Tagungsbericht: Studieneingangsphase in der Rechtswissenschaft

Tagungsbericht: „Studieneingangsphase in der Rechtswissenschaft“ Jahrestagung 2013 des Zentrums für rechtswissenschaftliche Fachdidaktik der Fakultät ...
Author: Dieter Küchler
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Tagungsbericht: „Studieneingangsphase in der Rechtswissenschaft“ Jahrestagung 2013 des Zentrums für rechtswissenschaftliche Fachdidaktik der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg am 26./27.3.2013 Von Ass. iur. Jutta Naucke-Merschel, Hamburg* Bereits zum vierten Mal veranstaltete das Zentrum für rechtswissenschaftliche Fachdidaktik der Universität Hamburg (ZerF) in diesem Frühjahr seine inzwischen schon zu einer gewissen Tradition gewordene Jahrestagung. Zahlreiche interessierte Teilnehmer waren auch in diesem Jahr nicht nur aus ganz Deutschland, sondern auch international der Einladung der Veranstalter Reinhard Bork, Judith Brockmann, Arne Pilniok und Hans-Heinrich Trute vom ZerF gefolgt und hatten sich in den für viele bereits vertrauten Räumlichkeiten im Westflügel des Hauptgebäudes der Universität Hamburg eingefunden, um an zwei Tagen ein umfangreiches Programm zum Thema „Studieneingangsphase in der Rechtswissenschaft“ zu verfolgen und mitzugestalten. I. Ausgangspunkt der Überlegungen Nachdem sich die Jahrestagung des ZerF im Vorjahr eher Fragen gewidmet hatte, die zum Ende des Studiums hin in Bezug auf das Examen an Bedeutung gewinnen („Prüfen auf dem Prüfstand“ – Prüfungskultur in der Rechtswissenschaft“1), wollte man diesmal den Beginn des Studiums besonders in den fachdidaktischen Blick nehmen. Einen zentralen Ausgangspunkt bildete dabei die Überlegung, dass der Übergang in ein akademisches Studium in mehrfacher Hinsicht einen besonderen Orientierungsbedarf erzeugt. Die neuen Studierenden müssen Zugang zu den Inhalten der Rechtswissenschaft, ihrer Kultur und ihren Arbeitsformen finden, haben aber auch darüber hinaus vielfältige Umstellungen ihrer Lebens- und Lernsituation zu bewältigen. Aus verschiedenen Blickwinkeln sollte nun an zwei Tagen versucht werden, aus fachdidaktischer Sicht Anforderungen an eine sinnvolle Gestaltung der Studieneingangsphase herauszuarbeiten und dabei auch internationale und interdisziplinäre Perspektiven einzubeziehen. Auch eine an manchen Stellen kritische Würdigung des Status quo der Studieneingangsphase konnte dabei nicht ausbleiben. Aus den Anforderungen sollten zudem konkrete Vorschläge für eine fachdidaktisch fundierte Gestaltung und Organisation der ersten Studiensemester hergeleitet werden. Dabei sollte natürlich auch auf bisher gewonnenen hochschul- und fachdidaktischen Erkenntnissen aufgebaut werden. Ein umfangreiches und ambitioniertes Programm also, das an den beiden Tagen in insgesamt fünf Themenblöcken mit zahlreichen Vorträgen, sowohl im Plenum als auch im kleineren Kreis, aber auch mit sehr engagierten Diskussionen der Tagungsteilnehmer umgesetzt wurde. Der folgende Bericht möchte den Verlauf von Vorträgen und Diskussionen nachzeichnen und dabei diejenigen Aspekte, deren Relevanz im * Die Autorin ist Lehrbeauftragte an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg. 1 Vgl. dazu http://www.jura.uni-hamburg.de/rechtsdidaktik/jahrestagung2012/ (Stand 1.9.2013).

Hinblick auf die Studieneingangsphase im Tagungsverlauf besonders deutlich geworden ist, hervorheben.2 II. Begrüßung und Grußworte Als Erster übernahm Prof. Dr. Hans-Heinrich Trute vom ZerF die Begrüßung aller Teilnehmenden. Er hielt fest, dass die Studieneingangsphase für die neuen Studierenden sowohl in organisatorischer als auch in inhaltlicher Hinsicht eine „Zäsur“ darstelle; generell sei mit dieser Phase eine „Fremdheitserfahrung“ für die Studierenden, aber durchaus auch für die Lehrenden verbunden, die sich ebenfalls erst an die neuen Studienanfänger und deren Art, mit dem für sie neuen Stoff umzugehen, gewöhnen müssten. Daraus ergebe sich, dass diese interessante und besondere Phase des Studiums auf jeden Fall eine Erörterung im Rahmen einer Tagung wie der bevorstehenden lohne. Dem folgte das Grußwort von Prof. Dr. Holger Fischer, dem Vizepräsidenten für Studium und Lehre der Universität Hamburg. Dieser hob hervor, dass das ZerF der Universität Hamburg sich in den letzten Jahren etabliert habe und auch bereits bei den von diesem organisierten fachdidaktischen Tagungen der vergangenen Jahre wichtige Fragen thematisiert worden seien.3 Die Resonanz auf diesen fachdidaktischen Diskurs nehme stetig zu. Dabei sei das ZerF auf einem guten Weg, sich im Zusammenhang mit der Etablierung einer modernen rechtswissenschaftlichen Fachdidaktik unentbehrlich zu machen. Auch in anderen Bereichen der Universität Hamburg würden Fragen der Studieneingangsphase aktuell thematisiert. So laufe eine Vielzahl von hierauf zielenden Projekten im Rahmen des fakultätsübergreifenden „Universitätskollegs“4; speziell an der Fakultät für Rechtswissenschaft sei im Rahmen dieses Kollegs das Projekt „FadOS“ (Fachdidaktische Optimierung der Studieneingangsphase)5 hervorzuheben. Somit 2

Die Veranstalter planen auch diesmal wieder, die Ergebnisse der Tagung in einem Tagungsband zu dokumentieren. 3 Siehe zu den Tagungen der Vorjahre: http://www.jura.uni-hamburg.de/rechtsdidaktik/jahrestagung2010/ („Exzellente Lehre im juristischen Studium: Auf dem Weg zu einer rechtswissenschaftlichen Fachdidaktik“); http://www.jura.uni-hamburg.de/rechtsdidaktik/jahrestagung2011/ („Auf dem Weg zur rechtswissenschaftlichen Fachdidaktik: Methoden des Lernens in der Rechtswissenschaft“); http://www.jura.uni-hamburg.de/rechtsdidaktik/jahrestagung2012/ („Prüfen auf dem Prüfstand: Prüfungskultur in der Rechtswissenschaft“); Stand jeweils 1.9.2013. 4 Hierzu http://www.universitaetskolleg.de/de/projekte.html (Stand 1.9.2013); vgl. hierzu auch den Bericht von Schmehl unten unter VI. 4. b). 5 Vgl. hierzu auch http://www.jura.uni-hamburg.de/lehre/universitaetskolleg/pro jekte/fados/ sowie

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Tagungsbericht: „Studieneingangsphase in der Rechtswissenschaft“ setze die aktuelle Tagung bei gerade jetzt – auch fächerübergreifend – für wichtig gehaltenen Fragen an. In einem weiteren Grußwort wandte sich im Anschluss Prof. Dr. Tilman Repgen, Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg, an die Tagungsteilnehmer. Er stellte fest, dass es im Rahmen der Bemühungen um eine Ausbildungsreform auch immer wieder Überlegungen zu einem sinnvollen Beginn des juristischen Studiums gegeben habe. Hierbei sei deutlich geworden, dass die Jurastudierenden mehr als nur eine Orientierung am positiven Recht und eine bestimmte Art der Problemlösung vermittelt bekommen müssten. Auch die Frage, wie „gerecht“ das positive Recht überhaupt sei, müsse in diesem Rahmen thematisiert werden; hierbei komme den Grundlagenfächern eine entscheidende Bedeutung zu. Festzustellen sei, dass dann, wenn aus fachdidaktischer Sicht die Frage nach dem „Ziel“ der Juristenausbildung gestellt werde, gerade ein sinnvoll gestalteter Beginn des Studiums hierfür eine wichtige Rolle spiele. Somit setze die aktuelle Tagung an einem Punkt an, der auch für Organisation und Ziel des Studiums insgesamt relevant sei. III. Block 1: Grundlegungen Zum Einstieg in die besonderen fachdidaktischen Herausforderungen, die sich gerade im Hinblick auf die Gestaltung der Studieneingangsphase ergeben, wurde im Block 1 zunächst in zwei Vorträgen herausgearbeitet, welche Rolle hier die Voraussetzungen und Vorbedingungen bei den Studierenden spielen. 1. Was macht Studienerfolg aus? – Prof. Dr. Rolf Schulmeister, Universität Hamburg So stellte Schulmeister gleich zu Beginn die Frage, was Studienerfolg ausmache und wie man diesen möglicherweise beeinflussen könne. Dabei hob er zunächst hervor, dass entgegen verbreiteter Annahmen jedenfalls nicht der Umfang der von den Studierenden in das Lernen investierten Zeit entscheidender Faktor für deren Studienerfolg sei; die Noten hätten „mit dem Zeitaufwand nichts zu tun“. Als eine wichtige Variable für den Lernerfolg identifizierte Schulmeister die Fähigkeit der Studierenden, Motivation in Handeln umzusetzen und somit ein selbstbestimmtes Lernverhalten an den Tag zu legen. Die Art des Lernverhaltens sei für den Studienerfolg insgesamt sehr wichtig und wesentlich bedeutsamer als z.B. der demographische Hintergrund der Studierenden. Dies führte zu der Frage, wie man die Studierenden im Hinblick auf die Entwicklung und Beibehaltung eines solchen positiven Lernverhaltens unterstützen und Lernumgebungen schaffen könne, die für Konzentration und Konstanz beim Lernen förderlich seien. Hierzu legte Schulmeister dar, dass insoweit besonders gute Erfahrungen damit gemacht worden seien, Module nicht wie sonst üblich das ganze Semester über nebeneinander her laufen zu lassen, sondern diese jeweils zu blocken. Dies ermögliche die volle Konzentration auf ein Thema inklusive Selbststudienphasen und anschließender Prüfung http://www.jura.uni-hamburg.de/lehre/universitaetskolleg/ueb erblick/ (Stand jeweils 1.9.2013).

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und verhindere die dauernde Konkurrenz zwischen verschiedenen Modulen. In Testläufen habe dieses Vorgehen uneingeschränkt positive Effekte gezeitigt, insbesondere zu besseren Noten und niedrigeren Durchfallquoten geführt; die Resonanz bei den Studierenden sei ebenfalls einhellig positiv gewesen; in späteren Überprüfungen habe sich das erworbene Wissen auch als nachhaltig erwiesen. Die breitere Etablierung einer solchen Studienorganisation wurde somit von Schulmeister befürwortet, was auch im Plenum überwiegend auf Zustimmung traf. 2. Wer sind unsere Studierenden? Erwartungen, Motivation und Lernverhalten – Dr. Lena Stadler und Jun.-Prof. Dr. Roland Broemel, Universität Hamburg Im Anschluss warfen Stadler und Broemel die Frage auf: „Wer sind unsere Studierenden?“.6 Im Rahmen des Projekts „Selbstorganisation und Lernstrategien“ an der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg war zur Annäherung an diese Frage im Wintersemester 2012/13 eine umfangreiche Studierendenbefragung unter Jurastudierenden der Anfangssemester durchgeführt worden. Deren Ergebnisse wurden zunächst von Stadler erläutert, wobei einen Schwerpunkt auch hier insbesondere die Aspekte des Lernverhaltens bildeten. Es habe sich durchaus ein gewisser Zusammenhang zwischen Schwierigkeiten zu Beginn des Studiums und späterer Studienleistung herauskristallisiert, was die besondere Wichtigkeit der Organisation der Studieneingangsphase unterstreiche. Als besondere Probleme würden hierbei von den Studierenden neben den Inhalten und der Methodik vor allem die Entwicklung eines sinnvollen Lernverhaltens und einer effektiven Selbstorganisation wahrgenommen. Nicht zu unterschätzen seien bei alledem auch Schwierigkeiten im Hinblick auf die im Jurastudium erforderliche besondere Sprachkompetenz. Beim Lernverhalten selbst hätten sich bereits zu diesem Zeitpunkt des Studiums verschiedene Lerntypen herauskristallisiert, die unterschiedlich gut mit den Anforderungen der Studieneingangsphase zurechtkämen. Sogenannte Tiefenlerner, denen es besonderes um ein kritisches Prüfen des zu erlernenden Stoffes gehe, sowie strategische Lerner, die eine hohe Anstrengungsbereitschaft mitbrächten, seien erfolgreicher als „Oberflächenlerner“. Broemel thematisierte sodann mögliche Folgerungen aus diesen Ergebnissen. So müsse überlegt werden, wie man auch als Universität die Sprachkompetenz der Studierenden fördern könne. Neben separaten Angeboten sei dabei zu befürworten, die Sprachkompetenz auch in vorhandenen Lehrveranstaltungen mit zu schulen. Im Hinblick auf den Umstand, dass insbesondere Tiefenlerner im Jurastudium im Vorteil seien, erscheine es sinnvoll, Ansatzpunkte für Tiefenlernen im Studium zu betonen, welche im Darstellen von Strukturen und Argumentationsverläufen, aber gerade auch bei Grundlagen zu finden seien. Dem6

Vortragsfolien unter http://www.jura.uni-hamburg.de/public/zerf/tagung_2013/do wnloads/02_stadler_broemel-wer_sind_unsere_studierenden. pdf (Stand 1.9.2013).

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entsprechend sollten Grundlagenfragen in andere Veranstaltungen integriert werden. Um die Strategiefähigkeit der Studierenden zu fördern, sei es zudem wichtig, auch explizit Lerntechniken und verschiedene Lerntypen vorzustellen und diese ggf. zu beeinflussen. Zu letzterem Punkt wurde aus dem Plenum angemerkt, dass eine Person je nach Zusammenhang einen unterschiedlichen Lerntyp verkörpern könne. Das Thema Sprachkompetenz wurde auch von anderen Teilnehmern als relevante Schwierigkeit gesehen, für die sich auch die Hochschulen zuständig fühlen müssten. IV. Block 2: Internationale Perspektiven Im zweiten Block wurden sodann internationale Perspektiven auf die Studieneingangsphase in den Blick genommen. 1. Engaging First-Year Law Students by Treating Them Like Colleagues – Prof. Michael H. Schwartz, Co-Director Institute for Law Teaching and Learning, Washburn University School of Law, Topeka, USA Zu Beginn dieses Blocks erläuterte Schwartz von der Washburn University School of Law in Topeka/USA die Wichtigkeit der Erwartungen der Lehrenden für Selbstvertrauen und Lernerfolg der Studierenden gerade in der ersten Phase des Studiums. Die Erwartungen der Lehrenden an die Studierenden hätten einen sehr großen Einfluss auf deren Studienverhalten und -leistungen. Trete man den Studienanfängern mit positiven Erwartungen entgegen, stellten sich bessere Lernerfolge ein. Wenn man die Studierenden herausfordere, ihnen aber auch vermittele, dass sie die Herausforderung gut bewältigen könnten, entwickelten diese mehr Selbstvertrauen in Bezug auf das Studium und „glaubten an sich“. Dabei sei es am besten und erfolgversprechendsten, die Studierenden vom ersten Tag an wie Fachkollegen zu behandeln und ihnen unbedingten Respekt entgegenzubringen. Fragen solle man stets ernst nehmen und ernsthaft beantworten, sowie von den Studierenden „das Beste erwarten“. Um in einer solchen Weise individuell unterrichten zu können, müsse man beim Stoff eine Auswahl treffen; hieran solle man die Studierenden unbedingt ebenfalls beteiligen. Außerdem könne man die Studierenden ihrerseits Rückblicke auf die vorherige Stunde vorbereiten und halten lassen, statt dies als Dozent selbst zu übernehmen. Sehr wichtig sei ohnehin, die Studierenden im Unterricht sowohl vor dem Plenum als auch untereinander zum Sprechen zu bringen. Sie benötigen aber auch Zeit, um selbst den Stoff gezielt für sich durch Lesen aufzubereiten. Man solle die Studierenden regelmäßig nach ihren eigenen Zielen befragen und sie ermutigen, unterschiedliche Perspektiven einzunehmen. Sehr hilfreich für eine individuelle und bestärkende Ansprache sei es, die Namen der Studierenden zu behalten und zu verwenden, sie aber auch direkt als „Kollegen“ anzusprechen. Die Ausführungen von Schwartz wurden vom Plenum einhellig zustimmend aufgenommen und mit eigenen Beispielen angereichert. Ein möglichst kollegialer Umgang mit den Studierenden, um diese ernst zu nehmen und zu motivieren, wurde weithin befürwortet.

2. Wenn der Studienanfang schon beinahe das Ende ist – das schnelle Jurastudium in Großbritannien – Dipl.-Jur. Christopher Bisping, LL.M., PGCHE FHEA, Assistant Professor of Law, University of Warwick, GB Sodann berichtete Bisping, der selbst als Assistant Professor of Law in Großbritannien unterrichtet, über das dortige schnelle Jurastudium.7 Er führte aus, dass die akademischen Ausbildungen mit dem Ziel, in Großbritannien Barrister (Prozessanwalt) oder Solicitor (zuständig für Beratung/Gestaltung) zu werden, jeweils nur drei Jahre dauerten. Ursprünglich habe Jura in Großbritannien schon gar kein akademisches Fach dargestellt. Die heutige juristische Ausbildung zeichne sich dadurch aus, dass es relativ wenige „große“ Prüfungen gebe. Im akademischen Teil der Ausbildung gebe es vor allem „Überblickskurse“ mit einem aus deutscher Sicht relativ „dünnen“ Programm. Ziel sei insbesondere, Grundlagen des rechtlichen Wissens zu legen („Foundations auf Legal Knowledge“); gefordert werde ein eher „generelles Wissen“. Dabei sei der zwingende Stoff auf ein Mindestmaß reduziert worden, erheblicher Wert werde auf ein ergänzendes Selbststudium gelegt. Im ersten Jahr erhielten die Studierenden jeweils einen eigenen Mentor („Personal Tutor“). Vor jeder relevanten Klausur gebe es zunächst „Feedback“ in Form von Probeklausuren oder Ähnlichem. Bei alledem sei das Fachstudium eingebettet in Kurse, die den Studierenden das allgemeine und besondere „Handwerkszeug“ für das Studieren und das juristische Arbeiten vermitteln sollten („Study skills“, „Legal skills“). Der Erwerb dieser allgemeinen Fähigkeiten werde für ausgesprochen wichtig gehalten. Bisping fügte an, dass die Gegenüberstellung dieses durchaus erfolgreichen Modells mit der deutschen Vorgehensweise die Frage aufwerfe, ob nicht das hiesige Jurastudium unter einer gewissen Überfrachtung des Stoffes leide. Zu dieser Überlegung gab es aus dem Plenum zustimmende Bemerkungen. 3. Die Studieneingangsphase in der Schweiz – Herausforderungen und Chancen – Prof. Dr. Andreas Thier, Universität Zürich Als nächstes lenkte Thier von der Universität Zürich die Aufmerksamkeit auf Besonderheiten der Studieneingangsphase in der Schweiz.8 Interessant sei hierbei als Prämisse, dass es in der Schweiz zu einer konsequenten Umsetzung des BolognaProzesses auch für das Jurastudium – unter Einbeziehung der Universitäten – gekommen sei.

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Vortragsfolien unter http://www.jura.uni-hamburg.de/public/zerf/tagung_2013/do wnloads/04_bisping-das_schnelle_jurastudium_in_grossbrita nnien.pdf (Stand 1.9.2013). 8 Vortragsfolien unter http://www.jura.uni-hamburg.de/public/zerf/tagung_2013/do wnloads/05_thier-die_studieneingangsphase_in_der_schweiz. pdf (Stand 1.9.2013).

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Tagungsbericht: „Studieneingangsphase in der Rechtswissenschaft“ Für den Ablauf des neu strukturierten rechtswissenschaftlichen Studiums in der Schweiz sei demnach zunächst charakteristisch, dass es nicht den einen „großen Schrecken“ Staatsexamen gebe, sondern laufend kleinere Modulprüfungen. Ziel und Leitbild der Ausbildung sei nicht wie in Deutschland der Richter, sondern das „Anwaltspatent“. Auf der Masterebene gebe es dabei große Gestaltungsspielräume der einzelnen Universitäten. In der Studieneingangsphase werde für entscheidend gehalten, dass die Studierenden Grundkenntnisse für das weitere Studium erlangten, aber auch deren „Studierbefähigung“ ermittelt werde, so dass dieser Phase ein gewisser Testcharakter zukomme. Vermittelt würden insbesondere juristische Arbeitstechniken, Kenntnisse im Grundlagenbereich sowie Grundkenntnisse in den einzelnen Rechtsgebieten. Zum Ende des Studienjahres folgten Prüfungen; nur wenn die Studieneingangsphase insoweit „bestanden“ worden sei, könne das Studium fortgesetzt werden. Als Konsequenz habe sich in der Schweiz eine starke „Verschulung“ in der sensiblen Phase des Studienbeginns entwickelt. Diese habe zwar einen Sicherheitsgewinn, aber eben auch einen Freiheitsverlust mit sich gebracht. Insgesamt sprach sich Thier aber für eine solche „Assessmentstufe“ aus, da hierdurch für das weitere Studium die Studierfähigkeit der verbleibenden Studierenden sichergestellt werde. Dabei sei es für eine sinnvolle Ausgestaltung dieser Stufe notwendig, Lerninhalte zu reduzieren und die Grundlagen und allgemeinen Lernkompetenzen zu betonen. Besondere Chancen böten die frühe Rückmeldung an die Studierenden sowie insgesamt eine Aufwertung von Fähigkeiten wie Reflexionskompetenz. Eine Herausforderung liege u.a. in der hohen Prüfungsdichte und darin, gerade bei der Auswahl der Inhalte laufend nachzujustieren. In der Diskussion kristallisierte sich als Kritikpunkt heraus, dass das von Thier geschilderte Vorgehen zu einer frühen „Selektion“ der Studierenden führe; dies sei vor allem deshalb problematisch, weil unsicher sei, ob die jetzigen Prüfungsformate gut darauf zugeschnitten seien, die tatsächliche Eignung für das Fach festzustellen.9 Thier entgegnete darauf, dass dies durchaus zutreffe und man in der Tat nicht sicher wissen könne, wer für das Fach „richtig“ sei; allerdings stehe man vor dem Problem, der „Herausforderung der Masse“ zu begegnen und dafür eine gewisse Vorsortierung vornehmen zu müssen. V. Block 3: Interdisziplinäre Perspektive auf die Studieneingangsphase In der nächsten Tagungsrunde stand die wichtige Einbeziehung einer interdisziplinären Perspektive auf die Studieneingangsphase auf dem Programm.

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1. Weltcafé zur Studieneingangsphase Zum Einstieg in den neuen Themenblock hatten die Organisatoren ein Vorgehen gewählt, dass alle Tagungsteilnehmer entsprechend der didaktischen Forderung nach „Aktivierung“ der Teilnehmenden zu lebhaften Diskussionen in Kleingruppen anregte. Im Rahmen eines sogenannten „Weltcafés“ zur Studieneingangsphase waren in zwei Räumen jeweils mehrere „Diskussionstische“ zu verschiedenen Themen rund um die Studieneingangsphase vorbereitet worden. Zu auf den Tischen vermerkten Fragestellungen wie „Bedeutung und Einbindung der Grundlagenfächer in den ersten Semestern“ oder „Wie kann in den ersten beiden Semestern Praxisbezug eingebunden werden?“ kamen jeweils bis zu sechs Teilnehmer an einem Tisch für ca. 15 Minuten ins Gespräch. Wichtige Gedanken und Statements wurden auf der dafür vorbereiteten „Tischdecke“ kurz aufgeschrieben. Nach Ablauf der 15 Minuten wurden die Tische gewechselt, so dass alle Teilnehmer mehrere Fragen in unterschiedlicher Besetzung erörtern konnten. An den einzelnen Tischen entwickelten sich höchst lebhafte Diskussionen, so dass es teilweise schwerfiel, die Erörterung am gerade aktuellen Tisch nach Ablauf der 15 Minuten zu einem vorläufigen Abschluss zu bringen und „in time“ an den nächsten Tisch zu wechseln. Die mit zahlreichen Diskussionsbeiträgen gefüllten „Tischdecken“ wurden am zweiten Tagungstag als „Wandzeitung“ an den Wänden des Tagungssaales präsentiert, so dass man sich „im Vorbeigehen“ einen interessanten Überblick über die Überlegungen und Lösungsansätze der verschiedenen Gruppen zu den Fragestellungen verschaffen konnte. Die Tagungsveranstalter planen, die Diskussionsergebnisse des „Weltcafés“ auch in den Tagungsband mit aufzunehmen. 2. Wolfgang Schüttes „Einübung des juristischen Denkens“ im Spiegel des Denkens über die juristische Einübung. Eine Re-Lektüre nach 30 Jahren – Dipl.-Jur. Anja Rudek, B. A., Fernuniversität Hagen Anschließend fand man sich zum Vortrag von Rudek wieder im gemeinsamen Tagungssaal zusammen. Ihr Thema war ein neuer Blick aus der heutigen Perspektive auf das 1982 erschienene Werk von Wolfgang Schütte „Die Einübung des juristischen Denkens“.10 In diesem Zusammenhang erläuterte Rudek zunächst den Hintergrund, vor dem dieses Buch erschien, sowie seine wesentlichen Thesen. Zum damaligen Zeitpunkt, Anfang der 1980er Jahre, sei gerade ein „frischer Wind“ durch die juristischen Fakultäten in Deutschland geweht. Insbesondere sei hervorgehoben worden, dass Juristen sich auch ihrer Rolle bewusst werden müssten, was insbesondere durch alternative Ausbildungsformen und die Einbeziehung sozialwissenschaftlicher Inhalte erreicht werden sollte. Bisherige Juristen seien in diesem Zu10

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Vgl. hierzu auch die Überlegungen auf der Vorjahrestagung „Prüfen auf dem Prüfstand“; siehe dazu http://www.jura.uni-hamburg.de/rechtsdidaktik/jahrestagung2012/ (Stand 1.9.2013).

Schütte, Die Einübung des juristischen Denkens – Juristenausbildung als Sozialisationsprozess, 1982; Vortragsfolien zum Vortrag von Anja Rudek unter http://www.jura.uni-hamburg.de/public/zerf/tagung_2013/do wnloads/06_rudek-einuebung_des_juristischen_denkens.pdf (Stand 1.9.2013).

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sammenhang von nicht wenigen als tendenziell elitär, konservativ und abgeschottet kritisiert worden. Vor dem Hintergrund solcher Entwicklungen und Kritikpunkte habe Schütte in seinem Werk negative Effekte des Erlernens des juristischen Denkens herausgearbeitet. Der „juristische Fachhabitus“ beinhalte eine „Verdinglichung“ sozialer Realität und führe dabei zu „speziellen Realitätskonstruktionen“ und der künstlichen Herstellung einer „scheinbaren Wirklichkeit“. Zur Lösung von Rechtsfällen werde ein „binärer Code“ erlernt, der nach der Einordnung in Kategorien wie „wahr/falsch“ oder h.M./a.A. strebe. Insgesamt wiesen die Juristen nach Schütte wenig Rollendistanz auf, sondern im Gegenteil eher eine pathologische Überidentifikation mit ihrer Berufsrolle, die zu einer „rein technischen Normanwendung“ und zum Abbau von Empathie führe. Hieran schloss Rudek die Frage an, wie es sich im Hinblick auf solche Vorwürfe mit der heutigen Juristenausbildung verhalte. Immerhin habe es in den letzten Jahren verschiedene Reformen der Ausbildung gegeben, der Diskurs um die juristische Ausbildung sei insgesamt recht lebhaft, insbesondere würden pädagogische und lernpsychologische Fragestellungen in den Fokus gerückt und z.B. – wie auch in Hamburg – Rechtsdidaktikzentren an den juristischen Fakultäten gegründet. Hiermit reagierten die Fakultäten bis zu einem gewissen Grad auch auf einen äußeren Anpassungsdruck, ihren Studierenden mit modernen Lehrmethoden eine „moderne“ Rechtswissenschaft zu vermitteln. Dennoch bleibe die Überlegung, ob der juristische Lernprozess als solcher heute wirklich intensiver als früher reflektiert werden könne. Dies erscheint nach Meinung Rudeks fraglich, da hierfür auch heute kein institutioneller Raum zur Verfügung stehe und es weiterhin in erster Linie zu einer „Reproduktion des Systems“ komme. Als weiterführende Überlegungen gerade im Hinblick auf die Studieneingangsphase fügte Rudek an, dass man mehr Gewicht auf ein „Professionswissen“ der Studierenden z.B. zu Berufsethik und Berufsgeschichte legen sollte. Auch eine Einübung reflexiven Denkens sei wichtig. Solchen Themen könne man in der Studieneingangsphase z.B. durch mobile Studientage oder auch Veranstaltungen zu Schüttes Buch mehr Geltung verschaffen. All dies könne dazu beitragen, die Studierenden bei einer sinnvollen Juristwerdung zu unterstützen. Die Überlegungen von Rudek trafen auf viel Zustimmung im Plenum; ergänzend wurde z.B. vorgeschlagen, die Einübung alternativer Konfliktlösung im Studium stärker zu betonen und mehr Wert auch auf das Berufsbild des „Gestaltungsjuristen“ zu legen. 3. „Juristische Bildung“ anders denken – Anregungen aus der (post)modernen Bildungstheorie und Hochschuldidaktik – Ass. iur. Nora Rzadkowski, Universität Hamburg Dem folgte der Vortrag von Rzadkowski mit der zentralen Frage, was „Juristische Bildung“ eigentlich bedeute. Hierfür könnten Anregungen durchaus auch aus der (post)modernen Bildungstheorie entnommen werden. Ein wichtiger Aspekt sei hierbei z.B. der Ansatz, den wissenschaftlichen Diskurs mit dem Alltagsdiskurs zu einem neuen Diskurs zu verbinden. Hieraus könne auch eine innovative Diskurserweiterung im

Bereich des Studiums der Rechtswissenschaft hergeleitet werden. Für die Aufbereitung der Bildungsinhalte im juristischen Studium ergebe sich hieraus insbesondere, dass eine Stoffreduktion sinnvoll sei, damit in die Tiefe gelernt und ein „Verständigungswissen“ erworben werden könne. Auch eine stärkere Betonung des Wissens um Forschungsmethoden und -prozesse könne hiermit verbunden werden. Ziel müsse sein, mehr Möglichkeiten für ein „Tiefenlernen“ zu schaffen und die Stofffülle dafür schon in den Ausbildungsgesetzen zu reduzieren. An diesem Punkt könne auch die fachdidaktische Forschung weiter ansetzen, um solche Möglichkeiten für die Rechtswissenschaft zu identifizieren und in Lehrveranstaltungen zu konkretisieren. Die Überlegungen von Rzadkowski erhielten aus dem Plenum breite Zustimmung, auch mit dem Hinweis, dass solche Überlegungen eigentlich überfällig seien. Allerdings wurde auch angemerkt, dass die praktische Umsetzung schwierig sein dürfte, da man hier wiederum gegen viele Widerstände werde ankämpfen müssen. VI. Block 4: Die Studieneingangsphase gestalten Am zweiten Tagungstag wurde zunächst im vierten Block der Frage nachgegangen, welche Elemente und Vorgehensweisen eine für das weitere Studium günstige Gestaltung der Studieneingangsphase fördern könnten. 1. Grundlagen grundlegen – Funktion und Grenzen einer grundlagenorientierten Studieneingangsphase – PD Dr. Julian Krüper, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf Zum Start in diesen Block befasste sich Krüper mit der Funktion, aber auch den Grenzen eines deutlichen Grundlagenbezugs im juristischen Studium. Dabei merkte er zunächst an, dass es traditionell im Hinblick auf das Jurastudium die Tendenz gebe, eine starke Grundlagenorientierung als praxisfern und damit unvorteilhaft anzusehen. Die Dogmatik werde gegenüber den Grundlagen betont, um – orientiert an einer idealtypischen juristischen Berufspraxis – „praxistaugliche“ Absolventen zu erhalten. Dabei werde die Falllösung als Kognitionsstil in den Vordergrund gestellt, orientiert an der auch bereits von Rudek in ihrem Vortrag vom Vortag11 thematisierten Binärstruktur „rechtmäßig/rechtswidrig“. Damit werde ein bestimmter Denktypus gefördert und gleichzeitig die Berücksichtigung von Grundlagen zurückgedrängt, die dadurch verbreitet den Ruf erwürben, für das Studium „unnötig“ zu sein. Dem stellte Krüper den Umstand gegenüber, dass Dogmatik ja auch eine Kritik- und Fortbildungsfunktion habe, was voraussetze, dass man die Relativität juristischer Erkenntnis begreife. Gerade hierbei leisteten die Grundlagen aber einen entscheidenden Beitrag, indem sie Distanz, das „Abstandnehmen vom Gesetz“, förderten. Dies gelte sowohl z.B. für die Methodenlehre als auch für rechtsphilosophische oder rechtshistorische Fragen. Somit könne festgehalten werden, dass die Praxis die Grundlagen sehr wohl benötige.

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Siehe dazu oben unter V. 2.

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Tagungsbericht: „Studieneingangsphase in der Rechtswissenschaft“ Krüper zog daraus den Schluss, dass bereits in der Studieneingangsphase die Verbindung von Dogmatik und Grundlagen klargestellt und eine „kognitive Monokultur“ verhindert werden müsse. Eine besondere Schwierigkeit liege dabei in der bereits zu Studienbeginn einsetzenden Fokussierung auf das spätere Examen. Hierdurch entstehe eine „Legitimation des Studiums vom Ende her“, die zum Abdrängen der Grundlagen in die Anfangssemester führe. Den Grundlagen werde hierbei eine „Verzögerungsfunktion“ im Hinblick auf einen möglichst effektiven Weg zum Examen unterstellt, sie stünden der „Effizienzlogik“ im Weg. Als Gegenbewegung sollte man, so Krüper, die Studieneingangsphase als „ganzheitliches System“ zurückgewinnen und ein „Integrationsmodell“ anstreben. Um Grundlagenkompetenz zu erwerben, sei idealerweise bereits ein gewisses dogmatisches Vorwissen nötig. Deshalb seien reine Grundlagenveranstaltungen in der Studieneingangsphase weniger sinnvoll, vielmehr sollten dogmatische Inhalte und Grundlagenbezüge gemeinsam in Veranstaltungen integriert werden. Insoweit sei eine planmäßige Reduktion von dogmatischen Inhalten anzustreben, um Raum für Grundlageninhalte zu schaffen. Dies solle am besten auch durch eine Prüfungsintegration des Grundlagenwissens erfolgen. Dabei sei es wünschenswert, nicht nur in der Studieneingangsphase, sondern auch in der Kernphase des Studiums ein Grundlagenfach vertiefen zu lassen und dies eventuell auch mit einem Scheinerwerb zu diesem Zeitpunkt zu verbinden. Die Vorschläge von Krüper trafen im Plenum auf viel Zustimmung, die jetzige Situation mit Grundlagenveranstaltungen und dem „Erschlagen“ des entsprechenden Scheines nur in der Studieneingangsphase wurde von vielen Teilnehmern als nicht ideal und veränderungsbedürftig angesehen. 2. Praktische Studienzeiten als Gelegenheit zu wissenschaftlicher Reflektion und forschendem Lernen – Dr. Silvia PerniceWarnke, L.L.M., Universität zu Köln Im Anschluss stellte Pernice-Warnke das Projekt einer „Strukturierten Praktikumsbetreuung“ der juristischen Fakultät der Universität Köln vor. Dieses Projekt werde bereits seit 2010 in die praktische Studienzeit integriert. Bereits vor Praktikumsbeginn gebe es im Rahmen des Projekts einen Workshop für die Studierenden; auch die Ausbilder würden einbezogen und ausführlich informiert. Die Studierenden würden dann während des Praktikums ein Praktikumstagebuch führen oder einen Praktikumsbericht anfertigen, könnten hierfür jeweils einen Schein erhalten und dies eventuell sogar zur Bachelor-Arbeit ausbauen. Die Rückmeldung zu diesem Projekt sei sowohl von Ausbildern als auch von Studierenden sehr positiv. Im Rahmen der Betreuung der Studierenden werde Wert darauf gelegt, dass diese auch Anleitung zu wissenschaftlicher Arbeit erhielten; zudem könne das Projekt sehr gut zum forschenden Lernen genutzt werden. Der Wissenserwerb im beruflichen Umfeld und die soziale Einbindung könnten die Motivation der Studierenden steigern, und sie erhielten lernförderliche Rückmeldungen. Pernice-Warnke hielt fest, dass das Projekt insgesamt dazu führe, dass die Studierenden in

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mehrfacher Hinsicht stärker vom Praktikum profitierten als ohne eine solche zusätzliche strukturierte Betreuung. 3. „Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne …“ – Praktischtheoretische Gedanken zu einer „Erstsemesterdidaktik“ – Rechtsanwalt und Mediator Dr. Arnd-Christian Kulow, Lehrbeauftragter, Stuttgart Kulow stellte in seinem Vortrag die Frage nach Notwendigkeit und Ausprägung einer speziellen „Erstsemesterdidaktik“. Dazu merkte er zunächst an, dass er selbst unter anderem Nichtjuristen zu juristischen Fragen unterrichte, was sozusagen mit einer „permanenten Studieneingangsphase“ vergleichbar sei. Vor dieser Prämisse griff Kulow zunächst auf grundsätzliche Überlegungen zur Theorie der Rechtsdidaktik zurück, wobei er insbesondere auch (lern-)psychologische Aspekte mit einbezog. Vor dem Hintergrund kognitionspsychologischer und neurobiologischer Erkenntnisse müsse das Gehirn beim Erlernen juristischer Inhalte eine Integrationsleistung vollbringen. Diese gehe am besten multiperspektivisch vor sich, das Lernen solle dabei möglichst flexibel und praktikabel gestaltet sein. Nach den Erkenntnissen der Hirnforschung hätten die verschiedenen Hirnbereiche komplementäre Bedürfnisse, wobei sich insbesondere die Bedürfnisse nach Geborgenheit einerseits und Wachstum andererseits gegenüberstünden. Dies gelte auch und gerade für Studienanfänger. Diese bräuchten für die „Geborgenheit“ beim Start ins Studium Beziehungsangebote, während sich Faktoren wie z.B. frühe Examensangst negativ auswirkten. Insoweit müssten die Universitäten ihre Angebote für Studienanfänger kritisch daraufhin prüfen, ob sie bei den Studierenden möglichst wenig Stress, dafür aber ein Kohärenzgefühl erzeugten. Dabei seien Faktoren wie Verstehbarkeit, Handhabbarkeit und Bedeutsamkeit ausgesprochen wichtig. Gerade an letzterem Punkt (Bedeutsamkeit, „Sinnebene“) hielten sich die Universitäten bisher eher zurück. Kulow betonte weiter, dass es sich bei der Lehr-/Lernsituation um ein Sozialsystem handele, in dem man am ehesten von Kommunikationsangebot und -annahme, nicht von einem Sender-/Empfänger-Modell ausgehen solle. Dazu gehöre auch ein sinnvoller Umgang mit Fachsprache und ein Reflektieren darüber, wie suggestiv diese nicht selten sei (z.B. „Rechtsverletzung“; „Heilung eines Verwaltungsaktes“). All diese Dinge müssten sorgfältig bedacht und hinterfragt werden, um eine für Erstsemester positive und lernfreundliche Umgebung zu schaffen. 4. Werkstattberichte und Projektvorstellungen Veranlasst durch den Umstand, dass zahlreiche im Hinblick auf die Frage der Gestaltung der Studieneingangsphase sehr interessante Projekte im Vorfeld der Tagung an die Veranstalter herangetragen worden waren, hatten sich diese entschlossen, im folgenden Teil von Block 4 das Programm „zweispurig“ laufen zu lassen. Das hatte den Vorteil, dass durch die jeweils parallele Terminierung zweier Vorträge in zwei verschiedenen Räumen doppelt so viele (sechs statt nur drei) Projekte vorgestellt werden konnten. Die Kehrseite dessen war natürlich, dass alle Teilnehmer sich für jeweils einen

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der beiden parallel laufenden Vorträge entscheiden mussten, was angesichts der durchweg ausgesprochen interessant klingenden Projekte vielen nicht leichtgefallen sein dürfte. a) „Spur 1“ Die Vorträge der ersten Spur, die von Dr. Mareike Schmidt, LL.M., moderiert wurde, begannen mit dem Bericht von Rechtsanwältin Barbara Lange, LL.M., aus München über zwei Veranstaltungen, die an mehreren Universitäten bereits seit einiger Zeit durchgeführt werden.12 Ausgehend von der zentralen Überlegung, dass der Erwerb allgemeiner und fachbezogener Studierkompetenzen für die Studierenden der Anfangssemester ausgesprochen wichtig sei, diese Kompetenzen von Seiten der Lehrenden aber auch möglichst adäquat vermittelt werden sollten, gebe es insoweit Veranstaltungen sowohl zum „Jura studieren lernen“ als auch zum „Jura studieren lehren“. So werde einerseits für die Studierenden als Blockveranstaltung ein gezieltes Kompetenztraining angeboten, das mit Übungen z.B. zum wissenschaftlichen Arbeiten, zum kreativen Problemlösen und zur interessengerechten Bearbeitung juristischer Sachverhalte den Erwerb von Studierkompetenzen gezielt fördere. Andererseits würden im Workshop „Gutes Lernen und Lehren“ die Dozenten, insbesondere die Leiter von (Anfänger-)Arbeitsgemeinschaften, geschult. Dabei solle deutlich gemacht werden, wie die Lehrenden den Jurastudierenden auch im Rahmen der eigentlich fachlich orientierten Veranstaltungen Wege des sinnvollen Studierens aufzeigen könnten. Auf diese Weise könnten die Lehrenden für ihre Aufgabe, auch das „Jura studieren lernen zu lehren“, sensibilisiert werden. Als nächstes stellen Vanessa Jäger und Julia Speierer von der Universität Regensburg spezielle Angebote für Studienanfänger an der Universität Regensburg durch das dortige Ausbildungszentrum „REGINA“ (Regensburger individuelles und nachhaltiges Ausbildungszentrum) vor.13 Um von Beginn an eine sinnvolle Herangehensweise im Hinblick auf Selbstorganisation, Bewältigung der Stoffmenge, wissenschaftliches Arbeiten und Prüfungsanforderungen zu fördern, würden die Studierenden durch individuelle Hilfestellung in Kleingruppen unterstützt. Diese erfolgten nach der Methode „WahrnehmenAustauschen-Üben“. Beim Wahrnehmen gehe es insbesondere um Feedback und Selbstreflexion, beim Austauschen darum, Erfahrungen und individuelle Lernziele der Studierenden in die Kurse zu integrieren. Zum Zweck des Übens würden alle Studierenden aktiv in die Veranstaltungen eingebunden und dadurch motiviert und aktiviert sowie ein selbstgesteuertes Lernverhalten gefördert. Den Abschluss dieser ersten „Trilogie“ bildete der Werkstattbericht zum „Juristischen Kompetenztraining in der Studieneingangsphase“ an der Universität Erlangen-Nürnberg 12

Vortragsfolien hierzu unter http://www.jura.uni-hamburg.de/public/zerf/tagung_2013/do wnloads/11_lange-studierkompetenz.pdf (Stand 1.9.2013). 13 Vortragsfolien dazu unter http://www.jura.uni-hamburg.de/public/zerf/tagung_2013/do wnloads/12_jaeger_speierer-zielgerichtetes_und_selbstorgani siertes_lernen.ppsx (Stand 1.9.2013).

von Eva Lohse, LL.M., und Dr. Martin Zwickel.14 Auch hier sollten spezielle Veranstaltungen für Studienanfänger dafür sorgen, dass Kernkompetenzen des juristischen Arbeitens möglichst früh erworben würden. Durchgeführt werde dies in Erlangen-Nürnberg durch verschiedene, sich ergänzende Module, und zwar sowohl in Präsenzkursen als auch per E-Learning. Die Module bestünden insbesondere in einem Gutachtenund Klausurtechnikseminar sowie einer Klausurwerkstatt und Klausurenklinik. Dazu komme ein E-Learning-Kurs zum Abfassen juristischer Hausarbeiten sowie Tutorien. Das Zusammenwirken dieser verschiedenen Module solle dafür sorgen, dass insgesamt frühzeitiger Erwerb und Weiterentwicklung juristischer Kernkompetenzen möglichst individuell stattfinden könnten. b) „Spur 2“ In der zweiten Spur – Moderation: Jun.-Prof. Dr. Judith Brockmann – berichtete zunächst Prof. Dr. Arndt Schmehl von der Universität Hamburg unter dem Titel „Brücken in die Universität – Wege in die Wissenschaft“ über das dortige fakultätsübergreifende Universitätskolleg, dessen akademischer Leiter er ist.15 Ziel des Kollegs sei es, die Bildungspassage ins akademische Studium positiv zu gestalten. Gerade auch aktuell gebe es einen Mehrbedarf an studienrelevanten Kompetenzen, aber auch an allgemeiner wissenschaftlicher Bildung. Die zahlreichen Projekte, die auf einen sinnvoll verlaufenden Übergang von der Schule an die Universität, aber auch auf eine studienorganisatorisch und didaktisch gut gestaltete Studieneingangsphase hinwirkten, sollten dabei langfristig und tief in der Universitätsentwicklung verankert werden. Dabei hob Schmehl hervor, dass der skizzierte „Brückenbau“ eben auch Aufgabe der Universitäten und nicht nur der Schulen sein müsse. Das Kolleg werde im Rahmen des „Qualitätspakts Lehre“ vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über einen Zeitraum von zunächst fünf Jahren mit insgesamt 12 Millionen Euro gefördert und umfasse über 40 Projekte, die z.B. im Bereich der Studienorientierung und zielgruppenspezifischen Studienbegleitung, aber auch bei Themen wie Erlernen und Weiterentwicklung wissenschaftlichen Arbeitens angesiedelt seien. Eine besondere Herausforderung stelle dabei das „Governance-Problem“ dar; es gebe viele Beteiligte in vielen verschiedenen Bausteinen, erreicht werden müsse eine Verstetigung der Projekte auch über die Dauer von fünf Jahren hinaus; es werde angestrebt, eine „Entwicklung des Bleibenden“ zu implementieren. Sodann erläuterte Prof. Dr. Hans Paul Prümm von der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin den dortigen 14

Vortragsfolien hierzu unter http://www.jura.uni-hamburg.de/public/zerf/tagung_2013/do wnloads/13_lohse_zwickel-juristisches_kompetenztraining.p df (Stand 1.9.2013). 15 Vortragsfolien dazu unter http://www.jura.uni-hamburg.de/public/zerf/tagung_2013/do wnloads/14_schmehl-universitaetskolleg.pdf (Stand 1.9.2013); vgl. auch http://www.universitaetskolleg.de/de/ueber-uns/woran-wirarbeiten.html (Stand 1.9.2013).

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Tagungsbericht: „Studieneingangsphase in der Rechtswissenschaft“ Kurs für Studienanfänger „Einführung in die Rechtswissenschaft und das wissenschaftliche Arbeiten“ im Rahmen des Ius-Studienganges.16 Dieser Kurs führe die Studierenden insbesondere in das hochschulische Umfeld, Inhalte und Ablauf des Studienganges und der damit verbundenen Prüfungen sowie in das akademische Lernen ein. Auch das System der Rechtswissenschaften, die juristische Methodik sowie die Techniken des wissenschaftlichen Arbeitens würden erläutert und trainiert. Dabei werde besonderer Wert auf eine Aktivierung der Studierenden während des gesamten Kursverlaufs gelegt. Insgesamt könne ein solcher Kurs dazu beitragen, Ängste und Unsicherheiten der Studienanfänger hinsichtlich der für sie zunächst neuen und fremden Anforderungen von Anfang an abzubauen. Zum Abschluss befasste sich Prof. Dr. Tomas Kuhn von der Universität Passau mit Überlegungen dazu, auf welche Weise man in Anfängerübungen Problembewusstsein und Argumentationsvermögen der Studierenden konkret fördern kann.17 Hier sei z.B. wichtig, genau zu überlegen, welche Fragen man den Studierenden stellen könne, ohne bereits zu suggestiv vorzugehen und die Überlegungen der Studierenden damit einzuengen. Weiter sei zu überlegen, wie man durch bestimmte Fragen oder auch bestimmte Reaktionen auf Antworten der Studierenden deren Argumentationsvermögen fördern könne. Dies erläuterte Kuhn dann auch anschaulich an konkreten Beispielen, insbesondere aus dem Zivilrecht. VII. Block 5: Ausblick und Abschluss 1. Abschlussdiskussion Hauptelement des Abschlussteiles der Tagung war eine lebhaft geführte Abschlussdiskussion. Moderiert wurde die Diskussion von Tagungs-Mitveranstalterin Brockmann. Diese wandte sich zunächst an die vier Referenten und Tagungsteilnehmer, die auf dem Podium Platz genommen hatten. Insbesondere die studentische Perspektive auf die anlässlich der Tagung erörterten Überlegungen zur Gestaltung der Studieneingangsphase nahm dabei die Bonner Studentin Constanze Gütz von der Bundesvereinigung rechtswissenschaftlicher Fachschaften ein. Sie schilderte ihre Eindrücke vom Tagungsverlauf und führte dabei unter anderem aus, dass gerade die Studierenden in den Anfangssemestern sich eine möglichst individuelle Unterstützung wünschten. Wichtig sei aus studentischer Sicht auch eine gezielte Evaluation der Angebote in der Studieneingangsphase. Ebenso sei eine mögliche Stoffreduzierung ein Thema. Generell spiele es für die Studierenden eine wichtige Rolle, dass ein Gemeinschaftsgefühl entstehe und man sich an der Universität „aufgehoben“ fühle.

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Vortragsfolien hierzu unter http://www.jura.uni-hamburg.de/public/zerf/tagung_2013/do wnloads/15_pruemm-llb_einfuehrung_in_das_ius_studium.p df (Stand 1.9.2013). 17 Vortragsfolien dazu unter http://www.jura.uni-hamburg.de/public/zerf/tagung_2013/do wnloads/16_kuhn-problembewusstsein_und_argumentationsv ermoegen.pdf (Stand 1.9.2013).

ALLGEMEINES

Schwartz erinnerte daran, dass man nicht zu viele Komponenten des Studiums und Examens – möglicherweise vorschnell – als unveränderbar ansehen solle. Fragen z.B. der Stoffreduzierung und auch möglicher Änderungen am Examen sollten ruhig ernsthaft thematisiert und diskutiert werden. Dies korrespondiere auch mit seinen Erfahrungen im Hinblick auf die Situation in den USA. Bisping wies darauf hin, dass die deutsche juristische Ausbildung ja durchaus Qualität hervorbringe und man auf die Ergebnisse auch stolz sein könne. Wünschenswert sei insgesamt an den Fakultäten ein gewisser Abbau von Barrieren, um den Studierenden das Gefühl von „Distanz“ zu nehmen. Anschließend nahm Krüper Bezug auf das von Schwartz Ausgeführte und stimmte zu, dass es durchaus angebracht sei, Dinge in Frage zu stellen, die bisher als „gesetzt“ gegolten hätten. Grundsätzlich müsse dabei der Blick, wie die Tagung gezeigt habe, insbesondere auf die „Innensicht“ der Lehre gelenkt werden. Insoweit sei es nicht ideal, dass Tagungen wie die jetzige bisher nur bei einem Teil der Lehrenden auf explizites Interesse träfen, während eine ganz Reihe von Lehrenden eben nicht anwesend sei. Diese Überlegungen der Podiumsrunde wurden vom Plenum engagiert aufgegriffen. So führte Wolff-Dietrich Webler aus, dass man bei der Weiterentwicklung der rechtswissenschaftlichen Fachdidaktik bedenken solle, welches „Menschenbild“ man von den Studierenden habe. Schon das Wort „Unterricht“ klinge für ihn eher nach belehrendem Frontalunterricht. Demgegenüber sei eher eine „Lerngemeinschaft“ zwischen Lehrenden und Studierenden anzustreben. Schmidt griff die Frage auf, ob das bisher oft favorisierte Vorgehen, die Vermittlung von z.B. Lern- und Studierkompetenzen neben den dogmatischen Fächern laufen zu lassen, generell sinnvoll sei oder ob nicht eine stärkere Einbindung in die Vermittlung der dogmatischen Fächer angestrebt werden solle. Bisping stimmte vom Podium aus zunächst Webler dahingehend zu, dass er sich auch eher als „Lern-Ermöglicher“ betrachte. Auf Schmidts Frage hin meinte Bisping, dass auch er eine Einbettung der Kompetenzvermittlung in die dogmatischen Fächer befürworten würde. Schwartz pflichtete ihm bei und führte aus, dass das „Lernen lernen“ im juristischen Bereich in die fachlichen Kurse integriert werden müsse. Hierzu ergänzte Frank Bleckmann, dass das bisherige Vorgehen mit den Angeboten „nebenher“ institutionellen Vorgaben geschuldet sei und insoweit ein gezieltes „Change Management“ nötig sei. Sodann wurde nochmals das von Krüper zuvor angesprochene Problem aufgegriffen, dass eine nicht unerhebliche Anzahl der Lehrenden nicht bei solchen Tagungen zur rechtswissenschaftlichen Fachdidaktik dabei sei und dieser Umstand Schwierigkeiten bei der Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse im Universitätsalltag mit sich bringen könne. Aus dem Plenum wies Schulmeister darauf hin, dass insoweit aber gerade in den letzten etwas 15 Jahren eine positive Entwicklung zu beobachten sei. Die Nachhaltigkeit der Umsetzung hochschul- und fachdidaktischer Erkenntnisse nehme zu, insbesondere da auch jüngere Leute, die sich stärker für dieses Thema interessierten, nachwüchsen. Ein Indiz für diese

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positive Entwicklung könne auch darin gesehen werden, dass z.B. hochschuldidaktische Weiterqualifikationsangebote wie der Master of Higher Education etabliert worden seien und gut angenommen würden. Diesen Ausführungen stimmte Johannes Wildt zu, der ergänzte, dass sich bei Befragungen z.B. etwa 50 % des akademischen Mittelbaus für hochschuldidaktische Fortbildungsveranstaltungen ausgesprochen hätten. Dies zeige den eindeutig positiven Verlauf in diesem Bereich. Vom Podium aus wies Studierendenvertreterin Gütz darauf hin, dass es sinnvoll wäre, in Zukunft mehr Gewicht auf Lehre und didaktische Kenntnisse bei der Berufung von Professoren zu legen. Auf den Hinweis aus dem Plenum, dass die Fachschaften solche Interessen der Studierenden verstärkt in die Universitäten hineintragen müssten, entgegnete Gütz, dass dies aktuell bereits erfolge und man sich hier auf einem guten Weg befinde. Lange stimmte den Beiträgen von Schulmeister und Wildt zu und hob hervor, dass sich die Investitionen der vergangenen Jahre gelohnt hätten und man bereits „sehr viel weiter“ sei; es treffe unbedingt zu, dass man sich hier auf einem guten Weg befinde. Dem schloss sich auch Florian Gröblinghoff an und betonte, dass ausgesprochen viele Lehrende – auch er ging hierfür nach Befragungsergebnissen von mindestens 50 % aus – die Fachdidaktik wichtig fänden. Anschließend wandte sich Moderatorin Brockmann mit der Frage an die vier Diskutanten auf dem Podium, inwieweit man hier auch die Ziele universitärer Ausbildung insgesamt mit einbeziehen müsse und welche Konsequenzen dies für die Gestaltung der Studieneingangsphase und die weitere fachdidaktische Debatte haben könne. Krüper antwortete, dass in der Tat viele Fragen der Gestaltung der Studieneingangsphase das ganze Studium beträfen. Im Hinblick auf die besondere Wichtigkeit der ersten Studienphase für das gesamte Studium bestehe bei vielen Juristen noch nicht genügend Bewusstsein, somit müsse dies unbedingt stärker verbreitet werden. Schwartz betonte, dass man für die Studieneingangsphase systematische und durchdachte Veränderungen und nicht nur Einzelprojekte voranbringen müsse. Hier bestehe die Chance, durch das Zusammenwirken sogar Teil einer internationalen Bewegung in diese Richtung zu sein. Im Hinblick auf die Möglichkeiten der Umsetzung solcher Überlegungen erinnerte Bisping an das bereits thematisierte Problem, dass bei Berufungen in Deutschland, aber auch in den meisten anderen Ländern nach wie vor die Forschung und nicht die Lehre im Mittelpunkt stehe. So sei z.B. auch in Großbritannien eine Beförderung über die Qualität der Lehre schwierig, diese stehe nicht gleichberechtigt neben der Forschung; hieran müsse gearbeitet und institutionelle Blockaden gelöst werden. Gütz ergänzte, dass man aus studentischer Sicht hier gerade auch die Prüfungsämter einbeziehen müsse, da sonst die Gefahr bestehe, dass neue didaktische Ansätze durch den zu bewältigenden Stoffberg wieder in den Hintergrund gedrängt würden. Wichtig sei auch, die neuen Angebote möglichst umfangreich zu evaluieren, um aussagekräftige Rückmeldungen der Lernenden zu erhalten.

2. Schlusswort – Prof. Dr. Dr. h. c. Johannes Wildt, Technische Universität Dortmund; Ko-Direktor des Zentrums für rechtswissenschaftliche Fachdidaktik der Universität Hamburg In seinem Schlusswort hob Wildt zunächst hervor, dass Phasen des Übergangs wie die Studieneingangsphase eben sowohl Chancen als auch Risiken erzeugten. Jedenfalls ergäben sich an diesem Punkt vielfältige Lernchancen, weil die Dinge neu betrachtet würden und sich dadurch „Fenster zum Lernen öffneten“. Dabei brächten die Studierenden, wie gesehen, eben sehr unterschiedliche Voraussetzungen mit. Hierauf müssten die Universitäten in dieser wichtigen Phase eingehen und entweder zusätzliche Dienste separat anbieten oder aber eine „Lernkultur durch Verschiedenheit“ anstreben. Dabei dürfe man sich bei seinen Angeboten eben nicht nur auf den „Durchschnittsstudierenden“ beziehen. Weiter hielt Wildt fest, dass die Studieneingangsphase die Hochschuldidaktik schon lange beschäftige, jetzt aber insbesondere ein sozialer Wandel der akademischen Bildung, deren Globalisierung sowie eine starke Vernetzung von Leben, Arbeiten und Lernen signifikante Veränderungen und damit besondere Herausforderungen mit sich brächten. Vor diesem Hintergrund sei, wie auch die Tagung gezeigt habe, eine fachliche und soziale Integration der jeweils neuen Studierenden nötig. Wie mehrfach thematisiert worden sei, werde dabei möglichst eine Einbindung der zusätzlichen Aspekte in den fachkulturellen Kontext für sinnvoll gehalten, weil der Eindruck sich verfestigt habe, dass manches „Nebenher“ zu kurz greife. Man müsse die Autonomie der Studierenden stärken, sie aber auch dabei unterstützen, sich in der neuen Umgebung erfolgreich zu verhalten und in die neue Rolle hineinzuwachsen. Hier habe die Tagung auch Spannungsfelder und möglicherweise sogar ein gewisses Paradoxon aufgezeigt, da ja einerseits eine Rollenübernahme angestrebt werden müsse, andererseits aber auch eine kritische Distanz zu dieser Rolle für wünschenswert gehalten werde. Entscheidend sei hierbei die im Lauf der Tagung auch mehrfach deutlich gewordene Ganzheitlichkeit des Prozesses; nicht nur der kognitive Leistungsanspruch an die Studierenden dürfe im Vordergrund stehen, man müsse diese vielmehr auch als Personen sehen. Insgesamt könne die Integration der Studierenden in die Fachund Wissenschaftskultur möglicherweise nicht ganz widerspruchsfrei verlaufen. Dies illustriere schon das im Verlauf der Tagung deutlich aufgezeigte Spannungsverhältnis zwischen Dogmatik einerseits und Grundlagen andererseits. Allerdings könne und sollte man solche Reibungspunkte durchaus auch als Chance begreifen. Wie die Tagung deutlich gemacht habe, eigne sich dafür eine fachintegrierte Vermittlung von Schlüsselkompetenzen und Grundlagen besser als eine von den Fachkompetenzen losgelöste, ihre Ergebnisse dürften nachhaltiger sein. Hier habe die Studieneingangsphase, wie gesehen, eine wichtige Aufgabe. Die Beiträge und Diskussionen der Tagung hätten gezeigt, dass man auf dem richtigen Weg zu einer echten Qualitätsveränderung im Hinblick auf die Studieneingangsphase sei. Man gelange von einzelnen Maßnahmen in dieser Richtung jetzt bereits zu einer systematischen Betrachtung, einer Vernetzung untereinander und einer gewissen Nachhaltigkeit der

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Tagungsbericht: „Studieneingangsphase in der Rechtswissenschaft“ Maßnahmen. Dieser strategische Prozess sei der Schlüssel für eine weitere sinnvolle Entwicklung bei der (Neu-)Gestaltung der Studieneingangsphase. Erforderlich sei das weitere Voranbringen einer Kultur-, Struktur- und Prozessveränderung. Die Tagung habe zahlreiche Anhaltspunkte dafür erbracht, dass man bei einer solchen Entwicklung bereits auf einem guten Weg sei und diesen erfolgversprechend weiter werde beschreiten können. VIII. Ausblick: Auf einem guten Weg – aber nicht auf einem leichten Die Vorträge und Diskussionen der Tagung haben deutlich gezeigt, wie die juristische Fachdidaktik auf ihrem Weg, konkrete Änderungen und Verbesserungen im juristischen Studium anzustoßen und auch umzusetzen, voranschreitet. Dabei hat man mit der Studieneingangsphase diesmal konsequenterweise den Teil des Jurastudiums in den Blick genommen, für den die Wichtigkeit eines sorgfältigen didaktischen Vorgehens kaum überschätzt werden kann. Gerade die Studienanfänger, die mit den Inhalten, Prozessen und Gepflogenheiten der Juristerei, aber auch des Studierens selbst noch nicht vertraut sind, benötigen besondere Unterstützung; ein gelungener Start ins Studium übt auch auf den weiteren Studienverlauf einen erheblichen Einfluss aus. Als wohl wichtigster Befund hat sich hierbei im Lauf der Tagung unter verschiedenen Blickwinkeln der Umstand herauskristallisiert, dass zu einem gelungenen Start in den ersten Studiensemestern sehr viel mehr gehört als die Vermittlung der dogmatischen Inhalte – und dass deshalb bisherige Vorgehensweisen weiter überdacht werden müssen. Insbesondere wurde klar, dass der Erwerb von allgemeinen Studierkompetenzen, der Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit, aber auch z.B. von Sprachkompetenz, ein zentrales Element im Rahmen der Studieneingangsphase bilden muss. Weiter zeigte sich, dass für eine erfolgreiche Gestaltung des weiteren Studiums durch die Studierenden eine Unterstützung beim Erwerb eines selbstgesteuerten und auf den Lerntyp abgestimmten Lernverhaltens, insbesondere die Förderung von Tiefenlernen, aber auch eine Reflexion über den Lernprozess angezeigt sind. In diesen Zusammenhang gehört auch, dass man schon früh die Studierenden beim Erwerb von Problembewusstsein und Argumentationsvermögen gezielt unterstützen sollte. Als bisher (zu) wenig beachteter Bereich stellten sich zudem Faktoren dar, die gar nicht unmittelbar mit dem Stoff und dem Wissenserwerb zusammenhängen, nämlich der Umstand, dass auch Kommunikationsangebote von Seiten der Universität und insbesondere der Lehrenden, positive Erwartungen an die Studierenden, eine lernfreundliche Umgebung und individuelle Unterstützung der Studienanfänger einen nicht unerheblichen Einfluss auf einen positiven Start ins Studium ausüben. Deutlich wurde auch, dass die Grundlagen zu Unrecht häufig zu Randfächern „abgedrängt“ worden sind; gerade für die als wichtig erkannten Faktoren wie Erwerb juristischer Kernkompetenzen, aber auch selbstbestimmtes und den Stoff sowie die Methoden reflektierendes Lernen dürfen Grundlagenfragen nicht ausgeblendet werden. Gerade ihre Integration

ALLGEMEINES

ermöglicht vielmehr ein besseres Verständnis beim Lernen, außerdem werden dadurch ebenfalls zu Recht als wichtig hervorgehobene Elemente wie das Erkennen der Relativität juristischer Erkenntnis und die damit verbundene Entwicklung einer gewissen Rollendistanz gefördert. All dies kann durch die Grundlagenfächer, auch das ist deutlich geworden, aber nur nachhaltig geleistet werden, wenn man sie eben nicht hauptsächlich isoliert unterrichtet, sondern möglichst oft in den Unterricht der dogmatischen Fächer mit einbaut. Dies gilt bis zu einem gewissen Grad auch für die oben angesprochene Kompetenzvermittlung, auch hier dürfte ein stärker integriertes Vorgehen förderungswürdig sein. Gerade die Werkstattberichte und Projektvorstellungen haben gezeigt, dass man bei der Umsetzung dieser Anforderungen an vielen Stellen bereits ein ganzes Stück vorangekommen ist. An zahlreichen juristischen Fakultäten werden auf die genannten Anforderungen zugeschnittene Kurse zum Erwerb von Studierkompetenzen, wissenschaftlichem Arbeiten, Lernverhalten, Argumentationsvermögen u.a. für die Studienanfänger angeboten. Dabei setzt man durchgängig auf eine gezielte Unterstützung und Hilfestellung in Kleingruppen, um die einzelnen Studierenden individuell zu fördern und damit auch Elemente einer sozialen Integration in die neue Umgebung einzubeziehen. Einen wichtigen und ausbauwürdigen Ansatz stellt dabei auch das Konzept dar, das Lernen im beruflichen Umfeld durch strukturierte Begleitung und damit insgesamt Aufwertung der praktischen Studienzeiten zu fördern. Deutlich geworden ist im Lauf der Tagung auch, dass für die wichtige Betonung von Grundlagen, den geschilderten studienbezogenen Kompetenzen sowie eine möglichst integrierte Vermittlung dieser Aspekte im Studium, gerade in der Studieneingangsphase, zusätzlicher Platz geschaffen werden muss. Somit muss auch eine gewisse Reduzierung des dogmatischen „Stoffbergs“ und eine stärkere Betonung von Überblick, generellem und exemplarischem Wissen in diesem Zusammenhang in den Blick genommen werden. Andernfalls, das wurde aus der Perspektive der Lehrenden, aber gerade auch aus der studentischen Perspektive betont, könnte eine wirkliche Umsteuerung nicht konsequent erfolgen. Somit kann festgehalten werden, dass man – wie gerade im Rahmen der Abschlussdiskussion auch mehrfach betont wurde – einerseits auf dem Weg einer fachdidaktischen Verbesserung der Studieneingangsphase bereits ein ganzes Stück vorangeschritten ist. Zahlreiche Kurse und Angebote, die auf die herausgearbeiteten Anforderungen insbesondere an den Erwerb von Studierkompetenzen zugeschnitten sind, werden an den Fakultäten angeboten, weiterentwickelt und regelmäßig evaluiert. Eine Dauerhaftigkeit und Nachhaltigkeit dieser Angebote zeichnet sich ab, auch die immer wieder geforderte Vernetzung untereinander schreitet voran. Dies zeigen neben regelmäßigen fachdidaktischen Tagungen18 auch Projekte wie 18

Vgl. z.B. Fn. 3 (jährliche Tagungsreihe in Hamburg seit 2010), Fachdidaktik-Tagungen des Instituts für Rechtsdidaktik an der Universität Passau: September 2011: „Fehler im Jurastudium – Ausbildung und Prüfung“ (vgl. http://www.jura.uni-passau.de/ird-tagung.html

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das vorgestellte Universitätskolleg und das darin eingebettete FadOS in Hamburg19 und der Umstand, dass man sich inzwischen durchaus auch international austauscht20. Auch ist deutlich auszumachen, dass unter den Lehrenden das Interesse für fachdidaktische Themen und entsprechende Fortbildungen wächst und perspektivisch eher weiter zunehmen wird, was eine positive Resonanz für zukünftige fachdidaktische Projekte erwarten lässt. Demgegenüber muss aber auch festgestellt werden, dass man sich zwar auf einem guten Weg befindet, aber auch noch eine Menge zu tun ist. Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass auf dem beschrittenen Weg für eine konsequente Fortsetzung insbesondere noch eine ganze Reihe institutioneller Hindernisse angegangen werden müssen und ein „Change Management“ etabliert werden muss. Gerade der Punkt, den Grundlagen (wieder) mehr Raum zu geben und andererseits dafür dogmatischen Stoff zu reduzieren, sowie der Einbau von Kompetenzerwerbs- und Grundlageninhalten in „klassische“ dogmatische Veranstaltungen dürfte nicht ohne weiteres umsetzbar sein, ohne auf signifikante Widerstände dort zu stoßen, wo hergebrachte und etablierte Veranstaltungs- und Prüfungsformate weitreichend umorganisiert werden müssten. Wenn man den bei der Tagung aufgezeigten Weg konsequent weiter beschreiten will, würde man nicht umhinkommen, über die bisher verankerten Angebote hinaus tief in über Jahrzehnte eingefahrene Veranstaltungs- und Prüfungsstrukturen einzugreifen. Wünschenswert wäre ein solches Vorgehen nach den bei der Tagung deutlich gewordenen Erkenntnissen auf jeden Fall; es bleibt aber – zumindest bisher noch – fraglich, ob die Fakultäten (und Prüfungsämter) bereits „so weit sind“, derartige Umstrukturierungen zuzulassen und mitzutragen. Dass jedenfalls solche Ziele weiter verfolgt und jedenfalls weitere Schritte in die entsprechende Richtung unternommen werden können, ist zu hoffen und nach den Erkenntnissen der sehr ergiebigen Tagung auch nicht unrealistisch.

(Stand 1.9.2013); siehe hierzu auch den Tagungsbericht von Steffahn/Thye, ZJS 2011, 587); September 2013: „Schwerpunkte im Jurastudium“; vgl. zu den Themen http://www.jura.uni-passau.de/ird-tagung2013.html (Stand 1.9.2013). 19 Siehe oben VI. 4. b); vgl. dazu auch http://www.universitaetskolleg.de/de/projekte.html (Stand 1.9.2013). 20 Siehe nur die Tagungsbeiträge von Schwartz (USA) und Bisping (GB); dazu oben unter IV. 1. und 2.

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