Tourismus im Baltikum weiter im Aufwind

14.08.2014

Neue Anlagen geplant / Geschäftsreisen rücken in den Fokus / Von Barbara Kussel Bonn (gtai) - Der Tourismus ist ein wichtiger Motor für Einkommen und Beschäftigung im Baltikum. Estland, Lettland und Litauen haben 2013 deutlich mehr Gäste begrüßen können als im Jahr 2012. In den kommenden zehn Jahren wird die Branche jüngsten Analysen zufolge überdurchschnittlich wachsen. Als ausbaufähig gilt zum Beispiel der Kongresstourismus. Dank der zuletzt guten Entwicklung gibt es inzwischen wieder einige Investiti­ onsvorhaben. Aufwind für den Tourismus im Baltikum: In den kommenden zehn Jahren bis 2024 wird die Reisebranche in Est­ land per anno um 3,7%, in Lettland um 5,8% und in Litauen real um 5,2% zulegen. Damit liegt das Baltikum über dem durchschnittlichen weltweiten Wachstum von jährlich 4,0%, erwarten die Analysten des World Travel & Tourism Council (WTTC) in ihrer jüngsten Prognose. Bereits im vergangenen Jahr ist die Reisebranche kräftig gewachsen. Doch lauern aktuell Gefahren für den Tou­ rismus in der Region: Angesichts der Ukraine-Krise ist die Verunsicherung bei Gästen nicht nur aus dem außer­ europäischen Ausland spürbar. Hinzu kommen der schwache Rubel und die schleppende Entwicklung der Kon­ junktur in Russland. Es ist zu erwarteten, dass das Geschäft mit der großen Zahl der Reisenden aus Russland, die das Baltikum besuchen, einen Dämpfer erfährt. Was die Attraktivität der Tourismusbranche betrifft, hat das Baltikum Potenzial nach oben. Auf der Weltranglis­ te zur Wettbewerbsfähigkeit der Reise- und Tourismusbranche 2013 des Weltwirtschaftsforums in Davos ran­ giert Estland auf Platz 30 von 140 Ländern. Lettland und Litauen finden sich auf den Positionen 48 und 49. Der Davoser "Travel & Tourism Competitiveness Report", der alle zwei Jahre erscheint, bescheinigt der balti­ schen Tourismusbranche sehr gute Noten in punkto Umweltverträglichkeit und Sauberkeit. Deutlich schlechter sieht es beim Thema internationale Flugverbindungen aus. Hier ist Estland auf Rang 87 weit abgerutscht, Lett­ land und Litauen finden sich auf den Plätzen 40 und 75. Das geht aus dem "Global Competitiveness Report 2013-2014" hervor, den das Weltwirtschaftsforum jährlich aktualisiert.

Reisebranche braucht bessere Fluganbindungen Ein Grund für die schlechte Fluganbindung des Baltikums ist die verlustreiche Estonian Air. Die Luftverkehrsge­ sellschaft hat 2013 nur noch gut 0,5 Mio. Passagiere befördert, fast 40% weniger als 2012, das Streckennetz war ausgedünnt worden. Auch in Lettland musste der nationale Carrier Air Baltic verstaatlicht werden. Zuletzt aber haben beide Gesellschaften ihr Streckennetz, zum Beispiel nach Deutschland, wieder ausgeweitet. Darüber hin­ aus baut Lettland den Riga International Airport mit EU-Fördergeldern in Höhe von 95 Mio. Euro aus. Das große und moderne Zentrum für VIP-Reisende konnte bereits eröffnet werden. Mit 5,7 Mio. Übernachtungen hat der estnische Tourismussektor unter den baltischen Staaten die meisten Bu­ chungen im Jahr 2013 gezählt. Das liegt vor allem an der großen Zahl finnischer Gäste, die meist aus dem nur 80 km von Tallinn entfernten Helsinki kommen. Deutschland rangiert, was die Zahl der Übernachtungen betrifft auf Platz vier. Weiterhin steigend sind auch die Besuche aus Russland, berichtet das nationale Statistikamt im August 2014. Der nationale Entwicklungsplan für den Tourismus 2014 bis 2020 sieht Investitionen der öffentlichen Hand in die Branche in Höhe von 123 Mio. Euro vor. Auf der Agenda stehen die Unterstützung für den Bau eines Konfe­

1

www.gtai.de

TOURISMUS IM BALTIKUM WEITER IM AUFWIND

renz- und Ausstellungszentrums, die Etablierung eines Netzwerkes für die vielen kleinen Häfen sowie Attraktio­ nen für den Familientourismus. Gäste in Estland Indikator

2013

Veränderung 2013/12 (in %)

Anreisen insgesamt, davon

2.980.865

5,0

.aus Estland

1.040.735

7,7

.aus Finnland

894.504

7,9

.aus Russland

304.644

14,4

.aus Deutschland

101.596

-8,7

.aus Lettland

105.480

4,8

Übernachtungen, insgesamt davon

5.734.033

3,4

.aus Estland

1.824.707

6,0

.aus Finnland

1.691.035

2,4

.aus Russland

679.343

14,4

.aus Deutschland

210.955

8,1

.aus Schweden

159.813

-3,1

Quelle: Estnisches Statistikamt

In Lettland dominieren russische Besucher In Lettland haben die Übernachtungen 2013 um 6,4% auf fast 3,8 Mio. Einheiten zugelegt. Nach wie vor steigen die Besuche aus Russland deutlich, in 2013 um mehr als 33%, dies liegt vor allem daran, dass es nach wie vor eine sehr starke russische Minderheit im Land gibt. Deutschland ist, was die Zahl der ausländischen Übernachtungen betrifft auf Rang zwei - nach Russland - aufgerückt.

2

www.gtai.de

TOURISMUS IM BALTIKUM WEITER IM AUFWIND

Gäste in Lettland Indikator

2013

Veränderung 2013/12/ (in %)

Anreisen insgesamt, davon

1.839.241

11,8

.aus Lettland

589.427

7,5

.aus Russland

310.266

33,4

.aus Deutschland

122.737

1,9

.aus Litauen

109.118

17,0

.aus Estland

105.558

21,3

Übernachtungen insgesamt, davon

3.775.192

6,4

.aus Lettland

1.135.192

1,6

.aus Russland

702.067

19,4

.aus Deutschland

239.359

-5,4

.aus Norwegen

157.717

-3,2

.aus Litauen

190.592

17,0

Quelle: Lettisches Statistikamt Die litauischen Gasthäuser konnten 2013 fast 5,6 Mio. Übernachtungen verzeichnen, 5,7% mehr als im Vorjahr. Bei den Anreisen aus Belarus gab es sogar einen Sprung von 38,6%. Deutschland ist als Besuchernation vom dritten auf den vierten Platz gerutscht. In Litauen spielen auch Gäste aus den Nachbarstaaten Polen und Belarus eine wichtige Rolle. Gäste in Litauen Indikator

2013

Veränderung 2013/12 (in %)

Anreisen, insgesamt davon

2.184.456

10,5

.aus Litauen

949.537

11,4

.aus Russland

243.599

9,3

.aus Belarus

162.158

38,6

.aus Deutschland

148.599

2,5

.aus Polen

127.330

0,0

Übernachtungen insgesamt, davon

5.563.270

5,7

.aus Litauen

2.724.632

3,1

.aus Russland

643.869

13,2

.aus Belarus

424.704

20,2

.aus Deutschland

368.203

-1,6

.aus Polen

249.189

-10,1

Quelle: Litauisches Statistikamt

3

www.gtai.de

TOURISMUS IM BALTIKUM WEITER IM AUFWIND

Insgesamt steigen die Investitionen in baltische Tourismusimmobilien weiter, erwartet das Immobilienunterneh­ men Colliers International in seinem Marktbericht für das Baltikum 2014. Als Kulturhauptstadt Europas 2014 lockt die lettische Hauptstadt Riga in diesem Jahr zusätzliche Touristen, als jüngstes Euromitglied zusätzliche Investoren, schreibt Colliers im "Real Estate Market Overview 2014 - Latvia, Lithuania, Estonia". Die Übernach­ tungspreise in Riga gehören zu den günstigsten unter den europäischen Hauptstädten. Im Jahr 2013 wurden zwei Vier-Sterne Hotels in der Altstadt Rigas eröffnet, das Astor mit 60 und das Wellton Centrum mit 120 Zimmern. In 2014/15 sind mindestens drei weitere Hotels geplant, unter anderem ein weiteres Wellton sowie ein Mercure. Das FG Royal hat einen Investor aus Aserbaidschan gefunden. Colliers erwartet wohl mit Blick auf Mariott und Sheraton -, dass eine weitere internationale Hotelkette den Markteintritt in die­ sem oder im nächsten Jahr realisiert.

Euro-Einführung beflügelt auch den Tourismus in Litauen Litauen wird zum Jahreswechsel 2014/2015 den Euro einführen, ein Schritt, der Investoren ins Land zieht. Dar­ über hinaus konnte die EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahreshälfte 2013 den Konferenzmarkt beflügeln. Die Louvre Hotelgruppe hat - wie angekündigt - 2013 das Campanile am Flughafen eröffnet, lokale Ketten sind jetzt mit dem Europa City Aurora in Klaipeda (144 Zimmer) und den Amberton Green Apartments in Palanga (59 Zimmer) präsent. Es gibt Colliers zufolge Pläne der internationalen Hotellerie neue Häuser zu eröffnen oder al­ ten zu neuem Glanz zu verhelfen. Konkreter aber sind Projekte in Tourismusressorts, zum Beispiel ein EthnoDorf am Strand von Zibininkai bei Palanga. Auch neue Wellness und Spa-Zentren stehen hoch im Kurs. Nach mehr als drei Jahren Stillstand hat mit dem L'Erimitage erst im Dezember 2013 wieder ein Haus seine Tore in Estlands Hauptstadt Tallinn geöffnet. Auch die Hilton Kette will in Estland einsteigen. Sie plant bis 2016 die Eröffnung eines Konferenz-Hotels inklusive Spa mit mehr als 200 Zimmern. Bis Ende 2015 soll das Reval Park Hotel abgerissen und durch einen 13-stöckigen Neubau ersetzt werden. Auf der anderen Seite hat sich die schwedische Hotelkette Scandic aus Estland zurückgezogen. Das von ihr betriebene traditionsreiche Palace Ho­ tel wurde von dem estnischen Immobilienfonds Eften Kinnisvarafon übernommen. Laut World Travel & Tourism Council entfielen in Estland 2013 gut 22% der Brancheneinnahmen auf Geschäfts­ reisen, in Lettland waren es gut 17% und in Litauen knapp 19%. Der Rest kommt durch den Ferientourismus zu­ stande. Bei den Geschäftsreisen liegt das Baltikum unter dem europäischen Durschnitt von rund 23%. Die Län­ der könnten den Kongresstourismus besser vermarkten, sagen Branchenkenner. Mit ihren zum Weltkulturerbe zählenden Hauptstädten Tallinn, Riga und Vilnius und traditionsreichen Seebädern haben sie viel Potenzial. Tourismus in Estland

4

Indikator

2013 (Mrd. Euro)

2013 (Anteil in %)

2024 (Mrd. Euro) *)

2024 (Anteil in %) *)

Beitrag zum BIP

6,0

3,4

3,5

9,0

Anzahl der Mitarbeiter

85.000

13,3

92.000

14,1

Investitionen

0,3

7,1

0,5

7,0

www.gtai.de

TOURISMUS IM BALTIKUM WEITER IM AUFWIND

Tourismus in Lettland Indikator

2013 (Mrd. Euro)

2013 (Anteil in %)

2024 (Mrd. Euro) *)

2024 (Anteil in %) *)

Beitrag zum BIP

6,7

2,9

12,6

3,4

Anzahl der Mitarbeiter

70.000

7,8

85.000

9,8

Investitionen

0,2

4,6

0,4

5,1

Indikator

2013 (Mrd. Euro)

2013 (Anteil in %)

2024 (Mrd. Euro) *)

2024 (Anteil in %) *)

Beitrag zum BIP

6,3

1,8

10,8

2,0

Anzahl der Mitarbeiter

57.000

4,4

68.000

4,9

Investitionen

0,2

3,1

0,4

3,7

Tourismus in Litauen

*) Langfrist-Prognose Quelle: World Travel & Tourism Council (WTTC)

KONTAKT Barbara Kussel  +49 (0)228 24 993-356  Ihre Frage an uns

Alle Rechte vorbehalten. Nachdruck – auch teilweise – nur mit vorheriger ausdrücklicher Genehmigung. Trotz größtmöglicher Sorgfalt keine Haftung für den Inhalt. © 2017 Germany Trade & Invest Gefördert vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bun­ destages.

5

www.gtai.de