Schwerverletzten - Versorgung im Motorsport

Michael Kreinest (Hrsg.) Schwerverletzten Versorgung im Motorsport Das RTTLS-Konzept Michael Kreinest (Hrsg.) Schwerverletzten-Versorgung im Motor...
Author: Hans Baum
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Michael Kreinest (Hrsg.)

Schwerverletzten Versorgung im Motorsport Das RTTLS-Konzept

Michael Kreinest (Hrsg.)

Schwerverletzten-Versorgung im Motor­sport

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Gebrauchsanweisung für dieses Buch

!

Wichtige Hinweise, die Sie nicht überlesen sollten.

❱❱❱

Tipps für die Praxis

Besonderheiten bei der Notfallversorgung im Motorsport

Michael Kreinest (Hrsg.)

SchwerverletztenVersorgung im ­Motorsport Das RTTLS-Konzept mit Beiträgen von Paul Balbach | Jürgen Boschert | Florian M. Floß | Jochen Franke Günter Germann | Patrick Kern | Paraskevas K­ ontokostas Jochen Kotter | Philipp Krämer | Michael Kreinest Manuel Lingner | Stefan Matschke | Jan von ­Recum Niko Schneider | Bernd Scholz | Michael Scholz ­Arnold J. Suda | Marco Tinelli | Bernd Vock | Christoph G. Wölfl

Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft

Der Herausgeber Dr. Dr. Michael Kreinest BG-Unfallklinik Ludwigshafen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen

MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG Zimmerstraße 11 10969 Berlin www.mwv-berlin.de ISBN 978-3-95466-094-0 (eBook: PDF) Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Informationen sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. © MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft Berlin, 2013 Dieses Werk ist einschließlich aller seiner Teile urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdrucks, des Vortrags, der Entnahme von Abbildungen und Tabellen, der Funksendung, der Mikroverfilmung oder der Vervielfältigung auf anderen Wegen und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Die Verfasser haben große Mühe darauf verwandt, die fachlichen Inhalte auf den Stand der Wissenschaft bei Drucklegung zu bringen. Dennoch sind Irrtümer oder Druckfehler nie auszuschließen. Daher kann der Verlag für Angaben zum diagnostischen oder therapeutischen Vorgehen (zum Beispiel Dosierungsanweisungen oder Applikationsformen) keine Gewähr übernehmen. Derartige Angaben müssen vom Leser im Einzelfall anhand der Produktinformation der jeweiligen Hersteller und anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. Eventuelle Errata zum Download finden Sie jederzeit aktuell auf der Verlags-Website. Produkt-/Projektmanagement: Susann Weber, Berlin Lektorat: Monika Laut-Zimmermann, Berlin Layout, Satz, Herstellung: eScriptum GmbH & Co KG – Digital Solutions, Berlin Umschlagfoto: Gerd Marschall Zuschriften und Kritik an: MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG, Zimmerstr. 11, 10969 Berlin, [email protected]

Vorwort Liebe Leser,

es gibt Funktionsträger bei Motorsportveranstaltungen, ohne die geht es nicht. Dazu

gehören etwa der Rennleiter oder die Marshals der Stre-

ckensicherung. Und natürlich die Ärzte und Mitarbei-

ter des Rettungsdienstes an der Strecke. Fast niemand sonst an der Rennstrecke kann so umfassend in das Geschehen eingrei-

fen – und das ist auch richtig so. Denn der Sicherheit aller am Renngeschehen Beteiligten kommt nicht nur oberste Priorität zu, sie ist mehr noch vitale Voraussetzung des ganzen Geschehens.

Solange ich denken kann, bin ich persönlich mit dem Motorsport verbunden. Als Sohn eines europaweit bekannten Motorsportlers reichen meine Erinnerungen zurück bis zu den Ren-

nen der Nachkriegszeit – und an den Stand der damaligen me-

dizinischen Versorgung. Es ist eine Binsenweisheit, dass die Versorgung damals bei Weitem nicht so ausgereift war wie heute. Aber ebenso war die Denkweise eine andere: Schwere Ver-

letzungen, ja sogar Todesfälle waren tragische Begleiterscheinungen des Sports – aber sie wurden letztlich in Kauf genom-

men. Während meiner Zeit als aktiver Rennfahrer ab Ende der 60er-Jahre konnte ich dann eine Entwicklung erleben, die heute in einem ausgefeilten Konzept für die organisatorischen und medizinischen Details der Rettungskette gipfeln. Dahinter

steckt zweierlei: Natürlich die Entwicklung der Medizin, die heute auch an der Rennstrecke vor Ort einen hohen Stand erreicht hat. Aber eben auch der Safety-First-Gedanke, welcher

der Gesundheit der Motorsportler oberste Priorität einräumt. So kann ich heute, wo ich dem Motorsport nicht nur als Präsi-

dent des DMSB verbunden bin, sondern als Vater zweier renn-

fahrender Söhne auch weiterhin ganz direkt am aktiven Sport

teilhabe, beruhigt sein: Im Fall der Fälle sind versierte Notfall-

mediziner im Einsatz, die auf so umfassende medizinische und organisatorische Ressourcen zugreifen können, wie es sie nie zuvor im Motorsport gab.

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Vorwort

Doch die Medizin entwickelt sich ebenso wie der Motorsport weiter. Die grundlegende Erkenntnis des RTTLS-Konzeptes ist, dass

an der Rennstrecke andere Bedingungen herrschen, als bei Einsätzen im Alltagsverkehr. Es ist damit ein wichtiger Schritt, die aktuellen Erkenntnisse beider Disziplinen zu kombinieren.

Die Experten für Notfallmedizin, die sich mit diesem Konzept weiterbilden, erhalten so zusätzliches Wissen, das dem inter-

nationalen Stand der Notfallmedizin an der Rennstrecke entspricht. Denn es fußt neben der aktuellsten medizinischen Literatur auch auf den Empfehlungen des „FIA Institute for Motor

Sport Safety and Sustainability“. Der DMSB unterstützt mit großer Überzeugung die Ausbildung im Rahmen dieses Konzepts, und ich freue mich über diesen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der medizinischen Versorgung an der Strecke.

Hans-Joachim Stuck

Präsident Deutscher Motor Sport Bund e.V.

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Die Autoren Paul Balbach DRK Kreisverband Mannheim e.V. Rettungswache Hockenheimring Im Auchtergrund 1 68766 Hockenheim Dr. Jürgen Boschert BG-Unfallklinik Ludwigshafen Abteilung für Neurochirurgie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen Florian M. Floß Klinikum der Stadt Ludwigshafen am Rhein Klinik für Anästhesiologie und Operative Intensivmedizin Bremserstr. 79 67063 Ludwigshafen Dr. Jochen Franke BG-Unfallklinik Ludwigshafen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen Prof. Dr. Günter Germann Ethianum Heidelberg Klinik für Plastisch-Rekonstruktive, Ästhetische Chirurgie und Präventive Medizin am Universitätsklinikum Heidelberg Voßstr. 6 69115 Heidelberg Dr. Patrick Kern Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus Speyer Klinik für perioperative Medizin Hilgardstr. 26 67346 Speyer

Dr. Paraskevas Kontokostas Universitätsklinikum des Saarlandes Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Kirrberger Str. 100 66421 Homburg/Saar Dr. Jochen Kotter BG-Unfallklinik Ludwigshafen Abteilung für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen Dr. Philipp Krämer BG-Unfallklinik Ludwigshafen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen Dr. Dr. Michael Kreinest BG-Unfallklinik Ludwigshafen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen Manuel Lingner Diakonissen-Stiftungs-Krankenhaus Speyer Klinik für perioperative Medizin Hilgardstr. 26 67346 Speyer Dr. Stefan Matschke BG-Unfallklinik Ludwigshafen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen

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Die Autoren

Dr. Jan von Recum BG-Unfallklinik Ludwigshafen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen Niko Schneider Universitätsklinikum Heidelberg Klinik für Anästhesiologie Im Neuenheimer Feld 110 69120 Heidelberg Dr. Bernd Scholz Ethianum Heidelberg Abteilung für Anästhesie Voßstr. 6 69115 Heidelberg Dr. Michael Scholz Deutscher Motor Sport Bund ­e. V. Verbandsarzt für Automobilsport im DMSB Hahnstr. 70 60528 Frankfurt

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Dr. Arnold J. Suda BG-Unfallklinik Ludwigshafen Abteilung für Septische Chirurgie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen Dr. Marco Tinelli BG-Unfallklinik Ludwigshafen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen Dr. Bernd Vock BG-Unfallklinik Ludwigshafen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen Dr. Christoph G. Wölfl BG-Unfallklinik Ludwigshafen Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie Ludwig-Guttmann-Str. 13 67071 Ludwigshafen

Inhalt 1

Einführung_________________________________________  1

1.1 Medizin im Motorsport_______________________________________  Michael Kreinest und Niko Schneider

1

1.2 RTTLS und andere Versorgungskonzepte_ ________________________  Michael Kreinest und Christoph G. Wölfl

2

1.3 Prinzipien der Traumaversorgung_______________________________  Michael Kreinest und Christoph G. Wölfl

5

2

Besonderheiten im Motorsport_ _______________________  9

2.1 Umfeld des Motorsports______________________________________  Manuel Lingner und Michael Scholz

9

2.2 Trauma-Kinematik im Motorsport_______________________________  13 Michael Kreinest und Manuel Lingner 2.3 Rettungskette im Motorsport__________________________________  20 Manuel Lingner und Michael Scholz 2.4 Verhalten bei Motorsport-Unfällen______________________________  23 Bernd Scholz und Manuel Lingner

3

Extrication_________________________________________  27

3.1 Historie der Extrication_______________________________________  27 Florian M. Floß, Paul Balbach und Michael Scholz 3.2 Ziele der Extrication__________________________________________  28 Florian M. Floß, Paul Balbach und Michael Scholz 3.3 Zusammensetzung, Training und Zertifizierung des Extrication-Teams_________________________  29 Florian M. Floß, Paul Balbach und Michael Scholz 3.4 Rettungsarten der Extrication__________________________________  32 Florian M. Floß, Paul Balbach und Michael Scholz 3.5 Fahrzeug- und unfallspezifische Besonderheiten___________________  40 Florian M. Floß, Paul Balbach und Michael Scholz

4

Basiswissen Traumatologie____________________________  43

4.1 Schädel-Hirn-Trauma_________________________________________  43 Michael Kreinest und Jürgen Boschert 4.2 Wirbelsäulen-Trauma_________________________________________  48 Michael Kreinest und Stefan Matschke 4.3 Thorax-Trauma_ _____________________________________________  54 Michael Kreinest und Arnold J. Suda

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Inhalt

4.4 Extremitäten-Trauma_________________________________________  61 Michael Kreinest und Jan von Recum 4.5 Becken-Trauma______________________________________________  66 Michael Kreinest und Bernd Vock 4.6 Abdominal-Trauma___________________________________________  71 Michael Kreinest und Marco Tinelli 4.7 Schock_____________________________________________________  76 Manuel Lingner und Patrick Kern

5

Der RTTLS-Algorithmus_ ______________________________  81

5.1 RTTLS-Grundlagen_ __________________________________________  81 Manuel Lingner und Michael Kreinest 5.2 Beurteilung und Behandlung nach dem RTTLS-Algorithmus_ ________  85 Jürgen Boschert, Jochen Franke, Jochen Kotter, Michael Kreinest, ­Manuel Lingner, Bernd Scholz und Arnold J. Suda 5.3 RTTLS auf der Strecke_________________________________________  106 Manuel Lingner und Bernd Scholz 5.4 RTTLS im RTW_______________________________________________  109 Manuel Lingner und Bernd Scholz 5.5 RTTLS im Medical Center______________________________________  110 Michael Kreinest und Christoph G. Wölfl 5.6 Erweiterte Beurteilung_ ______________________________________  114 Michael Kreinest und Bernd Scholz 5.7 Erweiterte Behandlung_______________________________________  116 Manuel Lingner und Michael Kreinest

6

RTTLS im Rallye-Sport_ _______________________________ 121

6.1 Besonderheiten im Rallye-Sport________________________________  121 Niko Schneider und Paraskevas Kontokostas 6.2 Der RTTLS-Algorithmus im Rallye-Sport_ _________________________  123 Niko Schneider und Paraskevas Kontokostas

7

Spezielle Notfälle im Motorsport_______________________ 127

7.1 Verbrennungs-Trauma________________________________________  127 Bernd Scholz und Günter Germann 7.2 Traumatischer Herz-Kreislaufstillstand___________________________  131 Philipp Krämer und Bernd Vock



Danksagung________________________________________ 136



Sachwortverzeichnis_________________________________ 137

x

1 Einführung

1.1 Medizin im Motorsport Michael Kreinest und Niko Schneider Hinter dem Überbegriff „Motorsport“ verbergen sich zahlreiche Sportarten, welche sich stark voneinander unterscheiden. So

fallen z.B. Luftrennen mit Flugzeugen ebenso wie Motorbootrennen darunter. Der Motorsport an Land umfasst nicht nur den

bekannten Automobil- und Motorradsport, sondern unter ande-

rem auch den Motorsport mit Lastkraftwagen, Traktoren oder Karts. So unterschiedlich Automobil- und Motorradsport auch sein mögen, zeigen sich doch Gemeinsamkeiten bei der Stre-

ckenauswahl. Beide Sportarten finden sowohl an der Rundstre-

cke als auch im Gelände statt. Auch der Automobilsport an sich zeigt sich sehr facettenreich. An der Rundstrecke unterscheidet

man z.B. den Formelsport vom Tourenwagenrennen. Ganz andere Bedingungen finden sich dagegen im Rallye-Sport. Des

Weiteren finden in Deutschland auch Spezialwettkämpfe wie das Eisrennen, die Driftchallenge oder das Bergrennen statt.

1

1 Einführung

Den meisten Motorsportarten gemein ist die hohe Bewegungsenergie, weshalb trotz zahlreicher Sicherheitssysteme (s. Kap. 2.2) ein erhöhtes Risiko für Hochrasanz-Traumata besteht.

!

Die generelle Notfall-Diagnostik und Akutbehandlung eines Schwerstverletzten nach einem Hochrasanz-Trauma ist für alle Motorsportarten identisch.

Dennoch sind im Umfeld der Motorsportveranstaltung zahlreiche Besonderheiten für die Rettungskräfte zu beachten.

Speziell für die Versorgung schwerstverletzter Motorsportler

unter Berücksichtigung der Besonderheiten bei Rundstrecken-

Rennen (s. Kap. 2) wurde das Race Track Trauma Life Support (RTTLS)-Konzept entwickelt. Da das Kernstück des RTTLS-Algorithmus, das ABCDE-Schema, universell bei jeder Schwerver-

letzten-Versorgung einsetzbar ist, hat sich das RTTLS-Konzept

mittlerweile auch im Rallye-Sport und in weiteren Disziplinen des Motorsports verbreitet (z.B. Motocross, Sandbahnrennen).

Bei problemloser Übertragbarkeit des ABCDE-Schemas müssen

die speziellen Gegebenheiten des Umfeldes immer berücksichtigt werden, wie es in Kapitel 6 für den Rallye-Sport exempla-

risch erläutert wird.

1.2 RTTLS und andere Versorgungskonzepte Michael Kreinest und Christoph G. Wölfl Race Track Trauma Life Support (RTTLS) ist ein Konzept zur

strukturierten und prioritätenorientierten Versorgung von Schwerverletzten im Motorsport. Die Abläufe, beginnend mit

dem Moment eines Rennsportunfalls bis hin zur Übergabe des Verletzten an das behandelnde Krankenhaus, werden in einem übersichtlichen Algorithmus zusammengefasst.

Das Kernstück des RTTLS-Behandlungs-Algorithmus ist die prioritätenorientierte Diagnostik und Behandlung von lebensbe-

drohlichen Verletzungen. Hier kommt das ABCDE-Schema zur Anwendung. Demnach beginnt die Reihenfolge der Diagnostik und Therapie beim Atemweg. Anschließend werden Ventilation

und Kreislauffunktion untersucht und ggf. therapiert. Mit der

2



1.2 RTTLS und andere Versorgungskonzepte

Erhebung eines orientierenden neurologischen Status und dem vollständigen Entkleiden des Patienten wird die Untersuchung komplettiert.

!

A – Airway

Atemweg und Immobilisation der Halswirbelsäule B – Breathing Ventilation C – Circulation Kreislauffunktion D – Disability Neurologie E – Expose/Environment Entkleiden/Wärmeerhalt

Dieser Teil des RTTLS-Behandlungs-Algorithmus wird auch in

vielen anderen Konzepten der Schwerverletztenversorgung angewendet. Entwickelt wurde dieses strukturierte Vorgehen in

den späten 1970er-Jahren von den Gründungsvätern von ATLS®

(Advanced Trauma Life Support). Das Ziel von ATLS® war die Be-

reitstellung eines Algorithmus für eine strukturierte Versorgung von Schwerverletzten im Krankenhaus. Es wurde ein Kurssys-

tem entwickelt, in welchem der Behandlungsalgorithmus nach dem ABCDE-Schema gelehrt wurde. Im Laufe der Jahre verbreitete sich die Behandlung nach dem ATLS®-Algorithmus weiter.

Heute werden Schwerverletzte in den Schockräumen aller Kontinente nach dem ABCDE-Schema behandelt. Auch in Deutschland finden jährlich rund 100 ATLS®-Kurse statt und in vielen

Trauma-Netzwerken, zu welchen sich große Trauma-Zentren

und kleinere Krankenhäuser zusammenschließen, werden die Patienten nach den ATLS®-Algorithmen behandelt.

Es wurde schnell klar, dass zur besseren Versorgung von Schwer-

verletzten nicht nur die Behandlung in den Krankenhäusern, sondern auch die präklinische Versorgung dieser Patienten optimiert werden musste. Die Konzepte der Rettungsdienste wa-

ren unterschiedlich und reichten vom sofortigen Transport des Verletzten ohne die Durchführung weiterer Maßnahmen (load

and go-Prinzip) bis hin zum vollen Ausschöpfen der diagnostischen und therapeutischen Maßnahmen noch am Unfallort

(stay and play-Prinzip). Während bei Ersterem akut lebensbedrohliche Probleme nicht erkannt und behandelt wurden, ver-

hinderte Letzteres oftmals den zeitnahen Transport in das behandelnde Krankenhaus. Beide Prinzipien erscheinen nicht ge-

3

1 Einführung

eignet für eine adäquate Versorgung von Schwerverletzten. Es

entwickelten sich deshalb schon in den frühen 1980er-Jahren Konzepte für die präklinische Phase der Versorgung von schwer-

verletzten Patienten. Wie schon der ATLS®-Algorithmus basier-

ten auch diese Versorgungskonzepte auf dem ABCDE-Schema und wurden durch entsprechende Kurssysteme wie ITLS® (International Trauma Life Support) und PHTLS® (Prehospital Trauma

Life Support) verbreitet. Das gemeinsame Ziel dieser Konzepte

war die Durchführung einer schnellen, prioritätenorientierten

Diagnostik von vitalen Bedrohungen und zielgerichtete Interventionen, welche die endgültige Versorgung im Krankenhaus

nicht unnötig verzögerten (treat and run-Prinzip). So konnten

z.B. durch PHTLS® mittlerweile weit über eine halbe Million

Mitarbeiter des Rettungsdienstes sowie Notärzte in über 50 Ländern der Welt geschult werden.

Mittlerweile ist das ABCDE-Schema weltweit verbreitet. Auch in Deutschland ist es fester Bestandteil in der Ausbildung der Mitarbeiter des Rettungsdienstes und hat auch Einzug in die uni-

versitäre Ausbildung von Medizinstudenten erhalten. Des Weiteren werden z.B. auch die Feuerwehren und die Polizei sowie

professionelle Ersthelfer (First-Responder) durch spezielle

PHTLS®-Kurse geschult. Das ABCDE kann als die Sprache der Schwerverletztenversorgung angesehen werden, welche von

allen an der Notfallversorgung beteiligten Berufsgruppen gesprochen wird.

Auch die Mitarbeiter des Rettungsdienstes und die Notärzte, welche an Rennstrecken eingesetzt sind, sind mit der Versorgung von Schwer- und Mehrfachverletzten betraut.

Die Versorgung von Schwerverletzten im Motosport und im öffentlichen Verkehrsraum unterscheidet sich bezüglich: nnder Unfallkinematik nndes Umfeldes (laufender Rennbetrieb!) nnder Infrastruktur (Extrication-Team, Medical Center) nnder Rettung des Verletzten (z.B. Rettung mit speziellen Sitzsystemen) nndes Patientenklientels Aufgrund dieser Unterschiede und der besonderen Reglements bei Rennsportveranstaltungen ist im Jahre 2011 die Initiative zur

Entwicklung eines Versorgungskonzepts für schwerverletzte Mo-

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