Abwässern und Fäkalien wiederum war vergleichsweise

an der heute gemessenen Gewässergüte orientieren.

einen erwärmt sich mit dem Treibhauseffekt das Was-

chendem Maße reduzieren zu können. In Europa

Da s 19. J a hr hunde r t a l s Vor bi l d

Schlagwort

regulierende

Dienstleistungen
 serungsmaßnahmen durchzuführen, muss im Detail

gering, weil er auf einige wenige Küstendörfer und -städte

Dieses Beispiel verdeutlicht, wie aufwendig und auch

ser. Zum anderen löst sich das Kohlendioxid zu

werden derzeit mit der Meeresstrategie-Rahmen-

beschränkt blieb. Doch damit stehen die Forscher vor

kontrovers die Definition verlässlicher Indikatoren und

einem beträchtlichen Teil im Meer, was zu einer lang-

richtlinie Umweltindikatoren und Zielwerte defi-

einem Problem: Es gibt kaum historische Daten darüber,

des „guten Umweltzustands“ sein kann. Über die dafür

samen Versauerung des Wassers führt. Als besonders

niert. Diese Richtlinie hat das Ziel, künftig wieder

wie der Nährstoffeintrag in historischer Zeit war, weil

benötigten finanziellen Mittel verfügen in der Regel nur

belastet gelten heute die Küstenregionen, die zum

einen guten Zustand der Meeresumwelt zu errei-

Umweltparameter damals, anders als heute, nicht syste-

wohlhabende Industriestaaten und Schwellenländer. In

Teil extrem stark besiedelt sind. Nach Schätzungen

chen, indem für sämtliche Bedrohungen klare Grenz-

matisch und zentral erfasst wurden.

den laut OHI besonders betroffenen Meeresgebieten gibt

der Vereinten Nationen leben heute mehr als 40 Pro-

werte festgelegt werden, die als Grundlage für ent-

es weder ausreichend Geld noch die fachliche Expertise

zent der Weltbevölkerung, rund 2,8 Milliarden Men-

sprechende politische Vorgaben dienen.

Die Ostseeforscher behelfen sich deshalb mit mathematischen Modellierungen, die sich der damaligen Situa-

für vergleichbare Studien.

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