Vom Niedergang Roms zum Zeitalter der Karolinger

VON 313 BIS 800 Vom Niedergang Roms zum Zeitalter der Karolinger zuhalten. 20 Jahre nach dem „Hunnensturm“ von 375 kommt es zur Teilung des Reichs. ...
Author: Katja Ursler
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VON 313 BIS 800

Vom Niedergang Roms zum Zeitalter der Karolinger

zuhalten. 20 Jahre nach dem „Hunnensturm“ von 375 kommt es zur Teilung des Reichs. Während das weströmische Reich bald im Strudel der Völkerwanderungen versinkt, beginnt im Osten die lange glanzvolle Geschichte des Byzantinischen Reichs. Die Basis für den Aufstieg der fränkischen Karolinger legt der Sieg Karl Martells über die Araber bei Tours und Poitiers im Jahr 732. Die moderne 20-bändige „Große Weltgeschichte“ präsentiert die Geschichte unserer Welt präzise, leichtverständlich und streng chronologisch. Genaue Einzelinformationen und verständliche Zusammenhangs- und Spezialdarstellungen mit über 8000 Abbildungen machen die Vergangenheit inhaltlich und visuell erfahrbar. Je drei Bände beschreiben die Vor – und Frühgeschichte, die Antike und das Mittelalter. Der Zeitraum von der frühen Neuzeit bis zum Ende des 19. Jahrhunderts wird in fünf, das 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart in sechs Bänden behandelt.

ISBN 978-3-902016-81-2

9 7 83 902 01 681 2

Titelbild: Bildnis Karl des Großen; Copyright: gettyimages

Vom Niedergang Roms zum Zeitalter der Karolinger

Vergeblich versuchen die römischen Kaiser, den Verfall ihres überdehnten Imperiums auf-

WELTGESCHICHTE VON DEN ANFÄNGEN BIS ZUR GEGENWART

W E LT G E S C H I C H T E V O N D E N A N F Ä N G E N B I S Z U R G E G E N W A R T

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Überblick

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Vom niedergang Roms zum Zeitalter der karolinger Zwar eilen die römischen Kaiser von Schlachtfeld zu Schlachtfeld, doch können sie den Verfall ihres überdehnten Imperiums nicht aufhalten: 20 Jahre nach dem »Hunnensturm« von 375 kommt es zur Teilung des Reichs. Während das weströmische Reich bald im Strudel der Völkerwanderungen versinkt, beginnt im Osten die lange Zeit glanzvolle Geschichte des Byzantinischen Reichs. Die Basis für den Aufstieg der fränkischen Karolinger zu Kaisern des Abendlandes legt der Sieg Karl Martells über die Araber bei Tours und Poitiers im Jahr 732.

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rotz diplomatischer Bemühungen, kriegerischer Feldzüge und politischer Reformen gelingt es den Kaisern im 4. Jahrhundert nicht, dem Römischen Reich Stabilität zu verleihen. »Um diese Zeit«, berichtet der römische Historiker Ammianus Marcellinus in der zweiten Hälfte dieses Säkulums, »hätte man sagen mögen, dass sämtliche Kriegshörner an allen Ecken und Enden der römischen Welt erklangen. Die wildesten Völker ergossen sich, von Raserei ergriffen, über die Grenze.« Lediglich im Osten gelingt es den Römern, einen Friedensvertrag mit den persischen Sassaniden herbeizuführen und dadurch militärische Kräfte zu schonen. Dennoch erweisen sich diese auf Dauer als viel zu schwach für die Abwehr der germanischen Völker, die über die Donaugrenze in das Imperium drängen. Auch im Norden, am Rhein und auf den Britischen Inseln, bestürmen Germanen und Kelten mit einigem Erfolg die römischen Verteidigungslagen. Die von Kaiser Diocletian noch im vorigen Jahrhundert eingeführte Viererherrschaft, die Tetrarchie, erweist sich nun als verhängnisvoll. Auch wenn es seinem Nachfolger Kaiser Konstantin 324 nach Ausschaltung aller Rivalen noch einmal gelingt, die Alleinherrschaft wiederherzustellen, kann er das Auseinanderdriften der Reichsteile nicht verhindern. 395 kommt es zur Spaltung des 12

Imperiums in ein west- und ein oströmisches Reich. Während der Westteil in den Wirren der Völkerwanderung vollends zerbricht, entwickelt sich Konstantinopel, das alte Byzanz, das Kaiser Konstantin zum »zweiten Rom« erhoben hat, zur unangefochtenen Metropole des Ostens. Dem christlichen Abendland dient das Byzantinische Reich bis zu seiner Eroberung durch die Osmanen im Jahr 1453 als ein wichtiges Bollwerk gegen die Einfälle der Hunnen, Slawen, Araber und Türken.

Anstoß aus dem Osten – Beginn der Völkerwanderungen

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ereits im 2. und 3. Jahrhundert hatten die Wanderungen und Reichsbildungen der West- und Ostgoten die germanischen Stämme am Rande des Römischen Reiches in Bewegung gebracht. 375 aber trifft die Goten selbst der Stoß eines wandernden Volkes, und zwar der aus den Steppen Zentralasiens westwärts drängenden hunnischen Reiterscharen. Aus seinen mongolischen Heimatgebieten war dieses kriegerische Volk von den benachbarten Chinesen verdrängt worden, nun befindet es sich auf einem langen Wanderzug – nicht um neue Siedlungsgebiete zu finden, sondern um Beute zu machen. Nördlich des Hindukusch spalten sich die Hunnen

Entscheidung bei Tours und Poitiers 732: Karl Martell besiegt die Araber (Skulptur von Théodore Gechter, 19. Jh.).

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in zwei große Fraktionen: Der kleinere Teil, Christentum wird Staatsreligion die »Weißen Hunnen« oder Hephthaliten, zieht in den Süden Asiens und bedrängt dort die klassischen Hochkulturen in Chils Theodosius I., der letzte Kaiser des na, Indien und Persien. Die kriegerischen römischen Gesamtreichs, das Christen»Schwarzen Hunnen« besiegen hingegen im tum 383 zum offiziellen Kult erhebt – nicht Wolgagebiet die Ostgoten und treiben auf lange nachdem Christen noch im Kolosseum ihrem Zug nach Europa jene westgotischen zur Belustigung des Volkes Bären und Löwen Stämme, die sich nicht unterwerfen, vor sich zum Fraß vorgeworfen wurden –, wird aus her. Diese bitten die Römer um Ansiedlungs- dem vormaligen Sektenglauben eine Staatsrecht an der unteren Donau. religion. Dieser Statuswechsel bleibt auch Viele der germanischen Völkerschaften, die für die Kirche nicht ohne Folgen. Die kurz auf den Boden des Römischen Reichs drän- zuvor noch von zahllosen Laien in den christgen, kommen in friedlicher Absicht, weil sie lichen Gemeinden getragene Organisation neue Siedlungsgebiete suchen. Ihre Kopfzahl verwandelt sich in eine hierarchisch gegliedürfte bei jeweils 20 000 derte Institution, die sich bis 100 000 Menschen lienicht scheut, jene staatliAls römische Staatsreligion gen, von denen nicht mehr che Gewalt, der zahllose entwickelt sich das Christenals ein Fünftel zu den eiihrer Glaubensbrüder zum tum in eine stark hierarchisch gentlichen Kriegern zählt. Opfer gefallen sind, nun gegliederte Institution. Rom nimmt die Ansiedihrerseits zur Bekämpfung lungswilligen bereitwillig von »Irrlehren« und »Ketals Bundesgenossen, sogenannte Foederati, zern« auszuüben. Die Priesterschaft gewinnt in den Reichsverband auf. Sie erhalten Land an Einfluss; der Klerus ist nicht mehr der und dienen vielfach als Söldner im römischen Gemeinde gleichgestellt, sondern überragt Heer – ganz im Sinne der Tradition Roms, sie an Bedeutung. das in seiner langen Geschichte schon diverse Machtmissbrauch und Intrigenspiel finden Völker erfolgreich integriert hat. Auch jetzt Einlass in die christlichen Gemeinden, die gelingt Rom – wenn auch in einem lang- wegen ihrer wohlhabenden Mitglieder auch wierigen, von Gewalt und Rückschlägen ge- selbst immer reicher werden. Nicht selten prägten Prozess – die Romanisierung einiger kommt es zu erbitterten Kämpfen um BiVölker der wandernden Germanen. Diese schofssitze – etwa 366 in Rom, wo sich die geben oft schon nach wenigen Generationen Anhänger des Gegenpapstes Ursinus mit den ihre Sprache auf, verschmelzen mit der be- Parteigängern des später heiliggesprochenen reits romanisierten Bevölkerung, überneh- Damasus I. regelrechte Schlachten liefern, bei men öffentliche Ämter oder dienen in der denen einige hundert Menschen ums Leben Armee und konvertieren zum Christentum. kommen. Der Sieger dieser AuseinandersetEine Vorreiterrolle bei diesem Prozess spielen zungen, so kommentiert der zeitgenössische die Goten, deren Missionsbischof Wulfila um Historiker Ammianus Marcellinus, habe »für 350 die Bibel ins Gotische übersetzt. Trotz so alle Zeit ausgesorgt«, denn »er gedeiht durch weitgehender Integrationsleistungen wird das Schenkungen der Matronen, fährt nur noch weströmische Reich im 5. Jahrhundert dem in Kutschen einher, ist prunkvoll gekleidet Ansturm immer neuer Germanenstämme und lässt sich so reichliche Schmäuse herrichnicht standhalten können und untergehen. ten, dass seine Tafel selbst ein Königsmahl in

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den Schatten stellt«. Aus offenem Protest gegen die beginnende Prunksucht des Klerus wählen immer mehr Christen den Weg in das Einsiedlertum oder in Klöster. Als Zeitalter der gro­ßen theologischen Lehren ist das 4. Jahrhundert gleichwohl in religionsgeschichtlicher Hinsicht eine wegweisende und glanzvolle Epoche.

Hunnen bringen Gupta-Reich zu Fall

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uch Indien erlebt im 4. Jahrhundert zunächst eine kulturelle Blütezeit. Fürstensohn Tschan­ dragupta I. be­gründet ein neues Reich, das sich in der Nachfolge des traditionellen Maurya-Reiches (322 bis 185 v. Chr.) sieht. Durch ein feudalis­ tisches System bindet Tschandragupta I. verschiedene Fürstenhäuser an sich. Die GuptaKönige entwickeln eine neue höfische Kultur und pflegen wieder das klassische Sanskrit. Sie ignorieren das Kastenwesen und fördern in einem Klima geistiger Toleranz den Dialog zwischen den Kulturen. Obwohl selbst Hindus, hören sie auch auf den Rat von Buddhisten. Der kulturelle Einfluss

dieser Epoche bleibt über Jahrhunderte – weit über die Herrschaftszeit dieser Dynastie hinaus – bestimmend. Nicht nur die Steinskulpturen, auch die Bronze- und Kupferarbeiten sind von außergewöhnlicher Qualität. Die Regierungszeit der Gupta gilt als das goldene Zeitalter des mittelalterlichen Indiens. Doch ähnlich wie in Europa beginnt auch in Asien mit der Ankunft der Hunnen eine Umbruchphase, die vielerorts zu einer völligen Neuordnung der Machtverhältnisse führt. Die indischen Gupta-Herrscher können sich noch etwa ein halbes Jahrhundert lang behaupten, dann müssen sie sich um 470 geschlagen geben. Das Gupta-Reich, weniger auf Stärke denn auf Toleranz gegründet, zerfällt. Die hunnischen Reiterhor­ den hinterlassen eine Schneise der Zerstörung; an der Gründung eines neuen Reiches liegt ihnen nichts. Plündernd ziehen sie durch Nordindien bis an den Ganges hinunter und tragen Schätze davon. Erst nach knapp 50 Jahren verlassen sie das Gebiet wieder. Auch im benachbarten Sassaniden-Reich sorStehender Buddha, der als einer der schönsten Buddha-Statuen der Frühzeit gilt (Gupta-Periode, 5. Jh.) gen sie für Unruhe. 15

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Mehrfach fallen sie in persisches Gebiet ein. Sie bringen das Sassaniden-Reich zwar nicht zu Fall, schwächen es aber so stark, dass soziale Unruhen die Folge sind. Die Masdakiten, eine sektenhafte Sammelbewegung der Unterprivilegierten, breiten sich aus und setzen in vielen Orten den regierenden Adel ab. Nur mühsam gelingt es den Sassanidenkönigen, das Zepter in der Hand zu behalten. Die militärische Schwächung führt in den folgenden Jahrzehnten aber auch hier zum Niedergang des einstmals mächtigen Reiches. Nur wenig anders sieht es im einstigen Großreich China aus, denn auch hier herrscht das Chaos. Das Machtvakuum nutzen im 5. Jahrhundert unzählige Mitglieder ehemaliger Adelsfamilien, Fürsten marodierender Bergvölker und wohl auch Verwandte der Hunnen, um eigene Herrschaftsgebiete aufzubauen. Weite Teile des Landes werden durch Bürgerkriege und Gewaltakte autoritärer Regime in Aufruhr versetzt. Deportationen der Bevölkerung, Massaker und Besetzungen gehören zu den bevorzugten Instrumenten der Gewaltherrscher.

einem historischen Paukenschlag: Im August 410 wird die Stadt von dem Westgotenführer Alarich I. eingenommen und drei Tage lang geplündert. Nichtchristen meinen, dies sei eine Strafe für Roms Abfall von den alten Göttern. Der Kirchenvater Augustinus verfasst zur Widerlegung dieses Vorwurfs sein

D Kirchenlehrer Augustinus führte ein ausschweifendes Leben, bevor er den Glauben entdeckte (15. Jh.).

n Europa steht der Vorstoß der Schwarzen Hunnen im letzten Viertel des 4. Jahrhunderts für eine Epochenwende. Die kriegerischen Reiterscharen versetzen die germanisch-gotische Völkerwelt in Aufruhr und verursachen eine Wanderbewegung, die am Beginn des 5. Jahrhunderts das Ende der Antike einläuten wird. Das einst mächtige römische Imperium teilt das Schicksal der Reiche in China und Indien: Es zerfällt und auf seinem ehemaligen Territorium entstehen neue Machtzentren und Reiche. Der Niedergang des alten Rom, der über viele Jahrhunderte mächtigsten Stadt der Welt, beginnt mit

berühmtes Werk »Über den Gottesstaat«, das die mittelalterliche Theologie bis zur Reformation entscheidend beeinflussen wird. Eine der Ursachen für den Niedergang des römischen Imperiums sind die seit über 100 Jahren andauernden Germanenkriege. Das einst tolerante, republikanisch verfasste Römische Reich hatte sich zu einem Militärstaat entwickelt, dessen Finanzbedarf die Landwirtschaft und das einst blühende Städtewesen ruiniert hatte. Längst bestehen die Heere zum großen Teil aus germanischen Söldnern. Auch die Truppenführer, ja selbst die hohen Beamten sind nicht selten Germanen mit römischem

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des Landes band die Kräfte Roms, sodass die Rheingrenze ungeschützt blieb. Vandalen, Alanen und Sueben drangen nach Gallien vor und gelangten von dort aus bis nach Spanien. Hier setzten sich die Vandalen unter ihrem Anführer Geiserich zunächst im südlichen Andalusien fest, wo sie sich die Kunst

Alles in Bewegung – erste germanische Reiche

Hunnensturm aufs Abendland – Goten plündern Rom

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Bürgerrecht. Das Römische Reich, von Germanen bedroht, hatte sich »germanisiert«. So ist der größte Gegenspieler Alarichs auf römischer Seite der gebürtige Germane Stilicho, dessen Ermordung 408 den Westgoten ihren Angriff auf Rom erleichtert. Formal bleibt das mit der Reichsteilung von 395 entstandene weströmische Reich mit seiner neuen Hauptstadt Ravenna bis 476 bestehen. Faktisch sind jedoch die Goten die neuen Machthaber. »In ungepflegten Kleidern mit hoch auf die Schulter gestapelten Pelzen« waren sie gekommen – schon nach wenigen Jahrzehnten haben sie sich dem römischen Lebensstil angepasst.

ie Franken, ein im 3. Jahrhundert entstandenes Bündnis kleinerer rechtsrheinischer Völkerschaften, setzen sich Mitte des 5. Jahrhunderts in Gallien fest, wo sie mit der überwiegend gallorömischen Bevölkerung verschmelzen. Ende des 5. Jahrhunderts gelingt es Chlodwig I., dem König der salischen Franken, die angrenzenden Stammesfürsten auszuschalten und sich selbst zum Herrscher über ein größeres Territorium aufzuschwingen. Bis zu seinem Tod im Jahr 511 dehnt er seinen Machtbereich bis ins Vorland der Pyrenäen aus. Während der Vorstoß der Hunnen über den Rhein 451 nach der Niederlage ihres Königs Attila gegen Römer und germanische Hilfstruppen auf den Katalaunischen Feldern in der heutigen Champagne zum Stehen kommt, sind die nun in heftige Bewegung geratenen Germanenvölker nicht mehr aufzuhalten. Der politische Gegensatz zwischen der westlichen und der östlichen Hälfte des Römischen Reiches spielt dabei eine erhebliche Rolle. Die Westgoten, die zunächst Griechenland durchzogen, wandten sich um 400 nach Italien. Die Verteidigung

Chlodwig I. lässt sich taufen und macht Paris zur Residenzstadt des Franken-Reichs (Skulptur, 16. Jh.).

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des Schiff baus aneigneten und eine See- gerufene Machtvakuum führt zu erbitterten streitmacht aufbauen. 429 setzten sie nach Kämpfen zwischen oströmisch-romanisierten Afrika über, wo Geiserich das erste selbst- und germanischen Mächten. Vom Atlantik ständige germanische Königreich mit bis zum Schwarzen Meer toben zahlder Hauptstadt Karthago gründete. lose Kriege um die Vorherrschaft auf Von dort aus beherrschte er das dem Kontinent. Durch ihren Auswestliche Mittelmeer, kontrollierte gang erhält die politische Landdie Kornzufuhr nach Itakarte Europas neue Konlien und kann 455 sogar turen. Vielen König- und ungehindert die Stadt Fürstentümern ist letztlich Rom plündern. Die alte nur eine kurze Lebenszeit Gegnerschaft zwischen beschieden. Allein das von Rom und Karthago, das Chlodwig I. gegründete 146 v. Chr. nach dem Ende Reich der Franken erweist des 3. Punischen Krieges von den sich als dauerhaft. Der Grund Römern dem Erdboden gleichgeliegt u. a. in der römischen Verwalmacht worden war, erfährt tungstradition, die diesem auf diese Weise eine Fort- Das Kreuz, Symbol des Christentums Reich ein stabiles Fundasetzung. Dem verbliebenen (fränkischer Anhänger, um 800) ment verleiht. Einen für die Nationalstolz der Römer europäische Geschichte richversetzt das einen weiteren Stoß. tungweisenden Entschluss fasst Chlodwig I. Während die Burgunder 436 zum großen im Jahr 498, als er mit mehreren tausend seiTeil von den Hunnen vernichtet worden wa- ner Gefolgsleute zum christlichen Glauben ren, drangen die Alemannen, die seit dem konvertiert. Im frühen Franken-Reich mit 3. Jahrhundert im heutigen Schwaben seiner Hauptstadt Paris (ab 508) kommt es sesshaft sind, bis ins Alpenland und das erstmals in der Geschichte zu einer SymbioOberrheintal vor. Die Angeln und Sachsen se zwischen dem germanischen Königtum, wanderten unterdessen aus dem dänischen dem katholischen Christentum und der röJütland nach Germanien ein. Während große mischen Staatstradition. Dass Chlodwig den Teile der Sachsen in Mitteleuropa heimisch christlichen Glauben annimmt und damit werden und etwa das heutige Niedersachsen, den religiösen Gegensatz zwischen germaWestfalen und Thüringen besiedeln, setzen nischen Siegern und romanisierten Besiegten einige Gruppen von ihnen gemeinsam mit überwindet, zählt zu den bedeutendsten Weiden Angeln ab Mitte des 5. Jahrhunderts chenstellungen in der Frühgeschichte des nach Britannien über und gründen dort christlichen Abendlands. verschiedene Kleinkönigreiche. Während das Ringen um die Macht im künftigen Europa zu einem großen Teil durch das Schwert entschieden wird, bestimDas Abendland wird christlich men Schrift und Mönchtum die Entwicklung des geistlichen Lebens. Das Christentum hat ls die Völkerwanderungen Anfang des sich nach fünf Jahrhunderten endgültig als 6. Jahrhunderts in ihre letzte Phase führende Religion auf dem Kontinent durcheintreten, liegt das weströmische Imperium gesetzt. Benedikt von Nursia legt um 529 mit längst in Trümmern. Das dadurch hervor- seiner Klosterregel den Grundstein für das

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abendländische Mönchtum. Mit den Klosterschulen entstehen Bildungszentren, die später das Fundament einer ganzen Kulturepoche bilden werden. Das bislang rein sakrale Papsttum erhält unter Gregor dem Großen auch weltliche Macht. Gregor vergrößert die Besitztümer der Kirche und verbessert deren finanzielle Grundlage. Damit kann sich die katholische Kirche aus der Abhängigkeit von weltlichen Mächten lösen. 593 gelingt es dem Papst schließlich, Rom von den Langobarden freizukaufen. Aber trotz seiner Stärkung ist das Christentum noch nicht in allen Regionen Europas verbreitet. 594 sendet der Papst 40 Missionare nach Britannien. Die Christianisierung schreitet kontinuierlich voran, zugleich erlebt die christliche Sakralkunst eine erste Blüteperiode. In Ravenna, der alten Hauptstadt des weströmischen Reichs, wird zu Beginn des 6. Jahrhunderts das Mausoleum Theoderichs des Großen er-

richtet. Fast gleichzeitig beginnen in Konstan­ tinopel unter Kaiser Justinian I. die Arbeiten an der Monumentalkirche Hagia Sophia. Im Westen ist die Kunst der Franken, Westgoten, Burgunder und Alemannen noch stark germanisch geprägt. Obwohl König Chlodwig das Christentum schon gegen Ende des 5. Jahr­hunderts zur Staatsreligion erhoben hat, sind, wie vor allem die Bestattungsriten zeigen, die alten Götter noch immer lebendig.

Blütezeit in China und Persien

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uch Asien erlebt eine religiöse Wendezeit. Nachdem sich der Buddhismus von Indien aus bereits im 1. Jahrhundert in China verbreitet hat, übernimmt das Reich der Mitte nun auch die Lehre des Mahayana-Buddhismus. Im Unterschied zum mönchisch geprägten Hinayana-Buddhismus wendet sich

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Der Mahayana-Buddhismus ebnet den Weg zur Weltreligion (Amithaba-Buddha, Wanfohöhle/Henan, um 680).

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der Mahayana-Buddhismus an die Mehr- sein Enkel Chosroes II. die Macht und führt heit der Laien und trägt damit entscheidend das Sassaniden-Reich zu seiner größten Auszur großen Ausbreitung der buddhistischen dehnung, indem er erst Damaskus und JeLehre bei. Nach seinem Siegeszug in China rusalem, schließlich sogar Ägypten erobert. gelangt der Mahayana-Buddhismus auch in Seine Größe kann das Reich jedoch nicht vor viele Nachbarstaaten. 538 erreicht die bud- dem Untergang bewahren: In der Mitte des dhistische Lehre Japan und vermischt sich 7. Jahrhunderts erliegen die Sassaniden dem dort nach und nach mit dem noch stark na- Ansturm der Araber. turverhafteten Shintoismus. Auch in anderen ostasiatischen Ländern wie Birma, Tibet und Scheinbar unaufhaltsam – Ceylon findet der Mahayana-Buddhismus der Islam und das Schwert schon nach kurzer Zeit zahlreiche Anhänger und wird neben dem Christentum zu einer der größten Religionen der Welt. enn unterdessen ist im benachbarten Im späten 6. Jahrhundert kommt es in Arabien unter dem Banner des Islam China auch zu bedeutenden territorialen binnen weniger Jahre ein Großreich aus dem Veränderungen. Den Herrschern der Sui- Nichts entstanden. Der Religionsgründer Dynastie gelingt es 589, das ganz Land unter Mohammed hatte zu Beginn des Säkulums ihre Kontrolle zu bringen und das zuvor in lediglich die untereinander zerstrittenen araviele Einzelherrschaften zersplitterte Reich bischen Wüstenstämme religiös und politisch der Mitte erneut zu einen. In der kulturellen vereint. Seine Nachfolger tragen den »Kampf und wirtschaftlichen Blütezeit der Sui ent- auf dem Pfade Gottes« weit über die Grenzen stehen u. a. intensive Handelsbeziehungen zu der Arabischen Halbinsel hinaus. Die Araber Konstantinopel. Über die Karawanenwege vernichten zunächst das – durch die Ausder Seidenstraße dringen auf diese Weise einandersetzungen mit Byzanz bereits entwestliche Einflüsse bis nach Zentral- und scheidend geschwächte – Sassaniden-Reich Ostasien vor, die die kulturelle Entwicklung und annektieren dessen Gebiet. Mit dem der dortigen Länder beeinflussen. weiteren Vorstoß nach Nordafrika beginnt Das Reich der persischen Sassaniden erlebt die Konfrontation zwischen den Arabern und unter den Königen Chosroes I. und Chos- dem Byzantinischen Reich, das nach und roes II. eine letzte Blütenach seine gesamten afrizeit. Chosroes I. reformiert kanischen und asiatischen Der Siegeszug des Islam, der die Verwaltung, das SteuTerritorien verliert. Mit vielerorts auch als Befreiung erwesen, das Militär und dem Islam entsteht nicht empfunden wird, zerbricht das das System der Landverteinur eine neue, expansiv Gefüge der Mittelmeerwelt. lung. Zudem öffnet er sein ausgerichtete WeltreligiReich der hellenistischen on, unter dem arabischen und byzantinischen Kultur. Nach mehreren Ansturm zerbricht auch das fragile Gefüge erfolgreichen Feldzügen macht er Byzanz 532 der Mittelmeerwelt. tributpflichtig. Ein Friedensvertrag, den er Die sensationelle Geschwindigkeit der ara561 mit dem byzantinischen Kaiser für die bischen Expansion hat verschiedene Gründe. Dauer von 50 Jahren vereinbart, hält ihm den Zunächst einmal stoßen die islamischen TrupRücken frei, um gegen die Weißen Hunnen pen auf keinen nennenswerten Widerstand an zu ziehen. Nach seinem Tod 579 übernimmt den Grenzen, weil diese kaum befestigt sind.

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Da das arabische Kernland bislang ein Gebiet zerstrittener, unbedeutender Stämme war, hielt vor allem Byzanz eine starke Sicherung seiner Grenzen in dieser Richtung nicht für notwendig. Hinzu kommt, dass viele Völker die Araber nicht als Invasoren, sondern als Befreier vom byzantinischen Joch begrüßen. In fast allen byzantinisch regierten Regionen

Abgesehen davon, gibt es eine Vielzahl von Stämmen, die sich den islamischen Erobe­ rern zunächst weniger aus religiösen als aus materialistischen Gründen anschließen. Die reiche Beute und der erstaunliche Erfolg in den Schlachten überzeugen jedoch auch die Zweifler von der Macht Allahs und der Gerechtigkeit der islamischen Sache. Schließlich

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Lobpreisung des Propheten Mohammed: Der Islam findet auch in Wort und Schrift Verbreitung.

Nordafrikas liegt die Macht in den Händen hellenistischer Grundherren. Die Bevölkerung jedoch wehrt sich seit Jahren gegen die Bestrebungen Konstantinopels, eine einheitliche Kultur und Religion in allen Reichsteilen durchzusetzen. In Ägypten hängen die Kopten dem von Byzanz verdammten Monophysitismus an, die Nestorianer und Juden sind aufgrund ihrer religiösen Überzeugungen bereits aus dem Reich vertrieben worden, ihre Religionsausübung steht unter Strafe.

werden die gesamten arabischen Heere von einem religiösen Eifer erfasst, der einen bedeutenden Teil ihrer Schlagkraft ausmacht. Als Gegner stehen den Arabern – insbesondere in den Kämpfen gegen Byzanz – Söldner gegenüber, die dem Feind schwerfällig und indifferent entgegentreten. In den arabisch eroberten Ländern verändert sich kaum etwas in der Lebensweise der Bevölkerung. Die alten Religionen werden neben der islamischen Lehre weitgehend toleriert. 21

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Meist übernehmen die Araber auch die Verwaltungssysteme der eroberten Gebiete und verfügen somit über einen funktionierenden Beamtenapparat. Ende des 7. Jahrhunderts hat sich die machtpolitische Konstellation der Mittelmeerwelt so stark gewandelt, dass nun auch die übrigen Reiche auf die Gefahr der islamischen Expansion aufmerksam werden. Die Araber stehen bereits vor den Toren Westeuropas: Sie bedrohen Sizilien und sind im Begriff, nach Spanien überzusetzen.

Beginn der mittelbyzantinischen Zeit

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m östlichen Mittelmeerraum kann sich die römische Kultur noch immer behaupten, sie sieht sich jedoch an allen Fronten einer immer größer werdenden Zahl von Feinden gegenüber. Obgleich die Slawen und Awa-

ren immer wieder anrennen, trotzt das letzte Bollwerk der Erben Roms, Konstantinopel, allen Eroberungsversuchen. Die byzantinischen Kaiser tragen sogar noch einmal einen bedeutenden Sieg davon: Die Heere der Sassaniden erleiden vernichtende Niederlagen, wenig später geht ihr Reich endgültig unter. Byzanz behält damit im jahrhundertelangen Ringen mit den Persern die Oberhand. Aber die langen Kämpfe haben seine Kräfte verbraucht und der Unterhalt des aus Söldnerverbänden bestehenden Heeres die Wirtschaft ruiniert. Zwar gelingt es Kaiser Herakleios, das ausgezehrte Reich noch einmal zu einem Zeitalter wirtschaftlicher und kultureller Blüte zu führen, doch steht bereits ein neuer Feind vor den Toren: die Araber. Die Byzantiner verlieren durch die islamische Umklammerung ihr Fernhandelsmonopol und damit ih-

Die Hagia Sophia (»heilige Weisheit«, 6. Jh.) in Konstantinopel ist das bedeutendste Bauwerk byzantinischer Kunst.

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re wichtigste wirtschaftliche Grundlage. Die Großmachtstellung Konstantinopels am Mittelmeer geht für immer verloren. Nur durch tief greifende Veränderungen im Innern kann Byzanz den Angreifern trotzen. Der byzantinische Beamtenstaat wird mit einer straffen Militärverwaltung überzogen und kann so noch weitere 750 Jahre bestehen.

Niedergang der Merowinger

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twa zur selben Zeit ereignen sich im Franken-Reich innenpolitisch bedeutsame Umwälzungen. Die Reichsherrschaft wird durch die Machtkämpfe der Teilkönige zerrissen. Gleichzeitig gelingt es der Kirche, ihren Territorialbesitz auszubauen und größere Selbstständigkeit zu erlangen. Auch der Adel wird immer stärker und unabhängiger. Damit verlieren die fränkischen Könige zwei wichtige Säulen ihrer Macht. Als es Chlothar II. gelingt, das Reich zu einen, zahlt er einen hohen Preis: Um seine Rivalin, die Königin Brunhilde, auszuschalten, muss er sich die Unterstützung des Adels sichern, der damit zum Königsmacher wird. Die Aristo­kratie fordert große Zugeständnisse vom König, die dieser im »Edictum Chlothari« niederschreiben lässt, womit er letztlich den Untergang des Merowingergeschlechts besiegelt. Nach Chlothars Tod gelangt mit aristokratischer Unterstützung der junge Königssohn Dagobert auf den fränkischen Thron. Schon bald müssen seine Förderer jedoch erkennen, dass sie sich in Dagobert getäuscht haben. Der Herrscher beschneidet die Vorrechte seines Hofstaates, statt diese auszuweiten. Zum letzten Mal gelingt es einem Merowingerkönig, die Macht im Reich in seiner Person zu konzentrieren. Der Zerfallsprozess kann jedoch nur rund zehn Jahre aufgehalten werden. Nach dem Tod Dagoberts wird das Reich erneut aufgespalten. Es gelingt den

Schmuck der ausgehenden Merowingerzeit: Haarnadel, Fibel und Brosche (fränkisch, 7. Jh.)

adeligen Hausmeiern – ursprünglich die Vorsteher der Hofhaltung an den Königshöfen – durch geschickte Intrigen die Macht mehr und mehr an sich zu ziehen. Zwar sitzen noch immer merowingische Könige auf den Thronen der fränkischen Teilreiche, die Politik wird jedoch immer stärker von den Hausmeiern bestimmt.

Der Balkan wird slawisch

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achdem die Slawen mehrere Jahrhunderte rastlos durch Europa gezogen sind, gelingt ihnen im 7. Jahrhundert eine Reichsgründung. Auf dem Balkan entsteht das erste bulgarische Reich. Zwar ist seine Existenz 23

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Ära der Tang wird später zu den glanzvollen Aufstieg der Hausmeier Epochen des alten Chinas zählen. Ihre Herrscher formen das von den Sui bereits geeinte Land. Während die Kaiser der Sui jedoch it dem 8. Jahrhundert beginnt die Endnoch teilweise gegen den Widerstand der Bezeit der Merowingerkönige. Das Franvölkerung ankämpfen mussten, gelingt es den ken-Reich wird de facto von den Hausmeiern Tang, ein relativ friedliches Regime zu er- regiert – mächtig gewordenen Hofbeamten, richten. Mit geschickter Bündnispolitik und die an Stelle des Königs herrschen. Die Mezahlreichen Feldzügen sichern sie die Gren- rowinger selbst hatten den Aufstieg dieser zen ihres Reichs, das seine vorläufig größte Adligen ermöglicht: nicht zuletzt durch Ausdehnung erreicht. Im Innern schaffen sie Schenkungen königlichen Territoriums, die einen Beamtenstaat, dessen Verwaltung so ef- wie das Hausmeieramt selbst auf Lebenszeit fektiv arbeitet, dass sie in ihren Grundzügen gelten und schließlich erblich sind. noch bis weit in die Neuzeit besteht. Der Hausmeier Karl Martell aus dem GeChina entwickelt sich unter den Tang- schlecht der Pippiniden, die später durch ihre herrschern zum reichsten Land Ostasiens. Verbindung mit den Arnulfingern die DynaMaßgeblichen Anteil daran hat der Handel stie der Karolinger begründen, zählt zu den mit dem Abendland, der über die Seiden- wichtigsten Persönlichkeiten dieses Säkulums. straße und den Seeweg ausgebaut wird. Er drängt den Adel des konkurrierenden Exotische Waren gelangen in die chinesische fränkischen Teilreiches Neustrien in die BeHauptstadt Chang’an und deutungslosigkeit und lenkt werden von dort aus über schließlich die Geschicke Die Ausstrahlung Chinas unter weite Teile Asiens weiterdes gesamten Frankenden Tang-Kaisern ist so groß, verkauft. Die Dichtkunst Reiches. 737 stirbt der medass ganz Ostasien beeinerreicht im Werk von Li rowingische Schattenkönig flusst oder gar abhängig wird. Bai einen vorläufigen HöTheuderich IV., durch den hepunkt. Werke der LandKarl Martell seine Herrschafts- und Personenmalerei werden wegen schaft legitimierte. Nach dem Tod des Königs ihrer Perfektion und hohen Ausdruckskraft wird kein neuer Herrscher auf den Thron gezu begehrten Waren, die wie Seide und Por- hoben. Die Hausmeier, obwohl noch nicht mit zellan über die Seidenstraße Verbreitung fin- Königswürden gesegnet, sind damit endgültig den. Die politische wie wirtschaftliche Kraft die beherrschende Autorität im Staat. sowie der fortgeschrittene zivilisatorische Unter der Aristokratie regt sich jedoch Status Chinas sorgen dafür, dass ganz Ost- Widerstand gegen die selbst ernannten Reasien vom Reich der Mitte beeinflusst oder genten. Karl Martell reagiert schnell, bevor gar abhängig wird. Japan und Korea verwen- Aufstände seine Herrschaft schwächen könden die chinesische Schrift und Rechtspre- nen: Die Herzöge von Thüringen, Friesland chung und werden kulturell u. a. durch die und dem Elsass werden entmachtet. Als Herchinesische Architektur inspiriert. Dennoch zog Eudo von Aquitanien Karl Martell um behalten diese Länder einen Teil ihrer ur- Hilfe gegen die Mauren bittet, erkennt der sprünglichen Kultur, die sich mit den chine- Hausmeier die günstige Gelegenheit. Mit sischen Einflüssen vermengt. So bilden sich dem Sieg gegen die Araber bei Tours und Poieigene Stile heraus, aus denen u. a. die japa- tiers im Jahr 732 kann Karl seine Herrschaft nische Nara- und Heian-Zeit hervorgehen. auch im südlichen Franken-Reich festigen.

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Löwe als Detail auf einem bestickten Seidentuch aus der Zeit der chinesischen Tang-Dynastie (7.–10. Jh.)

nur von kurzer Dauer, doch verdeutlicht dieses Zwischenspiel bereits das Kräftepotenzial der slawischen Stämme, das im 9. Jahrhundert zur Gründung des großmährischen Reiches führen wird. Die stärker werdende Einheit der osteuropäischen Nomadenvölker wird auch daran sichtbar, dass sie sich im 7. Jahrhundert erstmals den Namen »Slawen« geben. Noch bezeichnet dieses Wort nicht die Angehörigen eines Reiches, sondern eines sprachlichen Kulturkreises: »Slov« ist, wer dieselbe Sprache spricht. Bis zum Ende des Jahrhunderts haben die Slawen, die sich immer wieder gegen Angriffe der kriegerischen Awaren wehren müssen, weite Teile des südlichen Balkans erobert. Dabei fallen 24

sie oftmals in byzantinisches Herrschaftsgebiet ein. Aus nomadisierenden Stämmen entwickelt sich langsam ein ernst zu nehmender Gegner für die Großmacht Byzanz.

China – glanzvolle Epoche unter der Tang-Dynastie

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m Jahr 618 vollzieht sich einer der bedeutendsten Machtwechsel in der chinesischen Geschichte: Die Dynastie der Sui wird von den Tang gestürzt. Schon mit den beiden ersten Kaisern des neuen Herrscherhauses beginnt ein kultureller und wirtschaftlicher Aufschwung: Die knapp 300 Jahre dauernde

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Vom niedergang Roms zum Zeitalter der Karolinger

Könige der Franken – Pippin und Karl

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arl Martells Sohn, Pippin der Jüngere, wagt schließlich den entscheidenden Schritt und greift nach der Krone der Merowinger. Mit dem Segen des Papstes lässt sich Pippin in Soissons zum ersten König seines Geschlechts salben. Die Zeremonie findet nach germanischer Tradition durch Schildsetzung statt. Gleichzeitig betont Pippin eine starke Anbindung an die römisch-katholische Kirche. Damit legitimiert er sich bewusst als Herrscher sowohl in germanischer als auch in christlicher Tradition.

Die Königssalbung nach alttestamentarischem Vorbild ist neu im Franken-Reich und war bislang nur in Irland und bei den Westgoten üblich. Pippin wird König von Gottes Gnaden – er regiert in göttlichem Auftrag. Als Papst Stephan II. kurz darauf in das Franken-Reich reist, wiederholt er den Salbungsvorgang und weiht zudem Pippins Söhne Karl und Karlmann zu Thronerben. Die neue Dynastie hat sich etabliert. Pippins Sohn Karl – später der Große genannt – erlangt nach dem Tod seines Bruders Karlmann die Macht im gesamten Franken-Reich und verändert dieses grundlegend. Seinen ersten Unterwerfungskrieg führt er gegen die heidnischen Sachsen im Nordosten, die er nach jahrelangen Kämpfen in die Knie zwingt. Der Sachsenführer Widukind muss die fränkische Herrschaft anerkennen und lässt sich 785 taufen. Karls Eroberungen dehnen das Reich über den größten Teil West- und Mitteleuropas aus. Damit übertreffen die Franken ihren Hauptkonkurrenten Byzanz an territorialem Besitz. Hofhaltung und Staatsorganisation erhalten unter Karl große Bedeutung. Als Papst Leo III. dem Frankenkönig im Jahr 800 die Kaiserkrone aufs Haupt setzt, wird das weströmische Kaisertum nach rund 350 Jahren wiedergeboren – zumindest der Idee nach.

Geburt des Kirchenstaats

H Das Oberhaupt des Abendlandes: Reiterskulptur Karls des Großen (karolingisch, Louvre/Paris, um 870)

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erausragender Kirchenlehrer des 8. Jahrhunderts ist der Geistliche Bonifatius. Obwohl er erst im Alter von 40 Jahren Missionar wird, trägt er ganz wesentlich zur Verbreitung der christlichen Lehre in weiten Teilen Mittel- und Westeuropas bei. Bonifatius übernimmt eine Vermittlerrolle zwischen dem Papst und dem Hausmeier Pippin dem Jüngeren und setzt sich persönlich für die Erhebung Pippins zum fränkischen König ein;

dessen Salbung in Soissons führt er eigenhän- verliert weite Teile Kleinasiens und die Westdig durch. Das Franken-Reich steigt damit zur goten auf der Iberischen Halbinsel werden Schutzmacht des Papstes auf. Die römische in den Norden abgedrängt. Die Eroberung Kirche löst sich von Byzanz und bindet sich des Westgoten-Reiches schafft eine neue Sian die neue westeuropäische Vormacht. Das tuation in Westeuropa. Die Geschwindigkeit, fränkische Christentum erlebt durch die Ver- mit der die Westgoten geschlagen werden, bindung mit Rom einen Aufschwung, der Re- macht den anderen europäischen Herrschern formen notwendig macht. Wieder ist es Bo- schmerzhaft deutlich, wie mächtig der Isnifatius, der das geistliche lam geworden ist, der inLeben im Reich in einer zwischen unmittelbar vor Asturien bleibt die letzte Kirchenverwaltung umihren Grenzen steht. Auf christliche Exklave auf der organisiert. Nachdem der der Iberischen Halbinsel Iberischen Halbinsel: Von hier Erzbischof seine Aufgaerfolgt die Machtsicherung aus beginnt die Reconquista. ben erfüllt hat, wendet er der Araber nicht immer sich, inzwischen 80-jährig, durch das Schwert. Die noch einmal der Mission zu und wird wäh- Eroberer garantieren Juden und Christen rend einer Reise nach Friesland erschlagen. Religionsfreiheit, Wahrung des RechtszuSein Lebenswerk prägt die fränkische Kirche standes und des Eigentums. Unter diesen noch über Jahrhunderte hinweg. Vorzeichen fallen mehrere Städte kampflos Mit der »Pippinschen Schenkung« beginnt in ihre Hand. Fast die gesamte Iberische im 8. Jahrhundert auch die Geschichte des Halbinsel wird binnen weniger Jahre araKirchenstaates. In der Pfalz Quierzy ver- bisiert. Die Geschwindigkeit, mit der die spricht Pippin dem herbeigereisten Papst die Araber das Westgoten-Reich zersetzen, ist von den Langobarden zurückzuerobernden keineswegs Resultat einer hervorragenden Gebiete in Italien. Nach zwei Feldzügen sind Organisation. Vielmehr geht die Besetzung die Langobarden unterworfen. Teile ihres Ter- Spaniens in einem chaotischen Treiben vor ritoriums fallen an die Kirche. Nach und nach sich. Jeder arabische Feldherr führt seine nehmen päpstliche Beamte Befugnisse wie das Truppen eigenmächtig durch SüdwesteuroMünzprägungsrecht, die Rechtsprechung oder pa. Eine zentrale Kommandostelle existiert die Hoheit über die Verkehrswege wahr und nicht, der Kalif in Damaskus ist weit entfernt. üben somit erstmals weltliche Gewalt über ein So kommt es, dass die islamischen Verbängrößeres Territorium aus. Die Verteidigung de unkoordiniert an verschiedenen Fronten der päpstlichen Ländereien bleibt weiterhin gleichzeitig losschlagen – mit Erfolg. Erst als eine fränkische Angelegenheit, denn das Kö- Abd Ar Rahman I. 756 das Emirat von Córnigtum ist mit dem Titel »Patricius Romano- doba gründet, erhält das spanisch-arabische rum«, Schutzherr der Römer, verknüpft. Reich ein politisches Zentrum. Die letzten Westgoten haben sich bis zum Kantabrischen Gebirge zurückgezogen. Dort Mauren erobern Spanien leisten sie den Arabern erbitterten Widerstand und können ein eigenes Reich etablieie Eroberungswellen der Araber eb- ren. Asturien ist die letzte christliche Exklave ben im 8. Jahrhundert langsam ab. auf der Halbinsel und wird zum SprungZwei letzte große Feldzüge vergrößern das brett für die Rückeroberung Spaniens, die islamische Reich ein weiteres Mal: Byzanz Reconquista, ab dem 10. Jahrhundert. Der

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arabische Versuch, nach Norden über die eine neue Schrift ein, die karolingische MiPyrenäen vorzustoßen, endet im Jahr 732 in nuskel, die das abendländische Mittelalter der Schlacht bei Tours und Poitiers mit einer maßgeblich prägen wird. Der Gelehrte Beda Niederlage. Im Süden gedeiht das arabisch- Venerabilis lebt und schreibt im nördlichsten spanische Reich hingegen der angelsächsischen Reiprächtig. Die Eroberer che, Northumbria. Er gilt Von Britannien aus erfolgt die richten sich in Andalusien als einer der gebildetsten Missionierung Westeuropas. ein und übernehmen die Männer seiner Zeit und Der angelsächsische Gelehrte großen Latifundien, die tradiert mit seinen Büchern Alkuin berät Karl den Großen. sie effektiv weiterbewirtdas Wissen der Spätantike. schaften. Aus Nordafrika Im Kloster Jarrow schreibt siedeln sich Berber auf der Iberischen Halb- Beda Werke wie die »Historia Ecclesiastica insel an, die die Entwicklung der spanischen Gentis Anglorum« über die angelsächsische Viehwirtschaft vorantreiben. Kirchen- und Reichsgeschichte oder »De RaAls das Geschlecht der Abbasiden die tione Temporum«, das zur Verbreitung der Omaijaden-Dynastie in Damaskus stürzt und christlichen Zeitrechnung beiträgt. die Macht über das arabische Großreich an Nach jahrhundertelangen Kriegen zwischen sich reißt, gelingt dem Omaijadenprinzen Kleinkönigtümern haben sich die sieben Abd Ar Rahman die Flucht nach Spanien. mächtigsten Reiche auf der Britischen Insel Dort errichtet er das Emirat von Córdoba, etabliert. Die angelsächsische Heptarchie bildas in der Folgezeit seine Unabhängigkeit den die Königtümer East Anglia, Wessex, Esvom Abbasiden-Kalifat behaupten kann. Das sex, Sussex, Northumbria, Mercia und Kent. arabische Reich in Spanien entwickelt sich zu Ständig kämpfen deren Könige um die Voreiner eigenständigen Macht. herrschaft, bis gegen Ende des 8. Jahrhunderts eine neue, gemeinsame Bedrohung auftaucht: Die Wikinger setzen in ihren schnellen Booten Bedeutender Einfluss von Skandinavien über und machen die ander Angelsachsen gelsächsischen Küsten unsicher. Den Beginn ihrer Raubzüge markiert der Überfall auf ie kulturellen und politischen Entwick- das Kloster Lindisfarne auf Holy Island vor lungen auf dem europäischen Festland der Küste Wales’ im Juni 793. Noch gelten sie sind ohne den Einfluss der Angelsachsen nur als habgierige Piraten, aber schon wenige nicht denkbar. In ganz Westeuropa werden Jahrzehnte später werden sie einen Teil der die Mission und die Kirchenorganisation angelsächsischen Reiche besetzen. im 8. Jahrhundert von Mönchen aus Britannien vorangetrieben. Zu den prominentesten Mittelamerikanische Hochkulturen Kirchenmännern aus dem Inselreich zählen Willibrord und Bonifatius. Der Angelsachse Alkuin steigt zum wichtigsten Berater Karls ährend die in Mexiko gelegene Großdes Großen auf und bringt die angelsächstadt Teotihuacán, eine der bedeusische Gelehrsamkeit mit der Kultur der Ka- tendsten Siedlungen des vorkolumbischen rolinger in Berührung – eine Verbindung, Amerikas, im 7. Jahrhundert verfällt und sich aus der im 9. Jahrhundert die Karolingische auch die Blütezeit der Zapoteken ihrem Ende Renaissance hervorgehen wird. Alkuin führt entgegenneigt, beginnt im Urwaldgürtel zwi-

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schen Guatemala und Mexiko die klassische Phase der Maya-Kultur. Es entstehen mehrere kleinere Fürstentümer mit hohem Zivilisationsstand. Tempelpyramiden und monumentale Plastiken sowie Schrift und mathematische Erkenntnisse zeugen von einer reich entwickelten Kultur. Die Herrschaftsgebiete sind kulturell miteinander verbunden, befehden sich zum Teil aber heftig. An ihrer Spitze stehen erbliche Fürsten, die ein aufwändiges Hofzeremoniell pflegen. Hofhaltung und religiöse Rituale erfordern viele Kultgegenstände,

sitzen zwei Kalender, einen recht genauen Sonnenkalender von 365 Tagen und einen Ritualkalender von 260 Tagen. Die Zeitrechnung gliedert sich in Perioden zu je 20 Jahren. Am Ende jeder Periode werden mit Inschriften versehene Stelen aufgestellt. Auch die Mathematik, die wie alle Bereiche der Kultur von der Religion beeinflusst ist, beruht auf einem 20er-System. Da sie mit der Zahl Null operieren, sind die Maya in der Lage, komplizierte Berechnungen anzustellen, vor allem auf dem Gebiet der Astronomie.

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Ruinen der Mayastadt Palenque in Chiapas/Mexiko mit dem Palast und seinem viergeschossigen Turm (r.)

die durch spezialisierte Handwerker hergestellt werden. Diese leben in Städten und bilden zusammen mit den Hofbeamten und der Priesterschaft eine gegenüber den einfachen Bauern in den umliegenden Dörfern und Weilern kulturell fortgeschrittene Gruppe. Als einziges Volk Amerikas kennen die Maya eine abstrakte Schrift, die über eine Bilderschrift hinaus entwickelt ist. Sie be-

Die Lebensbedingungen sind für den größten Teil des Volkes noch primitiv. Der Ackerbau wird mit steinzeitlichen Mitteln betrieben, Pflug und Zugtiere sind unbekannt. Auf dem nordamerikanischen Kontinent, im mittleren Ohiotal, huldigen die Träger der sog. Hopewell-Kultur auf Tempelhügeln ihren Göttern und hinterlassen aus Glimmertafeln ausgeschnittene Tierfiguren. 29

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