Umgang mit Sterben, Trauer und Verlust

Umgang mit Sterben, Trauer und Verlust Dr. Sandra Adami Diplompsychologin Gesprächspsychotherapeutin (GwG) Psychoonkologin (DKG) PSNV-Forum 11.03.201...
Author: Mareke Maus
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Umgang mit Sterben, Trauer und Verlust Dr. Sandra Adami Diplompsychologin Gesprächspsychotherapeutin (GwG) Psychoonkologin (DKG)

PSNV-Forum 11.03.2017 in Freiburg

Was ist Trauer? Trauern • ist eine emotionale Fähigkeit, die als sehr schmerzhaft empfunden wird • wird ausgelöst durch den Verlust einer Sache, Situation oder Person, zu der eine sinnerfüllte Beziehung bestand • verläuft als äußerer und innerer Realisierungsprozess • ermöglicht Entwicklung (nach Klumpp, 2010; Bausewein, Roller & Voltz, 2010; Znoj, 2004)

Trauer ≠ Traurigkeit Schuldgefühle

Annahme

Hadern

Selbstmitleid

Zorn

Traurigkeit

Trauerbereiche Physisch

Psychisch

Sozial

Spirituell

nach Bausewein, Roller & Voltz 2010

Trauermodelle Stufenmodelle Aufgabenmodelle Prozessmodell

vgl. Backhaus 2013

Trauerprozess nach Freud Anlass: Verlust einer Person, zu der eine sinnhafte Beziehung bestand

Reaktion: Schmerz, ständige Beschäftigung mit dem Verlust, keine Beschäftigung mit der Außenwelt, Leistungsunfähigkeit, Unfähigkeit zur Wahl eines neuen „Liebesobjekts“

Bewältigung („Trauerarbeit“): schrittweise Ablösung der Besetzungsenergie von der realen Person, psychische Verinnerlichung der verstorbenen Person

Ziele: Ablösung; Auflösen der Trauer, Ersetzen des „Liebesobjekts“

nach Freud 1917

Trauerphasen nach Kübler-Ross 1. Verneinung und Isolation 2. Zorn, Wut, Auflehnung gegen Schicksal 3. Verhandeln mit dem Schicksal 4. Depression 5. Anpassung und Annahme der Trauer nach Kübler-Ross, 1973 Weiterentwicklung Bowlby 1980, Kast 1982

Traueraufgaben nach Worden • Verlust als Realität anerkennen • Trauerschmerz erfahren und aussprechen • Strukturierung: sich an eine Umwelt anpassen, in der der Verstorbene fehlt • Bewertung des Verlustes: dem Verstorbenen emotional einen neuen Platz geben nach Worden 1992

Duales Prozessmodell nach Stroebe & Shut 1999

Verlust

neue Lebensziele

Denken an den / die Verstorbene/n

Neue Dinge unternehmen

Rückzug

Sich ablenken

Vermeiden von Veränderungen

Veränderungen annehmen

Leere

Neue Ziele …

… Verlustorientierung

Wiederherstellungsorientierung

Trauergrundlagen • Trauer ist keine Krankheit, sondern eine normale Reaktion! • Beziehung zur verstorbenen Person bestimmt die Trauerreaktion • Trauerreaktion ist biologisch angelegt (auch bei Tieren zu beobachten ) vgl. Wohlleben 2016

„Antizipierte Trauer“ • Trauer beginnt nicht erst, wenn jemand stirbt, sondern meist schon davor • Abschied voraussehen  bewusst Abschied nehmen können • Schuldgefühle sind oft damit verbunden, dass man sich nicht erlaubt, schon zu trauern (und sich neu zu orientieren) • „Ich kann nicht weinen…“

Kinder trauern anders… Einige Buchtipps: • Erlbruch, W. (2010). Ente, Tod und Tulpe. München: Kunstmann. • Nilsson, U. & Eriksson, E. (2012). Die besten Beerdigungen der Welt. Weinheim: Beltz. • Nilsson, U. & Tidholm, A. (2014) Adieu, Herr Muffin. Weinheim: Beltz. • Varley, S. (2001). Leb wohl, lieber Dachs. Wien: Betz. • Saalfrank, H. & Goede, E. (2001). Abschied von der kleinen Raupe. Würzburg: Echter.

Hilfreich sein... • • • • • • • •

Situation einschätzen Eigene Grenzen wahr- und ernst nehmen Da sein Hilfe anbieten und ggf. holen Abschiede ermöglichen Rituale initiieren Tod als zum Leben zugehörig betrachten Selbstfürsorge

Praktische Hilfen • Der Trauer Raum geben: sich einlassen, emotional die Trauer ertragen (vgl. Küchenhoff 2011) • Eigene Rituale schaffen • Sich mit der eigenen Endlichkeit auseinandersetzen • Psychotherapie • Trauerbegleitung: Hospizgruppe • Anlaufstellen: Hospizvereine, Palliativstationen, kirchliche Einrichtungen

Literatur I • Adami, S. (2015). Zwischen Annäherung und Vermeidung. Die sprachliche Verhandlung der Konfrontation mit der eigenen Endlichkeit bei der Diagnose Darmkrebs. Eine qualitative Analyse. Dissertation Universität Freiburg. • Adami, S. (2016). „Alles, was ich jetzt noch kriege, ist ein Geschenk“ Die Hinwendung zum Leben durch die Konfrontation mit dem Tod. In: Hermeneutische Blätter 2016/2: Sterben – Erzählen. • Backhaus, U. (2013). Trauer ist Leben – Leben ist (auch) Trauer. Ein Überblick über aktuelle Entwicklungen in Theorie und Praxis der Trauerbegleitung. Gesprächspsychotherapie und Personzentrierte Beratung 44(4). S. 184-191. • Bausewein, C., Roller, S. & Voltz, R. (2010). Leitfaden Palliative Care: Palliativmedizin und Hospizbetreuung. München: Urban & Fischer. • Bonanno, G. (2012). Die andere Seite der Trauer. Bielefeld: Aisthesis Verlag. • Bowlby, J. (1980). Attachment and Loss: Loss, Sadness and Depression. New York: Basic Books. • Freud, S. (1917). Trauer und Melancholie. Erstveröffentlichung. Internationale Zeitschrift für ärztliche Psychoanalyse, 4(6), 288-301.

Literatur II • Kast, V. (1982). Trauern. Phasen und Chancen des psychischen Prozesses. Stuttgart: Kreuz-Verlag. • Küchenhoff, J. (2011). Zu den Bedingungen gelingender Trauer. Psychotherapie-Wissenschaft 2011 Band 1, Nr. 2. Online: http://www.psychotherapie-wissenschaft.info/index.php/psywis/article/view/29/133 • Rechenberg-Winter, P. & Fischinger, E. (2008). Kursbuch systemische Trauerbegleitung, Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht. • Stroebe, M. & Schut, H. (1999). The Dual Process Model of Coping with Bereavement: Rationale and Description, Death Studies, 23, 187-224. • Worden, W. (1991). Grief Counselling and grief therapy. Second Edition. New York: Springer Publishing Company. • Znoj, H. (2004). Komplizierte Trauer. Fortschritte der Psychotherapie. Göttinngen: Hogrefe. • Znoj, H. (2005). Ratgeber Trauer. Informationen für Betroffene und Angehörige. Göttingen: Hogrefe.