Sie waren nicht mit ihm verheiratet, aber er war ihnen ganz nah, er hat das Leben mit ihnen geteilt. Sie waren zusammen auf der Wanderschaft durch

(1) Mt 28,1-8; Lk 24,1-12; Joh 20,1-13. Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die [Mutter] des Jakobus, und Salome wohl...
Author: Michael Raske
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(1) Mt 28,1-8; Lk 24,1-12; Joh 20,1-13. Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria Magdalena und Maria, die [Mutter] des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben. (2) Und sie kommen sehr früh am ersten Wochentag zu der Gruft, als die Sonne aufgegangen war. (3) Und sie sprachen zueinander: Wer wird uns den Stein von der Tür der Gruft wegwälzen? (4) Und als sie aufblickten, sehen sie, daß der Stein zurückgewälzt ist; er war nämlich sehr groß. (5) Und als sie in die Gruft eintraten, sahen sie einen Jüngling zur Rechten sitzen, bekleidet mit einem weißen Gewand, und sie entsetzten sich. (6) Er aber spricht zu ihnen: Entsetzt euch nicht! Ihr sucht Jesus, den Nazarener, den Gekreuzigten. Er ist auferstanden, er ist nicht hier. Siehe da die Stätte, wo sie ihn hingelegt hatten. (7) Aber geht hin, sagt seinen Jüngern und Petrus, daß er euch nach Galiläa vorausgeht! Dort werdet ihr ihn sehen, wie er euch gesagt hat. (8) Und sie gingen hinaus und flohen von der Gruft. Denn Zittern und Bestürzung hatte sie ergriffen, und sie sagten niemand etwas, denn sie fürchteten sich. Erscheinungen des Auferstandenen.

Drei Frauen machen sich am Ostermorgen auf um Jesus, dem Gekreuzigten die letzte Ehre zu erweisen. Sie wollen seinen Leichnam salben mit kostbaren Ölen. Das erinnert mich an unsere Friedhöfe. Meist sind es auch hier Frauen, die sich auf den Weg machen, um die Grabstätte ihres verstorbenen Ehemannes zu besuchen. Auch sie wollen dem Toten noch eine Ehre erweisen, in dem sie das Grab pflegen und frische Blumen dort hinbringen. Meist verweilen sie noch eine Zeit am Grab, denken an den Verstorbenen zurück, erinnern sich an Augenblicke, die sie zusammen verlebt haben oder führen in der Stille ein Gespräch mit ihm. Vielleicht erzählen sie ihm, was es neues gibt in der Familie oder sie fragen sich, was der Verstorbene wohl zu diesem oder jenem Thema gesagt hätte. Auch diese Witwe ist nicht allein auf dem Friedhof. Dort sind noch andere, die ihr Schicksal teilen, meist auch Frauen, die die Gräber ihrer verstorbenen Männer besuchen. Manchmal sitzen sie zusammen auf einer Bank, sprechen miteinander über vergangene Zeiten oder darüber was es neues Im Dorf gibt. So geschieht es auch am Ostermorgen. Drei Frauen besuchen zum ersten Mal zusammen das Grab Jesu.

Sie waren nicht mit ihm verheiratet, aber er war ihnen ganz nah, er hat das Leben mit ihnen geteilt. Sie waren zusammen auf der Wanderschaft durch Palästina, sie sind zusammen durch dick und dünn gegangen. Sie haben zu ihm aufgeblickt, sie haben ihn verehrt. Er hat ihrem Leben Sinn gegeben. Und dann geschah das Schreckliche. Vor wenigen Tagen waren Jesus und seine Anhänger in Jerusalem noch stürmisch begrüßt worden. Mit Palmzweigen haben sie die Straßen geschmückt. Manche haben ihre Kleider ausgebreitet als Teppich, damit Jesus, der auf einem Esel saß darüber reiten konnte. Dann kam es zum Eklat: Jesus hat die Geldwechsler und Händler mit einer Peitsche aus dem Tempel vertrieben und hat gerufen: Dieses Haus soll ein Bethaus sein und ihre habt eine Räuberhöhle daraus gemacht. Kurz darauf wurde Jesus am Sederabend von der römischen Polizei verhaftet. Nur einen Tag später wurde er hingerichtet. Unfassbar. Die drei Frauen hatten in Jesus den Messias erblickt, den, den Gott senden wollte um sein Volk zu befreien. Es schien so, als würden auch die Menschen in Jerusalem das begreifen. Die Jesusbewegung wurde immer größer, immer mehr schlossen sich ihr an. Und dann dieses schreckliche Ende. Die qualvolle Kreuzigung, der Tod. Manche der Frauen und der Männer, die auf dem Friedhof um ihre verstorbenen Ehepartner trauern, ist es ähnlich gegangen. Nichts hatte auf den Tod ihres geliebten Partners hingedeutet. Alles schien in Ordnung zu sein. Gemeinsame Aktivitäten und Reisen waren geplant. Und plötzlich geschieht das Unfassbare. Eine plötzliche Herzattacke, der Notarzt muss kommen, Verlegung auf die Intensivstation und dann der Anruf, wir müssen Ihnen mitteilen dass heute Nacht ihr Ehepartner gestorben ist. Verzweiflung, Fassungslosigkeit. So müssen sich die drei Frauen gefühlt haben, als sie sich am Ostermorgen zusammen auf den Weg gemacht haben um dem gekreuzigten Jesus die letzte Ehre zu erweisen. Und wieder geschieht das unglaubliche: Der Stein ist weggewälzt. Die Frauen wundern sich. Wer hat den weggerollt? Der Stein war groß und schwer.

Der Stein ist ein Sinnbild für den Stein, den die Frauen auf dem Herzen hatten, als sie auf dem Friedhof ankamen. Sie hatten einen großen und schweren Stein auf dem Herzen. Den Stein der Trauer, der Klage, der Verzweiflung, der Fassungslosigkeit. Und nun ist dieser Stein auf einmal weg gerollt. Auch das ist ein Sinnbild. Wie oft haben die Frauen die Erfahrung machen können, als Jesus noch bei ihnen war, wie er Kranke wieder gesund machen konnte, wie Lahme wieder gehen konnten, wie Blinde wieder sehen konnten, wie Taube wieder hören konnten. Sogar Tote, den Lazarus und die Tochter des Jairus, hat er wieder zu neuem Leben erweckt. Und auch jetzt machen sie wieder diese Erfahrung. Der Stein ist weggewälzt. Der Tod hat nicht das letzte Wort, Jeus ist von den Toten auferstanden. Er ist nicht hier, sagen die Engel. Der Stein ist weggewälzt, der Tod ist besiegt, die Verzweiflung ist überwunden, die Angst ist überwunden. In dieser Geschichte von der Auferstehung wird etwas verdichtet erzählt, was wir auf die eine oder andere Weise immer wieder erfahren dürfen. Da ist etwas, was uns in tiefe Verzweiflung stürzt, etwas, woran wir zu zerbrechen meinen, was wir nicht aushalten und nicht tragen können. Das kann der Tod eines geliebten Menschen sein, oder eine andere schwere Krise, eine Krankheit, die nicht heilbar ist oder eine Sucht von der wir nicht loskommen, ein Trauma, das unser ganzes Leben belastet. Der Auferstandene gibt uns neue Hoffnung. Der Stein ist weggewälzt, der Gekreuzigte ist nicht hier. Immer wieder haben das Menschen erfahren dürfen. Ein Problem, dass eine Zeit lang übermächtig erschien, hat sich in Luft aufgelöst, es ist einfach nicht mehr da, und wir verstehen im Nachhinein nicht mehr, warum wir uns so darüber aufgeregt haben. Manchmal sind wir selbst es, die die Probleme festhalten. Vielleicht haben wir uns in unserer Kindheit von unseren Eltern ungerecht behandelt gefühlt und können es unser Mutter oder unserem Vater einfach nicht vergeben. Wir tragen es ihnen nach, auch dann noch, wenn sie verstorben sind.

In der Familientherapie tritt es häufig zu Tage, dass die Verstorbenen Verwandten einen großen Einfluss auf die jetzt Lebenden haben. Einen schlechten Einfluss, einen belastenden Einfluss, der den Hinterbliebenen die Lebensfreude nimmt. Der Stein ist weggewälzt. Der Gekreuzigte ist nicht hier. Der Stein ist noch da, er ist noch sichtbar, man hat ihn nur weggewälzt, der Gekreuzigte aber ist weg, einfach nicht mehr da. Dieser Unterschied von nur weggewälzt und einfach nicht mehr da, erinnert mich an den Unterschied von Vergeben und Vergessen. Bei einer schweren Verfehlung sagt man: Das kann ich vergeben aber nicht vergessen. Die Geschichte der Auferstehung lehrt uns, dass beides dazugehört: Vergeben und vergessen. Vergebung fällt schwer, sie kann so schwer sein, wie der Stein, der vom Grab weggerollt wurde. Vergebung ist aber notwendig. Alles, was wir uns selbst und anderen nicht vergeben können, belastet uns, drückt uns nieder und macht uns unfrei. Neues Leben und neue Freiheit kann nur entstehen durch die Auferstehung, indem wir Dinge die uns belasten und unfrei machen, bereit sind herzugeben. Nichts ist schlimmer als sich in der Rolle des Opfers einzurichten, sich selbst als das Opfer schlechter Erziehung, schlechter Erbanlagen, schlechter Umstände, und einer schlechten Gesellschaft zu begreifen. Es ist als schlösse man sich freiwillig in ein Grab ein, verbarrikadiere den Eingang mit einem schweren Stein. Dort ist es dunkel und dort soll es ewig dunkel bleiben. Nicht so am Grab Jesu: Der Stein ist weggewälzt und der Gekreuzigte ist nicht mehr da. Die Schuld ist vergeben, dafür ist Jesus gestorben und all das Schreckliche ist vorbei. Es ist einfach nicht mehr da. Es ist nicht nur vergeben sondern sogar vergessen, nicht mehr da! Der Stein ist aber nicht einfach wegerollt, sondern er wurde weggewälzt. Es braucht also einen, der die Kraft hat, ihn weg zu wälzen oder mehrere, die es gemeinsam schaffen.

So ist es auch im Leben. Wenn wir eine tiefe Krise durchmachen, dann brauchen wir Menschen, die uns beistehen, die uns aufhelfen und die uns heraushelfen, wenn wir uns in etwas verrannt haben. Jesus, so heißt es, ist der Erstling unter den Entschlafenen. Seine Auferstehung ist das Symbol dafür, dass auch wir mit ihm auferstehen können, aus den Gräbern, in denen wir uns manchmal selber vergraben haben mit Schuldgefühlen und Vorwürfen. Die Auferstehung aus Gräbern, in denen wir es uns häuslich eingerichtet haben in der Rolle des Opfers. Die Auferstehung ist ein Zeichen der Vergebung. Und das Licht der Auferstehung strahlt so hell, dass es uns sogar vergangenes Leid und vergangene Schuld vergessen machen kann. Amen.

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