1999 :: Celler Impulse :: Teamarbeit

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Vortrag: Teamarbeit in der Produktion Veranstaltung:

Celler Impulse

Datum:

4. April 1999

Referent:

Frank Schache-Keil (flow)

Die Urheberrechte sind zu beachten. Das Copyright und die Nutzungsrechte liegen bei der flow consulting gmbh. Dieser Vortrag / dieses Script darf weder reproduziert noch wiederverwendet oder für gewerbliche Zwecke verwendet werden. Dies gilt auch für die Aufnahme dieses Scripts in elektronische Datenbanken und Vervielfältigung auf CD-Rom. Das auf diesen Celler Impulsen vorgestellte Konzept wurde in den Folgejahren u.a. bei Impress im Werk Cuxhaven umgesetzt. Sie finden deshalb hier die Projektbeschreibung aus dem in den Folgejahren realisiertem Projekt. Dieser Text bildete die Grundlage für eine spätere Veröffentlichung in der Zeitschrift “Wirtschaft & Weiterbilung” im Jahre 2006.

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Die Arbeit an den weichen Faktoren führt zu harten Fakten Eigentlich läuft alles bestens. Man ist in Cuxhaven mit ca. 400 Mitarbeitern ein wichtiger Arbeitgeber der Region mit fast 50-jähriger Tradition und bei der Produktion von Fischdosen klarer Marktführer in Deutschland. Ist eingebunden in den international tätigen deutschen Verpackungskonzern Schmalbach-Lubeca. Macht seine Hausaufgaben durch Cost-Reduction auf Basis von Investitionen in die Technik und durch Materialeinsparungen. Fühlt sich insgesamt bestens aufgestellt. Auch als die „Schmalbach-Lubeca-Welt“ endet und das Werk eingebunden wird in den neuen Konzern Impress (jetzt mit Sitz der Entscheidungsträger in Frankreich), gibt es keinen Grund für Pessimismus. Im Gegenteil- im Jahr 2001 beschert die BSE-Krise dem Werk einen regelrechten Auftragsboom. Die Menschen wechseln verstärkt vom Rindlfleisch zum Fisch. Das schafft volle Kapazitäten und gute Erträge. Doch dieses Glücksgefühl endet jäh im Jahr 2002. Der „BSE-Boom“ ist vorbei und der Umsatz geht zurück. Jetzt wird deutlich: viele Probleme wurden durch die gute Auftragslage verdeckt. Die vorhandene Effektivität kann in der härteren Wettbewerbssituation (auf dem Markt und innerhalb des neuen Konzerns) kaum bestehen. Die Situation wird zusätzlich dadurch verschärft, das zwei gute junge Führungskräfte das Werk verlassen und viel Know How mitnehmen. Erste Management-Maßnahme ist ein harter Schnitt: Reduzierung der Mitarbeiterzahl um mehr als 10 Prozent. Damit sind die Effizienzprobleme aber noch keineswegs gelöst. Die Zukunftsfähigkeit des Werkes in Cuxhaven wird im neuen Konzern weiterhin kritisch diskutiert. Seine Rolle als eigenständiges „Plattformwerk“ mit Führungsfunktionen auch für Standorte in Polen und Lettland ist gefährdet. Weitere drastische Personalreduzierungen drohen. Heute, im Jahr 2004, steht das Werk im Konzern hervorragend da. Seine Rolle als „Plattformwerk“ ist unangefochten. Ja, dass französische Top-Management schaut mit Interesse auf die „Erfolgsgeschichte“ in Cuxhaven. Der operative Gewinn liegt heute um Faktor 2,5 über dem des Krisenjahres 2002. Selbst das Boom-Jahr 2001 wird um 44 Prozent übertroffen. Wie konnte dieses Ergebnis erreicht werden?

Ausgangslage im Jahr 2002 Der neue Werkleiter steht im Jahr 2002 (sein langjähriger Vorgänger geht im Sommer 2002 in den Ruhestand) vor einer gewaltigen Herausforderung. Was tun gegen Ertragseinbruch und kritische Diskussionen im neu fusionierten Konzern? Messbare Erfolge müssen ab 2003 für die Konzernzentrale deutlich werden. Große Investitionen in Technik oder für weitere Materialreduzierungen sind unrealistisch. Für den Werkleiter und die Schlüsselpersonen im ManagementTeam ist klar: Leistungssteigerungen sind nur durch Organisationsentwicklung möglich - konkret durch Einführung von Teamarbeit in der Produktion. Synergien sollen durch eine Auflösung der Rollentrennung „Facharbeiter“, „Fertigungslöhner“, „Servicefunktionen“ erreicht werden.

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Das Projekt soll extern durch ein Consulting-Unternehmen begleitet werden, das die Welt der metallverarbeitenden Industrie kennt, Akzeptanz und Vertrauen bei den fertigungsnahen Führungskräften und den Mitarbeitern in der Produktion findet und schnell wirksame, innovative Beratungsprozesse realisieren kann. Mit flow consulting wird ein solches Unternehmen gefunden. Ein flow-Berater hatte das Unternehmen bereits auf den Feldern Führungskräfte-Coaching und Kontinuierlicher Verbesserungsprozess beraten. Für die Werkskultur bedeutet die Art und Weise, wie diese Organisationsentwicklung angepackt wird eine 180 Grad Drehung. Bisher war es üblich, dass „die da oben“ entscheiden: der Fertigungslöhner zeigt auf den Facharbeiter, der Facharbeiter zeigt auf den Schichtführer, der Schichtführer zeigt auf den Abteilungsleiter, der Abteilungsleiter zeigt auf den Werkleiter. In zwei Projektteams (Dosen-Unterteile & -deckel) arbeiten neben Abteilungsleiter, Schichtführern, Vorarbeitern auch Fertigungslöhner und Facharbeiter, sowie ein Betriebsratsvertreter mit. Diese Form der Projektarbeit erscheint Fertigungsmitarbeitern und fertigungsnahen Führungskräften als reine ShowKulisse. Bei der ersten Projektbesprechung wird das Misstrauen durch eine Mauer des Schweigens im Raum greifbar. Bis sich einer der Schichtführer endlich meldet und in Richtung Werkleiter und Moderator sagt: „nun haben Sie genug gefragt und auf das Flip Chart geschrieben, legen Sie endlich Ihr fertiges Konzept auf den Tisch“. Jetzt wird es für Werkleiter und Personalleiter möglich deutlich zumachen, das echte Mitarbeit gefragt ist: zur Entwicklung eines produktiven, zum Werk, zum Produkt und zur vorhandenen Mitarbeiterstruktur optimal passendes TeamKonzept. Damit dieses Beteiligungsangebot und der Kulturwandel glaubwürdig bleiben, werden u.a. monatliche Gespräche Teamsprecher, Betriebsrat, Abteilungsmanagement und Werkleiter eingeführt. Insbesondere die direkte, kontinuierliche Präsenz des Werkleiters zeigt: das was das Management sagt, wird vom Werkleiter selbst vorgelebt!

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Pilotphase: Freiwillig über dünnes Eis auf festen Boden Das erarbeitete Konzept wird auf einer Abteilungsversammlung allen Mitarbeitern vorgestellt und diskutiert. Die Mitarbeiter können sich freiwillig zur Pilotphase melden. Zum Start der Gruppenarbeit arbeiten die Pilotgruppen in einem eintägigen extern moderierten Workshop.

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Die neue Eigenverantwortung führt zunächst zu Unsicherheit und Skepsis In den ersten Wochen nach dem Start des Piloten sind die Unsicherheiten der Gruppenmitglieder besonders groß. Klare Anweisungen, über Jahrzehnte gewohnt, fehlen. Stattdessen hören die Gruppenmitglieder von den Führungskräften Sätze wie: „Welchen Lösungsvorschlag hat dazu die Gruppe? Was wäre aus Sicht der Gruppe ein gutes Verfahren?“ Zu der ‚Last’ eigene Vorschläge zu erarbeiten, kommt die Skepsis: „Meint die Werkleitung das wirklich ernst mit unserer Verantwortung? Was passiert, wenn wir unsere Ideen ernsthaft umsetzen?“

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Mit dem Widerstand arbeiten Das Werksmanagement pflegt intensive Gespräche mit den Gruppen und mit den direkten Linienvorgesetzten vor Ort. Es geht um Fragen der Entscheidungshoheit, um die Unterstützung durch andere Produktionsbereiche, um atmosphärische Störungen mit Mitarbeitern aus anderen Produktionslinien und um die gegenseitigen Erwartungen von Führungskräften, Gruppe und Gruppensprecher. Fehler und Rückfälle in alte Gewohnheiten müssen thematisiert werden. Langsam entstehen neue Regeln und Gewissheiten. So lernen die Gruppen, wie sie selbst Konflikte angehen können, wie sie mit Leistungsunterschieden in der Gruppe umgehen, was sie zunächst selbst lösen und wann andere Ebenen und Personen eingebunden werden.

Der Betriebsrat gestaltet den Weg mit Viele Anliegen werden in der ersten Zeit direkt an den Betriebsrat herangetragen, so geht es z.B. darum, ob die richtigen Personen in den Gruppen zusammengestellt sind und ob er nicht auf eine andere Zusammenstellung hinwirken könne. Es werden auch Gespräche mit einzelnen Führungskräften geführt, um weitere Unterstützung zu erhalten und Widerstände abzubauen. Im Ergebnis werden die Mitarbeiter offener, sprachen Probleme direkt an.

Selbstorganisation der Gruppen: vom Chaos zum Ergebnis Zentrale Plattform für die Selbstorganisation der Gruppen ist die Gruppensitzung. Es muss sichergestellt werden, dass die Gruppensprecher möglichst aus dem Stand heraus erfolgreich Gruppenbesprechungen leiten können. Eine völlig neue Aufgabe für Fertigungsmitarbeiter. Die Gruppensprecher durchlaufen extern geleitete Kurzseminare im Werk, bis max. 1/2 Tag. Noch am gleichen Tag finden Gruppensitzungen statt, direkt danach wird die Durchführung ausgewertet. Lernen geschieht also nicht im „Klassenzimmer“, sondern direkt im Umfeld der Praxis schnell und effizient. Die Pilotphase dauerte gut 3 Monate. Die ersten Gruppen laufen zunehmend rund, d.h. sie verändern Arbeitsabläufe, bauen bürokratische Schranken ab und unterstützen sich gegenseitig.

Der Weg ist geebnet: Rollout in der gesamten Produktion Nach dem erfolgreichen Testlauf in vier Piloten beschließt die Werkleitung, das Modell auf den gesamten Produktionsbetrieb auszudehnen. Das Konzept erfährt nochmals ein Feintuning. Innerhalb von einem halben Jahr werden dann nacheinander 8 weitere Gruppen jeweils mit einem von flow moderierten 1-tägigen Auftaktworkshop eingeführt. Jede Gruppe wird an ausgewählten Sitzungen durch flow begleitet.

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Führungskräfte im Spannungsfeld Abteilungsleiter und Schichtführer werden in der Einführungsphase der Gruppenarbeit an die Schnittstelle von 2 Systemen gestellt. Auf der einen Seite müssen sie das alte linienorientierte Produktionssystem mit Entscheidungen von oben aufrecht erhalten. Auf der anderen Seite müssen sie sich mit Entscheidungen der Gruppen auseinandersetzen. In den ‚traditionellen Linien’ können die Vorgesetzten die Mitarbeiter in andere Produktionsteile versetzen. Ein direkter Zugriff auf die Mitarbeiter bleibt dem Vorgesetzten in der neuen Organisationsform allerdings verwehrt – er muss sich über den Gruppensprecher an die Gruppe wenden, die dann entscheidet. Dieses Spannungsfeld auszuhalten, ist nicht immer leicht.

Gespräche helfen weiter Die Werkleitung fordert die Schichtführer, Abteilungsleiter und Vorarbeiter auf, selbst darüber nachzudenken, welche Rolle und Verantwortung sie in Zukunft ausfüllen sollen. Die Vorschläge werden in Workshops zu einem neuen Führungsverständnis der Schichtführer weiterentwickelt. Ergebnis: Die Schichtführer stärken die Umsetzung der Gruppenarbeit mit eigenen Vorschlägen. Ferner gibt es kontinuierlich abteilungsübergreifende Gesprächsrunden, in denen Teamsprecher, Abteilungs-, Werk-, und Personalleiter sowie Schichtführer zusammen mit dem Betriebsrat die Zahlen aus der Produktion diskutierten und den Stand des Gruppenarbeitsprozesses reflektieren. Präsenz vor Ort ist zwingend notwendig. Werkleiter, Personalleiter und externer Berater benötigen gute Antennen, um schnell zu erkennen, wo etwas aus dem Ruder läuft.

Erfolge sind deutlich messbar – Weitere Schritte geplant Nach gut einem Jahr ist der gesamte Produktionsbereich auf das neue Modell der Gruppenarbeit umgestellt. Die Mehrheit der Mitarbeiter ist vom Erfolg der Gruppenarbeit überzeugt. An den Produktionslinien führt die eigenverantwortliche Arbeit zu kompetenten, schnelleren Entscheidungen. Die Stillstandszeit der Maschinen ist deutlich verringert, die Produktivität gestiegen.

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1600 1400 Cost Reduction Teamarbeit Cost Reduction Technik Cost Reduction Material

1200 1000 800 600 400 200 0

2002

2003

2004

Für Impress Cuxhaven bedeutet dieser Veränderungsprozess allerdings mehr als eine Verbesserung der Produktion: es ist der Beginn einer Kulturveränderung des gesamten Werkes. Der erfolgreiche Neubeginn wird nun im Angestelltenbereich genutzt, um die Aufhebung der klassischen Bereichabgrenzungen durch Teamorientierung und Poolbildung einzuleiten und so weitere ungenutzte Potenziale zu nutzen. Denn Stillstand bedeutet auch nach einem erfolgreichen Changeprozess in einem Bereich der Organisation Rückschritt.

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Veränderungen managen: Die 5 Erfolgsfaktoren zur Implementierung von Teamarbeit in der Produktion

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