Sozialfirmen in der Schweiz Was steckt hinter dem Begriff, welche Rolle nehmen sie im Feld der Arbeitsintegration ein und wie sind sie aus Sicht der Sozialen Arbeit zu bewerten?

Sozialfirmen in der Schweiz Was steckt hinter dem Begriff, welche Rolle nehmen sie im Feld der Arbeitsintegration ein und wie sind sie aus Sicht der Sozialen Arbeit zu bewerten?

Bachelorarbeit von:

Kevin Baumann St. Leonhardstrasse 79 9000 St. Gallen HS 2010

Fachbereich:

FHS St. Gallen Hochschule der angewandten Wissenschaften Fachbereich Sozialarbeit

Begleitet von:

Prof. Dr. Peter Schallberger Dozent Fachbereich Soziale Arbeit

Für den vorliegenden Inhalt ist ausschliesslich der Autor verantwortlich.

St. Gallen, 15. März 2014

Redlichkeitserklärung

Ich erkläre hiermit:

dass ich die vorliegende Arbeit ohne fremde Hilfe und ohne Benützung anderer als der angegebenen Hilfsmittel verfasst habe.

_______________________ St. Gallen, 15. März 2014 Unterschrift

Veröffentlichung Bachelorarbeit Ich bin damit einverstanden, dass meine Bachelor Thesis bei einer Bewertung mit der Note 5.5 oder höher, der Bibliothek für die Aufnahme ins Ausleiharchiv und für die Wissensplattform Ephesos zur Verfügung gestellt wird. Sie darf auch an Aussenstehende verkauft werden.

□ ja □ nein

_______________________ St. Gallen, 15. März 2014 Unterschrift

Inhaltsverzeichnis Abstract.................................................................................................................................1 Vorwort..................................................................................................................................5 1. Einleitung ..........................................................................................................................6 2. Sozialer Wandel in Bezug auf den Arbeitsmarkt und Sozialstaat .................................8 2.1 Modernisierung .............................................................................................................9 2.2 Die Veränderungen der Arbeitsgesellschaft im Zuge der Modernisierung ...................11 2.3 Der Sozialstaat und das Leitparadigma der Aktivierung ..............................................13 3. Sozialfirmen – eine definitorische Annäherung ...........................................................16 3.1 Was ist eine Sozialfirma? ............................................................................................18 3.1.1 Wirtschaftliche Zielsetzung ...................................................................................19 3.1.2 Soziale Zielsetzung ..............................................................................................22 3.1.3. Weitere Merkmale ...............................................................................................24 3.2 Verschiedene Typen von Sozialfirmen ........................................................................27 3.3 Die Abgrenzung von Sozialfirmen zu Sozialunternehmen ...........................................28 3.4 Sozialfirmen in Europa ................................................................................................28 3.5 Resümee der definitorischen Annäherung ..................................................................29 4. Die Rolle der Sozialfirmen im Feld der beruflichen Eingliederung .............................32 4.1 Die schweizerische Arbeitsmarktbehörde....................................................................33 4.1.1 Schweizerische Arbeitsmarktbehörde und Sozialfirmen .......................................35 4.2 Die Invalidenversicherung ...........................................................................................36 4.2.1 Die Invalidenversicherung und Sozialfirmen .........................................................37 4.3 Die Sozialhilfe .............................................................................................................38 4.3.1 Die Sozialhilfe und Sozialfirmen ...........................................................................39 4.4 Volkswirtschaftlicher und individueller Nutzen von Sozialfirmen ..................................41 4.5 Zusammenführung der Ergebnisse .............................................................................42 4.5.1 Problematische Aspekte im Feld der Arbeitsintegration ........................................43 5. Analyse des Konstrukts „Sozialfirma“ aus Sicht der Sozialen Arbeit ........................45 5.1 Sozialfirmen im aktivierenden Sozialstaat ...................................................................45 5.2 Kritik in Bezug auf die Professionalität in Sozialfirmen ................................................48 5.2.1 Professionalität der Sozialen Arbeit in Bezug auf die Zuweisungspraxis ...............50 5.3 Sozialfirmen als prekäre Beschäftigungsverhältnisse ..................................................51 5.4 Resümee ....................................................................................................................54 6. Schlussfolgerung ...........................................................................................................57

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Kevin Baumann

Abstract

Fragestellung: Sozialfirmen in der Schweiz – Was steckt hinter dem Begriff, welche Rolle nehmen sie im dem Feld der Arbeitsintegration ein und wie sind sie aus der Sicht der Sozialen Arbeit zu bewerten? Kurzzusammenfassung: Die Arbeit beschreibt die Praxis von Sozialfirmen in der Schweiz. Es werden Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu anderen Integrationsprogrammen erläutert und aufgezeigt, welche Rolle sie im subventionierten Arbeitsmarkt einnehmen. Ferner werden Sozialfirmen aus einer sozialethischen Sicht analysiert und bewertet. Autor:

Kevin Baumann – HS 2010

Referent:

Prof. Dr. Peter Schallberger

Publikationsformat:

BATH MATH Semesterarbeit Forschungsbericht Anderes

Veröffentlichung:

2014

Sprache:

Deutsch

Zitation:

Baumann, Kevin. (2014). Sozialfirmen in der Schweiz – Was steckt

hinter dem Begriff, welche Rolle nehmen sie im dem Feld der Arbeitsintegration ein und wie sind sie aus der Sicht der Sozialen Arbeit zu bewerten? Unveröffentlichte Bachelorarbeit, FHS St. Gallen, Fachbereich Soziale Arbeit.

Schlagwörter (Tags):

Sozialfirmen, Arbeitsintegration, Zweiter Arbeitsmarkt, Aktivierender Sozialstaat, Professionalität, Prekarität

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Bachelorarbeit

Kevin Baumann

Ausgangslage: In den letzten Jahren entstanden in der Schweiz viele neue Sozialfirmen – es ist eine eigentliche Wachstumsbranche. Da viele Personen langfristig aus dem Arbeitsmarkt ausgeschlossen bleiben, haben sich die Initiativen für Gründungen von Sozialfirmen gehäuf t. Von

sozialstaatlichen

Akteuren

werden

sie

als

Hoffnungsträger

gesehen

und

dementsprechend gefördert. In den Medien werden sie vielfach als neue Alternative im Feld der beruflichen Wiedereingliederung angepriesen. Dennoch ist dieser Sektor einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Trotz der immer grösseren Rolle, die Sozialfirmen im Feld der Arbeitsintegration einnehmen, fehlen wesentliche Erkenntnisse über deren Wirkung. Die Branche ist sehr heterogen und schwierig abzugrenzen. Es bestehen nur wenige Studien, die das Wesen und Wirken der Sozialfirmen in der Schweiz beschreiben. Ziel: Der Anspruch dieser Arbeit besteht darin, einen Einblick in das breite Feld der Sozialfirmen zu gewähren. Es soll aufgezeigt werden, was unter einer Sozialfirma in der Schweiz zu verstehen ist, welche Ausprägungen vorhanden sind und wie die Kooperationen mit den sozialstaatlichen Institutionen funktionieren. Ein weiterer wesentlicher Aspekt dieser Bachelorthesis beinhaltet eine normative Beurteilung der Praxis von Sozialfirmen aus einer professionsethischen Perspektive der Sozialen Arbeit. Vorgehen: Nach der Einleitung, die einen umfassenden Überblick über das zu behandelnde Thema gibt, befasst sich das zweite Kapitel mit der Entwicklung des Arbeitsmarktes und des Sozialstaats seit dem Aufkommen der Industrialisierung. Dazu werden die Grundzüge der Modernisierung erläutert und aufgezeigt, welche Konsequenzen das Aufkommen der neoliberalen Wirtschaftsordnung für den Arbeitsmarkt und Sozialstaat hatte. Das dritte Kapitel wagt den Versuch einer Charakterisierung des Modells „Sozialfirma“. Dazu werden die vorhanden theoretischen Modelle mit bestehenden Praxisbeispielen verglichen. Eine systematische Aufarbeitung legt dar, wann Sozialfirmen in der Schweiz aufgekommen sind, welche verschiedenen Formen bestehen und welche Funktion sie im Feld der beruflichen Wiedereingliederung einnehmen.

Im vierten Kapitel wird geschildert, in welchen politischen und gesetzlichen Rahmenbedingungen Sozialfirmen sich bewegen. Dazu werden die Kooperationsformen zu den

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sozialstaatlichen Institutionen Arbeitsmarktbehörde, Invalidenversicherung und Sozialhilfe erläutert.

Schliesslich wird im fünften Kapitel eine normative Einordnung der Thematik betrieben. Dazu werden Sozialfirmen, anhand der berufsethischen Richtlinien von AvenirSocial, bewertet. Diese Optik fokussiert nicht nur die wirtschaftlichen Aspekte, sondern nimmt auch Bezug auf die Auswirkungen auf die zugewiesenen Personen. Erkenntnisse: In der Schweiz ist der Begriff Sozialfirma rechtlich nicht geschützt, sondern eher als ein Label zu verstehen. Dadurch haben sich teils sehr unterschiedliche Formen herausgebildet. Die Heterogenität unter den Einrichtungen führt dazu, dass sie verschiedene Zwecke erfüllen, erschwert aber gleichzeitig eine systematische Einordnung. Auf einer theoretischen Ebene gibt es für Sozialfirmen klare Erkennungsmerkmale. So werden die wirtschaftliche und soziale Zielsetzung, der Selbstfinanzierungsgrad von mindestens 50 Prozent, die Personalquote von mindestens 30 Prozent benachteiligter Personen sowie die Vergütung von orts- und branchenüblichen Löhnen als Grundattribute aufgeführt. Es ist feststellbar, dass es in der Schweiz kaum Sozialfirmen gibt, die alle Merkmale erfüllen. Insbesondere was die Beschäftigungsverhältnisse anbelangt, klafft die Theorie und Praxis auseinander, da den Zugewiesenen in den seltensten Fällen existenzsichernde Löhne bezahlt werden. Die lose definitorische Eingrenzung sowie die mangelnden gesetzlichen Rahmenbedingung führen also dazu, dass sich eine grosse Anzahl von Unternehmen als Sozialfirmen bezeichnen, auch wenn sie dem Idealtypus nicht entsprechen.

Als Instrument zur Arbeitsintegration sind Sozialfirmen in den Fokus verschiedener sozialstaatlicher Institutionen geraten. So läuft derzeit im Kanton Luzern ein Projekt, das eruiert, ob die Zusammenarbeit der Arbeitslosenversicherung mit Sozialfirmen einen Mehrwert bringt und somit erweitert werden soll. Bisher war eine Kooperation der Arbeitslosenversicherung mit Sozialfirmen gesetzlich nicht vorgesehen. Für die Invalidenversicherung stellen Sozialfirmen eine interessante Alternative zu den Werkstätten dar, da sie in der stärkeren Durchmischung von benachteiligten und nichtbenachteiligten Personen einen Gewinn sieht. Sozialfirmen, die Zugewiesene der Invalidenversicherung anstellen, bieten häufig unbefristete Arbeitsverhältnisse an. Auch die Sozialhilfe arbeitet eng mit Sozialfirmen zusammen. Die Leitmotive der Sozialämter bestehen in der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Vermittlungsfähigkeit, der psychosozialen Stabilisierung sowie der kostengünstigen Beschäftigung von ausgesteuerten Personen. Zugewiesene der Sozialhilfe werden nur in seltenen Fällen unbefristet angestellt.

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Kevin Baumann

Um gesicherte Aussagen zum sozioökonomischen Nutzen von Sozialfirmen machen zu können, bedarf es weiterer empirischer Abklärungen. Es ist nicht klar erwiesen, dass Sozialfirmen höhere Reintegrationsquoten erreichen als andere Massnahmen oder Programme. Auch gibt es keine offiziellen Zahlen, die belegen, dass sie der öffentlichen Hand Einsparungen bringen.

Im letzten Kapitel wird kritisch bemerkt, dass die institutionelle Einbettung in den gesetzlichen Rahmen des aktivierenden Sozialstaats dazu führt, dass die Anstellungsverhältnisse nicht auf der Grundlage von Freiwilligkeit gewählt werden können. Es kann weiter kritisiert werden, dass bestimmte Sozialfirmen eine professionelle Beratung und Begleitung der Zugewiesenen ablehnen. Dieser Ausprägung wird vorgeworfen, reine Verwertungspolitik zu betreiben, in dem sie für Zugewiesene Subventionen erhalten, jedoch auf eine fachmännische und allfällige agogische Unterstützung komplett verzichten. Zusätzlich wird die Rolle der Sozialen Arbeit reflektiert und festgestellt, dass es für eine kompetente Zuweisungspraxis einen Professionalisierungsschub benötigt. Und schliesslich wird verdeutlicht, dass die Anstellungsformen in Sozialfirmen prekären Beschäftigungsverhältnissen entsprechen. Die fehlende Möglichkeit, die Stelle aus eigenen Stücken wählen zu können, die unsichere Anstellungsdauer und die niedrige Vergütung ergeben eine Reihe von Unsicherheiten für die Zugewiesenen. Dies verdeutlicht die Tatsache, dass diese Anstellungsform, trotz ihrer vermeintlichen Marktnähe, von regulären, traditionellen Beschäftigungsformen klar abweicht. Literaturquellen: Adam, Stefan, (2012). Die Sozialfirma – wirtschaftlich Arbeiten und sozial handeln. 2. Aufl. Haupt Verlag, Bern Kehrli, Christin. (2007). Sozialfirmen in der Schweiz. Caritas Verlag, Luzern Schallberger, Peter. Wyer, Bettina. (2010). Praxis der Aktivierung. Eine Untersuchung von Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung. UVK Verlagsgesellschaft, Konstanz. Adam, Stefan. Amstutz, Jeremias. Wüthrich, Bernadette. (2011). Sozialfirmen und ihr Beitrag zur beruflichen Integration von Menschen mit Beeinträchtigungen. Unveröffentlichter Schlussbericht. Gefunden am 21.01.2014 unter: http://www.assof.ch/media/Literatur/111108_Schlussbericht_Web_def.pdf Aviles, Gregorio. Bracci, Anna. Crivelli Luca. (2012). Das Modell der Sozialfirma „Made in Switzerland“ Resultat einer Landesweit durchgeführten explorativen Studie. Departement für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (DSAS) der Fachhochschule der Italienischen Schweiz (SUPSI).

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Kevin Baumann

Vorwort Als

ich

vor

zwei

Jahren

meine

Seminararbeit

an

der

FHS

St.

Gallen

zur

Schwellenproblematik in der Sozialhilfe verfasste, setzte ich mich vertieft mit dem Feld der Sozialhilfe sowie den Dynamiken von Arbeitsintegration auseinander. Während dieser Zeit stellte ich fest, wie sich mein bereits vorhandenes sozialpolitisches Interesse noch verstärkte. Weitere Lehrveranstaltungen, meine berufliche Tätigkeiten in der Jugendarbeit und der Berufsbeistandschaft, sowie eigenständiges Studium verhalfen mir zu einem immer besseren Verständnis für das System der sozialen Sicherheit. Dies half mir meine Haltung in sozialpolitischen Fragen zu entwickeln und motivierte mich das bestehende Wissen zu nutzen und in dieser Arbeit darauf aufzubauen. Zusätzlich hatte ich die Gelegenheit, im Februar 2013, an einem mehrtägigen Studienkongresses in Luzern zum Thema Armut und Arbeitsintegration teilnehmen zu können. An diesem Kongress nahmen Studierendengruppen verschiedener europäischer Länder teil und referierten über Themen wie Armutsbekämpfung, Wiedereingliederungsmodelle oder Schuldenpräventionsmassnahmen. Hier erhielt ich einen sehr interessanten Einblick in verschiedene sozialstaatliche Modelle und Ansätze. In den Gesprächen mit den anderen Studierenden und Dozierenden wurde mir bestätigt, dass das Paradigma der Aktivierung und der Wiedereingliederung in allen Staaten eine bedeutende Rolle spielt. Mir wurde bewusst, dass ich dieses Thema ins Zentrum meiner Bachelorthesis stellen wollte. Den Hinweis, das Thema Sozialfirmen ins Auge zu fassen erhielt ich von meinem Begleitdozenten Prof. Dr. Peter Schallberger. Die Tatsache, dass Sozialfirmen eine verhältnismässig neue Erscheinung auf dem „Wiedereingliederungsmarkt“ darstellen und deshalb noch einige ungeklärte Fragen vorhanden sind, macht sie als Untersuchungsgegenstand interessant. Ich hatte in meinem Halbwissen eine eher wohlwollende Meinung gegenüber Sozialfirmen, da sie in der Öffentlichkeit auch eher positiv dargestellt werden. Es wurde mir jedoch bei genauerer Betrachtung nach einiger Zeit bewusst, dass hinter der leuchtenden Fassade dieses neuen Modells, einige fragwürdige Aspekte stehen. Inhaltlich ist es mir ein Anliegen aufzeigen zu können, was unter dem Konstrukt „Sozialfirma“ in der Schweiz zu verstehen ist, welche Rolle sie im Feld der Arbeitsintegration einnehmen und wie sie aus Sicht der Sozialen Arbeit zu beurteilen sind. Es soll verdeutlicht werden, auf welchem Stand die gegenwärtige Diskussion zu Sozialfirmen geführt wird und welche Blickpunkte medial oft ausgeblendet werden.

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1. Einleitung „Arbeitslose haben es bei uns schwerer als etwa in Spanien, weil bei uns Arbeitslosigkeit als «nicht normal» gilt. Bei uns ist man als Arbeitsloser sofort am Rand der Gesellschaft. Wenn ein 40-Jähriger um zehn Uhr im Strassencafé sitzt, wird er schräg angeschaut.“

Diese Aussage stammt vom Geograph und Pädagogen Hannes Lindenmayer, als er in einem Interview mit dem Magazin „Beobachter“ gefragt wurde, weshalb die Schweiz so viel Geld in die Arbeitsintegration investiere. Natürlich ist die Behauptung, Arbeitslosigkeit in Spanien sei weniger schlimm, gewagt und nicht ganz ausdifferenziert – was er hier aber anspricht ist die Stigmatisierung, die mit der Arbeitslosigkeit einhergeht. Und diese ist in einem Land wie der Schweiz gravierender als in Spanien, wo mehr als ein Viertel der Bevölkerung arbeitslos ist. Es ist aufgrund dieser Sachlage wichtig und richtig, die hiesige Arbeitslosigkeit zu thematisieren, auch wenn sie im Vergleich zu den Nachbarstaaten zahlenmässig eher gering ist. In der Schweiz herrschte lange Zeit eine faktische Vollbeschäftigung. Erst in den letzten 3040 Jahren hat sich eine Arbeitslosenquote ergeben, die sich seit einiger Zeit zwischen zwei und vier Prozent bewegt. Ein weiterer Unterschied zu früher ist die gleichbleibend hohe Zahl von Personen, die vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen bleiben, auch wenn eine wirtschaftliche Erholung eingesetzt hat. Diese sogenannte Sockelarbeitslosigkeit hat sich erst seit der Ölkrise von 1973/74 in der Schweiz herausgebildet. Sie hat zur Folge, dass auch bei vollen Auftragsbüchern und hochgefahrenen Produktionen, nur rund 97 Prozent der Bevölkerung beschäftigt werden können. Um diesem Problem zu begegnen wurde eine Reihe von sozialstaatlichen Massnahmen eingeführt und gefördert. Die betroffenen Schweizer Sozialwerke fingen an Wege zu suchen, wie man Personen schnellstmöglich wieder in den Arbeitsmarkt (re)integrieren könnte. Mit den Revisionen der Arbeitslosen- und Invalidenversicherung sowie der SKOS-Richtlinien für die Sozialhilfe wurde deutlich feststellbar, dass Unterstützungsabhängige mit immer strengeren

Mitteln

zur

Aufnahme

einer

Erwerbsarbeit

gedrängt

werden.

Dieser

Paradigmenwechsel vom wohlfahrtstaatlichen hin zum aktivierenden Leitgedanken, hat die Entwicklung eines öffentlich geförderten Beschäftigungssektors stark vorangetrieben. Innerhalb dieses subventionierten Arbeitsmarktes entstanden mannigfaltige Formen von Massnahmen, Programmen und Beschäftigungsmöglichkeiten. Eine dieser, in der Schweiz eher neueren, Erscheinungen auf dem „Zweiten Arbeitsmarkt“ sind die Sozialfirmen. Dieses Phänomen verbreitete sich bereits in den 1970er Jahre in Italien und in anderen Ländern Europas. Die Schweiz erreichte die Idee erst Ende der 1980er Jahre, und auch hier zuerst in der lateinischen Schweiz. Die Idee der Sozialfirmen beinhaltet die simple Devise, der 6

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Verknüpfung von betriebswirtschaftlichen und sozialen Zielen. Demzufolge streben Sie nach einem

möglichst

hohen

Beschäftigungsmöglichkeiten

Eigenfinanzierungsgrad, für

Personen

zur

stellen

Verfügung,

aber die

gleichzeitig vom

auch

Arbeitsmarkt

ausgeschlossen wurden. Für die Anstellung und Beschäftigung von Arbeitslosen erhalten Sozialfirmen öffentliche Mittel. Sie stehen folglich mit einem Bein im regulären, mit dem anderen im subventionierten Arbeitsmarkt. In den letzten Jahren entstanden viele neue Sozialfirmen – es ist eine eigentliche Wachstumsbranche. Sie werden von vielen sozialstaatlichen Akteuren als Hoffnungsträger gesehen und dementsprechend gefördert. Dennoch ist dieser Sektor einer breiten Öffentlichkeit kaum bekannt. Was genau steckt also hinter diesem Begriff „Sozialfirma“? Als erstes soll im folgenden Kapitel aufgezeigt werden, welche Dynamiken auf dem Arbeitsmarkt dazu geführt haben, dass ein solches Konstrukt überhaupt entstehen konnte. Dazu wird eine kurze historisch-soziologische Aufarbeitung zum Wandel der Arbeitsgesellschaft betrieben, die in der Zeit der industriellen Revolution beginnt. Dem folgt eine definitorische Annäherung an den Begriff „Sozialfirma“. Weshalb nur eine Annäherung und keine klare Definition? Der Grund dafür ist, dass Sozialfirmen in der Schweiz rechtlich gesehen gar nicht existieren. Es besteht nur der Begriff, der eine Reihe von theoretischen Merkmalen umfasst, und eine grösser werdende Zahl von Organisationen, die sich so bezeichnen. Um eine annähernde Charakterisierung vornehmen zu können, werden die theoretischen Merkmale mit den Ausprägungen der bereits bestehenden Einrichtungen verglichen. Nach der Bestimmung des Begriffs, soll erörtert werden welche Rolle Sozialfirmen im Feld der Arbeitsintegration einnehmen. Dazu wird analysiert, wie sie in den Eingliederungsbemühungen

der

Arbeitslosen-

und

Invalidenversicherung

sowie

der

kommunalen Sozialhilfe eingebunden werden. Abschliessend wird das Modell aus der Perspektive der Sozialen Arbeit betrachtet und bewertet werden. Es wird zu sehen sein, dass dieses Kapitel die Gegebenheiten aus einem etwas anderen Winkel betrachtet und zu einem anderen Schluss kommt, als viele öffentliche Darstellungen.

Diese analytische Zusammenführung der vorhandenen Literaturquellen und aktuellsten empirischen Befunde, soll der Leserin und dem Leser einen möglichst ganzheitlichen Einblick, in die relativ unerforschte Praxis der Sozialfirmen geben. Basierend auf einer professionsethischen Haltung, soll der Untersuchungsgegenstand systematisch beschrieben und zuletzt auch bewertet werden. Diese Arbeit richtet sich einerseits an Personen mit einem Interesse an sozialpolitischen Vorgängen und Dynamiken. Anderseits ist der Inhalt für Professionelle im Feld der Arbeitsintegration bestimmt, die in ihrem Berufsalltag mit Sozialfirmen in Berührung kommen und sich daher Hintergrundwissen zum Thema aneignen möchten.

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2. Sozialer Wandel in Bezug auf den Arbeitsmarkt und Sozialstaat Um besser in die Thematik der Sozialfirmen einsteigen zu können, ist es zunächst einmal hilfreich zu verstehen, welche Einflussfaktoren auf den Arbeitsmarkt und die Sozialpolitik in der Schweiz und anderen westlichen Ländern einwirken. Denn die Entstehung dieses eher jungen

Phänomens

der

Sozialfirmen

wird

begünstigt

durch

eine

Neujustierung

sozialstaatlichen Denkens. Dieses Denken ist mittlerweile in den meisten westlichen Staaten vom Paradigma der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik beziehungsweise Workfare geprägt. Der aktivierende Wohlfahrtsstaat, der dem Leitbild des fürsorgenden Wohlfahrtsstaates den Rang abgelaufen hat, setzt sich zum Ziel die Eigenverantwortung und Befähigung von, aus dem Erwerbsleben ausgeschlossenen Personen zu fördern um damit ihre Reintegrationschancen in den Arbeitsmarkt zu erhöhen. Dabei wird die Höhe der staatlichen Transfergelder an Bedingungen der Leistungserbringung geknüpft. Nach dem Prinzip, wer sich bemüht soll belohnt und unterstützt werden, wird versucht dem Problem der wirtschaftlichen und sozialen Desintegration betroffener Personen entgegenzuwirken und natürlich sozialstaatliche Kosten zu verringern. Im „Workfare state“ bestehen folglich für Betroffene keine Rechtsansprüche auf standardisierte materielle Leistungen so wie es im Modell des fürsorgenden Wohlfahrtsstaats vorgesehen ist. Viel eher wird versucht Arbeitsanreize durch leichte Erhöhungen von Transferleistungen zu schaffen. Handkehrum droht bei mangelnder Einsatzbereitschaft eine Reduktion staatlicher Unterstützung (vgl. Dingeldey, 2006, S. 7-8). Workfare hat sich in den meisten industrialisierten Ländern des Westens durchgesetzt, dennoch ist die aktivierende Beschäftigungspolitik in Wissenschafts- und Politkreisen noch immer umstritten. Die Kontroversen, die zum Thema Workfare bestehen, werden im späteren Verlauf dieses Kapitels detaillierter behandelt.

Was aber waren nun die Voraussetzungen damit sich der Sozialstaat vieler westlicher Länder in diese Richtung hin bewegte? Welche Einflussfaktoren und Gegebenheiten können ausgemacht werden bei der Spurensuche nach den Entwicklungsgründen der gegenwärtig vorherrschenden Sozialstaatskonzeption? Am Anfang dieses Prozesses steht eine gesellschaftliche, soziale Transformation – namentlich der Übergang von der vorindustriellen, traditionellen Gesellschaft in die Moderne. Kulturelle, politische und wirtschaftliche Veränderungen während der Modernisierung brachten grundlegende Änderungen der Arbeitswelt mit sich und waren elementar für die Entstehung und Institutionalisierung der Sozialversicherungssysteme. Die staatliche Wohlfahrt wiederum transformierte sich ihrerseits im Zuge des globalen, wirtschaftlichen Wandels. Seien es in der Schweiz die Invalidenversicherung (IV), die Arbeitslosen8

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versicherung (ALV) oder die Sozialhilfe (SH) – der Trend hin zur aktivierenden Arbeitsmarktpolitik ist klar zu beobachten. Und genau hier kann man wiederum die Verbindung zum Konstrukt der Sozialfirma ziehen, die in dieser Dynamik eine prosperierende Nische gefunden hat. Mit einem kurzen geschichtlich-soziologischen Exkurs soll nun versucht werden, die Entwicklung von Sozialfirmen aus einer eher makroperspektivischen Ebene zu betrachten, um somit eine Grundlage für die weitere Bearbeitung zu schaffen.

2.1 Modernisierung Als Ausgangsbegriff wird, um eine Erklärungsgrundlage in dieser thematischen Heranführung herstellen zu können, der soziologische Terminus der Modernisierung benutzt. Dieser Begriff beinhaltet verschiedene Formen sozialen Wandels und ist grob beschrieben die Transformation von traditionellen hin zu modernen Gesellschaftsformen. Mit dem Aufkommen der Industrialisierung in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts folgten tiefgreifende

kulturelle,

wirtschaftliche

sowie

politische

Veränderungen

und

die

Differenzierung gesellschaftlicher Sphären nahm seinen Lauf. Ein Mann, der sich mit diesen sozialen Entwicklungen auseinandersetzte war der französische Soziologe Emile Durkheim. Er prägte den Begriff der Anomie (lat. für Gesetz- oder Normlosigkeit) in der arbeitsteiligen Gesellschaft. Mit dem Problem Anomie beschreibt er das „Auseinanderfallen von materiellen und moralischen Entwicklungen in Zeiten erhöhter Modernisierungsdynamik“ (zit. Lange, 2007, S. 110). Wie ist das genau zu verstehen? Durkheim sagt, dass soziale Beziehungen in vormodernen Gesellschaften eher „mechanisch“ entstanden seien. Menschen waren zu jener Zeit verhältnismässig fix aneinander gebunden – für das Individuelle blieb wenig Platz. Man wurde in einen Stand geboren aus dem man sich kaum befreien konnte, Berufe wurden oft in der Familie weitergereicht und Ehen nicht selten von Familienmitgliedern arrangiert. Die sozialen Strukturen waren so vergleichsweise unkompliziert und das individuelle sowie das kollektive Denken mehrheitlich kohärent. Diese segmentierten Gesellschaftsformen gerieten unter anderem durch die Zunahme der Arbeitsteilung ins Wanken. Mit dem Bevölkerungswachstum, der Urbanisierung sowie der Entstehung des Bürgertums im Zuge der Industrialisierung, nahm die Durchmischung der Bevölkerung zu und gefährdete die Geschlossenheit tradierter Lebensformen. Durkheim wies darauf hin, dass sich hieraus nun eine Art wirtschaftliche Produktion entwickelte, die auf Arbeitsteilung und Spezialisierung basierte. Um nicht in zu rigide Konkurrenzsituation zu geraten, fing man an sich durch Spezialisierung voneinander abzugrenzen - eine eigene Nische in der neuen Dynamik zu finden (vgl. van der Loo / van Reijen, 1992, S. 83-87).

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Ein weiteres wichtiges – und mit der gesellschaftlichen Differenzierung fest verbundenes – Kennzeichen der Moderne ist die Individualisierung. Durch die allmähliche Emanzipation aus traditionellen Rollenbildern und der Auflösung bekannter Sozialmuster, wurde für viele Menschen eine freiheitliche Gestaltung der eigenen Biographie zur Norm. Unter der Voraussetzung eines gesteigerten Lebensstandards und vermehrter sozialer Sicherheit, wurde es für immer mehr Menschen möglich, ein Leben losgelöst von kollektiven Bindungen zu führen (vgl. Veith, 2008, S. 283). Ein wichtiger Soziologe, der den Begriff der Individualisierung entscheidend prägte, ist Ulrich Beck. Seine Ausführungen beleuchten vor allem auch die kritischen Aspekte des Individualisierungsprozesses. Denn für ihn macht die Individualität in ambivalenter Weise zwar frei, aber gleichzeitig auch unsicher. Es geht einher mit dem Verlust traditioneller Sicherheiten, die jedoch von neuen Bindungen teilweise aufgefangen werden können. Beck spricht von einer Pluralisierung der Lebensstile und prägt den Begriff der „Freisetzungsdimension“, nämlich der „Herauslösung aus historisch vorgegebenen Sozialformen und -bindungen“ (vgl. Ritscher, 2007, S. 22). Er betont dabei auch die Individualisierung sozialer Ungleichheiten. Moderne Individuen sind vermehrt auf sich gestellt, denn nicht nur die Chancen werden individualisiert, sondern auch die Risiken. Folglich wird in jedem Versagen, die Schuld auf persönliches Scheitern zurückgeführt und weniger

strukturell

begründet.

Beck

beschreibt

auch

die

Verschiebungen

von

Abhängigkeiten, die mit einer individualistischen Orientierung entstehen. Insbesondere die Arbeitsmarktabhängigkeit ist in unserer kapitalistischen Marktwirtschaft deutlich ausgeprägt (vgl. Treibel, S. 252-254, 2006). Mit dem Wohlstand, der sich in den Industrienationen ausbreitete kam es auch zu einer normativen Pluralisierung. Werte der Kriegs- und Nachkriegsgenerationen wie Fleiss, Disziplin und Bescheidenheit wurden teilweise ersetzt durch Autonomie, Emanzipation und Selbstverwirklichung. Das Ausleben eines „eigenen“ Lebensstils wird stärker eingefordert und man geht davon aus, dass dieses Verhalten eher zu einer egozentrierten, als einer gemeinwohlorientierten Wertehaltung führt (vgl. Lange, 2007, S. 118-119). Mit der Individualisierung kommt es wie beschrieben zu einer „Ent-Identifizierung“ mit der eigenen sozialen Lebenswelt (Schicht, Klasse, Berufsstand). Einzelpersonen können verschiedene Rollen einnehmen und müssen sich, um am Arbeitsmarkt konkurrenzfähig zu sein, möglichst gut positionieren. Dieser Fokus auf das „Einzelne“ schmälert die Verbundenheit der Menschen – unterminiert Solidarität. Dies hat insbesondere auch einen negativen Einfluss auf Gewerkschaften, deren Existenzgrundlage auf kollektivistisches, solidarisches Einstehen gemeinsamer Interessen fusst (Fetscher, 1996, S. 196-197). Am Beispiel der Individualisierung können hier gewisse Parallelen zur Entwicklung des aktivierenden

Sozialstaates

gezogen

werden.

Arbeitslosigkeit

wird

verstärkt

als

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selbstverschuldete und nicht strukturell bedingte Lebenslage erachtet. Eigenverantwortung und Selbstständigkeit in der Lebensführung, werden auch hinsichtlich der Bewältigung von Problemlagen eingefordert. Für die Funktion der Sozialen Arbeit hat dies weitreichende Auswirkungen, denn so wird ihre Rolle als Hilfsangebot geschwächt und sie verkommt eher zu einer staatsdienlichen Kontroll- und Disziplinierungsinstanz mit paternalistischen Zügen (vgl. FHS St. Gallen, o.J., S. 1-3).

Die Modernisierung hat, wie beschrieben, in vielen Lebensbereichen Einzug gehalten. Dies gilt insbesondere auch für die Regeln des Arbeitsmarkts, die zunehmend von globalen Faktoren bestimmt werden. Die Entstehung von Arbeitsintegrationsprogrammen wie Sozialfirmen ist eng verknüpft mit der Entwicklung der Wirtschaft. Daher soll im Folgenden eine kurze Darlegung der historischen und gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation aufzeigen, welche Entwicklungen stattgefunden haben und mit welchen Herausforderungen die heutige (Sozial)Politik konfrontiert ist. Die Ausführungen beziehen sich insbesondere auf die Schweiz, umfassen aber auch Staaten des angelsächsischen und westeuropäischen Raums.

2.2 Die Veränderungen der Arbeitsgesellschaft im Zuge der Modernisierung Mit der Modernisierung hat die Arbeitsteilung in solchem Masse zugenommen, dass sie nun als global bezeichnet werden kann. Mit dem Ziel der höchstmöglichen Effektivität und Kosteneinsparung wird wirtschaftliches Handeln, von der Produktion bis zur Vermarktung von Gütern, weltweit aufgeteilt. Der Zunehmende Abbau von Handelsschranken bzw. die Zunahme von Freihandelsabkommen zwischen Staaten, ungehinderter Kapitalfluss, verbesserte

Kommunikationstechnologien

sowie

günstige

und

schnelle

Transport-

bedingungen fördern den Prozess der Globalisierung (vgl. Schubert, Klein, 2011). Merkmale der Globalisierung sind die Expansion von interaktionistischen weltweiten Netzwerken, eine zunehmende Verdichtung und Reziprozität dieser Netzwerke sowie ein einher gehender struktureller Wandel einbezogener Gesellschaften. Was sind nun die Folgen dieses Globalisierungsprozesses? Man kann festhalten, dass Nationalstaaten an Einfluss und Zuständigkeit verlieren, da sie gezwungen sind auf internationale Regelungen zu reagieren. Ferner nimmt die Stellung des Wettbewerbs unter den Staaten zu. Anhand struktureller Anpassungen versuchen Nationalstaaten Standortvorteile zu erwirken, um in der wirtschaftlichen

Konkurrenzsituation

besser

gewappnet

zu

sein.

Nationalstaatliche

Steuerungsprozesse sind verstärkt dazu gezwungen, vor allem marktförmige Lösungen zu finden und können in der Regel nicht losgelöst vom internationalen Kontext implementiert werden. Gerade in Europa hat sich auch gezeigt, dass die Globalisierung eine Herausforderung für die Systeme der sozialen Sicherung darstellt (FHS St. Gallen, o.J., S. 26). 11

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Der britische Soziologe Anthony Giddens bezeichnet den Begriff Globalisierung als „Intensivierung weltweiter sozialer Beziehungen“ (1990, S. 85). Die Weltwirtschaft, die früher durch imperiale Grossstaaten bestimmt war, ist nun von einer neuen, nicht zwingend an einzelne Nationalstaaten gebundene, Wirtschaftordnung geprägt: dem Kapitalismus (vgl. ebd. S. 90-92).

Die Globalsierung und der wirtschaftliche Strukturwandel hin zum Kapitalismus haben einen grossen Einfluss auf die gegenwärtige Arbeitsgesellschaft. Bis ungefähr 1960 war die industrielle Produktion der dominante Arbeitssektor. Diese industrielle Warenproduktion fällt in die Zeit des sogenannten Fordismus. Der Fordismus, benannt nach Henry Ford, ist gekennzeichnet durch standardisierte Massenproduktion, Steigerung der Kaufkraft, Aufbau des Sozialstaats und individuelle Lebensführung. Seit einigen Dekaden sind Länder wie die Schweiz, Deutschland oder andere Industrienationen zu Dienstleistungsgesellschaften mutiert. In der Schweiz arbeiten rund 74 % der Bevölkerung im tertiären Sektor (BFS, 2011). Durch die Globalsierung, die Liberalisierung der Finanzmärkte und verschiedene wirtschaftliche Krisen hat sich der Wandel zum Post-Fordismus vollzogen (vgl. Schimank, 2012).

Der Post-Fordismus hat tiefgreifende Auswirkungen für die Arbeitsgesellschaft. Durch die Verlagerung von traditionellen Industrieproduktionen in Länder, die durch niedrige Lohnkosten günstiger produzieren können, gerät der Arbeitsmarkt unter Anpassungsdruck. Arbeitnehmende des Westens stehen so mit Millionen von Billigarbeitenden in Konkurrenz. Betriebe sehen sich gezwungen ihre Kosten zu senken und ein probates Mittel dafür ist die Rationalisierung, die mit neuen Informations- und Kommunikationstechnologien vorangetrieben wird. Auch kommen neue Konzepte der Personalpolitik ins Spiel. Die Entwicklung driftet weg von einer stabilen Belegschaft mit Personalreserven, hin zu einer kleineren, jedoch vielseitig einsetzbaren Zusammensetzung von Arbeitskräften (vgl. Daheim, Schönbauer, 1993, S. 130-132). Nicht wenige Autoren sprechen von einer Krise der Arbeitsgesellschaft, da „die ökonomische Rationalisierung mit einer ständig abnehmenden Beschäftigung in einer Überflussgesellschaft erkauft wird, deren soziale Kosten kaum noch zu tragen sind“ (zit. Kreikebaum, 1999, S. 48).

Die Jahre von 1946-73 können als wirtschaftliche Boomjahre bezeichnet werden. Während dieser Zeit lag die Arbeitslosigkeit in der Schweiz teilweise fast bei null. Seit 1973 ist aber zu erkennen, dass sich eine steigende Sockelarbeitslosigkeit herausgebildet hat. Zwar hat die Schweiz vergleichsmässig noch immer tiefe Arbeitslosenzahlen, unterliegt aber gleichwohl dem Konkurrenzdruck, mit dem sich Nicht-Billiglohnländer konfrontiert sehen. Die

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Internationalisierung der Arbeitsteilung hat also zur Folge, dass geringqualifizierte Arbeitsplätze abwandern und anspruchsvollere Beschäftigungen zurückbleiben, die höherer Qualifikation bedürfen. Somit ergibt sich, dass gegenwärtig der Druck auf die geringqualifizierten Arbeitskräfte steigt und ihr Risiko von Arbeitslosigkeit betroffen zu sein stark erhöht ist (vgl. Sheldon, 2010, S. 16 – 19).

Der Wandel zum Post-Fordismus und zur Dienstleistungsgesellschaft birgt auch veränderte Grundvoraussetzungen für Arbeitsmarktteilnehmende und Personen ausserhalb des Arbeitsmarktes. Die rasante technische Entwicklung verlangt von allen eine konstante Forcierung von Kompetenzen und Wissen. Ferner fordern die Ansprüche des „shareholdervalue“-Prinzips – also dem Gebot der kurzfristigen Gewinnmaximierung – die Unternehmen dazu auf, unbedingte Flexibilität, Mobilität und Leistungsbereitschaft von ihren Arbeitskräften zu verlangen. Dies führt zu einer Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen, was sich widerspiegelt in Unsicherheiten bezüglich Arbeitsplatz, Einkommen, Arbeitszeit sowie Arbeitnehmerschutzrechte (vgl. Schimank, 2012).

Ein weiterer, für das Thema Sozialfirma sehr wesentlicher Bereich, ist der Sozialstaat. Auch er hat, wie eingangs dieses Kapitels erwähnt, mit dem Übergang in den Post-Fordismus grundlegende Veränderungen durchlaufen.

2.3 Der Sozialstaat und das Leitparadigma der Aktivierung Die Ursprünge sozialstaatlichen Handelns lassen sich ins 19. Jahrhundert zurückverfolgen. Infolge der Modernisierung, der Industrialisierung und den daraus resultierenden Auswirkungen wie Massenarmut, Verelendung, Epidemien und Verschuldung, sah man sich gezwungen Instrumente zu schaffen, die dieser Entwicklung entgegenwirken. Durch die Entstehung der ersten Kassen und Vereine war es möglich Risiken wie Krankheit, Unfall und Tod zu versichern. Die Kassenzugehörigkeit war zu Beginn fest an den Berufszweig gebunden und nur ein kleiner Teil der Bevölkerung versichert. Graduierlich entwickelten sich in der Schweiz auch auf Bundesebene die rechtlichen Grundlagen für Sozialversicherungen. Krankheit und Unfall sind seit 1912 beziehungsweise 1918, die Altersvorsorge seit 1948, Arbeitslosigkeit und Erwerbsersatz seit 1952 und Invalidität seit 1960 in der Sozialgesetzgebung verankert (vgl. Hahn, o.J., S. 1-3). Den Sozialversicherungen nachgelagert existiert die Sozialhilfe. Sie ist das letzte Auffangnetz der sozialen Sicherung und basiert in der Schweiz auf Subsidiarität. Während die Unterstützung durch Sozialversicherungen von einem Grossteil der Bevölkerung anerkannt ist, haftet der Sozialhilfe noch immer der negative Ruf an, Versorgungsstelle der Faulen und Schmarotzenden zu sein (vgl. Nadai, 2007, S. 10). 13

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Wie beschrieben steht jeder Staat in Zeiten des „post-fordistischen“ Kapitalismus als Wirtschaftsstandort unter Druck. Um konkurrenzfähig zu bleiben versuchen Staaten mit Einschnitten in arbeitsrechtlichen und sozialen Sicherungssystemen attraktiv zu sein für auf günstige

Standorte zielende

Unternehmen.

Hingegen

war der

„fordistische“ oder

„fürsorgende“ Wohlfahrtsstaat fest mit dem „keynesianischen“ Wirtschaftsdenken verbunden und geprägt von den „New Deals“, den Wirtschafts- und Sozialreformen nach der Weltwirtschaftskrise von 1929. Die Sozialpolitik zeichnete sich damals durch Korporatismus, Sozialpartnerschaft, sichere Arbeitsstellen sowie die soziale Einbindung der Menschen aus. (vgl. Schimank 2012). Der französische Soziologe Robert Castel bezeichnet in seinem Buch „Die Krise der Arbeit“ die Sozialleistungen zu jener Zeit als „stark protektiv“ und betont, dass „Solidarität zwar zunächst innerhalb des „Berufsstands“ geübt wird, dass aber durch die allgemeinen Regelungen von Arbeitsrecht und sozialer Sicherung auch die Arbeitnehmerschaft als Ganzes geschützt und abgesichert ist“ (zit. 2011, S. 128). Mit dem Übergang in den „post-fordistischen“ oder „entfesselten“ Kapitalismus (zit. Wyss, 2011, S. 17) kam es in den meisten Staaten zu einem Abbau der sozialen Leistungen. Nach dem Fall der Mauer und der Bestätigung des Zusammenbruchs der Sowjetunion entwickelten sich im Westen neue konservative Strömungen, die damit begannen Sozialversicherungen, die oft auch als Abwehr gegen den Kommunismus beziehungsweise Besänftigung der Arbeiterbewegung verstanden wurden, auszuhöhlen (vgl. Wyss, 2011, S. 19). Der „fürsorgende“ Wohlfahrtsstaat geriet in eine Krise. Öffentliche Verwaltungsaufgaben und Dienstleistungen wurden ausgegliedert oder heruntergefahren, was zu einer Verschlechterung der Qualität der Angebote und zu neuen sozialen Problemen führte. Im Zuge dessen entwickelte sich in den meisten westlichen Staaten die aktivierende Sozial- und Beschäftigungspolitik (vgl. Dingeldey, 2006, S. 4-6).

In der Schweiz wurde der Paradigmenwechsel hin zum aktivierenden Sozialstaat mit der Überarbeitung der SKOS-Richtlinien 1998 vollzogen. Insbesondere in der Sozialhilfe, später aber auch in der IV und Arbeitslosenversicherung, kam der Leitgedanke der Aktivierung immer stärker zum Tragen. Hinter der genannten sozialpolitischen Verschiebung steckt eine Verschiebung des Menschenbildes. Arbeit wird als Ausgangspunkt jeglicher Heilung gesellschaftlicher Dysfunktionalität angesehen. Das nun führende Motto lautet „fördern und fordern“. Eigenverantwortung soll durch Anreiz- und Sanktionssystem gefördert werden. Eva Nadai, eine Schweizer Soziologin, fasst diese arbeitsmarktpolitische Situation mit den Stichworten „investieren“, „aktivieren“ und „disziplinieren“ zusammen. Sie meint damit, dass der Staat zuerst einmal im Dienste des Wirtschaftsstandorts in die Produktivität der Bürgerinnen und Bürger zu „investieren“ hat. Die Investitionen sollen demnach vor allem auf

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die Flexibilität und Beschäftigungsfähigkeit einzelner Personen zielen. Dabei wird unterschieden zwischen produktiven und unproduktiven Gruppen. Da der wirtschaftliche Output unproduktiver Gruppen kleiner ist, werden dort Investitionen eher gering gehalten. Das Stichwort „aktivieren“ bedeutet, dass die Unterstützung des Staates an Gegenleistungen gekoppelt ist. Der Anreiz dazu soll mit einem Belohnung/Sanktionen-System geschaffen werden. Wer der gewünschten Aktivität nachgeht wird mit „geringfügig höheren Leistungen“ belohnt, wer passiv bleibt, muss mit Kürzungen der Sozialleistungen auf das absolute Minimum rechnen. Letzteres ist die „disziplinierende“ Komponente (2007, S. 10-12).

Ein klares Bestreben der Sozialpolitik auch im Rahmen der Aktivierung ist die berufliche und soziale Integration von Menschen, die sich, freiwillig oder unfreiwillig, ausserhalb des Arbeitsmarktes bewegen. Es gibt verschiedene Instrumente und Methoden, die das zu bewerkstelligen versuchen. Angeboten oder eben teilweise verordnet werden individuelle Coachings, Qualifikationsmassnahmen, Treffpunkte und Programme zur vorübergehenden Beschäftigung um nur einige zu nennen. Und es gibt seit einiger Zeit auch die Sozialfirmen, die eine besondere Rolle im Feld der Arbeitsintegration einnehmen. Diese relativ ausführliche Heranführung an die Thematik führt vor Augen, in welchem Kontext Sozialfirmen eingebettet sind, welche Dynamiken auf sie einwirken und in welchem Spannungsfeld sie sich befinden. Dieser Vorlauf, gewissermassen der Unterbau für die folgende Untersuchung, ist eine Grundvoraussetzung für ein Verständnis der weiteren Ausführungen. In den nächsten Schritten soll versucht werden das Konstrukt „Sozialfirma“ im Kontext des schweizerischen Sozialstaats zu analysieren, zu verorten und zu bewerten.

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3. Sozialfirmen – eine definitorische Annäherung Mit dem vorangehenden Kapitel sollte nun ein Verständnis geschaffen worden sein, welches erlaubt kontextbezogen in die Thematik der Sozialfirmen eintauchen zu können. Es wurde unter anderem verdeutlicht, dass aufgrund des finanziellen Drucks auf die staatlichen Sozialetats die Programmatik der Aktivierung ins Zentrum des sozialpolitischen Handelns der meisten westlichen Länder gerückt ist. Dies gilt auch für die Schweiz. Auch wurde aufgezeigt, dass trotz konjunktureller Prosperität und sinkenden Arbeitslosenzahlen, einem Teil der Bevölkerung der Zugang in den ersten Arbeitsmarkt verwehrt bleibt. Das hat zur Folge, dass es für immer mehr Menschen schwierig wird ihren Lebensunterhalt mit Erwerbsarbeit zu bestreiten. In der Schweiz ist gemäss der Internationalen Arbeiterorganisation ILO die Sockelarbeitslosigkeit trotz guter Wirtschaftslage und einem Mangel an Fachkräften seit 2011 angestiegen (vgl. Rekrutierungsspiegel der Schweizer Wirtschaft, 2013). Das Beschäftigungsproblem, das aufgrund der Veränderungen am Arbeitsmarkt entstanden ist, ist also nicht konjunktureller, sondern struktureller Natur.

Es gibt daher eine durchaus beträchtliche Zahl von Menschen mit einer vorhandenen Erwerbsfähigkeit, die aber nur sehr schwer auf dem regulären Arbeitsmarkt vermittelbar sind. In einer Arbeitsgesellschaft, in der die Existenzsicherung sowie soziale Absicherung an Erwerbsarbeit gekoppelt ist, stellt dies für die Betroffenen ein grundlegendes Problem dar. Erschwerend kommt hinzu, dass in der heutigen Zeit Erwerbsarbeit in der Selbst- und Fremdwahrnehmung als etwas Identitätsstiftendes angesehen wird. Fällt die Arbeit weg, ist dies für viele mit Entwürdigung, einem Verlust von Status und einem Gefühl des „Nicht-mehrgebraucht-werdens“ verbunden. Vom Arbeitsmarkt ausgeschlossene Menschen, die nicht auf eigenes Vermögen oder Unterstützung aus dem näheren Umfeld zurückgreifen können, sind oftmals auf sozialstaatliche Unterstützung angewiesen.

Von welchen Personen ist hier die Rede? Wer unterliegt einem überdurchschnittlich hohen Risiko zum Klientel einer sozialstaatlichen Institution zu werden? Es sind insbesondere Menschen deren Ressourcen und Leistungsfähigkeit den Ansprüchen des Arbeitsmarktes nicht genügen oder gerade nicht gebraucht werden. Dies sind oft Personen mit geringen beruflichen Qualifikationen oder gesundheitlichen Einschränkungen. Ebenfalls zur Gruppe der eher vom Ausschluss Betroffenen gehören Personen mit Migrationshintergrund, psychisch Behinderte, Menschen höheren Alters, Suchtmittelabhängige und andere Randgruppen. Von einem institutionellen Blickwinkel aus gesehen haben vor allem folgende Personengruppen eine erschwerte Vermittelbarkeit. Aus der Perspektive der Sozialhilfe sind es Erwachsene ohne berufliche Qualifikation, erwerbslose Menschen über 50 und 16

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anerkannte Flüchtlinge. Bei der Invalidenversicherung handelt es sich um die Personen mit einer

gesundheitlichen

Beeinträchtigung

und

einer

Resterwerbsfähigkeit;

bei

der

Arbeitslosenversicherung insbesondere um Langzeitarbeitslose vor der Aussteuerung (vgl. Knoepfel, 2012, S. 10-12). Es können aber durchaus auch gut qualifizierte Menschen ins Fahrwasser des Ausschlusses geraten. Mit einer psychischen Erkrankung wie etwa einem Burnout, ist der hohen Belastung des angestammten Berufes oft nicht mehr beizukommen. Nach dem Ausscheiden eine Stelle zu finden, die den eigenen Qualifikationen entspricht und doch einer gesundheitsschonenden Flexibilität gerecht wird, ist schwierig. Auch diese Personen sind oft gezwungen, sich neu zu orientieren. Längerfristige Erwerbslosigkeit kann zu sehr gravierenden psychosozialen Beeinträchtigungen wie Depressionen, Ängsten, Selbstwertverlust oder psychosomatischen Beschwerden führen. Die Chancen einer Wiedereingliederung in den regulären Arbeitsmarkt nehmen mit anhaltender Arbeitslosigkeit ab (vgl. Mohr, Richter, 2008, S. 25-26). Die finanziellen Lasten, die dadurch auf den Staat zukommen sind beträchtlich. 2010 beliefen sich gemäss dem Bundesamt für Statistik (BFS) die Ausgaben für soziale Sicherheit auf knapp 153 Milliarden Franken, was 26,6 Prozent des Bruttoinlandprodukts entspricht. Im Vergleich zu anderen europäischen Staaten liegt die Schweiz in Bezug auf die Sozialquote (Sozialausgaben in Relation zum BIP) im Mittelfeld. Sozialhilfe kostete den Bund, die Kantone und Gemeinden knapp zwei Milliarden Franken. Dieser finanzielle Druck, der unter anderem aus dem hartnäckigen Beschäftigungsproblem resultiert, hat die verschiedenen sozialen Institutionen dazu bewogen, sich neue Strategien zur Kosteneindämmung zu überlegen. Deshalb setzen die Sozialversicherungen und die Sozialhilfe in den letzten Jahren immer verstärkter auf Konzepte der beruflichen Eingliederung. Dabei hat sich mit den letzten Revisionen der drei Sicherungssysteme IV, ALV und SH der Druck auf die Einzelnen laufend erhöht (vgl. Mühle, 2012, S. 64). Dies hat negativerweise dazu geführt, dass das Prinzip der Freiwilligkeit faktisch abgeschafft wurde und somit die Selbstbestimmung der Betroffenen unterhöhlt wird. Diese Gegebenheiten haben zur Herausbildung des sogenannten „Zweiten Arbeitsmarktes“ geführt. In diesem Arbeitsmarkt gibt es eine Vielzahl von subventionierten Massnahmen, Beschäftigungs- und Reintegrationsprogrammen, die darauf abzielen, Menschen zu beschäftigen, zu qualifizieren sowie sozial und beruflich zu integrieren. Eine verhältnismässig neue Entwicklung sind Sozialfirmen, die einen Spagat zwischen dem ersten und dem zweiten Arbeitsmarkt machen. Gegenwärtig ist zu vernehmen, dass dieses neue Modell auf breiter politischer Flur Zustimmung findet und gefördert wird. Aber was genau sind Sozialfirmen und wie erklärt sich ihre Popularität? Wie können sie charakterisiert werden und welche Rolle nehmen sie im Markt der Beschäftigung und Integration ein?

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3.1 Was ist eine Sozialfirma? In diesem Teil der Arbeit soll versucht werden, möglichst umfassend zu erklären, worum es sich beim Konstrukt der Sozialfirmen handelt. Um bei Leserinnen und Lesern, für die das Thema neu ist, eine gewisse Unvoreingenommenheit zu bewahren, werden in diesem Kapitel explizite Wertungen der Praxis von Sozialfirmen auf einem Minimum gehalten. Stellenweise sind normative Einordnungen unumgänglich, gleichwohl wird vorerst eine sachliche Beschreibung angestrebt. Im späteren Verlauf dieser Bachelorthesis soll explizit und analytisch bewertet werden, welchen individuellen und gesellschaftlichen Nutzen dieses Konstrukt mit sich bringt, indem die Geschäftspraktiken der Sozialfirmen aus einer professionsethischen Perspektive kritisch reflektiert werden. Neben Literatur- und Internetquellen orientiert sich dieses Kapitel vor allem an zwei explorativen Studien zu Schweizer Sozialfirmen. Eine Studie wurde durchgeführt vom Departement für Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (DSAS) der Fachhochschule der Italienischen Schweiz (SUPSI), die zweite von der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW). In beiden Untersuchungen ging es im Wesentlichen darum, das Selbstverständnis der Sozialfirmen empirisch zu ergründen und klare Definitionselemente abzustecken. Für eine fundierte Darstellung von „realen“ Modellen Schweizer Sozialfirmen, sind diese Studien sehr bedeutsam, da ansonsten lediglich eine theoretische und ideelle Auseinandersetzung mit der Thematik möglich ist. Generell ist festzustellen, dass die Empirielage zu Sozialfirmen in der Schweiz noch in den Kinderschuhen steckt und ausbaudürftig ist. Aber weshalb ist der Vergleich der theoretischen Ansätze und den empirischen Erkenntnissen so wichtig?

Die Erklärung dafür ist, dass der Ausdruck Sozialfirma kein rechtlich geschützter, klar definierter Begriff ist. Zwar ist er in aller Munde, tatsächlich ist die Situation in der Schweiz noch durch begriffliche Unklarheiten und eine konzeptionelle Diversität geprägt. Trotz der bestehenden Definitionen können Sozialfirmen anhand gesetzlicher Grundlagen, ihrer Grösse, der Branche oder Aktivitäten nicht eindeutig bestimmt werden. Diese Unklarheit führt dazu, dass Sozialfirmen keine eigene statistische Grösse darstellen. Demnach kann nur geschätzt werden, wie viele Sozialfirmen es in der Schweiz effektiv gibt. Es wird davon ausgegangen, dass 60-300 Sozialfirmen bestehen, wobei es Unternehmen gibt, die im definitorischen Sinne als Sozialfirmen bezeichnet werden könnten, sich aber nicht so nennen wollen. Umgekehrt existieren Einrichtungen, welche die Bestimmungsfaktoren nicht erfüllen, sich aber dennoch mit dem Namen schmücken (vgl. Wüthrich, 2010). Vielmehr ist der Begriff noch als ein „Label“ zu verstehen – ein Containerbegriff – dem sich eine steigende Zahl von Unternehmen zuordnen. Es bestehen demzufolge verschiedene Definitionen, die aber eher als Idealtypen zu verstehen sind. Für ein erstes Verständnis wird in der vorliegenden Arbeit eine Erklärung des Fachverbandes für unternehmerisch geführter 18

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Sozialfirmen (F.U.G.S.) zur Hand genommen. F.U.G.S. als Fachverband ist entstanden aus der früheren Arbeitsgemeinschaft der Schweizer Sozialfirmen (Assof), die sich im März 2013 auflöste. Auf ihrer Homepage definiert der Fachverband den Begriff Sozialfirma wie folgt: „Eine Sozialfirma ist eine Organisation zur Arbeitsintegration, die mit unternehmerischen Mitteln durch

die

Arbeit

der

Erwerbsbeeinträchtigten

Wertschöpfung

generiert,

sie

ist

eine

Hybridorganisation, die in ihrer Tätigkeit wirtschaftliche und soziale Ziele (Arbeitsintegration, Stellenschaffung für Erwerbsbeeinträchtigte) verfolgt.“ (Quelle: http://sozialfirmen.ch/index.php/sitemap/definition)

Einige Definitionen sind sehr spezifisch, andere wiederum weniger eng gefasst. Die CEFEC (Confederation of European firms, Employment initiatives and Cooperatives), ein Verband europaweit tätiger Sozialfirmen, hat in einem Diskussionspapier ausgearbeitet, dass Sozialfirmen nach „Grundsätzen und gesetzlichen Grundlagen der Privatwirtschaft“ arbeiten. Sie produzieren also Güter oder Dienstleistungen und versuchen diese gewinnbringend am Markt zu platzieren. Als ebenso wichtig wird das Ziel erachtet, Arbeitsplätze für Menschen mit einer Beeinträchtigung zu schaffen. Diese doppelte Zielsetzung ist in jeder Definition zu finden und gilt als grundlegendes Attribut einer Sozialfirma. Als erstes soll nun die wirtschaftliche Zielsetzung genauer betrachtet werden. Danach werden die soziale Zielsetzung sowie weitere wesentliche Merkmale erörtert. 3.1.1 Wirtschaftliche Zielsetzung Als

Organisationen

auf

dem

Nachfragemarkt,

versuchen

Sozialfirmen

über

die

Erlösorientierung Gewinne zu erzielen. Einige Unternehmen streben Gewinne an um diese in den Betrieb reinvestieren zu können, andere um immerhin selbsttragend zu sein (vgl. Adam, 2012, S. 160). Produktionstätigkeit der Sozialfirmen Sozialfirmen,

die

als marktorientierte

Unternehmungen

mit

gemeinnützigen

Zielen

bezeichnet werden können, fungieren in Nischenbereichen der Wirtschaft. Die Nische besteht darin, Arbeitsprozesse, die andere Unternehmen aus wirtschaftlichen Gründen auslagern, zu übernehmen. Das heisst, die Produkte und Dienstleistungen haben komplementär, also zum Angebot der Privatwirtschaft ergänzend und trotzdem marktfähig zu sein. Die ergänzende Funktion dieser Organisationen wird als elementar betrachtet, da eine konkurrierende Marktposition vom regulären Arbeitsmarkt nicht akzeptiert wird. Gemäss dem schweizerischen Arbeitgeberverband ist der zweite Arbeitsmarkt ohnehin „abzulehnen“. Nur in Fällen von einer eindeutigen Beeinträchtigung der Vermittelbarkeit sind Aktivitäten des zweiten Arbeitsmarktes zulässig. Voraussetzung dabei ist, dass sie keinesfalls die 19

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Funktionsfähigkeit des regulären Arbeitsmarktes stören (vgl. Homepage Arbeitgeberverband Schweiz, o.J.). Laut Marcel Paolino vom Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) sind Sozialfirmen nicht unbedingt von Innovation abhängig, sondern müssen über Produkte oder Dienstleistungen verfügen, die in verhältnismässig einfachen Arbeitsschritten produziert oder getätigt werden können. Grundsätzlich sind sie angewiesen auf Aufträge von anderen Unternehmen, die bereit sind ganze Betriebsprozesse auszulagern. Diese „Binnenauslagerung“ hat, im Unterschied zur Auslagerung ins Ausland verschiedene Vorteile für die auftraggebenden Unternehmen. Durch die geografische Nähe ergibt sich eine verbesserte Kommunikation, eine erleichtere Qualitätsprüfung und, durch die wettbewerbsfähigen Preise der Sozialfirmen sowie den niedrigen Transportkosten, eine attraktive Kosten-Nutzen-Situation (vgl. BSV, 2011, S. 110-111). Die Aufträge bestehen in der Regel aus einfacher industrieller Handarbeit und häufig sind Sozialfirmen „Multiprodukt-Organisationen“. Um ein Beispiel zu nennen, bietet die Genossenschaft b2 aus Basel eine ganze Palette von Arbeitsplätzen in den Bereichen Bau, Verkauf von Secondhandgütern, Gastronomie, Textildruck sowie Recycling an. Zusätzlich betreibt sie drei Malergeschäfte im regulären Arbeitsmarkt, in dem zugewiesene Angestellte die Möglichkeit zu einem beruflichen Aufstieg haben.

Die folgende Grafik stammt von der Fachhochschule Nordwestschweiz und zeigt die Geschäftsfelder von 48 befragten Sozialfirmen. Es ist klar ersichtlich, dass es gewisse Branchen gibt, die sich für eine arbeitsmarktnahe Beschäftigung von benachteiligten Personen besonders eignen.

(Quelle: www.web.fhnw.ch/.../em/.../workshop_g_sozialfirmen_in_der_schweiz.pdf )

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Durch die Akquisition von Aufträgen aus der Privatwirtschaft sind die Sozialfirmen im Stande, den zuweisenden Behörden der Sozialversicherungen oder der Sozialhilfe Arbeitsplätze für deren Klienten anzubieten Es zeigt sich sehr deutlich bei vielen Einrichtungen eine Fokussierung auf eine doppelte Marktorientierung. Organisationen, die sich als Sozialfirmen bezeichnen, sehen sich als Anbieter

von

Produkten

auf

dem

Nachfragemarkt,

sowie

Dienstleister

in

der

„Integrationsbranche“ (vgl. Adam, Amstutz, Wüthrich, 2011, S. 5). Sie orientieren sich demnach, etwas platt formuliert, an privatwirtschaftlichen und staatlichen Kundenbedürfnissen. Sozialfirmen werden in vieler Hinsicht wie reguläre privatwirtschaftliche Unternehmen geführt. Insbesondere grosse Betriebe mit unterschiedlichen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

von

unterschiedlichen

zuweisenden

Stellen

haben

komplizierte

innerbetriebliche Strukturen und Rechnungslegungen (vgl. ebd., 2011, S.6). Finanzierung Gemäss F.U.G.S. sollten, nach der Aufbauphase, mindestens 50 Prozent der Ausgaben durch die Eigenwirtschaftlichkeit des Vertriebs der Produkte respektive Dienstleistungen stammen. Dieses Ziel scheint in vielen Unternehmungen jedoch eher hoch gesteckt, da es nur „durch tiefe Löhne und einem hohen Anteil voll leistungsfähiger Mitarbeitenden erreicht werden“ (zit. Kehrli, 2007, S. 41) kann. Vergleicht man die Berechnungen der zwei Studien (FHNW und DSAS/SUPSI) dürfte der Selbstfinanzierungsgrad im Schnitt leicht unter der 50 Prozentmarke liegen. Dennoch gibt es durchaus einige Betriebe, die einer finanziellen Unabhängigkeit nahe kommen (Beispiel: Verein OK-Fôret, Genf). Die übrigen Einnahmen erhält die Sozialfirma von den zuweisenden Leistungspartnern beziehungsweise durch die öffentliche Hand. Die Finanzierung besteht demnach aus erwirtschaftetem Gewinn und öffentlichen Beiträgen. Nur einen geringen Teil der Finanzierung machen private Spenden aus. Der subventionierte Anteil der Einnahmen wird als der sogenannte „Nachteilsausgleich“ bezeichnet. Dies wird dadurch gerechtfertigt, dass die Anstellung und Betreuung von teilleistungsfähigen Mitarbeitenden höhere Fixkosten mit sich bringt. In den meisten Fällen können diese Aufwände nicht durch Eigenwirtschaftlichkeit gedeckt werden. Des Weiteren gilt zu beachten, dass Sozialfirmen ihre Güter und Dienstleistungen zu tieferen Preisen anbieten müssen um überhaupt Aufträge akquirieren zu können (vgl. BSV, 2011, S. 113). In

vielen

Betrieben

Betreuungspersonal,

werden

vor

allem

Betreuungskosten,

also

subventioniert.

Eine

mögliche

dabei

Variante

der ist,

Lohn dass

vom die

kooperierenden Betriebe und staatlichen Institutionen vertraglich festgelegte Beiträge oder Stundentarife

für

die

Anzahl

der

zugewiesenen

Personen

aushandeln.

Die

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Subventionierungsmodelle divergieren je nach Zuweisungsstelle (IV, ALV, SH). Neben der der Finanzierung von Betreuungskosten werden gewissen Firmen die Lohnkosten der benachteiligten Beschäftigten erstattet. Dies geschieht insbesondere dort, wo keine professionelle Betreuung der Zugewiesenen angeboten wird (vgl. Avilés, Bracci, Crivelli, 2012, S. 12-13). Dieser finanzielle „Nachteilsausgleich“ erlaubt es den Firmen ihre Arbeit zu günstigen Konditionen zu produzieren und anzubieten. 3.1.2 Soziale Zielsetzung Neben der Marktorientierung ist ein grundlegendes Ziel, die berufliche und soziale Integration von schwer vermittelbaren Menschen zu fördern. Es ist dieses Merkmal, dass Sozialfirmen merklich von herkömmlichen Unternehmungen unterscheidet. Die einzelnen Organisationen divergieren jedoch darin, wie und mit welchen Mitteln sie dieses Ziel erreichen wollen. Es kann unterschieden werden zwischen innerbetrieblicher und ausserbetrieblicher Integration, wobei Letzteres die Integration in den regulären Arbeitsmarkt bedeutet. Eine weitere soziale Zielsetzung kann das auf dem Nachfragemarkt angebotene Produkt darstellen. Es handelt sich hierbei um sozial- und umweltzuträgliche Produkte oder Dienstleistungen, die im öffentlichen Interesse stehen und somit als drittes Unternehmensziel betrachtet werden können (vgl. Kehrli, 2007, S. 40). Das Streben nach einer weiteren sozialen Dimension ist daran zu erkennen, dass viele angebotene Dienstleistungen einen umweltbezogenen Inhalt vorweisen, wie zum Beispiel Recycling, Upcycling (Umwandlung von Abfallprodukten zu neuwertigen Produkten) oder Gartenbau. In diesem Bereich kommt es zu Überschneidungen mit den sogenannten

„Sozialunternehmen“. Wie genau

Sozialunternehmen und Sozialfirmen zu unterscheiden sind, wird im Kapitel 3.3 verdeutlicht.

Gemäss der Studie von DSAS/SUPSI, in der 48 Schweizer Sozialfirmen zu ihrem Verständnis ihres Geschäftsmodells befragt wurden, beschränken sich die meisten Betriebe nicht nur darauf den Zugewiesenen eine Beschäftigung zu ermöglichen, sondern ihnen auch Dienstleistungen im Sozial-, Bildungs- und Umweltbereich zu bieten. Beispielsweise bieten diejenigen Betriebe, die Personen von der Invalidenversicherung anstellen, häufig auch Wohn- oder Freizeitdienstleistungen an. Ein Grossteil der Organisationen gab ferner an, Ausbildungskurse, berufliche Umschulung sowie Dienstleistungen im Bereich Sozialberatung und Bewerbungshilfe anzubieten (vgl. Avilés, Bracci, Crivelli, 2012, S. 9). Diese Ergebnisse überschneiden sich mit der Studie der Fachhochschule Nordostschweiz. Die Autoren der Studie strukturieren die sozialen Ausprägungen in folgende Punkte: 

Vorbereitung auf die Integration in den ersten Arbeitsmarkt mittels Angeboten zur „sozialen Integration“, Tagesstruktur, Arbeitsgewöhnung etc.

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Integration in den ersten Arbeitsmarkt mittels Qualifizierung, (Bewerbungs-)Training, Ausbildung, Vermittlung, Job Coaching etc.



reguläre Anstellung von Menschen mit einer Beeinträchtigung/Benachteiligung mittels Schaffung von Arbeitsplätzen.

(vgl. Adam, Amstutz, Wüthrich, 2011, S. 6) Psychosoziale Betreuung Ein weiterer wichtiger Punkt in der sozialen Ausrichtung ist die psychosoziale Betreuung der zugewiesenen Angestellten. Die Mehrheit der Betriebe verfügen über interne Betreuungsmodelle. Diese Sozialfirmen haben eigenes agogisch, sozialpädagogisch oder psychologisch ausgebildetes Personal, das neben den Tätigkeiten in der Produktion auch psychosoziale Unterstützung übernimmt. Diese Personen haben neben einem Diplom im sozialen Bereich oft auch einen technischen oder administrativen Berufshintergrund (vgl. Avilés, Bracci, Crivelli, 2012, S. 9). Neben den Betrieben, die eine psychosoziale Betreuung als eine ihrer Aufgaben betrachten, gibt es auch eine Gruppe von Sozialfirmen, die eine enge Betreuung ihrer zugewiesenen Angestellten ablehnen. Ein Beispiel dafür ist die Dock Gruppe AG, die grösste Sozialfirma der Schweiz und eine Tochterfirma der „Stiftung für Arbeit“. In ihrem im Jahr 2010 erschienen Buch zu ihren Erfahrungen als Geschäftsführerinnen der Dock Gruppe AG erläutern Daniela Merz und Lynn Blattmann ihre Vorstellung, wie Betreuung in ihrer Sozialfirma zu gestalten ist. So betont Merz in einem Interview am Schluss des Buches: „Betreuung ist wichtig in geschützten Werkstätten; in einer Sozialfirma hingegen darf man nicht betreuen, man muss führen. Ich glaube nicht, dass man beides kann, man muss sich entscheiden. Nur mit einer klaren persönlichen Führung kann man das Vertrauen der Arbeitnehmenden gewinnen“ (S. 153). Diese Form der Beschäftigung wird im 5. Kapitel noch vertiefter beleuchtet werden. Aus den empirischen Erhebungen ist zu erkennen, dass sich Sozialfirmen in der Ausgestaltung ihrer sozialen Zielsetzung sowie in ihrer Vorstellung von der Betreuung ihrer Angestellten stark unterscheiden können. Welche Betreuungsform angewandt wird, hängt womöglich

sehr

vom

organisationsinternen

Menschenbild

und

natürlich

von

den

zugewiesenen Arbeitnehmenden ab. Auch innerhalb des psychosozialen Betreuungsspektrums gilt es zu differenzieren. Wer mit Behinderten zusammenarbeitet benötigt etwa ein anderes Verständnis sowie andere Methoden, als jemand, der vorübergehend angestellte Arbeitslose innerbetrieblich unterstützt.

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3.1.3. Weitere Merkmale Neben den zwei zentralen Eigenschaften, der wirtschaftlichen und sozialen Orientierung, gibt es noch einige andere organisationale Merkmale anhand denen Sozialfirmen, zumindest theoretisch, identifiziert werden können. Durchmischung der Angestellten Per Definition haben Sozialfirmen sich zur Auflage gemacht, mindestens 30 Prozent ihrer Belegschaft aus zugewiesenen Personen der SH, IV oder ALV zusammenzustellen. Die Relation von regulär angestellten Personen und Zugewiesenen ist jedoch dehnbar. Es wird an verschiedenen Stellen betont, dass eine enge Zusammenarbeit zwischen den benachteiligten und nicht-benachteiligten Mitarbeitenden eine zentrale Rolle spielt (vgl. Kehrli, 2007, S. 42). Um eine Gleichberechtigung und ein Kooperationsverhältnis mit der regulären Belegschaft garantieren zu können, wird empfohlen eine Obergrenze von etwa 70 Prozent zugewiesener Angestellter nicht zu überschreiten. Es gibt aber durchaus einige Sozialfirmen, die eine Benachteiligten-Quote von 80% oder mehr ausweisen. In Bezug auf die Selbstfinanzierung, die mit der Personalstruktur eng zusammenhängt, ist kein eindeutiges Muster zu erkennen. Neben Betrieben die finanziell fast unabhängig sind und eine Quote von bis zu 75 Prozent Zugewiesenen haben, gibt es auch umgekehrte Beispiele. Also eine tiefe Benachteiligten-Quote und einen hohen Subventionierungsgrad (vgl. Adam, Amstutz, Wüthrich, 2011, S. 4). Woran dies liegt, ist aus den Studien nicht zu entnehmen. Womöglich spielen

Faktoren wie die Rentabilität einer Arbeitsbranche oder der

Betreuungsgrad der Benachteiligten eine Rolle. Beschäftigungsverhältnisse Laut der Definition von F.U.G.S. sollten Anstellungen bei Sozialfirmen unbefristet sein. Hier gibt es jedoch eine Differenz zwischen dem Westschweizer Ansatz, wo Sozialfirmen als Überganslösung betrachtet werden, und dem Deutschschweizer Verständnis von F.U.G.S.. Mittlerweile zeigt die Realität, dass Daueranstellungen auch in der Deutschschweiz nicht flächendeckend angeboten werden können. Insbesondere Organisationen, die darauf spezialisiert sind Personen aus der Verwaltungskategorie Sozialhilfe einzustellen, können häufig nur Übergangslösungen bzw. befristete Beschäftigungsverhältnisse anbieten. So zu sehen am Beispiel der Dock-Gruppe AG, St. Gallen. Während die Geschäftsführerinnen Daniela Merz und Lynn Blattmann in ihrem Buch und auf ihrer Homepage ausschliesslich unbefristete Arbeitsverträge für Arbeitnehmende propagieren, ist das aufgrund struktureller Gegebenheiten in der Stadt St. Gallen nicht mehr möglich. Auf Anfrage beim Sozialamt St. Gallen wurde bestätigt, dass Personen, bei denen nach einem Arbeitsjahr bei der DockGruppe AG keine Aussicht auf eine Integration in den ersten Arbeitsmarkt besteht, ihre Stelle

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bei der Organisation wieder verlieren. Diese Personen erhalten ab dem Zeitpunkt wieder reguläre Sozialhilfe und müssen eine andere Lösung finden. Diese Regelung begründet sich damit, dass das Sozialamt St. Gallen nur eine limitierte Anzahl Plätze finanziert und diese für Personen mit einer Aussicht auf Vermittelbarkeit verfügbar gemacht werden müssen. Auch diese Praxis wird im späteren Verlauf dieser Arbeit genauer beleuchtet. Im Gegensatz dazu tendieren Einrichtungen, die sich auf die Beschäftigung von Bezügerinnen und Bezüger von Invalidenrenten konzentrieren, eher dazu, Langzeitarbeitsstellen anzubieten (vgl. Avilés, Bracci, Crivelli, 2012, S. 8).

Die verschiedenen Lohnmodelle hängen von der Leistungsfähigkeit, der Zuweisungsstelle und vom Rechtsstatus der eingegliederten Person ab. Als Ziel der F.U.G.S. werden orts- und branchenübliche Löhne definiert. Es werden verschiedene Lohnmodelle diskutiert und angewendet. Eines der Modelle ist der Volllohn. In diesem Fall zahlt die Sozialfirma allen zugewiesenen Personen einen orts- und branchenüblichen GAV-Lohn. Die Angestellten erhalten den Lohn und leisten die regulären Sozialbeiträge. Die Sozialfirmen zahlen effektiv aber nur den Lohnbetrag bemessen am Grad der Leistungsbeeinträchtigung. Der übrige Lohnanteil wird von der zuweisenden Stelle übernommen (siehe Kapitel 2.1.1.) (vgl. Kehrli, 2007, S. 69-70). Dieses Modell hat den Vorteil, dass eine Gleichberechtigung der Arbeitnehmenden erzielt wird und es einen motivierenden Charakter besitzt. Es beinhaltet jedoch auch komplexe Facetten in der Umsetzung. Rainer Hartmann vom BSV zufolge ist es einerseits

für

einen

Betreib

aufwendig,

denn

es

bedingt

eine

kontinuierliche

Leistungseinschätzung der Angestellten. Dies setzt voraus, dass die Unternehmen ein praktikables und effizientes Messsystem haben, respektive geschultes Personal, das die Leistungen und Fortschritte der Zugewiesenen einzuschätzen vermag. Dazu kommt, dass der Volllohn, je nach Pensum und finanzieller Situation, nicht zwingend existenzsichernd sein muss. In diesem Fall müssten Sozialleistungen die fehlenden Beträge decken und es entstünde

wieder

eine

unmittelbare

Abhängigkeit

von

sozialstaatlichen

Unterstützungsleistungen. Ein weiterer möglicher Nachteil, sozusagen die Kehrseite der Medaille der motivierenden Vollwertigkeit, ist der mangelnde Anreiz innerhalb der Firma mehr zu leisten oder sich um eine Stelle im ersten Arbeitsmarkt zu bemühen (vgl. BSV, 2011, S. 115). Es erscheint jedoch fraglich, ob finanzielle Anreize allein die Motivation, eine reguläre Stelle anzustreben, untergräbt. Ein

zweites

Modell,

das häufig

angewandt

wird

ist

der

Teillohn.

Bei

diesem

Vergütungsmodell zahlt die Firma den Angestellten einen Leistungslohn aus. Dazu werden die Angestellten in eine leistungsbezogene Lohnkategorie eingestuft. Ergänzend zum Teillohn zahlen die zuständigen Institutionen ihre Sozialbeiträge in Koordination zum Teillohn

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aus. Dieses Modell hat die Schwäche, dass sie generell weniger motivierend wirkt, da die unmittelbare Abhängigkeit vom Sozialstaat bestehen bleibt. Neben dem Voll- und Teillohnmodell gibt es auch einen erheblichen Teil von Betrieben, insbesondere Partnerbetriebe der ALV, die gar keinen Lohn auszahlen. Hier entrichtet die sozialstaatliche Institution die vollen Unterstützungsbeiträge. Die Anstellung erhält dadurch einen anderen Charakter (vgl. Kehrli, 2007, S. 70).

Allgemein halten die Autoren der DSAS/SUPSI-Studie fest, dass das Ziel eines normalisierten Beschäftigungsverhältnisses mit einer orts- und branchenüblichen Vergütung kaum von einer Sozialfirma gewährleistet wird. Nur in den seltensten Fällen wird die angestrebte Gleichstellung mit der regulären Arbeitnehmerschaft erreicht. Hinsichtlich der Vergütung muss festgehalten werden, dass die Realität dem Idealtypus kaum entspricht. Davon ausgehend, dass der Status einer zugewiesenen Person sich auch am finanziellen Verdienst misst und dies mit der persönlichen Würde sowie Identität korreliert, stehen die läufigen Vergütungsmodellen einer erfolgreichen Integration eher im Weg (vgl. Avilés, Bracci, Crivelli, 2012, S. 9).

Rechtsformen In Abgrenzung zu behördlichen arbeitsmarktlichen Massnahmen sind Sozialfirmen juristische Personen, beziehungsweise juristische Einheiten. Eine juristische Person kann als unternehmerisches Gebilde mit eigener Rechtsfähigkeit verstanden werden. Sie unterliegt Rechten und Pflichten und kann vor Gericht klagen und angeklagt werden. Juristische Personen

sind

etwa

Kapitalgesellschaften

wie

Aktiengesellschaften,

Kommandit-

gesellschaften, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Genossenschaften, Vereine und Stiftungen (vgl. Vimentis, 2011). Jede dieser Rechtsformen hat ihre Vor- und Nachteile. Einige setzen grössere Hürden bei der Gründung voraus, andere wiederum beinhalten Schwierigkeiten und Risiken beim Betrieb nach der Aufbauphase. Wer sich eine Liste verschiedener Unternehmen, die sich als Sozialfirmen bezeichnen, genau studiert, wird feststellen, dass in den überwiegenden Fällen Stiftungen oder Vereine als Trägerschaften fungieren. Gemäss der DSAS/SUPSI-Studie liegt das an der Entstehungsgeschichte vieler Sozialfirmen in der Schweiz. Denn viele private Organisationen wurden durch öffentliche Träger aktiver Massnahmen ins Leben gerufen (vgl. Avilés, Bracci, Crivelli, 2012, S. 5). Als Beispiel hierfür kann wiederum die Dock-Gruppe, mittlerweile eine Aktiengesellschaft, genannt werden. Sie wurde von der Stiftung für Arbeit gegründet, welche von der politischen Gemeinde St. Gallen, dem Gewerbeverband, dem Gewerkschaftsbund und den beiden Landeskirchen gegründet wurde. Für staatliche Stellen, die im privatwirtschaftlichen Non-Profit-Bereiche agieren möchten, ist die unkomplizierte Gründung 26

Bachelorarbeit

Kevin Baumann

von Vereinen oder Stiftungen wohl ausschlaggebend. Es gibt aber auch durchaus solide auf dem Markt platzierte Genossenschaften wie die b2 aus Basel oder Clic aus Lugano sowie Kapitalgesellschaften wie die Dock-Gruppe AG oder Oltech GmbH.

3.2 Verschiedene Typen von Sozialfirmen Bei einer Kategorisierung von Sozialfirmen muss darauf geachtet werden, wie die Unterscheidungsmerkmale gewichtet werden. Eine Möglichkeit, die sich dafür anbietet, ist die Typisierung anhand der Zielgruppen. In der DSAS/SUPSI-Studie wurden die 48 untersuchten Betriebe in verschiedene Prototypen eingeteilt. Für diese Arbeit wird in Anlehnung an die genannte Studie, in vereinfachter Form, eine Einteilung in drei Kategorien erstellt. Die erste Kategorie, die gebildet werden kann bezieht sich auf diejenigen Betriebe, die sich auf die Integration von Menschen mit einer Behinderung oder geistigen Beeinträchtigung konzentrieren. Zuweisende Stelle ist in diesem Fall die Invalidenversicherung. Diese Organisationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Zugewiesenen in der Regel unbefristet anstellen und versuchen in den Betrieb zu integrieren. Der Lohn ist ergänzend zur IV-Rente und es wird auf eine psychosoziale Betreuung respektive agogische Begleitung Wert gelegt. Wie fast alle Sozialfirmen setzen diese Betriebe auf eine Multiprodukt-Palette. Ausnahmen sind die Gastronomiebetriebe, wie etwa das Restaurant Blinde Kuh, die sich auf ein Marktsegment spezialisieren (vgl. Avilés, Bracci, Crivelli, 2012, S.16). Eine zweite Kategorie stellen diejenigen Betriebe dar, die sich auf eine befristete Integration von Erwerbslosen konzentrieren. Die Leistungspartner in dieser Sparte sind insbesondere Sozialämter sowie künftig womöglich vermehrt auch die ALV. Der Fokus in diesem Modell liegt auf der Integration in den regulären Arbeitsmarkt. In diesem Segment verfügen weniger Angestellte über sozialpädagogische oder agogische Ausbildungen. Die Vergütung kommt in der Regel nicht von der Sozialfirma, sondern wird behördlich als Unterstützungsleistung ausbezahlt (vgl. ebd. 2012, S.17). Zur dritten Kategorie gehören Einrichtungen, die sich auf eine dauerhafte Integration von Erwerbslosen konzentrieren. Diese Betriebe arbeiten ausschliesslich mit Sozialämtern zusammen und fokussieren sich auf eine unbefristete berufliche Beschäftigung von ausgesteuerten Personen. Der Verdienst wird von den Betrieben entrichtet, diese erhalten wiederum den Nachteilsausgleich von der öffentlichen Hand. Die psychosoziale Betreuung ist in diesen Einrichtungen wenig ausgebaut (vgl. ebd. 2012, S. 18). Es ist zu beachten, dass diese Kategorien nicht derart trennscharf sind, um sie als allgemeingültig zu erklären. Denn es gibt auch Sozialfirmen der zweiten Kategorie, die sehr wohl Wert auf professionelle Begleitung legen. Auch gibt es Betriebe der dritten Kategorie, die zwar ein Angebot von Dauerarbeitsplätzen anstreben, es jedoch aus strukturellen 27

Bachelorarbeit

Kevin Baumann

Gründen nicht können. Dennoch schafft diese Kategorisierung einen Überblick, welche Bandbreite von Angeboten Sozialfirmen gegenwärtig anbieten.

3.3 Die Abgrenzung von Sozialfirmen zu Sozialunternehmen Sozialfirmen können als marktnahe Beschäftigungsprogramme bezeichnet werden. Gemäss Stefan M. Adam, Dozent an der Fachhochschule Nordwestschweiz, grenzen sie sich von der klassischen Non-Profit-Organisation ab, die sich in der Regel gänzlich aus Spenden, beziehungsweise Gelder der öffentlichen Hand finanzieren. Deren unternehmerisches Ziel ist das Erreichen einer möglichst hohen sozialen Rendite. Andererseits unterscheiden sie sich auch deutlich von den klassischen For-Profit-Unternehmen, deren Ziel die reine finanzielle Gewinnmaximierung ist. Gewissermassen stehen die Sozialfirmen als hybride Konstrukte zwischen der Non- und For-Profit-Unternehmensform (2012, S.11). Wer zum Thema Sozialfirmen recherchiert, stösst unweigerlich auch auf den Begriff Sozialunternehmung.

Eine

eindeutige

Unterscheidung

der

beiden

Organisations-

bezeichnungen ist aus verschiedenen Gründen nicht sofort augenfällig. Denn einerseits, wie bereits erwähnt, ist die Sozialfirma in der Schweiz kein rechtlich definierter Begriff und lässt dadurch Deutungsfreiraum offen. Andererseits kann, von der Sozialfirmendefinition von F.U.G.S. ausgehend, behauptet werden, dass alle Sozialfirmen als Sozialunternehmen bezeichnet werden können, jedoch nicht alle Sozialunternehmen als Sozialfirmen. Wie ist das zu verstehen? Sozialunternehmen – auch im deutschsprachigen Raum oft „Social Enterprises“ genannt – streben mit ihrem Wirken „Lösungen gesellschaftlicher Probleme durch innovative Ideen“ (zit. Lorentz, Streiter, 2013, S. 10) an. Laut der Schweizer Organisation Seif (Social Entrepreneurship Initiative & Foundation) versuchen Sozialunternehmen Herausforderungen in Bereichen wie Gesundheit, Soziales, Bildung, Umwelt und Unternehmensentwicklung mit unternehmerischen Mittel in Angriff zu nehmen. Dieses Unternehmensprofil kann durchaus auch auf Sozialfirmen zutreffen. Was jedoch auf jede Sozialfirma zutrifft, nicht aber auf jede Sozialunternehmung, ist die Beschäftigung behördlich zugewiesener Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Sozialunternehmen hingegen können mannigfaltige soziale Ziele verfolgen, müssen dafür aber keine, auf dem Arbeitsmarkt benachteiligten Personen, einstellen. Gewissermassen stellen Sozialfirmen eine Untergruppe der Sozialunternehmen dar.

3.4 Sozialfirmen in Europa Die Schweiz ist in Bezug auf die Entwicklung von Sozialfirmen eine Nachzüglerin. Hier ist seit Mitte der 1990er-Jahre die Entstehung von immer mehr Betrieben mit Integrationszielen zu beobachten. In Italien entstanden als reaktionäres Verhalten auf die Aushöhlung des 28

Bachelorarbeit

Kevin Baumann

Sozialstaates bereits Ende der 1970er-Jahre zivilgesellschaftliche Bewegungen um gegen die anhaltende Arbeitslosigkeit im Land anzukämpfen. Es wurden Initiativen und Kooperativen gegründet, um dem sozialpolitischen Druck durch den Staat zu begegnen. Diese

„Bottom-Up“-Bewegungen

fussten

auf

basisdemokratischen

Strukturen

und

versuchten strukturellen Ausgrenzungsmechanismen des Arbeitsmarktes entgegenzuwirken. Diese „Coopertive Sociali“ waren die erste Form von Sozialfirmen in Europa. Die Angestellten waren nicht dabei um geheilt oder eingegliedert zu werden, sondern feste Bestandteile der Firma, die sich partizipativ einbringen sollten. Mittlerweile haben sich diese Kooperativen in Italien etabliert und sind feste Bestandteile der sozialen Politlandschaft (vgl. Defourny, Gardin, Laville, Nyssens, 2012, S. 6). Deutschland kennt seit Ende der siebziger Jahre die sogenannten Integrationsfirmen. Diese sozialpolitische Massnahme wurde gegründet um der steigenden Arbeitslosigkeit in der BDR zu begegnen. Gegenwärtig bieten rund 700 Integrationsbetriebe in Deutschland Arbeitsplätze für Ausgeschlossene des Arbeitsmarktes an. Der Fokus liegt Primär auf der beruflichen Beschäftigung und Qualifikation von behinderten Menschen und nicht auf der Integration in den ersten Arbeitsmarkt. Die Integrationsbetriebe sind gesetzlich anerkannte, besondere Betriebe des allgemeinen Arbeitsmarktes. Das festgelegte Ziel ist die Anstellung eines BeeinträchtigtenAnteils von 25 bis 50 Prozent. Ähnliche Projekte und Betriebe werden nun auch für die Zielgruppe der Langzeitarbeitslosen in Deutschland gefördert, da sich der deutsche Sozialstaat eine erhebliche finanzielle Einsparung mit Integrationsbetrieben verspricht (vgl. www.bag-if.de). In Grossbritannien entwickelten sich in den neunziger Jahren das Konzept der

„Social

Firms“.

Zu

dieser

Zeit

wurden

in

Grossbritannien

viele

öffentliche

Dienstleistungen ausgegliedert und privatisiert. Nach einer Pilotphase gewann die Entwicklung an Fahrt und immer mehr „Social Firms“ wurden gegründet. Der SozialfirmenVerband in England ist sehr aktiv, gut organisiert und hat viele neue Ansätze herausgearbeitet (vgl. www.socialfirmsuk.co.uk). Neben den drei vorgestellten Ländern haben viele andere europäische Länder eigene Betriebe, die in irgendeiner Form dem Konstrukt der Sozialfirmen nahe stehen. Deshalb wurde das Netzwerk CEFEC gegründet. Die CEFEC sammelt Daten, erstellt Studien und versucht über Erfahrungsaustausch die Entwicklung von Sozialfirmen zu fördern. Ferner strebt sie einen beschränkten Handelskreislauf zwischen den tätigen Sozialfirmen an (InterTrading),

um

so

die

marktwirtschaftlichen

Ressourcen

zu

erweitern

(vgl.

www.socialfirmseurope.org).

3.5 Resümee der definitorischen Annäherung Nach diesen Ausführungen darüber, was eine Sozialfirma darstellt, lohnt es sich nochmals einen Blick darauf zu werfen, welche Definitionspunkte wesentlich sind für eine Abgrenzung 29

Bachelorarbeit zu

anderen

Kevin Baumann Organisationen.

Denn

wie

zu

erkennen

ist,

verbleiben

gewisse

niedergeschriebenen Merkmale auf der theoretischen Ebene des Idealtypus und werden nicht in der Praxis umgesetzt. Umgekehrt haben gleichzeitig Praxisentwicklungen stattgefunden, die als theoretische Erkennungsindikatoren nicht festgehalten sind. Die doppelte Zielsetzung, demzufolge die soziale und wirtschaftliche Orientierung, ist das wesentlichste Attribut und wird auch von allen Betrieben, die sich als Sozialfirmen bezeichnen, angestrebt. Doch dieser Punkt alleine genügt nicht um eine klare Abgrenzung zu schaffen. Denn andere arbeitsmarktliche Massnahmen wie IV-Werkstätte streben ebenfalls einen sozialen sowie finanziellen Gewinn an. Der Selbstfinanzierungsgrad von 50 Prozent ist ein weiterer Indikator, wird aber von vielen Betrieben nicht erreicht. Des Weiteren sind auch in der Gestaltung der Personalstrukturen und der Anstellungsdauer grosse Differenzen zu beobachten. Am gravierendsten klaffen Theorie und Praxis jedoch im Bereich der Beschäftigungsverhältnisse auseinander. Hier ist festzuhalten, dass „normalisierte“ Beschäftigungsverhältnisse die absolute Ausnahme bleiben – sowohl was die Vergütung, als auch die Gleichstellung der Angestellten anbelangt. Es ist ganz eindeutig zu sehen, dass in der jetzigen Sozialfirmen-Landschaft eine enorme Heterogenität herrscht. Die Kombination der verschiedenen Erkennungsfaktoren ergeben Dutzende unterschiedliche Modelle, die an lokale Anforderungen angepasst sind. Diese Vielfalt scheint gewissermassen auch sinnvoll. Als Rahmenkonstrukt mit diversen Anspruchsgruppen, in verschiedenen Kantonen agierend mit verschiedenen Rechtsgrundlagen, ist eine gewisse Asymmetrie eine logische Folge. Wichtig erscheint hier, dass die Anspruchsgruppen individuell zugeschnittene Betreuung erwarten dürfen. In gewissen Fällen bedarf es einer engeren Begleitung und stärkeren Akzentuierung der psychosozialen Betreuung als in anderen. Sozialfirmen müssen klientenzentriert sein, denn verschiedene Beispiele, wie in Italien (vgl. Kehrli, 2007, S 18) haben gezeigt, dass die soziale Komponente leidet wenn der wirtschaftliche Fokus einer Firma zunimmt. So wäre es zu begrüssen, wenn eine politische Regelung, wie etwa eine Arbeitsmarktaufsicht, oder eine klare gesetzliche Verankerung implementiert würde um Auswüchse einzuschränken und Klarheit zu schaffen. Eine weitere Möglichkeit wäre die Bedingung einer Zertifizierung von Sozialfirmen. So würden Einrichtungen dazu angehalten werden, Qualifikationsstandards anzustreben und es gäbe eine Form von Kontrolle. Ein Qualitätsmanagement-Tool wäre beispielsweise die Norm SVOAM:2010 (vgl. Arbeitsintegration.ch). Der Markt der Sozialfirmen boomt regelrecht und deshalb ist noch einiges an Handlungsbedarf zu verorten. Es reicht nicht einfach Stellen zu schaffen, damit Benachteiligte für eine gewisse Zeit parkiert werden können. Massnahmen haben sich an Wirksamkeit, Würde und Integrität der zugewiesenen Personen zu messen. Und dies setzt

30

Bachelorarbeit

Kevin Baumann

voraus, dass qualitative Angebote geschaffen werden, eine gerechte Entlohnung erreicht wird und die Personen bedürfnisgerechte Unterstützung erhalten.

In dieser Hinsicht lohnt sich aber die Frage, ob es strukturell überhaupt möglich ist, die Angebote wie beschrieben zu schaffen? In einer Zeit der Revisionen – in der die sozialen Sicherungssysteme darauf erpicht sind, Eingliederungsmassnahmen nach dem Motto „Arbeit um jeden Preis“ zu forcieren – ist die Frage erlaubt, ob so den Bedürfnissen der vom Arbeitsmarkt ausgeschlossenen Menschen beizukommen ist? Oder sind Sozialfirmen nur Kontroll- und Disziplinierungsinstrumente des Sozialstaats, in dem zwanghafte Aktivierung das

vorherrschende

nachgegangen,

Paradigma

indem

eine

darstellt?

Dieser

professionsethische

Frage

wird

Perspektive

im der

vierten

Kapitel

Sozialen

Arbeit

eingenommen wird. Zuvor wird jedoch in einem nächsten Schritt ein genauer Blick auf den Zweiten Arbeitsmarkt geworfen, um herauszufinden wo Sozialfirmen zu verorten sind und welche Funktion sie übernehmen.

31

Bachelorarbeit

Kevin Baumann

4. Die Rolle der Sozialfirmen im Feld der beruflichen Eingliederung Dieses Kapitel beginnt mit einer kleinen Geschichte: Man stelle sich ein grosses Boot und eine grosse Anzahl von Menschen vor. Das Ziel fast aller Menschen ist es, einen Platz auf dem Boot zu ergattern. Denn ein Platz auf dem Boot bedeutet Sicherheit. An Land drohen Fluten, bereits jetzt steht vielen das Wasser bis zum Hals. Doch der Platz ist begrenzt. Für einige bleibt nichts anderes übrig als an Land zu bleiben. Viele der an Land Gebliebenen sind unglücklich und wollen auf das Boot. Einige auf dem Boot sind unglücklich über die an Land Gebliebenen, da auch für ihre Sicherheit gesorgt werden muss und dies eine Belastung für die Allgemeinheit darstellt. Und so oder so ist es auf dem Boot am schönsten, da sollten doch alle an Bord kommen können. Deshalb versuchen einige findige Crew-Mitglieder Wege zu finden, wie noch mehr Leute an Bord geholt werden können. Ein Weg ist es die Leute an Land fit und schlank zu machen, damit sie in die, noch verfügbaren, Nischen passen. Eine andere Methode ist es die Leute auf dem Boot zu fragen, ob womöglich noch ein wenig Platz in einer Koje vorhanden wäre. Andere wiederum versuchen mit handwerklichen Mitteln das Boot zu vergrössern um so die Kapazität zu erhöhen. Sehr viele Anstrengungen werden unternommen, aber dennoch – es gelingt nie ganz alle auf das Boot zu holen.

Diese kurze, frei erfundene Schilderung weist zwar Ähnlichkeiten zu einer bekannten Bibelgeschichte auf, steht aber sinnbildlich für den heutigen Arbeitsmarkt und das Feld der Arbeitsintegration. Denn auch die Massnahmen zur beruflichen Eingliederung sind nichts anderes als Bemühungen,

Personen

auf

ein

dicht

gedrängtes Boot

zu

holen.

Arbeitsintegration versucht das Potenzial des regulären Erwerbsmarktes voll auszuschöpfen, wie auch alternative Beschäftigungsmöglichkeiten zu gestalten. Die Bemühungen, die Integration in den Arbeitsmarkt zu fördern, beruhen auf zwei wesentlichen Zielen. Einerseits geht es darum Personen vor einer sozialen Desintegration zu bewahren. Die berufliche Tätigkeit ermöglicht den Menschen sozialen Kontakt, soziale Teilhabe, gibt ihnen Strukturen und Identität. Arbeitslosigkeit hingegen fördert den Rückzug und mindert das Selbstwertempfinden. So zumindest die geläufige Annahme. Dies trifft bestimmt nicht auf alle Menschen zu, hat aber zumindest in einem Land wie der Schweiz eine gewisse Richtigkeit. Das zweite Ziel ist finanzieller Natur. Es muss nicht gross erklärt werden, dass eine Reintegration in das Erwerbsleben, die Individuen wieder finanziell unabhängig(er) macht und den Sozialstaat entlastet. Die Förderung von Arbeitsintegration wiederum fusst auf dem Wertprinzip, dass Arbeit die tragende Säule für die individuelle und gesellschaftliche Stabilität darstellt. Diese unhinterfragte Prämisse ist das Fundament aller

32

Bachelorarbeit

Kevin Baumann

sozialpolitischen Anstrengungen im Bereich der Arbeitsintegration (vgl. Mey, Schaufelberger, 2010, S. 15-16). Das Feld der beruflichen Eingliederung ist ein stark wachsender Markt. Und in diesem Feld gedeiht auch das Modell der Sozialfirmen prächtig. Der Grund dafür ist die konstatierte Förderung beruflicher Eingliederungsmassnahmen in der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik. Die beruflichen Eingliederungsmassnahmen sind mittlerweise mannigfaltig ausgestaltet und haben unterschiedliche institutionelle Herkünfte. Die drei grössten Akteure sind die schweizerische Arbeitsmarktbehörde, die Invalidenversicherung sowie die Sozialhilfe. In diesem Kapitel sollen diese drei Systeme der sozialen Sicherheit vorgestellt und aufgezeigt werden, welche Rolle Sozialfirmen innerhalb der Bemühungen zur sozial-beruflichen Integration der genannten Institutionen einnehmen.

4.1 Die schweizerische Arbeitsmarktbehörde Die schweizerische Arbeitsmarktbehörde ist angegliedert an das Staatssekretariat für Wirtschaft

(Seco).

Sie

ist

zuständig

für

die

Arbeitsvermittlung

und

das

Arbeitslosenversicherungsgesetz. Das Seco stellt sich zur Aufgabe, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen und Wiedereingliederungsmassnahmen zu unterstützen. Sie arbeitet dabei mit verschiedenen Partnern zusammen (vgl. Treffpunkt-Arbeit, o.J.). Ein Bereich der Arbeitsmarktbehörde ist die Arbeitslosenversicherung (ALV). Die ALV ist eine Versicherung gegen den Erwerbsausfall bei Verlust einer Arbeitsstelle. Es besteht eine umfassende Versicherungspflicht für alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die über Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträge finanziert wird. Die Beitragshöhe beträgt 2,2 Prozent des

versicherten

Einkommens.

Fast

alle

Personen,

die

bei

der

Alters-

und

Hinterlassenenversicherung (AHV) versichert sind, unterstehen automatisch dem Schutz der ALV. Nicht automatisch versichert sind Selbstständigerwerbende. Die Arbeitslosenentschädigung beträgt 70 Prozent des versicherten Verdienstes und wird in Taggeldern ausbezahlt. Je nach Beitragszeit, Alter, Unterhaltspflicht oder Invaliditätsgrad werden zwischen 90 bis 640 Taggelder ausgerichtet. Personen, die unterhaltspflichtig sind, einen gewissen Invaliditätsgrad ausweisen oder deren Taggeld weniger als 140 Franken beträgt sind berechtigt auf 80 Prozent ihres versicherten Verdienstes (vgl. Informationsstelle AHV/IV, 2012). Die obligatorische ALV wurde 1984 in der Schweiz eingeführt. Verantwortlich für die Prüfung der Anspruchsvoraussetzungen der Versicherten sind die Arbeitslosenkassen. In der Schweiz gibt es 38 öffentliche und private Arbeitslosenkassen, wobei jeder Kanton mindestens eine öffentliche Kasse betreibt (vgl. Treffpunkt-Arbeit, o.J.). Neben der finanziellen Hilfe während einer Arbeitslosigkeit hat die ALV zur Aufgabe, gemäss Arbeitslosenversicherungsgesetz

(AVIG),

nachhaltige

Wiedereingliederungen

von 33

Bachelorarbeit Arbeitslosen

Kevin Baumann anzustreben.

arbeitsmarktlichen

Von

Arbeitslosigkeit

Massnahmen

teilzunehmen.

Betroffene Das

sind

erklärte

verpflichtet

an

Ziel

es

ist

Langzeitarbeitslosigkeit zu vermeiden und die persönliche Vermittelbarkeit zu erhalten oder zu verbessern (vgl. Mühle, 2012, S. 64). Im

Rahmen

des

Wiedereingliederungsauftrages

nehmen

die

Regionalen

Arbeits-

vermittlungszentren (RAV) eine wichtige Funktion ein. Diese Dienststellen, deren 130 es in der Schweiz gibt, sind spezialisiert auf Arbeitsmarkt, Stellenvermittlung und Arbeitslosigkeit. Die RAV verstehen sich als Drehscheibe zwischen Arbeitgebern und Stellensuchenden und kooperieren auch mit privaten Einrichtungen zur Stellenvermittlung. Sie sind jedoch nicht zuständig für die Auszahlung von Arbeitslosengeldern, sondern regeln die bürokratischen Abläufe und geben diese an die Arbeitslosenkassen weiter. Um den verschiedenen Ansprüchen, mit denen sie konfrontiert sind, gerecht zu werden, sind verschiedene Fachbereiche entstanden. So gibt es mittlerweile Rechtsdienste, Arbeitgeberkontakte, Bewerbungsbüros und einen Bereich für arbeitsmarktliche Massnahmen. Unter der Bezeichnung „arbeitsmarktliche Massnahmen“ wird eine ganze Palette von Ansätzen verstanden. Der Ausdruck umfasst beispielsweise finanzielle Unterstützung für den Besuch verschiedener Weiterbildungs- oder Sprachkurse. Ein anderes wichtiges Instrument sind

die

verschiedenen

Einarbeitungszuschüssen

Formen

von

ausbezahlt

Zuschüssen.

werden,

die

Diese

können

Arbeitgebende

in

Form

während

von einer

Einarbeitungszeit unterstützen und den Anreiz geben, Personen einzustellen. Oder es werden Ausbildungszuschüsse während maximal drei Jahren für (Grund-)Ausbildungen gewährt. Andere mögliche Massnahmen umfassen Motivationssemester, Ausbildungspraktika oder Berufspraktika (vgl. awa/zh, 2014). Ein weiteres Instrumentarium sind Beschäftigungsprogramme, auch Programme zur vorübergehenden Beschäftigung (PvB) genannt. Personen, denen keine Stelle zugewiesen werden kann, haben Anspruch auf eine Teilnahme oder werden, unter Androhung von Einstelltagen, zu einer Teilnahme verpflichtet. Die PvB dauern in der Regel drei bis sechs Monate und werden in den Sektoren Natur- und Umweltschutz, Soziales, Recycling oder Verwaltungsarbeit angeboten (vgl. Treffpunkt-Arbeit, o.J.). Wie zu sehen ist, sind die RAV mit vielfältigen, komplexen Situationen konfrontiert. Ein Phänomen, mit dem sich die ALV immerzu beschäftigt ist die Langzeitarbeitslosigkeit. Diese definiert sich dadurch, dass jemand mehr als ein Jahr arbeitslos und beim RAV gemeldet ist. Gemäss Seco sind ältere Personen dem höchsten Risiko ausgesetzt langzeitarbeitslos zu werden. Mit verschiedenen Methoden wird versucht, die Langzeitarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Seit jüngerer Zeit wird auch das Modell der Sozialfirmen dafür in Betracht gezogen.

34

Bachelorarbeit

Kevin Baumann

4.1.1 Schweizerische Arbeitsmarktbehörde und Sozialfirmen Gemäss den Definitionskriterien der European Research Network (EMES), würden die Beschäftigungsprogramme der ALV unter dem Titel Sozialfirma laufen. Nach den Kriterien der CEFEC hingegen, ist dies nicht der Fall. Bislang waren Vermittlungen von Arbeitslosen der ALV zu Sozialfirmen (im Sinne der CEFEC) gesetzlich nicht vorgesehen (vgl. Siegrist, 2009). Was jedoch bereits geschieht, sind befristete Zuweisungen an „Sozialfirmen“, die in diesen Fällen als Programme zur vorübergehenden Beschäftigung fungieren. Problematisch dabei ist der Fakt, dass diese Sozialfirmen einem strikten Konkurrenzverbot unterstehen, nur befristet von der ALV entschädigt werden und keine Lohngleichheit garantieren können. Somit entsprechen diese Betriebe keineswegs der Beschreibung des Idealtypus von Sozialfirmen. Nun läuft seit 2011 im Kanton Luzern ein vom Seco initiiertes Pilotprojekt, das testet welchen Effekt die Zuweisung von schwer vermittelbaren Personen an Sozialfirmen erzielt. Erklärtes Ziel des Projektes ist die Erlangung einer verbesserten Wiedereingliederungschance für Zugewiesene sowie einen erleichterten Übergang in die Sozialhilfe für Langzeitarbeitslose. Der Versuch geschieht in Zusammenarbeit mit der Dock-Gruppe AG, Wolhusen und soll ein ergänzendes, den herkömmlichen Massnahmen nachgelagertes, Instrument darstellen. Vorgesehen ist dieses Programm für Personen über 25 Jahre, die bereits in der zweiten Rahmenfrist sind sowie geringe Chancen zur Vermittelbarkeit haben. Diesen Personen wird vorgeschlagen, sich für eine Stelle bei der Dock-Gruppe AG zu engagieren. Bemerkenswert dabei ist die Tatsache, dass dies auf freiwilliger Basis geschieht und bei Ablehnung nicht mit Einstelltagen gedroht wird. Das Projekt, das 2011 und 2012 durchgeführt wurde, wird gegenwärtig evaluiert. Kommt die Prüfungskommission zum Ergebnis, dass sich die Zuweisungen an Sozialfirmen bewähren, wird das Seco beim Bundesrat eine, auf vier Jahre befristete, gesamtschweizerische Erweiterung des Projektes beantragen (vgl. BSV, 2011, S. 124-125). Der Erfahrungswert in Bezug auf die Kooperation der Arbeitsmarktbehörde und Sozialfirmen ist somit sehr gering. Die nächsten Jahre werden zeigen, ob Zuweisungen zu Sozialfirmen von der ALV sich zu einer anwendbaren Methode entwickeln. Grundsätzlich ist es vorstellbar, dass Sozialfirmen in der Bandbreite der arbeitsmarktlichen Massnahmen als eine Ergänzung fungieren könnten. Es sind durchaus Gegebenheiten denkbar, in denen es Sinn machen könnte, eine Anstellung bei einer Sozialfirma anzustreben. Eine gewisse Skepsis ist aber dennoch angebracht. Denn es ist davon auszugehen, dass bei einer rechtsgültigen Implementierung der Freiwilligkeitscharakter verloren geht. Ferner ergibt sich eine Ambivalenz daraus, Personen, die offensichtlich Schwierigkeiten haben einen Zugang zum Arbeitsmarkt zu finden, in einen betreuungsfreien Kontext zu vermitteln. In Anbetracht der Sachlage, dass eine Zuweisung in eine Sozialfirma allen anderen Massnahmen

35

Bachelorarbeit

Kevin Baumann

nachgelagert wäre, ist es schon fraglich ob ein Beschäftigungsverhältnis ohne eine Form betriebsinterner, professioneller Begleitung sinnvoll ist. Es bleibt abzuwarten wie sich die Situation entwickelt. Durchaus vorstellbar aber, dass sich Sozialfirmen in wenigen Jahren in die Liste der arbeitsmarktlichen Massnahmen der ALV eingereiht haben werden.

4.2 Die Invalidenversicherung Die Invalidenversicherung (IV) ist die bedeutendste sozialstaatliche Institution der Schweiz in der Invalidenfürsorge. Sie unterliegt dem Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) und ist auch eine obligatorische Versicherung. Der Zweck der IV ist die Sicherung der Existenzgrundlagen von

invaliden Personen über Eingliederungsmassnahmen

oder

Geldleistungen. Personen, die in der Schweiz arbeiten oder erwerbstätig sind, gehören zu den Versicherten der IV. Was die Beiträge anbelangt, so entrichten Arbeitnehmende und Arbeitgebende je 0,7 Prozent des Einkommens an die IV. Per Definition der IV ist eine Invalidität

„eine

beeinträchtigung

durch

eine

verursachte

körperliche,

psychische

Erwerbsunfähigkeit

bzw.,

oder bei

geistige den

Gesundheits-

nichterwerbstätigen

Versicherten, als Unfähigkeit, sich im bisherigen Aufgabenbereich (z. B. im Haushalt) zu betätigen. Diese Unfähigkeit muss längere Zeit (mindestens ein Jahr) dauern. Es spielt jedoch keine Rolle, ob die Beeinträchtigung schon seit der Geburt besteht oder Folge einer Krankheit oder eines Unfalls ist.” (zit. Informationsstelle AHV/IV, 2012, S. 33) Das oberste Ziel der IV ist die berufliche Eingliederung behinderter Personen. Mit Hilfe von Eingliederungsmassnahmen

wird

die

Verbesserung,

respektive

Erhaltung

der

Erwerbsfähigkeit angestrebt. IV-Rentnerinnen und Rentner sollen möglichst dabei unterstützt werden ihre Erwerbsfähigkeit bewahren zu können. Wer trotz Eingliederungsmassnahmen noch als erwerbsunfähig gilt, hat Anrecht auf eine Invalidenrente (vgl. ebd. S. 34). Die IV setzt auf ein Eingliederungskonzept, das drei Schwerpunkte umfasst. Dies sind die Früherfassung, die Massnahmen der Frühintervention und die Eingliederungsmassnahmen. Die Früherfassung und die Frühintervention sind präventive Massnahmen mit dem Ziel bei Personen mit ersten Anzeichen einer Invalidität rasch zu erfassen und einen Verbleib im Arbeitsprozess respektive eine Wiedereingliederung zu ermöglichen. Wird nach dieser zeitlich begrenzten Phase noch immer eine Arbeitsunfähigkeit von mindestens 50 Prozent festgestellt, durchlaufen Betroffene unterschiedliche Eingliederungsmassnahmen. In dieser Phase wird festgestellt, ob eine Voll- oder Teilrente indiziert, oder ob eine erfolgreiche Wiedereingliederung möglich ist (vgl. Mühle, 2008, S. 68-70). Im

Zuge

der

vierten,

fünften

und

sechsten

IV-Revision

wurden

die

(Re)integrationsbemühungen, nach dem Grundsatz „Eingliederung vor Rente“, stetig verstärkt. Dies führt dazu, dass neben einer ganzen Reihe von Versicherungsleistungen wie 36

Bachelorarbeit

Kevin Baumann

Ausbildungshilfen, Umschulungen, Arbeitsplatzanpassungen, oder Einarbeitungszuschüsse, auch auf Integration über dauerhafte Beschäftigungsmöglichkeiten gesetzt wird. Oft wird die Beschäftigung von behinderten Menschen im zweiten Arbeitsmarkt als Arbeit in einer geschützten Werkstatt verstanden. Und in der Tat kommen die geschützten Werkstätte der Idee von Sozialfirmen sehr nahe.

4.2.1 Die Invalidenversicherung und Sozialfirmen Wie bereits erwähnt gibt es in der Schweiz eine Reihe von privatwirtschaftlichen Firmen, die Personen mit psychischen oder physischen Beeinträchtigungen anstellen. Ein Beispiel dafür sind die Restaurants „Blinde Kuh“ in Zürich und Basel, in denen die Service-Mitarbeitenden blind oder sehbehindert sind. Nach Art. 73 des Invalidenversicherungsgesetztes (IVG) gewährt die IV Beiträge an öffentliche und private Einrichtungen, die Dauerbeschäftigung für Invalide mit einer Restarbeitsfähigkeit anbieten. Diese Beiträge können für die Einrichtung, Erneuerung, den Ausbau oder für die entstehenden Betriebskosten erfolgen. Dies gilt demnach auch für Sozialfirmen. Die Finanzierung der Sozialfirmen erfolgt auf die gleiche Weise wie bei herkömmlichen Werkstätten. Bis 2008 erhielten die Betriebe pro angestellte Person über das Tagesansatzentlastungsprogramm (TAEP) eine pauschale Vergütung vom BSV. Zusätzlich dazu übernahm der jeweilige Kanton den Einrichtungen einen Anteil eines allfälligen Defizits (vgl. Kehrli, 2012, S. 108). Seit Inkrafttreten des neuen Finanzausgleichs von 2008, ist die IV zuständig für die Massnahmen zur beruflichen Eingliederung, während für die Finanzierung der dauerhaften Beschäftigungsplätze neuerdings die Kantone verantwortlich sind. Laut Hartmann sind Sozialfirmen für die IV deshalb ein interessantes Modell, da sie ihrem Kernanliegen, die Integration beeinträchtigter Menschen in den regulären Arbeitsmarkt, entsprechen. Die Zusammenarbeit und Gleichstellung von behinderten und nichtbehinderten Menschen ist dabei eine zentrale Zielsetzung. Da in den geschützten Werkstätten ausschliesslich Menschen mit Behinderungen arbeiten, stellen Modelle im subventionierten Sektor, in denen eine Durchmischung erreicht wird, eine interessante Alternative dar. Die enge Zusammenarbeit der beiden Belegschaftsgruppen (siehe Kapitel 2.1.3) wird dem Anliegen des Behindertengleichstellungsgesetz (BehiG) am ehesten gerecht (vgl. BSV, 2011, S. 115). Ein diskussionswürdiger Faktor in der Zusammenarbeit ist die Vergütungsfrage. In der Regel ergänzt der Lohn die Invalidenrente. Bei steigendem Lohn sinkt jedoch der Grad der Erwerbsunfähigkeit, was eine Schmälerung der IV-Rente oder den Ergänzungsleistungen mit sich bringen kann. So zahlen Sozialfirmen den IV-Beziehenden häufig nur geringe Einkommen, was der Gleichstellung der Angestellten zuwider läuft (vgl. Blattmann, März, 2010, S. 145).

37

Bachelorarbeit

Kevin Baumann

Eine nachvollziehbare Motivation der IV zu einer verstärkten Zusammenarbeit mit Sozialfirmen

erschliesst

sich,

laut

Edgar

Baumgartner,

aus

der

gegenwärtigen

Arbeitsmarktsituation. Psychisch und physisch beeinträchtigte Personen bleiben im ersten Arbeitsmarkt untervertreten. Im Unterschied zu anderen Ländern wie beispielsweise Deutschland, besteht in der Schweiz keine Beschäftigungsquote für Behinderte. Gerade einmal acht Prozent der regulären privatwirtschaftlichen Betriebe zählen mindestens eine Person mit einer Behinderung zu ihren Mitarbeitenden. Das Problem der freiwilligen Anstelllung ergibt sich mit Sozialfirmen nicht, da die Integration von benachteiligten Personen zu ihrem Geschäftsmodell gehört. Hier sieht die IV viel Potenzial (vgl. Adam, 2012, S. 62-63). Für das BSV gelten die Sozialfirmen als potenzielle Modelle für die berufliche Eingliederung. Für die IV besteht aber noch Klärungsbedarf. Es braucht klare Abgrenzungsgrundlagen zu anderen Massnahmen wie geschützte Werkstätte, die jetzt noch nicht bestehen. Ferner muss berücksichtigt werden, ob Sozialfirmen eher als Dauerbeschäftigungsmodelle oder als Durchgang zum ersten Arbeitsmarkt fungieren. Bedenken bestehen auch bezüglich der Verschiebung von Verantwortung der regulären Betriebe an die Sozialfirmen. Durch die Förderung von Sozialfirmen könnten Unternehmen der Privatwirtschaft sich von der moralischen Pflicht befreit fühlen, benachteiligte Personen anzustellen.

4.3 Die Sozialhilfe Die Sozialhilfe ist keine Sozialversicherung. Sie hat zur Aufgabe die Existenz bedürftiger Personen zu sichern und in finanziellen Nöten zu unterstützen. Dabei ist das Hauptziel die Erlangung der finanziellen und persönlichen Unabhängigkeit der betroffenen Personen. Neben der finanziellen Existenzsicherung übernimmt die Sozialhilfe Aufgaben im Bereich der sozialen und beruflichen Integration (vgl. Vimentis, 2013). Die Sozialhilfe ist eine Bedarfsleistung, stellt das unterste Netz der sozialen Sicherung dar und wird mit gewöhnlichen Steuergeldern finanziert. Als Grundlage der Sozialhilfeleistungen besteht das Prinzip der Finalität. Dies bedeutet, dass Unterstützungsleistungen unabhängig vom Grund der Notlage gewährt werden. Die Höhe der Leistungen bemisst sich am individuellen Bedarf eines

Haushaltes

unter

Berücksichtigung

aller

Haushaltseinkommmen.

Die

Bemessungsgrundlagen beziehen sich in den meisten Fällen auf die SKOS-Richtlinien. Die SKOS (Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe) ist ein privater Verein und übernimmt als Fachverband wichtige Aufgaben in der Ausgestaltung und Entwicklung der Sozialhilfe. Sozialhilfeorgane des Bundes, der Kantone, der Gemeinden sowie Organisationen der privaten Sozialhilfe nutzen mehrheitlich die SKOS-Richtlinien zur Berechnung der Sozialhilfe. Die Richtlinien haben empfehlenden Charakter, werden aber teils durch kantonale und

38

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kommunale Rechtsetzung und Rechtsprechung verbindlich (vgl. skos.ch/skos-richtlinien, o.J.). Der Anspruch auf Sozialhilfe beruht auf dem Subsidiaritätsprinzip, wird folglich erst nach Ausschöpfung aller vorgelagerten Leistungen anerkannt. Personen, deren Vermögen respektive Einkommen den existenzsichernden Bedarf nicht deckt, haben Anspruch auf finanzielle Hilfe. Die Hilfe ist grundsätzlich unbefristet und erstreckt sich über die Dauer der Notlage. Die Leistungsarten der Sozialhilfe beschränken sich nicht nur auf Finanz- oder Sachleistungen. Zusätzlich werden Sozialberatung und Unterstützung in der Arbeitsintegration als Leistungsart angeboten. Sozialhilfebeziehende unterliegen einer Reihe von Pflichten.

Die

Mitwirkungspflicht

impliziert

die

Eigenverantwortung

der Anspruchs-

berechtigten und verlangt eine Schadensminderung in Bezug auf die persönliche Situation. Weiter bestehen die Informations- und Offenlegungspflicht, die Rückzahlungspflicht im Falle einer finanziellen Situationsänderung sowie die Gegenleistungspflicht seit der SKOSRichtlinienrevision von 2005 (vgl. Lindenmayer, Walker, S. 2-4, 2010). Was die rechtliche Grundlage der Sozialhilfe betrifft, so gibt es keine einheitliche Gesetzgebung auf Bundesebene. Der Bund regelt nur die Zuständigkeiten. Gemäss Artikel 115 des Zuständigkeitsgesetzes (ZUG), ist die Sozialhilfe auf kantonaler Ebene zu regeln. So bestehen 26 verschiedene kantonale Sozialhilfegesetzgebungen und zugehörige Verordnungen. Sozialhilfebeziehende erhalten ihre Leistungen von ihrer Wohngemeinde. Es ist festzuhalten, dass auch in der Sozialhilfe den Massnahmen zur beruflichen und sozialen Integration seit Inkrafttreten der SKOS-Richtlinien von 2005, eine zentrale Bedeutung zugesprochen wird. Nach dem Grundsatz des „Forderns und Förderns“ respektive „Leistung und Gegenleistung“, wird gegenwärtig die Ausgestaltung der Sozialhilfepolitik verstanden (vgl. Kutzner, Mäder, Knöpfel, Heinzmann, Pakoci, 2009, S. 1213). Im Zuge dieser Reformen sowie der letzten Revisionen der IV und ALV haben Massnahmen zur Arbeitsintegration in der Sozialhilfe einen hohen Stellenwert erhalten. Sozialdienste

sind

Arbeitsintegration

in

mehreren

geworden.

Und

Kantonen

bereits

zu

in

Sparte

sind

dieser

zentralen auch

Akteuren

Sozialfirmen

der als

Kooperationspartner der Sozialämter immer stärker vertreten.

4.3.1 Die Sozialhilfe und Sozialfirmen In der Zusammenarbeit der Sozialhilfe und Sozialfirmen wurden in der Schweiz bisher am meisten Erfahrungen gesammelt. So entstanden in den achtziger Jahren in der Westschweiz die „Entreprises sociales d‟insertion“. Diese Unternehmen bieten Beschäftigung für Sozialhilfebeziehende, mit dem längerfristigen Ziel einer beruflichen Reintegration, an. In der Deutschschweiz kam die Einsicht, dass das Bestehen der Sockelarbeitslosigkeit die Realität darstellt, erst später. Mittlerweile haben sich Sozialfirmen in der Angebotspalette von 39

Bachelorarbeit

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Eingliederungsmassnahmen, insbesondere für Langzeitarbeitslose in der Sozialhilfe, fix eingereiht. Die gesetzlichen Grundlagen zur Zusammenarbeit sind in den jeweiligen kantonalen Sozialhilfegesetzen

verankert.

Und

genau

diese

Gegebenheit

erschwert

eine

Systematisierung, denn jeder Kanton weist eigene Kooperationsformen mit Sozialfirmen auf. Gemäss Kehrli (2012) haben sich in den bestehenden Kooperationen zwei Modelle herauskristallisiert. Zum einen die Beteiligung der Sozialämter an den Kosten für Infrastruktur und den Projektkosten sowie die Beteiligung in Form von Lohnbeiträgen. Es kommt vor, wie im Fall der Dock-Gruppe AG, dass öffentliche Träger in beide Modelle investieren. Beispielsweise hat die Stadt Luzern den Aufbau einer Dock-Filiale mit einem Startbeitrag von 60„000 Franken unterstützt. Diesem Betrag folgen Finanzierungen von Lohnbeiträgen der zugewiesenen

Personen

(vgl.

Aschwanden,

2013).

Auch

andere

Städte

leisten

Anstossfinanzierungen in ähnlicher Form. Die Motive der Sozialämter zur Kooperation mit Sozialfirmen sind nicht alle deckungsgleich, obwohl das Ziel der Kosteneindämmung in jedem Fall besteht. Die Angaben zu den Erwartungshaltungen variieren zwischen Qualifikations-, Abklärungs-, und Beschäftigungsmassnahmen. So haben der Kanton Bern und Graubünden unlängst Pilotprojekte mit Sozialfirmen

gestartet.

Beschäftigungsangeboten

In

beiden für

Fällen

steht der Mangel an

Langzeitarbeitslose

diesen

niederschwelligen

Bemühungen

zu

Grunde.

Zusätzlich geht es darum, aufgrund von knappen Kantonsfinanzen kostengünstige Integrationsmodelle zu erproben. Die Angebote sollen insbesondere zugeschnitten sein auf Langzeitarbeitslose mit geringen Chancen auf Integration in den Arbeitsmarkt. Im Rahmenkonzept des Kantons Bern zum Pilotprojekt GAD Plus AG wird festgehalten, dass Sozialfirmen als Ergänzung zu den übrigen Integrationsmassnahmen zu betrachten sind. Zuweisungen haben nicht primär den Zweck einer Integration in den Arbeitsmarkt, sondern viel eher eine längerfristige, kostengünstige Beschäftigungsform und eine psychosoziale Stabilisierung für die Zugewiesenen. Gemäss Angaben des Sozialamts St. Gallen erfolgen die Anmeldungen der Zugewiesenen ohne Verfügung und in den meisten Fällen mittels Formular, das auf den Internetseiten der jeweiligen Betrieben heruntergeladen werden kann. Arbeitsverträge nach OR stellen nur diejenigen Einrichtungen aus, die auch Lohnzahlungen ausrichten. Im Falle der Stadt St. Gallen wird die Einsatzdauer in Sozialfirmen nicht unbefristet geplant, sondern hängt von der Vermittlungschancen der Einzelperson ab. Der Schritt in den regulären Arbeitsmarkt kann bei bestehender Möglichkeit sofort getätigt werden. Umgekehrt werden Personen ohne Chancen auf eine Eingliederung, nach einer gewissen Zeit aus der Anstellung herausgeholt. Somit hat diese Form der Anstellung eher einen abklärenden Charakter und ist nicht auf dauerhafte Beschäftigung ausgelegt.

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Zusammenfassend kann also gesagt werden, dass die Kooperationen der Sozialfirmen auf der Ebene der Sozialhilfe sehr komplex und uneinheitlich sind. Je nach politischer Auffassung, nach Angebot oder regionalen Bedürfnissen nehmen die Betriebe eine andere Funktion ein. Folglich besteht noch keine schweizweit systematische Funktionserfassung. Was aber mit grosser Sicherheit festgehalten werden kann, ist ein erhoffter finanzieller Mehrwert der Leistungspartner durch die Zuweisungen. Aber wie im Folgenden geschildet ist, gibt es keine verlässlichen Zahlen, die sich auf die Wirtschaftlichkeit der Sozialfirmen beziehen.

Nun da die Kooperationsformen der drei grössten Institutionen im Feld der Arbeitsintegration erläutert worden sind, stellt sich die Frage, welchen sozioökonomischen Mehrwert sich die ALV, IV und SH von der Zusammenarbeit mit Sozialfirmen versprechen.

4.4 Volkswirtschaftlicher und individueller Nutzen von Sozialfirmen Ein Grund für die Förderung von Sozialfirmen ist die Hoffnung, sozialstaatliche Ausgaben senken zu können. Dieses Ziel kann auf zweierlei Weisen erreicht werden. Zum einen mit einer möglichst raschen Reintegration von Arbeitslosen in den regulären Arbeitsmarkt, zum anderen mit der Verminderung von Unterstützungsleistungen, durch die Teillohnvergütung in den Programmen. In der gegenwärtigen empirischen Lage ist es kaum möglich auf die Fragen der Reintegrationsquote und dem volkwirtschaftlichen Sparpotential exakt einzugehen. Dies liegt einerseits an mangelnden Forschungserkenntnissen zu Sozialfirmen in der Schweiz, andererseits an den erwähnten rechtlichen und definitorischen Unklarheiten. Was die Reintegrationsquote betrifft so können nur vage Annahmen gemacht werden. Gemäss eines Artikels der NZZ (2008) betrug die Zahl der Personen, die der Dock-Gruppe zugewiesen wurden und den Sprung in den ersten Arbeitsmarkt geschafft haben 40 Prozent. Gemäss den Angaben der Wirtschaftssendung ECO des Schweizer Fernsehens (Sendung vom 09.12.2013) beläuft sich diese Quote mittlerweile auf rund 20 Prozent. Es ist hier zu beachten, dass sich die Zahlen nur auf die Dock-Gruppe beziehen und sie somit für die ganze „Branche“ keine Gültigkeit haben. Des Weiteren weisen Schallberger und Wyer (2010) zu Recht darauf hin, dass sich der Erfolg einer Wiedereingliederung nicht so einfach messen lässt. Denn es kann nicht verglichen werden, ob der Einstieg in den Arbeitsmarkt, nicht auch mit einer anderen Massnahme erfolgt wäre (vgl. S. 187). Ausserdem ist für Messung des Erfolgs auch wesentlich, ob eine Integration in den Arbeitsmarkt auch längerfristig bestehen bleibt und nicht in einer kurzfristigen Anstellung mündet. Diesen Aspekt widerspiegeln die wenigen bestehenden Reintegrationsquoten zu wenig.

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Neben den erhofften Erfolgen in der Wiedereingliederung, besteht zusätzlich die Hoffnung der Kostensenkung für die öffentliche Hand. Auch hier gibt es kaum verlässliche Zahlen, welcher volkswirtschaftliche Nutzen aus den Zuweisungen resultiert. Gemäss dem Leiter des Sozialdienstes der Stadt Luzern sind Sozialfirmen günstiger als andere Modelle. Dafür würden die Kosten länger anfallen, weil eine Anstellung theoretisch länger dauern kann, als bei üblichen Beschäftigungsprogrammen (vgl. Aschwanden, 2013). Dennoch ist zu beobachten, dass Daueranstellungen im Bereich der Sozialhilfe zur Ausnahme zählen. Gemäss dem Sozialamt St. Gallen lohnt es sich für viele Ämter nicht, Personen langfristig an Betriebe zu vermitteln. Denn die Beschäftigungsplätze würden pauschal bezahlt und sind limitiert. Somit würden Angestellte, die keine Vermittlungschance haben, denjenigen mit Vermittlungspotenzial den Platz wegnehmen. Hier sind also noch einige Ambivalenzen vorhanden. Eine systematische Analyse des ökonomischen Nutzens von Sozialfirmen in der Schweiz würde wohl Klarheit schaffen. Wichtig erscheint jedoch neben der wirtschaftlichen Fokussierung, die Frage der individuellen Auswirkungen auf die Zugewiesenen. Es darf nicht nur darum gehen, günstige Angebote zu finden, sondern darum, hilfreiche und ermächtigende Erwerbsmöglichkeiten anbieten zu können.

4.5 Zusammenführung der Ergebnisse Die Darlegung der institutionellen Kooperationsformen bestätigt die konzeptionelle Diversität in der Praxis der Sozialfirmen. Neben den dutzenden möglichen Formen, die Sozialfirmen einnehmen können, kommen bei der Sozialhilfe kantonale Unterschiede hinzu. Dies macht eine systematische Einordnung fast unmöglich. Was die Kooperation mit der ALV respektive den RAV betrifft, müssen erst noch auf nationaler Ebene die gesetzlichen Grundlagen zur formellen Zusammenarbeit geschaffen werden. Bereits heute werden jedoch Arbeitslose „Sozialfirmen“ zugewiesen. Diese Anstellungen sind aber immer befristet und werden nicht regulär vergütet. Je nach Perzeption ist es also fragwürdig, ob hier von Sozialfirmen geredet werden kann oder von Programmen vorübergehender Beschäftigung. Die IV betrachtet die Firmen eher als Werkstätten mit einem höherem Anteil von nichtbeeinträchtigen Angestellten. Dies entspricht einem erklärten Ziel der IV. Trotzdem sind die Erfahrungswerte der IV bei Zuweisungen noch zu gering, um den genauen Nutzen abschätzen zu können. Und letztlich stellen Sozialfirmen für die Sozialhilfe, je nach Bedürfnislage, Massnahmen zur Abklärung, Qualifikation oder zur längerfristigen Beschäftigung dar. Die folgende Grafik zeigt schemenhaft, wo die verschiedenen Subtypen eingeordnet werden können und das Überschneidungen zu anderen Programmen bestehen.

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(Quelle: Assof: Wertschöpfung durch Wertschätzung, o.J. S. 5)

4.5.1 Problematische Aspekte im Feld der Arbeitsintegration Sozialfirmen sind also im Feld der beruflichen Wiedereingliederung ein weiteres Puzzleteil einer ganzen Reihe von Angeboten. Ob sie nun als Qualifizierungsmassnahmen, Arbeits-, Trainings- oder Beschäftigungsprogramme fungieren, ihre Uneindeutigkeit erschwert eine Einordnung in einem ohnehin schon unübersichtlichen Feld. Als weiterer Baustein in der Angebotspalette unterstehen sie freilich den gleichen Herausforderungen wie andere Integrationsprogramme. Denn das Feld der Arbeitsintegration weist im Zuge der Unübersichtlichkeit ein Zuordnungsproblem der Angebote aus, was eine fachlich sinnvolle Triagierung erschwert. Die begrifflichen Unklarheiten, die neben den Sozialfirmen auch auf andere

Modelle

zutreffen,

erlauben

kaum

Vergleiche

und

einheitliche

Qualitäts-

überprüfungen. In der Praxis sind deshalb Doppelspurigkeiten und Koordinationsprobleme weiterhin zu beobachten. Es kommt nicht selten vor, dass Betroffene oftmals verschiedene Massnahmen in unterschiedlichen Leistungssystemen durchlaufen, was nachhaltigen Integrationsprozessen im Wege stehen können (vgl. Schaufelberger, Mey, 2010, S. 15). Es gilt festzuhalten, dass die neusten Revisionen der verschiedenen Sozialversicherungen und Fürsorgeeinrichtungen die Entstehung von Massnahmen zur beruflichen Eingliederung gefördert hat. Unglücklicherweise hat dies nicht dazu geführt, dass eine individuelle Wertschöpfung für die Betroffenen daraus resultiert. Die gegenseitige Konkurrenzhaltung der Versicherungs- und Fürsorgeinstitutionen, die sich mit den Revisionen verstärkt hat, ist als Voraussetzung für eine sinnvolle Integrationspraxis nicht gerade als ideal zu betrachten. Kommen neue Konstrukte wie Sozialfirmen ins Spiel gilt dies besonders. Aus Sicht der Sozialen Arbeit ist es angebracht, ein kritisches Auge auf die momentane Praxis der 43

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Arbeitsintegration zu werfen. Denn als Profession, die in ihrer gesellschaftlichen Funktion in den beschriebenen Prozesse grosse Verantwortung übernimmt, läuft sie Gefahr zur Handlangerin einer postfordistischen Disziplinierungs- und Verwertungspoltik zu werden. Im Rahmen ihres Zweifachmandats hat die Soziale Arbeit, in diesem von finanziellen Motiven geleiteten System unbedingt auch die Rolle einer anwaltschaftlichen Interessenvertretung der Klientel einzunehmen. Dass die gegenwärtige Entwicklungen nicht nur für Betroffene belastend sind sondern auch wirtschaftlich ein Schuss in den Ofen sein können, bestätigt der Integrationsexperte Hannes Lindenmeyer in einem Interview mit dem Magazin Beobachter (2013). Ihm zufolge gilt heutzutage vor allem die Devise „rasch“ vor „nachhaltig“. Der Fokus wird nicht genug auf individuell angepasste Massnahmen gerichtet, sondern auf eine möglichst rasche finanzielle Entlastung der Staatskassen. Dies mag zwar für eine kurze Zeit Einsparungen mit sich bringen, unpassende Programmzuweisungen sind aber häufig mit längerfristigen Kosten verbunden.

Dieser

Gefahr,

einer

auf

die

individuellen

Bedürfnisse

unzureichend

angepassten, übereilten Zuweisung, unterliegen auch Personen, die an Sozialfirmen vermittelt werden. Das nächste Kapitel geht diesen Punkten genauer nach. Wie sind Sozialfirmen aus der Sicht der Sozialen Arbeit einzuschätzen? Welche Aspekte sind förderlich, welche hinderlich für eine gelingende Integration in Sozialfirmen. Aus einer professionsethischen Perspektive werden dazu die Rahmenbedingungen der aktivierenden Sozialpolitik, Fragen der Professionalität sowie die Prekarisierungstendenzen von Beschäftigungsverhältnissen in Betracht gezogen. Mit den Informationen der vorangegangenen Kapitel im Gepäck, sollte nun eine fundierte Einschätzung der Sozialfirmenpraxis möglich sein.

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5. Analyse des Konstrukts „Sozialfirma“ aus Sicht der Sozialen Arbeit Als arbeitsmarktliche Massnahmen haben sich Sozialfirmen etabliert und gehören als neues Modell der „Integrationsbranche“ zu einem wachsenden Markt. Die mediale Berichterstattung und die sozialstaatliche Förderung in Betracht ziehend, ist es nicht abwegig Sozialfirmen als eine Lösung für das Beschäftigungsproblem des 21. Jahrhunderts zu verstehen. Die Idee einer kostensparenden, am Markt agierenden Integrationsmassnahme hört sich in der Tat verlockend an. Eine vermeintliche Win-Win-Situation – Arbeitslose können beschäftigt werden, gleichzeitig liegen sie dank der verminderten Subventionen allen anderen weniger auf den Taschen. Nun, aus Sicht der Sozialen Arbeit kann eine derartige Analyse nur die halbe Wahrheit darstellen. Denn rein makroökonomische Auswirkungen in Erwägung zu ziehen, ist zu wenig weit gedacht. Es gilt auch die Auswirkungen für die betroffenen Personen in Betracht zu ziehen – Auswirkungen, die über eine Messbarkeit in wirtschaftlicher Hinsicht hinausgehen. Letzteres ist in einer Zeit der Ökonomisierung schwierig geworden. Mit dem konstitutiven Doppelmandat beziehungsweise Tripelmandat (vgl. Staub-Bernasconi, 2007) hat die Soziale Arbeit zur Aufgabe, die Bedürfnisse der Klientel ernst zu nehmen und für sie da zu sein. In Bezug auf Sozialfirmen ergibt sich dadurch eine ganze Reihe von Aspekten, die kritisch beleuchtet werden müssen. So sind dies die Verknüpfungen mit den Prinzipien des aktivierenden Sozialstaats, die Frage der Professionalität sowie die Tendenz zur Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen. Wenn in diesem Kapitel von der „Sicht der Sozialen Arbeit“ gesprochen wird, dann ist damit der Bezug auf die ethischen Richtlinien des Berufsverbandes AvenirSocial gemeint. Darin wird Soziale Arbeit als parteiliche Vertreterin von sozial Benachteiligten und Verfechterin einer gerechteren Gesellschaft verstanden, die sich mit ihrer Fachlichkeit in sozialpolitische Angelegenheiten einbringt und Veränderungen anstrebt (vgl. Berufskodex AvenirSocial, BK. 5, S. 6-7).

5.1 Sozialfirmen im aktivierenden Sozialstaat Mitarbeitende respektive Beschäftigte von Sozialfirmen, werden in dieser Arbeit konsequent als Zugewiesene bezeichnet. Der Ausdruck „Zugewiesene“ impliziert, dass es sich hier nicht um frei gewählte Arbeitsverhältnisse handelt, sondern um sozialstaatlich arrangierte Einsätze, deren Verweigerung negative Konsequenzen für die Betroffenen mit sich bringt. Ein grundlegendes Problem der Sozialfirmen in der gegenwärtigen Gesetzeslage ist ihre Einbindung in diese Workfare-Logik. In allen drei beschriebenen Sicherungssystemen (ALV, IV, SH), sind diese Tendenzen zu beobachten. Gemäss Peter Streckeisen zeigt sich, „dass 45

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Erwerbslose, Personen mit Behinderung und Arme zunehmend als eine einzige Kategorie von Menschen betrachtet werden, die aktiviert werden müssen“ (2012, S. 70). Das Aktivierungsprinzip verfolgt das Ziel, als erwerbsfähig betrachtete Leistungsbeziehende mit

einem

Mix

aus

finanziellen

Anreizen,

vertraglichen

Verpflichtungen

und

Sanktionsandrohungen möglichst rasch in eine Erwerbstätigkeit zu drängen. Ob diese Beschäftigung

einer

individuell

positiven

Entwicklung

dienlich

ist,

erscheint

fast

nebensächlich. Diese „Zuckerbrot und Peitsche“-Taktik kommt laut Michael Opielka insbesondere konservativen und wirtschaftsliberalen Strömungen entgegen. Denn „sie verspricht einen Staat, (…), der zum Zweck der marktkonformen Gestaltung individueller Wohlfahrt unmittelbar auf den einzelnen Staatbürger einwirkt.“ (2008, S. 87). Weiter gibt er zu bedenken, dass die einseitige Betonung der Pflichterfüllung gerade diejenigen Zielgruppen erneut benachteiligt, die ohnehin über geringere Kompetenzen und Ressourcen verfügen (ebd., S. 88). Fragwürdig scheint auch das Menschenbild, das hinter der Aktivierungspolitik steckt, denn es impliziert, dass Menschen zunächst einmal passiv und faul sind. Diese Haltung lehnt sich am Bild des Homo oeconomicus an, das den Menschen als ein extrinsisch motiviertes Wesen versteht, das sich nur mit der Karotte vor der Nase in Gang setzt. Aus dieser Perspektive wird Arbeit als ein Mittel zum Zweck betrachtet, das eine Befriedigung finanzieller Bedürfnisse ermöglicht. Diese wirtschaftliche Sichtweise nimmt aber keine Rücksicht auf Arbeit als Quelle der Anerkennung. Vielen Menschen geht es in Fragen der Erwerbstätigkeit nicht primär um Wohlstandsteigerung, sondern auch darum, sich mit der Tätigkeit identifizieren zu können und sich für die Ergebnisse ihrer Arbeit zu interessieren (vgl. Kutzner et al., 2009, S. 165-166). Es herrscht die unterstellende Meinung, dass Betroffene von Arbeitslosigkeit, Armut oder Invalidität nicht von sich aus ihre Lebenssituation verbessern möchten, sondern auf Hilfe angewiesen sind. Für einige mag dies durchaus stimmen. Gewisse Personen schätzen die auferlegten Massnahmen als Anerkennung ihrer Bedürfnisse und erfahren Erfüllung dadurch, einen Beitrag leisten zu können. Für andere hingegen ist der Zwang im aktivierenden Sozialstaat verbunden mit Druck, Stigmatisierung und Entwürdigung (vgl. Beuchat, 2012, S. 2). In ihrer Funktion als ein weiteres Integrationsangebot unterliegen Sozialfirmen denselben Rahmenbedingungen wie andere Massnahmen. Entgegen den Beteuerungen von Betreibern dieser Organisationen treten die Zugewiesenen eine Stelle nicht immer aus freien Stücken an. Denn eine Verweigerung einer Massnahme ist gemäss Gesetzgebung in der ALV (Artikel 43 Abs. 2 ATSG) oder IV (Artikel 7 IVG) mit Einstellungen von Taggeldern, Kürzungen oder Verweigerungen von Renten verbunden. Dasselbe gilt für die Sozialhilfe. Sozialleistungen können bei einer Nichtannahme einer, als zumutbar befundenen, Beschäftigungs- oder Integrationsstelle auf ein Minimum gekürzt oder gänzlich gestrichen werden (vgl. BGE 130 │71, S. 71).

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Fragwürdig erscheint die Praxis der Aktivierung auch deshalb, weil ihre Wirksamkeit nie bewiesen wurde. Im Gegenteil haben Eingliederungsmassnahmen, gemäss einer vom Seco in Auftrag gegebene Studie, eine ernüchternde Bilanz vorzuweisen. Die Studie erkennt in den meisten Fällen keine Korrelation zwischen einer Teilnahme an Integrationsmassnahmen und einer Steigerung der Vermittlungsfähigkeit. Sie bestätigt eher die Erkenntnis aus früheren Studien, wonach „keine Massnahme zu verfügen in vielen Fällen die deutlich wirkungsvollste Massnahme ist“ (vgl. Aeppli, Ragni, 2009, S. 12). Es gibt folglich keinerlei Hinweise, dass diese Form von Arbeitsmarktpolitik Erfolge erzielt in der Senkung von Erwerbslosigkeit.

Eher

erscheint

der

Effekt

einer

Steigerung

von

prekären

Beschäftigungsformen einzutreten. Hinzu kommt, dass die verstärkte Gewichtung der Eigenverantwortlichkeit und Subsidiarität seine Schattenseiten hat. Grundsätzlich spricht nichts dagegen, Einzelpersonen Eigenverantwortung zuzusprechen und ihnen somit zu zeigen, dass sie ernst genommen werden. Jedoch entsteht so unglücklicherweise eine Stimmung, die in jedem Ausscheiden aus dem Arbeitsmarkt eine persönliche Verfehlung und nicht ein strukturelles Problem vermutet. Dies wiederum bringt subjektiv gefühlte Stigmatisierungsprozesse in Gang. Die Konsequenz daraus ist, dass viele Menschen sich für ein Leben in versteckter Armut entscheiden, lange abwarten bis sie Unterstützung suchen oder Schulden machen. In der Sozialhilfe wird von einer Nichtbezugsquote von rund 50 Prozent ausgegangen. Das heisst, dass die Hälfte der Personen, die aus einer finanziellen Notlage heraus Anspruch auf Sozialleistungen hätten, diese nicht annehmen (vgl. Knöpfel, 2009, S. 132). Dies ist ein klares Indiz dafür, dass eine Abschreckungswirkung der Fürsorge vorhanden ist und somit mögliche individuelle Verelendung in Kauf genommen wird.

Diese kritische Auseinandersetzung mit dem aktivierenden Sozialstaat soll nicht als kategorische Ablehnung der Bemühungen um Integration missverstanden werden. Es ist ein Fakt, dass nicht genügend Arbeitsplätze vorhanden sind. Des Weiteren ist es eine Tatsache, dass Arbeit für sehr viele Menschen ein Identifikations- und Anerkennungsgefäss sowie die finanzielle Absicherung darstellt. Einige finden über Integrationsmodelle wie Sozialfirmen den Weg zurück ins Erwerbsleben. Anderen, bei denen keine Aussicht eines Widereinstiegs besteht, kann nur schon die soziale Komponente einer arbeitsmarktlichen Massnahme sehr wertvoll sein. Somit sind „künstlich“ geschaffene Beschäftigungsmöglichkeiten nicht per se abzulehnen. Nur – und dies gilt auch für die Sozialfirmen – haben diese Massnahmen in der gegenwärtigen Gesetzeslage oftmals einen disziplinierenden, paternalistischen sowie abschreckenden Charakter. Die inhärenten Zwangs- und Disziplinierungsmomente der Aktivierungsprogrammatik, sowie das mangelnde Vertrauen in die Selbsthilfemotivation der Betroffenen, sind schlechte Voraussetzungen für eine gelingende Zusammenarbeit. Diese Faktoren, entstehend aus politischem und öffentlichem Druck, untergraben die professionelle

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Bachelorarbeit

Kevin Baumann

Praxis der Sozialen Arbeit und sind nicht förderlich für eine erfolgreiche Integration, unabhängig davon, ob es sich um PvB, Sozialfirmen oder sonstige Massnahmen handelt. Die Kritik an der aktivierenden Programmatik entspricht der Position von AvenirSocial. Dem Berufskodex der Sozialen Arbeit folgend, sind die beschriebenen Grundlagen der Arbeitsintegration daher abzulehnen (vgl. Beuchat, 2012, S. 4). Diese Grundvoraussetzung ist verknüpft mit der Frage der Professionalität. Sowohl innerhalb der Praxis von Sozialfirmen, als auch im Bereich der zuweisenden Instanzen, demnach auch der Sozialen Arbeit, können Unzulänglichkeiten beobachtet werden. Diese Punkte werden im Folgenden genauer erläutert.

5.2 Kritik in Bezug auf die Professionalität in Sozialfirmen In einem Artikel der NZZ schreibt Daniel Schaufelberger, Dozent an der Hochschule Luzern, dass

der

markanteste

Unterschied

zwischen

Sozialfirmen

und

herkömmlichen

Integrationsbetrieben, der Umgang mit den Mitarbeitenden sei (vgl. 2012, S.22). Damit meint er den Verzicht auf professionelle Unterstützung und Begleitung der Zugewiesenen in den Sozialfirmen der dritten Kategorie. Als Erinnerung – zur dritten Kategorie gehören Betriebe, die

sich

auf

die

Zusammenarbeit

mit

Sozialämtern

konzentrieren,

unbefristete

Anstellungsverhältnisse anstreben und sozialarbeiterische oder agogische Leistungen nicht vorsehen (siehe Kapitel 2.2). Streng genommen ist die Aussage also falsch, denn dieses Unterscheidungsmerkmal gilt nur für einen Teil der Sozialfirmen. Es kann generell festgestellt werden, dass viele Autoren Sozialfirmen der dritten Kategorie, allen anderen bestehenden Formen gleichsetzen. Dies liegt wohl vor allem an der prominenten Vertretung innerhalb der dritten Kategorie. Denn mit der Dock-Gruppe AG gehört die grösste und expansivste Sozialfirma der Schweiz zu dieser Sparte. Diese Organisation hat mit ihrem Auftritt eine Art Definitionsmacht im Bereich der Sozialfirmen eingenommen und wird häufig als Vorzeige- und Standartmodell präsentiert. Derartige verallgemeinernde Beschreibungen sind jedoch undifferenziert und senden ein falsches Bild aus. Nichtsdestotrotz muss sich die Frage gestellt werden, ob Sozialfirmen wie die Dock-Gruppe AG, die bewusst auf professionelle Unterstützungsleistungen verzichten, dem Gedanken einer gelingenden Integration wirklich gerecht werden. Die Geschäftsführerinnen der DockGruppe

AG,

Merz

und

Blattmann,

predigen

die

„Normalisierung“

von

Beschäftigungsverhältnissen. Insbesondere was Personalführung anbelangt, wird der Fokus auf Führung gesetzt. Die Stellen sollen sich nicht unterscheiden von denjenigen des allgemeinen Arbeitsmarktes. Hier frägt sich Schaufelberger in seiner Kolumne zu Recht, ob es ausreicht, wenn ein subventionierter Integrationsbetrieb einfach nur „Arbeit“ zur Verfügung stellt.

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Bachelorarbeit

Kevin Baumann

Bezieht man sich auf die verschiedenen Publikationen des Soziologen Peter Schallberger ist dies klar zu negieren. In seiner mit Bettina Wyer durchgeführten Untersuchung zu Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung (PvB) stellten sie fest, dass die Programme anhand ihrer Arbeitsweise und Haltung in fünf verschiedene Subtypen unterteilt werden können. Zu den Typen gehören „Rettung“, „Rehabilitation“, „Disziplinierung“, „Qualifizierung“ und „Verwertung“ (2010, S. 109-121). Folgt man den Schilderungen von Schallberger und Wyer, werden Sozialfirmen der dritten Kategorie der Sparte „Verwertung“ zugeteilt. Das dahinterliegende Leitparadigma im Subtyp „Verwertung“ stützt sich auf eine Kommodifizierung von Arbeitskraft und eine ökonomische Potenzialausschöpfung zwecks Kosteneinsparungen und Gewinnmaximierung. In Sozialfirmen der dritten Kategorie kommt unweigerlich der Gedanke auf, dass nicht der Mensch als Ganzes in Betracht gezogen wird, sondern nur die Arbeitskraft. Tatsächlich muss die Frage gestellt werden, ob diese Firmen zugewiesene Angestellte individuell in ihren Reintegrationsbemühungen unterstützen oder einfach nur beschäftigen. Die Logik der Marktnähe wird als Argument ins Feld geführt, wenn es um die Professionalisierungsfrage geht. Dieser Logik folgend, könnte die vereinfachende Schlussfolgerung gezogen werden, dass normalisierte Arbeit als Allheilmittel gegen den Ausschluss anwendbar ist. Ferner wird argumentiert, dass Betreuung und Beratung die Aufgabe von den Ämtern und Versicherungen sei. Hier kommt wieder unweigerlich der Verdacht auf, dass Produktivität und Effizienzdenken zu Lasten von innerbetrieblicher, professioneller Betreuung und Begleitung, ins Zentrum gestellt wird. In der Praxis, wie sie die Dock-Gruppe AG vorlebt, sind, aus Sicht der Sozialen Arbeit, grundlegende Aspekte zu kritisieren. Dies gilt insbesondere für das Desinteresse gegenüber der Biographie und Vorgeschichte von Zugewiesenen. Es fehlt diesen Organisationen komplett an Berücksichtigung der Individuiertheit der Einzelpersonen. Viel eher wird auf eine anstaltsartige Gleichbehandlung der Angestellten gesetzt. „Das Grundprinzip professionellen Handelns in Medizin, Recht, Pädagogik und Sozialer Arbeit, das Prinzip des Fallbezugs, wird in Sozialfirmen ausser Kraft gesetzt“ (zit. Schallberger, 2012, S. 314). Es scheint als verkaufen sich die Sozialfirmen à la Dock-Gruppe als Alternative zu landläufig oft negativ konnotieren sozialarbeiterischen Handlungsansätzen, häufig bezeichnet als „Überbetreuung“ und „Kuschelpädagogik“. Mit dieser Taktik treffen sie offensichtlich den Nerv der Zeit, denn ihre Wachstumsraten sind imposant. Ihr Mix aus Moral und betriebswirtschaftlicher Orientierung liegt im Trend und wird auch demzufolge wohlwollend aufgefasst. Personen mit allerlei Beeinträchtigung können grundsätzlich an Sozialfirmen der dritten Kategorie vermittelt werden. Es wird hier aber übersehen, dass die Simplifizierung des Angebotes (Arbeit als Heilung) der Diversität der Zugewiesenen, ihren Biographien, Ressourcen sowie Beeinträchtigungen nicht gerecht werden. Anders ausgedrückt, es reicht nicht aus, Personen, bei denen psychosoziale oder gesundheitliche Probleme bestehen und, die sich in

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Bachelorarbeit

Kevin Baumann

einer krisenhaften Situation befinden, nur zu beschäftigen und ihren Tag zu strukturieren. In diesen Fällen sind professionell ermächtigende, und nicht paternalistisch gönnerhafte Leitparadigmen indiziert (vgl. Schallberger, 2012, S. 318). Diese Reduktion zur Einheitslösung des mannigfaltig begründbaren sozialen Problems der Arbeitslosigkeit, muss die Soziale Arbeit kritisch beäugen. Die kritische Haltung bedeutet nicht, dass Sozialfirmen der dritten Kategorie keine Berechtigung haben. Es gibt durchaus sinnvolle Szenarien, in denen Personen von einer Anstellung profitieren können. Nur muss aufgepasst werden, dass diese Form von Sozialfirma nicht zum Sinnbild einer heterogenen, auf verschiedene Bedürfnisse abzielenden Branche wird. Die mediale Berichterstattung tendiert bereits dazu, die Dock-Gruppe AG als die einzige Sozialfirma der Schweiz zu karikieren. Die Entstehung dieser Konstrukte stellt auch für die Soziale Arbeit als Profession eine Herausforderung dar. Denn es steht auch in der Verantwortung der Sozialen Arbeit, gemeinsam mit der Klientel, anhand fundierten arbeitsfeldspezifischen Wissens, geeignete Angebote zu finden. Für die Soziale Arbeit bezieht sich dies insbesondere auf die Sozialhilfe, da sie in diesem Feld am stärksten vertreten ist. Dieser Zuweisungspraxis nimmt sich der nächste Punkt an.

5.2.1 Professionalität der Sozialen Arbeit in Bezug auf die Zuweisungspraxis Ein wichtiger Anteil in einer gelingenden Ermächtigung, kommt den Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeitern in ihrer Vermittlungsfunktion zu. Eine kompetente Triagierung benötigt eine Erhebung der Bedarfslage, sorgfältige Abklärung, Kontextbezogenheit und individuelle Ausrichtung auf die Ziele und Möglichkeiten der Klientel. Neben den Voraussetzungen, die Programme zu erfüllen haben, muss die Soziale Arbeit über die Fachlichkeit und den Spielraum verfügen, ihrem Auftrag gerecht zu werden. Es geht darum, passgenaue, auf die individuellen Bedürfnisse abgestimmte Angebote für die Betroffenen zu finden. Dafür benötigen die Mitarbeitenden der zuweisenden Institutionen ein hohes Mass an professioneller Kompetenz und die Fähigkeit des diagnostischen Fallverstehens (vgl. Schallberger, Wyer, 2010, S. 175). Hier besteht durchaus Verbesserungspotenzial für die Soziale Arbeit, wie Christoph Mäder und Eva Nadai in ihrer Untersuchung zur Schweizer Sozialhilfe (2004) bestätigen. Sie erkennen in der Praxis die Notwendigkeit einer weiteren Professionalisierung „im Hinblick auf das Wissen um ihre eigenen Handlungen und Wirkungen“ (zit. S. 180). Weiter warnen sie vor der Gefahr des Machtmissbrauches durch die

unreflektierte

Praxis

und

bemängeln

die

schwache

Empirielage,

die

eine

wissenschaftliche Selbstüberprüfung verunmöglicht (vgl. ebd.) Welche sozialarbeiterische Handlungsgrundlagen sind also notwendig für eine gelingende Zusammenarbeit und ein „Empowerment“ auf der Seite der Klientel? Hier wird den Befunden 50

Bachelorarbeit

Kevin Baumann

von Rahel Müller de Menezes Beachtung geschenkt, die in ihrer Untersuchung zur Sozialhilfe (2012) Praxisempfehlungen für das professionelle Handeln formuliert hat. Erstens betont

sie

die

klientel-

und

interventionsbezogene

Reflexion,

die

es ermöglicht

zugeschnittene, realistische Ziele zu entwickeln, Zusammenarbeit zu fördern und Handlungsoptionen zu erkennen. Als zweiter Grundsatz sieht sie die Wichtigkeit einer möglichst partizipativen Beziehungsgestaltung. Es gilt hier für die Professionellen der Sozialen Arbeit ihre Machtposition zu reflektieren und Mitbestimmungsmöglichkeiten zu schaffen. Es benötigt eine gute Einschätzungsgabe um erkennen zu können, wo punktuelle Forderungen gestellt werden können und wo intensivere Unterstützung nötig ist. Drittens betont sie die Notwendigkeit einer flexibilisierten und nicht routinemässigen Vorgehensweise im Umgang mit der Klientel. Sie plädiert des Weiteren für eine Relativierung der zwanghaften Erwerbsintegration

zugunsten

einer

sozialen

Integration

beziehungsweise

einer

Alltagsbewältigung, die nicht zwingend mit Erwerbsarbeit verbunden ist. Denn die Gefahr Personen, deren Vermittlungschancen als gering eingeschätzt werden, im Prozess zu vernachlässigen, sei auf diese Weise weniger eminent. Als Viertes wird die Förderung durch Beratung, prozesshafte Begleitung und Vernetzung genannt. Zuletzt, als fünfter Punkt, nennt sie

die

zurückhaltende

Anwendung

von

Sanktionen

bei

einer

Verletzung

der

Mitwirkungspflicht. Hier spricht sie den Handlungsspielraum an, den die Soziale Arbeit im restriktiven gesetzlichen Kontext des aktivierenden Sozialstaats auszunutzen hat (vgl. S. 344-347). Die

genannten

Handlungsgrundsätze

wurden

erarbeitet

in

Hinblick

auf

die

sozialarbeiterische Praxis in der Sozialhilfe. Es ist aber davon auszugehen, dass diese Prämissen auch im Zusammenhang mit Vermittlungen im Kontext der RAV oder IV Gültigkeit haben könnten. Für Sozialfirmen gilt in dieser Hinsicht, dass sie neben ihren professionellen Aufgaben darauf zu schauen hat, ob die zugewiesene Person dem Anstellungsprofil entspricht. Denn es muss ihnen bewusst sein, dass eine unpassende Programmzuweisung, einer individuellen Ermächtigung zuwider läuft und mit hoher Wahrscheinlichkeit auch dem eigenen Betrieb nichts bringt.

5.3 Sozialfirmen als prekäre Beschäftigungsverhältnisse Im ersten Kapitel dieser Bachelorarbeit wurden die Bedingungen und Auswirkungen des Wandels auf dem Arbeitsmarkt beschrieben. Im Zuge dessen wurde die Herausbildung und Zunahme

prekärer

Beschäftigungsverhältnisse

angetönt.

Die

Entwicklung

dieser

Arbeitsformen nehmen laut Robert Castel stetig zu (2011, S. 131). Gemäss einer Studie der Caritas (2001) verweist Prekarisierung im Kontext der Arbeit auf einen Mangel an Stabilität in Beschäftigungsverhältnissen. Prekäre Arbeit charakterisiert insbesondere Instabilität des Arbeitsplatzes, Kontrollverlust über das Arbeitsverhältnis, mangelnde Schutzbestimmungen, 51

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fehlende Gewährleistung der Existenzsicherung und Massnahmen zur Vorbeugung sozialer Ausgrenzung (vgl. S. 45). Zu den Arbeitsformen, die als prekär bezeichnet werden gehören unter anderem befristete Anstellungsverhältnisse, Schwarzarbeit, Teilzeitarbeit, Leiharbeit oder Arbeit auf Abruf. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse stellen für viele Angestellte ein Milieu der Unsicherheit dar und beinhalten das latente Risiko, auf das sozioökonomische Abstellgleis gestellt zu werden. Unsicherheit als zentrales Element von Prekarität kann in verschiedenen Formen auftreten. Eine Form ist die zeitliche Unsicherheit, die vor allem durch unbefristete Arbeitsverhältnisse sowie Temporär- oder Leiharbeit ausgelöst wird. In diese Sparte gehören auch

kurzfristig

angekündigte

Arbeitspläne,

durch

die

Arbeitnehmende

kaum

Planungssicherheit haben. Eine weitere Form ist ökonomische Unsicherheit. Kurzfristig bekannte und variable Löhne können dazu führen, dass das Gehalt im Voraus nicht bekannt ist, was die Ausgabenplanung erschwert oder gar verunmöglicht. Zusätzlich besteht das Risiko der Existenzunsicherheit, wenn der gezahlte Gehalt für die Grundbedürfnisse nicht reicht. Davon Betroffen sind insbesondere Personen, die einer Teilzeitarbeit nachgehen, in Niedriglohnsektoren angestellt sind und/oder andere Personen unterstützen müssen. Hier sind die vor allem die „Working Poor“ zu erwähnen – Personen die trotz ihrer Erwerbstätigkeit als arm gelten. 2011 wurden in der Schweiz 130„000 Personen als Working Poor eingeschätzt (vgl. BFS, 2014). Die letzte Form von Unsicherheit betrifft die Schutzbestimmungen sozialstaatlicher

in

Schutz

Arbeitsverhältnissen, gemeint

ist.

womit

Missbräuchliche

fehlender

rechtlicher

Entlassungen,

und

inakzeptable

Arbeitsbedingungen und Diskriminierung sind Anzeichen hierfür. Auch gehört die, in Relation zu

Normalarbeitsverhältnissen,

verminderte

sozialstaatliche

Absicherung

zu

den

beschriebenen Formen. Ferner können hier Stellen mit gesundheitlichen Risiken aufgezählt werden (vgl. Marti, Osterwalder, Müller, 2003, S. 50-52). Diese Dimensionen der Unsicherheit bedeuten einerseits für Arbeitnehmende in vielen Fällen eine psychosoziale Belastung und Erschwerung der Lebens- und Arbeitsplanung. Für Unternehmen andererseits bedeutet die Bewirtschaftung dieser Unsicherheiten eine Zunahme der Flexibilisierung und Planungsmöglichkeiten. Nicht alle Beschäftigten erleben diese Arbeitsformen auch als prekäre Lebensverhältnisse, da dies stark abhängig ist von der persönlichen und berufsbiografischen Situation. Ferner muss die Komponente der Freiwilligkeit beachtet werden. Denn gewisse prekäre Ausprägungen werden mit Risikoprämien kompensiert und infolgedessen aus freien Stücken in Kauf genommen. Deshalb haben Marti, Osterwalder und Müller eine Definition aufgestellt, die diese Komponenten berücksichtigt: „Ein Arbeitsverhältnis wird als prekär bezeichnet, wenn relative Unsicherheit vorhanden ist, die weder erwünscht ist noch finanziell abgegolten wird.“ (2003, S. 53). Trotzdem, oder gerade deshalb, kann festgehalten werden, dass für

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eine grosse Zahl von Menschen die fehlende Einflussnahme auf ihre eigenen Arbeitsbedingungen, gewichtige Konsequenzen für ihr Privatleben mit sich bringt (vgl. Magnin, 2005, S. 5). Treibende

Kraft

hinter den

Tendenzen der Prekarisierung

sind die

veränderten

Anforderungen an Arbeitskraft und Bedingungen von Erwerbsarbeit. Dies wiederum ist verknüpft mit der neoliberalen, unternehmerischen Ausrichtung, die mittlerweile in fast alle Gesellschaftsbereiche vorgedrungen ist. Dazu gehört auch die sozialstaatliche Ebene, konkret die Herausbildung des aktivierenden Leitparadigmas (vgl. Eickhoff, 2009). Siebert (2003) bestätigt, dass im Zuge der Aktivierungspolitik das Ausmass an Prekarisierung zugenommen hat (vgl. S. 36). Nun stellt sich die Frage, ob Sozialfirmen als prekäre Beschäftigungsverhältnisse zu bewerten sind. Wie so oft muss hier darauf hingewiesen werden, dass Sozialfirmen ein uneinheitliches Gebilde darstellen und es deshalb keine allgemeingültige Antwort gibt. Wer sich jedoch die Dimensionen von Unsicherheit vor Augen führt und sie mit den Anstellungsbedingungen in Sozialfirmen im Rahmen des aktivierenden Sozialstaates abgleicht, muss zum Schluss kommen, dass Prekarität tatsächlich auf allen Ebenen vorhanden ist. Auf der Ebene der zeitlichen Unsicherheit wird deutlich, dass die unklare Fristenregelung von Anstellungsverhältnissen in Sozialfirmen, sich negativ auf die Planungssicherheit der Zugewiesenen auswirken kann. Wie zu sehen ist, kann die Anstellungsdauer je nach Region, Zuweisungsinstitution und Organisation variieren. Während im Bereich der IV eher Dauerstellen angeboten werden, sind es auf der Ebene der ALV und der Sozialhilfe häufig befristete Massnahmen. Am Beispiel der bereits erwähnten Zuweisungspraxis der Stadt St. Gallen, kann eine besonders drastische Form von Prekarität aufgezeigt werden. Zugewiesene wissen einerseits nicht wie lange sie angestellt sein werden, andererseits auch nicht was nach dem Einsatz kommt. Diejenigen, für die eine derartige Programmzuweisung eine gute Lösung darstellt, müssen in St. Gallen damit rechnen, bei mangelnden Vermittlungschancen ihre Stelle auf kurz oder lang wieder zu verlieren. Auf die Kontinuität einer psychosozialen Stabilisierung oder einer Aufrechterhaltung von Motivation kann sich dies äusserst negativ auswirken. Zusätzlich zu den zeitlichen Unsicherheiten, kommen ökonomische und arbeitsrechtliche Problematiken hinzu. Es ist eine Tatsache, dass Sozialfirmen im Niedriglohnsektor anzusiedeln sind. Sie können grundsätzlich als institutionalisierte Teillohnstellen deklariert werden. Dies ist deshalb problematisch, weil so der Grundsatz von existenzsichernden Löhnen in Frage gestellt wird. Personen, die trotz eines vollen Arbeitspensums nicht in Lage sind, ihre Grundbedürfnisse zu decken, befinden sich in einer lähmenden und sicherlich nicht selbstverschuldeten Abhängigkeit gegenüber Dritten. Falls dann noch hinzu kommt, dass es sich beim Arbeitsinhalt um reine Routinetätigkeiten handelt, die eher zu einer Dequalifikation führen, dann ist eine negative

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Auswirkung des Anstellungsverhältnisses unumgänglich. Ein weiteres Anzeichen für Prekarisierung ist der Druck gegenüber den Unterstützungsabhängigen, Arbeit um jeden Preis annehmen zu müssen. Diese Form von Zwang, hat auf die Autonomie der Einzelnen einen enormen Einfluss und untergräbt mögliche Selbsthilfepotenziale auf dem Weg in die Veränderung (vgl. Denknetz Jahrbuch, 2007, S. 33). Die vorhandene Prekarität im zweiten Arbeitsmarkt beschränkt sich nicht nur auf die Sozialfirmen. Beschäftigungsmassnahmen im Allgemeinen haben in der gegenwärtigen Sozialstaatskonzeption eine mehr oder weniger ausgeprägte prekarisierende Wirkung (vgl. Siebert, 2007, S. 35). Aus Sicht der Sozialen Arbeit muss dieser Zustand in der täglichen Arbeit beachtet und kritisch reflektiert werden. Es gilt für die Soziale Arbeit in diesem Bereich ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen und im Sinne eines advokatischen Einstehens für ihre Zielgruppe, auf diese Tendenzen hinzuweisen und so öffentlichen Druck auszuüben. Oder wie es der Autor und Journalist Ewald Schürmann ausdrückt: „Es nützt nichts, wenn sich die Fachwelt über solche öffentlichen Artikulationen ärgert, aber dann doch nur ignoriert, ohne dagegen zu halten. Deshalb müssen die sozialen Akteure mit ihrem Fachwissen und seriösen Analysen, fundierten Vorschlägen und erprobten Modelllösungen an die Öffentlichkeit gehen und mit diesen Botschaften klare Akzente im Prozess der Meinungsbildung setzen.“ (vgl. 2004, S. 15).

5.4 Resümee Zusammenfassend ist festzuhalten, dass Sozialfirmen unter den gegenwärtigen Umständen, aus einer sozialarbeiterischen Perspektive, kritisch zu betrachten sind. Anders als im affirmativ gefärbten Polit- und Mediendiskurs wurde in diesem Kapitel aufgezeigt, welche Aspekte der Öffentlichkeit in den Berichterstattungen und amtlichen Kommuniqués vorenthalten werden. Denn als weiteres Instrument des aktivierenden Arbeitsmarktregimes, besitzen Sozialfirmen in der heutigen Praxis oft den unangenehmen Beigeschmack einer Verwertungs- und Kontrollinstanz. Zusätzliche Faktoren wie die antiprofessionellen Tendenzen einiger Sozialfirmen sowie ihre Einbettung im Niedriglohnbereich, machen sie in den Augen der Sozialen Arbeit zu prekären Anstellungsformen, die sich keineswegs generell ermächtigend auf die Zugewiesenen auswirken. Aus einer selbstkritischen Haltung heraus muss hinzugefügt werden, dass die Soziale Arbeit selber an ihren Zuweisungskompetenzen arbeiten muss, damit Personen nicht in Programme gezwängt werden, in denen sich nichts zu suchen haben. Es bedarf eines weiteren Strebens nach Professionalität auf dem Gebiet des methodischen Handelns und des diagnostischen Fallverstehens. Die geäusserten Vorbehalte gelten demnach nicht alleine dem Konstrukt der Sozialfirmen, sondern auch dem System in dem es eingebettet ist.

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Die Kritik an den Sozialfirmen soll auch nicht als einseitige Polemik verstanden werden. Es ist nicht die Absicht dieser Arbeit, den Personen hinter den Sozialfirmen schlechte Absichten zu unterstellen. Es kann mit grosser Sicherheit gesagt werden, dass Betreibende dieser Organisationen, neben den betriebswirtschaftlichen Zielen auch aufrichtig das Soziale anstreben und ihnen die Schicksale der zugewiesenen Menschen wichtig sind. Unter der ganzen Bandbreite von Sozialfirmen gibt es auch sehr kreative Modelle, die mit ihren Angeboten, etwas überspitzt formuliert, eine gewisse „Subversion“ durchschimmern lassen. Ein Beispiel dafür ist die Sozialfirma Team-Solutions GmbH, die mit ihrer breiten und sehr flexiblen Palette an Arbeitsmöglichkeiten, den Zugewiesenen ein Stück Selbstbestimmung zurückgeben. Angestellte können interessen- und ressourcengeleitet eigene Projekte in Angriff nehmen, sich weiterbilden und werden dabei fachmännisch unterstützt. Mit dieser Form kann, zumindest ansatzweise, den Zwangsmomenten des Systems entgegengewirkt werden indem die Zugewiesenen selber bestimmen können was sie machen wollen. Es wurde mehrfach angetönt, dass Sozialfirmen für bestimmte Personen in gewissen Lebenslagen ein durchaus gutes Model darstellen können. Es scheint als würden vor allem ältere Arbeitnehmende, Personen mit psychischen Einschränkungen oder Erkrankungen sowie Suchtmittelabhängige gute Erfahrungen in Sozialfirmen machen. Voraussetzung ist, dass die angebotene Arbeit ihren Fähigkeiten und Stärken entspricht und sie sich als Menschen behandelt fühlen. Die Angestellten sollten in Sozialfirmen die Chance erhalten ihre Vermittlungsfähigkeit zu erhöhen, aber auch eine gewisse Sicherheit haben, auf eine dauerhafte Partizipationsmöglichkeit, falls der Einstieg in den ersten Arbeitsmarkt nicht so leicht von der Hand geht. Und genau in diesen Bereichen müssten die sozialstaatlichen Akteure ansetzten. Wünschenswert wäre ein tragfähiges professionelles System, das auf einer ersten Stufe fallspezifische Beratung und Abklärung anbietet und kompetente Unterstützung leistet bei einer möglichen Anschlusslösung; sei dies nun eine reguläre Arbeitsstelle, ein Programm, eine Qualifizierungsmassnahme oder auch mal keine konkrete Lösung. Wichtig ist es die Autonomie und Freiwilligkeit der Klientel als Ausgangspunkt für das Arbeitsbündnis zu nehmen und Personen, bei denen sich eine Reintegration als schwierig erweist, auch einfach in Ruhe zu lassen (vgl. Ludwig-Mayerhofer, Behrend, Sondermann, 2009, S. 289). Auf einer zweiten Stufe wären Arbeitsverhältnisse förderlich, die sich ermächtigend auf die Würde und Integrität der Angestellten auswirken. Dies bedingt, dass die Arbeitnehmenden sich als ganze Menschen wahrgenommen fühlen, einer Arbeit nachgehen können, die sie Weiterbringt oder zumindest zufrieden stellt sowie eine Vergütung erhalten, die sie möglichst von staatlichen Abhängigkeiten bewahrt. Grundsätzlich wäre es an dieser Stelle interessant über die vielen Alternativen und Optimierungsideen nachzudenken, die es für das System der Arbeitsintegration gäbe. Da

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wäre zum einen die Frage, ob es tatsächlich eine neue „Integrationsbranche“ braucht oder ob es nicht eher einer Förderung von Integration in den bestehenden, regulären Arbeitsmarkt bedarf. Das Modell des „Supported Employment“ bietet hier einige innovative Ansätze. Daneben können auch verschiedene Optimierungsvorschläge auf der sozialpolitischen Ebene

vernommen.

So

gibt

es

interessante

Ansätze,

die

ein

vereinfachtes

Arbeitsmarktsystem vorschlagen. Eine Möglichkeit dazu wäre die Herauslösung der Beratungsabteilungen aus den Sozialversicherungen sowie der Sozialhilfe. Die Beratung der IV, ALV und SH würde dann zu einer einzigen Integrationsagentur zusammengeführt. Somit könnten Mehrgleisigkeiten verhindert werden und die Sozialwerke wären wieder auf ihre Kernaufgabe der Existenzsicherung fokussiert. Noch weiter geht die Idee der allgemeinen Erwerbsversicherung (AEV), in der alle Sozialversicherungen zusammengeführt werden sollen. Dies sind nur einige Möglichkeiten einer langen Liste zur Optimierung und Verbesserung des Arbeitsmarktsystems. Eine elaborierte Auseinandersetzung mit diesen Vorschlägen würde aber am Thema vorbeizielen und eindeutig den formellen Rahmen sprengen. Wichtig erscheint die Erkenntnis, dass Sozialfirmen ein adäquates Mittel für gewisse Situationen darstellen können, jedoch gewiss nicht die alleinige Lösung für das Beschäftigungsproblem des 21. Jahrhunderts sind. Für die Soziale Arbeit können sie eine Handlungsoption darstellen, die erwähnten Unzulänglichkeiten müssen aber in jedem Fall mitgedacht werden.

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6. Schlussfolgerung Am Ende dieser Bachelorthesis angelangt, gilt es nochmal die gesammelten Erkenntnisse Revue passieren zu lassen und herauszuarbeiten, was wesentlich für die Beantwortung der eingangs gestellten Fragen ist. Wurden die Fragen nach dem Wesen der Sozialfirmen, ihrer Herkunft, Rolle und Wirkung beantwortet? Und was ist aus einer professionsethischen Perspektive über diese Form von Arbeitsintegration zu sagen?

Um eine Verständnisgrundlage zu schaffen, wurde in einem ersten Schritt die Entwicklung des Arbeitsmarktes und des Sozialstaats seit dem Aufkommen der Industrialisierung erläutert. Dazu wurden die Grundzüge der Modernisierung, also dem Übergang der traditionellen, hin zur modernen Gesellschaftsform, erklärt. Es wurde aufgezeigt, was diese gesellschaftliche Transformation für die Arbeitsgesellschaft bedeutete. Die Globalisierung und der Strukturwandel zum deregulierten Kapitalismus lösten eine Reihe von Entwicklungen aus, die einen starken Einfluss auf die Menschen und ihre Arbeit hatten. Die meisten westlichen

Staaten

wurden

zu

Dienstleistungsgesellschaften

und

viele

industrielle

Produktionen ausgelagert. Diese Entwicklung stellt insbesondere für gering qualifizierte Personen eine schwierige Situation dar, da derartige Veränderungen sich auf das sozialstaatliche Handeln vieler westlicher Länder auswirkten. Mit dem Aufkommen des Postfordismus kam es in vielen Ländern zu einem sozialstaatlichen Leistungsabbau. Es trat die aktivierende Sozial- und Beschäftigungspolitik in den Vordergrund, was eine Abkehr der reinen Existenzsicherung, hin zu einer Fokussierung auf die Integration ins Erwerbsleben bedeutete. Im Zuge dieser Dynamik entstanden unterschiedliche Formen von öffentlich finanzierten, arbeitsmarktlichen Massnahmen und Beschäftigungsprogrammen – darunter auch die Sozialfirmen.

Nach dieser Heranführung an die Thematik wurde erörtert, wie eine Sozialfirma in der Schweiz definiert werden kann. Schnell wird klar, dass es die Sozialfirma nicht gibt. Rechtlich ist der Begriff nicht geschützt, folglich kann sich grundsätzlich jede Einrichtung so nennen. Auf theoretischer Ebene gibt es jedoch klar definierte Merkmale, die Sozialfirmen auszeichnen. In dieser Arbeit wurden die Definitionen von F.U.G.S. und CEFEC als Ausgangspunkt genommen. Zusammengefasst stellen folgende Punkte die wesentlichen Merkmale von Sozialfirmen dar: 

Doppelte Zielsetzung: Einerseits streben sie mit dem Verkauf von marktgerechten Produkten und Dienstleistungen, wirtschaftliche Ziele an. Andererseits besteht das

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soziale Ziel darin, dauerhafte Arbeitsplätze für Personen zu schaffen welche auf dem Arbeitsmarkt benachteiligt sind. 

Selbstfinanzierungsgrad: Sozialfirmen streben einen Selbstfinanzierungsgrad von mindestens 50 Prozent an.



Personalstruktur: Das Personal soll zu mindestens 30 Prozent aus Personen bestehen, die auf dem regulären Markt benachteiligt sind. Wesentlich ist die enge Kooperation von Zugewiesenen und Nichtzugewiesenen Mitarbeitenden.



Beschäftigungsverhältnisse: Sozialfirmen stellen „normalisierte“ Arbeitsplätze zur Verfügung. Alle Mitarbeitenden sollen reguläre Verträge und eine orts- und branchenübliche Vergütung erhalten. Die Gleichstellung aller Arbeitnehmenden wird angestrebt.

Diese Punkte entsprechen dem Idealtypus einer Sozialfirma. In der Realität besteht jedoch kaum eine Organisation, die alles einhält. Dank den empirischen Erhebungen zweier, in der Schweiz durchgeführten Studien, konnte festgestellt werden, dass bestehende Sozialfirmen vor allem die doppelte Zielsetzung gemein haben. Was die restlichen Punkte anbelangt, so gibt grosse Unterschiede. Einige Organisationen können sich fast gänzlich selber finanzieren, andere sind beinahe komplett abhängig von der öffentlichen Hand. Auch in Bezug auf die Personalstruktur gibt es zum Teil grosse Unterschiede innerhalb der „Branche“. Das Merkmal, welches am wenigsten in die Realität umgesetzt wird, sind „normalisierte“ Beschäftigungsverhältnisse. Die verwendeten Studien haben gezeigt, dass die orts- und branchenübliche Vergütung und somit die Gleichstellung des Personals eine absolute Ausnahme bleiben. Die lose definitorische Eingrenzung führt dazu, dass sich dutzende unterschiedliche Gebilde entwickelt haben. Je nach Konzept, Zuweisungsinstitution und Region haben sich verschiedene Ausprägungen ergeben. Diese Heterogenität führt zur Entstehung vieler sehr kreativer Formen, jedoch auch zu einer Unübersichtlichkeit, welche eine einheitliche Qualitätsüberprüfung erschwert. Hierfür wurden Empfehlungen abgegeben wie etwa die rahmengesetzliche Verankerung oder der Einsatz einer Arbeitsmarktaufsicht, damit bestimmte Qualitätsstandards gewährleistet werden können.

In einem weiteren Schritt wurde aufgezeigt, welche Rolle Sozialfirmen im Feld der Arbeitsintegration

einnehmen.

Dazu

wurden

die

Kooperationsformen

mit

den

sozialstaatlichen Institutionen Arbeitsmarktbehörde, Invalidenversicherung und Sozialhilfe erläutert. Es stellte sich heraus, dass Zuweisungen der Arbeitsmarktbehörde respektive der ALV nicht sehr verbreitet sind, da dies rechtlich noch nicht vorgesehen ist. Derzeit läuft ein kantonales Projekt, das eruiert, ob die Zusammenarbeit der ALV mit Sozialfirmen einen 58

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Mehrwert bringt und somit erweitert werden soll. Für die IV stellen Sozialfirmen eine interessante Alternative zu den Werkstätten dar, obwohl die Unterscheidung zum letztgenannten Modell nicht eindeutig ist. Die IV sieht in der stärkeren Durchmischung von benachteiligten und nichtbenachteiligten Personen einen Gewinn. Zusätzlich kommt die Tatsache hinzu, dass Menschen mit Beeinträchtigungen auf dem regulären Arbeitsmarkt untervertreten bleiben. In marktnahen Anstellungsverhältnissen, wie sie Sozialfirmen anbieten, wird deshalb Potenzial gesehen. Die Sozialhilfe wiederum, vermittelt insbesondere langzeitarbeitslose Personen an die beschriebenen Einrichtungen. Die Leitmotive der Sozialämter bestehen in der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Vermittlungsfähigkeit, der

psychosozialen

Stabilisierung

und

der

kostengünstigen

Beschäftigung

von

Zugewiesenen. Die Kooperationsformen sind kantonal unterschiedlich. Die Dauer der Anstellungsverhältnisse hängt stark von der Verwaltungskategorie ab. Die IV finanziert in der Regel unbefristete, die Sozialhilfe und die ALV grösstenteils befristete Anstellungsverhältnisse. Auch in diesem Punkt stimmen Theorie und Praxis nicht immer überein. Ein eher kurzer Teil dieser Arbeit bezieht sich auf den sozioökonomischen Nutzen der Sozialfirmen. Mangels empirischer Erkenntnisse ist nicht klar erwiesen, dass Sozialfirmen höhere Reintegrationsquoten erreichen als andere Massnahmen oder Programme. Auch gibt es keine offiziellen Zahlen, die belegen, dass sie der öffentlichen Hand Einsparungen bringen. Hier bedarf es weiteren empirischen Abklärungen um in diesen Fragen Klarheit zu schaffen.

Im letzten Kapitel wurden Sozialfirmen aus der Sicht der Sozialen Arbeit bewertet. Dabei wurde herausgearbeitet, dass die institutionelle Einbettung in den gesetzlichen Rahmen des aktivierenden Sozialstaats dazu führt, dass die Anstellungsverhältnisse nicht auf der Grundlage von Freiwilligkeit gewählt werden können. Die systemkritische Analyse weist auf die, im Fachdiskurs häufig genannten, Nachteile der aktivierenden Programmatik hin. Zusätzlich wurden die Fragen der Professionalität innerhalb Sozialfirmen und der Sozialen Arbeit thematisiert. Es wurde festgehalten und kritisiert, dass gewisse Sozialfirmen eine professionelle Beratung und Begleitung der Zugewiesenen ablehnen. Dieser Ausprägung wird vorgeworfen, reine Verwertungspolitik zu betreiben, in dem sie für Zugewiesene Subventionen erhalten, jedoch auf eine fachmännische und allfällig agogische Unterstützung komplett verzichten. Auch die Soziale Arbeit wird in diesem Zusammenhang für die teils mangelnde Professionalität in der Zuweisungspraxis angeprangert. Hierfür wurden Empfehlungen für die Zusammenarbeit der behördlichen Angestellten mit ihrer Klientel abgegeben. Zum Schluss wurde aufgezeigt, die die Anstellungsformen in Sozialfirmen teils prekären Beschäftigungsverhältnissen entsprechen. Die fehlende Möglichkeit die Stelle aus

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eigenen Stücken zu wählen, die unsichere Anstellungsdauer und die niedrige Vergütung ergeben eine Reihe von Unsicherheiten für die Zugewiesenen. Dies zeigt nochmals klar auf, dass diese Anstellungsform, trotz ihrer vermeintlichen Marktnähe, deutlich von regulären, traditionellen Beschäftigungsverhältnissen abweicht.

Die kritische Auseinandersetzung im letzten Kapitel bezieht sich in vielen Punkten nicht auf Sozialfirmen als isolierte Gebilde, sondern auf Sozialfirmen als Akteure im gegenwärtigen politischen, gesetzlichen und wirtschaftlichen Umfeld. Grundsätzlich ist an der Intention hinter der Sozialfirmenidee nichts auszusetzen. Beschäftigungsformen, die am Markt agieren und dennoch Rücksicht nehmen auf allfällige Beeinträchtigungen von Angestellten, können durchaus Sinn machen. Die Arbeit unter realen Bedingungen und die Möglichkeit gefragte Kompetenzen zu erwerben, kann unter den richtigen Umständen eine gute Grundlage für einen gestaffelten Übergang in den regulären Arbeitsmarkt darstellen. Aber auch für Personen, deren Eingliederungschancen in den Arbeitsmarkt als gering zu betrachten sind, können Sozialfirmen eine Lösung sein, sofern sie adäquat gefördert und entlohnt werden sowie stabile Verhältnisse in Bezug auf die Anstellungsdauer bestehen.

Es bleibt abzuwarten in welche Richtung sich dieses spannende Modell in Zukunft entwickelt. Noch ist es zu früh, um abschätzen zu können, ob alle Hoffnungen, die in sie gesteckt wurden erfüllt sind. Dafür müssen weitere Erkenntnisse und Erfahrungswerte gesammelt werden.

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Bachelorarbeit

Kevin Baumann

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