Rheologische und morphologische. Charakterisierung von DBS-Netzwerkstrukturen. in unterschiedlichen Polymermatrizes

Rheologische und morphologische Charakterisierung von DBS-Netzwerkstrukturen in unterschiedlichen Polymermatrizes Inaugural-Dissertation zur Erlangun...
Author: Melanie Kaufman
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Rheologische und morphologische Charakterisierung von DBS-Netzwerkstrukturen in unterschiedlichen Polymermatrizes

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Fakultät für Chemie, Pharmazie und Geowissenschaften der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

vorgelegt von Wenke Fräßdorf aus Mönchweiler Freiburg i. Br. 2003

Dekan:

Prof. Dr. P. Gräber

Vorsitzender des Promotionsausschusses:

Prof. Dr. G. E. Schulz

Leiter der Arbeit:

Prof. Dr. Dr. C. Friedrich

Referent:

Prof. Dr. Dr. C. Friedrich

Korreferent:

Prof. Dr. W. Gronski

Tag der Bekanntgabe des Prüfungsergebnisses:

30. Oktober 2003

Das Große kommt nicht allein durch Impuls zu Stande, sondern ist eine Aneinanderkettung kleiner Dinge, die zu einem Ganzen vereint worden sind. (Vincent van Gogh)

Danksagung

III

Diese Arbeit entstand vom Januar 2000 bis Juli 2003 am Freiburger Materialforschungszentrum (FMF). An dieser Stelle möchte ich mich bei all denjenigen bedanken, die zum Gelingen dieser Arbeit beigetragen haben.

Mein besonderer Dank gilt Herrn Prof. Dr. Dr. Christian Friedrich, unter dessen Leitung diese Dissertation angefertigt wurde, für die freundliche Aufnahme in seinen Arbeitskreis ebenso wie für die Bereitstellung des interessanten Themas. Für seine kompetente Betreuung, seine Diskussionsbereitschaft und stetes Interesse am Fortschreiten der Arbeit sei an dieser Stelle gedankt. Herrn Prof. Dr. W. Gronski danke ich für die freundliche Übernahme des Korreferates. Dem Graduiertenkolleg „Strukturbildung in makromolekularen Systemen“ und der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Rahmen des SFB 428 „Strukturbildung makromolekularer Netzwerksysteme“ (Projekt A5) möchte ich für die finanzielle Unterstützung danken. Bei Francesca Iannace, Dirk Kaempfer, Martin Kühne, Kurt Mattes, Olaf Meincke, Christian Oelze, Dirk Schulze, Hans Weickmann sowie allen assoziierten Mitgliedern und Ehemaligen der Arbeitsgruppe Rheologie und Polymerverarbeitung bedanke ich mich für die nette Arbeitsatmosphäre und für die vielen hilfreichen und anregenden Diskussionen. Ein besonderes Dankeschön gilt Jens Erler für die angenehme Atmosphäre im Büro 2019 sowie für seine ständige Hilfsbereitschaft. Des Weiteren gilt mein Dank Herrn Dr. Joseph Somprowsky für die netten und aufmunternden Teestunden. Bei Martin Kühne und Chau Hon Ho möchte ich mich für ihr Engagement bedanken, das sie im Rahmen ihres Mitarbeiterpraktikums aufgebracht haben. Bei Herrn Dr. Ralf Thomann möchte ich mich für die Hilfe bei den elektronenmikroskopischen Untersuchungen der Proben bedanken. Herrn Dipl. Ing. Wolfgang Schemionek und Herrn Ulrich Matthes danke ich für ihre stets spontane und unkomplizierte Hilfe bei allen technischen Problemen. Bei der Verwaltung des FMF sowie den Sekretärinnen des SFB möchte ich mich für ihre Unterstützung bedanken.

IV

Danksagung

Des Weiteren möchte ich mich bei allen Kollegen des Freiburger Materialforschungszentrums und des Instituts für Makromolekulare Chemie für das angenehme Arbeitsklima bedanken. Ganz besonderen Dank möchte ich meiner Familie und meinen Freunden zusprechen. Durch die vielen schönen Stunden außerhalb der Uni haben sie es mir ermöglicht, diese zuweilen etwas anstrengende Zeit so gut zu überstehen. Andreas Wollny möchte ich an dieser Stelle besonders danken für seine Unterstützung, sein Verständnis und alles, was dazu gehört. Zum Schluss möchte ich mich noch herzlich bei meinen Eltern bedanken, die mir mein Studium ermöglicht und mich stetig darin unterstützt haben.

V

Veröffentlichungen

VORTRÄGE Nanosized particles in polymer melts: influence of particle-matrix interactions and interfacial properties on dynamic rheology, Sandra Steinmann, Michael Fahrländer, Wenke Fräßdorf, Christian Friedrich, XIIIth International Congress on Rheology, Cambridge, 20.-25.08.2000. Lineare und nichtlineare rheologische Untersuchungen von Polymersystemen mit Gerüststruktur, Wenke Fräßdorf, Michael Fahrländer, Christian Friedrich, SFB-Kolloquium, Jostal, 10.-11.11.2000. Lineare

und

nichtlineare

Eigenschaften

von

Dibenzylidensorbitol-Netzwerken

in

Polymermatrizes, Wenke Fräßdorf, Michael Fahrländer, Christian Friedrich, Jahrestagung der Deutschen Rheologischen Gesellschaft e.V. , Berlin, 14.-16.05.2001. Rheological properties of nanofibrillar skeleton structures in various polymer matrices, Wenke Fräßdorf, Michael Fahrländer, Konrad Fuchs, Christian Friedrich, Polymer Processing Society (PPS) - 2001 Regional Meeting, Antalya (Türkei), 22.-24.10.2001. Rheologische und morphologische Untersuchungen von Gerüststrukturen in Polymermatrizes, Wenke Fräßdorf, Christian Friedrich, Michael Fahrländer, Konrad Fuchs, SFB428-Kolloquium, Waldau, 6.-7.12.2001.

ARTIKEL IN FACHZEITSCHRIFTEN “Thermorheological properties of self-assembled DBS structures in various polymer matrices: determination and prediction of characteristic temperatures”, Wenke Fräßdorf, Michael Fahrländer, Konrad Fuchs und Christian Friedrich, Journal of Rheology, 2003, eingereicht.

Inhaltsverzeichnis

VII

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS...................................................................................................... XI 1

EINLEITUNG.............................................................................................................................1

1.1

Gezielte Eigenschaftsverbesserung polymerer Werkstoffe .................................................1

1.2

Einsatz von Gelbildnern zur Eigenschaftsverbesserung......................................................2

1.3

Physikalische und chemische Gele ......................................................................................3

1.4

Verwendung von Dibenzylidensorbitol als Gelbildner [29] ...................................................4

1.5

Löslichkeitsparameter-Prinzip...............................................................................................7

2

AUFGABENSTELLUNG .........................................................................................................10

2.1

Bestimmung der charakteristischen Übergangstemperaturen...........................................11

2.2

Vergleich der Morphologien und der linearen viskoelastischen Eigenschaften.................11

2.3

Erfassung der nichtlinearen viskoelastischen Eigenschaften ............................................11

2.4

Implementierung und Anwendung der FT-Rheologie auf DBS-Netzwerksysteme............11

3

GRUNDLAGEN DER RHEOLOGIE .......................................................................................12

3.1

Lineare und nichtlineare Viskoelastizität ............................................................................12

3.2

Theorie der linearen Viskoelastizität...................................................................................13

3.2.1

Dynamisches Scherexperiment...................................................................................17

3.2.2

Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip (TTS).............................................................20

3.3

Nichtlineare Viskoelastizität ................................................................................................22

3.3.1

Nichtlineare Phänomene .............................................................................................22

3.3.2

FT-Rheologie ...............................................................................................................26

VIII 3.4

Inhaltsverzeichnis Rheologische Charakterisierung von Gelen und Netzwerken ...........................................27

3.4.1

Konzentrationsabhängigkeit des Schermoduls G – Netzwerkmodelle.......................28

3.4.2

Dynamische Untersuchungen an Gelen und Netzwerken ..........................................29

4

ERGEBNISSE UND DISKUSSIONEN ...................................................................................32

4.1

Thermorheologische Eigenschaften ...................................................................................33

4.1.1

Bestimmung der Übergangstemperaturen ..................................................................33

4.1.2

Bestimmung der Bildungsenthalpien...........................................................................39

4.1.3

Korrelation der Übergangstemperaturen mit der Differenz der Hildebrand

Löslichkeitsparameter.................................................................................................................42 4.1.4 4.2

Diskussion....................................................................................................................46

Morphologie und rheologische Gleichgewichtseigenschaften der DBS-Netzwerke..........47

4.2.1

Einleitung .....................................................................................................................47

4.2.2

Vergleich der ausgebildeten Morphologien.................................................................47

4.2.3

Zusammenfassung und Diskussion ............................................................................51

4.2.4

Linear viskoelastische Eigenschaften .........................................................................53

4.2.5

Zusammenfassung ......................................................................................................80

4.2.6

Definition eines Referenzzustandes............................................................................82

4.2.7

Diskussion....................................................................................................................84

4.3

Untersuchung der nichtlinearen Eigenschaften..................................................................92

4.3.1

Einleitung .....................................................................................................................92

4.3.2

Ergebnisse ...................................................................................................................93

4.3.3

Diskussion..................................................................................................................102

4.4

Implementierung der FT-Rheologie und Anwendung auf PPO/DBS-Netzwerke.............104

4.4.1

Einleitung ...................................................................................................................104

4.4.2

Existenzbereich der nichtlinearen Viskoelastizität ....................................................104

Inhaltsverzeichnis

IX

4.4.3

Theorie der FT-Rheologie..........................................................................................105

4.4.4

Implementierung der Methode am Beispiel von Polystyrol.......................................107

4.4.5

FT-Rheologie an PPO/DBS-Netzwerken ..................................................................116

4.4.6

Diskussion..................................................................................................................123

5

ZUSAMMENFASSENDE DISKUSSION UND AUSBLICK ..................................................124

6

EXPERIMENTELLER TEIL ..................................................................................................129

6.1

Verwendeter Gelbildner und verwendete Polymere.........................................................129

6.2

Herstellung der Proben .....................................................................................................130

6.2.1

Schmelzmischen........................................................................................................130

6.2.2

Lösungsverfahren ......................................................................................................131

6.3

Morphologische Untersuchungen .....................................................................................131

6.3.1 6.4

Transmissionselektronenmikroskopie .......................................................................131

Rheologische Untersuchungen.........................................................................................132

6.4.1

Probenpräparation .....................................................................................................132

6.4.2

Durchführung der rheologischen Messungen ...........................................................133

7

APPENDIX ............................................................................................................................137

8

KURZZUSAMMENFASSUNG..............................................................................................141

9

LEBENSLAUF.......................................................................................................................143

10

LITERATUR ......................................................................................................................145

Abkürzungsverzeichnis

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS aPP

ataktisches Polypropylen

aT

horizontaler Shiftfaktor

bT

vertikaler Shiftfaktor

c

Konzentration

c1, c2

Parameter der WLF-Gleichung

DBS

1,3:2,4-Dibenzylidensorbitol

De

Deborah-Zahl

Df

fraktale Dimension des Clusters

EA

Arrhenius-Aktivierungsenergie

ecoh

kohäsive Energiedichte

EG

Ethylenglykol

G’

Speichermodul

G’’

Verlustmodul

Ge

Gleichgewichtsschermodul

∆Gm

freie Mischungsenthalpie

GN0

Plateaumodul

G(t)

Relaxationsfunktion

∆Hd

Gelschmelzenthalpie

∆Hf

Gelbildungsentalpie

∆H0m

molare Schmelzenthalpie

∆Hm

Mischungsenthalpie

∆hm

Mischungsenthalpie pro Einheitsvolumen

H(t)

Relaxationszeitspektrum

∆Hv

Verdampfungsenthalpie

iPP

isotaktisches Polypropylen

J(t)

Kriechfunktion

LVE

linear viskoelastisch

M

Molmasse

Me

Verschlaufungsmolekulargewicht

Mn

zahlenmittlere Molmasse

Mw

gewichtsmittlere Molmasse

n

Relaxationsexponent

PDMS

Poly(dimethylsiloxan)

PMMA

Poly(methylmethacrylat)

PPO

Poly(propylenoxid)

PS

Polystyrol

XI

XII

Abkürzungsverzeichnis

pc

Perkolationsgrenze

R

allgemeine Gaskonstante

Sg

Gelstärke

SAN

Poly(styrol-co-Acrylnitril)

SGR

Soft Glassy Rheology

∆Sm

Mischungsentropie

t

Zeit

T

Temperatur

T0

Referenztemperatur

Td

Gel-Sol-Übergangstemperatur

tF

charakteristische Fließzeit

Tg

Glasübergangstemperatur

Tm

Schmelzpunkt

Tf

Sol-Gel-Übergangstemperatur

TEM

Transmissionselektronenmikroskopie

TTS

Zeit-Temperatur-Superposition

V

Volumen



Molvolumen

V°r

reduziertes Molvolumen

WLF

Williams-Landel-Ferry

x

effektive Temperatur im SGR-Modell

GRIECHISCHE SYMBOLE δ

Phasenwinkel, Hildebrand Löslichkeitsparameter

γ

Deformation

γc

kritische Deformation

φ

Volumenbruch

λ0,m

terminale Relaxationszeit der Matrix

η

Viskosität

η0

Schernullviskosität

+

η

transiente Viskosität

ρ

Dichte

σ

Spannung

τ

Relaxationszeit, Perkolationsexponent

ω

Kreisfrequenz

Einleitung

1

1 Einleitung 1.1 GEZIELTE EIGENSCHAFTSVERBESSERUNG POLYMERER WERKSTOFFE Kunststoffe sind aus unserem heutigen Alltag nicht mehr wegzudenken. Seit ihrer Entdeckung zwischen 1920 und 1955 haben sie eine rasante Entwicklung erfahren und dank ihrer sehr vielseitigen und variierbaren Eigenschaften fast jedes Anwendungssegment erschlossen [1]. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden die Polymereigenschaften weitestgehend durch die Wahl der Monomerbausteine und der Polymerisationsverfahren verändert. Für neuartige Anwendungen wurden vollständig neue Polymere entwickelt. Heute jedoch sind preisgünstige Polymere basierend auf neuen Monomeren mit wenigen Ausnahmen nicht mehr in Sicht. Statt dessen gewinnt die Herstellung mehrphasiger, polymerer Multikomponentensysteme auf Basis der bekannten Monomere ständig an Bedeutung [2]. Bei solchen Multikomponentensystemen kann es sich einerseits um Mischungen aus verschiedenen Polymeren handeln, sogenannten Polymerblends. Hier wird versucht, durch Blenden zweier oder mehrerer Kunststoffe ein Preis-Eigenschafts-Optimum zu finden. Andererseits kann das Eigenschaftsspektrums eines gegebenen Polymers durch Zusatz von organischen oder anorganischen Füllstoffen stark variiert werden. Die Herstellung von Polymercompounds mit Füllstoffen wie z.B. Glaskugeln, Schichtsilikaten oder Kurzfasern sind mittlerweile die Methode der Wahl zur gezielten Eigenschaftsverbesserung der Materialien, wie z.B. eine verbesserte Bruchmechanik oder eine Erhöhung des Elastizitätsmoduls. Von Polymercompounds, deren Füllstoff nicht fein verteilt vorliegt, sondern eine dreidimensionale, kontinuierliche Struktur ausbildet, werden besonders große Effekte erwartet, da bei mechanischer Beanspruchung das gesamte Probenvolumen an energiedissipierenden, mikromechanischen Effekten beteiligt werden kann [3]. In Abhängigkeit von der Partikelform und -größe zeigen unterschiedliche Füllstoffe verschiedene Perkolationskonzentrationen. Während kugelförmige Füllstoffe in Konzentrationen von bis zu 30% zugesetzt werden müssen, um eine kontinuierliche Struktur zu erzeugen, sind für stark anisotrope Füllstoffe wie Schichtsilikate oder Fasern nur wenige Prozente notwendig.

2

Einleitung

1.2 EINSATZ VON GELBILDNERN ZUR EIGENSCHAFTSVERBESSERUNG Ein Beispiel, in Polymeren eine interne, dreidimensionale Struktur zu generieren, ist der Zusatz von niedermolekularen organischen Molekülen, sogenannten Gelbildnern, welche in der Lage sind, sich zu Fasern anzuordnen. Diese Methode wird zur gezielten Modifizierung bestimmter Gebrauchseigenschaften, wie etwa der Fließeigenschaften, eingesetzt. Solche niedermolekularen Substanzen wurden ursprünglich für die Gelierung organischer Lösungsmittel eingesetzt. Neben Zweikomponentensystemen wie Barbitursäure/Triaminopyrimidin (BA/TP) [4-6] werden vor allem Einkomponentensysteme wie 12-Hydroxystearinsäure, Cholesterol-, Harnstoff- und Aminosäurederivate oder auf Zucker basierende Substanzen verwendet. Einen ausführlichen Überblick über die verschiedenen Klassen dieser niedermolekularen organischen Gelbildner und ihre vielfältigen Anwendung wird im Übersichtsartikel von Terech und Weiss [7] gegeben. Diese sogenannten Organogele haben auf Grund ihrer mannigfaltigen Anwendungsmöglichkeiten eine enorme industrielle Bedeutung erlangt, etwa in der fotografischen Industrie sowie in der Kosmetik-, Nahrungsmittel- und in der Erdölindustrie [8,9]. Substituierte Fettsäuresalze werden beispielsweise als Zusatz in Ölen der Schmiermittelindustrie verwendet [7]. Die ausgebildete dreidimensionale Struktur der aggregierten Fettsäuremoleküle kann ähnlich wie ein Schwamm wirken, der die Ölkomponente an den Reibungsflächen der metallischen Oberflächen hält. Ebenso finden verschiedene Gelbildner durch ihre Fähigkeit, Rohöl zu gelieren, bei der Beseitigung von Ölteppichen Anwendung [7]. Pozzo et al. [10] hat ein pH-sensitives System aus Oxyphenazin-Derivaten entwickelt. Diese Substanzen gelieren wässrige Systeme bei Zugabe von Säuren, wohingegen die Zugabe einer Base das System wieder rückverwandelt. Eine weitere Anwendungsmöglichkeit findet sich in Gelen, deren Fasern elektronenleitende Gruppen besitzen. Mögliche Gelbildner sind konjugierte Polyene und aromatische Heterocyclen. Potenzielle Anwendung finden diese Systeme auf dem Gebiet der Katalyse, der Sensortechnologie und der Materialwissenschaften. Darüber hinaus werden Organogele bei der gezielten Wirkstoff-Freisetzung (drug delivery) verwendet. Dabei werden aktive Enzyme oder Bakterien in Gelatinegelen „festgehalten“, bis sie ihren Wirkungsort erreichen, um dort den transportierten Wirkstoff freizusetzen [11].

Einleitung

3

1.3 PHYSIKALISCHE UND CHEMISCHE GELE Bis heute gibt es noch keine zufrieden stellende Definition eines Gels. Der Begriff wurde von Graham 1861 eingeführt und leitet sich von der Gelatine ab, die durch hydrolytischen Abbau von Kollagen entsteht [12]. Wie schon Frau Jordan Lloyd in ihrem berühmten Kommentar bemerkte, ist ein Gel besser zu erkennen als zu definieren [13]. Hermans [14] definiert Gele als zusammenhängende, kolloidal disperse Systeme, die mindestens aus zwei Komponenten bestehen, wobei sowohl die disperse Phase als auch das Dispersionsmedium kontinuierlich vorliegen. Generell wird zwischen physikalischen und chemischen Gelen unterschieden. Während sich chemische Gele durch kovalente Verknüpfungen zwischen den dispergierten Struktureinheiten auszeichnen, beruht das Netzwerk physikalischer Gele auf nicht-kovalenten Verknüpfungen, also physikalischen Wechselwirkungen zwischen den einzelnen Bausteinen. Flory [15] unterscheidet die physikalischen Gele zusätzlich noch in i) geordnete lamellare Strukturen, ii) partikuläre, ungeordnete Strukturen und in iii) Netzwerke, die durch physikalische Aggregation gebildet werden. Beispiele des ersten Typs sind Phospholipide und Tonerde. Hier spielen statische und/oder van der Waals-Kräfte eine wichtige Rolle bei der Gelbildung. Die zweite Gruppe schließt Substanzen ein, die durch Änderung äußerer Bedingungen wie pH-Wert, Temperatur oder Zusatz von Chemikalien zur Flockenbildung oder Gelierung tendieren. Die dritte Gruppe beinhaltet thermoreversible Gele, deren Verknüpfungspunkte durch physikalische Wechselwirkungen zu Stande kommen. Durch Vorhandensein geeigneter Funktionalitäten treten physikalische Wechselwirkungen auf, wie beispielsweise H-Brückenbindungen, van der WaalsKräfte, elektrostatische oder dipolare Wechselwirkungen. Thermoreversible Gele zeichnen sich dadurch aus, dass sich beim Erhitzen die Verknüpfungen auflösen, die Gelbildner aber in der Lage sind, sich beim Abkühlen wieder dreidimensional anzuordnen. Diese Gele lassen sich nach Art der Vernetzungspunkte einteilen. Eine schematische Darstellung nach te Nijenhuis ist in Abb. 1.3.1 gegeben.

4

Einleitung

Abb. 1.3.1: Verschiedene Geltypen nach te Nijenhuis [17].

Teilkristalline Polymere bilden, wie im linken Segment der Abb. 1.3.1 mit A gekennzeichnet, in niedermolekularen Matrizes Mikrokristallite aus. Ein Beispiel bildet Polyvinylchlorid in Dioctylphtalat [18] oder Gele aus Polyvinylacatat [19]. Ursache für eine thermoreversible Gelierung kann auch eine Helixbildung sein (B), wie sie bei Biopolymeren wie Gelatine [20-23], Agarose [24,25], Carrageenan oder Gellan Gum [26-28] auftritt. Auch eine Phasenseparation (C) in eine gelbildnerreiche und eine gelbildnerarme Phase kann zu physikalischen Gelen führen, bei denen die Vernetzungspunkte amorph oder kristallin sein können. Als Beispiele seien Lösungen von ataktischem Polystyrol oder Triblockcopolymeren in entsprechenden Lösungsmitteln genannt.

1.4 VERWENDUNG VON DIBENZYLIDENSORBITOL ALS GELBILDNER [29] Ein prominentes Beispiel der sogenannten Organogelatoren ist ein Derivat des natürlichen Zuckeralkohols D-Glucitol, 1,3:2,4-Dibenzyliden-D-Sorbitol (DBS), welches sowohl chiral als auch amphiphil ist. Die Strukturformel von DBS ist in Abb. 1.4.1 gezeigt.

5

Einleitung

O

O O

O

OH HO Abb. 1.4.1: Strukturformel von 1,3:2,4-Dibenzyliden-D-Sorbitol (DBS).

Die Fähigkeit des DBS und strukturverwandter Substanzen, stabile Organogele zu bilden, wurde schon im frühen 20. Jahrhundert untersucht. 1926 berichtete Thomas et al. [30] über die Bildung von Organogelen aus Sorbitolbenzoat. Yamamoto dokumentierte 16 Jahre später die ersten Untersuchungen bezüglich der Gelierung von alkoholischen Lösungsmitteln durch DBS [31]. Die hydrophoben aromatischen Ringe fördern die Auflösung in verschiedenen organischen Medien, wohingegen die Acetal- und Hydroxygruppen auf Grund ihrer Fähigkeit zur Ausbildung von Wasserstoffbrücken eine Selbstorganisation ermöglichen. Untersuchungen von Yamasaki ergaben, dass das DL-Racemat von DBS nicht in der Lage ist, Gele auszubilden [33]. Das zeigt, dass die Chiralität von DBS wesentlich zum Geliervermögen beiträgt. Des Weiteren fand Yamasaki [33,34] in Untersuchungen unterschiedlich substituierter DBS-Derivate heraus, dass die 6-OH-Gruppe eine Schlüsselrolle bei der Selbstorganisation spielt. Die Fähigkeit von DBS, sich in unterschiedlichen Materialien selbst zu organisieren, hat vielseitige Anwendung gefunden. Bestehende Patente beschreiben den Gebrauch von DBS in verschiedenen Produkten u.a. im Kosmetikbereich als Bestandteil von Haargelen oder Deodorants [32-38], in Insektiziden [39], in LC-Bausteinen [40] oder auch als Elektrolytmaterialien [41]. Die kommerziellen Anwendungen von DBS als Gelbildner sind vielfältig. Das bekannteste Beispiel zeigt DBS als strukturgebenden Bestandteil von Deodorants. Zurzeit prüft die elektrochemische Industrie die Verwendung von DBS in Elektrolytgelen, welche in Hochleistungsbatterien wie auch in Brennstoffzellen oder chemischen Sensoren Anwendung finden. Yamasaki und Tsutsumi [34] haben die Gelierungsfähigkeit von DBS in einer Vielzahl von organischen Lösungsmitteln mittels IR-Methoden untersucht. Diese Untersuchungen zeigten,

6

Einleitung

dass die DBS/Lösungsmittel-Wechselwirkungen mit zunehmender Lösungsmittelpolarität ansteigen. Neben der Fähigkeit, schon in geringsten Mengen eine Vielzahl von organischen Lösungsmitteln zu gelieren [42-45], ist DBS darüber hinaus in der Lage, sich in hochmolekularen Materialien (Polymeren) zu organisieren. In Analogie zur Strukturbildung in niedermolekularen Substanzen wird auch im Fall einer hochmolekularen Matrix von Gelierung gesprochen. Von technischem Interesse ist die Selbstorganisation von DBS in kristallisierbaren Polymeren. Hier wird DBS beispielsweise als Nukleierungsmittel in isotaktischem Polypropylen kommerziell eingesetzt und führt dadurch zu hochtransparenten Materialien mit verbesserten mechanischen Eigenschaften [46,47]. In amorphen oder semikristallinen Polymeren ist DBS in der Lage, sich selbst zu organisieren. Dabei bilden sich nanofibrilläre Fasern aus, die sich zu einem dreidimensionalen Netzwerk anordnen [48-50]. Ausführliche Untersuchungen von DBS in amorphen Polymeren wie PPO oder PDMS sind u.a. von Mercurio et al. [51] und Ilzhoefer et al. [48,52] durchgeführt worden. Fahrländer [50,53] untersuchte die Strukturbildung von DBS und verschiedenen DBS-Derivaten in PPO-Matrizes mit unterschiedlichen Molekulargewichten. In Morphologieuntersuchungen zeigte sich eine nanofibrilläre DBS-Netzwerkstruktur. Die einzelnen Fasern besaßen einen Durchmesser zwischen 20 und 50 nm, wobei sich die Länge im Mikrometerbereich erstreckte. Durch temperaturabhängige Untersuchungen konnten Phasendiagramme als Funktion der DBSKonzentration bestimmt werden. Frequenzabhängige Untersuchungen haben des Weiteren ergeben, dass die DBS-Netzwerkbildung in den untersuchten Systemen enorm verstärkende Effekte hervorruft. Das zeigte sich durch eine ausgeprägte Erhöhung des dynamischen Moduls im Fließbereich. In der Literatur wurde darüber hinaus die Strukturbildung von DBS in unterschiedlichen polymeren Matrizes wie Polypropylen [54,55], Polystyrol [56], Polycarbonat [56], Poly(ethylen-copropylen)-Copolymeren [57] und Poly(ethylen terephthalat) [58] untersucht. Bis heute gibt es jedoch keine systematischen Untersuchungen der rheologischen Eigenschaften von Polymer/DBS-Systemen, die die Wechselwirkungen zwischen DBS und dem jeweiligen Polymer berücksichtigen. Soll die Wechselwirkungen zwischen DBS und dem Polymer quantitativ beschrieben werden, bietet sich der Hildebrand Löslichkeitsparameter an, der ein Maß für die enthalpischen Wechselwirkungen darstellt.

7

Einleitung

1.5 LÖSLICHKEITSPARAMETER-PRINZIP Um das Lösungsverhalten zweier Komponenten theoretisch beschreiben zu können, wird versucht, die Wechselwirkungen zwischen beiden Substanzen quantitativ zu erfassen. Ein weit verbreitetes Konzept zur Beschreibung der Löslichkeit beruht auf Hildebrand [59,60]. Der Hildebrand Löslichkeitsparameter ist ein numerischer Wert, der das Löslichkeitsverhalten einer Substanz angibt. Der Parameter wird aus der kohäsiven Energiedichte abgeleitet, die sich aus der Verdampfungsenthalpie berechnet. Dies soll im Folgenden näher erläutert werden. Wird eine Flüssigkeit bis zum Siedepunkt erhitzt, wird die verwendete Energie zunächst dazu genutzt, die Temperatur der Flüssigkeit zu erhöhen. Bei Erreichen der Siedetemperatur jedoch bewirkt eine Energiezugabe keine weitere Temperaturerhöhung mehr, sondern wird dazu benutzt, die einzelnen Moleküle der Flüssigkeit voneinander zu separieren und diese in die Gasphase zu überführen. Erst wenn die gesamte Flüssigkeit verdampft ist, steigt die Temperatur weiter an. Die Energie, die zugeführt wird, um alle Moleküle in die Gasphase zu bringen, entspricht dem Energiebetrag der van der Waals-Kräfte, die die Moleküle in der Flüssigkeit zusammenhalten. Diese Energie wird als Verdampfungsenthalpie ∆Hv bezeichnet, aus welcher die kohäsive Energiedichte ecoh berechnet werden kann.

ecoh =

∆HV − RT . V0

Gl. 1.1

In dieser Gleichung ist ∆Hv die Verdampfungsenthalpie, R die allgemeine Gaskonstante, T die Temperatur und V0 das molare Volumen der betrachteten Substanz. Da beim Lösen die gleichen intermolekularen Anziehungskräfte wie beim Verdampfungsprozess überwunden werden müssen, kann die Korrelation zwischen Verdampfung und van der WaalsKräfte auch auf die Löslichkeit übertragen werden Zwei Substanzen sind nur dann ineinander löslich, wenn die intermolekularen Kräfte ähnlich groß sind, also wenn sie vergleichbare kohäsive Energiedichten besitzen. Hildebrand schlug 1936 als Maß zur Beschreibung des Löslichkeitsverhaltens die Wurzel aus der kohäsiven Energiedichte vor. 1949 schließlich führte er den Term „Löslichkeitsparameter“ ein und wies ihm das Symbol „δ“ zu.

8

Einleitung

δ =

∆H − RT V0

ecoh =

Gl. 1.2

Das thermodynamische Kriterium für Löslichkeit basiert auf der freien Mischungsenergie ∆GM: zwei Substanzen sind dann löslich, wenn ∆GM negativ wird.

∆ GM = ∆ HM − T ∆S M

Gl. 1.3

∆HM und ∆SM stellen die Mischungsenthalpie bzw. -entropie dar. Nach Hildebrand ist die Mischungsenthalpie zweier Komponenten gegeben zu:

∆hM = φ1φ2 (δ1 − δ2 )2

Gl. 1.4

Dabei ist ∆hM die Mischungsenthalpie pro Einheitsvolumen (∆hM = ∆HM/V), φ1 und φ2 die jeweiligen Volumenbrüche, δ1 und δ2 die Löslichkeitsparameter der Komponenten. Sind die Löslichkeitsparameter δ1 und δ2 identisch, sind beide Komponenten auf Grund des negativen Entropieterms (∆Sm > 0) in Gl. 1.3 löslich. Dies stimmt mit dem allgemein bekannten Prinzip „Gleiches löst sich in Gleichem“ überein. Nimmt hingegen die Differenz zu, sinkt dementsprechend die Löslichkeit. Bei hochmolekularen Verbindungen ohne attraktive Wechselwirkungen tritt Mischbarkeit nur dann auf, wenn die Löslichkeitsparameter nahezu identisch sind. Die Löslichkeitsparameter für niedermolekulare Flüssigkeiten lassen sich aus den Verdampfungsenthalpien bestimmen. Für Polymere ist dies jedoch nicht möglich, so dass auf andere, vergleichende Techniken zurückgegriffen werden muss. Beispielsweise können Quellungs-

oder

Auflösungsexperimente

in

Flüssigkeiten

mit

bekanntem

Hildebrand

Löslichkeitsparameter durchgeführt werden. Dem Polymer kann dann ein ähnlicher δ-Wert zugewiesen werden wie jenem Lösungsmittel, in dem die beste Verträglichkeit beobachtet wurde. Der dänische Physikochemiker Charles Hansen leitete zur indirekten Bestimmung des Löslichkeitsparameters folgenden Zusammenhang her [61,62]: 2

2

δ 2 = δ d + δp + δh

2

Gl. 1.5

9

Einleitung

Die Beiträge der dispersiven Wechselwirkungen (δd), der polaren Wechselwirkungen (δp) und der Wasserstoffbrückenbindungen (δh) lassen sich additiv zum Gesamtbetrag der Kohäsionsenergie zusammenfassen. Somit kann jede Substanz mit Hilfe der drei Hansen-Parameter durch einen Punkt in einem dreidimensionalen Koordinatensystem dargestellt werden. Hansen bestimmte experimentell die Löslichkeit von Polymeren in einer Reihe von Lösungsmitteln, die alle durch einen Punkt im Koordinatensystem charakterisiert waren. Die Werte von δp und δh wurden für die verschiedenen Lösungsmittel soweit verschoben, bis alle Lösungsmittel, in welchen ein gegebenes Polymer löslich war, räumlich beisammen waren. Diese Methode von Hansen besitzt einen Nachteil: Es sind dreidimensionale graphische Darstellungen nötig, um die Löslichkeit zwischen Polymeren und Lösungsmitteln zu beschreiben. In der Praxis wird jedoch eine zweidimensionale Darstellung bevorzugt. Thermodynamische Betrachtungen von Bagley et al. [63] führten zu dem Ergebnis, dass δd und δp Ähnlichkeiten zeigen, wohingegen der Effekt von δh anderer Natur ist. Dementsprechend wurde ein Parameter δv eingeführt, welcher die Dispersionskräfte und die polaren Kräfte zusammenfasst.

δv =

2

δ d + δp

2

Gl. 1.6

Dadurch konnte die dreidimensionale Darstellung auf zwei Dimensionen, δv und δh, reduziert werden.

Darüber hinaus entwickelten Small und Hoy eine Inkrementmethode zur Bestimmung der δParameter [64, 65]. Demnach lässt sich der Löslichkeitsparameter für ein Polymer aus der Summe der verschiedenen molaren Attraktionskonstanten für die Gruppen einer Wiederholungseinheit abschätzen. Die Attraktionskonstanten der verschiedenen Molekülgruppen selbst wurden aus der Analyse der Verdampfungsenthalpien niedermolekularer Vergleichsverbindungen bestimmt und tabelliert.

10

Aufgabenstellung

2 Aufgabenstellung Moderne, aus mehreren Komponenten bestehende Werkstoffe sind Gegenstand aktueller Forschungsinteressen. Dazu zählen Systeme, in denen organische oder anorganische Bausteine („Tektone“) über irreversible, chemische oder reversible, physikalische Vernetzung eine dreidimensionale Netzwerkstruktur in der Polymermatrix aufbauen. Ein Beispiel, in Polymeren eine interne, dreidimensionale Struktur zu generieren, ist der Zusatz von niedermolekuaren organischen Molekülen, sogenannten Gelbildnern. Ein prominenter Vertreter diese Gruppe ist Dibenzylidensorbitol (DBS). Die Strukturbildung von DBS wurde bis heute nur in vereinzelten Polymermatrizes untersucht. Eine umfassende vergleichende Studie bezüglich der jeweiligen rheologischen, insbesondere der nichtlinearen rheologischen Eigenschaften und der ausgebildeten Morphologien gibt es nicht. Hinsichtlich des Einflusses der Wechselwirkungen zwischen Polymer und Gelbildner auf die Selbstorganisation sind bisher wenig Untersuchungen durchgeführt worden. Aufbauend auf den Ergebnissen von Fahrländer [53], der die Strukturbildung von DBS in PPO ausführlich diskutierte, sollen nun die Untersuchungen auf weitere Polymere ausgeweitet werden. Ziel dieser Arbeit ist es, die Selbstorganisation von DBS in unterschiedlichen Polymeren wie Polyproylenoxid (PPO), Polypropylen (PP), Polystyrol (PS), Polydimethylsiloxan (PDMS), Styrol-Acrylnitril (SAN) und Polymethylmethacrylat (PMMA) zu untersuchen und die Wechselwirkungen zwischen DBS und den unterschiedlichen Polymeren zu beschreiben. Es soll überprüft werden, ob der Hildebrand Löslichkeitsparameter geeignet ist, diese Wechselwirkungen ausreichend zu beschreiben und ob eine Korrelation aufgestellt werden kann zwischen dem Löslichkeitsparameter und den charakteristischen Übergangstemperaturen bzw. den rheologischen Gleichgewichtseigenschaften. Die Ausbildung einer dreidimensionalen Struktur in einer Polymermatrix hat erheblichen Einfluss auf die Materialeigenschaften dieser Compounds. Die Rheologie zeigt sich hier auf Grund ihrer Empfindlichkeit als Methode der Wahl zur Charakterisierung dieser Systeme.

11

Aufgabenstellung

2.1 BESTIMMUNG DER CHARAKTERISTISCHEN ÜBERGANGSTEMPERATUREN Für

unterschiedliche

Polymer/DBS-Systeme

sollen

die

charakteristischen

Übergangs-

temperaturen bestimmt und diskutiert werden. Es soll versucht werden, eine Korrelation zwischen den Gelbildungstemperaturen und der Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter beider Komponenten aufzustellen. Ziel ist es hierbei, die notwendigen Bedingungen zu formulieren, unter welchen Self-Assembling und Gelierung stattfinden und rheologisch detektiert werden können.

2.2 VERGLEICH

DER

MORPHOLOGIEN

UND

DER

LINEAREN

VISKO-

ELASTISCHEN EIGENSCHAFTEN Die Morphologie der ausgebildeten Strukturen soll untersucht und diskutiert werden. Des Weiteren ist es Ziel dieser Arbeit, die linearen viskoelastischen Eigenschaften der unterschiedlichen Systeme miteinander zu vergleichen. Die auftretenden Änderungen der rheologischen Eigenschaften der Compounds sollen sowohl an Hand der intrinsischen Matrixeigenschaften als auch über den Löslichkeitsparameter diskutiert werden. Die Wechselwirkung zwischen DBS und dem Polymer und die daraus resultierenden Eigenschaftsveränderungen der Compounds einschließlich der Morphologie sollen beschrieben und verglichen werden, um daraus Voraussagen für weitere mögliche Polymer/Füllstoff-Systeme treffen zu können.

2.3 ERFASSUNG DER NICHTLINEAREN VISKOELASTISCHEN EIGENSCHAFTEN Darüber hinaus sollen die nichtlinear viskoelastischen Eigenschaften dieser Netzwerksysteme untersucht werden. Als Beispielsystem soll auf das bereits gut charakterisierte PPO/DBSSystem zurückgegriffen werden.

2.4 IMPLEMENTIERUNG UND ANWENDUNG DER FT-RHEOLOGIE AUF DBSNETZWERKSYSTEME Die Methode der Fourier-Transform (FT)-Rheologie hat sich in den letzten Jahren zu einem leistungsfähigen Instrument entwickelt [67-75], um das nichtlineare Verhalten von Polymersystemen zu untersuchen. Zunächst soll diese Methode implementiert werden, um sie im Anschluss auf die DBS-Netzwerke anwenden zu können. Abschließend sollen die erhaltenen Ergebnisse mit denen durch „klassische“ Methoden zur Untersuchung der Nichtlinearität ermittelten Ergebnissen verglichen werden.

12

Grundlagen der Rheologie

3 Grundlagen der Rheologie Der Begriff Rheologie leitet sich aus dem Griechischen ab: rheos bedeutet Fließen, Strom. Somit ist die Rheologie die Wissenschaft vom Fließen. Als Fließen wird die fortwährende Deformation eines Materials unter Einwirkung äußerer Kräfte verstanden. Die Rheologie versucht, die zeitlichen Zusammenhänge zwischen einwirkenden Kräften und Deformationen von Körpern über sogenannte Konstitutiv-Gleichungen zu beschreiben.

3.1 LINEARE UND NICHTLINEARE VISKOELASTIZITÄT Materialien werden als viskoelastisch bezeichnet, wenn sie neben elastischen Eigenschaften auch viskoses Fließverhalten zeigen. Ein Material verhält sich linear viskoelastisch, wenn sich Deformation und Spannung linear abhängig voneinander zeigen. Dies ist bei hinreichend kleinen Deformationen bzw. Spannungen der Fall. Als dimensionslose Kenngröße dient hier die Deborah-Zahl De. Sie ist definiert als der Quotient der charakteristischen Relaxationszeit λ eines Materials zur charakteristischen Fließzeit tF:

De =

λ . tF

Gl. 3.1

Alternativ zur Fließzeit kann die Inverse der typischen Deformationsrate, γ& –1, oder das Produkt aus der oszillatorischen Deformation und der Frequenz , γ0ω, verwendet werden. Der Zusammenhang zwischen der Deborah-Zahl und dem Übergang vom linear viskoelastischen zum nichtlinear viskoelastischen Verhalten lässt sich mit Hilfe des Pipkin-Diagramms [76] in Abb. 3.1.1 veranschaulichen, welches den Einfluss von unterschiedlicher Deformationsamplitude, Scherrate und Relaxationszeit auf die charakteristische Materialantwort beschreibt. Ist die Deborah-Zahl sehr klein, kann das Material als Newton’sch betrachtet werden. Wenn die Deborah-Zahl klein, aber nicht vernachlässigbar ist, sind die nichtlinearen Effekte schwach und können mit der Gleichung einer Second-Order-Fluid beschrieben werden. Diese sagt die Existenz von Normalspannungsdifferenzen bei einer Scherung vorher, jedoch keine Scherverdünnung oder zeitabhängigen rheologischen Phänomene.

13

Grundlagen der Rheologie

Abb. 3.1.1: Schematische Darstellung des Verhaltens viskoelastischer Materialien in den Grenzen von niedrigen Scherraten, niedrige Deformationsamplituden und hohen Scherraten: das PipkinDiagramm [76].

Für hinreichend große Deborah-Zahlen De, aber kleine Deformationsamplituden verhält sich das Material linear viskoelastisch, während bei sowohl hinreichend großen Deformationsamplituden als auch großen Deborah-Zahlen das Materialverhalten in den nichtlinear viskoelastischen Bereich übergeht. Übersteigt die Deborah-Zahl einen gewissen Wert, tritt elastisches Verhalten auf.

3.2 THEORIE DER LINEAREN VISKOELASTIZITÄT Viskoelastische

Materialien

vereinigen

sowohl

elastische

als

auch

viskose

Material-

eigenschaften. Zum Verständnis dieser Eigenschaften werden verschiedene Kombinationen aus ideal-elastischer Hooke’scher Feder und ideal-viskosem Newton’schem Dämpfungselement verwendet. Abb. 3.2.1 zeigt schematisch das Maxwell-Modell, das aus einer in Reihe geschalteten Feder mit der Federkonstanten G und einem Dämpfungskolben mit einer Flüssigkeit der Viskosität η besteht. Werden beide Elemente parallel angeordnet, wird vom VoigtKelvin-Modell gesprochen. Da sich das Maxwell-Modell für sehr lange Deformationszeiten rein viskos verhält, ist es zur Beschreibung von Polymerschmelzen besser geeignet als das Kelvin-

14

Grundlagen der Rheologie

Voigt-Modell. Die grundlegenden Größen und Gleichungen werden daher im Folgenden für dieses Modell abgeleitet.

G η Abb. 3.2.1: Rheologische Modelle zur Beschreibung von viskoelastischen Materialien: das Maxwell-Modell (links) und das Kelvin-Voigt-Modell (rechts).

Das Hooke’sche Gesetz beschreibt das mechanische Verhalten eines linearen, elastischen Festkörpers. Danach besteht eine lineare Abhängigkeit der Spannung σ von der elastischen Deformation γel:

σ el = G ⋅ γ el ,

Gl. 3.2

woraus sich für die zeitliche Änderung folgende Gleichung ergibt:

σ& el = G ⋅ γ& el .

Gl. 3.3

G bezeichnet dabei den Schermodul. Für rein viskose Flüssigkeiten mit der Viskosität η ergibt sich nach dem Newton’schen Gesetz in Scherung eine lineare Abhängigkeit der Spannung von der Deformationsgeschwindigkeit.

σ vis = η ⋅ γ& vis .

Gl. 3.4

Die angelegte Spannung ist im Falle des Maxwell-Modells für beide Elemente gleich groß und entspricht der Gesamtspannung, während sich die Gesamtdeformation additiv aus den Einzeldeformationen zusammengesetzt:

γ = γ el + γ vis

Gl. 3.5

15

Grundlagen der Rheologie Somit ergibt sich für das Maxwell-Element folgende Differentialgleichung:

γ& =

1 1 σ& + σ. G η

Gl. 3.6

Das Verhältnis von η zu G definiert eine für das Element charakteristische Relaxationszeit τ:

τ =

η G

Gl. 3.7

aus Gleichung Gl. 3.6 ergibt sich somit die Konstitutiv-Gleichung des Maxwell-Elements:

η ⋅ γ& = τ ⋅ σ& + σ.

Gl. 3.8

Wird am Maxwell-Element ein Relaxationsexperiment ausgeführt, in dem es zum Zeitpunkt t = 0 einem plötzlichen Deformationssprung γ0 ausgesetzt und die Deformation für t > 0 konstant gehalten wird ( γ& ( t ) = 0 ), so vereinfacht sich die Konstitutiv-Gleichung Gl. 3.8 zu einer homogenen Differentialgleichung mit der Lösung:

σ( t ) = σ 0 ⋅ e −( t / τ ) .

Gl. 3.9

Daraus resultiert für die Relaxationsfunktion G(t):

G( t ) =

σ σ( t ) = 0 ⋅ e −(t / τ) = G ⋅ e − (t / τ). γ( t ) γ0

Gl. 3.10

Die Konstitutiv-Gleichungen für die verschiedenen rheologischen Modelle enthalten die beiden Variablen σ und γ bzw. Ableitungen davon und können für eine beliebige σ- und γ-Geschichte gelöst werden. Die gebräuchlichsten Experimente sind Relaxationsexperimente, Kriechversuche und Spannungsversuche. In Tab. 3.1 sind die rheologischen Modelle mit ihren KonstitutivGleichungen und dem Verhalten bei den wichtigsten Experimenten nochmals zusammengefasst.

16

Grundlagen der Rheologie

.

.

γ

γ

t

t

σ

σ

t

t

Tab. 3.1: Einfache Modelle für das Verständnis des Deformations- und Spannungsverhaltens von viskoelastischen Materialien (nach [77]).

17

Grundlagen der Rheologie

3.2.1 Dynamisches Scherexperiment Die oben vorgestellten mathematischen Beschreibungen beziehen sich auf Sprungexperimente. Eine weitere Messmethode benutzt im Gegensatz dazu harmonisch oszillierende Deformationen bzw. Spannungen. Bei einem deformationskontrollierten Experiment wird eine sinusförmige Deformation mit einer Amplitude γ0 an eine Probe angelegt. Die dazugehörige Gleichung für die Deformation lautet:

γ( t ) = γ 0 ⋅ sin(ω ⋅ t ) .

Gl. 3.11

Die zeitliche Ableitung ergibt die dazugehörige Deformationsgeschwindigkeit:

γ& ( t ) = γ 0 ⋅ ω ⋅ cos( ω ⋅ t ) .

Gl. 3.12

Das gemessene Antwortsignal der Spannung σ weist eine Amplitude σ0 auf, die gegenüber der angelegten Deformationsamplitude um den Phasenwinkel δ phasenverschoben ist. Somit gilt für die Spannung:

σ( t ) = σ 0 ⋅ sin(ω ⋅ t + δ) ,

Gl. 3.13

σ( t ) = σ 0 [cos( δ) ⋅ sin( ω ⋅ t ) + sin( δ ) ⋅ cos( ω ⋅ t )] .

Gl. 3.14

Der Deformations- und Spannungsverlauf während eines dynamischen Scherexperiments sind in Abb. 3.2.2 dargestellt.

Abb. 3.2.2: Dynamisches Scherexperiment: die aufgebrachte Deformation γ und die resultierende, phasenverschobene Scherspannung σ als Funktion der Zeit bei einer sinusförmigen Auslenkung mit δ als Phasenwinkel und ω als Kreisfrequenz [77].

18

Grundlagen der Rheologie

Nach Gl. 3.14 besteht das Antwortsignal aus einer Summe von Anteilen, wobei sich die eine Komponente in Phase, die andere um 90° phasenverschoben zum Anregungssignal befindet. Da der Speichermodul G’ die Elastizität eines Materials widerspiegelt, ist G’ also proportional zur Spannung in Phase mit der Deformation. Er ist ein Maß für das Energiespeichervermögen und beschreibt die Steifigkeit und Formfestigkeit eines Materials. Der Verlustmodul G" entspricht dem Anteil der Spannung, der um 90° zur Deformation phasenverschoben ist und gibt die pro Schwingung in Wärme dissipierte Energie wider. Somit kann für Gl. 3.14 auch geschrieben werden:

σ( t ) = γ 0 [G' sin( ω ⋅ t ) + G" cos( ω ⋅ t )],

Gl. 3.15

mit dem Speichermodul G’ und dem Verlustmodul G’’:

G' =

σ0 ⋅ cos δ, γ0

Gl. 3.16

G" =

σ0 ⋅ sin δ. γ0

Gl. 3.17

Mit den Beziehungen Gl. 3.10, Gl. 3.16 und Gl. 3.17 ergibt sich für das Maxwell-Element:

G' = G

ω2 τ 2 , 1 + ω2 τ 2

Gl. 3.18

G" = G

ωτ . 1 + ω2 τ 2

Gl. 3.19

Werden die Funktionsverläufe beider Moduli in Abhängigkeit von der Anregungsfrequenz betrachtet, zeigt sich im Grenzbereich kleiner Frequenzen (ωτ < 1), dass G' proportional ω2 und G" proportional ω zunimmt. Der viskose Charakter des Materials überwiegt in diesem Bereich, der auch als Fließbereich bezeichnet wird. Bei hohen Frequenzen (ωτ > 1) dominiert dagegen das elastische Verhalten und G' geht in den sogenannten Plateaubereich über. Abb. 3.2.3 zeigt die frequenzabhängigen Verläufe von G' und G" für ein Maxwell-Element in einer doppeltlogarithmischen Auftragung. Bei Polymeren ändern sich die Materialfunktionen als Funktion der

19

Grundlagen der Rheologie

Frequenz so stark und in einem so ausgedehnten Bereich, dass eine übersichtliche Darstellung

10

7

10

6

10

5

10

4

10

3

10

2

10

1

10

0

10

Plateaumodul GN

10

G' G'' 10

10

2

10

1

10

0

10

-1

10

-2

10

-3

-1

2

-3

3

0

1

-1

10

-2

tan(δ)

G' (Pa) bzw. G'' (Pa)

meist nur in dieser Auftragung möglich ist.

tan(δ) 10

-1

10

0

10

1

10

2

10

3

-1

ω (rad s )

Abb. 3.2.3: Verlauf des Speicher- und Verlustmodul sowie von tan(δ) eines Maxwell-Elements im dynamischen Experiment mit GN0 = 106 Pa und τ = 1 s.

Das Verhältnis der beiden dynamischen Moduli wird als Verlustfaktor tan δ bezeichnet:

G' = tan δ . G"

Gl. 3.20

Zur Beschreibung des rheologischen Verhaltens realer, viskoelastischer Materialien wie z.B. Polymere über den gesamten Frequenzbereich genügt ein einziges Maxwell- oder Kelvin-VoigtElement nicht mehr. Aus diesem Grund wird zu verallgemeinerten Modellen übergegangen und beispielsweise n Maxwell-Elemente parallel angeordnet. Für nicht fließfähige Materialien, wie z.B. vernetzte Polymere, wird noch eine einzelne Feder parallel geschaltet, was einen zusätzlichen Gleichgewichtsmodul Ge liefert. Die verallgemeinerte Relaxationsfunktion lautet dann:

G( t ) = G e +

n

∑G i =1

i

⋅ exp − t / τ .

Gl. 3.21

20

Grundlagen der Rheologie

Der Übergang zu unendlich vielen Maxwell-Elementen führt zur Integraldarstellung:

G( t ) = G e +

GN0 − G e Gn0



∫H

(ln τ ) ⋅ exp − t / τ d ln τ.

Gl. 3.22

−∞

Dies führt letztlich zum Auftreten von Relaxationszeitspektren H(lnτ). Mit Hilfe dieser Spektren lässt sich bei Polymeren jeder molekulare Bewegungsprozess mit einer charakteristischen Relaxationszeit identifizieren und und es wird in dieser Hinsicht von dynamisch-mechanischer Spektroskopie gesprochen. Im Rahmen der Theorie der linearen Viskoelastizität enthält das Spektrum alle Informationen über die Eigenschaften eines Materials. Wenn es im ganzen Bereich bekannt ist, können alle Materialfunktionen daraus berechnet werden. Auch die charakteristischen rheologischen Materialparameter sind über verschiedene Momente des Relaxationszeitspektrums erhältlich. Für das Maxwell-Element aus Abb. 3.2.3 entspricht das nullte Moment dem sogenannten Plateaumodul GN0, der von der Messfrequenz unabhängig ist und die größte Elastizität der Schmelze wiedergibt:

GN

0

+∞

= ∫ H ( τ ) ⋅ d ln τ = −∞

η0 . τ

Gl. 3.23

Das erste Moment liefert die von der Scherrate unabhängige Newton’sche oder Nullscherviskosität η0: +∞

η 0 = ∫ τ ⋅ H ( τ ) ⋅ d ln τ.

Gl. 3.24

−∞

3.2.2 Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip (TTS) Empirisch wurde gefunden, dass die dynamischen Moduli nicht nur von der Frequenz abhängen, sondern auch empfindlich auf Temperaturänderungen reagieren. So bewirkt eine Erhöhung der Temperatur eine Verschiebung der Lage der Dispersionsgebiete zu kürzeren Zeiten bzw. höheren Frequenzen. Unter der Voraussetzung, dass alle Relaxationsprozesse die

21

Grundlagen der Rheologie

gleiche Temperaturabhängigkeit besitzen, ändern sich Höhe und Form der Dispersionsstufen in doppelt-logarithmischer Auftragung dagegen nicht. Die einzelnen Isothermen können dann durch Parallelverschiebung entlang der logarithmischen Zeitachse bei einer Referenztemperatur T0 zu einer Masterkurve vereinigt werden. Bei tieferen Temperaturen können so noch Prozesse beobachtet werden, die sonst erst bei höheren, eventuell nicht mehr zugänglichen Frequenzen erscheinen würden. Durch Messung bei höheren Temperaturen kann umgekehrt das Messfenster zu kleinen Frequenzen hin erweitert und die Messzeit deutlich reduziert werden. Bei der Durchführung von Frequenzsweeps werden die Moduli isotherm in nur einem bestimmten Frequenzbereich gemessen. Der experimentell zugängliche Frequenzbereich wird nach oben hin durch die gerätetechnisch größtmögliche Frequenz bestimmt. Bei kleinen Frequenzen liegen die begrenzenden Faktoren einerseits an der chemischen Stabilität der Proben und andererseits an der zur Verfügung stehenden Messzeit. Die Temperaturabhängigkeit der Verschiebungsfaktoren aT ist für amorphe Polymere durch die semi-empirische Gleichung nach Williams, Landel und Ferry (WLF-Gleichung) beschrieben:

log a T = log

c 1 (T − T0 ) η 0 (T ) , = − c 2 + T − T0 η 0 (T0 )

Gl. 3.25

mit η0 als Schernullviskosität. Die materialspezifischen WLF-Konstanten c1 und c2 hängen von der freiwählbaren Referenztemperatur T0 ab. Des Weiteren kann der Fließvorgang in Polymerschmelzen auch über die Abhängigkeit von der Aktivierungsenergie betrachtet werden. Dies gilt besonders für Schmelzen teilkristalliner Polymere und im Bereich von mehr als 100 K oberhalb der Glasübergangstemperatur Tg:

η 0 (T ) = A ⋅ e

 Ea   RT   

,

Gl. 3.26

wobei Ea die „Aktivierungsenergie des viskosen Fließens“ ist. Als Zeit-Temperatur-Verschiebungsgesetz folgt:

log a T =

1 Ea 1  − . 2.303 ⋅ R  T T0 

Gl. 3.27

22

Grundlagen der Rheologie

Zur Bestimmung der Aktivierungsenergie des Fließens Ea nach Arrhenius kann log aT gegen den Kehrwert der absoluten Temperatur, 1/T, aufgetragen und aus der Steigung der erhaltenen Geraden die Aktivierungsenergie berechnet werden. Die Auswertung der Verschiebungsfaktoren aT erlaubt also neben der Berechnung der Viskosität bei beliebiger Temperatur weitere interessante Vergleiche unterschiedlicher Polymere hinsichtlich freiem Volumen und Fließaktivierungsbarriere. Bei den meisten praktischen Messungen wird neben dem horizontalen Shiftfaktor eine vertikale Verschiebung bT gefunden, die mit der Temperaturabhängigkeit der Dichte ρ korreliert.

bT =

ρ (T ) ⋅ T ρ 0 (T ) ⋅ T0

Gl. 3.28

Zusammenfassend ergibt sich folgende Definition für die Masterkurve bei der Referenztemperatur T0:

G', " (ω, T0 ) =

1 G', " (a T ω, T ). bT

Gl. 3.29

Werden stark abweichende Werte beobachtet, deutet dies ebenso wie die Veränderung der Isothermenform auf andere physikalische Prozesse im betrachteten Temperaturintervall hin.

3.3 NICHTLINEARE VISKOELASTIZITÄT 3.3.1 Nichtlineare Phänomene Die Theorie der linearen Viskoelastizität ist nicht mehr gültig, wenn sowohl die Deformation als auch die Deborah-Zahl einen gewissen Wert überschreiten (siehe auch Abb. 3.1.1). Einige der Phänomene, die im Bereich nichtlinearer Viskoelastizität auftreten, werden im Folgenden beschrieben.

3.3.1.1

Normalspannungsdifferenz

Wenn ein viskoelastisches Material zwischen zwei parallelen Platten geschert wird, treten zusätzlich zur Scherspannung σ12 Normalspannungen σ11, σ22 und σ33 auf. Hier ist „1“ die Fließrichtung, während „2“ die Richtung senkrecht zur Scheroberfläche und „3“ die neutrale

23

Grundlagen der Rheologie

Richtung angibt. Hier ist es sinnvoll, Normalspannungsdifferenzen einzuführen, die gegeben sind als: N1 = σ11 – σ22 und N2 = σ22 – σ33. Die größte der Normalspannungsdifferenzen ist N1. Sie ist für isotrope Materialien immer positiv, d.h. in einem Rheometer mit parallelen Platten werden die beiden Platten auseinandergedrückt. N2 ist im allgemeinen negativ und um eine Größenordnung kleiner als N1. Bei kleinen Scherraten wird ein Skalierungsverhalten, N1 ~ γ& 2 und N2 ~ γ& 2, beobachtet. Die Normalspannungskoeffizienten nähern sich den konstanten Werten ψ10 und ψ20 an.

ψ10 ≡

σ 11 − σ 22 = lim ψ1 ( γ& ) , γ& → 0 γ& 2

Gl. 3.30

ψ 20 ≡

σ 22 − σ 33 = lim ψ 2 ( γ& ). γ& → 0 γ& 2

Gl. 3.31

3.3.1.2

Amplitudensweeps

In Amplitudensweeps wird der Speicher- und Verlustmodul während kontinuierlicher Erhöhung der Deformationsamplitude γ detektiert. Der linear viskoelastische Bereich zeigt sich durch einen parallelen und von der Amplitude unabhängig verlaufenden Speicher- und Verlustmodul. Das ist bei hinreichend kleinen Deformationsamplituden gegeben.

log G

linear viskoelastisch

γc

nichtlinear viskoelastisch

G‘ G‘‘

log γ Abb. 3.3.1: Schematische Darstellung eines Amplitudensweeps: Speicher- und Verlustmodul in Abhängigkeit der Deformationsamplitude γ.

24

Grundlagen der Rheologie

Ab einer kritischen Deformation γc werden der Speicher- und der Verlustmodul deformationsabhängig, sowohl G’ als auch G’’ nehmen mit ansteigender Amplitude stark ab. Die kritische Deformation kann über den Schnittpunkt der Tangenten an den G’-Verlauf bestimmt werden.

3.3.1.3

Anlaufkurven

Scherverdünnungsphänomene sind ebenso in zeitabhängigen Messungen präsent. Abb. 3.3.2 zeigt die zeitliche Entwicklung der Viskosität in einem sogenannten Anlaufexperiment, bei welchem die Probe mit einer konstanten Scherrate kontinuierlich geschert wird. Die zeitabhängige Viskosität ist analog der statischen Viskosität definiert: +

η + ( t, γ& 0 ) =

σ 12 ( t, γ& 0 ) . γ& 0

Gl. 3.32

In Abb. 3.3.2 ist dies am Beispiel einer Polybutadien-Lösung veranschaulicht:

Abb. 3.3.2: Scherviskosität als Funktion der Zeit für unterschiedliche Scherraten am Beispiel einer Polybutadien-Lösung [76].

In dieser Abbildung verhält sich die Probe bei der niedrigsten Scherrate linear viskoelastisch: Nach einem starken Anstieg bei kurzen Zeiten geht die transiente Viskosität in einen stationären Zustand über. Mit zunehmenden Scherraten weicht der Verlauf vom linear viskoelastischen Verhalten ab. Es tritt ein Überschwingen auf, ein sogenannter „Overshoot“. Hierbei verläuft

Grundlagen der Rheologie

25

η + ( t, γ& ) über ein Maximum, bevor für große Zeiten ein Gleichgewichtswert erreicht wird. Mit zunehmender Scherrate fällt der Gleichgewichtswert der Viskosität beträchtlich. Für kurze Zeiten verläuft die transiente Viskosität selbst bei großen Scherraten linear viskoelastisch. Abweichungen von der linearen Viskoelastizität treten erst auf, wenn sowohl die Scherrate γ& als auch die Deformation γ eine gewisse Schwelle überschreiten.

3.3.1.4

Scherverdünnung

Abb. 3.3.3 zeigt die Abhängigkeit der Scherviskosität η und des ersten Normalspannungskoeffizienten ψ1 von der Scherrate γ& am Beispiel einer Polyethylenschmelze. Während η und ψ1 bei kleinen Scherraten konstante Werte erreichen, fallen diese Materialfunktionen mit zunehmender Scherrate drastisch ab.

Abb. 3.3.3: Beispielhafte Darstellung der Scherviskosität und des ersten Normalspannungskoeffizienten, beispielhaft für Polyethylen niedriger Dichte in Abhängigkeit der Scherrate [76].

Der Abnahme der Viskosität η und die damit einhergehende Abnahme von ψ1 und ψ2 werden als Scherverdünnung bezeichnet. Die Scherverdünnung ist ein rheologisches Phänomen, das bei Polymerschmelzen und konzentrierten Polymerlösungen besonders ausgeprägt auftritt. Die molekulare Erklärung für eine Scherverdünnung in Polymeren kann im Verhalten der Entanglements gefunden werden, die sich bei zunehmender Scherrate immer mehr entschlaufen.

26

Grundlagen der Rheologie

3.3.1.5

Kriechkurven

Alternativ zur Aufbringung einer konstanten Scherrate kann auch eine konstante Spannung angelegt werden. Dabei wird die zeitabhängige Deformation während des Experimentes detektiert. In Kriechversuchen wird die sogenannte Kriechnachgiebigkeit J(t) erfasst:

J( t ) =

γ( t ) σ0

Gl. 3.33

Die Betrachtung des Maxwell-Modells sagt voraus, dass die plötzlich einsetzende Kraftwirkung zunächst die Feder spannt, der Dämpfer bewegt sich erst nach und nach. Dies bedeutet, dass zunächst eine elastische Deformation ohne zeitliche Verzögerung einsetzt. Die viskose Deformation setzt ein, wenn die elastische Deformation ausgereizt ist. Dann erfolgt eine kontinuierliche Verscherung der Probe mit konstanter Schergeschwindigkeit. Der jeweils resultierende Verlauf der Spannung σ(t), der Deformation γ(t) und der Kriechnachgiebigkeit J(t) sind als Funktion der Zeit ist in Abb. 3.3.4 dargestellt.

Abb. 3.3.4: Zeitlicher Verlauf der Spannung, Deformation und der Kriechnachgiebigkeit beim Kriechversuch [78].

Im linear viskoelastischen Bereich ist die Deformation proportional zur Spannung, J(t) verläuft mit einer konstanten Steigung. Im nichtlinearen Fall weicht der Verlauf der Kriechnachgiebigkeit davon ab.

3.3.2 FT-Rheologie Für die Charakterisierung der Materialeigenschaften im nichtlinearen viskoelastischen Bereich hat sich die Fourier-Transformations (FT)-Rheologie als eine geeignete Methode erwiesen. Das Wesen dieser Methode besteht in einer Fourier-Transformation des Antwortsignals während eines dynamischen Experimentes. Bei Durchführung von LAOS (Large Amplitude Oscillatory

27

Grundlagen der Rheologie

Shear)-Experimenten führt dies zu einem Frequenzspektrum, das außer der Grundschwingung, die der Anregungsfrequenz entspricht, auch Obertöne enthält. Das Auftreten und die Intensität dieser Obertöne spiegeln das nichtlineare Verhalten qualitativ und quantitativ wieder. Die theoretischen Grundlagen zur FT-Rheologie werden in Verbindung mit den Ergebnissen der Untersuchungen in Kap. 4.4 beschrieben.

3.4 RHEOLOGISCHE CHARAKTERISIERUNG VON GELEN UND NETZWERKEN Bei den in dieser Arbeit untersuchten Proben handelt es sich um Polymersysteme mit einer DBS-Netzwerkstruktur. Da diese Art von Systemen einer besonderen Betrachtung bedürfen, handelt dieser Abschnitt von der Rheologie von Gelen und Netzwerken. Abb. 3.4.1 zeigt den Verlauf der Viskosität η und des Gleichgewichtsmoduls Ge (G’(ω → 0)) bei Annäherung an den Gelpunkt in Abhängigkeit der Temperatur, der Konzentration oder der Reaktionszeit.

Flüssigkeit

Festkörper

η [Pas]

G [Pa]

Gelpunkt

0 Reaktionszeit oder Konzentration

Temperatur

Abb. 3.4.1: Verlauf der Viskosität und des Schermoduls bei Annäherung an den Gelpunkt, nach [17].

In der Nähe des Gelpunktes steigt die Viskosität von einem endlichen Wert an und wird am Gelpunkt unendlich groß. Der Gleichgewichtsmodul ist unterhalb des Gelpunktes null und nimmt oberhalb des Gelpunktes schnell zu.

28

Grundlagen der Rheologie

3.4.1 Konzentrationsabhängigkeit des Schermoduls G – Netzwerkmodelle Zur Beschreibung der Konzentrationsabhängigkeit des Schermoduls wird häufig die klassische Theorie von Flory und Stockmayer [79-81] verwendet. Bei diesem Modell wird von baumartig verzweigten Strukturen (Bethe-Gitter) ausgegangen. Eine realistischere Beschreibung der vorliegenden Struktur ist mit der Perkolationstheorie möglich [82,83], die auch die Ringbildung mitberücksichtigt. Diese Beschreibung basiert auf der Existenz von fraktalen Objekten. Der Anteil der miteinander verbundenen Objekte wird mit p gekennzeichnet. Unterhalb der Perkolationsschwelle liegen nur einzelne Cluster vor, während sich oberhalb dieser Grenze ein unendliches Netzwerk bildet. Für die Konzentrationsabhängigkeit des Gleichgewichtsmoduls Ge gilt allgemein für Perkolationsnetzwerke oberhalb der Perkolationsgrenze pc:

Ge

 p − pc ∝   pc

  

τ

Gl. 3.34

τ ist dabei der Perkolationsexponent, der das Skalierungsverhalten des Speichermoduls beschreibt. Die Elastizität resultiert aus den elastischen Kräften zwischen den einzelnen Gitterplätzen. Werden nur Zentralkräfte berücksichtigt, so ergibt sich ein Skalierungsexponent τ von 2 und kleiner [84-86]. Sobald aber Biegeanteile einfließen, werden auch Exponenten größer als 3 gefunden [87].

Von Jones und Marques stammt ein weiteres Modell zur Beschreibung der Konzentrationsabhängigkeit des elastischen Moduls [88]. Das Modell wurde ursprünglich für Netzwerke aus starren Polymeren abgeleitet. Guenet zeigte in seiner Arbeit [89], dass mit diesem „Fibrillaren Modell“ ebenfalls thermoreversible Gele beschrieben werden können. Diese Strukturen bestehen meist aus starren Fibrillen, deren Verhalten durch dieses Modell besser beschrieben wird als durch das Perkolationsmodell oder das klassische Flory-Stockmayer-Modell, die beide von flexiblen Ketten ausgehen.

Bei dem Modell von Jones und Marques bildet sich bei Konzentrationen größer als die kritische Gelkonzentration cgel ein unendliches Netzwerk aus. Diese Konzentration cgel unterscheidet sich von der Perkolationskonzentration pc. Im Gegensatz zum Perkolationsansatz sind die betrachteten Netzwerke nicht fraktal, nur die Elemente zwischen den Vernetzungspunkten besitzen eine fraktale Dimension Df.

29

Grundlagen der Rheologie

Wenn die Netzpunkte flexibel sind, ist die Elastizität im Jones-Marques-Modell entropisch, während bei festen Verknüpfungsstellen die Elastizität enthalpischer Natur ist. Bei frei drehbaren Verknüpfungspunkten ergibt sich für die Elastizität:

E e ∝ kTc 3 /( 3 − Df ) .

Gl. 3.35

Für ein Netzwerk mit starren Verbindungsstellen gilt:

E r = c ( 3 + Df ) /( 3 − Df ) .

Gl. 3.36

Für ein Netzwerk, dessen Strukturelemente zwischen Vernetzungspunkten aus starren Stäbchen mit der fraktalen Dimension Df = 1 bestehen, ergibt sich also Ee~ c3/2 für den entropischen Fall bzw. Er ~ c2 für den enthalpischen Fall.

3.4.2 Dynamische Untersuchungen an Gelen und Netzwerken In der Nähe des Gelpunktes sind die Viskosität η und der Schermodul G kritische Größen, da eine kleine Änderung auf der Abszisse, wie in Abb. 3.4.1 gezeigt, zu großen Änderungen in der Viskosität bzw. im Schermodul führen. Dadurch lässt sich der Gelpunkt mittels statischer rheologischer Messungen nur schwer detektieren. Dafür bieten sich aber dynamische Untersuchungen an. G'' [Pa]

106

Polymerschmelze

Gel

ideales Netzwerk

107

106

105 G' = Ge G'' = 0

104

104

η [Pas]

G'[Pa]

105

n

G' ~ G'' ~ ω

103

10-2

10-1 100 ω[rad/s]

101 10-2

10-1 100 ω[rad/s]

101 10-2

10-1 100 ω[rad/s]

101

103

Abb. 3.4.2: Vergleich des dynamischen Verhaltens von Polymeren, Gelen und Netzwerken.

Im Gegensatz zu Polymeren kann das dynamische Verhalten von Gelen nicht durch einfache mechanische Modelle wie das Maxwell- oder Kevin-Voigt-Modell beschrieben werden, da keine

30

Grundlagen der Rheologie

einheitliche Relaxationszeit zu Grunde liegt. Vielmehr liegt ein ganzes Spektrum von Relaxationszeiten vor, das die Größenverteilung der Strukturen im Gel widerspiegelt. Trotzdem ist das Relaxationsverhalten von Gelen vergleichsweise einfach.

Nach Chambon und Winter [90] wird für die dynamischen Moduli G’ und G’’ in der Nähe des Gelpunktes ein Power-Law-Verhalten gefunden (siehe Abb. 3.4.2):

G' =

G" = Sgωn .  nπ  tan   2

Gl. 3.37

Sg ist die sogenannte Gelstärke und n der Relaxationsexponent. Mit der Methode von Chambon und Winter kann der Gelpunkt sowohl für chemische [91,92] als auch für physikalische Gele [93-96] bestimmt werden. Für n sind Werte zwischen 0 und 1 möglich [97-100], wobei für physikalische Gele meist ein Wert zwischen 0.6 und 0.8 gefunden wird [101]. Wird die Konzentration an Gelbildner über den Gelpunkt hinaus erhöht, so zeigen die Gele in dynamischen Untersuchungen festkörperähnliches Verhalten. Damit erhält man einen frequenzunabhängigen Gleichgewichtsmodul Ge (siehe Abb. 3.4.2), der das Vorliegen eines Netzwerkes anzeigt. Bei physikalischen Netzwerken wird statt eines Gleichgewichtsmoduls häufig eine schwache Frequenzabhängigkeit der dynamischen Moduli beobachtet. Ein weiteres Modell zur Beschreibung dieser ungeordneten, physikalischen Netzwerke wurde von Sollich et al. [102,103] vorgestellt. Dabei werden weiche, glasartige Materialien („Soft Glassy Materials“ = SGM) betrachtet, die strukturell ungeordnet und metastabil sind. In diesem glasartigen Zustand sind die lokalen Elemente in Käfigen gefangen, die durch ihre jeweiligen Nachbarn begrenzt sind und sich dadurch nicht frei bewegen können. Eine Umordnung kann jedoch durch die Wechselwirkungen der einzelnen Elemente erfolgen: Findet eine Umlagerung irgendwo im Material statt, pflanzt sich diese fort und verursacht an einer anderen Stelle ebenfalls eine Umlagerung. Diese koppelnde Wechselwirkung wird im „Soft glassy rheology“ (SGR)-Modell durch die effektive Temperatur x beschrieben.

31

Grundlagen der Rheologie

Bei Annäherung an die Glasübergangstemperatur (x ≈ 1) werden folgende Abhängigkeiten für die dynamischen Moduli im Bereich kleiner Frequenzen erhalten:

G' ~ ω x −1 ,

für 1 < x < 3

Gl. 3.38

G" ~ ω x −1 ,

für 1 < x < 2

Gl. 3.39

tan δ =

G" ~ x − 1. G'

Gl. 3.40

G’ und G’’ besitzen in diesem Bereich die gleiche Frequenzabhängigkeit von ωx-1. Dieses Verhalten wurde für eine Anzahl von weichen Materialien gefunden [104-108]. In der Nähe des Glasübergangs (x → 1) wird der Modul annähernd frequenzunabhängig, was zu nahezu konstanten Werten für G’ und G’’ führt. Der Wert von tan δ wird sehr klein. An Hand dieses Modells lassen sich auch die nichtlinearen rheologischen Eigenschaften dieser Materialien beschreiben. In Amplitudensweeps durchläuft G’’ ein Maximum und fällt ab einer kritischen Deformation γc mit G’’ ~ γ x-2 mit einer Steigung von etwas größer als –1 (in einer doppeltlogarithmischen Auftragung) ab. Der Speichermodul G’ fällt, ohne ein Maximum zu durchlaufen, deutlich stärker ab als G’’. In Anlaufkurven werden Überschwingphänomene vorausgesagt, die besonders in der Nähe des Glasübergangs (x ≈ 1) ausgeprägt sind. Dort verhält sich das System vorwiegend elastisch, weshalb die Spannung zunächst zu größeren Werten ansteigt, bevor das Material als Ganzes nachgibt und zu fließen beginnt.

32

Ergebnisse und Diskussionen

4 Ergebnisse und Diskussionen Die Selbstorganisation von niedermolekularen Gelbildnern in organischen Lösungsmitteln führt unter geeigneten Bedingungen zu thermoreversiblen Gelen. Diese neue Klasse der „Organogelatoren“ eröffnet neue Perspektiven auf dem Gebiet der Herstellung nanostrukturierter Materialien. Ein Vertreter dieser Klasse ist DBS, welches darüber hinaus in der Lage ist, sich auch in hochmolekularen Substanzen, wie in Polymeren, selbst zu organisieren [48-50]. Diese Strukturbildung ist vergleichbar zur der in niedermolekularen Lösungsmitteln, so dass auch hier von Gelbildung gesprochen wird. Bis heute ist die Gelbildung von DBS in nur wenigen polymeren Matrizes untersucht worden. Bezüglich des Einflusses der enthalpischen Wechselwirkungen zwischen Polymer und Gelbildner auf die Selbstorganisation sind bislang wenig Untersuchungen durchgeführt worden; eine umfassende vergleichende Studie gibt es bisher nicht. Aufbauend auf den Ergebnissen von Fahrländer [53] sollen in dieser Arbeit die Wechselwirkungen zwischen DBS und den unterschiedlichen Polymeren untersucht werden. Die entsprechenden Materialcharakteristika der verwendeten Polymere und DBS sind in Tab. 6.1 und Tab. 6.2 zu finden. Des Weiteren soll überprüft werden, ob sich eine Korrelation aufstellen lässt zwischen dem Hildebrand Löslichkeitsparameter und den charakteristischen Übergangstemperaturen bzw. den rheologischen Gleichgewichtseigenschaften. Ergänzend wird die Morphologie der ausgebildeten Strukturen aufgezeigt. Darüber hinaus werden an Hand des PPO/DBS-Systems die nichtlinearen Eigenschaften der Netzwerksysteme untersucht und diskutiert.

33

Ergebnisse und Diskussionen

4.1 THERMORHEOLOGISCHE EIGENSCHAFTEN 4.1.1 Bestimmung der Übergangstemperaturen Die Selbstorganisation von niedermolekularen Gelbildnern ist thermoreversibel. Das bedeutet, die Gele können durch Erhitzen aufgelöst und durch Abkühlen erneut generiert werden. Die jeweiligen Übergangstemperaturen können über einen Temperaturzyklus bestimmt werden. Dabei werden die dynamischen Moduli während eines Aufheiz- bzw. Abkühlvorgangs bei einer konstanten Heiz- bzw. Kühlrate und einer konstanten Anregungsfrequenz beobachtet. Während des Aufheizvorgangs nehmen die dynamischen Moduli stark ab, was die allmähliche Zerstörung der Netzwerkstruktur kennzeichnet. Die Auflösungstemperatur Td (d für dissolution) gibt die Temperatur an, bei der DBS im Polymer gelöst vorliegt. Beim Abkühlen der homogenen Lösung kennzeichnet ein plötzlicher Anstieg der dynamischen Moduli den rheologisch detektierbaren Beginn des Strukturaufbaus. Die dazugehörige Temperatur wird als Tf (f für formation) bezeichnet. In Abb. 4.1.1 ist der Temperaturzyklus einer PPO / 1 Gew.-%DBS-Probe dargestellt und zeigt den Verlauf der Moduli und das Temperaturprofil in Abhängigkeit von der Zeit. 5

160

G' G''

10

4

10

3

140 120 100 80

10

60

2

Temperatur [°C]

G' , G'' [Pa]

10

40 10

1

20 0

5000

10000

Zeit t [s] Abb. 4.1.1: Temperaturzyklus für eine PPO / 1 Gew.-% DBS-Probe bei einer Abkühl- bzw. Aufheizrate von 2 K/min.

34

Ergebnisse und Diskussionen

In Abb. 4.1.1 sind die Moduli durch Symbole, das Temperaturprofil durch eine durchgezogene Linie dargestellt. Beginnend bei einer Temperatur von 145 °C liegt DBS in der PPO-Matrix gelöst vor, befindet sich also im Solzustand. Die Moduli nehmen Werte im Bereich von 10 Pa an, was gerade an der Auflösungsgrenze des Rheometers liegt. Anschließend wird mit einer konstanten Kühlrate von 2 K/min abgekühlt. Das Einsetzen der Gelbildung ist durch einen plötzlichen Anstieg sowohl in G’ als auch in G’’ gekennzeichnet. Der Speichermodul G’ übersteigt den Verlustmodul G’’ um mehr als eine Größenordnung, was den elastischen Charakter des gebildeten Gels herausstellt. Bei einer Temperatur von 30 °C erreicht der Speichermodul einen Wert von ca. 5x104 Pa, der Verlustmodul liegt ungefähr eine Dekade tiefer. Wird anschließend die Temperatur wieder erhöht, beginnen die Moduli nach Überschreiten eines kleinen Peaks in G’’ stark abzufallen. Das anschließend auftretende intermediäre Maximum wurde bereits von Fahrländer beobachtet und kann durch eine Umwandlung des DBS in eine thermodynamisch stabilere Form erklärt werden [53]. Eine weitere Temperaturerhöhung führt zur kompletten Auflösung der Struktur, was sich in einer weiteren Abnahme des Moduls bemerkbar macht. Die Werte für G’ und G’’ sinken auf Werte im Bereich von 10 Pa, was in der Größenordnung des Moduls der reinen Matrix liegt. Wie aus Abb. 4.1.1 erkennbar, ist das System vollständig thermoreversibel; die Modulwerte des ausgebildeten Gels erreichen beim zweiten Abkühlvorgang identische Werte für Speicher- und Verlustmodul. Um die Übergangstemperaturen exakt zu bestimmen, wurde eine andere Darstellung gewählt. In Abb. 4.1.2 sind die dynamischen Moduli gegen die Temperatur aufgetragen. Beim Abkühlvorgang steigen Speicher- und Verlustmodul bei Erreichen der Gelbildungstemperatur stark an und laufen anschließend mit einer geringen Steigung weiter. Diese Steigung spiegelt die Temperaturabhängigkeit der reinen PPO-Matrix wider. Die genaue Temperatur Tf wird über den Schnittpunkt der Tangenten an den G’-Verlauf bestimmt.

35

Ergebnisse und Diskussionen

10

5

G', G'' [Pa]

Abkühlkurve 10

4

10

3

10

2

10

1

10

0

Td

Aufheizkurve

Tf

G' G'' 20

40

60

80

100

120

140

160

Temperatur [°C] Abb. 4.1.2: Der dynamische Speicher- und Verlustmodul aufgetragen gegen die Temperatur für eine PPO / 1 Gew.-% DBS-Probe bei einer Rate von 2 K/min.

Beim Aufheizen sinken die Moduli zunächst ab, verlaufen dann über ein intermediäres Maximum, bevor sie bei der Gelauflösungstemperatur Td unter die Auflösungsgrenze sinken. Es tritt eine Hysterese bei den Übergangstemperaturen Tf und Td auf. Die Arbeiten von Fahrländer [53] zeigen, dass für PPO/DBS-Systeme eine Rate von 2 K/min ausreicht, um ein thermisches Gleichgewicht zu erzielen. Aus diesem Grund wurde für alle TiefTg-Polymere (PPO, PDMS) eine Rate von 2 K/min angewendet. Im Falle von Polymeren mit einem hohen Tg (PP, PS, PMMA) wurde das PS/DBS-System als Beispielsystem verwendet, um die zu verwendenden Abkühl- und Aufheizraten zu bestimmen. Ein Vergleich unterschiedlicher Raten ist in Abb. 4.1.3 für eine PS-Probe mit 3.5 Gew.-% DBS gegeben. In dieser Abbildung ist der Speichermodul G’ gegen die Temperatur aufgetragen.

36

Ergebnisse und Diskussionen

7

10

6

G' [Pa]

10

TR auf

5

10

4

10

5K

3

10

2 K/min 1 K/min 0.5 K/min

2

10

140

150

TR ab 160

170

180

190

200

Temperatur [°C] Abb. 4.1.3: Temperaturrampe von PS / 3.5% DBS für unterschiedliche Aufheiz- und Abkühlraten.

Es hat sich gezeigt, dass eine Abkühlgeschwindigkeit von 0.5 K/min angewendet werden muss, um ein thermisches Gleichgewicht zu erhalten. Eine höhere Rate von 2 K/min liefert nur ca. 5 K tiefere Bildungstemperaturen als eine Rate von 0.5 K/min. Da diese Abweichung im Rahmen einer akzeptablen Fehlergrenze liegt und die Messzeit dadurch auf ein vernünftiges Maß beschränkt werden kann, wurden bei allen verwendeten Systemen mit einer Abkühl- und Aufheizrate von 2 K/min gearbeitet. In Abb. 4.1.4 ist die Temperaturrampe von PS mit 3.5 Gew.-% DBS bei einer Rate von 2 K/min gezeigt. Die Speicher- und Verlustmoduli sind als Symbole dargestellt. Das Verhalten der reinen PS-Matrix ist als gestrichelte Linie eingezeichnet. Es ist zu erkennen, dass die PS/DBS-Probe für Temperaturen von 200 bis ca. 160 °C unterhalb der Werte der reinen Polymermatrix liegen. Das kann auf einen Verdünnungseffekt des Polymers durch das gelöste DBS zurückgeführt werden, auf den später in Kap. 4.2.4.2 genauer eingegangen wird. Beginnend bei einer Temperatur von 200 °C verläuft beim Abkühlen der Modul zunächst mit einer gleichmäßigen Steigung, welche die Temperaturabhängigkeit der reinen PS-Matrix widerspiegelt. Bei der Gelbildungstemperatur Tf steigt der Modul der PS/DBS-Probe stark an, der Speichermodul übersteigt den Verlustmodul und beide Werte erreichen jeweils ein Plateau.

37

Ergebnisse und Diskussionen

Durch Anlegen von Tangenten an den G’-Verlauf erhält man durch deren Schnittpunkt die

G' , G'' [Pa]

Gelbildungstemperatur Tf.

10

7

10

6

10

5

10

4

Aufheizkurve

Td

Tf Abkühlkurve

10

3

10

2

G' (PS/3.5 Gew.-%) G'' G' (PS) G''

140

150

160

170

180

190

200

Temperatur [°C] Abb. 4.1.4: Temperaturrampe von PS / 3.5% DBS bei einer Rate von 2 K/min.

Bei der Aufheizkurve verlaufen der Speicher- und Verlustmodul zunächst konstant, bis die Moduli bei einer Temperatur von ca. 170 °C stark abzufallen beginnen, sich kreuzen und G’ unterhalb von G’’ weiterläuft. Der Schnittpunkt der Tangenten an den G’-Verlauf gibt die Gelauflösungstemperatur Td an. Der Verlauf der Aufheizkurve des PS/DBS-Systems zeigt einen generellen Unterschied zu der des PPO/DBS-Systems. Während die dynamischen Moduli der PS/DBS-Probe beim Aufheizvorgang über einen Temperaturbereich von ca. 30 K annähernd konstant verlaufen, bevor sie bei der Temperatur Td kontinuierlich bis zur Auflösung abnehmen, sinken beim PPO/DBSSystem die Moduli sofort bei Beginn der Temperaturerhöhung und verlaufen anschließend über ein Maximum, bevor sich das Gel komplett auflöst. Dieses Phänomen ist bisher nur für das PPO/DBS-System beobachtet worden. Für die Polymere PMMA und SAN wurde ein komplett anderes Verhalten beobachtet: In den Temperaturrampen dieser DBS-Mischungen zeigten die dynamischen Moduli über den

38

Ergebnisse und Diskussionen

gesamten Temperaturbereich einen geringeren Wert als die Polymermatrix selbst, es wurde kein spontaner Anstieg des Moduls beobachtet, der auf eine Selbstorganisation hinweisen könnte. In Abb. 4.1.5 ist eine Temperaturrampe von SAN mit 4 Gew.-% DBS gezeigt. 6

G' , G'' [Pa]

10

5

10

4

10

G' SAN G'' G' SAN / 4% DBS G''

3

10

140

150

160

170

180

190

200

210

220

Temperatur [°C] Abb. 4.1.5: Temperaturrampe einer SAN / 4 Gew.-% DBS-Probe bei einer Rate von 2 K/min.

Der Gelbildner DBS bleibt offenbar in der Matrix gelöst und bewirkt dadurch den Verdünnungseffekt. Auch für PMMA konnte, wie oben für SAN beschrieben, für keine der betrachteten Konzentrationen eine Selbstorganisation im schmelzrheologisch zugänglichen Temperaturbereich beobachtet werden. Im weiteren Verlauf der Untersuchungen werden vorwiegend die Bildungstemperaturen Tf verwendet, da diese eindeutiger und mit höherer Genauigkeit zu bestimmen sind als die Auflösungstemperaturen [50]. Auf die oben beschriebene Weise wurden die Übergangstemperaturen Tf für alle untersuchten Polymer/DBS-Systeme in Abhängigkeit von der Konzentration bestimmt. Diese sind in Abb. 4.1.6 gegenübergestellt.

39

Gelbildungstemperatur Tf [°C]

Ergebnisse und Diskussionen

220 200 180 160 140 120

iPP aPP PS PDMS PPO lmw PMMA

100 80 60 0

1

2

3

4

5

DBS-Konz. [Gew.-%] Abb. 4.1.6: Übergangstemperaturen in Abhängigkeit der DBS-Konzentration für verschiedene Polymer/DBS-Systeme.

Wie aus Abb. 4.1.6 ersichtlich, nimmt Tf im Bereich sehr kleiner Konzentrationen stark zu und geht dann in einen Sättigungsbereich über. Die relative Lage der Übergangstemperaturen ist unterschiedlich und hängt offenbar von der jeweiligen Polymermatrix ab.

4.1.2 Bestimmung der Bildungsenthalpien 4.1.2.1

Einleitung

Abhängig von der Konzentration des Gelbildners und der Temperatur, kann die Selbstorganisation in unterschiedlichen Strukturzuständen resultieren. Bei niedrigen Konzentrationen und geringen Unterkühlungen führt die Selbstorganisation nur zu einzelnen Clustern und Aggregaten. Zunehmende Konzentration und Unterkühlungen haben die Ausbildung eines interpenetrierenden Netzwerkes zur Folge, d.h. ein Gel entsteht. Das entscheidende Kriterium für den Gelzustand wird von Chambon und Winter [90] geliefert (G’ ~ G’’ ~ ωn) (siehe auch Kap. 3.4.2). Wird dieser Zustand erreicht, ist die Übergangstemperatur eine tatsächliche Sol-

40

Ergebnisse und Diskussionen

Gel-Temperatur. Wird kein Gelzustand erreicht, handelt es sich bei der charakteristischen Temperatur streng genommen nicht um eine Gelbildungstemperatur, sondern nur um eine Aggregationstemperatur. Der Einfachheit halber wird dennoch für alle Übergangstemperaturen die Bezeichnung Tf verwendet. Die Konzentrationsabhängigkeit der Übergangstemperaturen, welche in Abb. 4.1.6 dargestellt sind, kann nach Eldridge und Ferry [109] durch Gl. 4.1 beschrieben werden. Mit Hilfe eines einfachen Modells, welches aus dem Massenwirkungsgesetz und dem van’t Hoff’schen Gesetz abgeleitet wurde, konnte ein linearer Zusammenhang zwischen dem Logarithmus der DBSKonzentration und der reziproken Übergangstemperatur hergeleitet werden:

ln c DBS = −

∆H f + const. RTf

Gl. 4.1

Hier stellt cDBS die DBS-Konzentration in [Gew.-%] dar, ∆Hf die Bildungsenthalpie in [kJ/mol], R die allgemeine Gaskonstante und Tf die Übergangstemperatur. Somit kann aus der Geradensteigung die exotherme Aggregationsenthalpie ∆Hf für die Gelbildung bestimmt werden. Einschränkend muss allerdings gesagt werden, dass bei der Ableitung von Gl. 4.1 von einem Phasenübergang 2. Ordnung ausgegangen wird. Ungeachtet dessen, dass der Gelbildung ein Phasenübergang erster Ordnung zu Grunde liegt, zeigte sich, dass mit dieser Gleichung viele physikalischen Polymergele beschrieben werden können [110,111]. Auch für Gele auf Basis niedermolekularer Gelbildner findet diese Gleichung häufig Anwendung [112].

4.1.2.2

Ermittlung der Bildungsenthalpien

Für jene Polymere, in denen eine Selbstorganisation von DBS auftritt, kann die entsprechende Bildungsenthalpie mit Hilfe der Gleichung von Eldridge und Ferry ermittelt werden. Der Zusammenhang zwischen dem Logarithmus der DBS-Konzentration und der reziproken Übergangstemperatur aus Gl. 4.1 ist für unterschiedliche Polymer/DBS-Systeme in Abb. 4.1.7 dargestellt. Zusätzlich zu den Übergangstemperaturen der hochmolekularen Polymermatrizes sind ebenfalls die Bildungsenthalpie einer PPO04-Probe (Molekulargewicht von 425 g/mol) mit 2 Gew.-% DBS und die experimentellen Werte von DBS in Ethylenglykol (EG) (von Watase und Itagaki [44] bestimmt) als gestrichelte Linie dargestellt.

41

Ergebnisse und Diskussionen

3

EG PPO04 PPO PS PDMS aPP iPP

ln cDBS [wt.-%]

2 1

0 -1 -2 2,0

2,2

2,4

2,6

2,8

3,0

1000 / Tf [ K ] Abb. 4.1.7: Auftragung des Logarithmus der DBS-Konzentration gegen die reziproke Übergangstemperatur nach Eldridge und Ferry [109].

Für nahezu alle Polymere konnte eine lineare Abhängigkeit bestätigt werden. Für PPO wurden zwei Bereiche beobachtet, die durch unterschiedliche Steigungen charakterisiert sind. Für sehr kleine Konzentrationen von bis zu 1 Gew.-% DBS wurde eine sehr geringe Steigung detektiert, während bei höheren Konzentrationen ein steiler Anstieg erkennbar ist. Dieser kann mit einer Sättigung in Verbindung gebracht werden. Für die Berechnung der Bildungsenthalpie wurden nur die Werte bei kleinen Konzentrationen verwendet. Die Bildungsenthalpien, die durch lineare Regression der Daten gewonnen wurden, sind in Tab. 4.1 dargestellt.

Polymermatrix

∆Hf [kJ/mol]

i-PP

64.7

a-PP

50.5

PDMS

97.3

PS

78.8

PPO

16.5

Tab. 4.1: Berechnete Bildungsenthalpien für verschiedene Polymer/DBS-Systeme nach Gl. 4.1.

42

Ergebnisse und Diskussionen

Die berechneten Werte der Bildungsenthalpien liegen in der erwarteten Größenordnung. Shepard et al. [47] untersuchte beispielsweise die Übergangstemperaturen von methylsubstituiertem DBS (MDBS) in iPP-Copolymeren; aus seinen Daten kann eine Enthalpie von 63.7 kJ/mol abgeleitet werden. Ähnliche Werte wurden von Watase und Itagaki [44] und Watase et al. [45] beobachtet, die DBS in einer Ethylenglykol-Matrix untersuchten. Diese Untersuchungen, dargestellt in Abb. 4.1.7 als gestrichelte Linie, liefern eine Bildungsenthalpie von 44.8 kJ/mol.

4.1.3 Korrelation der Übergangstemperaturen mit der Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter Flory hat eine Theorie entwickelt, in der die Schmelzpunkterniedrigung eines kristallinen Polymers, das in einem Lösungsmittel gelöst wird, behandelt [113]. Seine Ergebnisse resultieren in einer Gleichung, die die Übergangstemperatur mit den enthalpischen Wechselwirkungen, ausgedrückt durch die Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter, in Beziehung setzt. Diese Gleichung kann auf die vorliegenden Polymer/DBS-Systeme übertragen werden [53]. Hierin wird DBS als kristallisierende Substanz und die Polymermatrix als Lösungsmittel betrachtet. Die daraus folgende Gleichung beschreibt dann die Schmelzpunkterniedrigung des DBS durch Anwesenheit des Polymers und gibt den Zusammenhang zwischen der Sol-GelÜbergangstemperatur

und

der

Differenz

der

Hildebrand

Löslichkeitsparameter

beider

Komponenten (Gl. 4.2) wider. Auf die Herleitung dieser Gleichung wird im Appendix (Kap. 7) eingegangen.

1+ Tf =

V 0r ⋅ V 0DBS ( δM − δDBS )2 ∆H0m, DBS ⋅ V 0M 0 R ⋅ V DBS 1 + Tm, DBS ∆H0m, DBS ⋅ V 0M

Gl. 4.2

In dieser Gleichung stellt V0r das reduzierte molare Volumen der Probe dar, das durch das arithmetische Mittel der molaren Volumina der Komponenten berechnet werden kann (V0r = φMV0M + φDBSV0DBS, mit den jeweiligen Volumenbrüche für die Matrix (φM) und DBS (φDBS)). ∆H0m,DBS (32.2 kJ/mol) und Tm,DBS sind die Schmelzenthalpie bzw. die Schmelztemperatur von reinem DBS in [K]. δ ist der Hildebrand Löslichkeitsparameter in [J1/2 cm3/2] und R die allgemeine Gaskonstante. Die Gelbildungstemperatur Tf wird in absoluten Einheiten [K] angegeben.

43

Ergebnisse und Diskussionen

Nach dieser Gleichung nimmt mit zunehmender Differenz der Löslichkeitsparameter, ∆δ = |δM-δDBS| auch die Übergangstemperatur zu, der Abstand zur Schmelztemperatur von DBS sinkt. Beispielsweise sind in einer apolaren Matrix die Wechselwirkungen zwischen DBS-Molekülen gegenüber den DBS-Polymer-Wechselwirkungen bevorzugt, was zu relativ hohen Übergangstemperaturen Tf führt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit werden in Gl. 4.2 einige Vereinfachungen eingeführt. Die Differenz der Hildebrand-Parameter und das molare Volumen V0M kann in erster Näherung als temperaturunabhängig betrachtet werden. Für eine dimensionslose Darstellung wird die

~

~

Form Tf / T mit einer charakteristischen Temperatur T gewählt. Unter diesen Umständen kann Gl. 4.2 folgendermaßen umgeformt werden:

V 0 DBS V 0 r = 1+ (δM − δDBS )2 ~ 0 0 ∆H m,DBS V M T

Tf

Gl. 4.3

RTm,DBS V 0 DBS Tm,DBS ~ . , a = mit T = (1 + a) ∆H0 m,DBS V 0 M Die Einführung von δc, einem charakteristischen Löslichkeitsparameter, der sowohl von Matrixals auch von Gelbildnereigenschaften abhängt, führt zu folgender dimensionsloser Darstellung:

Tf ~

= 1+

T mit δ c

(δM − δDBS )2 δc

Gl. 4.4

2

 ∆H0 m, DBS V 0 M   =  0 0  V DBS V r 

1/ 2

.

Im Folgenden sollen die experimentell erhaltenen Daten der Übergangstemperatur mit der Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter korreliert und diskutiert werden.

Für die Hildebrand Löslichkeitsparameter wurden die Mittelwerte des δ-Bereichs angenommen, wie sie in van Krevelen [66] aufgeführt sind (vgl. Tab. 6.1und Tab. 6.2). Im Fall von PPO ist der Hildebrand Löslichkeitsparameter auf Grund der Anzahl an Hydroxyl-Endgruppen molekular-

44

Ergebnisse und Diskussionen

gewichtsabhängig. Für die verwendeten Molekulargewichte von 425 bzw. 5000 g/mol wurden die von Fahrländer [53] bestimmten δ-Parameter verwendet. Für SAN wurde der δ-Parameter aus dem Massenverhältnis der bekannten Werte für PS und PAN (28.5 J1/2cm3/2) bestimmt. Für PMMA ist in van Krevelen [66] ein δ-Bereich zwischen 18.6 und 26.4 J1/2cm3/2 angegeben. Für die

hochmolekulare

Matrix

wurde

der

Mittelwert

verwendet,

wohingegen

für

das

niedermolekulare (lmw) PMMA der größte Wert von 26.4 J1/2cm3/2 angenommen wurde. In Abb. 4.1.8 sind entsprechend Gl. 4.4 die experimentell bestimmten Übergangstemperaturen

~

in einer reduzierten Darstellung von Tf / T gegen (δM-δDBS)2/δc2 als Symbole aufgetragen. Die unterschiedliche Symbolart charakterisiert das Polymersystem, wohingegen die jeweiligen Symbolfüllungen die DBS-Konzentration wiedergeben. Die durchgezogene Linie entspricht Gl. 4.4 mit den charakteristischen Materialkonstanten.

1,8 1,10

1,6

lmw PMMA

1,05

SAN 1,00 0,00

PMMA 0,05

0,10

Tf 1,4 ~ TDBS iPP aPP PS PPO5 PPO04 PDMS lmw PMMA

1,2

1,0 0,0

0,2

0,4 (δDBS – δM)2 δc2

0,6

0,8

~

Abb. 4.1.8: Die reduzierte Darstellung Tf / T aufgetragen in Abhängigkeit von (δM-δDBS)2/δc2 gemäß Gl. 4.4. Die experimentellen Daten sind als Symbole dargestellt, die Füllungen repräsentieren die jeweilige Konzentration:

0.25

0.5

0.6

1

1.5

2

2.5

3

4

5 wt.-%

45

Ergebnisse und Diskussionen

Die Daten der einzelnen Proben mit unterschiedlichen Konzentrationen liegen alle annähernd im Bereich der Geraden. Für alle Polymere ist eine zufriedenstellende Korrelation zwischen den reduzierten Ausdrücken für die Übergangstemperatur und der Differenz der Löslichkeitsparameter nach Gl. 4.4 gegeben. Die gestrichelten Linien geben eine Umhüllende an, in der alle experimentellen Daten liegen. Anhand der einzelnen Datenpunkte erkennt man, dass die Konzentration nur wenig Einfluss hat, während geringfügige Variationen in δ große Veränderungen in der Übergangstemperatur hervorrufen. Da die Differenz der Löslichkeitsparameter quadratisch in die Gleichung eingeht, ist auch die dazugehörige Abweichung in ∆δ nicht zu vernachlässigen. Wie oben bereits erläutert, werden für PMMA und SAN keine Übergangstemperaturen beobachtet, d.h. DBS bildet hier keine Netzwerkstruktur aus. Diese Polymere haben nach Tab. 6.2 einen Löslichkeitsparameter von 22.5 bzw. 21 J1/2cm3/2, also ähnlich dem von DBS. Nach Gl. 4.4 führen kleine Differenzen in δ zu sehr niedrigen Übergangstemperaturen. Wie aus dem Inset in Abb. 4.1.8 nachvollziehbar, kann für PMMA und SAN eine Übergangstemperatur bei gegebenen δ-Parameter vorausgesagt werden. Berechnungen ergeben ein Tf von 80 bzw. 95 °C für PMMA bzw. SAN. Da diese Temperaturen unterhalb der Glasübergangstemperaturen der Polymere liegen, kann die Selbstorganisation schmelzrheologisch nicht beobachtet werden. Um diese Beobachtungen zu verifizieren, wurden analoge Experimente mit einem niedermolekularen

PMMA

(lmw

PMMA)

durchgeführt,

welches

eine

deutlich

niedrigere

Glasübergangstemperatur besitzt. Werden nun die Werte für lmw PMMA in Gl. 4.4 eingesetzt, so ergibt sich eine Übergangstemperatur von ungefähr 110 °C, was im rheologisch zugänglichen Temperaturbereich liegt. In der Tat wurde für eine Probe mit 2 Gew.-% DBS im rheologischen Experiment eine Übergangstemperatur von 120 °C beobachtet. Die Abweichung in den Temperaturen kann damit erklärt werden, dass die Literaturwerte des HildebrandParameters nur für hochmolekulare Polymere angegeben sind und das lmw PMMA mit einem Molekulargewicht von nur 1000 g/mol dadurch nicht ausreichend beschrieben wird. Vermutlich liegt der „reale“ δ-Parameter von lmwPMMA bei größeren Werten, als er in van Krevelen [66] angegeben ist. Wird die beobachtete Übergangsgstemperatur nach Gl. 4.4 auf den Löslichkeitsparameter zurückgerechnet, so erhält man für den Hildebrand Löslichkeitsparameter von lmw PMMA einen Wert von 27.7 J1/2cm3/2.

46

Ergebnisse und Diskussionen

4.1.4 Diskussion Es wurden durch rheologische Methoden mit Hilfe von Temperaturzyklen Übergangstemperaturen für unterschiedliche Polymer/DBS-Systeme bestimmt. Bei geringen Konzentrationen erfolgt ein starker Anstieg der Bildungstemperaturen, die mit größer werdendem DBSGehalt in einen Plateaubereich übergehen. Nach der Gleichung von Eldrige und Ferry wurden die Bildungsenthalpien für die jeweiligen Systeme bestimmt. Diese liegen in ähnlichen Größenordnungen wie Literaturdaten vergleichbarer Systeme, wie z.B. substituiertes DBS in iPP oder DBS in einer Ethylenglykolmatrix. Es konnte gezeigt werden, dass die Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter, ∆δ, wesentlich für das Auftreten einer Selbstorganisation ist. Ist diese Differenz sehr klein, wenn also die Komponenten sehr verträglich sind, werden auch relativ tiefe Übergangstemperaturen beobachtet. Das bedeutet, es muss auf sehr tiefe Temperaturen abkühlt werden, um eine Phasenseparation zu erzwingen. Liegt die erwartete Übergangstemperatur unterhalb der Glasübergangstemperatur Tg der Polymermatrix, ist die Strukturbildung über schmelzrheologische Methoden nicht detektierbar. Umgekehrt heisst das vermutlich nicht, dass für fast identische Löslichkeitsparameter, also geringste Differenzen in den δ-Werten, die Realisierung tiefer Unterkühlungen das einzige notwendige Kriterium ist, um Strukturbildung zu beobachten. Es ist anzunehmen, dass es dennoch eine Schwelle in der Differenz der δ-Werte gibt, die überschritten werden muss. Das bedeutet, dass Gl. 4.4 nicht für beliebig kleine ∆δ gilt. Da für lmw PMMA noch eine Gelbildung beobachtet wird, liegt diese Schwelle in der Differenz der Löslichkeitsparameter vermutlich unterhalb von 2.5 J1/2cm3/2. Genauere Untersuchungen zur Bestimmung dieser Schwelle sind Gegenstand aktueller Forschungsarbeiten [114].

47

Ergebnisse und Diskussionen

4.2

MORPHOLOGIE UND RHEOLOGISCHE GLEICHGEWICHTSEIGENSCHAFTEN

DER DBS-NETZWERKE 4.2.1 Einleitung DBS ist in der Lage, sich durch Aggregation zu einer dreidimensionalen Netzwerkstruktur anzuordnen, was zu einer signifikanten Änderung der Materialeigenschaften führt. Wie die gebildeten Strukturen im einzelnen aussehen und welche Topologien in Abhängigkeit des Matrixpolymers ausgebildet werden, soll im Folgenden geprüft werden. Dazu wurden diese Systeme mittels Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) untersucht.

4.2.2 Vergleich der ausgebildeten Morphologien 4.2.2.1

PPO/DBS-System

In Abb. 4.2.1 sind die TEM-Aufnahmen von DBS in Polypropylenoxid dargestellt. Die DBSKonzentration beträgt 0.4 Gew.-%.

1000 nm

500 nm

Abb. 4.2.1: TEM-Aufnahmen einer PPO-Probe mit 0.4 Gew.-% DBS.

DBS ordnet sich in einer PPO-Matrix zu einer Faserstruktur an. Der Durchmesser einer einzelnen Faser beträgt zwischen 15 bis 25 nm bei einer Länge von mehreren Mikrometern (aus

48

Ergebnisse und Diskussionen

den gezeigten Bildern nicht zu erkennen). Dies stimmt auch mit den Beobachtungen von Mercurio und Spontak [51] überein, die vergleichbare Größenordnungen von DBS-Fasern in PPO gefunden haben. In der rechten Abbildung ist bei einer höheren Auflösung erkennbar, dass sich mehrere einzelne Fasern zu Bündeln anordnen. Es scheint, als ob sich die Fasern nur umwickeln und keine Verzweigungen ausbilden. Zwar sind in den Aufnahmen einige Verzweigungspunkte erkennbar, es kann aber nicht ausgeschlossen werden, dass es sich nur um

Überlagerungen

einzelner

unverzweigter

Fasern

handelt.

Ein

Vergleich

der

Größenordnungen der ausgebildeten Fasern in Proben mit unterschiedlichem DBS-Gehalt zeigte keine ausgeprägte Konzentrationsabhängigkeit des Faserdurchmessers. In wieweit die Faserlänge bzw. die Faseranzahl von der Konzentration beeinflusst wird, kann anhand der TEM-Aufnahmen nicht ermittelt werden.

4.2.2.2

PS/DBS

Auch in einer Polystyrolmatrix wird für bestimmte Konzentrationen eine Strukturbildung detektiert. In Abb. 4.2.2 ist die TEM-Aufnahme einer PS-Probe mit 2 Gew.-% DBS dargestellt.

150 nm Abb. 4.2.2: TEM-Abbildung einer PS-Probe mit 2 Gew.-% DBS [115].

Ergebnisse und Diskussionen

49

Die ausgebildete Struktur unterscheidet sich stark von der in PPO beobachteten Morphologie. In Polystyrol entstehen verzweigte Gebilde, von denen sich einzelne Fasern mit einem Durchmesser von ungefähr 20 bis 30 nm abzweigen. Die Gebilde selbst besitzen einen Durchmesser von bis zu 100 nm, ihre Länge erstreckt sich im Mikrometerbereich.

4.2.2.3

aPP/DBS

Des Weiteren wurde DBS in einer aPP-Matrix untersucht. Die TEM-Aufnahme einer aPP-Probe mit 0.5 Gew.-% DBS ist in Abb. 4.2.3 dargestellt.

Abb. 4.2.3: TEM-Aufnahme einer aPP-Probe mit 0.5 Gew.-% DBS [53].

Die dunklen Punkte auf dieser Abbildung rühren von der Probenpräparation her und werden daher als Artefakte betrachtet. Die Fasern weisen eine stark verästelte Struktur auf. Von den einzelnen Verzweigungspunkten gehen mehrere Fasern ab, welche einen Durchmesser zwischen 40 und 60 nm besitzen. Es werden also, wie im Falle von PS, verzweigte Strukturen gefunden. Die einzelnen Fasergebilde können eine Länge von bis zu 5 µm annehmen.

4.2.2.4

PDMS/DBS

Demgegenüber wurde in PDMS wiederum eine lineare Faserstruktur beobachtet, wie es in Abb. 4.1.6 zu sehen ist. In dieser Abbildung ist die TEM-Aufnahme einer 2%-igen PDMS-Probe dargestellt.

50

Ergebnisse und Diskussionen

500 nm

100 nm

Abb. 4.2.4: TEM-Bild einer PDMS-Probe mit 2 Gew.-% DBS.

Der Durchmesser einer einzelnen Fasern liegt hier im Bereich von 10 bis 15 nm, also etwas kleiner als in den anderen Polymermatrizes. Die Länge der Fasern erstreckt sich mindestens bis in den Mikrometerbereich. In der vergrößerten Aufnahme rechts sind zwei überkreuzte, lineare Fasern zu erkennen (mit dem Pfeil markiert). Es werden also offensichtlich keine Verzweigungspunkte ausgebildet, sondern es handelt sich hierbei nur um Verdrillungen einzelner Fasern. Ilzhoefer und Spontak [52] beobachteten einen Durchmesser von 70 nm für DBS in der gleichen Matrix. Ein möglicher Grund für die unterschiedlichen Größenverhältnisse könnte in den jeweils verschiedenen Präparationsweisen der Proben für die TEM-Aufnahmen liegen.

4.2.2.5

Lmw PMMA/DBS

Darüber hinaus wurde die Morphologie von DBS in lmw PMMA elekronenmikroskopisch untersucht. Abb. 4.2.5 zeigt eine lmw PMMA-Probe mit 2 Gew.-% DBS. Die dunklen Flecken auf dem linken Bild sind auf den Stainingprozess zurückzuführen und daher als Artefakte zu betrachten. Die DBS-Fasern, die in niedermolekularem PMMA gebildet werden, sind linear und zeigen keinerlei Verzweigungen.

51

Ergebnisse und Diskussionen

200 nm

1000 nm

Abb. 4.2.5: TEM-Aufnahme einer niedermolekularen PMMA-Probe mit 2 Gew.-% DBS.

Einzelne Fasern besitzen eine Dicke bis zu 50 nm und die Länge erstreckt sich in einem Bereich bis zu mehreren Mikrometern, wie in dem Übersichtsbild links zu sehen ist. Auf Grund der Probenpräparation (Ultradünnschnitte via Mikrotom) sind nicht nur Fasern längs der Faserachse, sondern in jedem möglichen Winkel dazu, abgebildet. Aus diesem Grund sind auch kürzere Faserbruchstücke, die einem Querschnitt entsprechen, in der TEM-Aufnahme sichtbar. Im Gegensatz zu den linearen Fasern, die in PPO oder PDMS gebildet werden, scheinen die hier vorliegenden Fasern starrer und weniger flexibel zu sein.

4.2.3 Zusammenfassung und Diskussion Für die Diskussion bezüglich der Struktur-Eigenschafts-Beziehungen muss zunächst darauf hingewiesen werden, dass auf Grund der Präparationsweisen bei den TEM-Untersuchungen nicht identische Bedingungen vorliegen wie während der rheologischen Messungen. Es ist hingegen anzunehmen, dass die charakteristischen Eigenschaften wie z.B. Faserdicke und -länge oder eventuelle Verzweigungen dadurch nicht beeinflusst werden. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass DBS in polymeren Matrizes, wie bereits in niedermolekularen

Lösungsmitteln

beobachtet,

eine

Faserstruktur

in

Nanometerdimensionen

52

Ergebnisse und Diskussionen

ausbildet. Die Faserdicken liegen für alle untersuchten Proben im Bereich zwischen 10 und 60 nm, wobei jeweils eine Länge in mindestens Mikrometerdimensionen vorliegt. Eine systematische Zunahme der Faserdicke mit der Konzentration konnte nicht beobachtet werden. Der Grad der Verzweigung hängt von der jeweiligen Matrix ab. Während in PP und in PS verzweigte Strukturen ausgebildet werden, liegen in PPO, PDMS und lmw PMMA unverzweigte Fasern vor. Eine qualitative Korrelation zwischen den Morphologiemerkmalen und den Wechselwirkungen zwischen Polymer und DBS, ausgedrückt durch die Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter kann nicht gefunden werden. Eine Diskussion der auftretenden Topologien und Morphologien und die mit der Strukturbildung einhergehenden rheologischen Eigenschaftsveränderungen werden in den nachfolgenden Kapiteln diskutiert.

Ergebnisse und Diskussionen

53

4.2.4 Linear viskoelastische Eigenschaften Zur Charakterisierung der linearen viskoelastischen Eigenschaften ist der reduzierte van GurpPalmen-Plot (rvGP-Plot) [116] besonders geeignet. Diese Auftragung des reduzierten komplexen Moduls |G*|/GN0 gegen den Phasenwinkel δ stellt einen empfindlichen Test für die Gültigkeit des Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzips (TTS) dar. Wenn in einer solchen Darstellung die ungeshifteten Isothermen auf einer Kurve zu liegen kommen, ist das Prinzip der Zeit-Temperatur-Superposition erfüllt. Zusätzlich zu den Informationen über die Gültigkeit des TTS erlaubt die Analyse eines rvGPPlots Aufschluss über Fest-Flüssig-Übergänge, wie es erstmals von Fahrländer [6] für den SolGel-Übergang von selbstorganisierenden Tektonen auf der Basis von Barbitursäure und Triaminopyrimidin (BA/TP) in Polypropylen beschrieben worden sind. Ein abnehmender Phasenwinkel bei kleinen reduzierten Moduli zeigt ein Dominieren der elastischen Eigenschaften an, das auf Netzwerkbildung oder vergleichbare Prozesse zurückgeführt werden kann. Durch eine Extrapolation auf δ → 0 kann ein Gleichgewichtsmodul Ge bestimmt werden. Strebt der Phasenwinkel bei den kleinsten reduzierten Moduli auf 90° zu, verhält sich die Probe viskos. Nach der Definition von Winter [90] charakterisiert demgegenüber ein konstanter, von 90° verschiedener Phasenwinkel bei kleinen |G*|/GN0- Werten eine Probe an deren Gelpunkt. Anhand dieser Kriterien werden im Folgenden die unterschiedlichen Polymer/DBS-Systeme analysiert. Des Weiteren wird der Einfluss der Konzentration auf die frequenzabhängigen Eigenschaften diskutiert. Die einzelnen Polymer/DBS-Systeme werden zunächst getrennt betrachtet. Dabei wird sowohl auf den van Gurp-Palmen-Plot als auch auf die Masterkurven bzw. Isothermen in Abhängigkeit von der DBS-Konzentration eingegangen. Im Anschluss daran werden die verschiedenen Systeme miteinander verglichen.

4.2.4.1

PPO/DBS-System

In Abb. 4.2.6 ist der reduzierte van Gurp-Palmen-Plot für das PPO/DBS-System aufgetragen. In dieser Abbildung ist der Phasenwinkel sowohl der reinen PPO-Matrix als auch von Proben mit unterschiedlichen DBS-Konzentrationen dem reduzierten, komplexen Modul |G*|/GN0,PPO gegenübergestellt. Der Plateaumodul GN0 des reinen PPO wurde in einer Auftragung des Phasenwinkels gegen den komplexen Modul |G*| aus dem Minimum der Kurve bestimmt.

54

Ergebnisse und Diskussionen

Phasenwinkel δ [°]

100 80

60 40

20 0 -5 10

PPO 0.1% 0.15% 0.2 % 0.25 % 0.275 % 0.3 % 0.4 % 0.5 % 1% 4%

10

-4

10

-3

*

10

-2

10

-1

10

0

10

1

0

|G | / GN ,PPO [Pa] Abb. 4.2.6: Reduzierter van Gurp-Palmen-Plot für die reine PPO-Matrix und für verschiedene DBSKonzentrationen [53].

Die Isothermen der reinen PPO-Matrix beginnen in Abb. 4.2.6 für die kleinsten reduzierten Moduli bei 90°, was den viskosen Charakter dieser Probe widerspiegelt. Für |G*|/GN0-Werte um 1 befindet sich das Polymer im Plateaubereich und das Minimum definiert den Plateaumodul (für Details siehe [117]). Dieser Bereich ist gewöhnlich nur für nicht-kristallisierende Polymere zugänglich. Für |G*|/GN0-Werte größer als 1 steigt der Phasenwinkel wieder an und das Material erreicht den Übergangsbereich.

Die Isothermen der Proben mit 0.1 und 0.15 Gew.-% liegen bei 90° und fallen mit dem Verlauf der Matrixkurve zusammen. Die Isothermen der Konzentrationen größer als 0.15 Gew.-% DBS liegen in Abb. 4.2.6 auf jeweils einer Kurve. Damit ist für alle Konzentrationen gezeigt, dass das Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip im untersuchten Temperaturfenster erfüllt ist und dass Masterkurven konstruiert werden können. Die Erfüllung des TTS deutet darauf hin, dass sich die Struktur in diesem Temperaturbereich (für Proben bis 0.4 Gew.-% DBS: T = -50 bis -30°C, Konzentrationen größer 0.4 Gew.-%: T = -30 bis 30°C) offensichtlich rheologisch nicht relevant

Ergebnisse und Diskussionen

55

ändert. Die Verschiebung des Minimums der 0.2%-igen Probe nach rechts gegenüber der reinen Matrix zeigt, dass bereits bei dieser sehr geringen Konzentration eine Erhöhung des Plateaumoduls auftritt.

Im Folgenden wird für die einzelnen Konzentrationen das Kriterium des Sol-Gel-Übergangs überprüft. Für die Proben mit 0.1 bzw. 0.15 Gew.-% beträgt die Phasenverschiebung δ für kleine |G*|/GN0Werte 90°, was den viskosen Charakter dieser niedrigkonzentrierten Proben anzeigt. Während die viskoelastischen Eigenschaften für die Konzentrationen von 0.2 Gew.-% und größer bei hohen Modulwerten von den Eigenschaften der Matrix mitbestimmt werden und die einzelnen Kurven auf die Matrixkurve zulaufen, übt die Matrix im Bereich kleiner Moduli keinen wesentlichen Einfluss mehr aus, was sich durch einen von der Matrixkurve abweichenden Verlauf des Phasenwinkels bemerkbar macht. Der abnehmende Phasenwinkel in diesem Bereich zeigt den überwiegend elastischen Charakter dieser Proben, was auf das Vorhandensein eines Netzwerkes schließen lässt. Durch Extrapolation der einzelnen Kurven auf δ → 0 (in Abb. 4.2.6 durch entsprechende Pfeile markiert) kann der Gleichgewichtsmodul Ge dieser Probe bestimmt werden. Dies ist in Abb. 4.2.6 durch Pfeile veranschaulicht. Der Gleichgewichtsmodul Ge nimmt mit zunehmender Konzentration zu. Die Abweichungen von einer Gerade bei der Extrapolation von δ → 0 der dargestellten Isothermen ist auf das Powerlaw-Verhalten zurückzuführen, wie es bereits von Fahrländer [50] beschrieben wurde und auf das später in Abb. 4.2.9 eingegangen wird. Die einzelnen Kurven in Abb. 4.2.6 werden nun in Hinblick auf die Bestimmung der Gelkonzentration analysiert. Die kleinste Konzentration, bei der eine Gelbildung beobachtet wird, bezeichnet man als kritische Gelkonzentration cgel. Für Konzentrationen von 0.15 Gew.-% DBS und kleiner läuft die Kurve auf den Phasenwinkel von 90° zu und befindet sich somit im Solzustand. Da der Kurvenverlauf für die 0.2%-Probe bereits nach unten zeigt und für diese Probe ein Gleichgewichtsmodul Ge bestimmt werden kann, muss die kritische Gelkonzentration cgel zwischen diesen beiden Konzentrationen liegen. Der hypothetische Verlauf der Kurve für die Gelkonzentration, bei der der Übergang von viskosem zu elastischem Verhalten erfolgt, ist in Abb. 4.2.6 als waagerechte, gestrichelte Linie dargestellt. Eine alternative Methode zur Bestimmung der Gelkonzentration stammt von Aoki [118]. Dazu wird für ausgewählte Frequenzen tan δ gegen die DBS-Konzentration aufgetragen (Abb. 4.2.7):

56

tan δ

Ergebnisse und Diskussionen

10

4

10

3

10

2

10

1

10

0

ω = 0.1 rad/s ω = 1 rad/s ω = 10 rad/s

-1

10

0,0

0,2

0,4

0,6

0,8

1,0

DBS-Konzentration [Gew.-%] Abb. 4.2.7: Bestimmung der kritischen Gelkonzentration nach Aoki [118]: Auftragung des tan δ gegen die DBS-Konzentration für ausgewählte Frequenzen.

Im Bereich von 0 bis 0.4 Gew.-% DBS wird ein starker Abfall der tan δ-Werte beobachtet. Diese Abnahme ist um so ausgeprägter, je kleiner die Frequenz ist. Für Konzentrationen ab 0.4 Gew.-% bleibt tan δ annähernd konstant. Wie man Abb. 4.2.7 entnehmen kann, schneiden sich alle Kurven in einem Punkt. Dieser Schnittpunkt gibt die gesuchte Gelkonzentration cgel für das untersuchte System an und wird nach dieser Methode zu 0.19 Gew.-% DBS bestimmt. Der Vergleich mit der aus dem rvGP-Plot bestimmten kritischen Gelkonzentration zeigt eine gute Übereinstimmung.

Die Untersuchung der Gelkonzentration nach Aoki wurde für alle Polymer/DBS-Systeme durchgeführt und es konnte in allen Fällen eine gute Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus dem van Gurp-Palmen-Plot gefunden werden. Auf eine Darstellung nach Aoki wird für die anderen untersuchten Polymersysteme aus Gründen der Übersichtlichkeit verzichtet, die ermittelten Konzentrationen werden aber im weiteren Text diskutiert.

57

Ergebnisse und Diskussionen

Durch die Analyse des Verlaufs des Phasenwinkels bei abnehmendem, reduziertem komplexen Modul in Abhängigkeit der Konzentration und Temperatur kann ein rheologisches Zustandsdiagramm (Abb. 4.2.8) erstellt werden. Strebt der Phasenwinkel δ für abnehmende |G*|/GN0Werte gegen 90°, befindet sich die Probe bei dieser Temperatur im Solzustand, dies ist in Abb. 4.2.8 mit einem offenen Symbol (…) gekennzeichnet. Sinkt der Phasenwinkel mit abnehmendem Modul, wird dieser Postgel-Zustand mit einem geschlossenen Symbol („) gekennzeichnet. Die eingezeichneten Linien in Abb. 4.2.8 geben die aus temperaturabhängigen rheologischen Untersuchungen (Temperaturrampen) ermittelten Gelbildungstemperaturen Tf und Td wieder.

120

Td

100

Tf

Temperatur [°C]

80

Sol-Zustand

60 40 20

Gel-Zustand

cgel

0 -20 -40 -60 0,1

0,2

0,3

0,4

0,5

cDBS [Gew.-%] Abb. 4.2.8: Rheologisches Zustandsdiagramm für PPO / DBS: Die offenen Symbole (…) kennzeichnen den Solzustand, die geschlossenen Symbole („) einen Gelzustand. Die eingezeichnete Linie gibt die aus Temperaturrampen ermittelten Gelbildungstemperaturen Tf wieder.

Aufgrund

der

Glasübergangstemperatur

von

PPO

von

–71 °C

waren

rheologische

Untersuchungen bis minimal –50 °C durchführbar. Für Konzentrationen bis 0.15 Gew.-% DBS befindet sich das System für alle zugänglichen Temperaturen im Solzustand. Es muss offensichtlich erst eine bestimmte Konzentration, die Gelkonzentration cgel, überschritten werden, damit eine Netzwerkbildung in dem untersuchten Temperaturbereich rheologisch detektierbar ist. Diese Konzentration liegt nach Abb. 4.2.8 zwischen 0.15 und 0.2 Gew.-% DBS und wurde entsprechend der Aoki-Methode zu 0.19 Gew.-% DBS bestimmt.

58

Ergebnisse und Diskussionen

Für die 0.2 %-ige Probe konnte in Temperaturrampen im realisierbaren Temperaturbereich bis -50 °C keine Sol-Gel-Übergangstemperatur detektiert werden. Wie in Abb. 4.2.8 für eine Konzentration von 0.4 Gew.-% dargestellt, liegt die in Temperaturrampen beobachtete Übergangstemperatur Tf tiefer als die aus dem rvGP-Plot ermittelte Übergangstemperatur. Somit kann für die 0.2 %-ige Probe geschlossen werden, dass das hier zu erwartende Tf nur minimal unterhalb von –50 °C liegt, also knapp unterhalb des schmelzrheologisch zugänglichen Bereiches, was in Abb. 4.2.8 mit einer gepunkteten Linie angedeutet ist. Die Gelbildungs- und -auflösungstemperaturen unterliegen einer Hysterese. Hierbei liegen die Gelbildungstemperaturen

Tf

immer

bei

tieferen

Temperaturen

als

die

Auflösungs-

temperaturen Td. Die aus dem Verlauf des rvGP-Plot ermittelten Übergänge liegen zwischen den über Temperaturrampen ermittelten Gelbildungs- und -auflösungstemperaturen, wobei die Übergänge am besten mit den Gelauflösungstemperaturen korrelieren. Das scheint auch verständlich, da die Isothermen mit aufsteigender Temperatur gemessen wurden und somit einen Strukturauflösungsprozess verfolgen. Mit zunehmender Konzentration an DBS steigt auch die Übergangstemperatur an. Somit beschreibt Abb. 4.2.8 sowohl einen thermisch induzierten (vertikale Richtung) als auch einen konzentrationsabhängigen (horizontale Richtung) Sol-Gel-Übergang.

Frequenzabhängige Eigenschaften Im vorherigen Abschnitt konnte gezeigt werden, dass sich alle Isothermen für Temperaturen bis maximal 30 °C zu Masterkurven verschieben lassen. Für Gele mit weniger als 0.3 Gew.-% liegt diese Grenze unterhalb von 0 °C. Im Folgenden werden die Masterkurven für die PPO-Gele konzentrationsabhängig untersucht. In Abb. 4.2.9 ist der Speichermodul G’ der Masterkurven für ausgewählte Konzentrationen im Bereich von 0 bis 4 Gew.-% gezeigt. Die Referenztemperatur beträgt für alle Masterkurven 0 °C.

59

G' [Pa]

Ergebnisse und Diskussionen

10

7

10

6

10

5

10

4

10

3

10

2

10

1

0.05

10

4% DBS 2% DBS 0.5 % DBS 0.4% DBS 0.3 % DBS PPO -3

10

-2

10

-1

10

0

10

1

10

2

10

3

10

4

10

5

ω aT [rad/s] Abb. 4.2.9: Masterkurven für verschiedene PPO/DBS-Systeme bei einer Referenztemperatur von 0 °C [53].

Die PPO-Matrix zeigt das typische Verhalten eines engverteilten Polymers im terminalen Relaxationsgebiet. Die Kurven der DBS/PPO-Systeme weichen schon für sehr geringe Konzentrationen, insbesondere im Bereich niedriger Frequenzen, signifikant von der Matrixkurve ab: Der dynamische Modul steigt um mehrere Größenordnungen an. Ab einer Konzentration von 0.4 Gew.-% wird im Fließbereich ein Plateau gefunden, das auf die Ausbildung des nanofibrillären Netzwerkes zurückzuführen ist. Für höhere Konzentrationen steigt die Höhe des Plateaus bis zu einem Wert von etwa 106 Pa bei 4 Gew.-% an. Für Konzentrationen von 0.4 Gew.-% und größer ist das Plateau aber nicht wirklich frequenzunabhängig. Es zeigt ein Powerlaw-Verhalten mit einer sehr geringen Steigung von etwa 0.05. Ähnliche Frequenzabhängigkeiten wurden beispielsweise für multilamellare Vesikel in Wasser [119] oder für ausgeflockte Dispersionen [120] gefunden. Diesen unterschiedlichen Systemen ist gemein, dass die Elastizität auf physikalischen Wechselwirkungen und nicht auf kovalenten Bindungen beruht. Eine Diskussion dieses Powerlaw-Verhaltens findet sich in der anschließenden Diskussion.

60 4.2.4.2

Ergebnisse und Diskussionen PS/DBS-System

In Abb. 4.2.10 ist der rvGP-Plot für verschiedene PS/DBS-Proben dargestellt. Dabei sind die verschiedenen Konzentrationen durch unterschiedliche Symbole charakterisiert, während die Füllung der Symbole die jeweilige Temperatur angibt. Auf Grund der relativ hohen Glasübergangstemperatur von PS waren rheologische Untersuchungen nur in einem begrenzten Temperaturfenster von 210 bis minimal 130 °C durchführbar.

100

80

δ [°]

60

40

20

0 -3 10

PS standard PS / 0.5 % DBS PS / 1 % DBS PS / 2 % DBS PS / 3.5 % DBS PS / 5 % DBS -2

10

0

0

0

GN (2%) GN (3.5%) GN (5%) -1

10

0

0

10

|G*| / GN , PS

1

10

2

10

Abb. 4.2.10: Van Gurp-Palmen-Plot für PS/DBS-Proben. Die Symbolart kennzeichnet die Konzentration, die Füllung der Symbole die jeweilige Temperatur:

Die Isothermen der Proben mit den niedrigsten DBS-Konzentrationen von 0.5 bzw. 1 Gew.-% liegen alle auf einer Kurve, die mit der Matrixkurve übereinstimmt. TTS ist erfüllt und es kann für diese Konzentrationen über den gesamten Temperaturbereich eine Masterkurve erstellt werden. Bei einer Zugabe von 2 Gew.-% DBS, in Abb. 4.2.10 durch (¡) dargestellt, wird ein anderes Verhalten beobachtet. Zunächst ist erkennbar, dass das Minimum der Kurve nach rechts verschoben ist. Das bedeutet, dass sich der Plateaumodul GN0, der durch das Minimum

Ergebnisse und Diskussionen

61

dargestellt wird, um einen Faktor 3 erhöht hat, was auf den Verstärkungseffekt des DBSNetzwerkes zurückzuführen ist. Dieser erhöhte Plateaumodul ist in Abb. 4.2.10 durch einen Pfeil markiert. Die einzelnen Isothermen dieser Probe kommen nicht auf einer Kurve zu liegen. Während die Isothermen der Temperaturen von 150 bis 170 °C im Bereich des Minimums noch identisch verlaufen, spalten sie sich im Bereich kleinerer Modulwerte auf. Der nach unten gerichtete Verlauf dieser Kurven ist ein Indiz für die Strukturbildung von DBS bei diesen Temperaturen. Demgegenüber liegen die Isothermen höherer Temperatur auf der Kurve der reinen PS-Matrix. Bei diesen Temperaturen hat sich das Netzwerk bereits aufgelöst und die Eigenschaften der Matrix dominieren.

Die Probe mit 3.5 Gew.-% DBS, die in Abb. 4.2.10 durch () symbolisiert ist, zeigt analoges Verhalten. Der Plateaumodul, durch das Minimum gekennzeichnet, wird um den Faktor 14 erhöht. Der Grund dafür kann in der Netzwerkbildung gefunden werden. Für tiefe Temperaturen bis 160 °C liegen die einzelnen Isothermen übereinander, das Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip ist erfüllt. Bei mittleren Temperaturen bis 180 °C kommen die Isothermen nicht mehr übereinander zum Liegen, TTS ist nicht mehr erfüllt. Der Plateaumodul nimmt hier mit zunehmender Temperatur ab, was auf die einhergehende Strukturauflösung zurückzuführen ist. Bei einer Temperatur von 185 °C liegt die Isotherme auf der Matrixkurve, die Netzwerkstruktur ist bei dieser und höheren Temperaturen komplett aufgelöst.

Bei einer Konzentration von 5 Gew.-%, durch (W) symbolisiert, zeigt sich ein ähnliches Verhalten wie für die 2%- bzw. 3.5 %-ige Probe. Hier führt die Netzwerkbildung zu einer Erhöhung des Plateaumoduls sogar um den Faktor 16. Für niedrige Temperaturen im Bereich von 130 bis 160 °C zeigen die Isothermen einen identischen Verlauf: Die einzelnen Kurven liegen übereinander; in diesem Temperaturbereich gilt TTS. Die Isothermen bei 170 und 180°C, die aus Gründen der Übersichtlichkeit in diesem Diagramm nicht dargestellt sind, weichen von diesem Verlauf ab. Der Plateaumodul liegt, wie bereits für die 3.5%-ige Probe beobachtet, etwas niedriger als bei den tieferen Temperaturen, wofür die teilweise bereits eingesetzte Auflösung des DBS-Netzwerkes verantwortlich gemacht werden kann. Bei einer Temperatur von 190 °C liegt die Isotherme im Bereich des Plateaumoduls auf der Matrixkurve, während sich bei kleineren Moduli ein Phasenwinkel abzeichnet, der einem konstanten, von 90° verschiedenen Wert zustrebt. Der fiktive Verlauf für noch kleinere reduzierte Moduli ist in Abb. 4.2.10 mit einem gestrichelten Pfeil dargestellt. Nach dem Kriterium von Winter [90] stellt dies den Gelpunkt für

62

Ergebnisse und Diskussionen

die 5%-ige Probe dar. Für höhere Temperaturen läuft der Phasenwinkel auf der Matrixkurve, die Struktur ist vollständig aufgelöst. Zusammenfassend lässt sich für das PS/DBS-System sagen, dass die Zugabe von DBS in Konzentrationen bis zu 1 Gew.-% DBS zu keiner Strukturbildung führt. Es muss erst eine bestimmte Grenzkonzentration cgel überschritten werden, um eine Netzwerkbildung rheologisch beobachten zu können. Die vollständige DBS-Netzwerkstruktur wird erst bei ausreichender Unterkühlung unterhalb der Gelbildungstemperatur ausgebildet. Bei einer zu niedrigen Unterkühlung, auch Quench genannt, liegt offenbar eine noch unvollständige Skelettstruktur vor. Die nicht übereinanderliegenden Isothermen der 2 bzw. 3.5%-Probe in Abb. 4.2.10 lassen vermuten, dass der Bildungsprozess in Polystyrol selbst bei den niedrigsten untersuchten Temperaturen noch nicht abgeschlossen ist. Die vorliegende Unterkühlung von maximal 30 K unterhalb der Übergangstemperatur (bei der 2%-igen Probe) reicht offensichtlich nicht aus, um einen kompletten Aufbau des Skeletts zu gewährleisten. Eine weitere Unterkühlung war aber auf Grund der relativ hohen Glasübergangstemperatur von PS (Tg = 105 °C) experimentell nicht durchführbar. Ähnliches Verhalten wurde von Fuchs et al. [5] für tektongefüllte PS-Compounds auf der Basis von BA/TP beobachtet. Wie bereits oben beschrieben, kann durch eine Analyse des Phasenwinkelverlaufs bei kleinen |G*|/GN0-Werten ein rheologisches Zustandsdiagramm erstellt werden, das sowohl einen thermisch induzierten als auch konzentrationsabhängigen Sol-Gel-Übergang beschreibt. Dieses Diagramm ist in Abb. 4.2.11 für PS/DBS dargestellt.

63

Ergebnisse und Diskussionen

Td

Temperatur [°C]

200 190 180

cgel

Tf

170 160 150 0

1

2

3

4

5

cDBS [Gew.-%] Abb. 4.2.11: Rheologisches Zustandsdiagramm für das PS/DBS-System. Die offenen Symbole (…) stellen den Sol-Zustand dar, die gefüllten („) den „Post-gel“-Zustand. Das (°) kennzeichnet den Gelzustand nach dem van Gurp-Palmen-Plot (Winter-Kriterium) und die eingezeichneten Linien verbinden die in Temperaturrampen ermittelten Übergangstemperaturen Tf und Td.

Wie bereits oben gezeigt, führt die Zugabe von DBS in Konzentration bis zu 1 Gew.-% DBS zu keiner Strukturbildung. Es muss erst eine bestimmte Grenzkonzentration, cgel, überschritten werden, damit die Netzwerkbildung rheologisch beobachtbar ist. Diese Konzentration befindet sich nach Abb. 4.2.11 im Bereich zwischen 1 und 2 Gew.-%. Nach der Aoki-Methode wurde die kritische Gelkonzentration zu 1.5 Gew.-% bestimmt. Mit zunehmender Konzentration an DBS steigt auch die Übergangstemperatur. Die Lage der Sol-Gel-Übergänge aus der Analyse des rvGP-Plots stimmt sehr gut mit den aus Temperaturrampen

ermittelten

Gelauflösungstemperaturen

(Td)

überein.

Da

die

Isothermen

mit

aufsteigender Temperatur gemessen wurden, kennzeichnen sie eine Strukturauflösung, korrelieren also mit den Auflösungstemperaturen Td. Die Gelbildungstemperaturen liegen ca. 15 bis 25 K tiefer als die Auflösungstemperaturen.

64

Ergebnisse und Diskussionen

Frequenzabhängige Eigenschaften Die frequenzabhängigen Eigenschaften von Polystyrol und verschiedenen PS/DBS-Compounds sind in Abb. 4.2.12 dargestellt. Es wurden Isothermen in einem Bereich von 130 °C bis maximal 170 °C zu einer Masterkurve geshiftet. In dieser Abbildung ist jeweils nur der Speichermodul bei

G' [Pa]

einer Referenztemperatur von 150 °C dargestellt.

10

7

10

6

10

5

10

4

10

3

10

2

10

1

5% DBS 2 % DBS 1 % DBS 0.5 % DBS PS standard -4

10

-3

10

-2

10

10

-1

0

10

1

10

2

10

ω aT [rad/s] Abb. 4.2.12: Masterkurven (nur G’) verschiedener PS/DBS-Systeme bei einer Referenztemperatur von 150 °C.

Für niedrige Konzentrationen von 0.5 und 1 Gew.-% DBS liegt G’ über den gesamten Frequenzbereich unterhalb der Matrixkurve. Es scheint, als liege DBS in der Matrix gelöst vor, was zu einer Absenkung des Moduls führt. Erst eine Konzentration größer als die kritische Gelkonzentration führt zu einer Strukturbildung, die einen Verstärkungseffekt hervorruft. Wahrscheinlich bleibt auch bei Konzentrationen größer als cgel eine gewisse Konzentration von DBS-Molekülen in der Matrix gelöst, während der darüber hinausgehende Anteil für die Strukturbildung verantwortlich ist. Eine Konzentration von 2 Gew.-% DBS führt zu einem starken Anstieg des dynamischen Speichermoduls, besonders im Fließbereich der Matrix. Des Weiteren ist zu beobachten, dass sich der Plateaumodul, wie bereits im rvGP-Plot dargestellt, um einen Faktor von etwa 3 erhöht hat.

Ergebnisse und Diskussionen

65

Bei der 5%-igen Probe zeigt sich der Verstärkungseffekt sowohl im Fließ- als auch im Plateaubereich noch ausgeprägter. Diese Verstärkung ist auf die Ausbildung des DBS-Netzwerkes zurückzuführen.

4.2.4.3

PP/DBS-System

In Abb. 4.2.13 ist die Auftragung des reduzierten komplexen Moduls |G*|/GN0,aPP gegen den Phasenwinkel δ für aPP mit unterschiedlichen DBS-Konzentrationen gezeigt. Aus Gründen der Übersichtlichkeit sind nur die für die Diskussion notwendigen Isothermen eingezeichnet. Für die reine aPP-Matrix beginnt die Kurve für kleine |G*|/GN0 –Werte bei 90° und sinkt mit zunehmendem Modul, bis der Plateaumodul GN0 erreicht ist. Die Isothermen der 0.5%-Probe sind durch einen Kreis dargestellt (z). Für hohe Temperaturen im Bereich von 160 bis 200 °C liegen die Isothermen auf der Matrixkurve. DBS liegt hier gelöst vor und die rheologischen Eigenschaften werden durch die Matrix bestimmt. Während die Isothermen von 140 °C und kleiner im Bereich des Plateaumoduls noch auf der Matrixkurve liegen, verläuft der Phasenwinkel bei kleinen Modulwerten über ein Maximum, bevor die δ-Werte wieder abnehmen, was der Probe in diesem Temperaturbereich einen elastischen Charakter zuspricht. Auch hier kann durch Extrapolation auf δ → 0 ein Gleichgewichtsmodul Ge bestimmt werden. Während die Isothermen von 80 und 100 °C aufeinander liegen und TTS in diesem Temperaturbereich gilt, ist die Übereinstimmung mit den Isothermen höherer Temperatur nicht zufriedenstellend. Das deutet auf eine unvollständige Strukturausbildung bei diesen Temperaturen hin.

66

Ergebnisse und Diskussionen

Phasenwinkel δ [°]

100

80

60 40

20 0 -4 10

aPP 0.5 % DBS 1% DBS 2% DBS 10

-3

0

GN (2%)

10

-2

0

10

-1

10

0

10

1

|G*| / GN ,aPP Abb. 4.2.13: Van Gurp-Palmen-Plot für aPP mit unterschiedlichen DBS-Konzentrationen. Die Symbolart kennzeichnet die Konzentration, die Füllung der Symbole die jeweilige Temperatur:

Für die 1%-ige Probe, symbolisiert durch (S), verlaufen die Isothermen von 200 bis 180 °C auf der Matrixkurve. Hier wird schon bei einer Temperatur von 160 °C ein Postgel-Verhalten beobachtet, was durch den nach unten strebenden Verlauf des Phasenwinkels bei kleinen Modulwerten gezeigt ist. Hier liegen die Isothermen im Temperaturbereich von 120 bis 80 °C übereinander, sodass nur für diese tiefen Temperaturen TTS erfüllt ist.

Die aPP-Probe mit 2 Gew.-% DBS, durch (¡) dargestellt, zeigt ein etwas anderes Verhalten. Das Minimum der Kurve ist nach rechts verschoben, was einer Erhöhung des Plateaumoduls um ungefähr den Faktor 2 entspricht. Das heisst, dass sich die Netzwerkbildung für diese Konzentration zusätzlich auf den Plateaubereich auswirkt. Für sehr hohe Temperaturen bis 200 °C strebt der Phasenwinkel für kleine Modulwerte auf 90° zu, was dem Sol-Zustand entspricht. Bei 190 °C ändert sich dieses Verhalten: δ verläuft über ein Maximum, bevor die Kurve kleinen δ-Werten zustrebt, was für ein zunehmend elastisches Verhalten dieser Probe spricht. Dieses Verhalten setzt sich mit abnehmender Temperatur fort.

67

Ergebnisse und Diskussionen

Auch bei dieser Konzentration ist die Erfüllung des TTS nur bei Temperaturen von 120 °C und kleiner gegeben. Alle untersuchten Konzentrationen haben gemeinsam, dass das Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip nur für sehr große Unterkühlungen unterhalb der Übergangstemperatur erfüllt ist. Es scheint, dass erst eine Unterkühlung von ca. 60 K einen vollständigen Strukturaufbau gewährleistet. Offensichtlich ist der Bildungsprozess bei geringeren Unterkühlungen noch nicht abgeschlossen und das der Grund dafür ist, dass die Bedingungen für TTS nicht mehr erfüllt sind. Bei hohen Temperaturen ist die DBS-Struktur komplett aufgelöst und die Matrix bestimmt die rheologischen Eigenschaften.

Wie bereits für die anderen Polymermatrizes beschrieben, kann aus dem Verlauf des Phasenwinkels bei kleinen Modulwerten eine Zuordnung bezüglich des Sol-Gel-Übergangs getroffen werden und ein rheologisches Zustandsdiagramm erstellt werden.

Temperatur [°C]

200

180

160

cgel

140

120 0,5

1,0

1,5

2,0

cDBS [Gew.-%] Abb. 4.2.14: Rheologisches Zustandsdiagramm für aPP/DBS-Proben. Die offenen Symbole (…) stellen den Sol-Zustand dar, die gefüllten („) den „Post-gel“-Zustand. Die eingezeichnete Linie verbindet die in Temperaturrampen ermittelten Übergangstemperaturen Tf.

In Abb. 4.2.14 sind nur die Gelbildungstemperaturen dargestellt, da die Auflösungstemperaturen für dieses System nicht eindeutig zu bestimmen waren. Im Falle des aPP zeigt sich eine sehr

68

Ergebnisse und Diskussionen

gute Übereinstimmung zwischen dem über den rvGP-Plot ermittelten Sol-Gel-Übergang und den Übergangstemperaturen, die durch Temperaturrampen bestimmt wurden. Die Gelkonzentration cgel liegt nach Abb. 4.2.14 zwischen 0 und 0.5 Gew.-% DBS. Aus der Bestimmungsmethode nach Aoki wurde die Gelkonzentration cgel zu 0.4 Gew.-% bestimmt. Wird diese Konzentration überschritten, baut sich in Abhängigkeit der Temperatur eine Netzwerkstruktur auf. Oberhalb der Übergangstemperatur liegt DBS in der Matrix gelöst vor, während sich unterhalb dieser Temperatur eine Skelettstruktur bildet. Wie aus dem rvGP-Plot ersichtlich, ist die Strukturbildung für Temperaturen in der Nähe der Übergangstemperatur noch nicht vollständig abgeschlossen. Die Form der dazugehörigen Isothermen unterscheiden sich und die Isothermen kommen nicht auf der gleichen Kurve zu liegen. Erst eine Unterkühlung (= Quench) von ungefähr 60 K unterhalb der Gelbildungstemperatur Tf stellt sicher, dass der Strukturbildungsprozess abgeschlossen ist und die Bedingungen für TTS erfüllt sind.

Frequenzabhängige Eigenschaften Aus denjenigen Isothermen, für die nach dem rvGP-Plot in Abb. 4.2.13 das Zeit-TemperaturSuperpositionsprinzip erfüllt war, wurden Masterkurven erstellt. Der Temperaturbereich lag dabei zwischen 60 und 120°C. Der Speichermodul dieser Masterkurven ist in Abb. 4.2.15 für

G' [Pa]

eine Referenztemperatur von 100 °C dargestellt.

10

7

10

6

10

5

10

4

10

3

10

2

10

1

10

0

10

2% DBS 1% DBS 0.5% DBS aPP -3

10

-2

10

-1

10

0

10

1

10

2

10

3

ω aT [rad/s] Abb. 4.2.15: Masterkurven (nur G’) für aPP mit unterschiedlichen DBS-Konzentrationen bei einer Referenztemperatur von 100 °C.

Ergebnisse und Diskussionen

69

Bei der 0.5%-igen Probe ist im Plateaubereich ein Verdünnungseffekt, im Fließbereich jedoch eine Erhöhung des Moduls zu beobachten. Wie im Falle von PS bleibt auch hier offensichtlich ein Anteil in der Matrix gelöst zurück, während der ungelöste Anteil für die Strukturbildung verantwortlich ist. Je höher die Konzentration, um so mehr überwiegt der strukturbildende Anteil. Die Masterkurve der Probe mit 1 Gew.-% zeigt im Plateaubereich weder einen Verdünnungsnoch einen Verstärkungseffekt; hier kompensieren sich offensichtlich beide Effekte. Im terminalen Bereich überwiegt der Beitrag des DBS-Netzwerkes. Bei der Zugabe von 2 Gew.-% DBS dominiert der Verstärkungseffekt, was sich in einer Erhöhung sowohl des Moduls im Fließbereich als auch des Plateaumoduls widerspiegelt. Für niedrige Frequenzen wird ein Powerlaw-Verhalten mit einer sehr geringen Steigung beobachtet, wie es bereits für PPO/DBS-Systeme diskutiert wurde.

4.2.4.4

PDMS/DBS-System

In Abb. 4.2.16 ist der van Gurp-Palmen-Plot für PDMS/DBS aufgetragen. Da aus den rheologischen Messungen kein Plateaumodul zu bestimmen war, wurde ein Literaturwert von 2x105 Pa verwendet. Für eine Konzentration von 1 Gew.-% liegen alle Isothermen auf einer Kurve, die mit der Matrixkurve identisch ist. TTS ist gültig und es kann eine Masterkurve erstellt werden. Auch hier muss zuerst eine bestimmte Schwellenkonzentration überschritten werden, um eine Strukturbildung zu initiieren.

70

Ergebnisse und Diskussionen

Phasenwinkel δ [°]

100 PDMS 1% DBS 1.5% DBS 2% DBS 4% DBS

80 60

40 20 0 -4 10

10

-3

10

-2

0

10

-1

|G*| / GN ,PDMS [Pa]

10

0

10

1

Abb. 4.2.16: Van Gurp-Palmen-Plot für PDMS mit unterschiedlichen DBS-Konzentrationen. Die Symbolart kennzeichnet die Konzentration, die Füllung der Symbole die jeweilige Temperatur:

Schon bei einer Zugabe von 1.5 Gew.-% ändert sich dieses Verhalten. Einzelne Isothermen sind in Abb. 4.2.16 durch () mit unterschiedlichen Füllungen entsprechend den Temperaturen dargestellt. Das Zeit-Temperatur-Superpositions-Prinzip ist nicht mehr erfüllt, die einzelnen Isothermen liegen nicht mehr übereinander. Für Temperaturen bis 140 °C nimmt der Phasenwinkel für kleine reduzierte Moduli stark ab, was den elastischen Charakter dieser Probe bei der jeweiligen Temperatur anzeigt. Bei einer Temperatur von 160 °C verläuft der Phasenwinkel annähernd waagerecht und strebt einem von 90° verschiedenen Wert zu. Diese Temperatur charakterisiert also nach dem Winter-Kriterium den Gelpunkt. Für eine Temperatur von 180 °C und größer läuft der Phasenwinkel auf 90° zu, was den Solzustand dieser Probe beschreibt.

71

Ergebnisse und Diskussionen

Auch bei der 2%-igen Probe ist TTS nicht erfüllt. In diesem Fall zeigen die Isothermen bis 160 °C elastisches Verhalten an, während bei 180 °C und höher ein solartiges Verhalten beobachtet wird. Wie bei den niedrigeren Konzentrationen ist auch für die Probe mit 4 Gew.-% DBS das ZeitTemperatur-Superpositions-Prinzip nicht erfüllt. Allerdings zeigt diese Probe gegenüber den weiteren untersuchten ein zusätzliches Merkmal auf: Die einzelnen Kurven sind um einen gewissen Betrag nach rechts verschoben, der Plateaumodul scheint um den Faktor von ungefähr 5 erhöht. Dieser Effekt, der erst bei einer relativ hohen Konzentration von 4 Gew.-% zum Tragen kommt, ist auf die Netzwerkbildung zurückzuführen. Diese Probe befindet sich nach Abb. 4.2.16 für Temperaturen bis 160 °C im Gelzustand, während eine Temperatur von 180 °C und höher zu einer Auflösung der Gerüststruktur führt. Das rheologische Zustandsdiagramm, das aus den Informationen der Abb. 4.2.16 erstellt wurde, ist in Abb. 4.2.17 dargestellt. In dieser Abbildung ist nur die Gelbildungstemperatur Tf eingezeichnet, da die Auflösungstemperatur Td für dieses System nicht eindeutig zu bestimmen war.

Temperatur [°C]

200

180

Tf

cgel 160

140 1

2

3

4

cDBS [Gew.-%] Abb. 4.2.17: Rheologisches Zustandsdiagramm für PDMS/DBS-Proben. Die offenen Symbole (…) stellen den Sol-Zustand dar, die gefüllten („) den „Post-gel“-Zustand. Die eingezeichnete Linie verbindet die in Temperaturrampen ermittelten Übergangstemperaturen Tf.

72

Ergebnisse und Diskussionen

Für Konzentrationen von 1 Gew.-% und kleiner wird keine Netzwerkbildung beobachtet. Es muss erst eine kritische Konzentration cgel überschritten werden, um eine Strukturbildung zu initiieren. Diese liegt nach Abb. 4.2.17 zwischen 1 und 1.5 Gew.-% DBS. Nach der Methode von Aoki wurde diese Konzentration zu 1.4 Gew.-% bestimmt. Die in Abb. 4.2.17 dargestellten, aus den rvGP-Plots ermittelten Übergangstemperaturen stimmen sehr gut mit den über Temperaturrampen ermittelten Übergangstemperaturen Tf überein. Frequenzabhängige Eigenschaften Der rvGP-Plot zeigte, dass sich nur für die 1%-ige Probe eine Masterkurve aufstellen lässt. Für die übrigen Konzentrationen lassen sich die einzelnen Isothermen für keine der Temperaturen zu einer Masterkurve verschieben. Deshalb sind in Abb. 4.2.18 nur für PDMS und für die 1%-ige Probe Masterkurven dargestellt, für die höheren Konzentrationen nur einzelne Isothermen bei einer Temperatur von 50 °C. 6

10

5

10

4

10

G' [Pa]

3

10

4% 2% 1.5% 1% PDMS

2

10

1

10

0

10 10

-1 -1

10

0

10

1

10

2

10

3

10

ω [rad /s] Abb. 4.2.18: Masterkurven bzw. Isothermen (nur G’) unterschiedlicher PDMS/DBS-Proben bei einer Temperatur von 50 °C.

Für eine Probe mit einem Gehalt von 1 Gew.-% DBS liegen die Modulwerte unterhalb der der reinen Matrix. Es tritt ein Verdünnungseffekt auftritt, wie er bereits für PS beobachtet worden ist.

73

Ergebnisse und Diskussionen

Erst bei Überschreiten der kritischen Gelkonzentration bildet sich eine Netzwerkstruktur aus, die in einer Erhöhung des dynamischen Speichermoduls im Fließbereich resultiert. Für Konzentrationen von 1.5 Gew.-% und höher wird für niedrige Frequenzen ein PowerlawVerhalten mit einer sehr geringen Steigung beobachtet, wie es bereits für PPO/DBS- und aPP/DBS-Systeme diskutiert wurde.

4.2.4.5

SAN/DBS-System

In Abb. 4.2.19 ist der reduzierte van Gurp-Palmen-Plot für SAN, eine 2 Gew.-%- und eine 4 Gew.-%-Probe dargestellt. Alle Isothermen (150-210 °C) kommen auf einer Kurve zu liegen, die mit der Matrixkurve annähernd übereinstimmt. Masterkurven können über den gesamten Temperaturbereich konstruiert werden. Im Gegensatz zu den anderen Matrizes wird in PDMS für keine der Konzentrationen im rheologisch zugänglichen Temperaturbereich eine Strukturbildung beobachtet.

Phasenwinkel δ [°]

100 80 60 40

20 0 -3 10

PSAN 1 % DBS 4 % DBS -2

10

-1

10

0

10

0

1

10

|G*| / GN

Abb. 4.2.19: Van Gurp-Palmen-Plot für SAN mit und ohne DBS.

Eine Erklärung hierfür kann in Kap. 4.1.3 gefunden werden. Die systematische Studie bezüglich der enthalpischen Wechselwirkungen zwischen dem niedermolekularen Gelbildner DBS und verschiedenen Polymermatrizes zeigte eine Korrelation zwischen der Übergangstemperatur und

74

Ergebnisse und Diskussionen

den enthalpischen Wechselwirkungen, ausgedrückt durch die Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter δ beider Komponenten. SAN und DBS haben einen ähnlichen Löslichkeitsparameter, d.h. sie sind sehr gut miteinander verträglich. In diesem Falle wird eine sehr niedrige Übergangstemperatur erwartet. Berechnungen ergaben eine Gelbildungstemperatur von ca. 95 °C, welche unterhalb der Glasübergangstemperatur von SAN liegt und deshalb schmelzrheologisch nicht zugänglich ist. Frequenzabhängige Eigenschaften Die Masterkurven der reinen SAN-Matrix und der 4%-Probe sind in Abb. 4.2.20 für eine Referenztemperatur von 190 °C gegenübergestellt.

[Pa]

6

10

5

G''

10

4

G'

10

G' PSAN G'' G' 4% DBS G''

3

10

2

10

-1

10

0

10

1

10

ω aT [rad/s]

2

10

3

10

Abb. 4.2.20: Masterkurven für die reine SAN-Matrix und eine Probe mit 4 Gew.-% DBS bei einer Referenztemperatur von 190 °C.

Für die DBS-Mischung tritt über den gesamten Frequenzbereich eine Erniedrigung des Plateaumoduls auf. Das bedeutet, dass DBS, wie bereits bei PS und PDMS für geringe Konzentrationen beobachtet wurde, in der Matrix gelöst vorliegt und dadurch einen Verdünnungseffekt hervorruft. Im Gegensatz zum Polystyrol kommt es im SAN auch bei höheren Konzentrationen zu keiner Strukturbildung, was auf die große Kompatibilität von DBS und SAN zurückzuführen ist.

75

Ergebnisse und Diskussionen 4.2.4.6

PMMA/DBS-System

In Abb. 4.2.21 zeigt der van Gurp-Palmen-Plot von PMMA und einer 2 Gew.-% Probe ein ähnliches Verhalten, wie bereits für SAN beobachtet. TTS ist über den gesamten Temperaturbereich gültig und die einzelnen Isothermen können zu einer Masterkurve geshiftet werden. Es wird keine Strukturbildung beobachtet, sondern es kommt zu einem Verdünnungseffekt. Ebenfalls wie SAN besitzt PMMA einen Hildebrand Löslichkeitsparameter ähnlich dem von DBS, sodass auch hier angenommen werden kann, dass PMMA und DBS zu gut verträglich sind, um eine Strukturbildung von DBS im zugänglichen Temperaturbereich beobachten zu können. DBS liegt über den gesamten Temperaturbereich in PMMA gelöst vor.

Phasenwinkel δ [°]

100 80

60

40

20 0 -3 10

PMMA 2% DBS -2

10

-1

10

0

0

|G*| / GN

10

1

10

Abb. 4.2.21: Reduzierter van Gurp-Palmen – Plot für PMMA und eine 2 Gew.-% Probe.

Berechnungen der Gelbildungstemperatur analog zum SAN/DBS-System (siehe Kap. 4.1.3) ergaben auch im Fall von PMMA eine Gelbildungstemperatur, die weit unterhalb des Tg von PMMA von 110 °C und dadurch mittels Schmelzrheologie nicht erfassbar ist.

76

Ergebnisse und Diskussionen

Frequenzabhängige Eigenschaften In Abb. 4.2.22 sind die Masterkurven für reines PMMA und einer 2%-igen Probe bei einer Referenztemperatur von 190 °C dargestellt. Wie im Fall der SAN-Matrix, liegen sowohl Speicher- als auch Verlustmodul des Compounds über den gesamten Frequenzbereich unterhalb der reinen Matrix. 7

G'' [Pa]

10

6

10

5

10

4

G'

10

3

PMMA 2% DBS

10

2

10

-1

10

0

1

10

2

10

10

3

10

ω aT [rad/s] Abb. 4.2.22: Masterkurve von reinem PMMA sowie einer 2%-igen DBS-Probe bei einer Referenztemperatur von 190 °C.

Wie bereits oben diskutiert, kommt es auch im Fall von PMMA im experimentell zugänglichen Temperaturbereich zu keiner Strukturbildung auf Grund der großen Kompatibilität von DBS und dem Polymer.

4.2.4.7

Lmw (niedermolekulares) PMMA/DBS-System

Um die Ergebnisse, die am PMMA/DBS-System beobachtet wurden, zu verifizieren, wurde ein niedermolekulares PMMA (lmw PMMA) eingesetzt. Dieses Material besitzt eine niedrigere Glasübergangstemperatur (60°C) als PMMA, wodurch ein erweitertes Temperaturfenster zur Messung

zur

Verfügung

steht.

In

Abb.

4.2.23

ist

der

van

Gurp-Palmen-Plot

für

niedermolekulares (lmw) PMMA und Compounds mit 1, 1.5 und 2 Gew.-% DBS dargestellt. Da

77

Ergebnisse und Diskussionen

für das niedermolekulare PMMA kein Plateaumodul existiert, wurde ein charakteristischer Modul Gc,lmwPMMA bestimmt: An jener Position, an der tan δ im Frequenzsweep ein Minimum aufwies, wurde der Speichermodul ausgelesen und dieser Wert wurde als Gc,lmwPMMA verwendet.

Phasenwinkel δ [°]

100 80 60 40 lmw PMMA 1% DBS 1.5% DBS 2% DBS

20 0 10

-6

10

-5

10

-4

10

-3

10

-2

|G*| / GN

0

10

-1

10

0

10

1

Abb. 4.2.23: Van Gurp-Palmen-Plot für lmw PMMA mit unterschiedlichen DBS-Konzentrationen. Die Symbolart kennzeichnet die Konzentration, die Füllung der Symbole die jeweilige Temperatur:

Für die niedrigste Konzentration von 1 Gew.-% DBS, durch () dargestellt, liegen alle Isothermen auf der Matrixkurve. Diese Konzentration reicht offenbar nicht aus, um eine Strukturbildung in der Matrix hervorzurufen, die rheologisch detektierbar ist. Für dieses Material ist das Prinzip der Zeit-Temperatur-Superposition erfüllt. Bei Zugabe von 1.5 Gew.-% DBS zu lmw PMMA ändert sich das Verhalten. Für Temperaturen bis einschließlich 130 °C stimmt der Phasenwinkel im Plateaubereich noch mit der Matrixkurve überein, verläuft aber dann mit abnehmendem reduziertem Modul über ein Maximum, was eine Strukturbildung bei diesen Temperaturen anzeigt. Bei einer Temperatur von 140 °C läuft die Isotherme auf der Matrixkurve, der Phasenwinkel nimmt bei einem kleinen reduzierten Modul einen Wert von 90° ein. Bei dieser Temperatur hat sich die Struktur wieder vollständig aufgelöst.

78

Ergebnisse und Diskussionen

Bei 2 Gew.-% DBS zeigt sich ein ähnliches Verhalten. Die Isothermen bis 130 °C zeigen durch ihren nach unten gerichteten Verlauf eine Strukturbildung an. Bei 140 °C liegt die Isotherme auf der Matrixkurve; die Netzwerkstruktur ist komplett aufgelöst und die Matrixeigenschaften überwiegen. Das Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip ist für alle Konzentrationen größer 1 Gew.-% nur für tiefe Temperaturen in einem sehr engen Bereich von 40 bis 50 °C näherungsweise gültig. Isothermen höherer Temperaturen liegen nicht übereinander, so dass hier TTS nicht mehr erfüllt ist. Alle Isothermen in Abb. 4.2.23 laufen im Plateaubereich zusammen. Das bedeutet, dass die Strukturbildung des DBS in lmw PMMA zu keiner Erhöhung des Plateaumoduls führt, wie es für andere Systeme beobachtet wurde.

Das rheologische Zustandsdiagramm für dieses System ist in Abb. 4.2.24 dargestellt.

Temperatur [°C]

150 140

Td

130

cgel

120

Tf

110 100 1,0

1,5

2,0

cDBS [Gew.-%] Abb. 4.2.24: Rheologisches Zustandsdiagramm für lmw PMMA/DBS-Proben. Die offenen Symbole (…) stellen den Sol-Zustand dar, die gefüllten („) den „Post-gel“-Zustand. Die eingezeichnete Linie verbindet die in Temperaturrampen ermittelten Übergangstemperaturen Tf. Das (°) kennzeichnet die Gelauflösungstemperatur Td.

79

Ergebnisse und Diskussionen

Für die 1%-ige Probe wurde über den gesamten Temperaturbereich keine Gelbildung beobachtet. Die Grenzkonzentration, die überschritten werden muss, um eine Strukturbildung zu initiieren, liegt zwischen 1 und 1.5 Gew.-%. Im Aoki-Diagramm wurde diese Konzentration zu 1.4 Gew.-% bestimmt. Konzentrationen größer als diese kritische Gelkonzentration cgel führen zu einer temperaturabhängigen Strukturbildung in lmw PMMA. Die Gelauflösungstemperaturen für dieses System war nur für die 2%-ige Probe zu bestimmen. Die Gelbildungstemperaturen liegt ca. 10 K unterhalb der Auflösungstemperatur. Es konnte gezeigt werden, dass in niedermolekularem PMMA, ganz im Gegensatz zu hochmolekularem PMMA, durch Zugabe von DBS eine Strukturbildung beobachtet werden kann. Dadurch werden die theoretischen Voraussagen, die in Kap. 4.1.3 durchgeführt wurden, bestätigt.

Frequenzabhängige Eigenschaften Aus dem van Gurp-Palmen-Plot war zu erkennen, dass das Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip für DBS in niedermolekularem PMMA nur näherungsweise und in einem sehr begrenzten Temperaturbereich möglich ist. Deshalb sind in Abb. 4.2.25 nur Isothermen unterschiedlicher DBS-Konzentration bei einer Temperatur von 60 °C dargestellt. 7

10

6

10

5

G' [Pa]

10

4

10

3

10

lmw PMMA 1% DBS 1.5% DBS 2% DBS

2

10

1

10

-3

10

-2

10

-1

0

10

10

1

10

2

10

3

10

ω [rad/s] Abb. 4.2.25: Isothermen von niedermolekularem PMMA (lmw PMMA) sowie verschiedenen DBSKonzentrationen bei einer Temperatur von 60 °C.

80

Ergebnisse und Diskussionen

Es ist erkennbar, dass für die 1%ige Probe der Modul unterhalb der reinen PMMA-Probe liegt, sodass man davon ausgehen kann, dass hier ein Verdünnungseffekt vorherrscht. Bei Überschreiten der kritischen Gelkonzentration cgel von 1.4 Gew.-% kommt es zur Strukturbildung, die einen Einfluss auf die rheologischen Eigenschaften im Fließbereich hat: Es kommt zu einer Erhöhung des Speichermoduls um mehrere Dekaden im Vergleich zur reinen Matrix. Die Erhöhung setzt sich mit zunehmender DBS-Konzentration fort. Im Bereich der kleinsten gemessenen Frequenzen bildet sich ein Powerlaw-Verhalten aus, das auf das nanofibrilläre Netzwerk zurückzuführen ist.

4.2.5 Zusammenfassung In PPO zeigt sich über den gesamten Konzentrationsbereich eine Gültigkeit des ZeitTemperatur-Superpositionsprinzips. Oberhalb der kritischen Gelkonzentration von 0.19 Gew.-% DBS zeigt sich in den frequenzabhängigen Untersuchungen ein Powerlaw-Verhalten mit einer Steigung von ungefähr 0.05. Der Verstärkungseffekt im Fließbereich nimmt mit steigender DBSKonzentration zu. Im Phasendiagramm wurde eine gute Übereinstimmung der Ergebnisse bezüglich der Übergangstemperaturen aus den Temperaturrampen und der Analyse des rvGPPlots gefunden. DBS bildet auch in PS und aPP eine Nanostruktur aus. TTS ist für Konzentrationen oberhalb der kritischen Gelkonzentration (cgel(PS) = 1.5 Gew.-% DBS, cgel(aPP) = 0.4 Gew.-% DBS) nur bei ausreichender Unterkühlung erfüllt. Der Verstärkungseffekt zeigt sich sowohl durch eine Erhöhung des Plateaumoduls als auch durch ein Powerlaw-Verhalten im Fließbereich. Ebenfalls wurde für das PDMS/DBS-System in rheologischen Untersuchungen eine Gelbildung beobachtet. Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Systemen war die Gültigkeit des ZeitTemperatur-Superpositionsprinzips für keine der untersuchten Temperaturen gültig. Die Gelkonzentration dieses Systems wurde zu 1.4 Gew.-% DBS bestimmt. Wird diese Konzentration überschritten, wird ein Powerlaw-Verhalten im terminalen Bereich beobachtet. Demgegenüber wurde für SAN- und PMMA-Matrizes ein komplett anderes Verhalten beobachtet. Im zugänglichen Temperaturfenster wurde für keine der untersuchten Konzentrationen eine Strukturbildung beobachtet. Eine Erklärung für dieses Verhalten lässt sich an Hand der Hildebrand Löslichkeitsparameter finden. Diese Polymere besitzen einen Löslichkeitsparameter, der dem von DBS sehr ähnlich ist und sind folglich sehr gut mit DBS verträglich. Berechnungen der Übergangstemperaturen ergaben eine Gelbildungstemperatur Tf von 95 °C

Ergebnisse und Diskussionen

81

(SAN) und 80 °C (PMMA), welche unterhalb des Glasübergangs der Matrix liegen. Somit waren diese Übergänge mittels Schmelzrheologie nicht zu beobachten. Aus diesem Grund wurde auf das lmw PMMA/DBS-System zurückgegriffen. Lmw PMMA zeichnet sich durch eine tiefere Glasübergangstemperatur aus als das hochpolymere Analogon. Wie erwartet, konnte in dieser Matrix eine Gelbildung beobachtet werden. Die Erfüllung des TTS-Prinzips war allerdings nur in einem sehr eingeschränkten Temperaturbereich gegeben. Die Gelkonzentration wurde für dieses System zu 1.4 Gew.-% DBS bestimmt. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die unterschiedlichen Polymer/DBS-Systeme kein einheitliches Verhalten zeigen was sowohl die kritische Gelkonzentration, die Erfüllung des ZeitTemperatur-Superpositionsprinzips und die Verstärkungseffekte angeht. Um einen Vergleich aufzustellen, der alle Polymer/DBS-Systeme miteinschließt, bietet sich an dieser Stelle eine Vereinheitlichung der unterschiedlichen Systeme an. Auf die verschiedenen Kriterien wird im nächsten Abschnitt eingegangen.

82

Ergebnisse und Diskussionen

4.2.6 Definition eines Referenzzustandes Um die rheologischen Gleichgewichtseigenschaften aller Matrizes zu vergleichen, ist es notwendig, einen einheitlichen Referenzzustand für alle Proben zu definieren. Dabei spielen die Konzentration an Gelbildner DBS, die Referenztemperatur und die intrinsischen Eigenschaften der reinen Polymermatrix eine Rolle. Auf diese Punkte wird im Folgenden näher eingegangen.

4.2.6.1

Definition einer Referenzkonzentration

Wie bereits gezeigt wurde, besitzt jedes System eine unterschiedliche Gelkonzentration cgel. Deshalb sollte eine Referenzkonzentration ~ c gewählt werden, bei der sich alle Proben im Postgel-Zustand befinden und sich jeweils die gleiche Menge an DBS am Strukturaufbau beteiligt. Aus diesem Grund wurde für die unterschiedlichen Proben jeweils eine Konzentration

c = (c-cgel)/cgel größer als 1 ist. gewählt, bei der ~

4.2.6.2

Bestimmung der Referenztemperatur bzw. Festlegung der Unterkühlung

Damit eine vollständige Ausbildung der Skelettstruktur erzielt wird, ist eine bestimmte Unterkühlung unterhalb der Gelbildungstemperatur Voraussetzung. Das Kriterium hierfür ist die Erfüllung des Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzips. Untersuchungen in vorangestellten Kapiteln zeigten, dass die Unterkühlung (Quench) mindestens 60 K betragen sollte, um dieses Kriterium zu erfüllen. Leider war diese Unterkühlung nicht für alle Polymermatrizes erreichbar, sodass diese Proben gesondert diskutiert werden müssen. Für Proben, die nicht zu einer Masterkurve geshifted werden konnten, wurde die jeweilige Isotherme bei der Referenztemperatur dargestellt. Die Beschriftung „ωred aT“ bleibt erhalten, auch wenn für einige Polymere nur Isothermen dargestellt sind.

4.2.6.3

Normierung der intrinsischen Matrixeigenschaften

Da hier nur der Einfluss des DBS-Skeletts auf die viskoelastischen Gleichgewichtseigenschaften betrachtet werden soll, müssen die intrinsischen Eigenschaften der Polymermatrix herausgerechnet

werden.

Aus

diesem

Grund

wurde

ein

reduzierter

dynamischer

Modul

(Gred=G’(ω/GN0matrix) und eine reduzierte Frequenz (ω aT λ0,matrix) eingeführt, der die Matrixeigenschaften normiert. Hier ist GN0matrix der Plateaumodul und λ0,matrix die Crossoverfrequenz der

83

Ergebnisse und Diskussionen

reinen Matrix. Eine reine Matrix hätte also in dieser Auftragung einen Plateaumodul von 1 Pa und die Crossoverfrequenz würde bei 1 rad/s liegen. In Abb. 4.2.26 ist der reduzierte dynamische Modul G’/GN0matrix der unterschiedlichen Proben mit

c = (c-cgel)/cgel im Bereich von 1.3 bis 1.8 und bei der ausgewählten Referenzkonzentration ~ einer Referenztemperatur von ca. 60 K unterhalb der Gelbildungstemperatur gegen die reduzierte Frequenz ω aT λ0,matrix aufgetragen.

2

10

I

II

III

1

10 matrix

10

O

G' / GN

0

10

-1

0.05

-2

10

PS / 2% PDMS / 4% PPO / 0.5% lmw PMMA / 4% aPP / 1% aPP-Matrix

0.18 -3

10

-4

10

-5

10

-4

10

-3

10

-2

10

-1

10

0

10

ω aT λmatrix

1

10

2

10

3

10

Abb. 4.2.26: Auftragung des reduzierten Moduls gegen die reduzierte Frequenz.

Die jeweiligen Charakteristika der dargestellten Proben sind in Tab. 4.2 wiedergegeben. Um einen Vergleich mit einer ungefüllten, reinen Polymermatrix zu ermöglichen, ist die Masterkurve der reinen aPP-Matrix bei einer Tref = 100 °C eingezeichnet.

84

Ergebnisse und Diskussionen

cgel

c

~ c =

Tf (c)

Tref

Quench

[Gew.-%]

[Gew.-%]

(c-cgel)/cgel

[°C]

[°C]

[K]

PPO

0.19

0.5

1.63

79

20

59

PS

1.5

3.5

1.33

165

150

15

aPP

0.4

1.0

1.5

164

100

64

PDMS

1.4

4.0

1.85

171

110

61

lmwPMMA

1.4

4.0

1.85

130

80

50

Polymer

Tab. 4.2: Charakteristika der zu vergleichenden Polymer/DBS-Systeme in Abb. 4.2.21.

4.2.7 Diskussion Der Speichermodul G’ der auf 100 °C geshifteten Masterkurve des reinen aPP zeigt ein Verhalten, wie es für Polymerschmelzen linearer Moleküle erwartet wird: Ausgehend vom Plateaubereich fällt im Fließbereich der Speichermodul G’ mit einer Steigung von 2 ab. Die Crossover-Frequenz der Matrix beträgt in dieser reduzierten Darstellung 1 rad/s und der Plateaumodul liegt bei 1 Pa.

Für die dargestellten Polymer/DBS-Proben zeigt sich ein anderes Verhalten. Um eine Diskussion zu erleichtern, ist die Frequenzachse in Abb. 4.2.26 in drei Bereiche eingeteilt: (I) stellt den Netzwerkbereich dar, (II) einen Übergangsbereich und (III) den Plateaubereich. Die Kurven der unterschiedlichen Proben laufen im Plateaubereich auf die der reinen Matrix zu bzw. verlaufen parallel dazu. Im Bereich mittlerer Frequenzen (Bereich II) wird ein Übergangsverhalten erwartet, da die Matrix hier immer noch eine Rolle spielt. Erst im Bereich I (Netzwerkbereich) treten nur noch die Eigenschaften des reinen DBS-Netzwerkes auf, da die Matrix bereits vollständig relaxiert ist. In diesem Bereich wird eine drastische Erhöhung des Moduls um bis zu mehreren Dekaden beobachtet.

Ergebnisse und Diskussionen

85

Bei den meisten Systemen wird im Netzwerkbereich I ein Powerlaw-Verhalten mit einer sehr geringen Steigung beobachtet. Dieses Relaxationsverhalten kann ausschließlich dem DBSNetzwerk zugesprochen werden, da der viskoelastische Beitrag der Matrix in diesem Frequenzbereich vernachlässigbar klein ist. Das Auftreten eines Powerlaw-Verhaltens wird mit dem dynamischen Charakter dieser Netzwerke in Verbindung gebracht. Ein ähnliches PowerlawVerhalten mit einem kleinen Exponenten ist für sogenannte „soft glassy materials“ bekannt [103]. Ähnliche Frequenzabhängigkeiten wurden zum Beispiel für multilamellare Vesikel in Wasser [119] oder für ausgeflockte Dispersionen [120] gefunden. Diese unterschiedlichen Systeme verbindet, dass die Elastizität auf physikalischen Wechselwirkungen beruht.

Das Modell von Sollich et al. [102,103] (siehe Kap. 3.4.2) geht von einem eingefrorenen, metastabilen Zustand aus und beschreibt die dynamischen Moduli in Abhängigkeit einer effektiven Temperatur x. Bei tiefen Temperaturen (bei Annäherung an die Glasübergangstemperatur (x ≈ 1)) gilt: Sowohl G’ als auch G’’ sind proportional zu ωx-1. Für beide Moduli wird demnach eine schwache Frequenzabhängigkeit vorausgesagt. Dies ist für die untersuchten Gele gegeben. Für x werden nach Abb. 4.2.26 Werte im Bereich von 0.05 und 0.18 beobachtet. Für PDMS wird ein fast frequenzunabhängiger Verlauf beobachtet. Für diese geringen Werte sollte nach Gl. 3.40 die elastischen Eigenschaften über die viskosen dominieren und somit tan δ kleine Werte annehmen. Dies ist für Konzentrationen oberhalb der kritischen Gelkonzentration cgel erfüllt. Das Modell von Sollich et al. ist also in der Lage, die Beobachtungen der untersuchten Polymer/DBS-Systeme zumindest qualitativ zu beschreiben und sie als glasartige, metastabile Systeme zu beschreiben.

Die relative Erhöhung des Moduls im Bereich I ist für aPP am kleinsten, gefolgt von lmw PMMA, PPO und PDMS, die vergleichbare Effekte zeigen. Polystyrol zeigt generell die größten Verstärkungseffekte. Wie bereits erwähnt, ist es wesentlich, eine ausreichende Unterkühlung der Systeme unterhalb der Übergangstemperatur zu erzielen, um eine vollständige Ausbildung der Struktur zu gewährleisten. Dieser Quench sollte, wie im Fall von aPP gezeigt, mindestens 60 K betragen. Für Polystyrol war auf Grund der relativ hohen Glasübergangstemperatur nur eine Unterkühlung von 15 K erreichbar, sodass hier vermutet werden kann, dass bei PS die Netzwerkstruktur noch nicht vollständig ausgebildet war.

86

Ergebnisse und Diskussionen

Die beobachteten Verstärkungseffekte sind auf die Ausbildung einer Netzwerkstruktur durch die Selbstorganisation von DBS zurückzuführen. An dieser Stelle bietet sich eine Diskussion der relativen Verstärkungen auf Basis der jeweils ausgebildeten Morphologie (Kap. 4.2.1) an. Für aPP und PS wurden verzweigte Strukturen gefunden, während sich die Netzwerke von PPO, PDMS und niedermolekularem PMMA durch lineare Fasern auszeichneten. In Abb. 4.2.26 zeigen diejenigen Polymere, in denen DBS eine lineare Struktur ausbildet, mittlere Verstärkungseffekte. Die verzweigten Strukturen weichen davon ab: PS zeigt die intensivste, aPP die geringste Verstärkung. Wie die TEM-Aufnahmen in Abb. 4.2.2 zeigen, besitzen die DBS-Fasern in Polystyrol einen Durchmesser von ca. 30 nm, während sie in ataktischem Polypropylen fast das Doppelte erreichen. Auf Grund der geringeren Faserdicke können sich in PS mehr Entanglements ausbilden als in aPP, was zu einer Erhöhung der Elastizität führt.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine Strukturbildung nur beobachtet wird, wenn die Differenz in den Hildebrand Löslichkeitsparametern genügend groß ist, d.h. DBS und das Polymer nicht optimal miteinander verträglich sind. Zusätzlich muss ein ausreichender Quench realisierbar sein, um eine möglichst gute Strukturausbildung zu gewährleisten. Wird eine Netzwerkstruktur ausgebildet, so zeigt dieses System im terminalen Bereich ein Powerlaw-Verhalten mit einer sehr geringen Steigung, das auf den dynamischen Charakter des DBS-Netzwerkes zurückzuführen ist. Eine Korrelation des relativen Verstärkungseffektes mit den Hildebrand Löslichkeitsparametern zeigte keine eindeutige Abhängigkeit zwischen dem Ausmaß der Modulerhöhung und den enthalpischen Wechselwirkungen zwischen Polymermatrix und DBS.

87

Ergebnisse und Diskussionen

4.2.7.1

Konzentrationsabhängigkeit des Verstärkungseffektes

Wie in den vorangestellten Kapiteln beschrieben, kommt es in Abhängigkeit der Kompatibilität beider Komponenten auf Grund der Strukturbildung von DBS zu einer Erhöhung des dynamischen Moduls im terminalen Bereich. Dieser Effekt soll nun in Abhängigkeit der DBSKonzentration untersucht werden. Die jeweiligen Referenztemperaturen sind in Tab. 4.2 dargestellt. Um sicherzustellen, dass die Matrix keinen wesentlichen Einfluss mehr auf die viskoelastischen Eigenschaften nimmt, wurde der relative Verstärkungseffekt im Fließbereich bei einer Frequenz ausgelesen, die jeweils zwei Dekaden kleiner war als die entsprechende Crossoverfrequenz. Der Verstärkungseffekt ist dargestellt als der Quotient des Speichermoduls der Polymer/DBSProbe und der reinen Matrix, G’/G’matrix. Dieser ist in Abb. 4.2.27 gegen die reduzierte Konzentration ~ c aufgetragen.

5

10

4

10

G'gel / G'matrix

3

10

2

10

1

10

Verstärkungseffekt

0

10

Verdünnungseffekt

PS PDMS PPO lmw PMMA aPP

1 2 3 ~ c = (c - cgel) / cgel

4

-1

10

-2

10

-1

0

5

Abb. 4.2.27: Relativer Verstärkungseffekt in Abhängigkeit der reduzierten Konzentration

~ c für

unterschiedliche Polymer/DBS-Systeme.

Für Konzentrationen kleiner als die Gelkonzentration, d.h. für ~ c = (c-cgel)/cgel kleiner als null, wird für die PS- und die PDMS-Proben ein Verdünnungseffekt beobachtet: Der Quotient ist kleiner

88

Ergebnisse und Diskussionen

als 1. In diesem Fall ist DBS in der Matrix gelöst und der entsprechende Modul ist kleiner als der der reinen Matrix.

c = (c-cgel)/cgel > 0, erfolgt bei allen Wird die kritische Gelkonzentration überschritten, d.h. ~ Polymersystemen ein starker Anstieg des Speichermoduls. Das bedeutet, dass in diesem Bereich eine geringe Änderung der Konzentration zu einem enormen Verstärkungseffekt führt. Jedes zusätzliche DBS-Molekül wird in die vorhandene Faserstruktur eingebaut und trägt so zur Gesamtverstärkung bei.

c von ca. 1 erreicht, flacht der Kurvenverlauf für alle Wird eine charakteristische Konzentration ~ Polymere ab. Bei diesen Konzentrationen ist der Postgel-Zustand erreicht. Eine Abnahme der Steigung in diesem Bereich kann auf einen Sättigungseffekt zurückgeführt werden: Mit zunehmender Konzentration ruft der weitere DBS-Einbau offenbar nur noch geringe Stabilitätseffekte des Netzwerkes hervor, da das Netzwerk annähernd perfektioniert ist und führt so zu keiner ausgeprägten Steigerung mehr der Elastizität. Jedoch unterscheidet sich die Intensität des Verstärkungseffektes je nach Matrix. Für Polystyrol und PDMS werden die größten Effekte erzielt, wohingegen DBS in einer PPO-Matrix bzw. in lmw PMMA oder aPP weitaus niedrigere Verstärkung aufweist.

89

Ergebnisse und Diskussionen

4.2.7.2

Konzentrationsabhängigkeit der relativen Verstärkung am Bsp. PPO

Am Beispiel von DBS in PPO soll nun die Konzentrationsabhängigkeit des elastischen Moduls näher diskutiert werden. Wie aus den frequenzabhängigen Untersuchungen ersichtlich, wird im terminalen Bereich ein Powerlaw-Verhalten mit einer sehr geringen Steigung von ca. 0.05 beobachtet. Aus dem van Gurp-Plot in Abb. 4.2.6 kann ein Gleichgewichtsmodul Ge für die verschiedenen Konzentrationen bestimmt werden. Dieser ist in Abb. 4.2.28 gegen die

c doppeltlogarithmisch aufgetragen. charakteristische Konzentration ~ 7

Ge (aus van Gurp) [Pa]

10

6

10

5

10

Steigung ~1.5

4

10

3

10

2

10

1

10

Steigung ~5

0

10

10

-1

10

-2

10

-1

0

10 ~ c = (c-cgel) / cgel

1

10

Abb. 4.2.28: Relative Verstärkung am Beispiel des PPO/DBS-Systems: der Gleichgewichtsmodul Ge aufgetragen gegen die reduzierte Konzentration

~ c.

Für niedrige Konzentrationen bis ca. 0.5 Gew.-% (entspricht ~ c ≈ 1.8) steigt der Gleichgewichtsmodul Ge mit einer Steigung von ungefähr 5 an. Schon eine geringe Konzentrationserhöhung bewirkt in diesem Bereich eine starke Zunahme der Netzwerkstärke. Es ist anzunehmen, dass jedes zusätzliche Molekül sofort in das bestehende Netzwerk eingebaut wird und zu den Eigenschaften der Skelettstruktur beiträgt.

c ≈ 5) und größer ändert sich dieses Im Konzentrationsbereich von ca. 1 Gew.-% (entspricht ~ Verhalten. Der Kurvenverlauf wird deutlich flacher und folgt dem Skalierungsgesetz Ge~ c3/2.

90

Ergebnisse und Diskussionen

Hier hat der zusätzliche Einbau von DBS-Molekülen in das bestehende Netzwerk immer weniger Einfluss auf die Netzwerkstärke. Joly-Duhammel et al. [121] beobachteten für den G’-Verlauf von Gelatinegelen ebenfalls zwei unterschiedliche Steigungen in Abhängigkeit von der Konzentration. Für den Bereich kleiner Konzentrationen, d.h. in der Nähe der kritischen Gel-

c ~ 1, wurde ein starker Anstieg des Moduls gefunden. Das Netzkonzentration bis ungefähr ~ werk in diesem Konzentrationsbereich, welcher mit dem Perkolationsbereich in Analogie gesetzt wurde, bezeichneten Joly-Duhamel et al. [121] als „schwach“. Für den Bereich höherer Konzentrationen wurde ein stärkeres, homogenes Netzwerk beobachtet mit einer schwächeren Konzentrationsabhängigkeit des Speichermoduls.

Die Konzentrationsabhängigkeit des Gleichgewichtsmoduls Ge kann mit der Theorie von Jones und Marques [88] beschrieben werden. Das Modell basiert auf starren Stäbchen, die über lockere Verknüpfungen miteinander verbunden sind, also ein frei drehbares (freely hinged) Netzwerk bilden. Abb. 4.2.29 zeigt schematisch ein Gelatinenetzwerk, das aus starren Stäbchen aufgebaut ist, welche ein frei drehbares Netzwerk ausbilden.

Abb. 4.2.29: Schematische Darstellung eines voll ausgebildeten Gelatinenetzwerkes. Die durchschnittliche Länge l und der typische Abstand zwischen den Stäbchen d sind dargestellt [121].

Im Marques-Jones-Modell wird die Konzentrationsabhängigkeit des Moduls durch ein PowerlawVerhalten ausgedrückt, dessen Exponent von der fraktalen Dimension der Objekte abhängt [88].

91

Ergebnisse und Diskussionen

Die fraktale Dimension Df ist definiert als: S ~ l1/Df, mit S = End-to-End-Abstand und l als Konturlänge. Sind die Netzpunkte flexibel und frei drehbar, ist die Elastizität im Jones-Marques-Modell entropisch. Entropische Elastizität tritt also auf, wenn ein System verschiedene Konformationen einnehmen kann. Ist die Konformation eingefroren, wie es bei festen Verknüpfungspunkten der Fall ist, ist die Elastizität enthalpischer Natur. Bei einem frei drehbaren Netzwerk ergibt sich:

Ee ~ kTc 3 /( 3 − D f ),

Gl. 4.5

bzw. für ein Netzwerk mit starren Verknüpfungen :

Er ~ c ( 3 + D f ) /( 3 − D f ).

Gl. 4.6

Für ein Netzwerk, dessen Strukturelemente zwischen Vernetzungspunkten aus starren Stäbchen mit der fraktalen Dimension Df = 1 bestehen, ergibt sich Ee ~ c

3/2

für den entropischen Fall

2

bzw. für für den enthalpischen Fall Er ~ c .

Die Annahme von starren Stäbchen, die über lose Verknüpfungen miteinander verbunden sind, ist im Fall der PPO/DBS-Netzwerke gerechtfertigt, was die TEM-Aufnahmen in Kap. 4.2.1 zeigen. Des Weiteren kann angenommen werden, dass sich das Netzwerk entropie-elastisch verhält, da in diesem Fall, wie von Jones und Marques vorhergesagt [88], ein Skalierungsverhalten von Ge ~ c3/2 beobachtet wird. Somit lässt sich für Konzentrationen ~ c > 1 sagen, dass die DBS-Netzwerke aus starren Strukturelementen aufgebaut sind, welche ein frei drehbares Netzwerk bilden. Es liegen keine offenen fraktalen Strukturen zu Grunde, wie sie z.B. bei Rußnetzwerken vorliegen. Die Elastizität eines solchen Netzwerkes ist rein entropisch und auf die eingeschränkte thermische Bewegung der Stäbchen zurückzuführen.

92

4.3

Ergebnisse und Diskussionen

UNTERSUCHUNG DER NICHTLINEAREN EIGENSCHAFTEN

4.3.1 Einleitung In transmissions-elektronenmikroskopischen Aufnahmen (TEM) zeigte sich die Morphologie als ein Haufwerk von einzelnen Fasern und Faserbündeln. Die Dynamik dieses Netzwerkes im linearen viskoelastischen Bereich wurde in den vorangestellten Kapiteln bereits diskutiert und zeigte u.a. bei kleinen Frequenzen ein Powerlaw-Verhalten mit einer sehr geringen Steigung. Der Speichermodul ist hier viel größer als der Verlustmodul, das Material verhält sich elastisch. Dieses charakteristische Verhalten ist vollständig auf die Existenz des Netzwerks zurückzuführen, da die viskoelastischen Eigenschaften der polymeren Matrix in diesem Frequenzbereich vernachlässigbar klein sind. Welche Eigenschaften die einzelnen Fasern, bzw. ein ganzes Ensemble von Fasern besitzen, die für dieses Verhalten verantwortlich sind, soll im Folgenden untersucht und diskutiert werden. Dazu werden die rheologischen Eigenschaften im nichtlinear viskoelastischen Bereich beobachtet, durch die man Aufschluss über die Materialeigenschaften bei großen Deformationen oder Spannungen, wie sie u.a. während des Verarbeitungsprozesses auftreten, erhält. Die Untersuchungen im Bereich der nichtlinearen Viskoelastizität (siehe auch Kap. 3.3) werden am Beispiel des PPO/DBS-Systems durchgeführt. Diese Materialien zeigen rheologisch einfaches Verhalten, das Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip ist über den gesamten Konzentrations- und Temperaturbereich erfüllt. Aus diesem Grund erscheint dieses System für die Untersuchung der nichtlinearen Eigenschaften als am Besten geeignet. Im folgenden Abschnitt wird nun die Schersensibilität, einhergehend mit der Bestimmung der kritischen Deformationsgrenze untersucht. Des Weiteren wird das rheologische Verhalten dieser physikalischen Gele in Anlauf- und Kriechkurven beobachtet.

93

Ergebnisse und Diskussionen

4.3.2 Ergebnisse 4.3.2.1

Amplitudensweeps

Um die Deformationsabhängigkeit der DBS-Netzwerke zu prüfen, wurden zunächst dynamische Amplitudensweeps durchgeführt. Dabei wurde bei einer festgelegten Frequenz von 1 rad/s die Deformationsamplitude kontinuierlich erhöht und dabei die dynamischen Moduli G’ und G’’ gemessen. Eine entsprechende Darstellung der Ergebnisse ist in Abb. 4.3.1 für drei ver-

c beträgt für schiedene DBS-Konzentrationen abgebildet. Die charakteristische Konzentration ~ diese Proben 9.5, 4.2 bzw. 2.2. Die Messungen wurden bei einer Temperatur von 30 °C durchgeführt, die Unterkühlung (Quench) betrug also mindestens 60 K.

6

[Pa]

γc

10

5

G''

10

10

4

10

3

10

2

10

1

2% DBS 1% DBS 0.6% DBS

G'

m = -1 m = -2

10

-1

0

10

1

10

2

10

Deformation γ [%]

10

3

Abb. 4.3.1: Dynamische Amplitudensweeps für PPO/DBS–Systeme unterschiedlicher Konzentration bei einer Temperatur von 30 °C.

Bei kleinen Deformationen befindet sich das Material im linear viskoelastischen Bereich, sowohl Speicher- als auch Verlustmodul verhalten sich deformationsunabhängig. Wird jedoch ein bestimmter Wert überschritten, sinkt G’ plötzlich ab, während G’’ erst über ein Maximum läuft, bevor es mit einer flacheren Steigung weiter abfällt. Dieses intermediäre Maximum wurde auch schon von Yziquel [122] für Silikapartikel-Suspensionen beobachtet. Er führte dieses Verhalten

94

Ergebnisse und Diskussionen

auf dissipative Vorgänge bei der Strukturänderung während des Deformationsprozesses zurück. Als Beispiel sei der Zusammenbruch von Agglomeraten in eine Vielzahl kleinere Bruchstücke genannt. Die

kritische

Deformation

markiert

den

Übergang

vom

linearen

zum

nichtlinearen

viskoelastischen Bereich und wird über den Schnittpunkt der Tangenten an den G’-Verlauf ermittelt. Offensichtlich beginnen hier Teile des Netzwerkes aufzubrechen, was zu einer messbaren Erniedrigung des Moduls führt. Außerdem ist in Abb. 4.3.1 erkennbar, dass mit der Zunahme der DBS-Konzentration ein geringer Anstieg der kritischen Deformation γc von ca. 1 auf 3% einhergeht. Das Netzwerk verhält sich mit ansteigender DBS-Konzentration weniger empfindlich gegenüber Deformationen. Grund hierfür ist wahrscheinlich die zunehmende Netzwerkdichte mit steigendem DBS-Gehalt. Es zeigt sich, dass die vorliegenden DBS-Netzwerke sehr fragil sind. Es werden kritische Deformationen im Bereich von wenigen Prozent

beobachtet, wohingegen für reine

Polymerschmelzen ein γc von mindestens 100% erhalten wird. Dieses stark nichtlineare Verhalten lässt auf ein sehr deformationsempfindliches DBS-Netzwerk schließen. Schon sehr geringe Amplituden führen zu einer Störung der Skelettstruktur, die eine drastische Abnahme der dynamischen Moduli zur Folge hat.

4.3.2.2

Anlaufkurven

Die sogenannten Anlaufkurven beschreiben den Verlauf der zeitabhängigen Viskosität η+ während einer stationären Scherung bei einer konstanten Scherrate, die Deformation nimmt mit der Zeit zu. In Abb. 4.3.2 sind die Anlaufkurven für eine PPO-Probe mit 0.4 Gew.-% DBS bei unterschiedlichen Scherraten dargestellt. Zum Vergleich ist in Abb. 4.3.2 eine Anlaufkurve für das reine PPO bei einer Scherrate von 10-2 s-1 als Linie dargestellt. Die PPO-Matrix zeigt bei dieser Scherrate linear viskoelastisches Verhalten: Zu Beginn der Scherung tritt ein starker Anstieg der transienten Viskosität η+ auf. Im weiteren Verlauf nähert sich η+ asymptotisch einem zeitunabhängigen Gleichgewichtswert, η+GG ≡ η( γ& 0 ), an. Die PPO/DBS-Proben hingegen zeigen einen davon abweichenden Viskositätsverlauf. Während die PPO/DBS-Proben bei sehr kurzen Zeiten ebenfalls ein linear viskoelastisches Wachstumsverhalten zeigen und die transiente Scherviskosität stark ansteigt, verläuft η+ zunächst über ein ausgeprägtes Maximum (Overshoot), bevor ein Gleichgewichtswert, η+GG, erreicht wird.

95

8

10

-5

-1

1.4 * 10 s -5 -1 2.0 * 10 s -3 -1 1.0 * 10 s -3 -1 9.2 * 10 s

7

10

+

transiente Viskosität η [Pa s]

Ergebnisse und Diskussionen

6

10

-2

-1

PPO 1.0 * 10 s

5

10

4

10

3

10

2

10

-2

10

10

-1

0

10

10

1

2

10

Zeit t [s]

10

3

4

10

5

10

Abb. 4.3.2: Transiente Scherviskosität η+ aufgetragen gegen die Zeit bei verschiedenen Scherraten für eine 0.4 %-ige Probe von DBS in PPO bei einer Temperatur von 30 °C.

Dieses nichtlineare Verhalten wird selbst bei der gerätetechnisch kleinstmöglichen Scherrate γ& von 1.4x10-5 s-1 beobachtet. Aus Abb. 4.3.2 ist erkennbar, dass die Größenordnung des Überschwingers mit zunehmender Scherrate ansteigt. Der Gleichgewichtswert der erreichten transienten Viskosität η+GG nimmt mit zunehmender Scherrate stark ab, d.h. das System verhält sich extrem scherverdünnend. Auf diese Besonderheit wird an späterer Stelle gesondert eingegangen (siehe Abb. 4.3.6). Da bei der reinen Matrix kein Überschwinger beobachtet wird, ist dieses Verhalten vollständig auf die Existenz des DBS-Netzwerkes zurückzuführen. In Abb. 4.3.3 ist für die 0.4%-ige Probe die transiente Viskosität η+ gegen die Deformation, also das Produkt aus der Scherrate und der Zeit, ( γ& *t), aufgetragen.

96

10

8

10

7

10

6

10

5

10

4

10

3

10

2

-5

10

-1

1.4 x 10 s -5 -1 2.0 x 10 s -3 -1 1.0 x 10 s -3 -1 9.2 x 10 s

+

transiente Viskosität η [Pa s]

Ergebnisse und Diskussionen

-2

10

-1

10

0

10

1

10

2

10

3

Deformation γ [%] Abb. 4.3.3: Auftragung der transienten Viskosität gegen die Deformation für PPO / 0.4% DBS bei einer Temperatur von 30 °C.

Aus dieser Auftragung ist erkennbar, dass alle intermediären Maxima im gleichen Deformationsbereich liegen. Bei der kleinsten angelegten Scherrate liegt das Maximum bei ca. 3%, wohingegen bei der größten Scherrate sich das Maximum bei ca. 1% Deformation befindet. Diese Beobachtung lässt sich über die Deborahzahl De (Quotient aus der charakteristischen Relaxationszeit und der Fließzeit) an Hand des Pipkin-Diagramms (Abb. 3.1.1) erklären. Der Übergang von linearem zu nichtlinearem viskoelastischem Verhalten wird in dieser Abbildung durch die dargestellte durchgezogene Linie wiedergegeben. Diese Linie verläuft für sehr große Deborah-Zahlen horizontal, steigt aber für kleine Deborah-Zahlen stark an. Bei großen Scherraten befindet man sich im rechten Bereich der Abbildung, bei kleinen Scherraten links davon. Um in den nichtlinearen Bereich zu gelangen, muss bei einer kleineren Scherrate eine höhere Deformation angelegt werden als bei einer größeren Scherrate. Oder andersherum gesagt, kann bei einer kleinen Scherrate eine größere Deformation angelegt werden, ohne den linear viskoelastischen Bereich zu verlassen. Bemerkenswert dabei ist, dass der Bereich der Deformation, in dem die Maxima auftreten, mit der kritischen Deformation γc qualitativ übereinstimmt, wie sie in dynamischen Amplituden-

97

Ergebnisse und Diskussionen

sweeps ermittelt wurde. Wie bereits in einem vorangestellten Kapitel gezeigt (siehe Kap. 4.3.2.1), geschehen bei dieser Deformation die größten strukturellen Veränderungen, es kommt wahrscheinlich zum Strukturbruch. Morphologieuntersuchungen, die Aufschluss darüber geben, werden in Kap. 4.3.2.4 behandelt. Somit stellt das Maximum in den Anlaufkurven den Moment dar, an dem die Fasern des Netzwerkes zu brechen beginnen. Je größer die angelegte Scherrate ist, desto größere Ausmaße nimmt die Zerstörung an und desto kleiner ist der erreichte Gleichgewichtswert der transienten Viskosität. Die Anlaufkurven einer 1%-igen PPO/DBS-Probe sind in Abb. 4.3.4 aufgetragen. Hier zeigt sich prinzipiell das gleiche Verhalten wie für die niedrigere Konzentration. Die Maxima erscheinen in

+

transiente Viskosität η [Pa s]

einem Bereich von 1% ( γ& =10-4 s-1) bis ca. 3% ( γ& =10-2 s-1).

10

7 -4

10

6

10

5

10

4

10

3

10

2

10

-1

10 s -3 -1 10 s -2 -1 10 s

-3

10

-2

-1

10

0

10

10

1

Deformation γ [%]

10

2

10

3

Abb. 4.3.4: Darstellung der transienten Viskosität in Abhängigkeit von der Deformation für eine PPO / 1 Gew.-% DBS-Probe bei einer Temperatur von 30 °C.

Auch hier zeigt sich das Maximum bei höheren Deformationen, je kleiner die angelegte Scherrate ist. Des Weiteren ist erkennbar, dass mit Abnahme der Scherrate die Intensität der Überschwinger abnimmt. Die PPO/DBS-Probe reagiert folglich bei kleineren Scherraten weniger nichtlinear, was sich sowohl an der Position als auch an der Ausprägung des Überschwingers bemerkbar macht.

98

Ergebnisse und Diskussionen

In Abb. 4.3.5 ist die entsprechende Auftragung für eine 3%-ige Probe dargestellt. Hier ist für alle Scherraten nur noch ein sehr geringer Überschwinger erkennbar. Die Maxima liegen im Bereich

+

transiente Viskosität η [Pa s]

zwischen 2 und 6 % Deformation.

10

7 -4

10

6

10

5

10

4

10

3

10

-1

10 s -3 -1 10 s -2 -1 10 s

-3

10

-2

10

-1

10

0

10

1

10

2

10

3

Deformation γ [%] Abb. 4.3.5: Darstellung der transienten Viskosität in Abhängigkeit von der Deformation für eine PPO / 3 Gew.-% DBS-Probe bei einer Temperatur von 30 °C.

Im Vergleich mit den niedrigen Konzentrationen ist zu beobachten, dass das nichtlineare Verhalten, das sich im Auftreten der Überschwinger bemerkbar macht, weniger ausgeprägt zeigt, je höher die DBS-Konzentration ist. Der Vergleich der Abb. 4.3.3 bis Abb. 4.3.5 zeigt, dass die Schersensibilität offensichtlich mit zunehmender DBS-Konzentration und damit einhergehender Netzwerkdichte abnimmt. Das DBS-Netzwerk verhält sich in Proben höherer Konzentration bei sehr niedrigen Scherraten annähernd linear, während niedrigere Konzentrationen oder höhere Scherraten zu deutlich ausgeprägtem nichtlinearem Verhalten führen. Dieses Phänomen deckt sich mit den Beobachtungen aus den dynamischen Amplitudensweeps: Mit zunehmender DBS-Konzentration nimmt auch hier die kritische Deformation γc zu, bei der Teile des Netzwerkes zu brechen beginnen.

99

Ergebnisse und Diskussionen

Dennoch handelt es sich hier um extrem scherverdünnende Systeme. In Abb. 4.3.6 sind für alle Proben die erreichten Gleichgewichtsviskositäten η+GG gegen die Scherrate doppelt-logarithmisch aufgetragen.

GG

Gleichgewichts-Viskosität η

+

8

10

7

10

6

10

5

10

4

10

0.4% DBS (- 1.2) 1% DBS ( -1.5) 3% DBS ( -1.3)

3

10

2

10

-6

10

-5

1x10

-4

1x10

.

-3

10

-2

Scherrate γ [s ] -1

10

-1

10

Abb. 4.3.6: Gleichgewichtsviskositäten in Abhängigkeit der jeweiligen Scherrate

γ& für unter-

schiedliche DBS-Konzentrationen.

Eine lineare Regression ergibt für die Konzentration von 0.4 Gew.-% eine Steigung von -1.2, für die Probe mit 1 Gew.-% DBS eine Steigung von -1.5 und für die 3%-ige Probe eine Steigung von -1.3. Die 1%-ige Probe zeigt einen deutlich stärkeren Abfall der Gleichgewichtsviskosität als die beiden anderen untersuchten Konzentrationen. Bei einer Scherrate von ca. 10-3 s-1 kreuzt die Gleichgewichtsviskosität η+GG dieser Probe die Werte der Probe mit der geringeren Konzentration von 0.4 Gew.-% DBS und liegt dann für eine größere Scherrate von 10-2 s-1 unterhalb dieses Wertes. Unter der Bedingung, dass keine strukturellen Veränderungen eintreten, kann laut Sollich [103] eine minimale Steigung von -1 erreicht werden. Aus den extrem scherverdünnenden Verhalten mit den beobachteten Steigungen von -1.2 bis -1.5 kann geschlossen werden, dass die Bedingung, die Fieldung zur Grundlage nahm, hier nicht erfüllt ist. Die Tatsache, dass in der

100

Ergebnisse und Diskussionen

Auftragung der Gleichgewichtsviskosität gegen die Scherrate für alle untersuchten Proben die Steigungen deutlich vom theoretisch maximalen Wert abweichen, lässt sich nur dadurch erklären, dass es während des Experimentes zu starken Strukturveränderungen bzw. zu Strukturbruch kommt. Durch das Aufbringen einer Deformation wird die DBS-Skelettstruktur derart gestört oder gar zerstört, dass das Probenmaterial deutlich niedrigviskoser wird als das Ausgangsmaterial.

4.3.2.3

Kriechkurven PPO / 1% DBS

Mit Hilfe von frequenzabhängigen Untersuchungen sind nur Relaxationszeiten bis etwa 1000s messbar. Darüber hinaus ist es jedoch auch interessant, wie sich Gele bei wesentlich längeren Zeiten verhalten. Um das Langzeitverhalten zu untersuchen, werden Kriechversuche herangezogen, bei denen die Kriechnachgiebigkeit J(t) bei einer konstanten Spannung σ gemessen wird. Beim Kriechversuch steigt die Gesamtdeformation mit der Messzeit an. In Abb. 4.3.7 ist die Kriechfunktion J(t) für eine PPO-Probe mit 1 Gew.-% DBS bei einer Temperatur von 30 °C für verschiedene Spannungen gezeigt. Vor jeder einzelnen Messung wurde eine Temperaturrampe durchgeführt, um eine identische thermische Vorgeschichte zu gewährleisten. 3

10

PPO-Matrix (20 Pa)

2

10

1

60 Pa 30 Pa 20 Pa

10

0

J(t) [Pa-1]

Steigung = 1

10

-1

10

-2

10

γc = 1.5 %

-3

10

-4

10

-5

10

-2

10

-1

10

0

10

1

10

2

10

Zeit t [s] Abb. 4.3.7: Kriechkurven für PPO / 1% DBS und die reine PPO-Matrix (T=30 °C).

3

10

Ergebnisse und Diskussionen

101

Bei der kleinsten dargestellten Spannung von 20 Pa steigt die Nachgiebigkeit zunächst sehr langsam an und zeigt damit den festkörperähnlichen Charakter der Probe an. Bei einer Zeit von ca. 10s nimmt J(t) stark zu, bevor die Kurve mit einer Steigung von eins weiterläuft. Die Gesamtdeformation zum Zeitpunkt des Abknickens beträgt 0.015 (= 1.5%). Dieser Wert entspricht der kritischen Deformation, wie sie bereits in Amplitudensweeps und Anlaufkurven detektiert wurde (siehe Kap. 4.3.2.1 und 4.3.2.2). Bei dieser Deformation beginnt das Fasernetzwerk zusammenzubrechen. Dies ist auch in der Kriechkurve wieder zu erkennen: Die Nachgiebigkeit steigt in diesem Moment stark an. Im weiteren Kurvenverlauf dominieren die Eigenschaften des Matrixpolymers, die erreichte Steigung von eins beschreibt den Fließvorgang von viskosen Materialien. Die Kurve verläuft aber unterhalb der reinen Matrixkurve, was auf das Vorliegen eines mit Faserbruchstücken gefüllten Polymers zurückzuführen ist. Bei höheren Spannungen von 30 bzw. 60 Pa erfolgt das Abknicken der Kriechkurve früher, da die kritische Deformation bei höheren Spannungen entsprechend früher erreicht wird. Der weitere Kurvenverlauf ist mit der Kriechkurve bei 20 Pa identisch und zeigt eine Steigung von eins.

4.3.2.4

Morphologieuntersuchungen zum Strukturbruch

In Amplitudensweeps zeigte sich, dass sich das DBS-Netzwerk sehr deformationsempfindlich verhält. Bei Überschreiten einer kritischen Deformationsgrenze von wenigen Prozent beginnt die Moduli drastisch abzusinken. Um die strukturelle Ursache für dieses Verhalten zu untersuchen, wurden Proben für elektronenmikroskopische Aufnahmen direkt nach einem Experiment mit einer sehr hohen Deformationsamplitude (Timesweep bei einer Deformation von 100%, T = 30 °C) entnommen und für die TEM-Aufnahmen präpariert. Die daraus gewonnen TEM-Aufnahmen sind in Abb. 4.3.8 dargestellt.

102

Ergebnisse und Diskussionen

500 nm

200 nm

Abb. 4.3.8: TEM-Aufnahmen einer PPO / 0.4 Gew.-% DBS-Probe nach einer Deformation von 100%.

Im Vergleich zu den TEM-Aufnahmen im Ruhezustand (Abb. 4.2.1) sind deutliche Unterschiede erkennbar. Die Netzwerkstruktur, die ursprünglich vorherrschte, ist gestört. Die Fasern erscheinen deutlich kürzer. Durch die große Deformation sind die Fasern gebrochen und zeigen sich als eine Ansammlung von wesentlich kürzeren und weniger verschlauften Fasern.

4.3.3 Diskussion In dynamischen Amplitudensweeps konnte gezeigt werden, dass die kritische Deformation γc, die mit dem Zusammenbruch der Netzwerkstruktur in Verbindung gebracht wird, mit zunehmender DBS-Konzentration ansteigt. Dies ist auf die erhöhte Netzwerkdichte zurückzuführen. Die PPO/DBS-Systeme erwiesen sich als extrem deformationsempfindlich, es wurden kritische Deformationen im Bereich von wenigen Prozent beobachtet. In Anlaufkurven zeigte sich durch das Auftreten von Überschwingphänomenen ein ausgeprägtes nichtlinear viskoelastisches Verhalten. Die Intensität dieser Überschwinger nahm mit steigender Konzentration ab. Eine höherkonzentrierte Probe erwies sich „unempfindlicher“ gegenüber der angelegten Deformation. Das Maximum stellt den Moment dar, in dem die fibrillläre Struktur beginnt, auseinander zu brechen. Die Lage der Maxima nimmt bei abnehmender Scherrate zu höheren Deformationen hin zu. Dies lässt sich über die Deborah-Zahl an Hand des PipkinDiagramms ( siehe Abb. 3.1.1) erklären.

Ergebnisse und Diskussionen

103

Sollich et al. [102,103] beschrieb in seinem Modell für weiche, glasartige Materialien („Soft Glassy Materials“, SGM) ebenfalls dieses Überschwingphänomen. Er erklärte das Auftreten eines Overshoots mit einem zunächst überwiegend elastischen Verhalten dieser Materialien, was zu einem starken Anstieg der Spannung im Anfangsbereich führt. Das Material gibt bei Erreichen einer bestimmten Deformation schließlich als Ganzes nach und beginnt zu fließen. Ramazani [125], der das rheologische Verhalten von Glasfasersuspensionen in viskoelastischen Medien untersuchte, beschrieb ebenfalls das Auftreten eines Überschwingens in Anlaufkurven. Dieses Verhalten ordnete er der Reorientierung der Fasern während der Scherung zu. Das Auftreten von Überschwingphänomenen wurde auch von Watanabe [126] beobachtet, der das nichtlineare Verhalten von PVC-Gelen im kritischen Gelzustand untersuchte. Die durch die Scherung hervorgerufenen Strukturveränderungen werden als Ursache für die beobachtete Nichtlinearität in η+ betrachtet. Die Deformation, bei der der Verlauf vom linearen Verhalten abweicht, wird als diejenige Deformation angesehen, die zum Bruch der Vernetzungspunktdomänen führt. Des Weiteren zeigten sich die untersuchten PPO/DBS-Systeme als extrem scherverdünnend. Nach Sollich [148] kann, unter der Voraussetzung, dass keine strukturellen Veränderungen eintreten, in einer Auftragung der Gleichgewichtsviskosität η+GG gegen die aufgebrachte Scherrate eine minimale Steigung von -1 auftreten. In den untersuchten PPO/DBS-Systemen wurden Steigungen kleiner -1 beobachtet. Das bestätigt das bereits durch vorangehende rheologische Untersuchungen gezeigte Auftreten von Strukturbruch selbst bei sehr kleinen Deformationsamplituden. Die Bruchphänomene konnten ebenfalls in Kriechkurven nachgewiesen werden. Nach einem schwachen Anstieg im Anfangsbereich stieg die Kriechnachgiebigkeit J(t) bei Erreichen einer bestimmten Deformation sehr stark an und verlief unterhalb der Matrixkurve mit einer Steigung von 1. Das zeigt, dass bei Erreichen einer kritischen Deformation das Netzwerk teilweise zerstört wird und anschließend die viskoelastischen Eigenschaften des Matrixpolymers überwiegen. Morphologieuntersuchungen über transmissionselektronenmikroskopische Aufnahmen von Materialien im nichtlinear viskoelastischen Bereich bestätigten den bei großen Deformationen (γ > γc) erwarteten Faserbruch. Verglichen mit der Morphologie im Ruhezustand sind deutliche Unterschiede in den Netzwerkstrukturen sichtbar. Nach Aufbringen einer großen Deformation liegen die einzelnen Fasern kürzer und weniger verschlauft vor.

104

Ergebnisse und Diskussionen

4.4 IMPLEMENTIERUNG DER FT-RHEOLOGIE UND ANWENDUNG AUF PPO/DBSNETZWERKE 4.4.1 Einleitung Die gebräuchlichste und einfachste Realisierung rheologischer Experimente unter voller Kontrolle der aufgebrachten Deformation sind oszillatorische Messungen als Funktion der Frequenz und der Temperatur. Ist die Deformation γ kleiner als eine kritische Deformation γc, befindet man sich im linear viskoelastischen Bereich. In diesem Bereich hängen die Spannung σ und die Deformation γ linear voneinander ab und der Modul, der die Proportionalitätskonstante darstellt, ist von beiden Größen unabhängig. Demgegenüber herrschen beispielsweise bei der Polymerverarbeitung Scherbedingungen, die weit über den linear viskoelastischen Bereich hinausgehen. Unter diesen Bedingungen verhalten sich Spannung und Deformation nicht mehr linear abhängig voneinander und man spricht vom nichtlinear viskoelastischen Bereich. Zur Untersuchung der Materialeigenschaften im nichtlinearen Bereich hat sich die FourierTransformations (FT)-Rheologie als eine geeignete Methode erwiesen. Das Kernstück dieser Methode

besteht

in

einer

Fourier-Transformation

des

Antwortsignals

während

eines

dynamischen Experimentes. Das führt zu einem Frequenzspektrum, das außer der Grundschwingung, die der Anregungsfrequenz entspricht, auch Obertöne enthält. Das Auftreten und die Intensität dieser Obertöne spiegeln das nichtlineare Verhalten qualitativ und quantitativ wider. Durch ihre hohe Empfindlichkeit ermöglicht es diese Methode, den Übergang vom linearen zum nichtlinearen viskoelastischen Bereich mit großer Genauigkeit zu erfassen. Wilhelm et al. [67-75] hat diese Methode entwickelt und zu einem anwendbaren Verfahren zur Untersuchung der nichtlinearen viskoelastischen Eigenschaften weiterentwickelt.

4.4.2 Existenzbereich der nichtlinearen Viskoelastizität Nichtlineare Phänomene treten auf, wenn, wie in Abb. 3.1.1 veranschaulicht, sowohl die Deformationsamplitude als auch die Deborah-Zahl De (der Quotient aus der charakteristischen Relaxationszeit λ eines Materials und der charakteristischen Fließzeit t) einen gewissen Wert überschreitet. In diesem Fall ist die Theorie der linearen Viskoelastizität nicht mehr gültig. Alternativ zur Fließzeit kann die Inverse der typischen Deformationsrate, γ& –1, oder das Produkt aus der oszillatorischen Deformation und der Frequenz, (γ0 ω)-1, verwendet werden.

Ergebnisse und Diskussionen

105

Wenn die Deborah-Zahl sehr klein ist, kann das Material als Newton’sch betrachtet werden und man befindet sich für alle Amplituden im linearen Bereich. Dies entspricht in Abb. 3.1.1 dem linken Segment. Wenn die Deborah-Zahl klein aber nicht vernachlässigbar ist und das Fließen „steady“ oder annähernd „steady“ ist, sind nichtlineare Effekte vorhanden und können beispielsweise mit der Gleichung einer Second-Order-Fluid beschrieben werden. Wird die Deformationsamplitude γ0, die Frequenz ω, die Relaxationszeit λ oder das Produkt (γ0 ω) genügend groß, findet schon bei kleinen Deformationsamplituden ein Übergang in den nichtlinearen viskoelastischen Bereich statt. Diese Abgrenzung des linearen vom nichtlinearen viskoelastischen Bereich ist durch die durchgezogene Linie in Abb. 3.1.1 dargestellt (für Details siehe auch Kap. 3).

4.4.3 Theorie der FT-Rheologie Zum besseren Verständnis der Einführung in die Theorie der FT-Rheologie wird zunächst, in Anlehnung an Wilhelm et al. [67-75], auf die Grundlagen eines dynamischen rheologischen Experiments eingegangen. Die zu charakterisierende Probe befindet sich zwischen zwei parallelen Platten der Fläche A, deren Abstand zueinander d beträgt. Bei einer Scherung wirkt im einfachsten Fall eine Kraft F auf eine dieser beiden Oberflächen. Bei einer konstanten Geschwindigkeit v kann dann die Spannung σ, die Viskosität η und die Scherrate γ& = v/d über die Newton’sche Gleichung in Beziehung gesetzt werden:

σ =

F v = η   = η γ& A  d

Gl. 4.7

Für Newton’sche Flüssigkeiten ist die Viskosität η konstant und von der Scherrate unabhängig. Für nicht-Newton’sche Materialien ist dies nicht mehr gegeben und die Viskosität η ändert sich in Abhängigkeit von der Scherrate:

η = η ( γ& ) .

Gl. 4.8

106

Ergebnisse und Diskussionen

Bei einem dynamischen Experiment ist die angelegte Deformation und somit auch die Scherrate durch eine harmonische Funktion mit einer Scheramplitude γ0 und einer charakteristischen Frequenz ω1 gegeben:

γ = γ 0 sin ω1 t .

Gl. 4.9

Für die Scherrate gilt dementsprechend:

γ& = ω1 γ 0 cos ω1 t.

Gl. 4.10

Unter der Annahme, dass die Viskosität η unter periodischen Bedingungen nur eine Funktion der absoluten Scherrate ist, also unabhängig von der Richtung der aufgebrachten Bewegung, ist die Viskosität η eine gerade Funktion.

η = η ( γ& ) = η ( − γ& )

Gl. 4.11

Die Abhängigkeit der Viskosität kann als Funktion der absoluten Scherrate durch ein Polynom beschrieben werden:

η = η 0 + aγ& 2 + bγ& 4 + ... .

Gl. 4.12

Das führt zusammen Gl. 4.7 und Gl. 4.10 zu folgendem Ausdruck für die Spannung σ:

σ ∝ ( η 0 + aγ& 2 + bγ& 4 + ...) cos ω1 t

Gl. 4.13

Wird Gl. 4.12 mit cos ω1t multipliziert, resultiert eine ungerade Funktion. Somit kann Gleichung Gl. 4.13 als Summe von ausschließlich ungeraden Harmonischen dargestellt werden:

σ ∝ A cos ω1 t + B cos 3ω1 t + C cos 5ω1 t + ...

Gl. 4.14

Ganz allgemein wird durch eine Fourier-Transformation ein Zeitsignal in die Frequenzdomäne überführt und umgekehrt. Es gilt: +∞

S(ω) =

∫ s(t ) exp(−iωt )

dt.

Gl. 4.15

−∞

Dabei ist s(t) das Zeitsignal und S(ω) die resultierende Fourier-Transformierte. Über die inverse Fourier-Transformation wird das Zeitsignal zurückerhalten:

Ergebnisse und Diskussionen

+∞

s( t ) =

1 π S(ω) exp(−iωt ) dω. 2 −∫∞

107

Gl. 4.16

Für eine ausführliche Beschreibung der Fourier-Transformation wird auf verschiedene Lehrbücher verwiesen [123-127].

Eine Fourier-Transformation des gemessenen Spannungssignals führt zu einer Aufgliederung in unterschiedliche Frequenzanteile. Die mathematische Prozedur ergibt ein FT-RheologieSpektrum mit ausgeprägten Signalen bei den Frequenzen 1ω1, 3 ω1, 5 ω1, ... . Jeder Peak kann durch eine Amplitude an und eine relative Phasenverschiebung φn beschrieben werden, entsprechend jedes Frequenzbeitrages bei n ω1 (n = ungerade). Wird ein exakt sinusförmiges Signal Fourier-transformiert, resultiert ein Frequenzspektrum, das genau ein Signal bei der Anregungsfrequenz ω1 zeigt. Sobald die Viskosität in irgendeiner Weise von der Scherrate abhängt, leisten höhere Harmonische einen signifikanten Beitrag (vgl. Gl. 4.10 und Gl. 4.11). Es treten Oberschwingungen auf, d.h. Obertöne bei ungeradzahligen Vielfachen der Anregungsfrequenz. Dieser Anteil, meist als Verhältnis der Signalintensität dieses Obertons zur Grundschwingung, Ii / I1, ausgedrückt, stellt somit ein Maß für die Nichtlinearität dar. Diese oben beschriebene Behandlung des rein viskosen Falls kann auch auf viskoelastische Materialien ausgeweitet werden. Analog wird ein Spektrum mit ausschließlich ungeradzahligen Harmonischen erhalten.

4.4.4 Implementierung der Methode am Beispiel von Polystyrol Um das beste methodische Vorgehen und die Grenzen des Messverfahrens zu ermitteln, wurde zunächst ein einfaches, rheologisch bereits vollständig charakterisiertes Modellpolymer verwendet. Dazu diente ein lineares Polystyrol mit einer sehr engen Molekulargewichtsverteilung.

108 4.4.4.1

Ergebnisse und Diskussionen Geräteaufbau

Der verwendete Geräteaufbau ist vergleichbar mit dem der Arbeitsgruppe Wilhelm am MPI Mainz und ist in Abb. 4.4.1 dargestellt:

Abb. 4.4.1: Verwendeter Geräteaufbau für die FT-Rheologie [67].

Der experimentelle Aufbau basiert auf einer Modifizierung und Erweiterung eines kommerziell erhältlichen ARES-Rheometers der Firma Rheometrics Scientific. Die Signale der Deformation, des Drehmoments und der Normalkraft werden am ARESRheometer über ein BNC-Kabel einem Analog-Digital-Wandler (DAC) zugeführt, der im Auswertungscomputer fest integriert ist. BNC-Kabel sind niederohmige, abgeschirmte Kabel mit niedriger Impedanz, um den elektrischen Geräuschpegel zu minimieren. Da bereits eine BNCAnschlussbuchse in ihren geometrischen Abmessungen größer ist als die DAC-Karte selbst, ist eine sogenannte BNC-Box mit passenden BNC-Anschlüssen zwischengeschaltet. Die BNC-Box übernimmt lediglich die Aufgabe, die einzelnen Leitungen und Steuerdrähte zu bündeln und über ein Flachbandkabel an die Karte weiterzuleiten [128]. Die Daten werden im Computer erfasst und mittels der kommerziell erhältlichen Software LABVIEW ausgewertet.

4.4.4.2

Durchführung einer Messung

Das Rheometer wird im Time-Sweep-Modus betrieben, wobei die Parameter für die Kreisfrequenz ω in [rad/s] bzw. Frequenz f in [Hz] und die Deformation γ in [%] angegeben werden. Eine FT-Rheologie-Messung ist in zwei Abschnitte untergliedert: Zuerst erfolgt die Digitalisierung der Mess-Signale (Deformation, Drehmoment und Normalkraft). Im zweiten Schritt werden diese Daten einer Fourier-Transformation unterzogen und ausgewertet.

109

Ergebnisse und Diskussionen

Die Timesweeps wurden bei einer Temperatur von 190 °C für drei verschiedene Messfrequenzen (0.2, 2 bzw. 15.9 Hz) aufgenommen. Bei jeder dieser Serien wurde die Deformation jeweils im Bereich von 0.2 bis 160% variiert.

4.4.4.3

Erstellung eines Zustandsdiagramms

Bei der Durchführung der Timesweeps zeigte sich in Abhängigkeit von der Deformation ein unterschiedlicher Verlauf der Speicher- und Verlustmoduli G’ und G’’. Wie in Abb. 4.4.2 dargestellt, verlaufen G’ und G’’ (als Symbole dargestellt) bei der kleinsten dargestellten Deformationen von 10% parallel und sind zeitunabhängig, während bei einer Deformation von 50% und größer die Moduli mit der Zeit abnehmen. 5

G''

[Pa]

10

2,5 4

10% 50% 100%

3

100%

G'

10

2,0

tan δ

10

50% 10% 2

10

0

200

400

600

800

1,5

1000

Zeit t [s] Abb. 4.4.2: Dynamische Moduli G’ und G’’ von PS während eines Timesweeps bei 190 °C für unterschiedliche Deformationen.

Die benötigte Zeit für die Einstellung eines stationären Zustandes hängt von der Amplitude ab: Je größer die angelegte Deformation ist, desto schneller wird ein Gleichgewichtszustand erreicht. Die Werte für tan δ, die in Abb. 4.4.2 als Linien dargestellt sind, bleiben während der Messung bei der kleinsten Deformationsamplitude konstant. Hingegen ist bei einer Deformation von 50% ein stetiger Anstieg zu verzeichnen. Bei einer Deformation von 100% steigt tan δ sofort nach Beginn des Experiments an und behält diesen Wert bei.

110

Ergebnisse und Diskussionen

Durch eine qualitative Analyse des Verlaufs von G’ und G’’ während eines Timesweeps kann in Abhängigkeit von Frequenz und Amplitude ein Zustandsdiagramm, wie in Abb. 4.4.3 veranschaulicht, dargestellt werden: Diejenigen Frequenz-Deformations-Kombinationen, die einen zeitunabhängigen Verlauf von G’ und G’’ während eines Timesweeps zeigen, werden mit einem geschlossenen Symbol („) gekennzeichnet. Die Kombinationen, bei denen in den durchgeführten Timesweeps ein deutlicher Abfall detektiert wird (siehe Abb. 4.4.2), sind mit einem

Anregungsfrequenz f [Hz]

offenen Dreieck (U) dargestellt.

15.9

γmax 2

0.2

-1

10

0

10

1

10

2

10

3

10

Deformation γ [%] Abb. 4.4.3: Zustandsdiagramm für PS bei einer Temperatur von 190 °C.

Die Pfeile charakterisieren die gerätetechnisch maximal realisierbaren Deformationsamplituden γmax bei gegebener Messgenauigkeit und einer gegebenen Messfrequenz. Man erkennt, dass mit fallender Anregungsfrequenz der Übergang von einem konstanten Verlauf zu einem zeitlichen Absinken der dynamischen Moduli im Timesweep zu größeren Deformationsamplituden verschoben ist: Bei einer Frequenz von 15.9 Hz tritt dieser Übergang bereits bei einer Deformation von 5% auf. Mit einer Frequenz von 2 Hz erfolgt dieser Übergang bei 20%, während bei 0.2 Hz erst eine Deformation von 150% dieses Verhalten verursacht. Es zeigte sich, dass es sich bei diesem Effekt um einen Einschnürungseffekt handelt, der offensichtlich auftritt, wenn das Produkt aus der Deformation und der Anregungsfrequenz, γ0 ω, einen gewissen Wert überschreitet. Die durch die Einschnürung verringerte Querschnittfläche

111

Ergebnisse und Diskussionen

führt zu einem Abfall der dynamischen Moduli. Werte, die in diesem Bereich aufgenommen wurden, entsprechen keinem genau definierten rheologischen Experiment. Weitere Untersuchungen dieses Prozesses sind Gegenstand aktueller Forschungsinteressen [128]. In folgenden Messungen wurde darauf geachtet, dass sich das System im stationären Zustand befindet. Für die weiteren FT-Untersuchungen wurde nur der Bereich des Timesweeps ausgewählt und ausgewertet, der einen zeitlich konstanten Speicher- und Verlustmodul aufwies.

4.4.4.4

Aufnahme von FT-Spektren für PS

Da jetzt die Mess- und Detektierbedingungen für PS bekannt waren, konnten die Daten der Fourier-Transformation unterzogen und ausgewertet werden. Dazu wurden Timesweeps der Polystyrol-Probe bei einer Temperatur von 190 °C bei jeweils unterschiedlichen Frequenzen und Deformationen durchgeführt und die jeweiligen Eingangs- und Ausgangssignale aufgezeichnet. Wird die Polystyrol-Probe in einem deformationskontrollierten Experiment oszillierend angeregt, so wird eine ebenfalls periodische Materialantwort mit der gleichen Frequenz erhalten. Das Antwortsignal (Drehmoment) ist allerdings phasenverschoben und besitzt eine andere Amplitude. In Abb. 4 ist das Anregungs- und Antwortsignal einer PS-Probe bei einer Frequenz

0,12

4

0,06

2

0,00

0

-0,06

-2

-0,12 0,0

0,5

Drehmoment

Deformation

von 2 Hz und einer Deformation von 10% dargestellt.

-4 1,0

Zeit t [s] Abb. 4.4.4: Anregungs- () und Antwortsignal () der PS-Probe bei einer Frequenz von 2 Hz, einer Deformation von 10% und einer Temperatur von 190 °C.

112

Ergebnisse und Diskussionen

Die Fourier-Transformation dieses Antwortsignals ergibt das in Abb. 4.4.5 dargestellte Fourier-

Intensität auf I1=1 normiert

Spektrum:

1,0

0,010

0,8

0,005

0,6

0,000 6

0,4 0,2 0,0 0

2

4

6

8

10

Frequenz [Hz] Abb. 4.4.5: Fourier-Spektrum des Antwortsignals der PS-Probe bei einer Frequenz von 2 Hz, einer Deformation von 10% und einer Temperatur von 190 °C.

Das Spektrum zeigt ein einzelnes, signifikantes Signal bei der Anregungsfrequenz von 2 Hz, was der Hauptschwingung entspricht. Hier wie in allen weiteren gezeigten Spektren ist die Intensität dieses Grundtons, I1, auf eins normiert. In der Vergrößerung ist eine sehr geringe Signalintensität des 3. Obertones bei 6 Hz sichtbar, sie beträgt nur ca. 0.5% der Intensität der Grundschwingung. Diese Analyse zeigt, dass selbst bei einer Deformation von 10% nichtlineare Anteile, wenn auch sehr geringe, sichtbar werden. Obwohl der Anteil des 3. Obertones nur 0.5% von I1 ausmacht, ist es durch die Fourier-Transformation möglich, das Auftreten von nichtlinearem Verhalten sehr genau zu detektieren. In Abb. 4.4.6 ist das Anregungs- und Antwortsignal bei einer Deformation von 100% bei einer Anregungsfrequenz von 2 Hz dargestellt. Schon mit bloßen Auge sind im Antwortsignal Verzerrungen zu erkennen.

113

Ergebnisse und Diskussionen

Deformation

0,0 0 -0,1

-1

Drehmoment

0,1

1

-0,2

0,0

0,5

1,0

Zeit t [s] Abb. 4.4.6: Anregungs- () und Antwortsignal () der PS-Probe bei einer Frequenz von 2 Hz, einer Deformation von 100% und einer Temperatur von 190 °C.

Die entsprechende Fourier-Transformation des Signals aus Abb. 4.4.6 zeigt in Abb. 4.4.7, dass

Intensität auf I1=1 normiert

die nicht-sinusförmige Antwort signifikante Anteile höherer Harmonischer enthält.

1,0 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 0

2

4

6

8

10

Frequenz [Hz] Abb. 4.4.7: Fourier-Spektrum des Antwortsignals der PS-Probe bei einer Frequenz von 2 Hz, einer Deformation von 100% und einer Temperatur von 190 °C.

114

Ergebnisse und Diskussionen

Das experimentell erhaltene Spektrum stimmt dabei sehr gut mit dem theoretisch erwarteten Verhalten überein und zeigt nur bei den ungeradzahligen Obertönen signifikante Beiträge. Außer des ersten Obertons I1 sind deutliche Beiträge des 3. und 5. Obertones bei den Frequenzen von 6 bzw. 10 Hz zu erkennen. Der 3. Oberton zeigt sich mit einer Intensität von ca. 20%, der 5. Oberton mit ca. 5% der Grundschwingung. Des Weiteren sind auch Signale bei geradzahligen Obertönen sichtbar, welche theoretisch nicht erwartet werden. Der Grund liegt darin, dass es sich um ein „reales“ Experiment handelt und dabei auch elastische Effekte auftreten, die in einer Normalkraft resultieren. Da die Funktion der Normalkraft eine gerade Funktion ist, ergeben sich aus diesem Grund bei einer Fourier-Transformation auch Signale bei den geradzahligen Vielfachen der Anregungsfrequenz. Zur Auswertung der Spektren wurden jeweils die Intensitäten des 3., 5. und 7. Obertons ausgelesen und gegen die Deformation aufgetragen. In Abb. 4.4.8 sind für eine Anregungsfrequenz von 2 Hz und einer Temperatur von 190 °C die jeweiligen Intensitäten zusammengefasst.

relative Intensität I3 / I1

0,5 0,4

I3 I5 I7

0,03

0,02

0,01

0,3 0,00

0,2

0

5

10

0,1 0,0 0

20

40

60

80

100 120 140 160

Deformation γ [%] Abb. 4.4.8: Relative Intensitäten des 3., 5. und des 7. Obertones (I3, I5 und I7) der PS-Probe (Frequenz = 2 Hz, T = 190 °C).

Ergebnisse und Diskussionen

115

Die Obertonintensitäten steigen mit zunehmender Deformation erwartungsgemäß an. Je höher die angelegte Deformation ist, desto ausgeprägter ist das nichtlineare Verhalten. Der 3. Oberton zeigt sich durch seine größte Intensität am besten als Maß für die Nichtlinearität geeignet. Es zeigt sich, dass diese Methode bereits für Deformationen von etwa 1% das Auftreten von Nichtlinearitäten anzeigt. Durch konventionelle rheologische Methoden, zu denen auch die dynamischen Amplitudensweeps gehören, wurde nichtlineares Verhalten für Schmelzen homogener Polymere erst bei einer viel größeren Deformation von ungefähr 100% beobachtet. Dies bestätigt die hohe Empfindlichkeit dieser Methode, mit der Nichtlinearitäten detektiert werden können. Im Bereich von 1 bis 4% Deformation tritt ein intermediäres Maximum auf. Dieses beobachtete Phänomen ist unklar und kann nicht im Hinblick auf die Konstitutivgleichungen erklärt werden. Von Wilhelm sind für Polystyrol und Polybutylacrylat im Bereich kleiner Deformationen ebenfalls nicht monotone Intensitätsverläufe beobachtet worden [75]. Ausführliche Untersuchungen bezüglich des Auftretens und der Bedeutung dieses Maximums sind Gegenstand gegenwärtiger Untersuchungen [128]. Bei einer Frequenz von 2 Hz nimmt die Intensität der Obertöne für Deformationen größer als 10% stark zu. Das stimmt sowohl mit dem theoretisch erwarteten Verlauf als auch mit den Beobachtungen von Wilhelm et al. [68,69,75] überein. Gleichzeitig stellt dies den Bereich dar, in dem analog Abb. 4.4.3 ein Abfall des Moduls beobachtet wurde und dies Einschnürungseffekten zuzuschreiben ist. Es ist noch unklar, ob und in welchem Umfang die Einschnürungen auch Randeffekte hervorrufen können, die die Nichtlinearität in diesem Bereich verstärken.

4.4.4.5

Zusammenfassung FT-Rheologie an PS:

Die Methode der FT-Rheologie konnte für das System engverteiltes PS erfolgreich implementiert werden. Erste Messungen an einem linearen, engverteilten Polystyrol konnten durchgeführt werden. Damit sind alle Randbedingungen wie Aufnahmemodus und Geräteeinstellungen bekannt, unter denen diese Methode richtig und sachgerecht angewendet werden kann. Bedingt durch die hohe Empfindlichkeit des Verfahrens gegenüber dem Auftreten nichtlinearer Deformationsphänomene kann davon ausgegangen werden, dass auch für komplexere Systeme hoch genaue Materialparameter gewonnen werden können. Im Folgenden wird die FT-Rheologie zur Untersuchung der nichtlinearen Eigenschaften der PPO/DBS-Systeme eingesetzt.

116

Ergebnisse und Diskussionen

4.4.5 FT-Rheologie an PPO/DBS-Netzwerken Wie bereits in vorangestellten Kapiteln gezeigt, bildet DBS in polymeren Matrizes eine nanofibrilläre Netzwerkstruktur aus. Mit Hilfe der sehr empfindlichen Methode der FT-Rheologie soll das nichtlineare Verhalten des DBS-Netzwerkes in PPO untersucht und mit den Ergebnissen aus den „klassischen“ Methoden verglichen werden. Es wurden analog zum Vorgehen beim Polystyrol FT-rheologische Untersuchungen am PPO/DBS-System mit den Konzentrationen von 0.6, 1 und 3 Gew.-% durchgeführt. Vor jeder einzelnen Messung wurde eine Temperaturrampe durchgeführt, um gleiche strukturelle Ausgangsbedingungen für jede Probe zu gewährleisten (siehe Kap. 4.1.1). Für jede Probe wurden Timesweeps bei einer Temperatur von 30 °C und bei Messfrequenzen von 0.1, 1 bzw. 10 Hz unter jeweils konstanten Deformationsamplituden im Bereich von 0.1 bis 100% durchgeführt

4.4.5.1

Darstellung des Parameterraumes von PPO / 1 Gew.-% DBS

In Abb. 4.4.9 sind Speicher- und Verlustmodul während eines Timesweeps bei 30 °C und einer Anregungsfrequenz von 1 Hz für unterschiedliche Deformationsamplituden dargestellt. Bei der kleinsten Deformation von 0.1% erkennt man den linearen Verlauf der Moduli. G’ ist größer als G’’, was den elastischen Charakter des Gels widerspiegelt. Für eine Deformation von 5% ändert sich dieses Verhalten. Innerhalb weniger Sekunden nimmt der Modul stark ab, der Speichermodul fällt unterhalb des Verlustmoduls. Bei der größten dargestellten Amplitude von 10% sinkt sowohl der Speicher- als auch der Verlustmodul in noch stärkerem Ausmaß.

117

Ergebnisse und Diskussionen

5

[Pa]

10

G'

G''

4

10

3

10

γ = 0.1 % γ=5% γ = 10 %

2

10

0

100

200

300

400

Zeit t [s] Abb. 4.4.9: Dynamische Moduli während eines Timesweeps von PPO / 1 Gew.-% DBS bei unterschiedlichen Deformationsamplituden (T = 30 °C, f = 1 Hz).

Im Gegensatz zu den PS-Proben, die im vorangestellten Kapitel untersucht wurden, handelt es sich hierbei nicht um Einschnürungseffekte. Wie bereits in Amplitudensweeps beobachtet, existiert für das PPO/DBS-System eine kritische Deformation γc von wenigen Prozent, bei der das nanofibrilläre Netzwerk zusammenbricht (siehe Kap. 4.3.2.1). Bei Überschreiten dieser Deformationsgrenze sinkt sowohl der Speicher- als auch der Verlustmodul stark ab, wobei G’ stärker abfällt und Werte unterhalb von G’’ annimmt. Dieses Phänomen ist auch hier zu beobachten. Bei Deformationen von 5 bzw. 10% ist die kritische Deformation bereits überschritten, so dass das Netzwerk partiell zerstört vorliegt und viskoses Verhalten überwiegt (G’’ > G’). Folglich sind Bruchphänomene für das Absinken der dynamischen Moduli verantwortlich. Untersuchungen der reinen PPO-Matrix ergaben lineares Verhalten bis zu Deformationen von 100%. Folglich ist dieses Verhalten vollständig auf das DBS-Netzwerk zurückzuführen. Demzufolge ist der Parameterraum, der für dieses System aufgestellt werden kann, kein „experimentelles Fenster“ wie im Fall von Polystyrol, sondern zeigt das Auftreten von Bruchphänomenen bei den jeweiligen Versuchsbedingungen an. Die ausgefüllten Symbole („) in Abb. 4.4.10 kennzeichnen diejenigen Versuchsbedingungen, bei denen ein zeitlich konstantes

118

Ergebnisse und Diskussionen

Signal beobachtet wird und folglich noch kein Bruch auftritt, wohingegen die offenen Dreiecke

Anregungsfrequenz [Hz]

(U) Bedingungen symbolisieren, bei denen Strukturbruch eintritt.

10

1

0,1 0,1

1

10

100

Deformation [%] Abb. 4.4.10: Parameterraum für PPO / 1 Gew.-% DBS bei einer Temperatur von 30 °C.

Anders als bei PS ist auch der Übergang zwischen dem zeitlich konstanten und dem abfallenden Modulverlauf nicht vom Produkt, γ ω, abhängig, sondern fast ausschließlich von der Deformation selbst. Bei den Frequenzen von 1 und 10 Hz erscheint der Übergang zwischen 0.5% und 1% Deformation, bei einer Frequenz von 0.1 Hz erst zwischen 1 und 2%.

4.4.5.2

Obertonintensität in Abhängigkeit der Deformation

Die während der Timesweeps aufgezeichneten Primärsignale wurden Fourier-transformiert und die Signalintensitäten bei den jeweiligen Frequenzen ausgelesen. In Abb. 4.4.11 sind die Intensitäten des 3. Obertons, I3, für die drei unterschiedlichen Messfrequenzen von 0.1, 1 und 10 Hz für eine 0.6%-ige Probe dargestellt.

119

Ergebnisse und Diskussionen

relative Intensität I3 / I1

0,4

0.1 Hz 1 Hz 10 Hz

0,3

0,2

0,1

0,0 0,1

1

10

100

Deformation [%] Abb. 4.4.11: Intensitätsverlauf des 3. Obertons einer 0.6%-igen PPO/DBS-Probe für drei unterschiedliche Messfrequenzen bei 30 °C (Intensität des ersten Obertons I1 auf eins normiert).

In Abb. 4.4.12 und Abb. 4.4.13 sind die Intensitäten des 3. Obertons für die 1%-ige bzw. die 3%-ige Probe dargestellt.

relative Intensität I3 / I1

0,4

0.1 Hz 1 Hz 10 Hz

0,3

0,2

0,1

0,0 0,1

1

10

100

Deformation [%] Abb. 4.4.12: Intensitätsverlauf des 3. Obertons einer 1%-igen PPO/DBS-Probe für drei unterschiedliche Messfrequenzen bei 30 °C (Intensität des ersten Obertons I1 auf eins normiert).

120

Ergebnisse und Diskussionen

relative Intensität I3 / I1

0,4

0.1 Hz 1 Hz 10 Hz

0,3

0,2

0,1

0,0 0,1

1

10

100

Deformation [%] Abb. 4.4.13: Intensitätsverlauf des 3. Obertons einer 3%-igen PPO/DBS-Probe für drei unterschiedliche Messfrequenzen bei 30 °C (Intensität des ersten Obertons I1 auf eins normiert).

Die drei dargestellten Diagramme werden nun im Folgenden unter den verschiedenen Aspekten der relativen Intensität, des Verlaufs und der Lage der Intensitätsmaxima diskutiert.

a) relative Intensitäten Für alle Konzentrationen weisen die 3. Obertöne bei 1 und 10 Hz relative Intensitäten zwischen 2 und 15% auf, während für eine Frequenz von 0.1 Hz für alle angelegten Deformationen weitaus höhere Intensitäten bis zu maximal 30% beobachtet werden. Dies steht im Gegensatz zu den Untersuchungen an PS und den Beobachtungen von D. Schulze [130]. Hier zeigte sich für die niedrigste Frequenz auch die kleinste maximale Intensität, verglichen mit den Intensitäten höherer Frequenzen. Dieses besondere Merkmal ist offenbar eine Eigenschaft des PPO/DBSSystems.

b) Verlauf der Intensitätsmaxima Der Verlauf der Obertonintensität mit zunehmender Deformation unterscheidet sich grundsätzlich von den Beobachtungen linearer Polymere: Während bei reinen Polymeren die

Ergebnisse und Diskussionen

121

Intensität (mit Ausnahme des Anfangsbereichs) mit steigender Deformation stetig zunimmt [75], verläuft bei PPO/DBS-Proben die Intensität über ein ausgeprägtes Maximum. Dieses Maximum muss strukturelle Ursachen haben. Vermutlich gehen an dieser Stelle die größten relativen Strukturveränderungen vor sich. Da sich das System im stationären Zustand befindet (siehe Abb. 4.4.9), muss es sich um einen reversiblen Prozess handeln. Die einzelnen Fasern werden bei der maximalen Auslenkung γ0 offensichtlich bis genau an die Stabilitätsgrenze gedehnt. Beim Richtungswechsel werden die Fasern wieder entlastet bzw. in die andere Richtung gestreckt. Also befindet sich das Netzwerk bei dieser Deformation kurz vor dem Zusammenbruch. Bei höheren Deformationen wird die ursprüngliche Gerüststruktur zerstört. Fasern zerbrechen in einzelne Bruchstücke, das Netzwerk wird irreversibel zerstört. Die einzelnen Faserfragmente, die in der Matrix suspendiert vorliegen, führen nicht mehr zu einem derart ausgeprägten nichtlinearen Verhalten. Nachdem das Netzwerk zerstört ist, überwiegen die Eigenschaften der Polymermatrix. Aus diesem Grund nimmt die Obertonintensität nach Überschreiten einer kritischen Deformation, die durch die Lage des Maximums gegeben ist, wieder ab.

c) Lage der Maxima Die Lage der Maxima unterscheidet sich in Abhängigkeit von der Konzentration bzw. der Anregungsfrequenz. Vergleicht man zunächst für unterschiedliche Konzentrationen die Maxima bei den Anregungsfrequenzen von 1 und 10 Hz, so liegt bei der niedrigsten Konzentration von 0.6 Gew.-% DBS das Obertonmaximum bei 1% Deformation (vgl. Abb. 4.4.11), während bei höheren Konzentrationen die Intensität erst bei einer Deformation von 2% den höchsten Wert erreicht (siehe Abb. 4.4.12 und Abb. 4.4.13). Offenbar zeigt sich das DBS-Netzwerk mit zunehmender Konzentration stabiler gegenüber der angelegten Deformation. Strukturelle Änderungen treten erst bei größeren Beanspruchungen auf, was auf eine eventuell vorliegende höhere Netzwerkdichte zurückzuführen ist. Dieses Ergebnis bestätigt Beobachtungen aus dynamischen Amplitudensweeps in Kap. 4.3.2.1, die bei einer Kreisfrequenz von 1 rad/s aufgenommen wurden (entspricht 2π Hz). Hier wurde eine kritische Deformation in Abhängigkeit der Konzentration im Bereich von 1 (für niedrige Konzentrationen) bis 3% (für höhere Konzentrationen) ermittelt. Dieser Wert stimmt sehr gut mit dem Maximum der Obertonintensität der FT-Untersuchungen bei vergleichbaren Frequenzen überein.

122

Ergebnisse und Diskussionen

Bei der kleinsten gemessenen Frequenz von 0.1 Hz liegen die Maxima für alle untersuchten Konzentrationen bei ca. 10%. Hier sind keine konzentrationsabhängigen Unterschiede auszumachen. Die kritische Deformation, die über Amplitudensweeps bestimmt wurde, kennzeichnet den Beginn des Strukturbruches, während die durch FT-rheologische Messungen bestimmte kritische Deformation offenbar die Position markiert, in der das Netzwerk gerade noch intakt ist. Dennoch kann davon ausgegangen werden, dass dieser Übergang sehr eng ist und diese beiden „Definitionen“ der kritischen Deformation identisch sind. Innerhalb einer Konzentration kommt es mit abnehmender Frequenz zu einer Verschiebung des Maximums. Bei 1 und 10 Hz wird das Maximum bei 1% (0.6 Gew.-% DBS) bzw. 2% (1 und 3 Gew.-% DBS) beobachtet, wohingegen bei der kleinsten gemessenen Frequenz von 0.1 Hz der größte Peak bei 10% Deformation liegt. Daraus lässt sich schließen, dass bei kleineren Frequenzen erst höhere Deformationen zu vergleichbaren Strukturveränderungen führen. Dies stimmt mit den Beobachtungen überein, die beim Polystyrol gewonnen wurden. Auch in diesem Fall steigt die kritische Deformation mit abnehmender Messfrequenz. Diese Beobachtung kann auch an Hand der Deborah-Zahl De mit Hilfe des Pipkin-Diagramms (Abb. 3.1.1) erklärt werden. Die Deborah-Zahl, eine dimensionslose Kenngröße, lässt sich aus dem Produkt der Deformationsamplitude, der Anregungsfrequenz und der Relaxationszeit, γ0 ω λ, berechnen. Bei 1 bzw. 10 Hz hält man sich bei kleinen Deformationen vermutlich im mittleren oder rechten Teil des linearen viskoelastischen Bereichs des Pipkin-Diagramms (Abb. 3.1.1) auf. Hier ist die Grenze zur Nichtlinearität durch eine Waagerechte gekennzeichnet. Eine kleine Deformationserhöhung reicht aus, um in den nichtlinearen viskoelastischen Bereich überzugehen. Bei einer kleineren Frequenz von 0.1 Hz ist auch die Deborahzahl um den Faktor 10 bzw. 100 kleiner. Vermutlich befindet man sich bei dieser Frequenz in dem Bereich, in dem der Übergang nicht mehr waagerecht verläuft, sondern zu kleineren Deborahzahlen hin leicht ansteigt. Es muss eine höhere Deformation angelegt werden, um in den nichtlinearen viskoelastischen Bereich zu gelangen.

Ergebnisse und Diskussionen

123

4.4.6 Diskussion Die Intensität des 3. Obertones, die sich als Maß für die Nichtlinearität für geeignet erwiesen hat, verläuft mit ansteigender Deformation über ein Maximum. Das steht im Gegensatz zum Intensitätsverlauf bei reinen Polymerschmelzen, bei denen mit steigender Amplitude ein zunehmender Anstieg zu verzeichnen ist. Das Intensitätsmaximum bei 2% (bei Frequenzen von 1 und 10 Hz) bzw. 10% (bei einer Frequenz von 0.1 Hz) zeigt vermutlich den Moment an, an dem die größten relativen Strukturveränderungen eintreten, und sich das Material am stärksten nichtlinear verhält. Das Netzwerk wird dabei reversibel gedehnt und wieder entlastet, es befindet sich also kurz vor dem Zusammenbruch. Wird eine kritische Deformation überschritten, kommt es zum Bruch. Das Netzwerk nimmt mit zunehmender Zerstörung immer weniger Einfluss auf die rheologischen Eigenschaften, bis die Eigenschaften der Polymermatrix überwiegen und das Auftreten der nichtlinearen Effekte, als Intensität der Obertöne ausgedrückt, an Stärke verliert. Das stimmt auch mit vorangegangenen Untersuchungen überein, in denen sich das DBS-Netzwerk als sehr deformationsempfindlich darstellte. Das detektierte Intensitätsmaximum stimmt mit der kritischen Deformation überein, die durch klassische Methoden (dynamische Amplitudensweeps, Anlauf- und Kriechkurven) ermittelt wurden. Das zeigt, dass konventionelle Methoden die Linearitätsgrenze erst dann detektieren, wenn die größten Veränderungen durch Strukturbruch auftreten bzw. bereits aufgetreten sind, wohingegen die FT-Rheologie schon weitaus früher nichtlineares Verhalten erfasst, bevor Bruchphänomene überhaupt auftreten. Die Analyse der Fourier-Spektren für verschiedene PPO/DBS-Systeme zeigte, dass das Material schon für absolute Deformationsamplituden von ca. 0.2% Nichtlinearitäten zeigt. Das Material ist also noch fragiler als bisher durch klassische Methoden ermittelt wurde. Die FT-Rheologie ist somit in der Lage, noch empfindlicher die Grenze zur Nichtlinearität zu detektieren.

124

Zusammenfassende Diskussion und Ausblick

5 Zusammenfassende Diskussion und Ausblick Polymere Multikomponentensysteme sind ein wichtiger Gegenstand der aktuellen Materialforschung. Besonderes Interesse gilt dabei solchen Materialien, in denen bestimmte Bausteine, sogenannte Tektone, eine dreidimensionale Gerüststruktur ausbilden. Dies kann entweder über chemische Vernetzung (irreversibel) oder durch physikalische Wechselwirkungen, welche reversibel sind, geschehen. Der Zusatz von geringen Mengen an niedermolekularen organischen Verbindungen mit entsprechenden funktionellen Gruppen, sogenannten Gelbildnern, kann in Polymeren zur Ausbildung einer internen Skelettstruktur führen, was häufig mit einer erheblichen Änderung der Materialeigenschaften einhergeht. Ein prominenter Vertreter dieser Klasse ist Dibenzylidensorbitol (DBS), welches in der Lage ist, sich in verschiedenen Polymeren unter Ausbildung einer nanofibrillären Netzwerkstruktur selbst zu organisieren. In der vorliegenden Arbeit wurden folgende Polymermatrizes hinsichtlich einer Selbstorganisation

von

DBS

untersucht:

PPO,

PP,

PS,

PDMS,

SAN

sowie

hoch-

und

niedermolekulares PMMA. Die verwendeten Polymere wurden dabei so gewählt, dass sie zusammen genommen einen möglichst großen Löslichkeitsparameterbereich abdecken. Die Strukturbildung des DBS ist thermoreversibel, d.h. beim Erhitzen löst sich das Netzwerk auf, ist aber gleichzeitig in der Lage, sich beim Abkühlen erneut auszubilden. Diese Netzwerkbildungs- und -auflösungsprozesse zeichnen sich durch charakteristische Übergangstemperaturen aus, welche in einem Phasendiagramm dargestellt werden können. Alle betrachteten Polymer/DBS-Systeme zeigten eine Konzentrationsabhängigkeit der Gelbildungstemperatur: Diese Temperatur stieg mit zunehmenden Konzentrationen zunächst stark an und erreichte mit wachsender Konzentrationen einen Sättigungsbereich. Die Bildungsenthalpien dieser Gelbildung wurden mit Hilfe der Gleichung von Eldridge und Ferry [109] bestimmt. Die aus dieser Gleichung erhaltenen Werte lagen in einer ähnlichen Größenordnung, wie sie in der Literatur für vergleichbare Systeme, wie z.B. methylsubstituiertes DBS in iPP oder DBS in einer Ethylenglykolmatrix, beschrieben wurden. Es konnte gezeigt werden, dass die Polarität und die Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter wesentliche Einflussfaktoren für die Selbstorganisation darstellen. Die aufgestellte Korrelation der Übergangstemperaturen der Polymer/DBS-Systeme mit der Differenz der

Zusammenfassende Diskussion und Ausblick

125

Löslichkeitsparameter beider Komponenten konnte durch experimentelle Messungen bestätigt werden. Wie erwartet zeigte sich, dass die Übergangstemperaturen um so höher waren, je größer die Differenz der Löslichkeitsparameter ist, also je unverträglicher beide Komponenten sind. Bei sehr verträglichen Komponenten musste man demgegenüber zu sehr tiefen Temperaturen übergehen, um eine Strukturbildung zu beobachten. Liegt die erwartete Übergangstemperatur jedoch unterhalb der Glasübergangstemperatur Tg der Polymermatrix, ist die Strukturbildung über schmelzrheologische Methoden nicht detektierbar. Jedoch bedeutet das aber nicht, dass für minimale Differenzen in den Löslichkeitsparametern das notwendige Kriterium für die Strukturbildung nur in der Realisierung tiefer Temperaturen liegt. Es ist anzunehmen, dass ein gewisser Schwellenwert in der Differenz der Löslichkeitsparameter überschritten werden muss, um eine Strukturausbildung zu initiieren. Da selbst für DBS in lmw PMMA eine Gelbildung beobachtet werden kann, ist diese Schwelle vermutlich unterhalb 2.5 J1/2cm3/2 zu finden.

Die rheologischen Eigenschaften der einzelnen Polymer/DBS-Systeme wurden zunächst getrennt untersucht, um anschließend alle Systeme miteinander vergleichen zu können. Für alle Systeme wurde zunächst die Gültigkeit des Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzips (TTS) überprüft. Für die PPO-, PS- und für die aPP/DBS-Systeme war es erfüllt, sofern eine Unterkühlung von 60 K unterhalb der Gelbildungstemperatur erreicht werden konnte. Unter diesen Bedingungen ist gewährleistet, dass die Netzwerkstruktur voll ausgebildet ist und sich während oszillatorischen Messungen bei kleinen Deformationen nicht ändert. Für die Polymere PDMS und lmw PMMA war das TTS für keine der untersuchten Temperaturen erfüllt. Die Auswertung der rheologischen Messungen hat ergeben, dass die kritische Gelkonzentrationen, cgel, bei der unabhängig von der Temperatur erstmals eine Gelbildung eintritt, nicht universell ist; vielmehr wurde für jede Matrix ein charakteristischer Wert beobachtet. Der Konzentrationsbereich für cgel liegt in einer Größenordnung zwischen ca. 0.2 bis 1.5 Gew.-% DBS für die unterschiedlichen Matrizes. Darüber hinaus wurde der Einfluss der Netzwerkbildung auf die frequenzabhängigen Gleichgewichtseigenschaften untersucht. Es zeigten sich ausgeprägte Netzwerkeffekte vorallem im terminalen Bereich, die auf die Skelettbildung des DBS zurückzuführen sind. Die dynamischen Moduli zeigten im gesamten Fließbereich nahezu frequenzunabhängiges Verhalten: Ein Powerlaw-Verhalten mit einer sehr geringen Steigung wurde beobachtet. Dieses Relaxations-

126

Zusammenfassende Diskussion und Ausblick

verhalten kann ausschließlich dem DBS-Netzwerk zugeordnet werden, da der viskoelastische Beitrag der Matrix in diesem Frequenzbereich vernachlässigbar klein ist. Ein ähnliches Powerlaw-Verhalten mit einem kleinen Exponenten ist für sogenannte „soft glassy materials“ bekannt. [103]. Vergleichbare Frequenzabhängigkeiten wurden beispielsweise für multilamellare Vesikel in Wasser [119] oder für ausgeflockte Dispersionen [120] gefunden. Diese unterschiedlichen Systeme verbindet, dass die Elastizität auf physikalischen Wechselwirkungen beruht. Es wurde gezeigt, dass sich die untersuchten Netzwerksysteme mit Hilfe des Modells von Sollich et al. [102,103], welches den Systemen einen glasartigen, metastabilen Zustand zuordnet, qualitativ gut beschreiben lässt. Um einen Vergleich zwischen den verschiedenen Compounds aufstellen zu können, wurde ein „Referenzzustand“ definiert, der sowohl die voneinander abweichenden kritischen Gelkonzentrationen,

die

unterschiedlichen

Gelbildungstemperaturen

als

auch

die

intrinsischen

Matrixeigenschaften mitberücksichtigt. Für aPP wurde die geringste relative Erhöhung des Moduls im terminalen Bereich gefunden, gefolgt von lmw PMMA, PPO und PDMS, die vergleichbare Effekte zeigten. Polystyrol wies den intensivsten Verstärkungseffekt auf. Eine Korrelation zwischen dem relativen Verstärkungseffekt und der Differenz in den Hildebrand Löslichkeitsparametern konnte nicht gefunden werden. Eine mögliche Erklärung für die unterschiedlichen Verstärkungseffekte kann in den unterschiedlichen ausgebildeten Morphologien gefunden werden. Während lmw PMMA, PPO und PDMS, welche mittlere Verstärkungen im Fließbereich aufzeigen, lineare Topologien besitzen, zeigten die verzweigten Strukturen PS und aPP deutlich abweichendes Verhalten. In PS waren die stärksten, in aPP die geringsten Erhöhungen des Moduls zu erkennen. Aus TEMAufnahmen war zu entnehmen, dass die DBS-Fasern in aPP einen doppelt so großen Durchmesser besitzen als die DBS-Fasern in PS. Somit können sich in einer Polystyrol-Matrix mehr Entanglements ausbilden, was eine Erhöhung der Elastizität zur Folge hat. Des Weiteren konnte für den konzentrationsabhängigen Verlauf der Gleichgewichtsmoduli für das PPO/DBS-System im Sättigungsbereich ein Powerlaw mit einem Exponenten von etwa 1.5 zugeordnet werden. Nach dem Modell von Jones und Marques, das zur Beschreibung fibrillärer Systeme sehr gut geeignet ist, besteht das DBS-Netzwerk folglich aus starren Stäbchen, die über lose Verknüpfungen miteinander verbunden sind und verhält sich entropie-elastisch. Die Untersuchungen der nichtlinearen viskoelastischen Eigenschaften wurden ausschließlich für das PPO/DBS-System durchgeführt. In Amplitudensweeps zeigte sich eine Abhängigkeit der

Zusammenfassende Diskussion und Ausblick

127

kritischen Deformation γc von der Konzentration. Ein höherer DBS-Gehalt führte zu einer höheren kritischen Deformation, d.h. mit zunehmender Konzentration nimmt die Deformationsempfindlichkeit ab. Aber dennoch reagiert das System extrem sensibel gegenüber Deformationen, die kritischen Deformationsgrenzen erreichen maximal Werte im Bereich von 1-3%. Das ausgeprägte nichtlineare Verhalten der PPO/DBS-Systeme zeigte sich ebenfalls in Anlaufkurven. Der Kurvenverlauf wich auch hier deutlich vom linear viskoelastischen Verhalten ab. Es wurde zunächst ein Maximum durchlaufen, bevor die Gleichgewichtsviskosität erreicht wurde. Das Maximum entsprach einer Deformation zwischen 1 und 6% und stimmte somit mit der kritischen Deformation γc überein, wie sie bereits in den Messungen der Amplitudensweeps beobachtet wurde. Die erreichte transiente Gleichgewichtsviskosität zeigte in Abhängigkeit der aufgebrachten Scherrate ein stark scherverdünnendes Verhalten, das auf den Bruch einzelner Fasern und Faserbündeln zurückzuführen ist. Die Durchführung von Kriechexperimenten bestätigte die Existenz einer kritischen Deformation. Während bei kurzen Zeiten die Kriechnachgiebigkeit mit einer flachen Steigung verlief, erfolgte nach Erreichen einer Gesamtdeformation von ca. 1.5% ein starker Anstieg, was auf die beginnende Zerstörung des Netzwerkes zurückzuführen ist. Nach Einsetzen des Strukturbruchs verlief die Kriechfunktion J(t) mit der gleichen Steigung wie die reine Polymermatrix weiter, es überwogen also die Eigenschaften der reinen Matrix. Das PPO/DBS-System zeigte sich bei der Untersuchung mittels der klassischen Methoden als sehr deformationsempfindlich. Kritische Deformationsgrenzen im Bereich von wenigen Prozent wurde von allen Methoden bestätigt. Nach Überschreiten dieser Deformation kam es zum irreversiblen Strukturbruch. Dieses Verhalten konnte auch durch Morphologieuntersuchungen bestätigt werden. Die TEMAufnahmen einer Probe nach Anlegen einer großen Deformationsamplitude zeigte im Gegensatz zu einer ungescherten Probe weitaus kürzere Fasern und deutlich weniger Verschlaufungen. Eine relativ neue Methode zur Charakterisierung des nichtlinearen Verhaltens ist die FourierTransformations (FT)-Rheologie. Diese Methode wurde erstmals implementiert und ihre Anwendbarkeit am Beispiel eines Polystyrols getestet und validiert. Ihre Anwendung auf PPO/DBS-Systeme hat ergeben, dass die FT-Rheologie in der Lage ist, schon viel früher als die „klassischen“ rheologischen Methoden nichtlineares Verhalten zu detektieren. Diese Methode vermag bereits für Deformationsamplituden von 0.1% nichtlineares

128

Zusammenfassende Diskussion und Ausblick

Verhalten anzuzeigen, wohingegen Amplitudensweeps oder Kriechkurven nichtlineares Verhalten erst ab einem Bereich von einigen Prozent vorhersagen konnten. Es zeigte sich, dass die Messgenauigkeit konventioneller Methoden erst dann ausreichend sensibel war, wenn Netzwerkelemente bereits zerstört werden, wohingegen die FT-Rheologie bereits viel früher in der Lage war, selbst geringe Abweichungen vom linearen Verhalten zu detektieren. Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass Dibenzilidensorbitol (DBS) in der Lage ist, sich in verschiedenen Polymeren zu einer dreidimensionalen nanofibrillären Struktur anzuordnen. Es konnte gezeigt werden, dass die Strukturbildung maßgeblich von den Wechselwirkungen zwischen DBS und dem Polymer abhängt. Eine gewisse Unverträglichkeit zwischen Matrix und Gelbildner ist notwendig, um eine Phasenseparation zu bewirken, ansonsten bleibt DBS in der Matrix gelöst und es findet keine Netzwerkbildung statt. Eine Ausweitung der Untersuchungen auf unterschiedlichste Systeme, die eine Vielzahl von Füllstoffen einschießt, ist notwendig, um die beschriebenen Beobachtungen, u.a. in Bezug auf die für eine Strukturbildung notwendige Differenz in den Hildebrand Parametern, zu verifizieren. Es hat sich gezeigt, dass das Konzept des Löslichkeitsparameters nach Hildebrand dazu geeignet ist, die Wechselwirkungen für ein gegebenes System von Matrix und DBS abzuschätzen. Durch seine Anwendung wird es möglich, für unbekannte Polymer/FüllstoffSysteme Voraussagen bezüglich einer Strukturausbildung zu treffen. Sofern die Hildebrand Löslichkeitsparameter bekannt sind, kann unter Anwendung der abgeleiteten Formel das erwartete Verhalten hinsichtlich einer Nanostrukturierung abgeschätzt werden. Mit den in dieser Arbeit dargestellten Erkenntnissen über das linear und nichtlineare viskoelastischen Verhalten der untersuchten Compounds lassen sich auch die rheologischen Eigenschaften von unbekannten Polymer-Füllstoff-Systeme qualitativ vorhersagen und stellen somit ein Hilfsmittel zur Verfügung, welches das Verständnis und die Behandlung von Compoundsystemen erleichtern wird.

129

Experimenteller Teil

6 Experimenteller Teil 6.1

VERWENDETER GELBILDNER UND VERWENDETE POLYMERE

Bei dem in dieser Arbeit verwendeten Gelbildner handelt es sich um 1,3:2,4-Dibenzyliden-DSorbitol (DBS). Die Strukturformel ist in Abb. 6.1.1 dargestellt.

O

O

O

O

OH HO Abb. 6.1.1: Strukturformel von 1,3:2,4-Dibenzyliden-D-Sorbitol (DBS).

Diese Substanz wurde als Pulver von Milliken Chemicals bezogen und ohne weitere Reinigung verwendet.

1

Bezeichnung

M [g/mol]

Tm [°C]

VM0 [cm3/mol]

δ-Wert1[J1/2cm3/2]

DBS

358

225

275.7

23.9

= nach Fahrländer et al. [50]

Tab. 6.1: Charakteristika von 1,3:2,4-Dibenzyliden-D-Sorbitol (DBS).

Die verwendeten Polymere sind mit ihren Molekulargewichten, Glasübergangstemperaturen, Nullscherviskositäten, Molvolumima und den Hildebrand Löslichkeitsparametern δ in Tab. 6.2 dargestellt.

130

Experimenteller Teil

Bezeichnung

Mn [g/mol]

PDMS (Sigma) a-PP (JS38) i-PP (Novolen M) PS (R2-961) PPO04 (Sigma-Ald.) PPO (Sigma-Ald.) SAN (M80) PMMA (PMMA40) lmw PMMA

Tg

η0

GN0

VM0

δ-Bereich3

mittleres δ

[°C]

[Pas]

[Pa]

[cm3/mol]

[J1/2cm3/2]

[J1/2cm3/2]

Mw/Mn

116500

n.v.

-123

601

2x105

69.1

14.9 - 15.6

15.3

148000

1.9

5

17002

4x105

49.5

16.6 - 18.8

17.7

267000

2.3

-5

49002

1x106

44.4

16.6 - 18.8

17.7

135000

1.03

105

90002

2x105

92.0

17.4 - 19.0

18.2

425

n.v.

-74

0.031

n.v.

57.6

20.0 - 22.0

21.04

5150

1.02

-71

0.21

1x106

57.6

15.3 - 20.3

18.5

n.b.

n.b.

110

n.b.

n.b.

78.4

n.v.

21.05

40000

1.04

110

780002

7x105

81.8

18.6 - 26.4

22.5

1000

n.v.

60

n.v.

7x106

81.8

18.6 - 26.4

26.4

1

= gemessen bei 30 °C

2

= gemessen bei 190 °C

3

= nach van Krevelen (1997) [66]

4

= nach Fahrländer et al. (2000) [50]

5

= über Massenverhältnis bestimmt

Tab. 6.2: Verwendete Polymere

6.2 HERSTELLUNG DER PROBEN 6.2.1 Schmelzmischen 6.2.1.1

Tief-Tg-Polymere: Schmelzmischen

Die PPO/DBS- bzw. PDMS/DBS-Proben wurden durch Schmelzmischen hergestellt. Dabei wurde das Polymer mit der entsprechenden Menge an DBS (typischerweise im Bereich zwischen 0.1 und 5 Gew.-%) in einen Glaskolben gegeben. Unter intensivem Rühren wurde der

Experimenteller Teil

131

Ansatz unter Argonatmosphäre bis zum vollständigen Auflösen des DBS erhitzt. Die Auflösungstemperatur lag dabei zwischen 170 und 210°C. Nach Auflösen wurde noch drei Minuten gerührt, bevor die Probe langsam auf Raumtemperatur abgekühlt wurde. 6.2.1.2

Hoch-Tg-Polymere: Mikrocompounder

Die Herstellung der SAN/DBS-Systeme erfolgte in einem Mikrocompounder der Fa. Daca Instruments. Hierbei handelt es sich um einen Miniextruder mit zwei konisch zulaufenden, dicht kämmenden Schnecken. Der Mikrocompounder verfügt zusätzlich über eine Schmelzerückführung, wodurch sich die Compoundierzeit variabel einstellen lässt. Die Mischkammer hat ein Volumen von 5 ml. Compoundiert wurde bei 100 U/min und einer Temperatur von 210 °C. Die Schmelze wurde nach dem Compoundieren über eine Einlochdüse extrudiert.

6.2.2 Lösungsverfahren Die PS/DBS- und PMMA/DBS-Proben wurden aus Lösung hergestellt. Hierzu wurde sowohl das Polymer als auch das DBS jeweils erst in Benzol gelöst und dann vereinigt. Anschließend wurde das Lösungsmittel durch Gefriertrocknung entfernt. Zur Herstellung der PP/DBS-Proben wurde das Polymer und die entsprechende Menge an DBS in einem zehnfachen Überschuss an THF gelöst. Anschließend wurde das Lösungsmittel abgedampft.

6.3 MORPHOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN 6.3.1 Transmissionselektronenmikroskopie 6.3.1.1

Probenvorbereitung

Für Untersuchungen des PPO/DBS-Systems wurde die Probe als dünner Film auf ein kohlenstoffbeschichtetes Grid aufgetragen. Da diese Probe selbst nach einer Kontrastierung mit Rutheniumoxid zu wenig Kontrast besaß, wurde die Matrix mit Diethylether vorsichtig herausgelöst. Dazu wurde jeweils ein Tropfen Diethylether auf das Grid gegeben und sofort, bevor das Lösungsmittel verdampfte, mit einem Saugtuch wieder entfernt. Diese Prozedur wurde 3 bis 4 mal wiederholt. Bei den PDMS/DBS-Proben wurde mit Hilfe des Ultramikrotoms Ultracut E der Fa. ReichertJung unter Verwendung des Cryoschneideverfahrens bei -80 °C Ultradünnschnitte hergestellt.

132

Experimenteller Teil

Anschließend wurden die ca. 100 nm dünnen Schnitte auf Kupfergrids aufgesammelt. Auch hier wurde die Matrix durch wiederholte vorsichtige Behandlung mit Diethylether entfernt. Die aPP-Proben wurden für die TEM-Aufnahmen präpariert, indem aPP und die entsprechende Menge an DBS in THF gelöst wurde, bevor ein Tropfen dieser Lösung auf ein kohlenstoffbeschichtetes Grid aufgetragen wurde. Anschließend wurde das Grid im Vakuumtrockenschrank bei 100 °C getempert, um das Lösungsmittel abzudampfen. Zur morphologischen Untersuchung der PS/DBS- und der PMMA/DBS-Proben wurden bei Raumtemperatur mit Hilfe des Mikrotoms ultradünne Schnitte (Dicke ca. 100 nm) hergestellt.

6.3.1.2

Kontrastierung

Zur Kontrastierung der Probenschnitte wurden 10mg RuCl3·xH2O in 0.5 ml 13%-iger NaOClLösung aufgelöst. Von der erhaltenen rotbraunen Lösung wurden 5 bis 12 Tropfen in ein 80 mlGefäß mit Schliffdeckel gegeben, in denen sich die Probenschnitte befanden. Nach 20-30 min wurde die Lösung mit einer konzentrierten Ascorbinsäurelösung neutralisiert und die Grids aus dem Reaktionsgefäß entfernt.

6.3.1.3

Aufnahme der TEM-Bilder

Die Untersuchungen wurden an einem Transmissionselektronenmikroskop des Typs LEO 912 (120 kV) der Fa. Zeiss durchgeführt.

6.4 RHEOLOGISCHE UNTERSUCHUNGEN 6.4.1 Probenpräparation Die Rheologie-Prüfkörper der PP/DBS-, PS/DBS-, SAN/DBS- und PMMA/DBS-Proben wurden mit Hilfe einer Vakuumpresse der Fa. Collins hergestellt. Die jeweilige Arbeitstemperatur betrug für PP 150 °C, PS 170 °C, SAN 210 °C, PMMA 190 °C und für das niedermolekulare PMMA 150 °C. Die hergestellten Probenkörper hatten einen Durchmesser von 25mm und eine Dicke von ca. 1mm. Da aus den PDMS/DBS- und PPO/DBS-Proben auf Grund ihrer Beschaffenheit keine Presslinge herzustellen waren, wurde alternativ ca. 0.5 bis 1 Gramm des Probenmaterials auf die untere Rheometerplatte gegeben, die mit einem Gummiring umfasst war. Die Probe wurde aufge-

Experimenteller Teil

133

schmolzen, wobei der Ring das Weglaufen des niederviskosen Sols verhinderte. Nach Abkühlen des Sols wurde der Gummiring entfernt, anschließend die obere Platte mit der Probe in Kontakt gebracht und der Plattenabstand ausgelesen.

6.4.2 Durchführung der rheologischen Messungen 6.4.2.1

Dynamische und statische Experimente: Rheometrics RMS 800

Die dynamischen und die statischen Scherexperimente wurden am deformationskontrollierten „Rheometrics Mechanical Spectrometer RMS 800“ der Fa. Rheometrics Scientific durchgeführt. Für die Temperierung ist das Gerät mit einer Heizpistole ausgestattet, mit der eine Temperaturgenauigkeit von +/-1 K erreicht wird. Alle Messungen wurden unter Stickstoffatmosphäre in Platte-Platte-Geometrie (25 mm) durchgeführt. Bei dynamischen Experimenten wird die untere Platte durch einen mit Differentialkondensatoren ausgerüsteten Motor definiert ausgelenkt, während eine Kraftmessdose das an der oberen Platte auftretende Drehmoment misst. Die Drehmomentmessung erfolgt dadurch, dass der sogenannte "Force Rebalance Transducer" (FRT-Messaufnehmer) die auftretende Kraft durch eine gleichgroße Gegenkraft kompensiert und daraus das Drehmoment bestimmt. Bei den statischen Experimenten hingegen wurde im kontinuierlichen Modus (engl.: steady mode) mit einer konstanten Schergeschwindigkeit gearbeitet. Zu Beginn der Messung wurde ein Timesweep zur Überprüfung der Probenhaftung durchgeführt. Anschließend wurden die DBS/Polymer-Proben auf eine von der jeweiligen Probe abhängenden Temperatur oberhalb des Sol-Gel-Übergangs erhitzt. Nach mindestens 20 bis 30 Minuten wurde die Probe bei kleinen Deformationen von höchstens 1% mit einer Abkühlrate von 2 K/min deutlich unterhalb der Sol-Gel-Übergangstemperatur abgekühlt. Dabei wurden die dynamischen Moduli G’ und G’’ temperaturabhängig detektiert. Um die Dilatanz der Metallplatten auszugleichen, wurde während der Messung der Modus „auto tension adjustment“ mit folgenden Parametern verwendet: inital static force:

0.1 g m

auto tension sensitivity:

0.2 g m

Nach der Temperaturrampe wurden die frequenzabhängigen Eigenschaften der Proben bei verschiedenen Temperaturen deutlich unterhalb des Sol-Gel-Übergangs im Frequenzbereich von 100 bis 0.01 rad/s und bei kleinstmöglichen Deformationen von 0.2 bis 0.7% untersucht.

134

Experimenteller Teil

Aus den einzelnen Isothermen wurde mit Hilfe des Programms LSSHIFT [131] die Masterkurven für die jeweilige Referenztemperatur berechnet. Anschließend

wurden

die

deformationsabhängigen

Untersuchungen

in

sogenannten

Amplitudensweeps in einem Deformationsbereich von 0.5 bis 100% durchgeführt. Vor jeder neuen Messung wurde eine Temperaturrampe durchgeführt, um jeweils gleiche Ausgangsbedingungen zu generieren.

6.4.2.2

Kriechfunktion: Paar-Physica UDS 200

Die Messungen der Kriechfunktion J(t) der PPO/DBS-Probe wurde am spannungskontrollierten Gerät UDS 200 der Fa. Paar-Physica durchgeführt. Die beheizbare Probenkammer wurde während der gesamten Messung mit Stickstoff gespült. Es wurde mit einer Platte-PlatteGeometrie mit einem Durchmesser von 50 mm gearbeitet, wobei die obere Platte angeraut war (Typenbezeichnung MP313/S). Die einzelnen Kriechmessungen erfolgten jeweils nach Durchführung einer Temperaturrampe und wurde bei Spannungen bis zu 60 Pa und bei einer Temperatur von 30 °C durchgeführt.

6.4.2.3

Fourier-Transformations (FT)-Rheologie: Rheometrics ARES

Die FT-rheologischen Messungen wurden an einem ARES-Rheometer der Fa. Rheometrics Scientific durchgeführt. Dieses Gerät ermöglicht es, zwischen zwei eingebauten Transducern im Bereich von 2 bis 2000 g cm bzw. 0.02 bis 200 g cm zu wählen. Alle Messungen wurden unter Stickstoffatmosphäre durchgeführt. Für die FT-Rheologie-Messungen wurde das Rheometer im Timesweep-Modus betrieben, wobei die Parameter für die Kreisfrequenz ω in [rad/s] bzw. Frequenz f in [Hz] und die Deformation γ in [%] angegeben werden. Um eine gute Auflösung des Mess-Signals auch bei hohen Frequenzen zu erhalten, wurde bei allen Untersuchungen mit einer Scan-Rate von 20000 Punkten pro Sekunde gearbeitet. Für die Untersuchungen an Polystyrol wurden 1000 Schwingungen aufgenommen mit einer Punktdichte von 100 Punkten pro Periode. Das ergibt eine Datenmenge von 100000 Punkten pro Messung. Da bei einer Scan-Rate von 20000 Punkten pro Sekunde mehr als 100 Datenpunkte pro Schwingung aufgenommen werden, wurde beispielsweise bei einer Frequenz von 2 Hz mit einem Oversampling von 100 gearbeitet.

Experimenteller Teil

135

Es zeigte sich, dass mit insgesamt 200 Zyklen und jeweils 50 Punkten pro Schwingung ebenfalls ein sehr zufriedenstellendes Signal-Rausch-Verhältnis erzielt werden kann. Somit wurde bei den PPO/DBS-Proben die Datenmenge auf 10000 Punkte pro Messung reduziert. Auch hier wurde das Oversampling angewendet. Bei einer Frequenz von 0.1 Hz wurde mit einem Oversampling von 4000 Punkten gearbeitet, während bei einer Frequenz von 1Hz das Oversampling 400, bzw. bei 10 Hz das Oversampling 40 betrug. Zur Digitalisierung, Datenerfassung und Auswertung der FT-Messung benötigt das verwendete LABVIEW-Programm folgende Informationen: Device:

Kenn-Nummer der DAC-Karte in der LABVIEW-Registry, ist gewöhnlich 1

Channels:

Anzahl der verwendeten Kanäle. Die drei Mess-Signale für Deformation, Drehmoment und Normalkraft wurden in dieser Reihenfolge den Kanälen 0, 1 und 2 zugeordnet

Scan rate:

Anzahl an Punkten pro Sekunde und Kanal. Die Grundeinstellung von 20000 Scans pro Sekunde liefert in der Regel eine gute Auflösung des Mess-Signals

NPeriode:

Anzahl an auszuwertenden Punkten pro Schwingung, sollte zwischen 50 und 100 betragen

Effektive Scan rate: Anzahl an Messpunkten pro Zeiteinheit, feff,: feff = NPeriode * Anregungsfrequenz f Buffer size:

Größe des Datenspeichers auf der DAC-Karte

Write Buffer Size:

Anzahl der Punkte, die im Speicher auf der DAC-Karte zwischen-

gespeichert werden, bevor sie in den Hauptspeicher des Computers verschoben werden No. Averages oversampling (OS):

Anzahl an Punkten, über die ein Mittelwert gebildet wird.

Dies ist zum einen sinnvoll, weil sich dadurch der statistische Fehler der Messpunkte verringern lässt. Zum anderen würde sonst das Mess-Signal aus unnötig vielen Datenpunkten dargestellt, welche bei der weiteren Datenanalyse überdimensional viel Rechenzeit in Anspruch nehmen würden OS = Scan rate / f eff

136

Experimenteller Teil

Max. File size:

Anzahl der Messpunkte, die in die Ausgabedatei geschrieben werden. Der Wert sollte sich an der effektiven Scan-Rate und der Anregungsfrequenz orientieren. Für die darauffolgende FT-Routine sollten mindestens 50 Schwingungen registriert werden

File Ext.:

String, welcher angibt, welche Erweiterung das Ausgabefile erhält

Hardware Settings:

dienen internen Routinen, müssen unverändert bleiben

Die Eingabedatei enthält drei Spalten für die Werte Deformation (Anregungssignal), Drehmoment (Materialantwort) und Normalkraft. Die Zeitinformation ist nicht enthalten, da der FTAlgorithmus die Zeitinformation unter der Voraussetzung, dass die Punkte äquidistant sind, nicht benötigt. Sollte die Zeitinformation von Interesse sein, muss sie aus der Anregungsfrequenz und der effektiven Messpunktgeschwindigkeit rekonstruiert werden. Die zum Punkt i gehörige Zeit ti ist gegeben durch: t i = i / f eff Die Ausgabedatei enthält zwei Spalten. Die erste gibt das FT-Spektrum an, die zweite Spalte wird als RMS (Harmonics) bezeichnet, die aber für die weitere Auswertung keine wesentliche Rolle spielt.

Appendix

137

7 Appendix In Kap. 4.1.3 wird eine Gleichung dargestellt (Gl. 4.2), welche die Gelbildungstemperatur mit der Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter in Beziehung setzt. Die verwendete Gleichung beruht auf der Theorie von Flory [113]. In dieser Theorie wird eine Schmelzpunkterniedrigung eines kristallinen Polymers betrachtet, welches in einem Lösungsmittel gelöst wird. Die Theorie der Schmelzpunkterniedrigung betrachtet das Gleichgewicht zwischen Lösungsmittel und kristallisierendem Polymer. Das chemische Potential einer Wiederholungseinheit des Polymers muss in beiden Phasen (fest/flüssig) gleich sein:

µ u = µ uc

Gl. 7.1

mit Index u für die Wiederholungseinheit. Der Gleichgewichtszustand einer Polymereinheit des kristallisierenden Polymers und einer Polymereinheit des Polymers in Lösung ist definiert als:

µ χυ − µ 0υ = µ υ − µ 0υ

Gl. 7.2

Die Differenz der chemischen Potentiale der kristallinen Wiederholungseinheit und der Einheit im Standardzustand, d.h. des reinen, gelösten Polymers müssen bei der gleichen Temperatur und dem gleichen Druck identisch sein wie die Differenz der chemischen Potentiale der Polymereinheiten in Lösung relativ zum gleichen Standardzustand. Die linke Seite der Gleichung entspricht der negativen freien Mischungsenthalpie ∆Fu:

µ uc − µ u0 = −∆Fu = − ( ∆Hu − T∆S u )

Gl. 7.3

mit ∆Hu und ∆Su als Mischungsenthalpie bzw. -entropie. Diese Gleichung kann auch dargestellt werden als:

 T  µ uc − µ u0 = − H0 u 1 − 0  Tm   mit

∆Hu0 = TM0 = const . 0 ∆S u

Gl. 7.4

138

Appendix

Die Änderung des chemischen Potentials eines gelösten Stoffes kann ebenfalls ausgedrückt werden als:

µ 2 − µ 02 = RT

[ ln φ

2

− ( x − 1)(1 − φ 2 ) + χ 1 x (1 − φ 2 )2

]

.

Gl. 7.5

Index 2 bezeichnet hier den gelösten Stoff. φ2 stellt den Molenbruch des gelösten Stoffes dar, x die Kettenlänge und χ1 den Wechselwirkungsparameter. Wird eine Kristallisation betrachtet, bietet es sich an, das chemische Potential pro Mol Struktureinheiten zu betrachten anstatt pro Mol Polymer. Eine Division durch die Anzahl an Struktureinheiten pro Volumen ( = x

V10 ) liefert: Vu0

 V 0 u   ln φ2 1  µ u − µ u0 = RT  0   − (1 − )(1 − φ2 ) + χ 1(1 − φ2 )2  . x  V 1  x

Gl. 7.6

Das Lösungsmittel ist mit dem Index 1 versehen, die Struktureinheit ist mit u indiziert. V10 stellt das molare Volumen des Lösungsmittels und Vu0 das molare Volumen der Struktureinheit dar. Nun kann Gl. 7.4 mit Gl. 7.6 gleichgesetzt werden. Es resultiert folgende Beziehung:

− ∆Hu

  V 0 u   ln φ 2 1 T   1 − 0  = RT 0   − (1 − )(1 − φ 2 ) + χ1 (1 − φ 2 ) 2    x x Tm    V 1  

Gl. 7.7

Mit folgender Darstellung für den Wechselwirkungsparameter χ1

Vr0 χ1 = ( ∆δ ) 2 RT

Gl. 7.8

ergibt sich:

1 1 R − 0 = T Tm ∆H0 u

  V 0 u   ln φ 2 V0 1  0   − (1 − )(1 − φ 2 ) + r ( ∆δ) 2 (1 − φ 2 ) 2  Gl. 7.9 x RT V 1  x 

weitere Umformungen ergeben:

1 R = T ∆H0 u

  V 0 u   ln φ 2 V0 1 1  0   − (1 − )(1 − φ 2 ) + r ( ∆δ) 2 (1 − φ 2 ) 2  + 0 x RT Tm V 1  x 

Gl. 7.10

139

Appendix

0      1 0 0 0 0  2 Vr Vu0 Tm0 ( ∆δ )2  + ( ∆H0u V10 x ) (ln φ2RTm Vu ) −   1 − (1 − φ 2 )RTm Vu x  +  (1 − φ2 ) x Tf 1       =  0 0 0 Gl. 7.11 T ∆H u V1 x Tm

( ∆Hu V10 x Tm0 ) − (1 − φ 2 ) 2 Vr0 Vu0 Tm0 ( ∆δ) 2

T = (ln φ 2 R T

0 m

 1 V ) −  1 −  (1 − φ 2 ) x  0 u

0 m

RT

0 u

V

Gl. 7.12

 x  + ( ∆H0 u V10 x ) 

(1 − φ 2 ) 2 Vr0 Vu0 ( ∆δ) 2 ∆H0 u V10 ln φ 2   1 1 − x  (1 − φ) − x     + 1 0 0 ∆H u V1 Tm0

1+ T = 0 u

RV

Gl. 7.13

Überträgt man diese Herleitung auf die untersuchten Polymer/DBS-Systeme, muss auf die entsprechende Indizierung geachtet werden. In diesem Fall wird die Polymermatrix zum Lösungsmittel (Index 1 → Index M) und DBS wird als das kristallisierende Polymer betrachtet (Index u bzw. 2 → Index DBS). Werden diese Indizes ersetzt und wird zusätzlich für die Temperatur T die Gelbildungstemperatur Tf eingesetzt, da die Änderung des chemischen Potentials am Sol-Gel-Übergang betrachtet werden soll, ergibt sich folgende Gleichung:

1+ Tf = 0 DBS

RV

0 (1 − φ DBS ) 2 Vr0 VDBS ( ∆δ) 2

∆H 0 DBS VM0

ln φ DBS   1 1 − x  (1 − φ 2 ) − x  1   + 0 0 0 ∆H DBS VM Tm ,DBS

Gl. 7.14

Unter der Annahme, dass φDBS sehr klein ist und x (Kettenlänge) sehr große Werte annimmt, kann diese Gleichung folgendermaßen vereinfacht werden:

1+ Tf =

0 Vr0 VDBS ( ∆δ ) 2

∆H 0 u VM0

0 RVDBS

∆H 0 DBS VM0

1 + 0 Tm ,DBS

Gl. 7.15

Diese Gleichung entspricht Gl. 4.2, welche für die Korrelation der Gelbildungstemperaturen und der Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter verwendet wurde.

140

Kurzzusammenfassung

141

8 Kurzzusammenfassung Ziel der vorliegenden Dissertation war es, die Strukturbildung des niedermolekularen Gelbildners Dibenzylidensorbitol (DBS) in unterschiedlichen Polymermatrizes wie PPO, PS, PP, PMMA und PDMS systematisch zu untersuchen, um daraus grundlegende Beziehungen zwischen den auftretenden Polymer-Gelbildner-Wechselwirkungen und den resultierenden rheologischen Eigenschaften abzuleiten. Die Kinetik der Strukturbildung in den untersuchten Polymer/DBS-Systemen wurde mittels DSR (Dynamic Scanning Rheology) zeit- und temperaturaufgelöst in Abhängigkeit von der DBS-Konzentration untersucht. Die supramolekulare Selbstorganisation des DBS basierend auf physikalischen Wechselwirkungen führte für die meisten der oben genannten Polymere bereits für kleinste Konzentrationen an Gelbildner zur Ausbildung eines nanofibrillären Netzwerkes bei charakteristischen Temperaturen. Die Gelbildungsenthalpien der jeweiligen Systeme konnten mit Hilfe einer Gleichung nach Eldridge und Ferry bestimmt und interpretiert werden. Ausgehend von einer Gleichung von Flory zur Beschreibung der Kristallisation von Polymeren in Lösungen wurde eine Beziehung hergeleitet, die die Gelbildungstemperaturen mit den enthalpischen Wechselwirkungen, ausgedrückt durch die Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter beider Komponenten, in Beziehung setzt. Es konnte beobachtet werden, dass die Übergangstemperaturen, d.h. die Gelbildungs- und Gelauflösungstemperaturen, um so tiefer liegen, je geringer die Differenz der Löslichkeitsparameter ist. Ist die Verträglichkeit sehr groß, kann die Übergangstemperatur unterhalb der Glasübergangstemperatur des Matrixpolymers liegen, so dass die Strukturbildung schmelzrheologisch nicht detektierbar ist. Andererseits ist davon auszugehen, dass ein gewisser Schwellenwert in der Löslichkeitsparameterdifferenz überschritten werden muss, um eine Strukturbildung zu ermöglichen. Die experimentellen Daten sind in guter Übereinstimmung mit der hergeleiteten Gleichung. Das Löslichkeitsparameter-Konzept nach Hildebrand stellt somit ein geeignetes Instrument zur Beschreibung der Wechselwirkungen zwischen der polymeren Matrix und dem Gelbildner dar. Auf der Grundlage der Untersuchung der viskoelastischen Eigenschaften der Polymer/GelbildnerCompounds konnten für Konzentrationen oberhalb der kritischen Gelkonzentration bei einigen Systemen Gleichgewichtsschermoduli bestimmt werden. Für andere Systeme, ganz besonders aber für das PPO/DBS-System, konnte im terminalen Bereich ein Powerlaw-Verhalten beobachtet werden. Dieses Relaxationsverhalten mit einem besonders flachen Verlauf der dynamischen Moduli ist typisch für Netzwerksysteme, die auf physikalischen Wechselwirkungen beruhen. Ein Vergleich der Netzwerkeigenschaften des reinen DBS-Gerüsts in den jeweiligen Polymermatrizes konnte durch die Definition eines Referenzzustandes durchgeführt werden. Der Referenzzustand berücksichtigte sowohl die unterschiedlichen Gelkonzentrationen und Gelbildungstemperaturen als auch die intrinsischen Matrixeigenschaften. Es zeigte sich keine ausgeprägte Abhängigkeit des Verstärkungseffektes zur Differenz der Hildebrand Löslichkeitsparameter. Beobachtete Unterschiede konnten an Hand der ausgebildeten Morphologien erklärt werden. Das beobachtete Skalengesetz für die Konzentrationsabhängigkeit des Gleichgewichtsmoduls konnte über das Modell von Jones und Marques beschrieben werden und wies dem untersuchten PPO/DBSSystem starre Strukturelemente zu, die über frei drehbare Vernetzungspunkte miteinander verknüpft sind. Dies steht im Einklang mit den morphologischen Untersuchungen. Die nanofibrillären Netzwerkstrukturen erwiesen sich als extrem schersensitiv. Eine kritische Deformationsgrenze im Bereich von wenigen Prozent wurde sowohl in Amplitudensweeps, Anlaufkurven und Kriechexperimenten gefunden. Die kritische Deformationsgrenze konnte mit einem Strukturbruch von einzelnen Fasern in Verbindung gebracht werden, was durch morphologische Untersuchungen bestätigt werden konnte. Des Weiteren wurde eine relativ neue Methode zur Erfassung des nichtlinearen Verhaltens, die FourierTransformations (FT)-Rheologie implementiert und auf die DBS-Netzwerkstrukturen angewendet. Die kritischen Deformationsgrenzen, welche durch die „klassischen“ rheologischen Methoden bestimmt wurden, konnten durch die FT-Rheologie bestätigt werden. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass die FT-Rheologie weitaus empfindlicher gegenüber nichtlinearem Verhalten ist als klassische Messmethoden.

142

Lebenslauf

143

9 Lebenslauf Persönliche Daten Name Geburtsdatum Geburtsort Familienstand

Wenke Fräßdorf 16.12.1972 Mönchweiler ledig

Schulbildung 09/1979 - 08/1983 09/1983 - 08/1989 09/1989 - 05/1992 22.05.1992

Grundschule Mönchweiler Karl-Brachat-Realschule Villingen-Schwenningen Wirtschaftsgymnasium Villingen-Schwenningen Allgemeine Hochschulreife

Hochschulstudium 10/1992 - 09/1993

Studium Verfahrenstechnik an der TU Karlsruhe

10/1993 - 12/1999

Studium Chemie an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg

28.09.1995

Chemie-Vordiplom

08/1996 - 06/1997

Auslandsstudium an der Brock University, St. Catharines (Kanada) Abschluss: Bachelor of Science (Honours)

10/1998 - 03/1999

Diplom-Hauptprüfungen (Chemie)

04/1999 - 12/1999

Diplomarbeit am Institut für Physikalische Chemie im Arbeitskreis von Prof. Dr. G. Kothe Thema: „31P-NMR-Relaxationsuntersuchungen der viskoelastischen Eigenschaften von Phospholipidmembranen mit und ohne Zytoskelett“

seit 01/2000

Promotion am Freiburger Materialforschungszentrum (FMF) bei Prof. Dr. Dr. C. Friedrich im Fachbereich Makromolekulare Chemie Thema: „Rheologische und morphologische Charakterisierung von DBS-Netzwerkstrukturen in unterschiedlichen Polymermatrizes“ Nebenfach: Pharmazeutische Technologie bei Prof. Dr. R. Schubert Stipendiatin des Graduiertenkollegs „Strukturbildung in makromolekularen Systemen“

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