Skriptum. Felsmechanik und Tunnelbau

Skriptum Felsmechanik und Tunnelbau Stand: 20.02.2007 Inhaltsverzeichnis I Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis...................................
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Skriptum

Felsmechanik und Tunnelbau

Stand: 20.02.2007

Inhaltsverzeichnis

I

Inhaltsverzeichnis Inhaltsverzeichnis............................................................................................. I 1

Der Baustoff Fels .................................................................................. 1–1 1.1

Allgemein ............................................................................... 1–1

1.2

Intaktes Gestein ..................................................................... 1–1

1.3

Trennflächen .......................................................................... 1–2

1.4

Gebirge .................................................................................. 1–2

2

Wechselwirkungen im Felsbau (Interaktionsmatri-x)......................... 2–3

3

Tropie und Genität ................................................................................ 3–5

4

3.1

Isotropie ................................................................................. 3–5

3.2

Anisotropie ............................................................................. 3–5

3.3

Homogenität........................................................................... 3–6

3.4

Inhomogenität ........................................................................ 3–6

Spannungen und Dehnungen.............................................................. 4–7 4.1

Allgemein ............................................................................... 4–7

4.2

Normal- und Schubspannungskomponenten ........................ 4–7

4.2.1

Spannungskomponenten an einem Felswürfel ..............................4–8

4.2.2

Hauptspannungen ..........................................................................4–8

4.3

Dehnungen, Verformungen, Verzerrungen............................ 4–9

4.4

Spannungen und Dehnungen an einem Felselement ......... 4–10

4.4.1

Stoffgesetz (Hook’sches Gesetz), einaxiale Beanspruchung .......4–10

4.4.2

Stoffgesetz (Hook’sches Gesetz) für mehrdimensionale Körper ..4–11

4.5

Primärspannungen............................................................... 4–11

4.5.1

Bestimmung des Primärspannungszustandes auf Grundlage der Elastizitätstheorie ...................................................................4–11

4.5.2

Messmethoden zur Bestimmung des Primärspannungszustandes.....................................................................................4–13

4.6

Sekundärspannungen.......................................................... 4–16

4.6.1

Allgemein .....................................................................................4–16

4.6.2

Beanspruchung des Hohlraumrandes nach dem Ausbruch .........4–18

4.7

Effektivspannungen ............................................................. 4–20

Inhaltsverzeichnis

5

Intaktes Gestein .................................................................................. 5–21 5.1

Versagensformen................................................................. 5–21

5.2

SpannungsDehnungsverhalten im einaxialen Druckversuch ....................................................................... 5–22

5.3

Auswirkung von Probengeometrie und Belastungszustand auf die Spannungs- Dehnungskurve .... 5–24

5.3.1

Probengröße ................................................................................5–24

5.3.2

Probenform ..................................................................................5–24

5.3.3

Belastungszustand .......................................................................5–25

5.4 5.4.1

5.5

6

Gesteinsfestigkeit................................................................. 5–25 Spannungszustand.......................................................................5–25

Messung der Gesteinsfestigkeit........................................... 5–28

5.5.1

Allgemein .....................................................................................5–28

5.5.2

Versuche im Feld .........................................................................5–28

5.5.3

Laborversuche .............................................................................5–30

Trennflächen ........................................................................................6-33 6.1

Allgemein .............................................................................. 6-33

6.2

Auftreten von Trennflächen................................................... 6-33

6.3

Geometrische Eigenschaften................................................ 6-34

6.4

Mechanische Eigenschaften ................................................. 6-35

6.4.1

Steifigkeit...................................................................................... 6-35

6.4.2

Festigkeit...................................................................................... 6-36

6.5

7

II

Messung der Trennflächenmerkmale ................................... 6-38

6.5.1

Trennflächenmerkmale................................................................. 6-38

6.5.2

Mechanische Eigenschaften ........................................................ 6-38

Gebirge 7–42 7.1

Allgemein ............................................................................. 7–42

7.2

Verformbarkeit...................................................................... 7–42

7.2.1

Gebirge ohne Trennflächenfüllung ...............................................7–42

7.2.2

Gebirge mit gefüllten Trennflächen ..............................................7–43

7.3

Festigkeit.............................................................................. 7–45

Der Baustoff Fels

1–1

1 Der Baustoff Fels 1.1 Allgemein Gebirge ist kein fabrikmäßig nach Spezifikationen hergestellter Baustoff. Es war meist über Millionen von Jahren enormen mechanischen, thermischen und chemischen Angriffen ausgesetzt. In der Regel ist das Gebirge in sich stark strukturiert und weist eine Vielzahl von Trennflächen auf. Daher wird es als Diskontinuum angesprochen. Das heißt, es sind unterschiedliche Eigenschaften an verschiedenen Stellen und in unterschiedlichen Richtungen anzunehmen. Um das Verhalten des Gebirges voraussagen zu können, müssen durch Labor- und Felduntersuchungen bestimmte Eigenschaften von : •

intaktem Gestein



Trennflächen



dem gesamten Gebirge

ermittelt werden. Bei Felsbauwerken ist der Fels zugleich Baustoff und belastendes Element. Die Art des jeweiligen Bauwerkes bestimmt die relative Bedeutung der einzelnen Eigenschaften. Für eine erfolgreiche Projektierung ist es von wesentlicher Bedeutung, dass die geologischen Strukturen, einschließlich Lagerung, Faltung, Störungen, Scherzonen, Klüften u.s.w., sowie die Gesteinsart als Gesamtes entsprechend berücksichtigt werden. Neben den geologischen Einflussfaktoren, den Eigenschaften von intaktem Fels und Trennflächen, sind bei der Planung von Felsbauwerken der Spannungszustand im Gebirge, die hydrologischen Einflüsse und Bauweisen zu berücksichtigen.

1.2 Intaktes Gestein Der Begriff "intakter Fels" bezieht sich auf Fels, der keine durchgehenden Trennflächen besitzt, welche die Festigkeit entscheidend beeinflussen. Die Eigenschaften von intaktem Fels sind für den Felsausbruch von entscheidender Bedeutung (Lösbarkeit). Üblicherweise werden am intakten Fels folgende Parameter bestimmt : • Dichte • Verformbarkeit (Elastizität) • Verformungsmodul

• Poisson´sche Zahl • Festigkeit (einachsige Zugfestigkeit)

Druckfestigkeit,

Kohäsion,

Reibungswinkel,

Der Baustoff Fels

1–2

In der Praxis ergeben sich bei der Ermittlung von repräsentativen Parametern Probleme, da die Werte innerhalb des interessanten Bereiches (für ein Bauwerk) in einer großen Bandbreite streuen. Auch einfache Eigenschaften, wie z.B. der Verformungsmodul, müssen differenziert angegeben werden, da der Fels meist unterschiedliche Eigenschaften in verschiedenen Richtungen hat.

1.3 Trennflächen Jeder Fels weist Trennflächen auf. Es gibt verschiedene Typen und Größenordnungen von Trennflächen. Diese beginnen bei Mikrorissen und gehen über Risse, Klüfte und Schichtungsflächen bis zu Störungen. Die Kenntnis des geologischen Ursprungs dieser Unstetigkeiten trägt zum Verständnis der mechanischen Struktur und der Eigenschaften des Felsmaterials entscheidend bei. So sind z. B. Sedimentgesteine häufig durch Haupttrennflächen in größere Blöcke zerlegt. Diese Trennflächen sind meist einheitlich in Richtung und Erstreckung. Klüfte, die einzelne Blöcke weiter zerlegen, sind oft durch Beanspruchung (z.B. Tektonik) entstanden und zeigen in der Regel eine geringere Regelmäßigkeit als die übergeordneten Haupttrennflächen. Die Art, Orientierung und Stellung von Trennflächen in Relation zum Bauwerk, beeinflussen die Gebirgseigenschaften im hohen Maß, und haben daher starke Auswirkungen auf Felsbauwerke.

1.4 Gebirge Für das Gesamtverhalten des Gebirges ist das Verhalten des Systems aus intaktem Gestein, Klüften und Bergwasser maßgebend (Abb. 1). Bei der Herstellung eines Felsbauwerkes wird das Gebirge, das unter beachtlicher Spannung stehen kann, durch die Bauarbeiten gestört. Bei Felsbauwerken wird meist Felsmaterial entfernt (Böschungsabtrag, Tunnelausbruch). Dadurch kommt es zu einer Spannungsumlagerung im Gebirge. Die Planungsvorgaben hängen davon ab, ob man Material entfernt um ein dauernd nutzbares Bauwerk zu schaffen (Verkehrstunnel, Kavernen, Felsböschungen), oder ob man das Material selbst gewinnen will (Bergbau). Gestein

Trennflächen

Gebirgsverhalten

Bergwasser

Abb. 1:

Maßgebende Faktoren für das Gesamtverhalten eines Gebirges

Wechselwirkungen im Felsbau (Interaktionsmatrix)

2–3

2 Wechselwirkungen im Felsbau (Interaktionsmatrix) Jede Form des Felsbaues ist von der Wechselwirkung zwischen Bau und der dadurch hervorgerufenen Baugrundreaktion betroffen. Die Wechselwirkungen zwischen den drei Hauptcharakteristika •

Gebirgsstruktur



in situ Spannungen



Grundwasserströmungen im Gebirge

müssen beachtet werden. In Abb. 2 sind die Hauptwechselwirkungen im Gebirge dargestellt, wobei für die einzelnen Abhängigkeiten ein Matrix-Nummerierungssystem [1] verwendet wird (Abb. 3). Zu beachten ist, dass z.B. die Wechselwirkung 2,1 nicht gleich der Wechselwirkung 1,2 ist, da die Spannung auf die Gebirgsstruktur einen anderen Einfluss hat, als die Gebirgsstruktur auf das lokale Spannungsfeld. Obwohl die einzelnen Elemente zunächst durchaus auch getrennt behandelt werden können, sollte letztlich das felsmechanische System in seiner komplexen Gesamtheit betrachtet werden. Zusätzlich ist zu berücksichtigen, dass bestimmte Gebirgsarten durch die Bauaktivitäten unter dem Einfluss der Zeit ihre Eigenschaften verändern können. So kann das Gebirge unter dem Einfluss von Spannungsänderungen, Luftzutritt oder Feuchtigkeit mitunter wesentlich an Festigkeit verlieren. Wechselwirkung 1,2 Gefüge/Spannungen lokales Spannungsfeld wird durch Trennflächen beeinflußt

sv

Wechselwirkung 1,3 Gefüge/Bergwasser Wasser fließt entlang Trennflächen

sh

Wechselwirkung 2,3 Spannung/Bergwasser Normalspannungen verändern den Bergwasserfluß

Wechselwirkung 2,1 Spannung/Gebirgsstruktur hohe Spannungen können die Gebirgsstruktur verändern

Wechselwirkung 3,2 Wasserdruck/Spannungen Wasserdruck in den Trennflächen

Wechselwirkung 3,1 Strömung/Gebirgsstruktur ständige Strömung in Klüften kann die hydrogeologischen und mechanischen Eigenschaften verändern

Abb. 2:

Hauptwechselwirkungen im Gebirge

reduziert die Normalspannung

Wechselwirkungen im Felsbau (Interaktionsmatrix)

2–4

Die Wechselwirkungen können in übersichtlicher Weise in Matrixform dargestellt werden. Je nach Projektstadium kann die Matrix mit verschiedenem Detaillierungsgrad aufgestellt werden. Die in Abb. 3 dargestellte Matrix zeigt die Abhängigkeiten zwischen den Haupteinflussfaktoren Gebirgsstruktur, in situ Spannungen, Grundwasserströmung und baubedingten Faktoren. Durch diese Betrachtungsart kann ein in Bezug auf das Gesamtsystem wichtiger Faktor leichter erkannt werden. Festes Gestein hält größerer Spannung stand

GEBIRGSSTRUKTUR intakter Fels + Diskontinuitäten

hohe Spannung

1,2

Spannung

IN-SITU SPANNUNG

verursacht

Bruch

auf

Ausbruch- und Sicherungstechnik

bestimmen

Durchlässigkeit

P

großer E-Modul

1,1

Brüche

Diskontinuitäten

s3

1,4

1,3

Spannungen

d

Angepasste Hohlraumgestaltung

verändern

Durchlässigkeit

s1 Wasser

s3

s3

2,1

s2

2,2

Verwitterung

Spannung reduziert durch Wasserdruck

durch

Bergwasser

2,3

2,4

Drainage

BERGWASSER

t

Kluftströmung

s effektive Spannung

3,2

3,1

Festigkeitsverminderung durch Sprengen und Spannungskonzentrationen

Änderung der Spannungen im Nahbereich

4,1

3,3

3,4

Hauptveränderungen

KONSTRUKTION

im Nahbereich

Methoden Kosten, etc.

4,3

4,2

4,4

Materialbedingt 1,1 1,2

1,3

1,4

2,1

2,2

2,3

2,4

3,1

3,2

3,3

3,4

4,1

4,2

4,3

4,4

Subjekt

Einfluß

A

von A auf B

Einfluß

Subjekt

von B auf A

B

Konstruktionsbedingt

Abb. 3:

Darstellung der Hauptwechselwirkungen in Matrixform [1]

Tropie und Genität

3–5

3 Tropie und Genität Als Genität wird der Grad der Homogenität bzw. Inhomogenität und als Tropie der Grad der Isotropie bzw. Anisotropie bezeichnet.

3.1 Isotropie Isotrop wird ein Körper genannt, wenn er in allen Richtungen gleiche Eigenschaften aufweist. (Abb. 4).

x y z Abb. 4:

Isotroper Körper

3.2 Anisotropie Anisotrop wird eine Körper genannt, wenn sein Material nach unterschiedlichen Richtungen des Raumes unterschiedliche Eigenschaften aufweist. Arten der Isotropie (Abb. 5): •

transversale Isotropie (z.B. Eigenschaften in vertikaler Richtung anders als in horizontaler Richtung)



Orthotropie (verschiedene Richtungen)

Eigenschaften

in

drei

verschiedenen

x y z transversal isotrop Abb. 5:

Arten der Isotropie

orthotrop

Tropie und Genität

3–6

Transversale Isotropie trifft z.B. auf Gebirge mit horizontaler Schichtung zu. Orthotropie kann z.B. Gebirge mit drei senkrecht zueinander stehenden Trennflächensätzen darstellen. Durch die Entstehung ist auch intakter Fels meist anisotrop. Die durch die Trennflächen hervorgerufenen Anisotropien überwiegen jedoch meist in ihrer Bedeutung für das Bauwerk.

3.3 Homogenität Ein Körper ist homogen, wenn die physikalischen Eigenschaften an verschiedenen Punkten gleich sind. Geologische Körper können in Bezug auf ein bestimmtes Gefügemerkmal mehr oder weniger homogen sein. Das Gestein in der Größenordnung einzelner Kluftkörper oder Probenstücke weist ganz andere Eigenschaften auf als der Fels im Gebirgsverband, der von Trennflächen verschiedenster Art durchzogen ist und dessen Eigenschaften in hohem Maße richtungsabhängig sind. Gebirgseigenschaften können daher immer nur für einen bestimmten Gültigkeitsbereich angegeben werden.

3.4 Inhomogenität Ein Material wird als inhomogen bezeichnet, wenn die Eigenschaften an verschiedenen Punkten unterschiedlich sind. Abb. 6 zeigt eine mögliche Verteilung von Druckfestigkeiten an einer Ortsbrust. Dabei kann der Typ des Materials durchaus derselbe sein; eine starke Variation der Festigkeiten kann z.B. aus unterschiedlicher Zerlegung, Beanspruchung oder Verwitterung resultieren. Die Inhomogenität hat große Auswirkungen auf das Ausbruchs- und Verformungsverhalten und beeinflusst den Stützmittelbedarf in Qualität und Quantität. Um Regelmäßigkeiten in den Verteilungen von Inhomogenitäten zu erkennen, können geostatistische Methoden angewandt werden.

40 - 60 MPa 5 - 10 MPa

20 - 30 MPa 5 - 10 MPa

Abb. 6:

Ortsbrust unterschiedlicher Festigkeit

Spannungen und Dehnungen

4–7

4 Spannungen und Dehnungen 4.1 Allgemein In der Regel werden Lasten oder Kräfte auf ein Material mit bestimmten Eigenschaften aufgebracht. Im Felsbau hingegen wird für gewöhnlich ein unter Spannung stehender Körper in seiner Geometrie verändert. Dadurch ändert sich der ursprüngliche Spannungszustand. Begriffsdefinitionen: • Skalar: Größe mit einer bestimmten Maßzahl. Beispiele für Skalare sind Temperatur, Zeit, Masse, etc. Sie werden nur durch einen Wert beschrieben, z.B. Grad, Sekunden, Kilogramm, etc. • Vektor: Größe gekennzeichnet durch Länge (Maßzahl) und Richtung. Beispiele für Vektoren sind Kraft, Geschwindigkeit, Beschleunigung, etc. • Tensor: Größe mit Zahlenwert, Richtung und einer Ebene. Beispiele für Tensoren sind Spannung, Dehnung, Durchlässigkeit, Trägheitsmoment, etc.

4.2 Normal- und Schubspannungskomponenten In einer Ebene durch einen unter Belastung stehenden Körper gibt es Normal- und Scherkräfte. Diese Kräfte pro Einheitsfläche ergeben die Normal- und Schubspannungskomponenten. Diese liefern den Spannungstensor (Abb. 7).

F

Fn

Fs

a)

σn b)

τ τ σn

Abb. 7:

a) Normal- und Scherkräfte

b) Normal- und Schubspannungen

Spannungen und Dehnungen

4–8

4.2.1 Spannungskomponenten an einem Felswürfel Es gibt neun Spannungskomponenten, die auf ein Element einwirken, wie an einem Würfel demonstriert wird (Abb. 8).

σ zz

x y

τzy

z

τyz σ yy

Abb. 8:

τ yx

τ zx

sechs unabhängige Werte

τxz τxy

σxx

σxx

τ xy

τ

xz

τ yx

σ yy

τ

yz

τzx

τ zy

σ

zz

Normal- und Schubspannungskomponenten an einem Würfel

Diese können in einer Matrix mit drei Normalspannungskomponenten und sechs Schubspannungskomponenten dargestellt werden. Der erste Index repräsentiert die Ebene, in der die Spannung wirkt, der zweite die Richtung. Z.B. τxy wirkt in diesem Fall in der x-Ebene und in y-Richtung. Daraus ist zu erkennen, dass in den Reihen der Matrix die Komponenten jeweils einer Ebene sind und in den Spalten die Komponenten gleicher Richtung. Weiters ist die Dualität der Schubspannungen zu beachten, z.B. τxy=τyx (Anderenfalls würde der Würfel rotieren). Die Spannungsmatrix ist aus diesem Grunde entlang der Hauptdiagonalen für einen Körper in Ruhe auch symmetrisch. Der Spannungszustand in einem Punkt wird also vollständig von sechs unabhängigen Spannungskomponenten, drei Normalspannungen und drei Schubspannungen, bestimmt.

4.2.2 Hauptspannungen Es existieren für jeden Punkt eines verformbaren, unter Belastung stehenden Körpers drei zueinander orthogonale Ebenen, zu denen die Spannungsvektoren ausschließlich senkrecht orientiert sind. Die Normalspannung in zwei dieser Ebenen erreicht ein Maximum und ein Minimum und in der dritten einen Wert zwischen Maximum und Minimum. Bei dieser Orientierung der orthogonalen Flächen werden die Schubspannungen null. Die Normalspannungen, die auf diese Flächen wirken werden Haupt(normal)spannungen (σ1, σ2, σ3) genannt. Diese sind wieder an einem Würfel und in der Matrix dargestellt. Weiters sei darauf hingewiesen, dass alle ungestützten Oberflächen, z.B. Ausbruchsflächen Hauptspannungsebenen

Spannungen und Dehnungen

4–9

darstellen, da keine Schubspannungen auf ihnen wirken können. Ebenso ist die Normalspannungskomponente auf diese Fläche null.

σ1

σ2 σ3

σ3 Abb. 9:

σ2

σ1

O

O

O

σ2

O

O

O

σ3

σ1

Hauptspannungskomponenten an einem Würfel

4.3 Dehnungen, Verformungen, Verzerrungen Jeder Körper erfährt unter Einwirkung äußerer Kräfte Verformungen. Unter der Wirkung von Normalspannungen erfahren die Kantenlängen L eine Längenänderung ∆L, die auf die ursprüngliche Länge bezogen als Dehnung ε bezeichnet wird. Durch Schubbeanspruchung werden die unverformten rechten Winkel durch das Maß γ, welches als Gleitung bezeichnet wird, verzerrt.

L

γ σ

σ

L1

ε=

Abb. 10:

ψ 1

∆L

L − L1 ∆L = L L

Längsdehnung und Schubverzerrung

γ = tanψ

Spannungen und Dehnungen

4–10

Durch die Kombination von Längsdehnungs- und Schubverzerrungskomponenten kann der gesamte Verzerrungstensor analog dem Spannungstensor wieder in einer Matrix dargestellt werden. Die Matrix ist wieder symmetrisch und hat daher wieder sechs unabhängige Komponenten. Bei einer bestimmten Orientierung eines Würfels, in der keine Schubverzerrungen auftreten, liegt wieder ein Hauptverzerrungszustand vor.

⎡ε xx ⎢ ⎢γ yx ⎢γ zx ⎣

4.4

γ xy γ xz ⎤ ⎥ ε yy γ yz ⎥ γ zy ε zz ⎥⎦

Spannungen Felselement

und

Dehnungen

an

einem

Für linear-elastisches, isotropes Material besteht eine eindeutige Beziehung zwischen Spannungen und Dehnungen bzw. Gleitungen.

4.4.1 Stoffgesetz (Hook’sches Gesetz), einaxiale Beanspruchung In Abb. 11 ist ein einaxial beanspruchtes Felselement dargestellt – die aufgebrachte Längsspannung ist σa und die daraus resultierende Längsdehnung (Stauchung) ist εa. Weiters wird eine Querdehnung εq des Felselementes durch die axiale Beanspruchung hervorgerufen. σa

σa

∆L

d d1

L

σa

σa

Längsdehnung: ε a =

∆L L

Elastizitätsmodul: E =

Abb. 11:

σa εa

Querdehnung: ε q = Poissonzahl: ν =

∆d d − d1 = d d

εq εa

a) b) Dehnungen an einem Felselement; Längsdehnung und Elastizitätsmodul (a), Querdehnung und Poissonzahl (b)

Spannungen und Dehnungen

4–11

4.4.2 Stoffgesetz (Hook’sches Gesetz) für mehrdimensionale Körper

τ xy =

[

]

[

]

[

]

σ xx =

E (1 − υ )ε xx + υ (ε yy + ε zz ) (1 + υ )(1 − 2υ )

σ yy =

E (1 − υ )ε yy + υ (ε xx + ε zz ) (1 + υ )(1 − 2υ )

σ zz =

E (1 − υ )ε zz + υ (ε xx + ε yy ) (1 + υ )(1 − 2υ )

E γ xy 2(1 + υ )

τ yz =

E γ yz 2(1 + υ )

τ zx =

E γ zx 2(1 + υ )

In symbolischer Matrixschreibweise wird daraus:

[σ ] = [C ][ε ]

mit [C] = f(E, ν)

4.5 Primärspannungen Der vor dem Eingriff im Fels (z.B. Hohlraumausbruch, Böschungsabtrag) herrschende Spannungszustand wird als Primärspannungszustand (in situ Spannungszustand) bezeichnet. Für die Planung und Errichtung von Felsbauwerken ist die Kenntnis des in situ Spannungszustand von großer Bedeutung. Um eine Aussage über den Spannungszustand im Gebirge zu bekommen, ist es notwendig Größe und Richtung der Hauptspannungen zu kennen.

4.5.1

Bestimmung des Primärspannungszustandes Grundlage der Elastizitätstheorie

auf

Es kann in einer ersten Näherung angenommen werden, dass die drei Hauptspannungen in einem natürlichen in situ Spannungsfeld vertikal (eine Komponente) und horizontal (zwei Komponenten) wirken. Auf Basis dieser Annahme ist es möglich, die Größen der Hauptspannungen mit Hilfe der Elastizitätstheorie zu berechnen.

4.5.1.1 Die Vertikalspannung Die Vertikalspannung erhöht sich Eigengewichtes der Überlagerung.

mit

zunehmender

Tiefe,

zufolge

des

Als Daumenwert gilt: 1 MPa = 40 m Überlagerung Allgemein gilt:

σ V = γ .z

mit:

σv ... Vertikalspannung [MPa] γ ... spezifisches Gewicht [MN/m3] z ... Überlagerungshöhe [m]

Spannungen und Dehnungen

4–12

Auf diese Weise kann die Vertikalspannung abgeschätzt werden. Starke Abweichungen von dieser Annahme können sich durch tektonische Einflüsse und die geologische Gefügesituation ergeben. Es ist daher wichtig Einflüsse aus geologische Heterogenitäten und tektonische Zusatzspannungen zu untersuchen.

4.5.1.2 Die Horizontalspannung Die Horizontalspannung wird im einfachsten Fall durch den Überlagerungsdruck des Gebirges hervorgerufen. Eine erste Abschätzung kann auf Grundlage der Elastizitätstheorie und eines isotropen Spannungszustandes vorgenommen werden. Dazu benötigt man den Young’sche E-Modul und die Poisson’sche Zahl. Die Horizontalspannung lässt sich dann errechnen aus:

σH = K=

υ 1−υ

σ V = Kσ V

... Horizontalspannung [MPa]

υ

... Seitendruckbeiwert [-]

1−υ

Aus der Berechnung zeigt sich, dass der Seitendruckbeiwert K das Verhältnis von Horizontalspannung und Vertikalspannung ist, und nur von der Poisson’schen Zahl abhängt. Bei Kenntnis der Extremwerte der Poisson’schen Zahl können die oberen und unteren Grenzen der Horizontalspannung ermittelt werden: untere Grenze

υ =0

⇒ σH = 0

υ = 0,25 ⇒ σ H = 0,33σ V obere Grenze

υ = 0,5 ⇒ σ H = σ V

Es zeigt sich, dass die Horizontalspannung je nach Poisson’scher Zahl zwischen σ H = 0 für υ = 0 und σ H = σ V für υ = 0,5 (Wasser) liegt. Die Primärspannungen können durch tektonischen Einflüsse, Anisotropie oder Trennflächen wesentlich beeinflusst werden.

Spannungen und Dehnungen

4.5.2

4–13

Messmethoden zur Bestimmung des Primärspannungszustandes

Spannungen sind Tensorgrößen und bestehen aus sechs unabhängigen Komponenten. Unabhängig von der Messmethode sind zwei wichtige Punkte zu beachten:

• Der Spannungstensor mit seinen sechs unabhängigen Komponenten erfordert mindestens sechs unabhängige Messungen • Um ein sinnvolles Messprogramm zur Bestimmung der Primärspannungen zu konzipieren ist es notwendig, die Einflussfaktoren auf das Spannungsfeld, wie z.B. Eigengewicht, Topographie und die Entstehungsgeschichte des Gebirges zu kennen. Außerdem sind auch lokale Einflüsse wie etwa Ausbruch, Trennflächenwirkung oder Eingriffe durch die Messung selbst zu berücksichtigen. 4.5.2.1 Druckkissenmethode Bei dieser Methode der Spannungsmessung wird zwischen zwei Messpunkten (Bolzen) mit bekanntem Abstand ein Schlitz in den Fels geschnitten (Abb. 12). Ein Druckkissen wird in diesen Spalt eingeführt und solange mit Druck beaufschlagt, bis der Abstand zwischen den Messpunkten dem ursprünglichen Abstand entspricht. Dieser Druck wird nun als Normalspannungskomponente des in situ Spannungszustandes interpretiert. Fünf weitere Messungen in den entsprechenden Richtungen müssen gemacht werden, um den kompletten Tensor zu ermitteln.

Abb. 12:

Druckkissenversuch; Versuchsaufbau (oben) und Belastungsdiagramm (unten)

Spannungen und Dehnungen 4.5.2.2

4–14

Hydraulic Fracturing

Eine Bohrlochstrecke – gewöhnlich ein Meter lang - wird durch Packer abgeschlossen und unter Wasserdruck bis zum Aufreißen des Felsens belastet (Abb. 13). Gemessen wird dabei der Druck der zur Rissbildung notwendig ist und der Druck bei dem sich der Riss wieder schließt. Mit dem so ermittelten Höchst- bzw. Restdruck und unter Annahme homogener und isotroper Gebirgsverhältnisse kann davon ausgegangen werden, dass der Riss normal zur kleinsten Hauptspannungsrichtung orientiert ist. Das Ergebnis des Versuchs hängt stark von den getroffenen Annahmen ab. Eine weitere Möglichkeit ist die Spannungsabschätzung mit der HTPF Methode. Dabei werden bereits bestehende Risse mit Druck beaufschlagt. Um die Orientierung der Risse zu bestimmen werden mit einem speziellen Packer Abdrücke der Bohrlochwandung genommen. In einer iterativen Berechnung werden unter Verwendung mehrerer Versuchsergebnisse die Hauptspannungen und deren Orientierung rückgerechnet. Der Hydraulic Fracturing Versuch bietet jedoch den Vorteil, dass in großen Tiefen getestet werden kann. Abb. 13:

4.5.2.3

Hydraulic Fracturing System, Versuchsaufbau (links) und Druck – Zeitkurve (rechts)

Overcoring

USBM-Sonde Bei diesem Verfahren wird in ein Bohrloch eine Triaxialzelle eingebaut (Abb. 14) und anschließend mit einem größeren Durchmesser überbohrt. Dabei werden die durch die Entspannung entstehenden Verformungen mittels Messgebern in drei Richtungen gemessen. Bei Kenntnis des Verformungsverhaltens des Felsens kann mittels der Elastizitätstheorie auf den biaxialen Spannungszustand senkrecht auf die Bohrlochachse rückgeschlossen werden. Unter Verwendung von Spannungstransformationsgleichungen ist es möglich, die Hauptspannungskomponenten des biaxialen Spannungszustandes und deren Orientierung rückzurechnen. Um den dreidimensionalen Spannungszustand zu ermitteln, sollten Messungen in drei rechtwinklig aufeinander stehenden Bohrungen gemacht werden.

Spannungen und Dehnungen

4–15

CSIRO-Sonde Zum Unterschied zur USBM-Sonde ist die CSIRO-Sonde neun bzw. zwölf Aufnehmern ausgestattet und wird in das Bohrloch geklebt. Durch die größere Anzahl von Aufnehmern kann schon aus einer Messung auf den kompletten räumlichen Spannungstensor geschlossen werden. Allen in situ Messungen ist gemeinsam, dass die Spannungen nur in einzelnen Punkten gemessen werden, die Streuungen daher extrem groß sind. 1 Herstellen des Großbohrloches

2 Herstellen des Messbohrloches

3 Einsetzen des Messgebers

4 Überbohren des Messgebers

5 Entspannter Ringkern

Abb. 14:

Versuchsablauf zur Ermittlung der Spannungen mittels USBM Messsonde

Spannungen und Dehnungen

4–16

4.6 Sekundärspannungen 4.6.1 Allgemein Der bestehende in situ Spannungszustand wird durch einen künstlichen Eingriff z.B. einen Hohlraumausbruch verändert. Dieser veränderte Spannungszustand wird als Sekundärspannungszustand bezeichnet. In Abb. 15 wird gezeigt, wie sich die Vertikalspannungen bei einem Tunnelausbruch verändern. Es wird keine externe Last aufgebracht. Der Ausbruch bewirkt, dass der umgebende Fels die umgelagerten Spannungen aufnehmen muss.

Primärer Spannungszustand

Sekundärer Spannungszustand Jene Last, die vor dem Tunnelausbruch im Ausbruchsbereich gewirkt hat, muß nach dem Ausruch vom umgebenden Gebirge aufgenommen werden

keine Spannungsübertragung durch ausgebrochenen Hohlraum möglich

Spannungsverlauf vor Tunnelausbruch

Abb. 15:

Spannungsverlauf nach Ausbruch

Spannungsverteilung um einen Hohlraum bei elastischem Materialverhalten

Durch die Veränderung des Spannungszustandes kann es zu einem Übersteigen der Gebirgsfestigkeiten kommen, was zu einem Versagen des Gebirges führen würde. Bei einem anisotropen Primärspannungszustand und/oder nicht kreisrunder Hohlraumform entstehen Zonen mit reduzierter Spannung, wodurch das Herauslösen von Kluftkörpern unter Umständen erleichtert wird. Zur Abschätzung der sekundären Spannungen um einen Hohlraum können sowohl analytische wie auch numerische Verfahren herangezogen werden. In Abb. 16 sind die Primärspannungen vor und die Sekundärspannungen nach einem Abtrag an einer Böschung als Ergebnis einer numerischen Simulation dargestellt.

Spannungen und Dehnungen

4–17

FLAC3D 2.00 Step 2895 Model Projection 13:49:22 Wed Mar 8 2000 Center: X: 9.000e+001 Y: 5.000e+001 Z: 6.000e+001 Dist: 5.339e+002

Rotation: X: 357.263 Y: 0.000 Z: 356.302 Size: 5.000e+001

Surface Principal Stresses Local face system Compression Linestyle Maximum = 1.504e+000

Institut für Felsmechanik und Tunnelbau, TU-Graz, Gruppe Geotechnik Graz

Montanuniversitaet Leober AUSTRIA

Step 4679 Model Projection 13:48:13 Wed Mar 8 2000 Center: X: 9.000e+001 Y: 5.000e+001 Z: 6.000e+001 Dist: 5.353e+002

Rotation: X: 0.000 Y: 0.000 Z: 0.000 Size: 5.000e+001

Surface Principal Stresses Local face system Compression Linestyle Maximum = 1.670e+000

Institut für Felsmechanik und Tunnelbau, TU-Graz, Gruppe Geotechnik Graz

Montanuniversitaet Leober AUSTRIA

Abb. 16:

Numerische Simulation eines Abtrages an einer Böschung; Primärspannungsverteilung (oben) vor und Sekundärspannungsverteilung (unten) nach dem Abtrag, Darstellung der Größe und Richtung der Spannungstrajektorien

Spannungen und Dehnungen

4–18

4.6.2 Beanspruchung des Hohlraumrandes nach dem Ausbruch Da im Hohlraum selbst keine Spannungen übertragen werden können und die vor dem Ausbruch vorhandenen Druckspannungen in das Gebirge um den Hohlraum herum „ausweichen“, bildet sich in Ausbruchsnähe ein Bereich mit konzentrierter Druckbeanspruchung aus. Man bezeichnet dies als eine natürliche Gewölbebildung [2] im Gebirge. Die Form des natürlichen Gewölbes ist bei homogenem und isotropem Gebirge eine Ellipse, bei welcher das Achsenverhältnis dem globalen Seitendruckverhältnis KI entspricht. Hierbei erstreckt sich die längere Halbachse in Richtung der größeren primären Hauptspannung. In Abb. 17 ist die Verteilung der Spannungsspitzen des gedachten Gebirgsgewölbes für ein Verhältnis der vertikalen zur horizontalen Primärspannung von 2,0 (KI=0,5) dargestellt.

pI

KI.pI

Verlauf der Gewölbespannungen im betrachteten Schnitt

pI

KI.pI

Stützlinie des gedachten natürlichen Gewölbes bei KI=0,5

Abb. 17:

Form und Lage der „Stützlinie des natürlichen Gebirgsgewölbes“ [2]

Spannungen und Dehnungen

4–19

Man erkennt, dass die Stützlinie des Gebirgsgewölbes im Ulmbereich sehr nahe am Ausbruchsrand verläuft. Deshalb sind dort Druckbeanspruchungen in Umfangsrichtung zu erwarten, die ein Mehrfaches der Primärspannung erreichen. In Firste und Sohle dagegen verläuft die Stützlinie weit entfernt von der Ausbruchskontur, wodurch die Druckbeanspruchung wesentlich geringer ist und bei kleinem KI auch in Zugbeanspruchung umschlagen kann. Da das „Gebirgsgewölbe“ im allgemeinen nicht in der Lage ist, der Hohlraumkontur zu folgen, kann die Hohlraumform ebenfalls durch eine Ellipse ersetzt werden. Dies erleichtert die analytische Berechnung der Spannungsverteilung. Berechnung: Die Tangentialspannungen am Ausbruchsrand können für die Ulmen sowie für die Firste und Sohle (am ideellen Ausbruchsrand) in einfacher Art ermittelt werden.

F

Tangentialspannung in Firste und Sohle:

a0 ideele Hohlraumkontur

U

⎡⎛ a0 ⎤ ⎞ + 1⎟⎟ K I − 1⎥ ⎠ ⎣⎝ b0 ⎦

σ t , F & S = p I ⋅ ⎢⎜⎜ 2

a0 Tangentialspannung am Ulm:

S b0 Abb. 18:

⎛ b



σ t ,U = p I ⋅ ⎜⎜ 2 0 + 1 − K I ⎟⎟ ⎠ ⎝ a0 b0

Ideelle Hohlraumkontur mit Halbmessern a0 und b0

Die angegebenen Spannungen am Hohlraumrand gelten natürlich nur, solange die Beanspruchung die Gebirgsfestigkeit nicht überschreitet. Ist dies der Fall, kommt es zum Bruch im hohlraumnahen Bereich und die Spannungsspitze wandert weiter bergwärts. Unter Vernachlässigung der Restfestigkeit in der Bruchzone kann eine neue ideelle Kontur des festgebliebenen Bereiches festgelegt werden. Unter Verwendung der oben angegebenen Formeln, nach Ersetzen von a0 und b0 durch af und bf lassen sich die Spannungen am Rand des fest gebliebenen Bereiches ermitteln.

Spannungen und Dehnungen

4–20

4.7 Effektivspannungen Wasserdruck wirkt im Gebirge in jede Richtung gleichmäßig. Daher kann der Wasserdruck u von allen Normalspannungskomponenten abgezogen werden, um die Effektivspannung zu erhalten. Der hydrostatische Druck hat jedoch keine Auswirkung auf die Schubspannungskomponenten im Spannungstensor. Modifiziert kann der Spannungstensor wie folgt angeschrieben werden:

⎡σ xx ⎢ ⎢τ yx ⎢ τ zx ⎣

τ xy τ xz ⎤ ⎡u 0 0 ⎤ ⎡σ xx − u τ xy τ xz ⎤ ⎢ ⎥ ⎥ ⎢ ⎥ σ yy τ yz ⎥ − ⎢0 u 0 ⎥ = ⎢ τ yx σ yy − u τ yz ⎥ τ zy σ zz ⎥⎦ ⎢⎣0 0 u ⎥⎦ ⎢⎣ τ zx τ zy σ zz − u ⎥⎦

In Abb. 19a ist der Wasserdruck, der auf die Mikrostruktur von intaktem Gestein einwirkt, dargestellt. Abb. 19b zeigt die Auswirkung des Wassers auf die Festigkeit des Gesteins im Mohr’schen Spannungskreis. Darin zeigt der Spannungskreis 1 einen Spannungszustand ohne Einfluss von Wasser. Durch den Aufbau eines Wasserdruckes wird der Spannungskreis um den Betrag u1 nach links verschoben, wobei bei entsprechend großen Wasserdruck u2 das Bruchkriterium erreicht wird (Spannungskreis 3).

τ

Diese in der Bodenmechanik übliche Vorgangsweise muss in der Felsmechanik mit Vorsicht angewandt werden, da das Wasser hauptsächlich in Klüften und Trennflächen fließt (Abb. 20), die nur in einem geringen Ausmaß vorhanden sein können, oder zum Teil nicht durchgängig sind. Der Wasserdruck wirkt sich hier nicht auf alle Normalspannungskomponenten aus und tritt nur lokal auf.

a)

1 3

U1 U2

σn

b) Abb. 19

u

σn-u

τ max = (σ n − u ). tan ϕ Abb. 20:

Betrachtungsweise von Effektivspannungen in einer Trennfläche

2

u

Effektive Spannungen im intakten Gestein

σ

Intaktes Gestein

5–21

5 Intaktes Gestein Wegen der häufigen Überbeanspruchung des Gesteins im Untertagebau ist neben der Kenntnis der Gesteineigenschaften vor dem Bruch auch das Verhalten nach dem Bruch wichtig.

5.1 Versagensformen Grundsätzlich sind drei Formen des Versagens von Fels zu unterscheiden (Abb. 21): • Spaltbruch (Sprödbruch) • Scherbruch • Gefügebruch Abb. 21 zeigt diese Bruchformen, wie sie aus einem Triaxialversuch resultieren können.

(a) Abb. 21:

(b)

(c)

Versagensformen von Fels, Spaltbruch (a), Scherbruch (b), Gefügebruch (c)

Ein Spalt- oder Sprödbruch ist meist nur bei geringem Seitendruck möglich. Durch Inhomogenitäten im Gestein (z.B. weichere oder härtere Einschlüsse ) werden bei Belastung lokale Zugspannungen hervorgerufen, die zu Mikrorissen führen. Bei weiterer Belastungssteigerung vereinigen sich die einzelnen Mikrorisse und im Fels entstehen säulenartige Strukturen, die dann ausknicken oder abscheren. Scherbrüche entstehen in der Regel bei dreiachsigen Beanspruchungen, wobei der Scherwinkel vom Reibungswinkel bzw. von den geometrischen Randbedingungen abhängen kann. Gefüge- oder Strukturbrüche bilden sich unter allseitigem hohen Druck aus. Dabei entstehen keine definierten Bruchflächen, sondern es findet eine Zerstörung der inneren Struktur oder des Kornes statt.

Intaktes Gestein

5–22

5.2 Spannungs- Dehnungsverhalten im einaxialen Druckversuch Bei diesem Versuch wird eine Zylinderprobe in Achsrichtung belastet. Dabei werden die Verschiebungs- bzw. Dehnungszuwächse mit zunehmender Last aufgezeichnet. In Abb. 22 ist ein typisches Versuchsergebnis schematisch dargestellt.

σ Pre-Failure

Post-Failure

σ

σc

Axialspannung

σ

∆σ

∆ε Axiale Dehnung

Abb. 22:

ε

Spannungs- Dehnungskurve im einaxialen Druckversuch

Folgende Kurvencharakteristik kann festgestellt werden:

a) Zu Belastungsbeginn kann die Kurve aus folgenden Gründen konkav sein:

• die Enden der Proben sind nicht plan-parallel • ein Schließen der Mikrorisse im Inneren des Gesteins findet statt. b) Danach zeigt die Kurve über einen gewissen Bereich ein annähernd lineares Verhalten. Bei weiterer Steigerung der Last kommt es zur Bildung von Mikrorissen, wodurch die Dehnung überproportional zunimmt. Eine weitere Laststeigerung führt zu einer progressiven Zunahme der Risse und schließlich zum Versagen der Probe. Der erreichte Maximalwert an Spannung entspricht dabei der einaxialen Druckfestigkeit σc. Die Druckfestigkeit ist die maximale Spannung σc=F/A, die beim Versuch auf das Gesteinsprüfstück mit der Querschnittsfläche A aufgebracht werden kann.

Intaktes Gestein

5–23

Abb. 23 zeigt Spannungs-Dehnungskurvenverläufe bei wiederholtem Be- und Entlasten einer Probe, sowie eine Auswertung der Versuchsergebnisse. 25

Druckspannung [MPa]

20

V = 57,1 GPa E = 68,5 GPa ν = 0,16

15

10

5

0 -0,01

-0,005

0

0,005

0,01

0,015

0,02

Querdehnung [%]

Abb. 23:

0,025

0,03

0,035

0,04

0,045

0,05

Längsdehnung [%]

Wiederholtes Be- und Entlasten der Probe, Verlauf der SpannungsQuerdehnungskurve (links) und der Spannungs-Längsdehnungskurve (rechts) [3]

Die Bestimmung des Elastizitätsmoduls E und des Verformungsmoduls V (entspricht bei ideal elastischem Verhalten dem Elastizitätsmodul) erfolgt folgendermaßen: Der V-Modul wird in der Regel aus der Erstbelastung und der E-Modul aus der Entlastungsschleife in bereichsweise linearen Abschnitten ermittelt.

E=

∆σ ∆ε lEntlastung

V=

∆σ ∆ε lErstbelastung

Die Poissonzahl ν ergibt sich im elastischen Bereich zu (siehe Kapitel 4):

ν =-

∆ε 1 ∆ε a

Intaktes Gestein

5–24

5.3 Auswirkung von Probengeometrie und Belastungszustand auf die SpannungsDehnungskurve 5.3.1 Probengröße

σ

In Abb. 24 ist die Auswirkung der Probengröße auf den Verlauf der SpannungsDehnungskurve im einaxialen Druckversuch schematisch dargestellt. Dabei zeigt sich sowohl ein Einfluss auf die einaxiale Druckfestigkeit wie auch auf die Sprödigkeit (Steigung des abfallenden Kurventeils im PostFailure Bereich). Der Grund dafür liegt in der Tatsache, dass jede Probe Mikrorisse beinhaltet. Je größer eine Probe ist, umso größer ist die Anzahl dieser Risse, und umso größer ist auch die Wahrscheinlichkeit an Fehlstellen.

Größere Probe, geringere Festigkeit geringere Sprödigkeit Festigkeit groß, Sprödigkeit groß

b Pro

ε

e röß eng

Abb. 24: SpannungsDehnungskurvenverläufe im einaxialen Druckversuch in Abhängigkeit der Probengröße

Der E-Modul zeigt keine signifikante Abweichung bei der Veränderung der Probengröße.

5.3.2 Probenform In Abbildung rechts ist die Auswirkung σ einer Formveränderung der Probe auf den Verlauf der σ-ε Kurve dargestellt. Man erkennt, dass sich bei Zunahme des Verhältnisses Durchmesser zu Länge die Festigkeit erhöht und die Sprödigkeit verringert. Der E-Modul wird von der Probenform nicht beeinflusst. Erklärt werden kann der Einfluss durch die Zwängung im Bereich der Lasteinleitung. Um die Auswirkungen gering zu halten, werden für die Versuche möglichst schlanke Proben verwendet. Es ist daher empfehlenswert ein Verhältnis von Probenhöhe zum Probendurchmesser von H/D ≥ 2 einzuhalten.

Größere Schlankheit, geringere Festigkeit

m for en ob r P

ε Abb. 25:

Auswirkung der Probenform auf den Verlauf der SpannungsDehnungskurve im einaxialen Druckversuch.

Intaktes Gestein

5–25

5.3.3 Belastungszustand In Abb. 26 ist der Einfluss des Seitendruckes im Triaxialversuch auf den Verlauf der σ-ε Kurve dargestellt. Das sprödeste Materialverhalten zeigt sich, wenn kein Seitendruck vorhanden ist. Je höher der Seitendruck wird, umso höher wird das Festigkeitsplateau und umso geringer ist der Abfall der Druckfestigkeit im PostFailure Bereich (Sprödigkeit nimmt ab). Bei einem gewissen Belastungszustand geht die Kurve im wesentlichen in eine horizontale Gerade über. Diese ist der Übergang von sprödem zu duktilem Materialverhalten (fortlaufende Dehnung bei konstantem Spannungsniveau). Erhöhung des Seitendruckes σ3

σa

Axialspannung

Übergang

Längsdehnung

Abb. 26:

Duktil Spröd

εa

Auswirkung einer Erhöhung des Seitendruckes auf den Verlauf der σ−ε Kurve im Triaxialversuch; Übergang von sprödem zu duktilem Material-verhalten

Weiters haben zeitabhängige Effekte (z.B. Kriechen, Relaxation, Ermüdung, usw.) und die Temperatur Auswirkungen auf die Charakteristik der SpannungsDehnungskurve.

5.4 Gesteinsfestigkeit Die Festigkeit von Gesteinen wird im Allgemeinen in ein- oder dreiaxialen Druckversuchen an zylindrischen Probekörpern ermittelt. Der im Bruchzustand gemessene Spannungszustand lässt sich in einem τ-σ Diagramm mit Spannungskreisen darstellen.

5.4.1 Spannungszustand Der kritische Spannungszustand wird allgemein durch die Funktion τf=f(σf) beschrieben. τf bezeichnet die resultierende Schubspannung in der Scherfläche im Bruchzustand. σf die entsprechende Normalspannung. Nach Coulomb (1773) ist der Scherwiderstand τf im Grenzzustand durch die lineare Beziehung (Coulomb´sche Grenzbedingung) gegeben (Abb. 27):

τ f = c + σ f tan ϕ

Intaktes Gestein

5–26

Die Größen c (Kohäsion) und ϕ (Reibungswinkel) sind die Materialparameter des Gesteins, mit denen die Scherfestigkeit im allgemeinen beschrieben wird. σ1

τ

σ3

σ2

σ2

σ3

σ1

σ1

σ3

σ2

σ1

σ3

σf

σ3

α

σ

τ

τf

σ3 σ3

σ1

τf

ϕ

ϕ

c

90°+ϕ

α σ3

σ1-σ3 2

σf

σ1+σ3 2

Abb. 27:

σ1

σ

Mohr-Coulombsches Bruchkriterium

Der Grenzspannungszustand kann auch durch die zugehörigen Hauptspannungen beschrieben werden. Nach Mohr (1882) ist der Zusammenhang zwischen der größten und kleinsten Hauptspannung (σ1 und σ3) in einem Grenzzustand näherungsweise unabhängig von der zugehörigen mittleren Hauptspannung σ2. Im Falle eines dreiaxialen Druckversuches ist σ3 = σ2. Das Verhältnis der Hauptspannungen σ1 und σ3 im Grenzzustand wird durch den Mohr´schen Spannungskreis des Grenzzustandes (Bruchzustandes) wiedergegeben (Abb. 27). Die Hauptspannungskreise haben eine gemeinsame Umhüllende (Mohr´sche Grenzbedingung). Die gerade „Umhüllende“ der Mohr´schen Hauptspannungskreise im Grenzzustand wird als Mohr-Coulomb´sche Grenzbedingung bezeichnet. Dem MohrCoulomb´schen Bruchkriterium liegt die Vorstellung zugrunde, dass der Bruch als Schubbruch unter einem Winkel α=45°+ϕ/2 gegenüber der im allgemeinen kleinsten Hauptspannung erfolgt. Die Bruchgerade, ausgedrückt durch die Hauptspannungen, nimmt folgende Form an:

σ1 =

1 + sin ϕ 2 cos ϕ σ3 + c 1 − sin ϕ 1 − sin ϕ

Intaktes Gestein

5–27

Die Beschreibung der Einhüllenden der Mohr´schen Spannungskreise im τ-σ Diagramm durch eine Gerade stimmt nicht in allen Fällen mit den Ergebnissen dreiaxialer Druckversuche an Gesteinen überein. Dies ist bedingt durch unterschiedliche Bruchmechanismen bei unterschiedlichen Beanspruchungen (Sprödbruch, Scherbruch, quasi-duktiles Verhalten). Derartige Abweichungen von der Linearität waren Anlass zur Entwicklung nichtlinearer Bruchkriterien. Hoek und Brown [4] schlagen einen parabolischen Ansatz vor (Abb. 28 und Abb. 29).

σ σ1 σ 3 = + m 3 +s σc σc σc σc bezeichnet dabei die einaxiale Druckfestigkeit des intakten Gesteins. Die

Größte Hauptspannung σ1

Konstanten m und s lassen sich durch Anpassung der nach der obigen Gleichung erhaltenen Kurven aus Versuchsergebnissen ermitteln. Für kompaktes intaktes Gestein schlagen Hoek und Brown die Wahl von s=1 vor.

Triaxialer Druck

σc

Einaxialer Druck

Einaxialer Zug

σt Zug

Druck Kleinste Hauptspannung σ3

Abb. 28:

Hoek-Brown Kriterium im σ1-σ3 Diagramm [4]

Intaktes Gestein

5–28

τ

rsc Moh

Einaxialer Druck

he

e llend inhü e h c Bru Triaxialer Druck

Einaxialer Zug

σt

Abb. 29:

σ3

σf

σ1

σc

σ

Nichtlineares Hoek –Brown Kriterium [4]

5.5 Messung der Gesteinsfestigkeit 5.5.1 Allgemein Die in der Felsmechanik üblich eingesetzten Vorrichtungen zur Bestimmung der Gesteinsfestigkeit sind im Feld der Schmidt’sche Rückprallhammer bzw. der Punktlastversuch (beide sind Indexversuche), sowie im Labor der Einaxial- bzw. Triaxialversuch und der Scherversuch. „Indextests“ sind schnell und einfach durchzuführen, liefern zwar keine Kennwerte, jedoch ein Maß für die Gesteinsqualität. Die Druckfestigkeit wird hierbei mittels der gemessenen Indexwerte über Umrechnungsfaktoren ermittelt.

5.5.2 Versuche im Feld 5.5.2.1 Schmidt’scher Rückprallhammer Der Schmidt’sche Rückprallhammer (Abb. 30) kann zur Bestimmung der Druckfestigkeit herangezogen werden. Er besteht im wesentlichen aus einem Schlagbolzen, der aufgrund der mechanischen Eigenschaften des Gesteins zurückgeworfen wird. Die Distanz des Rückpralls ist ein Maß und Index für die Felsqualität und liefert nach entsprechender Umrechnung die einaxiale Druckfestigkeit. Dieser Test kann vor Ort sehr leicht in großer Anzahl durchgeführt werden. Die Streuung der Messergebnisse ist allerdings sehr hoch.

Abb. 30:

Schmidt’scher Rückprallhammer

Intaktes Gestein

5–29

5.5.2.2 Punktlastversuch Der Punktlastversuch kann sowohl an Proben, die man aus Kernbohrungen erhalten hat, als auch an unregelmäßig geformten Gesteinsproben durchgeführt werden. Dabei wird eine Probe zwischen zwei Konussen solange belastet (Abb. 31), bis sie bricht. Der Festigkeitsindex Is wird wie folgt bestimmt:

Is =

P D2

P ... Bruchlast D ... Probendurchmesser

Abb. 31:

Punktlastversuch

Aus diesem Index kann über einen Umrechnungsfaktor wieder die einaxiale Druckfestigkeit ermittelt werden. In Abb. 32 sind die Kalibrierungskurve und ein Ergebnissatz für die Umrechnung des Punktlastindex auf die einaxiale Druckfestigkeit dargestellt.

Abb. 32:

Beziehung zwischen einaxialer Druckfestigkeit und Punktlastindex

Intaktes Gestein

5–30

5.5.3 Laborversuche Folgende Laborversuche werden an intakten Gesteinsproben durchgeführt (Abb. 33): Druck

Dreiaxialer Druck

Biegezug

Zug

Abscheren

Spaltzug (indirekte Zugversuche)

Abb. 33:

Laborversuch – Beanspruchungstyp

In Abb. 34 sind die Universalgesteinsprüfanlage und das Direktschergerät des Labors des Institutes für Felsmechanik und Tunnelbau an der TU-Graz dargestellt. Beide Geräte entsprechen dem neuesten Stand der Technik [5].

Abb. 34:

Universalprüfanlage für Zug-, Druck-. und Triaxialversuche (links), Kombinierte Scherprüfanlage für Scher- und Einachsialversuche (rechts) [5]

Intaktes Gestein

5–31

5.5.3.1 Einachsiale Druckversuche In der Regel werden bei einachsialen Druckversuchen die Proben mit Axial- und Umfangsdehnungsaufnehmern (Abb. 35) bestückt und die entsprechenden Daten während des Versuches laufend aufgezeichnet. Ein Vorteil der Versuchstechnik besteht darin, dass exakte Daten über Axial- und Querdehnung des Probekörpers über den gesamten Versuchsverlauf vorliegen. Die Messergebnisse können zur Steuerung des Versuchs herangezogen werden.

Abb. 35: Probe im einaxialen Druckversuch

5.5.3.2 Dreiachsiale Druckversuche Wie beim einachsialen Druckversuch werden auch beim Dreiachsialversuch Spezialaufnehmer zur Messung der Längsund Umfangsdehnung direkt an der Probe angebracht, wodurch wiederum Messwerte zur Steuerung der Versuche zur Verfügung stehen. Die Versuchsregelung mit automatischer Brucherkennung stellt sicher, dass unabhängig vom Zustand der Probe Mehrstufenversuche möglich sind.

Abb. 36: Probe in der offenen Triaxialzelle

Mehrstufen Triaxialversuch: Die in Abb. 37 abgebildeten Arbeitslinien zeigen die Axial- und Querdehnung eines Mehrstufen-Triaxialversuches. Dieser Versuchstyp erfordert eine computergesteuerte und sehr schnelle Regelung des Versuchsablaufes (automatische Brucherkennung usw.). Bei Erreichen der jeweiligen maximalen axialen Spannung (σ1) bei konstant gehaltener Seitendruckstufe (σ3) wird die Probe axial entlastet und gleichzeitig der Seitendruck erhöht. Dadurch kann die nächste axiale Belastungsstufe bei einem Deviatorspannungsniveau (σ1– σ3) gleich null beginnen. Dadurch wird gewährleistet, dass die Kornstruktur der Probe durch mehrmaliges Belasten kaum gestört wird.

Intaktes Gestein

5–32

Der notwendige große technische Aufwand für solche Versuchsdurchführungen zahlt sich aus, da aus nur einer Probe die elastischen Parameter (E-Modul, Poissonzahl) ermittelt werden können, sowie die Beschreibung eines kompletten Bruchkriteriums erfolgen kann. 250

σ 3 = 32 MPa

Sigma 1 [MPa]

200

150

σ 3 = 16 MPa σ 3 = 8 MPa

100

σ 3 = 2 MPa σ 3 = 0 MPa

50

σ 1 = const.

0 -0,4

-0,3

-0,2

-0,1

0

0,1

0,2

Lateral Strain [%]

Abb. 37:

0,3

0,4

0,5

Axial Strain [%]

Arbeitslinien aus einem Mehrstufen-Triaxialversuch

In den beiden folgenden Diagrammen der Abb. 38 ist die Auswertung dieses Versuches nach den Bruchkriterien von Mohr-Coulomb und Hoek-Brown dargestellt.

Abb. 38:

Auswertung des Mehrstufen-Triaxversuches nach den Bruchkriterien von MohrCoulomb und Hoek-Brown

Trennflächen

6-33

6 Trennflächen 6.1 Allgemein Trennflächen haben eine große Bedeutung für das Gebirgsverhalten, da sie Verformbarkeit, die Festigkeit und die Durchlässigkeit maßgeblich beeinflussen. haben oft einen signifikanten Einfluss auf die Spannungsübertragung und damit die Spannungsumlagerung, woraus sich ihre Bedeutung für den Ausbruch und Sicherung ergibt.

die Sie auf die

6.2 Auftreten von Trennflächen Jeder Fels weist Trennflächen auf. Es gibt verschiedene Typen und Größenordnungen von Trennflächen. Diese beginnen bei Mikrorissen und gehen über Risse, Klüfte und Schichtungsflächen bis zu Störungen. Die Kenntnis des geologischen Ursprungs dieser Unstetigkeiten trägt zum Verständnis der mechanischen Struktur und der Eigenschaften des Felsmaterials entscheidend bei. So sind z. B. Sedimentgesteine häufig durch Haupttrennflächen in größere Blöcke zerlegt. Diese Trennflächen sind meist einheitlich in Richtung und Erstreckung. Klüfte, die die einzelnen Blöcke in sich unterteilen, sind oft durch Beanspruchung (z.B. Tektonik) hervorgerufen und zeigen in der Regel eine geringere Regelmäßigkeit als die übergeordneten Haupttrennflächen. Die Art, die Orientierung und die Stellung von Trennflächen in Relation zum Bauwerk beeinflussen die Gebirgseigenschaften im hohen Maß und haben daher starke Auswirkungen auf Felsbauwerke. Zur Erfassung der Lage und Art der Trennflächen werden natürliche, sowie künstliche Aufschlüsse herangezogen (z.B. Schürfgruben, Sondierstollen, Schächte und Bohrungen). Das vorliegende Gefüge lässt sich in einem Blockbild graphisch darstellen.

Abb. 39:

Allgemeines räumliches Gefügemodell für Fels [6]

Trennflächen

6-34

Bei der Entstehung von Trennflächen unterscheidet man 3 Arten : •

Trennbruch: Bewegung normal zur Trennfläche



Gleitbruch: Bewegung parallel zur Trennfläche



Verschiebungsbruch: beide Bewegungen

6.3 Geometrische Eigenschaften In Abb. 40 sind die wichtigsten Trennflächenmerkmale dargestellt. Diese sind: • • • • • • • • • •

Orientierung Abstand Durchgängigkeit Rauhigkeit Welligkeit Öffnung Füllung Durchströmung Anzahl der Scharen Blockgröße

ebe n

glatt rau

uneben

Kluftfüllung Trennflächenschar Rauhigkeit

Öffnung

Durchgängigkeit Kluftkörpergröße

Bohrloch

N

scheinbarerTrennflächenabstand Einfallen und Streichrichtung

Bergwasser

Abb. 40:

Schematische Darstellung der wichtigsten geometrischen Eigenschaften von Trennflächen im Fels

Jeder dieser Parameter kann einen großen Einfluss auf das Gebirgsverhalten haben.

Trennflächen

6-35

6.4 Mechanische Eigenschaften 6.4.1 Steifigkeit

σ σ

b)

σ

Per Definition haben Trennflächen keine Zugfestigkeit

σ τ

c)

Es kann keine Zugspannung (aufgrund der Definition haben Trennflächen keine Zugfestigkeit) übertragen werden (Abb. 41b). Bei Schubbeanspruchung (Abb. 41c) ähnelt die Kurve in vielen Fällen der Druckspannungs- Dehnungskurve für intaktes Gestein.

Festigkeit von intaktem Gestein

Druck

a)

σ

Zug

Bei Druckbelastung (Abb. 41a) werden die Trennflächenufer einander genähert, bis die Kluft geschlossen ist. Die Steifigkeit – gegeben in der Einheit [MPa/m] – wächst ebenfalls mit der aufgebrachten Spannung oder Verschiebung an, bis ein Grenzwert in Abhängigkeit der Gesteinsfestigkeit erreicht wird.

σ

τ

Schub

In Abb. 41 sind schematisch drei verschiedene Typen von SpannungsVerschiebungskurven für eine Trennfläche dargestellt, die durch Druck, Zug und Schub beansprucht wird.

τ

Abb. 41: Trennfläche unter Druck(a), Zug(b) und Schubbelastung (c)

Im folgenden wird nur die Druck- und Schubbeanspruchung betrachtet. Stark vereinfacht können folgende Annahmen getroffen werden:



Es besteht ein linearer Zusammenhang sowohl zwischen der Normalspannung und Normalverschiebung gesteuert durch die Normalsteifigkeit knn als auch zwischen der Schubspannung und Scherverschiebung gegeben durch die Schersteifigkeit kss.



Weiters besteht die Möglichkeit, dass die Normalspannung eine Scherverschiebung verursacht, wofür die Konstante kns steht. Umgekehrt kann auch die Schubspannung zu einer Normalverschiebung führen, wofür die Steifigkeit ksn verwendet wird.

Mit diesen Annahme für die Steifigkeiten erhält man in Matrixschreibweise: ⎡σ n ⎤ ⎡k nn ⎢τ ⎥ = ⎢ k ⎣ ⎦ ⎣ sn

k ns ⎤ ⎡u n ⎤ ⋅ k ss ⎥⎦ ⎢⎣u s ⎥⎦

oder

σ = k ⋅u

Trennflächen

6-36

6.4.2 Festigkeit Die Festigkeit von Trennflächen wird von der in der Trennflächenebene wirkenden resultierenden Schubspannung τres und der senkrecht zur Trennfläche gerichteten Normalspannung σn bestimmt. Die Scherfestigkeit in der Trennfläche wird z.B. durch eine Mohr-Coulombsche Bruchgerade beschrieben:

τ res = σ n tan ϕ T + cT τres ϕT

... resultierende Schubspannung in der Trennfläche ... Reibungswinkel der Trennfläche ... Kohäsion der Trennfläche

cT

σ1

τ

σ3

σ3 α1 α2

σ1

hbe Bruc

u ding

che nnflä e r T r ng fü

ϕt

ct Abb. 42:

σ3

α1

α2

Bereich von Gleitwinkeln

σ1

σ

Mohr-Coulomb´sches Bruchkriterium für Trennflächen

In Abb. 42 sind die Versagensbedingungen für eine Trennfläche für einen gegebenen Hauptspannungszustand dargestellt. Bei dieser Spannungssituation wird Gleiten an Trennflächen mit Winkeln α1> EB

Modell 1: Geht man davon aus, dass wischen den Schichten kein Schubverband wirkt, so kommt es bei der Verformung zu einer Relativverschiebung der Schichten. Die Querverformung der Schichten ist unabhängig von der Wechsellagerung

σ =σA =σB ∆l ε= 1= l1

Σ

σ

εA ≠ εB

σ EA

⋅ ai + Σ l1

σ EB

⋅ bi

⎛α β ⎞ σ ⎟⎟ = = σ ⋅ ⎜⎜ + E E E⊥ B ⎠ ⎝ A

1

E⊥ =

α EA

+

β

σ

EB

Modell 2: Wegen dem Schubverbund und größerer Steifigkeit des Materials A ergibt sich vereinfacht:

α.EA>> β.EB bzw. Equer,B ≈ Equer,A ... Steifemodul von Material B

Es,B

E2 = E⊥ =

1

α EA

Es,B =

σ

+

β Es,B

E B (1 −ν B ) (1 − 2ν B )(1 +ν B )

σ

Gebirge

7.3

7–45

Festigkeit

Die Festigkeit einer Felsprobe mit einer Kluft hängt auch von der relativen Orientierung der Trennflächen zur Beanspruchung ab. Wenn die Trennfläche z.B. parallel oder senkrecht zur aufgebrachten Last orientiert ist, wird dies keine Auswirkung auf die Festigkeit haben. In einem gewissen Winkelbereich kommt es zu einer deutlichen Reduktion der Festigkeit. Abb. 51 zeigt, dass die geringste Festigkeit auftritt, wenn die Trennfläche in einem Winkel α=45°+ϕ/2 in Bezug auf die kleinste Hauptspannung orientiert ist. Weiters ist qualitativ die Festigkeit in Abhängigkeit der Trennflächenneigung zur Hauptspannung dargestellt.

σ1-σ3 σ1 Festigkeit Gestein

σ3

σ3 α

σ1

ϕ Abb. 51:

o

45 +ϕ/2

o

90

Auswirkung einer Trennfläche auf die Festigkeit einer Felsprobe

Mohr-Coulomb Bruchkriterium Gleiten entlang der Trennfläche wird eintreten, wenn die Schubspannung τ gleich oder größer als die Scherfestigkeit τf wird. Die Gleichungen für die Schub- und Normalspannung bei Anwendung des Mohr-Coulomb Bruchkriteriums lauten:

σn =

1 (σ 1 + σ 3 ) + 1 (σ 1 − σ 3 ) cos 2α 2 2

τ =

1 (σ 1 − σ 3 )sin 2α 2

σn eingesetzt in das Mohr-Coulomb Kriterium τ f = cT + σ n tan ϕ T ergibt:

(σ 1 − σ 3 ) =

2(cT + σ 3 tan ϕT ) (1 − cot α tan ϕT )sin 2α

ct... Kohäsion der Trennfläche

ϕt... Reibungswinkel der Trennfläche

Gebirge

7–46

Eine weitere Darstellungsmöglichkeit ist jene mit Hilfe der Mohr’schen Spannungskreise (Abb. 52). Das Bruchkriterium sowohl von intaktem Gestein als auch der Trennfläche ist eingezeichnet. Weiters sind drei Kreise A, B und C dargestellt:

τ ϕ tan σ n + τ=c

tanϕ t c t+σ n = τ he ein nfläc est n G e r s Kr für T kte ei ung nta I g s n r i d ü f e C b ng Kr u ch u r g B n e i is ed Kr B chb eis Bru A

ϕt

β

γ

ct σ3

Abb. 52:

Bereich von Gleitwinkeln

σ1

σ1

σ1

σ

Darstellung der Bruchmöglichkeiten einer Felsprobe mit einer Trennfläche



Kreis A stellt jene Versagensbedingung dar, wo das Bruchkriterium der Trennfläche gerade erreicht wird. Gleiten entlang der Trennfläche wird stattfinden, vorausgesetzt, sie hat genau den Winkel 2α=90°+ϕt.



Kreis B stellt jenen Fall dar, bei dem Versagen und Gleiten an Trennflächen stattfinden wird, die Orientierungen β - wie in Abb. 52 gezeigt - haben.



Die Versagensbedingung für intakten Fels ist dann gegeben, wenn der Spannungskreis C die Umhüllende tangiert und keine Trennfläche im Winkelbereich γ vorhanden ist.

Das Mohr-Coulomb Bruchkriterium ist für Klüfte nur in Ausnahmefällen zutreffend, da z.B. die Kluftrauigkeit, die Festigkeit des angrenzenden Gesteins, und Maßstabsfragen nicht in die Betrachtung eingehen.

Gebirge

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Kluftmodell nach Barton-Bandis Barton [10] und Barton et.al. [11] haben nach Durchführung von Labortests an ungefüllten Klüften eine empirische Beziehung aufgestellt, bei welcher die Kluftrauigkeit, das Verhältnis der Festigkeit zur Nomalspannung und Maßstabsfaktoren eingehen.

τ = σ n * tan( JRC * log(

JCS

σn

) + ϕr )

dabei sind: JRC Kluftrauigkeitsbeiwert JCS Kluftwandfestigkeit ϕr Restreibungswinkel an ebener Trennfläche Die Abhängigkeit des Scherwiderstandes von der Länge der Kluft wird wie folgt berücksichtigt [12]:

⎡ Ln ⎤ JRC n = JRC0 * ⎢ ⎥ ⎣ L0 ⎦

−0.02* JRC0

⎡L ⎤ JCS n = JCS 0 * ⎢ n ⎥ ⎣ L0 ⎦

−0.03* JRC0

dabei sind: Ln

aktuelle Kluftlänge

L0

Länge, an welcher die Kluftrauigkeit bestimmt wurde (üblicherweise 10cm)

JCS0, JCR0 … an der Laborprobe gemessene Festigkeit, bzw. Rauigkeitsbeiwert Der Kluftrauigkeit wird mit einer Profillehre abgenommen und das ermittelte Muster mit Musterprofilen verglichen, woraus der JCR0 abgeleitet wird. Der Zusammenhang zwischen Normalspannung und Scherfestigkeit ist damit nicht wie bei Mohr-Coulomb linear, ebenso ergeben sich geringere Scherfestigkeiten bei größeren Blöcken.

Gebirge

Abb. 53: Kluftrauigkeitsprofile und zugehörige JRC – Werte [13]

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Einfluss mehrerer Trennflächen In Abb. 54 ist dargestellt, wie die Festigkeit bei Vorhandensein mehrerer Trennflächen unterschiedlicher Orientierung beeinflusst wird. Die Festigkeit ist dabei unabhängig von der Belastungsrichtung stark herabgesetzt.

σ1

σ1-σ3

σ3

σ3

σ1

Abb. 54:

Gebirgsfestigkeit bei mehreren Trennflächen

Einfache Abschätzung der Gebirgseigenschaften Zur Beschreibung des Trennflächeneinflusses auf die Gebirgseigenschaften haben Hoek, Kaiser und Bawden [14] den GSI (Geological Strength Index) eingeführt. Man erhält diesen GSI Wert durch Abschätzung der Gebirgszerlegung und der Trennflächeneigenschaften. Ausgehend von der, im Labor ermittelten einaxialen Druckfestigkeit des intakten Gesteins, kann mit Hilfe des GSI für verschiedene geologische Verhältnisse die Reduktion der Gebirgsfestigkeit grob abgeschätzt werden.