Vorbemerkung: Die Situation der Bildung in der heutigen Weltgesellschaft

Stefan Büttner Hegels Bildungstheorie dargestellt anhand seiner Nürnberger Gymnasialreden Hegels Bildungstheorie dargestellt anhand seiner Nürnberge...
Author: Arnim Fiedler
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Stefan Büttner

Hegels Bildungstheorie dargestellt anhand seiner Nürnberger Gymnasialreden

Hegels Bildungstheorie dargestellt anhand seiner Nürnberger Gymnasialreden nebst einer Reflexion auf die Situation der Bildung in der heutigen Weltgesellschaft * STEFAN BÜTTNER

Bildung ist so sehr Bildung des äußeren Ganzen, wie gerade damit Bildung seiner selbst. Max Horkheimer

Vorbemerkung: Die Situation der Bildung in der heutigen Weltgesellschaft „Wir sind, was die Bildung betrifft, in der Lage Robinsons. Wir haben Schiffbruch erlitten." Mit dieser lapidaren Feststellung und zutreffenden Charakterisierung der Situation unseres Bildungs- und Schulsystems beginnt der Anglist 1 Dietrich Schwanitz sein populär gewordenes Buch Bildung. Schiffbruch - so Schwanitz - haben wir in Deutschland mit der Bildung erlitten, weil eine solide Überlegung über Bildungsziele nirgendwo stattfindet, weil jeder Bildungsinhalt mit jedem anderen austauschbar erscheint, weil der Kanon klassischer Texte irrigerweise nur noch als bildungsbürgerliche Hürde angesehen wird, die dazu diene, „den unteren Schichten den Zugang zu den Fleischtöpfen des Bildungssystems zu verstellen." 2 Aber das Schiff ist in Deutschland bereits lange und weit vor der Universität auf Grund gelaufen: In den Bereichen Lesekompetenz, mathematische Grundbildung und naturwissenschaftliche Kompetenz liegen die deutschen 15-Jährigen im internationalen Vergleich im unteren Mittelfeld, wie die PISA-Studie gezeigt hat.3 Die Gründe für Niveauverlust und Unübersichtlichkeit, für Beliebigkeit und Verunsicherung in Sachen Bildung und Lernen sind vielfältig und liegen nicht * Zur Zitierweise: Hegel wird zitiert nach: Werke in zwanzig Bänden (Theorie Werkausgabe), zit. als

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TW mit Band- und Seitenzahl. In Ausnahmefällen wird auch nach der historisch-kritischen Ausgabe zitiert: Hegel, Gesammelte Werke, zit. als GW mit Band- und Seitenzahl. Vgl. den Beitrag von Klaus Kempter im vorliegenden Band. Schwanitz 1999,31. Und gravierender: Deutschland weist die größte Streuung der Schulleistungen auf, und sie bezieht sich auf die unteren Leistungsbereiche. D.h. wir erreichen viele Kinder mit unseren Bildungseinrichtungen gar nicht. Vgl. dazu auch Spitzer 2002,38/ff.

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immer offen zutage. Viele Faktoren - allerdings nicht nur in Deutschland wirksame - scheinen klar: Zerstreuung durch den Konsum verändert die Rhythmen des Lernens und Erlebens; die Zeit für ein vertiefendes Wiederholen, für eine produktive Erinnerung wird angesichts immer neuer konsumtiver Sensationen knapp. Das Bewusstsein ist besetzt von Bildern und Informationen, von Musik und Krach, so dass Konzentration kaum möglich ist; nur das leicht Eingängige kann noch wahrgenommen werden. Die Beschleunigung der Arbeits- und Lebensprozesse lässt Wissensinhalte zu auswechselbaren und damit scheinbar beliebigen Informationen werden. Mit den modernen Technologien sind andere Kulturtechniken verbunden; Internet und Computerspiele fordern neue Fähigkeiten und provozieren andere Potentiale als Lesen und Schreiben. Macht und Ausbreitung visueller Medien drängen daher Schreib- und Lesekompetenzen so weit zurück, dass in vielen Fällen geradezu von einer sekundären Analphabetisierung gesprochen werden kann. Die moderne Wirtschaftsform wirkt sich aus: Das ökonomische System funktioniert im raschen Wechsel von Geld und Eigentum; dies kann nicht ohne Einfluss auf Bildungsprozesse sein, die eine andere, längerfristige Perspektive erfordern.4 Darüber hinaus haben die Wissens- und Bildungsinhalte selbst sich verändert. Vielfach sind es andere Inhalte als die traditionellen, die in den Vordergrund getreten sind. Wir wissen nicht einfach weniger, wir wissen anderes.5 Aber ist das, was wir anderes wissen, auch für unsere Lebensgestaltung und Lebensführung hilfreich oder stehen wir, wenn es zu Krisen kommt, ohne Hilfe vonseiten unseres Wissens und unserer Bildung da?6

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Die neuhumanistische Bildungskonzeption, die mit Hilfe kanonisch gewordener antiker Texte die Persönlichkeit formen wollte, bietet hier keinen Ausweg mehr.7 Faktisch wird sie nicht mehr realisiert und kann m. E. unter modernen Bedingungen auch nicht mehr realisiert werden. Das ist kein neuer Befund: Bereits vor mehr als 40 Jahren hat der Gräzist Uvo Hölscher mit Blick auf das humanistische Gymnasium nüchtern die Grenzen, ja das Scheitern des neuhumanistischen Bildungskonzeptes - mit seiner Idee der sich steigernden Einheit von Leben und Bildung - festgestellt: „Auch ist durch die unfreie Mentalität des Unterrichts der Erfolg der sogenannten klassischen Bildung bei den Zöglingen unserer Gymnasien selten eine große Sicherheit in den Maßstäben und im Verhalten, öfter ein ängstliches Hängen am Herkömmlichen und eine krittelnde Hilflosigkeit gegenüber dem Zeitgenössischen. So ist eine Schule in humanistischem Geiste ein Traumbild geworden, und der Anspruch, durch altsprachlichen Unterricht humanistische Bildung zu bewirken, eine Donquichotterie." 8 Historische Reminiszenzen sowie Klagen über den Verlust klassischer Bildung versprechen hier also keine Lösung. Zumal die humanistische Bildung in Deutschland ihren „Praxistest" nicht bestanden hat: Beim Bildungsbürgertum und den Eliten der Weimarer Republik hat sie - ihrem eigenen Anspruch entgegen - keine oder doch nur auf einzelne Personen beschränkte Widerstandskraft gegen die nationalsozialistische Machtübernahme und Verbrechen geweckt.9 Auch aus diesem Grund ist von einer Überdehnung und Überfrachtung des Bildungsbegriffs Abstand zu nehmen, da er die Spezifikation der Bildungsinhalte und die Hervorbringung einer moralischen Bildung,10 die er beansprucht, aus sich heraus nicht leisten kann."

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Vgl. dazu bereits die Diagnose bei Simmel 1989, 723 (Nachdruck der Selbstanzeige von 1901): „Indem alles dies (sc. Geschäfte und Betriebe, Kunstwerke und Sammlungen, Grundbesitz, Rechte und Positionen) immer kürzere Zeit in einer Hand bleibt, die Persönlichkeit immer schneller und öfter aus der spezifischen Bedingtheit solchen Besitzes heraustritt, wird freilich ein außerordentliches Gesamtmaß von Freiheit verwirklicht; allein weil nur das Geld mit seiner Unbestimmtheit und inneren Direktionslosigkeit die nächste Seite dieser Befreiungsvorgänge ist, so bleiben sie bei der Thatsache der Entwurzelung stehen und leiten oft genug zu keinem neuen Wurzelschlagen über." Vgl. dazu auch die Schilderung der gegenwärtigen Form des Kapitalismus - anhand einzelner Lebensgeschichten - bei Sennett 72ooo, 38: „Ich glaube, Rico weiß, daß er zugleich ein erfolgreicher und verwirrter Mann ist. Er hat Angst, daß jenes flexible Verhalten, das ihm seinen Erfolg gebracht hat, den eigenen Charakter in einer Weise schwächt, für die es kein Gegenmittel gibt. Wenn er ein Jedermann unserer Zeit ist, dann aufgrund dieser Angst." (Hervorh. d. Vf.) 5 Enzensberger 1991, 22: Enzensberger vergleicht den Bildungs- und Wissensstand Melanchthons mit demjenigen von Zizi und Bruno, einer Friseuse und ihres Freundes, und kommt zum Schluss: „Was sie wissen und was sie ignorieren, ist ebenso sonderbar und monströs wie die Umgebung, in der sie lernen, was sie lernen, und vergessen, was sie vergessen. Sollten sich die Lebensbedingungen in der Bundesrepublik dergestalt ändern, daß Zizi, Bruno und Helga mit einer soliden klassischen Bildung irgend etwas anfangen können - an ihnen würde es ganz gewiß nicht liegen." 6 Vgl. dazu auch Schlechta 1969a, 100-108.

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Vgl. zum Begriff des Humanismus auch Heyse 1943,243. Der Humanismus - so Heyses Einsicht greift zu kurz, weil er von einem verkürzten, isoliert gedachten Begriff des Menschen ausgeht, der als solcher - so der Humanismus - für alle Epochen produktiv zu machen sei. Diese Sicht begreift aber nicht das (metaphysische) System, von dem aus der Begriff des Menschen jeweils gedacht wird. Und gerade hierin unterscheiden sich die Alten von den Modernen, so dass eine Übertragung des sog. .Menschenbildes' gerade nicht möglich ist. Gegen die - bei klassischen Philologen beliebte - Behauptung einer Kontinuität der Menschenwürde von der Antike bis heute erhebt zu Recht Einspruch Köhler 2000,307: „Bei dem ,Vater des Humanismus' liest man nicht gern, daß der höchste Begriff nicht der Mensch als solcher und auch nicht der freie Mensch, sondern der gebildete römische Mann aus höchstem Stand ist." 8 Hölscher 1965,57. 9 Vgl. dazu auch Schlechta 1969b, 93: „Kurz, man war sozialen und politischen Krisenzeiten in keiner Weise gewachsen." 10 Luhmann 2002,192: „[...] wie soll dann Moral eine lernbare Bildungskomponente sein? Doch wohl kaum als Bestand lernbarer Verhaltensregeln, die in der nächsten Situation nicht mehr passen." " Vgl. dazu Luhmann 2002,191: „Um auf das ganze Erziehungssystem anwendbar zu sein, mußte der Begriff der Bildung daher von allen Inhalten entleert werden. Er wird seitdem nur noch floskelhaft und vor allem politisch gebraucht."

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Was aber bleibt und muss bleiben von dem, was bisher Bildung genannt wurde, wenn Menschen weiterhin sich in der Welt orientieren wollen und müssen? Wie soll das richtige Paradigma des lebenslangen Lernens realisiert werden, wenn das Lernen in der Schule nicht gelernt wurde? Wie will man exemplarisch lernen, wenn die Lernziele nicht klar sind, die am Exempel gelernt werden sollen? Und wie soll sich eine Gesellschaft, die sich immer stärker ausdifferenziert, auf Lernziele einigen? Und das betrifft nicht nur die theoretischen Inhalte, sondern auch die historischen und rechtlich-moralischen. Wie soll das Verhältnis zur eigenen Geschichte gelernt werden, wenn in einer multiethnischen Gesellschaft viele Geschichten erlebt worden sind? Ohne diese Fragen beantworten zu können, gilt es zunächst, an die Prinzipien gelingenden Lernens zu erinnern und zu begreifen, dass auch Lernen und Bildung gesetzmäßigen Zusammenhängen gehorchen. Die Einübung geistiger und körperlicher Fähigkeiten lässt sich nicht beliebig organisieren. Kontinuität, Konzentration und Abfolge der Lern- und Bildungsprozesse unterliegen Gesetzen, die nicht missachtet werden können, ohne das Misslingen der Bildung zu provozieren oder fahrlässig in Kauf zu nehmen.12 Dazu bedarf es eines adäquaten Begriffs des Lernens und Bildens, der weder primär an Bildungsinhalten, noch bloß an formellen oder sozialen Kompetenzen orientiert ist, der aber auch nicht an einem fiktiven Begriff des Menschen festhält, der über die Jahrtausende vorgeblich derselbe geblieben sei.13

1 Hegels systemphilosophischer Begriff der Bildung Ein solcher Begriff der Bildung, der Funktion, Ort, Stoff und Form der Bildung in der Gesellschaft lokalisiert und reflektiert, ist vom Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel entwickelt worden.14 Dessen systemphilosophischer Begriff der Bildung soll im folgenden als Ansatz möglicher und weiterführender 12

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Vgl. dazu insg. Spitzer 2002; insb. dessen Darstellung der Gesetzmäßigkeiten des Spracherwerbs, sowie seine Darlegungen zur - wissenschaftlich allerdings noch umstrittenen Bedeutung von Schlaf und Traum für die Konsolidierung des Gelernten. Vgl. zu diesem fiktiven Bild des Menschen - klar und kompromisslos - Arendt 1975,262. ' Luhmann/Schorr 1999, 25f.: „Wenn man von Verzweiflungsvorschlägen in Richtung auf Abschaffung der Schulen einmal absieht, bleiben sehr wenige Versuche, das, Problem durch Einordnung in eine umfassendere Gesellschaftstheorie aufzuheben. Hegels Gymnasialrede von 1811 ist ein solcher Ansatz." Das Problem, von dem Luhmann/Schorr sprechen, besteht darin, dass in der gesellschaftlichen Evolution Schule als autonomes System sich gebildet hat. Damit aber entsteht ein Teilsystem der Gesellschaft, das gerade kein repräsentativer Querschnitt der Gesellschaft ist. Denn Schule „sozialisiert nur schulisch, nicht gesellschaftlich. Daß der erste Kontakt mit außerfamilialer Gesellschaft gerade diese und keine andere Form erhält - man denke nur an die Zusammenfassung Gleichaltriger in relativ großen Interaktionssystemen muß tiefgreifende Rückwirkungen auf die kognitiven und motivationalen Ressourcen des gesellschaftlichen Lebens haben." (ebd.) Auf dieses Problem kann man in der Tat nur mit einer Gesellschaftstheorie im Stile Hegels eingehen. Die Autoren stellen aber auch fest, dass dieser Reflexionsanstoß vonseiten Hegels in der Pädagogik nicht angekommen sei.

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Antworten auf die Frage nach Funktion und Ort, nach Stoff und Form der Bildung und des schulischen Lernens im Gesellschaftssystem dienen. Drei Gründe sprechen dafür: 1. Hegel hat seinen Bildungsbegriff in einer Zeit formuliert, in der die Gesellschaft bereits so weit funktional differenziert war, dass sie in den Grundformen mit der unsrigen vergleichbar ist. Wir befinden uns mit der Hegelschen Philosophie und Gesellschaftsanalyse nicht mehr in einer primär stratifikatorischen, ständischen Gesellschaft, sondern in einer eher funktional differenzierten Gesellschaft. So etabliert sich zu Hegels Zeiten die Schule als autonomes System in einer Weise - insbesondere was das Gymnasium betrifft -, die auch noch die Grundlage für das heutige, uns bekannte Schulsystem bildet. 2. Bedeutsamer ist, dass Hegel aus systemphilosophisch zwingenden Gründen Schule als eigenständiges System begreift: Als autonomes System muss das System „Schule" existieren. Es muss zwischen Familie und gesellschaftlicher Welt vermitteln und darum auch nach systemeigenen Operationen funktionieren. Als notwendige Mitte und Vermittlung zwischen dem System „Familie" und dem System „bürgerliche Gesellschaft" ermöglicht das System „Schule" den Übergang von einem System zum anderen, der für das Individuum in modernen Gesellschaften nicht anders möglich ist. Alle weiteren damit verbundenen Bestimmungen des Systems Schule werden von Hegel aus dieser Mittlerfunktion der Schule abgeleitet. 3. Bei Hegel liegt der seltene Fall vor, dass der Autor einer „Weltphilosophie", wie Marx Hegels System genannt hat, eigene langjährige Erfahrungen als Gymnasiallehrer und dann als Rektor gemacht hat. Von 1808 bis 1816 war Hegel am Nürnberger Gymnasium, seit 1813 darüber hinaus auch als Schulrat tätig. In diesen Funktionen waren Unterricht sowie Organisation und Reflexion des Unterrichts Hegels tägliches Brot. Und Hegels Interesse für Bildung reicht weiter zurück: Bereits während seiner Gymnasialzeit exzerpiert Hegel einen Artikel aus Schlözer's Staats-Anzeigen, der das russische Schulwesen zum Gegenstand hat.15 Und seine ersten eigenständigen Entwürfe, wie die sog. .Fragmente über Volksreligion und Christentum', sind Fragen auch der religiösen Sozialisation und Bildung gewidmet. Der durchdringende Blick auf gesellschaftliche Systeme eignet Hegel also von früh an. Der Ertrag dieser Erfahrungen und Erkenntnisse zur Aufgabe und Funktion der Bildung liegt uns in einer Reihe von Reden vor, die Hegel in seiner Funktion 15

„Erziehung. Plan der Normal-Schulen in Russland 1785. 22. April". In: Hegel GW 3: Frühe Exzerpte.hrsg. v.Nicolin F. Hamburg 1991,3-5. Rosenkranz 1977,247,kommentiert Hegels frühe pädagogische Neigung mit den Worten: „Außerdem war aber Hegel's Stellung am Gymnasium gar nicht eine seiner Individualität fremde. Schon in seinen Knabenjahren konnten wir einen pädagogischen Tic in ihm bemerken."

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als Rektor zum jeweiligen Schuljahresabschluß gehalten hat. Es handelt sich um Reden aus den Jahren 1809, 1810, 1811, 1813 und 1815; darüber hinaus gibt es noch verschiedene Gutachten Hegels zu schulpolitischen Fragen wie z. B. der Stellung des Gymnasiums zum Realgymnasium.l6 Diese Reden wären freilich nur noch von historischem Interesse, wäre in sie nicht Hegels systemphilosophische Theorie der Gesellschaft eingegangen. Aus diesem Grund enthalten diese Gelegenheitsreden eine differenzierte und komplexe Theorie der Schule, die für die konkreten Anlässe nutzbar gemacht wurde, so dass Hegels Aussagen auch für das heutige System Schule noch Geltung beanspruchen können. Allerdings wird dem unbefangenen Leser die Tiefendimension der Gymnasialreden nicht unmittelbar deutlich, so dass es nötig ist, deren Kontext zu präsentieren. Dazu soll im Folgenden auf Hegels Ausführungen zu Familie, Gesellschaft und Staat sowie zur Bildung in seinen Grundlinien der Philosophie des Rechts und in seiner Phänomenologie des Geistes zurückgegriffen werden. Vergegenwärtigt man sich darüber hinaus, dass Hegel Pläne für eine Staatspädagogik17 gehabt hat, dann ist es naheliegend, dessen verstreute Aussagen zu einer systematischen Erziehungs- und Bildungskonzeption zusammenzufügen.

2 Die Funktion der Bildung: Bildung als das „Sich ins Allgemeine Hinaufarbeiten" In der systematisch bedeutsamsten Gymnasialrede, derjenigen von 1811, definiert Hegel Bildung in folgender Weise: „Was durch die Schule zustande kommt, die Bildung der Einzelnen, ist die Fähigkeit derselben, dem öffentlichen Leben anzugehören." (TW 4,352) Alle Kenntnisse und Fähigkeiten, die in der Schule vermittelt werden, haben also die Funktion, von gerade „diesen" Kindern erworben zu werden, um damit dem öffentlichen Leben anzugehören. Bildung ist die Fähigkeit, am öffentlichen Leben teilzuhaben. Sie ist Kompetenz zur Partizipation. D. h. die nachwachsenden Generationen, „diese Kinder", müssen sich durch die Schule auf den Kenntnisstand ihrer Zeit bringen, um dann mit dem Gelernten ihren Weg im gesellschaftlichen Leben zu gehen. Dieser einfache Hegelsche Gedanke entfaltet seine weitere Dimension, wenn man die entsprechende Stelle aus Hegels Grundlinien der Philosophie des Rechts heranzieht. Bildung wird dort als eine Operation des objektiven Geistes verstanden. Unter „objektivem Geist" versteht Hegel eine Sphäre, in der das Handeln des Einzelnen, des subjektiven Geistes18, sich in objektiven Institutionen Gestalt 16

Vgl. zu den Gymnasialreden und zu Hegels Pädagogik auch die knappe und präzise Zusammenfassung von Nicolin 1977,93-98. 17 Rosenkranz 1977,247. 18 Hegel spricht vom subjektiven Geist, wenn er denjenigen meint, den wir umgangssprachlich und ohne terminologische Genauigkeit „Mensch" nennen. Hegels Terminologie hat ein

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gibt und dadurch Realität gewinnt. Solche Institutionen sind u. a. das familiale System oder das Rechtssystem. In diesen Gestalten erkennt sich der subjektive Geist wieder, weil sie ihre Realität, ihre Objektivität nur seinem Wesen, nämlich Geist zu sein, und d. h. im Anderen bei sich selbst zu sein, verdanken.19 Aufgrund dieser Bestimmung des Geistes sind die Institutionen des objektiven Geistes soziale Systeme, in denen und durch die die subjektiven Geister ihrer Freiheit, ihrer Geistigkeit, eine eigene und für alle praktisch-reale, objektive Gestalt gegeben haben. Diese Institutionen des objektiven Geistes „übersteigen" die einzelnen subjektiven Geister, wiewohl sie deren angemessener objektiver Ausdruck sind und sein sollen. „Die Freiheit, zur Wirklichkeit einer Welt gestaltet, erhält die Form von Notwendigkeit, deren substantieller Zusammenhang das System der Freiheitsbestimmungen und der erscheinende Zusammenhang als die Macht, das Anerkanntsein, d.i. ihr Gelten im Bewußtsein ist." (TW 10, 303; § 484) Die subjektiven Geister, das heißt die psychischen Systeme, sind also von den Systemen des objektiven Geistes aus betrachtet deren Umwelt. Denn die sozialen Systeme, die Systeme des objektiven Geistes, operieren als autonome und geschlossene nach systemeigenen Regeln und Normen, so dass die subjektiven Geister an diesen objektiven Systemen nur teilhaben können, wenn sie nach deren systemeigenen Operationen fungieren. Um diese Bestimmungen des objektiven Geistes nicht im Allgemeinen und Abstrakten zu belassen, seien diese anhand des sozialen Systems „Familie" erläutert. Dieses System kann Hegel, wie alle anderen sozialen Systeme und Teilsysteme auch, als sittliches bezeichnen, weil in ihm Regeln, Normen und Verhaltensweisen gelebt werden und so auf eine bestimmte Weise realisiert sind. Die Regeln sind eingebettet und real nur in der jeweils einzelnen Familie, die als solche ein bestimmtes „Klima" erzeugt und als solches, als diese bestimmte Familie, operiert und fungiert. Wir sind hier also auf der Stufe, auf der der subjektive Geist sich in permanenter Auseinandersetzung mit dem familialen System als seiner sozialen Umwelt konfrontiert sieht, auf die der subjektive Geist reagieren muss. Alle Äußerungen, alle Verhaltensweisen, die der subjektive Geist, d. i. das einzelne Familienmitglied tätigt, findet seine Antwort im Verhalten und in der Kommunikation anderer Familienmitglieder. In dieser permanent stattfindenden

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Pendant in der soziologischen Theorie Luhmanns, der in dieser Hinsicht vom „psychischen System" spricht, das für das soziale System Umwelt ist und umgekehrt. Die Nähe zur Luhmannschen Systemtheorie wird im folgenden als Lizenz genommen, um die System-UmweltUnterscheidung zur Verdeutlichung der Hegelschen Systemphilosophie des objektiven Geistes heranzuziehen. Auf diese Operativität des Geistes kann hier, da es den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen würde, nicht eingegangen werden. Es sei hier ohne nähere Begründung vorausgesetzt, dass der Geist ein tätiges System ist, das Objektivität gewinnt, indem es sich eine soziale Sphäre schafft, die als solche praktische, d. h. kommunikativ erzeugte Realität ist.

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Kommunikation konstituiert sich das System Familie. In dieses System hat das Neugeborene sich zu integrieren. Es findet hier eine Sphäre vor, die bereits objektiver Geist ist und in der es als subjektiver Geist erfährt, dass es sich in der Objektivität, in seiner praktisch-realen Welt wiederfindet. Für das heranwachsende Kind bedeutet das, dass es sich in seinem Verhalten an dem ausrichtet, was es als das Familiensystem versteht. Es lernt seine Operationen auszubilden, indem es auf die Antworten des schon vorhandenen familialen Systems reagiert. Es .bildet' sich, indem es sich in das Familiensystem einlebt. Dieses Einleben im Kontext der Familie ist Sozialisation und Erziehung.20 Die Operationsform Bildung tritt auf der nächsten Stufe des objektiven Geistes auf, bei der es um das Einleben ins gesellschaftliche Allgemeine geht. Dabei setzt Hegel zunächst seinen eigenen Begriff der Bildung von zwei unzulänglichen, weil einseitigen Vorstellungen von Bildung ab. Auf der einen Seite wird Bildung als ein Prozess missverstanden, der die Unschuld des Naturzustandes des Menschen verderbe. Auf der anderen Seite wird - ebenfalls unzulänglicherweise - Bildung auf ein Mittel zur Befriedung der natürlichen Bedürfnisse reduziert (§ 187). Beide Vorstellungen zeigen - so Hegel - „die Unbekanntschaft mit der Natur des Geistes" (§ 187). Denn zur Natur und der Operativität des Geistes gehört, sich in der Objektivität zu realisieren. Objektivität für den Geist ist die Sphäre der Natur, das heißt er muss in der Sphäre der Natur und der natürlichen Bedürfnisse objektiv werden. Dies bewerkstelligt der Geist nun nicht so, dass er zur Natur wird, was unmöglich ist, oder sich den natürlichen Bedürfnissen überlässt, sondern dass der subjektive Geist die natürlichen Bedürfnisse, seine natürliche Seite gestaltet. Dieses Gestalten hat aber nun einen doppelten Aspekt: Indem der Geist die Objektivität, die natürliche Seite gestaltet und dadurch in ihr einheimisch wird, verwandelt er diese zugleich, indem er sie zur geistigen Allgemeinheit erhebt. Dadurch aber findet sich der subjektive Geist in der allgemeinen geistigen Welt einheimisch geworden.21 Dieses Heimischwerden im Verwandeln der Welt nennt Hegel Bildung. „Auf diese Weise nur ist der Geist in dieser Äußerlichkeit als solcher einheimisch und bei sich. Seine Freiheit hat so in derselben ein Dasein, und er wird in diesem, seiner Bestimmung zur Freiheit an sich fremden Elemente für sich, hat 20

Vgl. dazu auch Spaemann 2001a, 506. Auf dessen bedenkenswerte Ausführungen zur Bildung als Lebenshaltung kann hier nur verwiesen werden: Spaemann 2001b. 21 In Hegels Gymnasialrede von 1811 tritt derselbe Gedanke in folgender Formulierung auf: „Die wissenschaftliche Bildung hat überhaupt die Wirkung auf den Geist, ihn von sich selbst zu trennen, aus seinem unmittelbaren natürlichen Dasein, aus der unfreien Sphäre des Gefühls und des Triebs herauszuheben und in den Gedanken zu stellen, wodurch er ein Bewußtsein über die sonst nur notwendige, instinktartige Rückwirkung auf äußere Eindrücke erlangt und durch diese Befreiung die Macht über die unmittelbaren Vorstellungen und Empfindungen wird, welche Befreiung die formelle Grundlage der moralischen Handlungsweise überhaupt ausmacht." (TW 4,348).

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es nur mit solchem zu tun, dem sein Siegel aufgedrückt und von ihm produziert ist." (§ 187) Für den subjektiven Geist bedeutet das: Durch das Heimischwerden im Objektiven wird dem subjektiven Geist das Objektive zu einer Allgemeinheit, durch die seine eigene, bloß subjektive Seite seinerseits von dieser durch ihn mitkonstituierten Allgemeinheit bestimmt und damit gebildet wird. Das psychische System entdeckt in seiner Umwelt ein soziales System, von dem aus betrachtet das psychische System Umwelt ist und als dessen Umwelt sich das psychische System begreift. Diese Umwendung der Umweltlichkeit und die Ausrichtung des psychischen Systems auf die Systemizität der Gesellschaft ist Bildung. Sie ist die Rückwirkung des geistigen Allgemeinen, das durch das geistige Einzelne erst konstituiert wird, auf den Einzelnen und die Übernahme dieses Allgemeinen ins Einzelne.22 Damit ist bei Hegel von vornherein ein kommunikativer Begriff der Bildung etabliert. Denn die Allgemeinheit zu der und an der der subjektive Geist sich bildet, entsteht in der Kommunikation der subjektiven Geister, aber so dass sie von dieser Kommunikation bestimmt sind. Diese Rückwirkung des objektiven Systems, das einerseits durch die subjektiven Systeme konstituiert und andererseits aufgrund seiner kommunikativen Konstitution für die subjektiven Systeme objektiv, „gegeben", ist und als solches auf die subjektiven wirkt - in dieser Rückwirkung des objektiven Systems bildet sich das subjektive System. „Durch diese Arbeit der Bildung ist es aber, daß der subjektive Wille selbst in sich die Objektivität gewinnt, in der er seinerseits allein würdig und fähig ist, die Wirklichkeit der Idee zu sein." (§ 187) Bildung ist die .Abbildung' der Objektivität des Geistes in mir, die durch mich zugleich erst objektiv in meiner Umwelt konstituiert wird. Dadurch befreit das subjektive System sich selbst für wesentliche Dinge, für das Allgemeine. „Ebenso macht zugleich diese Form der Allgemeinheit, zu der sich die Besonderheit verarbeitet und heraufgebildet hat, die Verständigkeit, daß die Besonderheit zum wahrhaften Fürsichsein der Einzelheit wird [...]." (§187) Bildung bedeutet darum nicht Anpassung des Einzelnen ans Allgemeine. Richtigerweise ist vielmehr davon zu sprechen, dass der einzelne Geist sich zum allgemeinen Geist hinaufbildet. Denn auch der allgemeine Geist verändert sich im Bildungsakt des Einzelnen. Er wird reicher, komplexer dadurch, dass nun ein weiteres psychisches System als Umwelt des Gesellschaftssystems operiert. Die Vernünftigkeit bestehender Welt- und Selbstverhältnisse wird im Prozeß der Bildung anerkannt und affirmiert. Zugleich ist diese Affirmation die Voraussetzung für ihre bewusste Gestaltung und, wenn nötig, auch für ihre Umgestaltung. Der einzelne Geist bildet sich an den Besonderheiten der geistigen Welt und bildet sich so in deren Allgemeinheit hinein, um dann die Allgemein22

Vgl. dazu auch Horkheimer 1985,415: „Gebildet wird man nicht durch das, was man aus sich selbst macht, sondern einzig in der Hingabe an die Sache, in der intellektuellen Arbeit sowohl wie in der ihrer selbst bewußten Praxis."

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heit wahrhaft im und durch den einzelnen Geist gestalten zu können. „Dies ist der Standpunkt, der die Bildung als immanentes Moment des Absoluten, und ihren unendlichen Wert erweist." (§ 187) Zusatz: Bildung als geschichtsphilosophische Kategorie in Hegels Phänomenologie des Geistes Neben diesem praktischen Kontext des objektiven Geistes, innerhalb dessen die Genese der Bildung des Einzelnen nach der Französischen Revolution und damit im modernen Staat abgehandelt wird, sei noch kurz der geschichtsphilosophische Kontext der Phänomenologie des Geistes erwähnt, in dem der Bildungsbegriff bei Hegel ebenfalls prominent auftritt. Hier operiert der Begriff Bildung in einer vorrevolutionären Epoche, in der die Gesellschaft grundlegend durch Entfremdung bestimmt ist. „Bildung" tritt hier als geschichtsphilosophische Kategorie auf, mit deren Hilfe die nachgriechische Geschichte, d. i. der Gang der römischen und der europäischen Geschichte begriffen werden soll. Während die Griechen Objektivationen des Geistes generieren, das heißt Institutionen und religiöse Verhältnisse, die dem subjektiven griechischen Geist nicht fremd sind, generiert die römische Welt und dann die europäische Welt Gesellschaftsformationen und religiöse und politische Institutionen, in denen der Geist noch fremd ist, sich nicht als Geist wiedererkennt und an denen der individuelle Geist sich erst zu bilden hat. Dieser Bildungsprozess endet mit der Französischen Revolution: Und „diese Revolution bringt die absolute Freiheit hervor, womit der vorher entfremdete Geist vollkommen in sich zurückgegangen ist, dies Land der Bildung verläßt und in ein anderes Land, in das Land des moralischen Bewußtseins übergeht." (TW 3,362) Für Bildung als geschichtsphilosophische Kategorie bedeutet das: Die Griechen bilden sich im Leben, weil ihnen das Absolute, die Götter, die Substanz ihres Lebens noch in der Welt präsent erscheint. Sie leben in ihrer Welt wie in ihrem Element. Im Gegensatz zur griechischen Welt muss die nachgriechische Welt durch die Entfremdung der Transzendenz des Absoluten hindurchgehen und die Entfremdung durch ein neuartiges Hineinbilden des Absoluten in die Welt aufheben. Die römisch-heidnische und dann die europäisch-christliche Welt müssen sich in diesem geschichtsphilosophischen Sinne bilden, weil erst sie durch die Trennung von Absolutem und Endlichem bestimmt ist. Das ist der bildungs-theoretische Sinn des Kapitels „Der sich entfremdete Geist. Die Bildung" aus der Phänomenologie des Geistes.

3 Bildung als theoretische Entfremdung: Aneignung durch Entfremdung und Entäußerung Bildung ist also die Formierung des psychischen Systems, so dass es im kommunikativen System operieren kann und dabei zu einer Selbststeigerung kommt,

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indem der subjektive Geist sich selbst als Ausdruck der allgemeinen, der objektivierten Freiheit versteht. Wie aber geht der Bildungs- und Lernprozeß vor sich, wie beginnt er? Hegel antwortet auf diese Frage mit einer Operativität des psychischen Systems, des subjektiv-geistigen Systems oder der Seele, wie Hegel sagt, indem er von einem „Zentrifugaltrieb der Seele" (Gymnasialrede 1809; TW 4, 321) spricht. Der Zentrifugaltrieb der Seele, den man auch den Trieb des Lernens nennen könnte, bedeutet, dass das psychische System nur in einer fremden und fernen Umwelt sich suchen und bilden kann. Die Seele ist notwendig ausschreitend, auseinanderstrebend.23 Das psychische System muss also in eine fremde Umwelt versetzt werden, um diejenigen Irritationen zu erfahren, die es bilden können. Die Seele operiert so, sich möglichst weit von normalen Irritationen zu entfernen und sie durch fremde, d. i. durch fremd empfundene Irritationen zu ersetzen. Dieser Zentrifugaltrieb gilt in besonderer Weise für den sich entwickelnden subjektiven Geist, der noch keine gefestigten sozialen Identitäten ausgebildet hat und der daher neugierig und insofern der Bildung fähig und bedürftig ist. „Die Jugend stellt es sich als ein Glück vor, aus dem Einheimischen wegzukommen und mit Robinson eine ferne Insel zu bewohnen" (Gymnasialrede 1809; TW 4, 321). Generell steht also am Anfang jedes Bildungsprozesses die Entfremdung. Sie ist dessen Bedingung (ebd.). Diese Entfremdung ist theoretischer Natur. Denn die fremde Umwelt, die für den subjektiven Geist, das psychische System, entstehen muss, wird für dieses psychische System bloß in der Vorstellung erzeugt. Das sich bildende psychische System muss die fremde Umwelt nicht real erfahren, es muss nicht leibhaftig in sie versetzt werden. Es genügt, wenn es sich um eine theoretische Entfremdung handelt und so, wie Hegel sagt, um den „leichteren Schmerz und Anstrengung der Vorstellung, sich mit einem NichtUnmittelbaren, einem Fremdartigen mit etwas der Erinnerung, dem Gedächtnisse und dem Denken Angehörigen zu beschäftigen." (Gymnasialrede 1809; TW 4,321). Entscheidend ist, dass es sich bei der fremden Welt um ein soziales System handeln muss. Nur im fremden sozialen System erfährt sich der subjektive Geist als objektiv-werdender. Es genügt also nicht, naturwissenschaftliches Wissen oder historische Fakten als solche zum Bildungsinhalt zu machen. Vielmehr muss jeder Bildungsinhalt mit dem jeweiligen sozialen System, in dem er auftritt, Gegenstand des Unterrichts und der Bildung sei. In Weiterführung des Hegeischen Vorschlags wäre es meines Erachtens für viele Schülerinnen und Schüler einfacher das Galileische Fallgesetz zu lernen, wenn ihnen damit zugleich - und sei es nur ansatzweise - die Differenz zur aristotelischen Auffassung von fallenden Körpern und die damit verbundene andere Weltauffassung 23

Hegel, TW 4, 321: „Diese Forderung der Trennung aber ist so notwendig, daß sie sich als ein allgemeiner und bekannter Trieb in uns äußert."

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verdeutlicht würde oder sie sich diese Differenz selbst erarbeiten könnten, so dass ihnen Naturwissenschaft als Teilsystem sozialer Systeme zu Bewußtsein käme. Denn das psychische System muss - soll Lernen und Bildung gelingen in der fremden Umwelt Systeme des objektiven Geistes (Familien, Gesellschaften, Staaten) oder Manifeste des absoluten Geistes (Kunstwerke, religiöse, naturwissenschaftliche, philosophische Systeme) entdecken. In dieses fremde soziale System muss sich das psychische System - so Hegels Pointe - einleben. Erst wenn es eingearbeitet und eingelebt ist, ist die Rückkehr ins eigene System möglich. Nur vom Boden der fremden Welt aus gelingt die Rückkehr zur eigenen, die aber dann als Rückkehr zu einer geistigen Welt bewerkstelligt werden kann. Denn erst in diesem Gang begreift der subjektive Geist seine eigene Welt als gesetzt aus der Operativität und Freiheit des Geistes, selbst wenn er sie nicht durch eine beliebige andere real ersetzen kann. Geistig ist ihm diese seine Welt nun geworden, weil er sie nur als eine mögliche unter anderen Welten, die es gab, begreift. Denn nur demjenigen, der die Erfahrung der Kontingenz des eigenen Systems durch die theoretische Versetzung in ein fremdes System gemacht hat, entsteht Reflexion und damit Freiheit. Das psychische System gewinnt erst dadurch eine Virtualität, die dem psychischen System als Bildung zu Bewusstsein kommt (TW 4,322).24 Zusatz: Dieser Gedanke Hegels von der notwendigen theoretischen Entfremdung im Lernprozeß und der dadurch sich einstellenden Rückwirkung aufs eigene Leben wird durch eine Anekdote aus dem Leben des Regisseurs und Schauspielers Fritz Kortner treffend illustriert. In der Emigration lernt Kortner Englisch, mit großer Mühe und Hemmung, weil beruflich-emotional verwurzelt in der deutschen Sprache, aber mit wachsender Begeisterung und der akribischen Besessenheit des schwer Lernenden. Das Resultat zeitigt ein für ihn selbst erstaunliches Resultat. Eines Tages sagte der Schriftsteller Leon-hard Frank zu Kortner: ,„Ihr Deutsch hat sich verbessert.' Ich war verblüfft. Aber Frank hatte recht. Das bewußte Befassen mit der neuen Sprache wirkte sich auch auf die aus, die ich als Kind unbewußt gelernt hatte."25

4 Der Ort der Bildung: Schule als „Mittlerin"

zwischen Familie und Gesellschaft und die damit verbundene notwendige „Relativität" der Schule Der notwendige Gang in eine fremde und doch verwandte Welt hat Konsequenzen für den Inhalt des Lernens, für den Stoff der Bildung, die im nächsten 24

Vgl. dazu auch Horkheimer 1985, 415: „Mit dem Aneignen ist es nicht getan. Wer nicht aus sich herauszugehen, sich an ein Anderes, Objektives ganz und gar verlieren und arbeitend doch darin sich erhalten kann, ist nicht gebildet, und der sogenannte Gebildete, der dazu unfähig ist, wird stets Male einer Beschränktheit und Befangenheit aufweisen, die seinen eigenen Anspruch auf Bildung Lügen strafen." 25 Kortner 1970, 275.

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Abschnitt näher dargestellt werden. Zunächst aber und vor allem bedeutet es, dass Bildung und der Fortschritt der Bildung kein kontinuierlicher Prozess sind, bei dem sich ein Glied ans andere reiht. Bildung funktioniert vielmehr nur als verarbeitende Rückwendung zu vorigen Stufen der Bildung; sie „muß einen früheren Stoff und Gegenstand haben, über den sie arbeitet, den sie verändert und neu formiert." (TW 4,320) Für den Ort der Bildung heißt das: Die normale gesellschaftliche Kommunikation, insbesondere die Kommunikation im familialen System, reicht zu diesem Zweck nicht aus. Ein fühlbarer Bruch im Prozeß des Lernens und Bildens ist notwendig - so Hegels These und Begründung für eine systematisch herbeizuführende Versetzung in eine fremde Welt, die dann auch nur durch eine eigene Institution geleistet werden kann.26 Die dabei notwendige Zäsur übernimmt das System „Schule", das darum eine wesentliche Stufe in der Genese der sittlichen, der sozialen Systeme und bei der Transformation des subjektiven Geistes ist. Um dieses Mittler-System Schule und deren Notwendigkeit sowie die damit verbundenen Bestimmungen der Schule begreifen zu können, sind zunächst die beiden Systeme „Familie" und „Gesellschaft" bzw. „wirkliche Welt" - über das im vorigen Abschnitt bereits Gesagte hinaus - noch näher auszuführen und um weitere Bestimmungen anzureichern. a. Die Familie ist dasjenige System, das dem Operator Geist erst seine individuelle lebendige Existenz gibt. Familie realisiert dies, indem sie den Zeugungszusammenhang bildet, durch den die subjektiven Geister geboren und damit in die Existenz gebracht werden.2/ b. Die Familie ist eine praktische Realität und ein sittliches System, weil in der Familie die Heranbildung der Einzelnen, der Kinder in die Gewohnheiten, Regeln und Normen der Gesellschaft und des Staates erfolgt. Alle Sitten, die bei Hegel Gewohnheiten, Konventionen, Gesetze, Regeln und Normen umfassen, werden dem Kind hier auf eine persönliche Weise vermittelt. In der Familie ist es die unmittelbare Umgebung des Kindes und deren Inhalte und Formen, die das Kind bilden. Empfindung, Liebe, Zutrauen konstituieren das familiale System; „das Kind gilt hier darum, weil es das Kind ist; es erfährt ohne Verdienst die Liebe seiner Eltern, so wie es ihren Zorn, ohne ein Recht dagegen zu haben, zu ertragen hat." (Gymnasialrede 1811; TW 4, 349) c. Dieser Vorzug der Familie ist zugleich ihre Grenze. Das Kind lebt sich zunächst nur in diejenigen Sitten ein, die in der Familie, der es zugehört, praktiziert werden (Gymnasialrede 1811; TW 4, 349). Fremde Gegenstände, die das Kind noch nicht kennt und vielleicht in der eigenen Familie über26 27

Vgl. zur Autonomie des Erziehungssystems Luhmann/Schorr 1999, 79. Vgl. zur Bedeutung der Familie und der damit verbundenen Hegeischen Theorie der Bestattung als notwendigerweise spezifisch familiales Ritual vom Vf. 2005 (im Erscheinen).

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haupt nicht kennenlernen würde und die zugleich allgemein sind, müssen in einer allgemeinen Institution gelernt werden. Im Gegensatz zur Familie ist Gesellschaft von völlig anderem Zuschnitt. Die Welt, die Gesellschaft, operiert nach Regeln der Allgemeinheit. Es kommt hier gerade nicht auf Liebe oder Zuneigung an. Hier wird der Einzelne an seiner Leistung und seiner Funktion für die verschiedenen gesellschaftlichen Systeme gemessen. Der Mensch hat in der Gesellschaft „den Wert nur, insofern er ihn verdient. Es wird ihm wenig aus Liebe und um der Liebe willen; hier gilt die Sache, nicht die Empfindung und die besondere Person" (ebd.). Zwischen dem Zeugungs- und Reproduktionszusammenhang der Familie und ihren Besonderheiten und der Allgemeinheit der Gesellschaft und des Staates herrscht also ein tiefgreifender Unterschied. Darum kann es - in einer einigermaßen komplexen Gesellschaft - keinen unmittelbaren Übergang von der Familie in die Gesellschaft geben. Vielmehr muss dieser Übergang notwendigerweise durch ein eigenständiges System vermittelt werden,28 das zwischen Familie und Gesellschaft stehen und als Mittler zwischen beiden auch Funktionen und Bestimmungen beider Systeme, sowohl des familialen (a) als auch des gesellschaftlichen (b) Systems, in sich zur Darstellung bringen muss. Das familiale Moment (a), das in die Schule eingeht, ist das des Schutzes und der fraglosen Partizipation aller Schüler. Dies wird durch die allgemeine Schulpflicht gewährleistet. Zugleich darf die Allgemeinheit der Gesellschaft, die den Heranwachsenden vermittelt werden soll, noch nicht der gesellschaftlichen Konkurrenz ausgeliefert sein. Noten und Beurteilungen in der Schule dienen nicht dazu, die Subsistenz der Schüler zu garantieren. Ihren Lebensunterhalt verdienen sich die Schüler nicht durch ihre Noten, sondern sie erhalten ihn unabhängig von ihren Leistungen - weiterhin von ihren Familien. Das gesellschaftliche Moment (b) der Schule besteht darin, dass die allgemeinen Inhalte und entfamiliarisierten Interaktionen praktiziert werden. Das Kind hat in der Schule „im Sinne der Pflicht und eines Gesetzes sich zu betragen und um einer allgemeinen, bloß formellen Ordnung willen dies zu tun und anderes zu unterlassen, was sonst dem Einzelnen wohl gestattet werden könnte." (TW 4, 349; Herv.d.Verf.) Schule ist also der versuchsermöglichende Mittler zwischen dem Spiel der Kindheit und dem Ernst des Lebens. Denn unter geschützten Bedingungen ist hier das Lernen der Gesetze der Allgemeinheit möglich. In der Schule gehört der Schüler „jetzt zwei abgesonderten Kreisen an, deren jeder nur eine Seite seiner Existenz in Anspruch nimmt. Außer dem, was die Schule an ihn fordert, 28

Vgl. zur historischen Entwicklung auch Luhmann 2002, 61: „Spätestens nach der Verbreitung des Buchdrucks und nach dem Sichtbarwerden des Umfangs und der Komplexität des vorhandenen Wissens liegt auf der Hand, daß das Leben im Haus nicht ausreicht. Die Väter müssen einen Schock bekommen haben. [... ] Entsprechend werden educatio und institutio unterschieden."

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hat er eine von ihrem Gehorsam freie Seite, die teils noch dem häuslichen Verhältnisse, aber auch seiner eigenen Willkür und Bestimmung überlassen ist, - so wie er damit zugleich eine durch das bloße Familienleben nicht mehr bestimmte Seite und eine Art von eigenem Dasein und besondere Pflichten erhält." (TW 4,350) Aus dieser Positionsbestimmung der Schule leitet Hegel zwei grundlegende Folgerungen für die Bedeutung des Unterrichts in der Schule und für die Beurteilung des Lernens ab, an die er eine kritische Reflexion über den Zusammenhang von Schulnoten und gesellschaftlichen Karrieren anschließt: a. Die Schüler üben an bereits fertigen Inhalten: „die Wissenschaft wird darin nicht fortgebildet, sondern nur das schon Vorhandene, und zwar erst nach seinem elementarischen Inhalte erlernt; und die Schulkenntnisse sind etwas, das andere längst wissen" (TW 4, 352f.). Weder Forschung noch Neugestaltung der Gesellschaft finden in der und durch die Schule statt, sondern das bereits an anderer Stelle Verwirklichte wird hier eingeübt und gelernt. In genau dieser Hinsicht besteht die Funktion der Schule darin, Vorbereitung und Vorübung zu sein. b. Die Noten und Beurteilungen, die in der Schule vergeben werden, sind nur von „relativer Wichtigkeit" und ihre vornehmste Gültigkeit haben sie - so Hegel - nur innerhalb der Sphäre der Schule (TW 4, 353). Es sind Vor-Urteile notwendig als Urteile, um den Schülern das gesellschaftliche Moment der Leistung zu vermitteln, aber vorläufig, weil alle Bewertungen und Leistungen unter dem Vorbehalt der weiteren, möglichen und erwünschten, Entwicklung der Schülerinnen und Schüler stehen.29 „Denn wie die Arbeit der Schule Vorübung und Vorbereitung ist, so ist auch ihr Urteil ein Vorurteil; eine so wichtige Präsumtion es gibt, so ist es nicht schon etwas Letztes. Das Urteil, das die Schule fällt, kann daher so wenig etwas Fertiges sein, als der Mensch in ihr fertig ist." (TW 4, 353) c. Hegel neigt aufgrund seiner Verortung der Schule als Mittler weder zu einer Unterschätzung noch zu einer Überschätzung der Schule. Denn aufgrund seines systemphilosophischen Ansatzes reflektiert er über die Einheit von Erziehung und Karriere bzw. Karriereselektion, indem Hegel die Vorläufigkeit schulischer Beurteilung mit der weiteren Entwicklungsfähigkeit der Schüler verbindet. Zugleich nimmt er den Wechsel in der Beurteilung der einzelnen Schüler in der schulischen Karriere deutlich wahr, so dass er die Unbeständigkeit geradezu als Kennzeichen dieser schulischen „Welt des Werdens" herausstellt (TW 4, 354). Auf Hegel trifft also die Feststellung Luhmanns nicht zu, die Pädagogen würden die Einheit von Erziehung und 29

Vgl. auch: „Die Jugend ist in der Schule im Streben begriffen; wer in ihr zurückbleibt, hat immer noch die allgemeine Möglichkeit der Besserung vor sich; die Möglichkeit, daß er seinen Standpunkt, sein eigentliches Interesse nur noch nicht gefunden hat, in welchem es mit ihm durchbricht." (TW 4, 353)

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Karriereselektion nicht hinreichend beachten und reflektieren.30 Auch an dieser Öffnung des Blicks über das System Schule hinaus zeigt sich deutlich die Stärke von Hegels gesellschaftstheoretischer Reflexion auf Funktion und Ort der Schule als Teilsystem der Gesellschaft.

Exkurs: Gymnasium und Realinstitut - die Schulsituation zu Hegels Zeit Hegels Verortung der Schule, insbesondere des Gymnasiums, als Teilsystem der modernen, nach-revolutionären Gesellschaft31 bewegt sich historisch zwischen der Institution der Lateinschule und der Etablierung des humanistischen Gymnasiums.32 Diese Entwicklung soll hier nur gestreift werden. Insbesondere auf die zeitgenössischen Auseinandersetzungen um den Philanthropinismus und die Begründung des humanistischen Gymnasiums soll hier nur insoweit eingegangen werden, als sie in Hegels Gymnasialreden direkt angesprochen werden.33 Auch die Rolle und Bedeutung Niethammers, mit dem Hegel freundschaftlich verbunden ist und der - als bayrischer Zentralschulrat - seine Berufung ans Nürnberger Gymnasium betrieben hat, für die bayrische Schulreform soll hier ausgeklammert bleiben, ebenso wie mögliche Bezüge auf Wilhelm von Humboldts Überlegungen zum Königsberger Schulplan und zum Litauischen Schulplan.34 In der Rede von 1809 würdigt Hegel die Neuorganisation des Nürnberger Ägidien-Gymnasiums gegenüber der alten Lateinschule. Denn die alte Lateinschule sei in der Tat - so Hegel - überlebt, weil sie sich auf den Spracherwerb beschränkt und die griechisch-römische Welt als ganze gerade nicht zum Zentrum des Unterrichts gemacht habe (TW 4, 314.).35 Aufgrund dieser Fest30

S. Luhmann 1999, 977f.: „Als Pädagoge hält der Lehrer sich nur für Ausbildung und Erziehung zuständig, als Schulmann betreibt er mit dem Urteil, das er kommuniziert, Selektion. Die Form der Erziehung ist mit dem Bildungsbegriff gegen Selektion abgegrenzt, und eben deshalb bleibt die andere Seite der Form, die Beteiligung des Pädagogen an der sozialen Selektion, unterreflektiert." " Hegel geht darauf in der Rede von 1809 ein, wo er - vermutlich in Anspielung auf die Französische Revolution und aber vor allem auf die daran anschließenden Napoleonischen Kriege den neuen Ernst erwähnt, durch den der vormals herrschende Leichtsinn abgelöst worden sei (4,323). 31 Vgl. dazu Lefevre 1979, 97-154. 33 Vgl. zu Hegels schulpolitischer Tätigkeit auch Rosenkranz 1977, 246ff. 34 Zu den Schulreformen Friedrich Immanuel Niethammers vgl. auch die kenntnisreichen Kommentare zu den Briefen Nr. 88, 103, 119, 144, 145, in Hoffmeister 1969; s. Hegels Brief (Nr. 103) an Niethammer vom 29.8.1807, ebd., Bd. 1, 184. Hegel geht in seiner Ablehnung der alten Lateinschulen mit Niethammer konform bis in die Wortwahl hinein, so dass er dessen Schriften offensichtlich auch seinen Gymnasialreden zugrundegelegt hat. Vgl. dazu Niethammers Einschätzung, dass die Lateinschulen den ganzen Unterricht in bloß mechanisches Erlernen der alten Sprachen verwandelt hätten. Während doch in Wahrheit „das Studium der alten Sprachen nicht Zweck an und für sich selbst, son-

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stellung bewertet Hegel die Neuorganisation des Nürnberger Gymnasiums als echten Fortschritt, insofern dadurch einerseits die Vorzüge der Lateinschule bewahrt, andererseits durch Verbesserung (Hebung des Niveaus der Volksschulen) und Ausdifferenzierung des Schulsystems (in Realinstitut und Gymnasium) die Stellung des Gymnasiums den Erfordernissen der Zeit entsprechend eingerichtet worden sei. Insbesondere die Gründung eines Realinstituts, das nicht auf dem Studium der Alten basiert, hat dem Gymnasium die Möglichkeit verschafft, sich zu spezialisieren.36 Wobei Hegel dieser Ausdifferenzierung und Spezifikation ausdrücklich das Wort redet; auch hier wieder von der Einsicht in die Vorzüge funktionaler Differenzierung der Gesellschaft getragen: „Nur was sich abgesondert in seinem Prinzip vollkommen macht, wird ein konsequentes Ganzes, d. h. es wird etwas; es gewinnt Tiefe und die kräftige Möglichkeit der Vielseitigkeit. Die Besorgnis und Ängstlichkeit über Einseitigkeit pflegt zu häufig der Schwäche anzugehören, die nur der vielseitigen konsequenten Oberflächlichkeit fähig ist." (TW 4, 317) Ein wichtiger und interessanter Punkt zur gesellschaftlichen Stellung des Gymnasiums, der nur in den Briefen an Niethammer zur Sprache kommt, bleibt noch hervorzuheben: Hegel thematisiert die Bedeutung des Gymnasiums und dessen Fortbestandes auch im Hinblick auf die konfessionellen Mentalitäten. Im Zusammenhang mit den Protesten der Nürnberger Bevölkerung gegen die Überlegungen der bayrischen Regierung, das dortige Gymnasium zu schließen, analysiert Hegel die geistesgeschichtlichen und religionspolitischen Wurzel dieser Proteste: „Sie wissen selbst, wie sehr die Protestanten auf gelehrte Bildungsanstalten halten; daß ihnen diese so teuer sind als die Kirchen, und gewiß sind sie so viel wert als diese; der Protestantismus besteht nicht so sehr in einer besonderen Konfession als im Geiste des Nachdenkens und höherer, vernünftiger Bildung, nicht eines zu irgend diesen und jenen Brauchbarkeiten zweckmäßigen Dressierens. - Empfindlicher hätte man sie nicht angreifen können als an ihren Studienanstalten."37 Vergegenwärtigt man sich diese Analyse, dann wird verständlich, warum Hegel im Zusammenhang mit der klassischen Bildung auch von einer „profanen Taufe" (TW 4, 317) sprechen kann. dem nur Vorübung und Mittel seyn solle, die vollendetsten Meisterwerke der Cultur mit der Leichtigkeit, die der Genuß eines Kunstwerkes und die davon zu erlangende Bildung fordert, lesen und studiren zu können" (zit. nach Lefevre 1979, 104). 36 Vgl. dazu auch Hegels Gutachten über die Stellung des Realinstituts zu den übrigen Studienanstalten: TW 4, 392: „Indem eine Gymnasialanstalt als eine Spezialschule der Vorbereitung zur höheren wissenschaftlichen und geistigen Bildung anzusehen ist, so erhält sie einen eigenen Ton für alle ihre Lehrgegenstände [...]." Mit dieser „Einheit des Tons" begründet Hegel, warum es keinen gemeinsamen Unterricht zwischen den Schülern des Gymnasiums und des Realinstituts (= Realgymnasiums), das Hegel nicht schätzt, geben kann. 37 Hegel an Niethammer, 3.11.1810. In: Briefe von und an Hegel, hrsg. v. Johannes Hoffmeister. Hamburg 21969, Bd. 1, 337. Ähnliche und noch stärkere Formulierungen finden sich in weiteren Briefen Hegels an Niethammer. Ebd. Bd. 2, 89 u. Bd. 2, 141.

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Hegel hebt dabei zu Recht hervor, dass - neben der Rechtssprechung -die Schule, generell die Institution der Erziehung es sei, die die Gemüter der Staatsbürger am meisten errege; „denn von keinem übersieht und fühlt der Privatmann die Vorteile und Wirkungen so unmittelbar, nah und einzeln als von jenen Zweigen, deren der eine sein Privateigentum überhaupt, der andere aber sein liebstes Eigentum, seine Kinder, betrifft." (TW 4, 312)

5 Der Stoff der Bildung:

Hegels Spezifikation des Bildungsbegriffs und die Frage nach den Lerninhalten Ausgehend vom Zentrifugaltrieb des Geistes wendet sich Hegel der Frage zu, welcher Stoff dem ausgreifenden Geist dargeboten werden soll. Für Hegel ist dieser Stoff ohne Frage die Antike. Hinter dieser Favorisierung der Antike steht bei Hegel nicht oder doch nicht in erster Linie ein obsolet gewordener Klassizismus, sondern die schwierige Problematik, einen angemessenen Stoff der Bildung zu finden. Wenn denn konzediert wird, dass nicht jeder Stoff in gleicher Weise tauglich für Lernen und Bilden ist, ja, dass es geradezu bereits wieder einer bereits sehr ausgeprägten Erfahrung und Bildung bedarf, um sich an jedem Stoff abarbeiten' zu können. Hegel jedenfalls konstatiert: Alltägliche, sinnliche Dinge sind nicht fähig, einen Bildungsstoff abzugeben (Gymnasialrede 1809; TW 4, 315). Vier Kriterien für den richtigen-Stoff lassen sich aus Hegels Ausführungen gewinnen. Diese vier Kriterien können von denjenigen Vorschlägen unterschieden werden, die nach Hegels eigener Meinung diese Kriterien am besten erfüllen und die daher eine historische Spezifikation seiner Kriterien sind: 1. Der beste Stoff der Bildung ist der, der eine eigene Welt, eine Geschlossenheit für sich bildet. Diese Geschlossenheit und damit Ganzheit muss der moderne Mensch vor allem in der Bildung erfahren, denn die Menschen in der Moderne leben - anders als die Menschen in der Antike - in funktional differenzierten Systemen. „Um so wichtiger ist es für uns, weil wir Menschen, weil wir vernünftige, auf den Grund des Unendlichen und Idealen erbaute Wesen sind, in uns die Vorstellung und den Begriff eines vollständigen Lebens zu erschaffen und zu erhalten." (TW 4, 365) 2. Der Stoff der Bildung muss aus diesem Grund eine fremde Sprache sein, die das Medium einer anderen, gegenwärtigen oder vergangenen, Kultur ist. Denn wenn Bildung notwendigerweise ein vollständiges Leben und d. h. einen geschlossenen Gegenstand zur Bildung braucht, muss eine „Scheidewand" zwischen meiner jetzigen Welt und der fremden Welt gelegen sein (TW 4, 321). Die beste Scheidewand aber ist eine andere Sprache, die die Grenze der jeweiligen Welt konstituiert.

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3. Der Stoff muss Regeln enthalten, die dann auch als solche gelernt werden sollen. Das heißt: Der Stoff muss uns dazu anleiten, vom Können zum Wissen dessen, was wir können, fortzuschreiten. Für Hegel heißt das in erster Linie, die Grammatik einer Sprache zu lernen und zu studieren. Denn die in der Grammatik objektiv gewordenen Verstandesbestimmungen machen den Anfang der logischen Bildung aus; in der Grammatik „fängt also der Verstand selbst an, gelernt zu werden" (TW 4, 322). „Das strenge grammatische Studium ergibt sich also als eines der allgemeinsten und edelsten Bildungsmittel." (TW 4,323) 4. Der Stoff muss in sich bedeutend sein. Weil Bildung auf die Selbstständigkeit des Lernenden konstitutiv verwiesen ist, muss der Stoff der Bildung selbst unerschöpflich sein. Er muss genug Anreiz bieten, im Lernenden weiterzuwirken. Und „nur der geistige Inhalt, welcher Wert und Interesse in und für sich selbst hat, stärkt die Seele und verschafft diesen unabhängigen Halt, diese substantielle Innerlichkeit, welche die Mutter von Fassung, von Besonnenheit, von Gegenwart und Wachen des Geistes ist" (TW 4,319). Aber Hegel geht noch weiter: Der Stoff muss so gewählt sein, dass er zum Boden für den Lernenden werden kann, in dem er wurzelt und wächst. Für Hegel ist die Spezifikation dieser Kriterien klar: „Den edelsten Nahrungsstoff nun und in der edelsten Form, die goldenen Äpfel in silbernen Schalen, enthalten die Werke der Alten, unvergleichbar mehr als jede anderen Werke irgendeiner Zeit und Nation." (TW 4,319) Hegel entscheidet sich für das Studium der Alten aber auch darum, weil unsere eigene Geschichte sich nur aus der geschichtlichen Entwicklung seit der griechisch-römischen Welt verstehen läßt. Denn die Griechen und Römer sind aller europäischen Kunst und Wissenschaft Boden. Uvo Kölscher hat diesen Gedanken auf die treffende Formel von der Welt der Griechen und Römern als dem „nächsten Fremden" gebracht.38 Zusatz 1: Bildung zur Sittlichkeit

Hegel thematisiert das Verhältnis der Schule „zur sittlichen Bildung des Menschen überhaupt" (345). Ein Thema, das im Augenblick unter dem problematischen Begriff der „Werteerziehung" wieder in der Diskussion ist. Hegel hebt in seinen Ausführungen deutlich hervor, dass diese sittliche Bildung indirekt oder direkt sein kann. Eine direkte sittliche Bildung findet dadurch statt, dass im Nürnberger Gymnasium, dessen Methoden und Inhalte Hegel ja immer vor Augen hat, 38

Kölscher 1965,81: „Eine solche Wirkung übt wiederum nicht das ganz Andere - China, Indien, so hoch ihre Kultur, so überlegen der griechischen ihre Weisheit ist: es fällt zu schwer, das Dortige auf uns zu beziehen; wie ja auch die abendländische Kultur nicht bildend auf die östliche gewirkt hat. Rom und Griechenland sind uns das nächste Fremde, und das vorzüglich Bildende an ihnen ist nicht sowohl ihre Klassizität und Formalität', sondern daß uns das Eigene dort in einer anderen Möglichkeit, ja überhaupt im Stande der Möglichkeiten begegnet."

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moralische und rechtliche Grundbegriffe den Schülern im Unterricht beigebracht werden. Indirekt ist die moralische Erziehung, insofern Bildung als solche eine mittelbar sittliche Funktion hat (4, 345). Wobei Hegel in diesem Zusammenhang, wie auch in anderen Zusammenhängen, betont, dass es nicht unmittelbar auf ein Verstehen der Texte und Inhalte ankommen muss, sondern dass am Anfang der Bildung häufig ein Umgang mit „unverstandenen Kenntnissen" (4, 347) steht und stehen kann. Dass bei diesem unverstandenen Anfang nicht stehengeblieben werden soll, versteht sich von selbst, aber ohne dieses unverstandene Einleben und Ausprobieren kann sittliche Bildung keinesfalls gelingen. Darum ist es wichtig für die Pädagogik zu erkennen, dass „[...] Grundsätze und Handlungsweisen nicht sowohl in bewußter Reflexion an den Geist gebracht werden, als wiefern sie ein substantielles Element sind, in welchem der Mensch lebt und wonach er seine geistige Organisation bequemt und richtet, inwiefern die Grundsätze mehr als Sitte an ihn kommen und Gewohnheiten werden" (4,345f.).39 Zusatz 2: Philosophische Bildung

Einen zweiten und für Hegels Unterricht typischen Lehrstoff stellt die Philosophie dar, die er selbst über etliche Jahre unterrichtet hat. Auf eine nähere Analyse des Hegeischen Philosophiecurriculums, wie es uns vorliegt, müssen wir hier verzichten. 4° Einzig Hegels allgemeine Vorgaben für den schulischen Philosophieunterricht, wie er sie in einem Gutachten für das preußische Unterrichtsministerium im Jahr 1822 formuliert hat, sollen kurz zusammengefasst werden.41 Bei seiner Bestimmung des schulischen Philosophieunterrichts geht Hegel wiederum von der Mittelstellung der Schule aus. In diesem Fall fokussiert auf die Frage, wie und in welcher Weise das Gymnasium für das universitäre Studium der Philosophie vorbereiten solle. Hegel unterscheidet dabei zunächst zwei Weisen der Vorbereitung, die materiellere und die formellere. Zur materielleren Vorbereitung rechnet er - auf der einen Seite - das Studium der Antike als im Gymnasium zu leistende Vorarbeit für das Philosophiestudium. Wobei er hier auf die Einarbeitung in die antike Welt zu Recht mehr Gewicht legt als auf die Verfeinerung der Sprachkenntnis, für die erst das Philologiestudium selbst zuständig ist (TW 11,34). Die andere Seite der materielleren Vorbereitung beinhaltet die dogmatischen In39

Vgl. dazu auch Hegels Gedanke von der Heranbildung sozialer Tugenden in der Schule: „In der Gemeinschaft mit vielen unterrichtet, lernt es (sc. das Kind), sich nach anderen richten, Zutrauen zu anderen, ihm zunächst fremden Menschen und Zutrauen zu sich selbst in Beziehung auf sie erwerben, und macht darin den Anfang der Bildung und Ausübung sozialer Tugenden." (TW 4, 349f.) 40 Vgl. dazu Hegels Philosophische Propädeutik sowie seine Berichte über seine Unterrichtsgegenstände in TW 4, 9-302. 41 Vgl. dazu das vom preußischen Unterrichtsministerium angeforderte Gutachten: Über den Unterricht in der Philosophie auf Gymnasien (TW 11,31ff.).

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halte der Religion, um anhand ihrer die Rezeptivität der Schüler für spekulative Gehalte zu wecken und zu schulen. Als weitere - nun mehr formellere - Gegenstände schlägt Hegel die empirische Psychologie vor, weil sie uns mit unseren Vorstellungen bewußt macht. Dazu kommen die Anfangsgründe der Logik, die unseren Verstandesgebrauch unserer Reflexion zugänglich machen. Als einziges Thema aus dem Bereich der Metaphysik nimmt Hegel die Beweise vom Dasein Gottes in das Curriculum auf. Moral, Freiheit, Recht und Pflicht bilden - geradezu wegweisend - weitere Gegenstände des Gymnasialunterrichts.42

6 Die Form der Bildung Die genannten vier Kriterien für den angemessenen Stoff der Bildung werden von Hegel durch zwei weitere, eher formale Aspekte und Ziele der schulischen Bildung ergänzt: 1. Wesentliches Ziel der Erziehung - auch in der Schule - ist Selbständigkeit. Durch freies Lernen soll bei den Kindern Zutrauen in die eigene Bildung geweckt werden. Insofern verhilft sie ihnen auch zu einer Lösung vom Elternhaus und dessen spezifischen Zwängen. 2. Bildung zur Selbständigkeit fordert aber Interaktionsdisziplin statt Drill und Gehorsam um des Gehorsams willen (4, 350). Hegel stellt hier besonders heraus, dass in der Geschichte der Erziehung der richtige Gesichtspunkt, dass es wesentlich auf eine Unterstützung und Förderung des bei den Kindern erwachenden Selbstgefühls ankomme und nicht auf dessen Niederdrückung, immer mehr zum Tragen komme.43 Für das Verhältnis von Familie und Schule bedeutet dies, dass die auch die Eltern einbezogen werden müssen. Die Disziplin hat die bereits in der Familie geschehene Sozialisation zur Voraussetzung.44 Die Eltern können also nicht Disziplinierungsaufgaben an die Schule abgeben bzw. von der Schule unberechtigterweise einfordern. Hinzu treten muss das Üben zu Hause; der Privatfleiß der Schüler ist genauso notwendig wie der Unterricht selbst (4, 331). An die Schule richtet Hegel in diesem Zusammenhang die wichtige Forderung, bei der Abgabe schriftlicher Hausarbeiten auf strikte Pünktlichkeit zu achten, „so daß das Aufgegebene 42

Unter heutigen Bedingungen fordert einen verstärkten Rechtskundeunterricht an den Schulen, der auch die Stärkung des Rechtsbewusstseins einschließt, von Hassein 2000. 43 Insb. die Gymnasialrede von 1815 reflektiert über das rechte Maß in der Erziehung, über die richtige Form der Liberalität und die damit verbundene Aufgabe der Eltern. 44 Hegel mahnt: Die Eltern dürften nicht nur an die geringsten Kosten und allein an die berufliche Umsetzung des zu Lernenden bei der Bildung und Ausbildung ihrer Kinder denken (TW 4, 380).

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zur gesetzten Zeit zu liefern etwas so Unausbleibliches werden muß als das Wiederaufgehen der Sonne." (TW 4, 332) An die Eltern gerichtet stellt Hegel eine Maxime auf, die auch in unserer heutigen Situation richtig ist: Bei den Anforderungen, die gegenwärtig an Studierende, wir würden hinzufügen, an alle gestellt werden, ist wichtig, ja entscheidend „es mit dem Anfange des Unterrichts ja nicht zu lange anstehen zu lassen." (TW 4, 356)

Schlussbemerkung: Hegel als Lehrer Sein Selbstbild des Lehrers entwirft Hegel anläßlich der Verabschiedung seines Amtsvorgängers im Rektorat, Leonhard Schenk, mit pathetischen Worten: „Dem Lehrstande ist der Schatz der Bildung, der Kenntnisse und Wahrheiten, an welchem alle verflossenen Zeitalter gearbeitet haben, anvertraut, ihn zu erhalten und der Nachwelt zu überliefern. Der Lehrer hat sich als den Bewahrer und Priester dieses heiligen Lichts zu betrachten, daß es nicht verlösche und die Menschheit nicht in die Nacht der alten Barbarei zurücksinke." (TW 4,307) Hegel scheint seine Forderungen, die er an Stoff und Form der Bildung sowie an das Selbstbild des Lehrers stellt, als Lehrer selbst in gelungener Weise umgesetzt zu haben, wie der Bericht eines seiner ehemaligen Schüler eindrucksvoll bezeugt: „Zuvörderst zog Hegel die Naturwissenschaften, Geschichte, Kunst und die Literatur der Alten häufig in seine Entwicklungen, um an ihnen gleichungsweise philosophische Theses zu erklären: dann diktierte er nur kurze Sätze und ließ den Sinn derselben die Zuhörer selbst im Wechselgespräch frei erörtern. Jeder konnte das Wort verlangen und eine Meinung gegen andere geltend zu machen suchen, der Rektor selbst trat nur hin und wieder belehrend dazwischen, um die Erörterung zu leiten. Auf solche Weise wurden den Schülern vielseitige Kenntnisse mitgeteilt, der Trieb zum Eindringen in das eigentlich Wissenschaftliche angeregt, und insbesondere der Scharfsinn gebildet. - Was aber noch wohltätiger wirkte, und die Anstalt im hohen Grad auszeichnete, das war die Art, wie Hegel die Schüler behandelte. Von der untern Gymnasialklasse an, wo man noch vier Jahresstufen bis zur Universität hatte, redete er jeden Schüler mit ,Herr' an, und bemaß hiernach auch seinen Tadel und seine Zurechtweisungen. Ein solches achtungsvolles Benehmen eines Mannes, dessen Ruf täglich stieg, gegen junge Leute, erweckte in diesen ein ungemein hebendes Selbstgefühl [...]".45 Das größte Lob für einen Philosophen spricht sich hier aus - das Lob zur Einheit von Reflexion und Leben, von Theorie und Praxis gekommen zu sein. 45

J.G.A.Wirth, Denkwürdigkeiten aus meinem Leben. Emmishofen 1844, 24; zit. nach Nicolin 1970, 115f. Vgl. dazu auch die Schilderungen bei Rosenkranz 1977,250f.: „Die Abiturienten ließ er zu sich kommen, um ihnen privatim den Ernst ihres Schrittes an's Herz zu legen und ihnen für ihre Führung auf der Universität Winke zu geben, die sich den Meisten bewährten."

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