Peter Terrahe & Angelika Oswald Antiquariat & Buchhandlung

Peter Terrahe & Angelika Oswald Antiquariat & Buchhandlung Riemberg 1/ Angerbach * 84140 Gangkofen Tel.: 08722 / 96 93 42 * Fax 08722 / 96 93 41 E-mai...
Author: Catrin Reuter
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Peter Terrahe & Angelika Oswald Antiquariat & Buchhandlung Riemberg 1/ Angerbach * 84140 Gangkofen Tel.: 08722 / 96 93 42 * Fax 08722 / 96 93 41 E-mail: [email protected] Spezialgebiete: Alte und seltene Bücher aller Gebiete; Rechtswissenschaften; Botanik; Pressendrucke

601 15. Jahrhundert. - Inkunabeldruck. - Theologie. - Ambrosius. Opera. 2 Teile (von 3) in einem Band (Anfang von Teil 1; Teil 3 komplett, aber irrig gebunden). (Basel, Johann Amerbach, 1492). Folio. Mit Titelholzschnitt. (Teil I=) 40 Blatt (genaue Kollation mit Bogenzählung nach GW: a8 b6 c8 d6 - f6 = Anfang und Kapitel 1); (Teil III =) 290 Blatt (genaue Kollation mit Bogenzählung nach GW: a8 b6 c8 d6 - f6 = Kapitel XI - XVIII/ zweispaltig; a8 b6 c8 d6 e8 f6 g8 h6 i8 k6 - o6 = Kapitel I; a8 b6 c8 d6 e8 f6 g10 = Kapitel XIX/ zweispaltig/ g8 mit Orts- und Verlagsangabe sowie Jahreszahl: „Explicitu est opus sermonu beati Ambrosii epi Mediolanesnsis: Basilee p magistratu Johannem de Amerbach: Anno salutiferi // virginalis partus nonagesimosecundo supra millesimum quateroz centesimum“; a8 b6 c8 - h8 i6 - k6 l8 - n8 = Kapitel II - X/ zweispaltig). Halblederband wohl des 17.Jahrhunderts mit handschriftlichem Titel und Jahreszahl; gesprenkelter Buchschnitt. 6500,-

Basler Inkunabel mit beinahe blattgroßem Titelholzschnitt, den Kirchenlehrer Ambrosius (um 339 - 397) zeigend, wie er in seiner Studierstube an einem Pult steht und schreibt. – GW II, 1599; Hain I, 896; Lonchamp I,74; Heckethorn, S. 39 (mit Angaben über die Verwendung der Typen). - Für die Angaben zum Drucker: Heckethorn, S. 27 ff; Geldner I, 118f.; Voulliéme S. 25; Dt. Buchdrucker des XV. Jhdts., Harrassowitz Vlg., S. 80. - Für die Angaben zum Titelholzschnitt: Meder, Dürer Katalog, S. 18 und Kat.-Nr. 220; Hieronymus, Oberrheinische Buchillustration, S. 50; Schramm XXI, S. 15f. u. Illustr.-Nr. 600. - Für die Angaben zu den Wasserzeichen: Piccard, Gerhard. Die Wasserzeichenkartei Piccard im Hauptstaatsarchiv Stuttgart. - Die hier vorliegenden Schriften des Ambrosius, der Bischof von Mailand war, stammen aus der dreiteiligen und zugleich ersten Gesamtausgabe seiner Werke. Vom ersten Teil liegt nur der Anfang vor. Neben dem Titelholzschnitt, dem Inhaltsverzeichnis des Gesamtwerkes, einer Beigabe von Johannes de Lapide und der Auflistung der genauen Kapiteleinteilung des ersten Teiles sind dies Ambrosius „Schriften über die Pflichten“. Ihre Bedeutung ist groß, da Ambrosius mit den ‚Libri de officiis‘ eine „zusammenfassende Sonderdarstellung der christlichen Ethik“ versuchte, „die bis Thomas von Aquin der einzige Versuch blieb“ (Buchberger I, 430). Der dritte Teil liegt vollständig - wenn auch in irriger Reihenfolge - vor. Hier leitet ein Zwischentitel Ambrosius moralisch-asketische Schriften über die Jungfräulichkeit ein (Kapitel XI - XVIII). Es folgt der eigentliche Anfang des dritten Teils mit Inhaltsverzeichnis aller Kapitel. Folgerichtig schließt sich das Kapitel I - das Buch der Briefe - an. Die Briefe gelten als „eine wichtige Quelle für die Geschichte seiner Zeit“ (Buchberger a.a.O.) Wieder wird nun von der eigentlichen Reihenfolge abgewichen: Nach den Briefen folgt das Abschlußkapitel mit den Predigten des Ambrosius, erneut eingeleitet durch einen Zwischentitel. Am Ende der Predigten finden sich die Angaben über Verleger, Druckort und Erscheinungsjahr. Ein Verzeichnis der Predigten beendet das XIX. und damit das eigentliche Schlußkapitel des Werkes. Der Fehlbindung geschuldet folgen nun die noch fehlenden Kapitel II bis X mit den eher dog-

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matisch ausgerichteten Schriften über Treue, Spiritualität und die Mysterien, „die gegen die Häresien der Zeit gerichtet“ waren (Buchberger I, 429). Trotz der irrigen Reihenfolge der Schriften bleibt das Werk des Ambrosius in der vorliegenden Form übersichtlich und gut nachvollziehbar und stellt eine interessante Zusammenstellung der wichtigsten Arbeiten dar. – Johann von Amerbach (? - 1513) gehört neben Johann Froben und Michael Wenssler zu den großen Druckern Basels im 15. Jahrhundert (so Duff S.58). Seine ganz frühen Lebensjahre sind weniger gut erforscht: Wohl in Amorbach im Odenwald geboren, studierte er später als Schüler des Johannes de Lapide an der Sorbonne. Im Jahre 1477 ließ er sich in Basel nieder. Die Aufnahme seiner Druckertätigkeit wird für den gleichen Zeitraum angenommen. Die geschäftlichen Erfolge ließen nicht lange auf sich warten und als Meister der Buchdruckerkunst stand er in regem Geschäftskontakt mit vielen Größen seiner Zeit, beispielsweise mit dem Nürnberger Anton Koberger. Als Gelehrter war er bestrebt, den Büchern seiner Druckerei wissenschaftlich einwandfreie Texte zugrunde zu legen. Ferdinand Geldner beurteilt sei Wirken folgendermaßen: „Durch ihn wurden die engen Bande zwischen Buchdruck und Humanismus geknüpft, die das besondere Ruhmesblatt Basels im späten 15. und frühen 16. Jahrhunderts bilden. Sein Druck- und Verlagsprogramm entsprach den Zielen humanistischer Geistesrichtung“ (Geldner a.a.O.). Noch eine andere für den Inkunabeldruck wichtige Tatsache heben seine Biographen hervor: „er besaß ein halbes Dutzend Antiqua-Schriften (für den Druck der Humanisten und Kirchenväter) und hat sehr viel dazu beigetragen, daß die Antiqua in Deutschland heimisch wurde“ (Geldner a.a.O.; siehe auch Haebler, Typenrepertorium der Wiegendrucke I, S.19f.). – Johann de Lapide (um 1430 - 1496) wird als Herausgeber der vorliegenden Ausgabe angesehen (siehe Hieronymus, S.50). Bevor er sich 1484 in Basel als Kartäusermönch niederließ, wirkte er u.a. als Rektor der Pariser Universität und veranlaßte den ersten Buchdruck in Paris. Seine Bibliothek war sehr umfangreich: Johann von Amerbach diente sie vielfach als Quelle für die von ihm gedruckten humanistischen Werke. – Die vorliegende Inkunabel hat noch eine weitere Besonderheit: der große Holzschnitt zu Beginn des ersten Teiles. Unstrittig ist, daß diese Form der Illustration als „Vorläufer des Titelblattes“ angesehen wird, „es handelte sich [...] um einen der Versuche, den Anfang eines Buches unterscheidend kenntlich zu machen und das erste Blatt so auszuzeichnen, daß der Käufer an dem Werk Gefallen finden sollte“ (Schramm XXI, S.15). Der Schöpfer des vorliegenden Titelholzschnittes wird allerdings kontrovers disku-

tiert: Meder (a.a.O.) ist der Auffassung, daß Albrecht Dürer als dieser anzusehen ist; er verweist auf Dürers Aufenthalt in Basel während der Jahre 1492/93 und widerspricht der „radikalen Annahme, das Dürer während jener Zeit nur den Hieronymus (erschienen am 8.August 1492) [als Titelblatt der „Epistolae Sancti Hieronymi“ aus der Druckerei von Nikolaus Kessler] gezeichnet, vielleicht auch geschnitten habe“ und versucht dies u.a. mit Dürers Rastlosigkeit in seinem künstlerischen Schaffen zu begründen. In neuerer Zeit wird dem widersprochen und auf die Forschungen von Frank Hieronymus verwiesen: Dieser bezeichnet den vorliegenden Titelholzschnitt als den „bedeutenste[n] der einheimischen Basler Titelholzschnitte, in der Raumgestaltung wohl schon durch den im selben Jahr von Kessler gedruckten Hieronymus Dürers angeregt, doch fehlt im vollständig dessen Körperhaftigkeit.“ Er kommt zu dem Schluß, daß der Holzschnitt dem Meister des Haintz Narr zugeschrieben werden muß und begründet dies mit der für den Künstler „typischen dekorativen Flächenhaftigkeit der Schraffen“. - Wie für Inkunabeln typisch sind die Initialen handgemalt und der Text durchwegs rubriziert, beides in Rot und Blau. – Die Deckel des Einbandes sind mit Missale-Fragmenten des 15.Jahrhunderts überzogen. – Bei manchen Papierbögen ist ein Ochsenkopf mit einkonturiger Stange mit zweikonturigem Kreuz als Wasserzeichen festzustellen, das zwischen zwei Binddrähten auf der Schöpfform befestigt gewesen sein muß. Nach Picard handelt es sich um das Ochsenkopfmotiv 234/ Abteilung X/ Band II,2: als Zeitraum der Datierungsbelege werden die Jahre 1492 bis 1494 angegeben; als Ausstellungsort der Datierungsbelege die Stadt Basel und Freiburg im Breisgau. Ein weiteres Wasserzeichen ist zu finden: der „Dreiberg“. Vorliegend sind folgende Besonderheiten festzustellen, die eine Einordnung möglich machen: die Kuppeln sind ohne Zwischenraum (dies ist eher selten) und das mittig aufragende Kreuz ist doppelkonturig. Auch hier ist das Wasserzeichen zwischen zwei Binddrähten sichtbar; der Abstand der Binddrähte beträgt 35mm. Nach Picard handelt es sich um das Dreibergmotiv 1813/ Abteilung VII/ Band XVI, 2: als Datierungsbelege werden die Stadt Basel und das Jahr 1492 angegeben. Die Verwendung von Papieren verschiedener Papiermühlen ist bei Inkunabeln nichts Ungewöhnliches. – Zustand: Fleckig; Hinterdeckel mit vereinzelten Wurmspuren; Ecken teils stärker bestoßen. Angeklebter Spiegel mit altem Exlibris und altem handschriftlichem Vermerk „Duplum“; Titelholzschnitt mit altem Besitzvermerk; vereinzelt kleinere Randausrisse; ein kleinerer Wurmgang außerhalb des Textes.

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602 16. Jahrhundert. - Literatur. - Bembo, Pietro. Gli Asolani. (Florenz, Filippo Giunta, November 1515). Klein- Oktav. Mit Druckermarke. 1 nicht nummeriertes Blatt, Blatt 2 - 120. Pergamentband des 17. Jahrhunderts mit Lederrücken des 18. Jahrhunderts, reicher Rückenvergoldung und rotem Rückenschild; gefärbter Buchschnitt. 950,-

Nr. 605, 604, 602 Sehr seltene und frühe Ausgabe dieser philosophischen Dialoge über die Liebe, die als ein wichtiges „Zeugnis des Petrarkismus“ (KNLL-B, 457) großen Einfluß auf die italienische

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Dichtung des 16. Jahrhunderts ausübten (KNLL-B, 457). – Brunet I, 766; Ebert 1920, Anm. – In den „Gli Asolani“ (zu deutsch: Asolaner Gespräche), die erstmals 1505 erschienen, führen drei junge Männer und drei Edeldamen im Beisein der ehemaligen Königin von Zypern auf deren Landsitz in Asolo ein kontroverses Gespräch über „das Wesen der wahren Liebe“ (KNLL a.a.O.). Den glücklichen und geläuterten Liebeserfahrungen werden die schmerz- und leidvollen entgegengestellt. Eine von Begierden freie Liebe, die sich dem Göttlichen zuwendet, wird schließlich als Lösung angeboten, in deren Gegensatz „die irdischen Reize nur ein Abglanz sind“ (KNLL a.a.O.). – Pietro Bembo (1470 - 1547), im geistlichen Stande lebend, gilt als ein bedeutender Vertreter des Humanismus. Sein Hauptverdienst besteht darin, den Stellenwert des Italienischen als Literatursprache in der Renaissance neu bestimmt und belebt zu haben (siehe KNLL a.a.O.). Sein hier vorliegendes Jugendwerk widmete er Lucrezia Borgia, der Frau des Herzogs Alfonso d‘Este („A Madonna Lucretia Estense Borgia Duchessa Illustrissima di Ferrara“). Diese Zueignung wurde in späteren Ausgaben zensiert. Zustand: Berieben und bestoßen; Kanten mit kleinen Fehlspuren; Ecken bestoßen. Spiegel an den Innenecken mit jeweils kleinem Überzug des Rückenleders; fleckig. – Beigefügt: Bembo, Pietro. Asolaner Gespräche. Dialog über die Liebe. Herausgegeben und übersetzt von Michael Rumpf. Heidelberg, Manutius Verlag, (1992). 4 Blatt, S.9 - 255, 1 unpaginierte Seite. Original Pappband. – Zustand: Leicht bestoßen. Kleine Anstreichung mit Kugelschreiber.

603 16. Jahrhundert. - Einbandkunst. Theologie. - Missale ad usuz Cistercien ordinis. Venit Parisiis in Intersigniis lilii aurei [Girault]/ Pellicani [Petit] Leonis argentei [Marnef] necno Cratis ferree [Prevost] vici diui Jacobi. Paris, Ambroise Gerault / Enguilbert de Marnef / Jean Petit / Prevost, 1529. Oktav. Mit Titelholzschnitt, 3 blattgroßen sowie zahlreichen kleineren, teils sich wiederholenden Textholzschnitten und Initialen. Regliert, gedruckt in Rot und Schwarz, mit zahlreichen Musiknoten. 115 nummerierte Blatt, 1 nicht nummeriertes Blatt; 162 (recte 160) Seiten (Bogenzählung: a8 - o8, p4; A8 - K8). Zweispaltig; 35- bzw. 43-zeilig. (Vorgebunden sind zwei, nachgebunden drei handschriftliche Blatt mit weiteren liturgischen Texten späterer Hände). Reich verzierter Kalbsledereinband des späteren 16. Jahrhunderts. 12.000,Prächtig ausgestattetes Zisterzienser-Missale in einem von hoher künstlerischer Gestaltungsfähigkeit zeugenden französischen Meistereinband. - Pettegree/ Walsby S. 702, # 68156; Adams

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L 1231, Weale/ Bohatta S. 301, # 1765. Helwig I. S. 38; Salzbrunn S. 67 und vgl. Salzbrunn Abb. 64, 67, 68, 69 mit Beschreibungen. – Neben kirchlichen Zentren hatten auch Hauptklöster von Orden wie Cluny und Citeaux eigene Meßordnungen, die dann für den ganzen Orden galten (siehe Buchberger VII, 449 f.). Das vorliegende Missale enthält die Texte der Gebete, Gesänge und Lesungen für Meßfeiern in zisterziensischen Klöstern zur Zeit des frühen 16. Jahrhunderts. Der Eigenritus der Zisterzienser geht auf den Wunsch der Gründer des Ordens zurück, das monastische Leben neu zu ordnen und von Verkrustungen zu befreien. Dabei orientierten sie sich an den benediktinischen Gebräuchen des ausgehenden 11. Jahrhunderts, die sie im Kloster Molesme kennengelernt hatten, und bereicherten auch den Ritus der Eucharistiefeier mit Eigenelementen und lokalen Traditionen. Ziel war es, Liturgie und Ordensregeln in Einklang zu bringen. Eine Weiterentwicklung der Riten erfolgte immer wieder durch teilweise einschneidende Reformen, die die geistigen Strömungen der Zeit wiederspiegeln. Das Konzil von Trient (1545 - 63) bestätigte die Zulässigkeit des Eigenrechts der Klöster, obwohl zu dieser Zeit viele Priestermönche den römischen Ritus mit gewissen Adaptionen dem eigenen zisterziensischen vorzogen. – Zur Ausstattung: Der Stil des vorliegenden Einbandes legt eine französische Herkunft aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nahe. Der typische Formenreichtum der Schmuckverzierungen sowie „die differenzierte und geschmackvolle Farbgebung“ weisen auf den hohen Stand der französischen Buchkultur hin (Salzbrunn, S. 67). Vorder- und Hinterdeckel sind übereinstimmend: Zwei grün und weiß gelackte Bänder, die von Goldlinien eingefaßt werden, bilden ein rechteckiges Rahmenwerk. Im Inneren des Rechtecks beschreibt ein grün gelacktes, ebenfalls mit Goldlinien eingefaßtes Band einen jeweils alle vier Ecken einfassenden, angedeuteten Viertelkreis. Im Inneren dieser identisch gestalteten Viertelkreise setzt sich das farbige Bandwerkgefüge ornamentierend fort, verbunden mit gold eingefaßten, grün und weiß gelacktem Rankenwerk und Arabesken. Das Zentrum des Rechtecks beherrscht ein ebenfalls mit grün gelacktem Bandwerk eingefaßtes Oval, das die an den Ecken angeordneten Viertelkreise berührt. Wie dort setzt sich das grüne Bandwerk zusammen mit grün und weiß gelackten und goldeingefaßten Arabesken und dem Rankenwerk im Inneren fort. Die reiche Anordnung der Ornamente des Ovals ist dabei von der Mitte aus betrachtet sowohl in der Horizontalen als auch in der Vertikalen spiegelgleich. Den verbleibenden Hintergrund ziert eine Goldpunktgrundierung. Die beschriebenen Schmuckelemente heben sich fast plastisch vom hellbraunen Kalbslederband, wo dieser frei geblieben ist, ab. Die Stehkanten zeigen Goldlinien, abwechselnd schräg schraffiert und als Einzellinie

in angedeuteten Segmenten. Der Rücken ist - obwohl dies kaum sichtbar ist - wohl in passendem Stil erneuert. Wie bei französischen Renaissanceeinbänden nicht unüblich, wird der gesamte Rücken als Schmuckfläche behandelt. Stilistisch paßt sich dabei die Rückenverzierung der Gestaltung der Deckel an, wobei die Vergoldung - auch das ist typisch - reicher als bei den Deckeln ist. (siehe Helwig a.a.O.). Einzelne Ornamente sind sparsam mit grüner und weißer Lackfarbe gefaßt. Die sich teilweise wiederholenden Muster und Ornamente sind in 11 Felder geteilt und durch blindgeprägte Goldlinien abgegrenzt. Für die Einteilung des Buchrückens sind dabei nicht die Bünde maßgebend, was nicht typisch ist. Der umlaufende Goldschnitt zeigt ein gepunztes Rankenwerk. – Ausstattung im Inneren: Der Titelholzschnitt zeigt die Abendmahlszene; es folgen blattgroße Darstellungen von König David (vor Fol I) und der Kreuzigung (Fol. 87 verso) und einem dritten blattfüllenden Holzschnitt, der vier in einem Bild gefaßte Szenen wiedergibt, die Jesus mit den Jüngern, Engel und Heilige, den Papst mit dem Klerus und die heilige Gottesmutter darstellen (Fol. 116 verso). Die große Zahl der kleineren Holzschnitte und der Initialen sind teilweise besonders detailreich und fein und stellen so kleine Miniaturmeisterwerke dar. – Zustand: Etwas berieben; Kapitale mit kleinen Einrissen; Ecken gestaucht. Teilweise fleckig (Vorsätze und Spiegel stärker, manche Seiten mit leichtem Wasserrand); 1.Blatt (mit handschriftlichen liturgischen Texten) fast lose.

ANTIQUARIAT TERRAHE & OSWALD, RIEMBERG 604 16. Jahrhundert. - Klassische Literatur. - Petrarca, Francesco. Il Petrarca. Nuovissamente revisto, e corretto da Lodovico Dolce. 3 Teile in einem Band. Venedig, Gabriel Giolito de Ferrari, 1559. Klein-Oktav. Mit 3 Holzschnitt-Druckermarken, 6 halbseitigen Textholzschnitten und 1 doppelblattgroßen Holzschnittkarte. 27 nicht nummerierte Blatt, S.7 - 400 (mit diversen Fehlpaginierungen, aber so komplett), 64 nicht nummerierte Blatt. Flexibler Pergamentband der Zeit mit altem handschriftlichem Rückentitel. 650,-

Kommentierte Zusammenstellung der „Canzoniere“ und der „Trifoni“ des Francesco Petrarca in einer illustrierten Ausgabe des 16. Jahrhunderts auf Italienisch. – BM, Italien Books S. 505; Adams P - 826; Brunet IV,551. – Zum Inhalt: Teil 1: Die „Canzoniere“ - eine Bezeichnung der um 1470 erschienen Lyriksammlung, die erst im 19.Jahrhundert üblich wurde - beschreibt die Liebe des lyrischen Ichs zu einer Dame Laura. Die Geschichte, die die Begegnung, das Liebeswerben, die unerfüllte Sehnsucht des Liebenden und schließlich den Tod der Geliebten beschreibt, gliedert sich in zwei Abschnitte: der Verherrlichung der lebenden und der toten Laura. Teil 2: Die Dichtung „Trionfi“ gliedert sich in sechs Teile, in denen „die charakteristischen Schicksale der Seele des Dichters und die Historie des Menschengeschlechts erzählt“ werden (siehe KNLL - P 181). Auch hier spielt die Figur der Laura, von der angenommen wird, daß ihr Petrarca wahrscheinlich im April 1327 begegnete und die im April 1348 verstarb, eine Rolle: „Am Jahrestag des Beginns seiner Liebe zu Laura [...] defilieren wie in den militärischen Triumphzügen des antiken Roms sechs allegorische Figuren an dem Dichter vorbei“ (KNLL a.a.O.) und zwar: die Liebe, die Keuschheit, der Tod, der Ruhm, die Zeit und die Ewigkeit. Beide Dichtungen sowohl die „Canzoniere“ als auch die „Trionfi“

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übten „eine einzigartige Wirkung auf die geistige Renaissance aus“ (KNLL a.a.O.). In dieser Auswahl sind sie eingerahmt von kurzen Lebensabrissen Petrarcas und Lauras, den Kommentaren des italienischen Gelehrten Giulio Camillo sowie mehreren Registern (Teil 3). - Der Humanist Ludovico Dolce (1508 - 1568) war für den Drucker Gabriele Giolito de‘ Ferrari über 35 Jahre lang als Übersetzer und Herausgeber tätig. - Brunet (a.a.O.) führt mehrere Ausgaben auf, bezeichnet die vorliegende aus dem Jahre 1559 als „une des meilleurs [éditiones]“. - Dem „Buch der Lieder - Canzoniere“ ist ein ganzseitiger Holzschnitt mit dem Bildnis von Petrarca und Laura, den einzelnen Teilen der „Triumphe“ jeweils ein schöner allegorischer Textholzschnitt beigegeben. Die doppelseitige Holzschnittkarte zeigt den vermeintlichen Geburtsort Lauras und die Orte der Begegnung mit Petrarca. – Zustand: Fleckig (besonders der obere Teil des Vorderdeckel); berieben und bestoßen; leicht gewellt. Fleckig; Titel mit alten handschriftlichen Vermerken; vereinzelt kleinere Ein- und Ausrisse; Blatt 45 – 47 (Register am Ende) fachmännisch angerändert (Blatt 45 bei Überschrift mit Textverlust).

605 16. Jahrhundert. - Klassische Literatur. - Einbandkunst. - Herodot. Historiae libri IX: Et de Vita Homeri libellus. Illi ex interpretatione Laurentio Vallae adscripta, hic ex interpretatione Conradi Heresbachii: utraque ab Henr. Stephano recognita. Ex Ctesia excerptae historiae. Apologia Henr. Stephani pro Herodoto. Accessit in hac editione Spicilegium Frid. Syburgii, ad Henr. Stephanus virum clariss. Frankfurt a.M., Andreas Wechels Erben, 1584. Titelblatt mit Druckermarke, S.2 - 72, 592 S, 44 Blatt. Schweinslederband der Zeit auf 6 Bünden mit reicher Blindprägung. 850,Das Werk Herodots in einer für die Rezeptionsgeschichte des 16. Jahrhunderts aufschlußreichen Zusammenstellung und Kommentierung, versehen mit einem schönen Wittenberger Einband von Georg Kammerberger. – VD 16 H 2515 und 2533; Haebler I, 222, VIII und IX. – Der Pariser Ausgabe des Buchdruckers und Philologen Henry Etienne (1531 - 1598) folgend, stehen in dem hier vorliegenden Werk die „Historien“ und die teilweise Herodot zugeschriebene Abhandlung über das Leben des Homers in der Kommentierung und Übersetzung durch die Humanisten Laurentius Valla (um 1405 - 1457) und Konrad Heresbach (1496 - 1576) im Mittelpunkt. - Die Einteilung der „Historien“ in neun Bücher stammt nicht von Herodot. Hauptthema ist der Zusammenstoß der westlich-griechischen Welt mit der östlich-persischen Welt, der in den Perserkriegen

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gipfelte. Die zahlreichen Anekdoten, Reflexionen, Überlieferungen und Novellen lassen die damals bekannte Welt, ihre Länder und Völker sehr ‚plastisch‘ vor dem Auge des Lesers entstehen. Die „Historien“ begründeten Herodots Ruf als „Vater der Geschichtsschreibung“. - Der Autor der kleinen Schrift „Das Leben des Homer“ ist eigentlich unbekannt: die ersten Zeilen könnten einen Hinweis auf die Urheberschaft Herodots enthalten; heutige Forschung spricht allerdings von einem „Pseudo-Herodot“. - Zwei weitere Schriften sind beigefügt: die „Apologia pro Herodoto“ von Henry Etienne (auch - wie hier - Heinrich Stephanus genannt) und Auszüge der Geschichtsschreibung des Ktesias von Knidos (spätes 5. bzw frühes 4. Jahrhundert vor Christus). Während ersterer in seiner 1566 erschienen Schrift Herodot gegen Kritiker in Schutz nimmt, polemisiert Ktesias in seinen nur fragmentarisch erhaltenen Werken gegen Herodot.- Den oben beschriebenen Texten vorangestellt sind ergänzende Abhandlungen Friedrich Sylburgs‘ über den französischen Buchdrucker Henry Etienne. Sylburg arbeitete - neben seiner gelehrten Tätigkeit - als Korrektor, Bearbeiter und Herausgeber griechischer Schriftsteller bei der Wechel‘schen Buchdruckerei. Andreas Wechel, der Verleger des vorliegenden Buches, verlegte seinen Verlag zur Zeit der Protestantenverfolgung in Frankreich im Jahre 1573 von Paris nach Frankfurt am Main. – Der blindgeprägte Schweinsledereinband zeigt auf dem Vorderdeckel das Wappen des Heiligen Römischen Reichs mit der Unterschrift „Des H. Remi Keisertums Wappen“. Auf dem Hinterdeckel befindet sich das kursächsische Wappen mit der Unterschrift „Insignia Et Electo. Saxo“. An die Kopf- und Fußleisten der Wappenfelder grenzen zwei Felder, die auf dem Vorderdeckel leer, auf dem Hinterdeckel mit jeweils drei geprägten, identischen Porträts im Halbprofil gefüllt sind, die ihrerseits von einem kreisrunden Medaillon umfaßt werden. Die Wappen und die oben beschriebenen Felder bilden jeweils das Zentrum eines umlaufenden Rahmenwerkes, das aus Strichlinien und einem Band besteht, in denen die ‚Tugenden‘ figürlich dargestellt werden. Unterhalb der Darstellungen befindet sich jeweils die den ‚Tugenden‘ zugedachte Beschreibung: Spes / Fide(s)/ Cari(tas)/ Temp(erentia). Beide Deckel sind mit „G.K.“ - Georg Kammerberger - signiert. Die Kammerberger sind ein Buchbindergeschlecht, deren Tätigkeit in Wittenberg während eines großen Teils des XVI. und während des ganzen XVII. Jahrhunderts nachgewiesen werden kann (siehe Haebler a.a.O. und S. 223). Zustand: Deckel mit Flecken; berieben (besonders der Rücken); Ecken und Kanten bestoßen; vereinzelt kleine Wurmgänge. Titel und zahlreiche Seiten mit alten handschriftlichen Kommentierungen (teils

auf Griechisch); Erste 260 Seiten zunehmend wasserrandig (Text kaum betroffen); gebräunt und fleckig; im Falz mit kleineren Wurmgängen. - Beigefügt: Herodot. Historien. Parallelausgabe Griechisch - Deutsch. Herausgegeben von Josef Feix. 2 Bände. München, Heimeran Verlag, 1980 (3.Aufl.). 760 S. (Buch I - V); S.756 (!) - 1442, 3 Blatt (Buch VI - IX und Anhang). Original-Leinenbände mit Rückenschild und Original Umschlägen. - Aus der TusculumBücherei. – Zustand: Umschläge vereinzelt mit kleinen Einrissen und minimal berieben; gebräunt. Gebräunt.

606 17. Jahrhundert. - Reisebeschreibung. - Asien. - Dapper, O(lfert). Asia / Oder: Ausführliche Beschreibung Des Reichs des Grossen Mogols Und eines grossen Theils von Indien…Nebst einer vollkomenen Vorstellung des Königreichs Persien/ Wie auch Georgien/ Mengrelien / Kirkassien und anderer benachbarter Länder. 2 Teile in einem Band. Nürnberg, Froberg für Hoffmann, 1681. Quart. Mit gestochenem Titel, 38 Kupfertafeln (davon 11 doppelblattgroß), 4 doppelblattgroßen gestochenen Karten und 11 Textkupfern. 3 nicht nummerierte Blatt (von 4 ?), 300 S., 2 nicht nummerierte Blatt; Zwischentitel (Beschreibung

ANTIQUARIAT TERRAHE & OSWALD, RIEMBERG des Königreichs Persien), 170 S., 2 nicht nummerierte Blatt (von 3 ?). Pergamentband der Zeit mit altem handschriftlichem Rückentitel. 3800,-

Erste deutsche Ausgabe dieser prächtig illustrierten Beschreibung großer Teile des indischen Subkontinents, von verschiedenen Gebieten des heutigen Pakistans und Afghanistans sowie von Persien und Teilen des Kaukasus. - Tiele 299; vgl. Ebert 5757; vgl. Grieb-Luber 320, Dinse 420 und Lipperheide LA5, I 332 (jeweils nur die niederländische Ausgabe). –Vorliegendes Werk vermittelt ein erstaunliches Bild über das landeskundliche, geographische und historische Wissen jener Zeit, das über die oben aufgeführten Länder bestand. Im Mittelpunkt des ersten Teils steht das Mogulreich, eines von Beginn des sechzehnten bis Mitte des neunzehnten Jahrhunderts bestehenden Staates, dessen Kerngebiet in der nordindischen Indus-Ganges-Ebene lag und im siebzehnten Jahrhundert - zur Zeit seiner größten Ausdehnung - fast den gesamten indischen Subkontinent sowie Teile Afghanistans umfaßte. Neben einer vorzüglichen Karte dieses Reiches zu Beginn des Werkes, zeigen die Kupfertafeln neben religiösen Riten und Stadtansichten (Bharuck, Amadabath, Visiapour,

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Dabul) eine Darstellung vom „Hof oder Thron des großen Mogols“, die die ganze Pracht des höfischen Lebens ahnen läßt. Interessant ist die bildnerische Wiedergabe historischer Persönlichkeiten in ihren Trachten und Kostümen und inmitten Ihres Umfeldes. Die Darstellungen von Transportmöglichkeiten, von Bauten und Zelten sowie von Waffen, Tieren, Pflanzen und Alltagsgegenständen machen den besonderen Reiz dieser Beschreibung aus. Interessant ist auch eine Stadtansicht Surattas mit dem Hafen und den davor kreuzenden Handelsschiffen (gemeint ist die Stadt Surat am Golf von Kambhat). Hier etablierte sich seit dem 16. Jahrhundert einer der wichtigsten Umschlagsplätze für Handelswaren und Güter aus Indien. Bis 1687 hatte die East India Company ihren Hauptsitz in Surat. Teil 2 beschreibt Persien und Teile des Kaukasus. Hier stehen die doppelblattgroßen Stadtansichten mit ihren herrlichen und aussagekräftigen Staffagen im Vordergrund. Gezeigt werden unter anderem die Städte Kom, Soltania, Kaschan oder Ardabil. Letztere wird aus einer „schrägen“ Vogelperspektive gezeigt: „Weltliche Gebäude“ und die „Vornehmsten Gassen“ werden duch Buchstaben und Zahlen gekennzeichnet und in Legenden erklärt. Die dekorative Seekarte zeigt das Kaspische Meer; eine Landkarte zeigt Persien, eine weitere das östliche Ufer des Schwarzen Meeres bis zum Kaukasus. – Die biographischen Angaben zu Olfert Dappers Leben sind lückenhaft. Um 1635 geboren, schrieb er, der die Niederlande wahrscheinlich nie verlassen hat, mehrere landeskundlich-geographische Werke, so über Afrika, China, Arabien oder wie vorliegend: über das große Mogulreich und Persien. Bekannt von ihm ist ebenfalls eine 1663 veröffentlichte Beschreibung Amsterdams und eine Übersetzung der Werke des Herodot ins Niederländische. Er starb im Jahr 1689. Der Reiz seiner Werke besteht nun darin, daß er die umfangreiche Literatur der Länder, die er behandelt, nicht nur auswertet, sondern über eine bloße Kompilation hinaus eine interessante Synthese der von ihm genutzten, teils sehr seltenen Quellen schafft. – Manchen Exemplaren ist bei Teil I neben dem gestochenen Titel und dem Titelblatt ein Vortitel beigebunden; bei Teil II weisen manche Exemplare am Schluß einen Tafelanzeiger auf. – Zustand: Teils stärker fleckig (vereinzelt farbig); mit kreisrunden Abdrücken; Ecken bestoßen. Angeklebte Spiegel teilweise aufgeplatzt; vorderer Spiegel mit Resten einer Montierung und Exlibris einer berühmten Sammlung (Sammlerstempel auch verso Haupttitel und am Ende von Teil 2); Kupfertitel mit kleinerem Randausriss; vereinzelt kleinere Einrisse (bei Tafel S. 70/Teil 1 und S. 243/244 bis in die Abbildung bzw. Text); Ende von Teil 1 und Teil 2 an der oberen Kante mit Wasserrand, stellenweise fleckig und altersbedingt gebräunt.

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607 17. Jahrhundert. - Reisebeschreibung. - Asien. - Chardin, Jean. Journal du voyage du Chevalier Chardin en Perse & aux Indes Orientales, par la Mer Noire & par la Colchide. Premiere Partie, qui contient Le Voyage de Paris à Ispahan. London, Moses Pitt, 1686. Quart. Mit Porträtfrontispiz und Titel, 3 Initialen, 3 Kopf- und 2 Schlußvignetten, alles gestochen; mit 1 mehrfach gefalteten Kupferstichkarte und 14 (davon 10 gefalteten) Kupfertafeln (statt 15). 5 Blatt., 349 (recte 323) S., 1 nichtpaginierte Seite (weiß), 3 Blatt. Gesprenkelter Lederband der Zeit mit rotem Rückenschild und goldgeprägter floraler Rückenvergoldung. 1800,-

Seltene erste Ausgabe eines Klassikers der Persien-Literatur. – Henze I, 558; Cox I, 250; Schwab 87; vgl. Dinse 445 (Ausg. Amsterdam 1686); vgl. NY Public Library 11 und Wilson 40 (beide: engl. Ausg., London 1686) – Jean Chardins (1643 - 1713) entscheidende Reise nach Persien startete im Jahr 1671/72. Ausgangspunkt war das heutige Izmir, über Istanbul - das damalige Konstantinopel - und das Schwarze Meer gelangte er nach Migrelien, einer Landschaft im Westen Georgiens, angrenzend an Abchasien am Schwarzen Meer gelegen. Über Tiflis und Eriwan ging es weiter in das Gebiet der heutigen autonomen Republik Nachitschewan, einer Exklave Aserbaidschans, die vom Iran, Armenien und

einem kurzen Grenzabschnitt der Türkei umschlossen wird. Nächste Etappen waren die Städte Täbris, Saweh und Ghom, im Norden des heutigen Irans. Von dort ging es ins zentrale Hochland nach Kaschan und schließlich nach Isfahan. Nach einem Aufenthalt in Persien in den Jahren 1665 - 67 waren die Erkenntnisse der oben geschilderten Reise die Grundlage für diesen ersten Teil der Reisebeschreibungen von Paris nach Isfahan, der erst in den Auflagen 1711 und 1735 Ergänzungen und seinen Abschluß erfuhr. Chardins Informationen sind weitreichend: sie umfassen landeskundliche Themen, die Geschichte, die Wissenschaften und Künste, die Religion, das Gewerbe und den Handel, Fauna und Flora, das Klima, Beschreibungen einzelner Städte und Siedlungen und die Herrschaftsverhältnisse. Er galt als einer der „genausten Kenner Persiens in seinem Jahrhundert“, der „von allen Reisenden des 17. Jahrhunderts die reichsten Mitteilungen“ ausbreitete (Henze 557), vor allem, weil er nicht den üblichen Reiserouten folgte (so Cox a.a.O.). - Interessant ist, dass Chardin nicht nur als Forscher die von ihm aufgesuchten Länder bereiste: Schah Abbas II ernannte ihn zum königlichen Kaufmann und Hofgoldschmied; er war Juwelenhändler und seine erste Reise im Alter von 22 Jahren unternahm er im Auftrag seines Vaters, eines Juweliers und Kaufmannes aus Paris. – Der Hugenotte Chardin verließ Frankreich im Jahre 1681 und ließ sich in London nieder. Von Charles II wurde er zum Ritter geschlagen; nach seinem Tod fand er die letzte Ruhe in Westminster Abbey. Von Persien aus reiste er immer nach Indien, wo er sich insgesamt beinahe 5 Jahre aufhielt; über seine Aufenthalte dort veröffentlichte er aber nichts. – Die Karte zeigt das Schwarze Meer und die östlich angrenzenden Gebiete; die Tafeln zeigen u.a. Ansichten von Tiflis, Eriwan und Kaschan. Neben der Kathedrale von Etschmiadsin - einem Hauptheiligtum der armenischen Kirche - finden sich Abbildungen der Grabstätten von Schah Abbas II und Sefy I. Eine Tafel zeigt die zwischen 1302 und 1312 errichtete Moschee von Sultanie mit ihrer gewaltigen Kuppel in er heutigen Provinz Zanjan im Nordwesten Irans. Die Karavanserei von Kachan ist wiedergegeben; eine gestochen Texttafel mit Diagramm erläutert den Islam. - Die Tafel mit der Ansicht von Tauris fehlt. – Zustand: Sprenkel altersbedingt oxidiert; Oberes Kapital fehlt; bestoßen. Vorderer Spiegel mit älterem Buchhändlerzeichen; vorderer fliegender Vorsatz mit Resten einer Montierung; Kupfertitel unbeschnitten; S.145/146 mit hinterlegtem Einriss und kleinem Loch; stellenweise mit leichtem Wasserrand an der oberen Kante; die mehrfach gefalteten Tafeln stellenweise stärker knittrig (auch wegen Fehlfaltung), mit Einund Ausrissen (teils hinterlegt), Fehlstellen und teils stärkeren Randläsuren; fleckig.

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608 18. Jahrhundert. - Atlanten. Homann Erben. Maior atlas scholasticus ex triginta sex generalibus et specialibus mappis Homannianis compositus. Nürnberg, Homann Erben, 1752 - (1783). GroßFolio. Mit 1 gestochenen Titel (einschließlich Inhaltsverzeichnis), 1 gestochenen, doppelblattgroßen Kupferstich bezeichnet “Schematismus geographiae mathematicae” und 36 doppelblattgroßen Kupferkarten mit altem Grenz- und Flächenkolorit. Flexibler Lederband der Zeit mit Blindruck “Atlas scholasticus” und weiterer sparsamer blindgeprägter Verzierung auf dem Vorderdeckel (die spärliche Schmuckverzierung wird auf dem Hinterdeckel fortgesetzt). 7.500,„Einer der seltenen Verlagsatlanten aus dem Hause Homann, der sich vollständig und unverändert bis heute erhalten hat“ (siehe Diefenbacher S.103) – Phillips 4195 (mit vollständigem Kartenverzeichnis); Tooley II, S. 361 (unter ‚Homann Heirs‘); vgl. auch Bargow/ Skelton S.505 und Diefenbacher „auserlesene und allerneuste Landkarten“. – Das Nürnberger Unternehmen Homann wurde im Jahre 1702 von Johann Baptist Homann (1664 - 1724) gegründet und hatte 146 Jahre Bestand. Zumindest bis weit über die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts gehörte der

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Homännische Verlag zu „einem der bedeutendsten und wirtschaftlich stabilsten kartographischen“ Unternehmen Europas (siehe Diefenbach S. 37). Ab 1730 firmierte es unter dem Namen „Homann Erben“. – Verlagsatlanten zeichnen sich im Gegensatz zu den im achtzehnten Jahrhundert ebenfalls gebräuchlichen Sammelatlanten dadurch aus, daß das zusammengetragene Kartenmaterial nicht den individuellen Kundenwünschen entspricht, sondern sich mit dem beigefügten Inhaltsverzeichnis deckt. Die dabei verwendeten Karten, die gewöhnlich auch einzeln verkauft wurden, entnahm man dem Bestand: da von viele Karten ein großer Vorrat bestand, der zuweilen einige Jahrzehnte vorhielt, ist die Datierung von Atlanten schwierig. Der vorliegende Schulatlas weist im Titelblatt die Jahreszahl ‚1752‘ und die Verlagsangabe ‚Homann Erben‘ aus. Dennoch findet sich Kartenmaterial noch aus der Verlegertätigkeit von Johann Baptist Homann. Umgekehrt gibt es viele Karten, die jünger sind als auf dem Titelblatt verzeichnet: dies findet seine Begründung darin, daß man bestrebt war, den Atlanten möglichst aktuelle Karten beizugeben. Es gab also keine festen Auflagen und die einzelnen Exemplare können sich trotz der Vorgaben des Inhaltsverzeichnisses voneinander unterscheiden. - Es gab zwei Möglichkeiten, an Druckvorlagen von Karten zu gelangen: eine sehr teure Möglichkeit war die Ausarbeitung völlig neuer Karten aufgrund bisher unbekannter wissenschaftlicher Ausarbeitungen von Geologen oder auf Grundlage noch unpublizierter Vermessungsergebnisse (siehe Diefenbacher S.78). Sehr viel preiswerter und somit wirtschaftlicher war die Kopie von Karten von Konkurrenten. Beider Vorgehensweisen bediente sich das Verlagshaus Homann. Die Kartusche der Karte des ‚Türkischen Reiches‘ ist ein Beispiel für eine Kopie: die dekorativen Elemente wurden einfach von der entsprechenden Karte des Verlagshauses Nicolas Vischer übernommen. Selber versuchte man sich ab dem Jahr 1729 (mit Unterbrechungen) durch das kaiserliche Privilegium, das auf den Karten vermerkt ist, vor dieser geschäftsschädigenden Praxis zu schützen. In diesem Zusammenhang wurde es zu Zeiten der Homännischen Erben auch zunehmend üblich, in den Kartuschen die verwendeten Quellen bzw. die Kartographen zu nennen, um die Seriosität und Glaubwürdigkeit des eigenen Kartenmaterials hervorzuheben. Die „Autoren der kopierten Karten“ wurden von Homann dagegen meist verschwiegen (Diefenbach S.128) - Der Vorläufer des vorliegenden Atlasses war der „Kleine Atlas Scholasticus von achtzehen Charten“ aus dem Jahre 1710. Er „gilt weltweit als der erste Atlas, in dessen Titel ausdrücklich auf den Schulgebrauch hingewiesen wird“ (Diefenbacher S.35). - Der vorliegende Atlas weist folgendes Kartenmaterial auf: Am Anfang steht der „Schematismus Geographiae Mathematicae“ nach Schatz. Er zeigt u.a. Abbildungen des Son-

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nensystems sowohl nach Kopernikus als auch nach Tycho Brahe, einen Sternenglobus, eine Armillarsphäre, eine Kompassrose sowie zwei kleine Karten von Asien aus unterschiedlichen Projektionen. Dezent koloriert datiert der Kupferstich aus dem Jahre 1753. Es folgt die Weltkarte, die in zwei Hemisphären eingeteilt ist (1746). Nach der Europakarte (1743) folgen die Länderkarten: „Heiliges Römisches Reich (1741) / Böhmische Staaten (1747)/ Oesterreichische Kreyß (1747) / Nieder Rheinische Kreyß/ Ober- Sächsische Kreyß Südlicher Theil (1783)/ Ober-Sächsische Kreyß Nördlicher Theil (1780)/ Fränkische Kreyß/ Bayerische Kreyß/ Schwäbische Kreyß (1743)/ Ober - Rheinische Kreyß/ Westphälische Kreyß (1761)/ Nieder - Sächsische Kreyß/ Die Niederlande od. 17 Prov. (1748)/ Die oi Provinzen darinnen der Burgundische Kreyß enthalten (1747)/ Die Vereinigte Niederlande (1748)/ Schweitz (1751)/ Franckreich (1741)/ Welschland („Italia“ - 1742)/ Sicilien (1742)/ Groß Britannien/ Spanien und Portugal (1782)/ Polen (1773)/ Preußen/ Ungarische Länder/ Griechenland (1741)/ Dännemarck/ Schweden und Norwegen (1776)/ Rußische Reich (1739)/ Turkische Reich (1737)/ Asien (1744)/ Große Tatarey (1730)/ Gelobte Land (1750)/ Africa/ America (1746)“ (die Kartennamen folgen der deutschen Übersetzung des Inhaltsverzeichnisses). – Zustand: Kapitale fehlen; mit Fehlstellen (besonders an den Rändern); stark berieben, bestoßen und fleckig. Buchblock gelockert, vereinzelt gebrochen; fast durchgehend mit Randläsuren (am unteren Rand, bei dem fliegendem Vorsatz und Titelblatt stärker); obere rechte Kante durchgehend geknickt (anfangs stärker); mit Ein- und Ausrissen; Weltkarte am unteren Falz mit längerem Einriss, aber kaum Bildverlust (ebenso folgende Karten: Nieder-Sächsische Kreys/ Frankreich/ Italien/ Ungarn/ Griechenland/ Türkei); besonders im Falz stellenweise knittrig; fleckig.

609 18. Jahrhundert. - Illustrierte Bücher. - Einbandkunst. - Moreau. Molière. – [Komplette Folge der Kup-

fertafeln nach Moreau le Jeune zu der Ausgabe] ‚Oeuvres de Molière, avec des remarques grammaticales, des avertissemens et des observations sur chaque pièce, par M. Bret. Paris, Par la Compagnie des Libraires associés (De l‘Imprimerie de Michel Lambert), 1778. Mit 2 gestochenen Porträts und 33 Kupfertafeln (vorgebunden sind 6 weitere Porträts von Molière in größerem Format, zwischengebunden die Titelblätter zu den sechs Bänden der Ausgabe). Maroquin um 1900 mit reicher Rückenvergoldung, goldgeprägten Deckelfileten, umlaufender Stehkantenvergoldung, reichhaltiger schmuckverzierter Innenkantenvergoldung sowie dreiseitigem Goldschnitt, signiert „Pagnat“ im inneren Vorderdeckel. In Pappschuber. 400,-

Aufwendig gestalteter Sammelband aller Kupferstiche der Molière-Ausgabe von 1788, die nach Moreau le Jeune von der Elite der französischen Stecher geschaffen, „mit Recht zu den Glanzleistungen der Illustrationskunst im achtzehnten Jahrhundert gezählt“ werden (Fürstenberg 209). – Cohen - R.718 (Ausgabe 1773), 719 (dort die Ausgabe 1788); Lacroix S.100, # 347 (Ausgabe 1773 mit Verweis auf die Ausgabe 1788); Fürstenberg. Das französische

ANTIQUARIAT TERRAHE & OSWALD, RIEMBERG Buch im 18.Jahrhundert und in der Empirezeit. Weimar, 1929. S. 109; Flety. Dictionnaire des relieurs. 139). – Die Ausgabe der Werke Molières mit der vorliegenden Kupferstichfolge erschien erstmals 1773; nach Cohen-Ricci kann die Ausgabe 1778 als eine „bonne réimpression“ angesehen werden. - Jean-Michel Moreau (1741 - 1814), in Abgrenzung zu seinem älteren Künstlerbruder auch ‚Moreau der Jüngere‘ genannt, widmete sich in seinem umfangreichen Werk zeitgenössischen und literarischen Themen. Er schuf so Illustrationen zu Ovid, Boccaccio und Rousseau, hielt handwerkliche Prozesse für die Enzyclopädie Diderot d‘Alembert zeichnerisch fest und gestaltete Drucke aus Anlaß der Vermählung des Dauphins und seiner Krönung zu Ludwig XVI. Er führte den Titel ‚Dessinateur et Graveur du Cabinet du Roi‘ und viele seiner Arbeiten gelten als herausgehobene Meisterwerke seiner Zeit, in denen er seine Vielseitigkeit vom Entwurf bis zum Ätzen und Stechen unter Beweis stellte. Von der vorliegenden Kupferstichfolge lieferte er alle Vorlagen (bis auf das Porträt zu Beginn), ließ sie aber - bis auf eine Ausnahme („Le Sicilien ou L‘Amour Peintre) - von anderen stechen. - Die Kupfer der Werkausgabe wurden passepartoutartig angerändert und dadurch auf das große Querformat gebracht teils mit leicht variierendem Format). Das Porträt Molières liegt in zwei Versionen vor: einmal vor der Schrift (auf einem kleineren Bogen) und dann mit eingestochener Unterschrift „Molière“. - Der Buchbinder Eduard Pagnant (1852 - 1916) war u.a. für die Stadt Paris tätig und genoß laut Flety eine hohe Wertschätzung unter den Freunden der Bibliophilie. Die Verzierung des vorliegenden Meistereinbandes fällt durch ihre auf den ersten Blick scheinbar schlichte, aber klar strukturierte und dadurch raffinierte Anordnung auf: Rahmen aus sieben parallel verlaufenden, goldgestochenen Linien entlang der Ränder schmücken die Vorderund Hinterdeckel. Die Maserung des rötlichen Maroquin tritt dadurch in dem von Verzierungen freigehaltenen Mittelfeld besonders hervor. Die Gestaltung des Rückens wird durch die sechs Bünde vorgegeben. Neben der goldgeprägten Beschriftung „Moliér - Figures de Moreau“ und der Jahreszahl „1788“ beherrschen Rahmen von fünf parallel verlaufenden goldgeprägten Linien die Felder. Die Stehkantenvergoldung besteht aus zwei parallel verlaufenden goldgeprägten Linien. Im Gegensatz dazu ist die Innenkantenvergoldung auf einem 2 cm breiten Streifen üppig und zeigt neben Arabesken und Blumenlinien ebenfalls parallel verlaufende Linien, die aber durch ein Punktband aufgelockert werden. So bereitet Pagnant den Betrachter auf die Kupferstiche vor, deren Formensprache des ausgehenden 18. Jahrhunderts einen wohl gewollten Gegensatz zur Gradlinigkeit des äußeren Einbandes bilden. - Zustand: Pappschuber teils stärker berieben und bestoßen; Kanten an den Kapitalen aufgeplatzt. Lederband

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an den Kapitalen leicht berieben. Fliegende Vorsätze mit Abklatsch der Innenkantenvergoldung und mit Knickfalte; stellenweise etwas fleckig und gebräunt; vereinzelt unbeschnitten oder mit kleinen Randläsuren.

610 19. Jahrhundert. - Reiseliteratur. Ujfalvy-Bourdon, [Marie] de. De Paris a Samarkand. Le Frghanah, le Kouldja et la Sibérie occidentale. Impressions de voyage d’une parisienne. Paris, Librairie Hachette, 1880. Quart. Mit 273 Holzschnitten (davon 1 Frontispiz-Porträt, 59 Tafeln und 213 Textholzschnitten) sowie 5 Karten, davon eine als Textholzschnitt und 4 (1 kolorierte) auf Tafeln. 3 nicht nummerierte Blatt, 487 S. (Frontispitz und Kartentafeln nicht in der Paginierung; sonstige Tafeln in der Paginierung). Original-Lederband (dreifarbig: zwei Rotschatierungen und Schwarz) mit reicher Deckel- und Rückenvergoldung; gez. “Ch. Magnier Rel.”. 980,-

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Seltene und faktenreiche Dokumentation der Zustände in Zentralasien am Ende des 19. Jahrhunderts. – Blackmer II, 1494; Vicaire VII, 911; Flety 117 (zum Buchbinder). – In zeitgenössischen Publikationen wird Marie Ujfalvy, geborene Bourdon (1845 - 1912) als stete Reisebegleiterin ihres Mannes, des Forschers und Professors an der Orientalischen Akademie in Paris, Karl Eugen Ujfalvy von Mezö Kovesd genannt. Der vorliegende Reisebericht beginnt im Jahre 1876. Um die Reiseroute anschaulicher zu machen, wird im Folgenden ihr grober Verlauf mit den heutigen gebräuchlichen Länder- und Städtenamen skizziert: Von Paris aus begibt sich das Ehepaar Ujfalvy zuerst nach Sankt Petersburg. Die dazwischen liegenden Stationen werden genau beschrieben. Von Sankt Petersburg geht es über Helsinki nach Moskau. Die nun folgenden Etappen bilden den Hauptteil des Werkes. Von Moskau aus reisen sie ca. 1200 km südöstlich nach Orenburg, der Hauptstadt des gleichnamigen Verwaltungsbezirks. Die Stadt wurde im Jahre 1743 gegründet und diente als Grenzposten zum damals unerschlossenen Asien. Von dort geht es weiter südöstlich durch Kasachstan und die Kirgisische Steppe ins damalige, im Jahre 1867 gegründete Generalgouvernement Turkestan mit der Hauptstadt Taschkent, die nördlich der großen Seidenstraße am westlichen Rand des zentralasiatischen Hochgebirges Tian Shan liegt (heute Hauptstadt von Usbekistan). Südwestlich davon, ebenfalls im heutigen Usbekistan, liegt Samarkand, das nächste Ziel. Von dort begibt sich die Reisegesellschaft nach Farg‘ona ins Ferghanatal, heute ganz im Osten von Usbekistan. Während der russischen Expansion in Zentralasien entwickelte sich diese Stadt zu einem politischen Zentrum. Das Khanat Kokand, das nächste Reiseziel, war seit 1710 ein Staat im Ferghanatal und wurde erst im Jahre 1876 unter General von Kaufmann vom Zarenreich annektiert und an das Generalgouvernement Turkistan angegliedert. Der interessanten Schilderung dieses Reiseabschnittes folgen Berichte über das sogenannte „Siebenstromland“: Die Provinz Semiretschinsk liegt ebenfalls im Generalgouvernement Turkistan und erhielt ihren Namen vom Fluß Ili, der sich in sieben Armen ergießt. Semiretschinsk und die nächste Etappe, Kuldscha im Nordwesten des heutigen Usbekistans, waren nach wechselvollem Schicksal das Siedlungsgebiet des westmongolischen Volkes der Kalmücken in Zentralasien. Die Reisegesellschaft folgt nun dem Fluß Irtysch. Der Verwaltungsbezirk Omsk im Süden des Westsibirischen Tieflands ist das nächste Ziel. Die gleichnamige Hauptstadt wurde zu Beginn des 18.Jahrhunderts als Grenzfeste zum Schutze Russland vor Überfällen aus dem Südosten gegründet. Durch den Ural geht es zurück nach Moskau. - Der Reisebericht ist

aus mehreren Gründen auch heute noch von größtem Interesse: Er schildert die Zeit, in der das Russische Reich seinen Einflußbereich auf Zentralasien ausdehnt. Das Ehepaar Ujfalvy ist direkter Zeitzeugen dieser Epoche des Imperialismus. Er schildert die Gewohnheiten und den Alltag der dort beheimateten Völker, bevor deren Schicksal in der Sowjetunion harte Einschnitte erfuhr. Die Sprache ist lebendig, die Themenvielfalt groß. Eindrucksvoll sind die detailreichen Holzschnitte, die weltliche und religiöse Bauwerke, Behausungen und Innenräume, Landschaften, Trachten und Kostüme, Fortbewegungsmittel, Tiere, Alltags- und Kultgegenstände, Krieger und Menschen bei ihrer Erwerbsarbeit sowie Porträts wichtiger - auch russischer - Persönlichkeiten zeigen. - Der meisterhafte Einband stammt aus der Werkstatt des berühmten Buchbinders Charles Magnier (1821 - 1904), der als der Begründer einer ganzen Dynastie anzusehen ist. Bekannt war er für seine „in Serie“ hergestellten Einbände, die aufgrund des hervorragenden Materials und der vorzüglichen Verarbeitung hohe Anerkennung genossen. Vorder- und Hinterdeckel sind gleich gestaltet. In einem von Schmuckverzierungen freien Rechteck ist der Titel „DE PARIS A SAMARKAND“ zu lesen. Darüber, im Zentrum des Einbands ist eine orientalisch anmutende Fensteröffnung angedeutet, in deren Mitte prächtiges Rüstzeug hängt. Den Hintergrund und die Umrahmung bilden orientalische und arabeske Verzierungen. Der Rücken ist durch Linien in Felder eingeteilt. Orientalisch anmutende Schmuckverzierungen umrahmen den Titel und den Namen der Verfasserin. Am unteren Kapital sind der Verleger und der Name des Buchbinders zu lesen. – Aus der Bibliothek des Geigenvirtuosen Henry Marteau. - Zustand: Außengelenke und Kapitale etwas berieben; Kanten bestoßen. Fliegendes Vorsatzblatt, Vortitel und Frontispitz verso mit Namensstempel „Henry Marteau“; stellenweise stock- und fingerfleckig (im Falz zuweilen stärker).

611 20. Jahrhundert. - Illustrierte Bücher. - Literatur. - Alastair. - Wilde, Oscar. The Sphinx. Illustrated and decorated by Alastair. London und New York, John Lane, 1920. Quart. Mit 12 Tafeln (auf kleineren Bögen) und 13 dekorativen Initialen, alles in Schwarz und Türkis gedruckt. 1 weißes Blatt, 5 Blatt, S. 11 - 36. Original-Leineneinband mit prächtiger Deckelillustration in Gold und Türkis; umlaufender Goldschnitt. 980,Eines der schönsten Gedichte Oscar Wildes „übersetzt“ in die Bildersprache Alastaires: das vorliegende Werk vereinigt zwei Arbeiten zu einem Gesamtkunstwerk, das als ein

ANTIQUARIAT TERRAHE & OSWALD, RIEMBERG vorzügliches Beispiel der ‚Zeit der Dekadenz‘ anzusehen ist. – Arwas S. 99. – Oscar Wildes Gedicht entstand 1874 in Paris und wurde erst 1894 von John Lane veröffentlicht (siehe Vorwort Robert Ross). Eine Stein-Sphinx - ein billiges Souvenir - verwandelt sich im Zimmer des Dichters zu einem wirklichen weiblichen Dämon des Todes. In einer bis zum Äußersten getrieben Verfeinerung der Sprache und einer großen Liebe zum Detail und zum Grotesken werden mythologische und religiöse Vorstellung durch Fabelwesen, Götter und Helden präsentiert, wobei die viktorianische „Freude am Verfall“ spürbar wird. - Alastairs Illustrationen sind unverkennbar von Aubrey Beardsley inspiriert, bleiben allerdings in ihrer Liebe zum Okkulten, Theatralischen und Unheilvollen-Bösen eigenständig. Charakteristisch ist auch ihre überreiche und kunstvolle Verzierung. Alastair (1887 - 1960) als Hans Henning Voight in Karlsruhe geboren, pflegte schon früh einen ungewöhnlich extravaganten Lebensstil in einem über Europa verstreuten Freundeskreis Gleichgesinnter. Er liebte es, seine wirkliche Herkunft zu mystifizieren: eine Legende lautete, daß sein wahrer Vater ein bayerischer Prinz und seine Mutter eine Irin gewesen sein sollen. Nach einer guten Schulausbildung studierte er zunächst Philosophie an der Marburger Universität. Künstlerisch - hier vorwiegend autodidaktisch geschult - widmete er sich neben dem mimischen Ausdruckstanz zunehmend der Illustration literarischer Werke, wobei die Novellen, Kurzgeschichten und Gedichte der 1890‘er Jahre seine bevorzugte Zeit waren. - John Lane gründete im Jahre 1887 - zuerst in Partnerschaft mit Elkin Matthews - sein Verlagshaus verbunden mit einer Buchhandlung. Bald schon galt er als einer der führenden Verleger ästhetischer Bücher: die Werke seines Hauses erschienen fast alle in kleiner limitierter Auflage, sie waren aufwendig gestaltet und reich bebildert. Zu seinen Illustratoren zählten u.a. Walter Crane, Beardsley und Charles Shannon. - Vorliegendes Werk entstand in einer limitierten Auflage von 1000 Exemplaren: ausdrücklich wird im Werk selber darauf hingewiesen, daß ein Nachdruck unmöglich sei, da die Lithographie-Steine zur Zeit des ersten Weltkrieges in Belgien lagerten und bei der Invasion der Deutschen zerstört worden seien. So läßt sich das durchgehend kleinere Format der beigebundenen Tafeln erklären. Wie bei allen Vergleichsexemplaren sind im Gegensatz zum Tafelverzeichnis - in dem 10 Illustrationen aufgeführt werden - zwei weitere Lithographien dem Titel vorgebunden. – Zustand: Fleckig und mit leichten Verfärbungen (Rücken etwas stärker). Tafeln teilweise stärker gebräunt; fleckig; vereinzelt mit leichten Verfärbungen; unbeschnitten.

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612 20. Jahrhundert. - Illustrierte Bücher. - Klemm, Walter. Die Entführung aus dem Serail. Lithographische Skizzen. Ohne Ort und Druck, (1923). Groß-Quart. Mit 10 (inklusive Titel) kolorierten (wohl aquarellierten) Original-Lithographien auf Büttenpapier von Walter Klemm, jeweils signiert und handschriftlich als „1. Probedruck“ bezeichnet. Lose unter Passepartout gelegt. In Original-Halbpergamentflügelmappe mit goldgeprägtem Rückentitel und Deckelvignette sowie Pergamentecken. 1800,Sehr seltene Graphikfolge zu Mozarts Oper, hier im ersten Probedruck vorliegend. – Sennewalt S.98, 23.8 (keine Autopsie; bezieht sich lediglich auf Abbildungen in der Monographie ‚Walther Klemm‘, erschienen im Adam Kraft Vlg., Karlsbad, 1945); nicht bei Rodenberg, Mock und Söhn. – Walter Klemm (1883 - 1957) war Schüler u.a. bei Kolo Moser an der Wiener Kunstgewerbeschule. Um 1903 entstanden erste Farbholzschnitte. Japonistische Tendenzen und eine Hinneigung zum Jugendstil waren erkennbar (siehe Sennewald S. 94), obwohl der von der Natur ausgehende „tief verwurzelte Realismus“ immer bestimmend blieb (Mock, S. 20). Ab 1908 siedelte Klemm zusammen mit Carl Thiemann nach Dachau; dort gehörten Sie der Künstlerkolonie an. Ab 1913 leitete Klemm die graphische Abteilung der Weimarer Akademie, die 1919 bis 1925 Teil des Bauhauses wurde. Doch Klee, Kandinsky, Feiniger und andere blieben „ohne Einfluß auf den nach Realität und Lebensfülle strebenden Klemm“, der erstaunlicherweise „die

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verschiedenen in Weimar sich ablösenden Schulrichtungen überlebte“ (Mock S. 21). In der Verweigerung jeglicher Modeströmung sieht Sennewald den Grund, warum Klemm - obwohl „einer unserer feinsten Tierschilderer, ein vorzüglicher Graphiker, Lehrer und Illustrator“ - heute nunmehr wenig beachtet wird. Mock fügt hinzu, daß Klemm zeitlebens die „Rivalität auf dem Kunstmarkt mied“. Er stand in engen Kontakt zu Harry Graf Kessler. Während des Nationalsozialismus konnte Klemm unangefochten arbeiten, weil seine Kunst nicht als „entartet“ angesehen wurde. Nach 1945 engagierte sich Klemm beim Wiederaufbau der Kunsthochschule Weimar. 1952 wurde er Ehrensenator der Hochschule für Architektur und Bildende Kunst ebendort (siehe Eisold S. 448 f.). - Die Technik der Lithographie erlaubte es Klemm - wie der vorliegenden Bilderfolge anzusehen ist - sehr „sensibel, [d.h.] mehr impressionistisch, voller atmosphärischer Stimmung“ zu arbeiten (siehe Mock, S. 20). Darin liegt der deutlichste Unterschied zu seinen Holzschnitten. - Die Größe der Büttenbögen beträgt ca. 23,5 x 19,5 cm (mit Schwankungen). Die Deckelvignette zeigt die goldgeprägten Umrißlinien eines Dackels (?). Die Auflage (außerhalb der Probedrucke) betrug wohl 60 Exemplare (Vergleichsexemplar). – Zustand: Berieben; Ecken und Kanten leicht bestoßen. Zwei Passepartouts an der oberen linken Ecke gestaucht; leicht gebräunt und vereinzelt leicht fleckig.

613 20. Jahrhundert. - Illustrierte Bücher. - Literatur. - Schmidt, Robert R(enato). Episoden des Untergangs. Heidelberg, Merlin Verlag, [1926]. Quart.

Mit 1 signierten Original-Lithographie als Frontispiz und 27 Illustrationen (davon 1 ganzseitig und eine Initiale) nach Federzeichnungen von Alfred Kubin. 137 S. Originalpergament mit goldgeprägter Deckelillustration des Künstlers (verkleinerte Wiederaufnahme der letzten Textillustration: Nackter Jüngling, vom Speer durchbohrt) und goldgeprägtem Rückentitel. 980,-

Kongeniale Verbindung der den Untergang der Welt beschreibenden Prosa Schmidts mit den dazu in ihrer Intensität passenden drastischen Illustrationen Kubins, hier in der Vorzugsausgabe mit einer signierten Originallithographie Kubins und einer handschriftlichen Widmung des Verfassers. - Kubin Bücher, Bd.1. - Raabe 302; Horodisch A 51 (Normalausgabe); Marks A 92; siehe Raabe-Expressionismus, 265,5 und Kosch XV, S. 415 (für Schmidt). - Roberto Renato Schmidt (1892 - 1948) begründete den Merlin-Verlag und leitete ihn seit 1925. In einer rauschhaften gesteigerten Schilderung beschreibt der Verfasser einen kurzen Lebensabschnitt eines gewissen Rolfs. Szenen, die sich wie kurze Schlaglichter oder ‚Episoden‘ aneinanderreihen, beschreiben die Welt als Morast, dem niemand entkommt. Es ist die Zeit des ersten Weltkrieges; die Philosophie und Wissenschaft sind hilflos angesichts des Schreckens. Gott wird als ein „Selbst Verlorener, Selbst Verstoßener, Selbst Entfernter“ (S. 35) beschrieben. Die Hoffnung - von Rolf - daß

ANTIQUARIAT TERRAHE & OSWALD, RIEMBERG „all dies ringsum [ ] vermodern [muß], das Neues entstehen kann“ (S. 72) erweißt sich als Trug; aus dem „Untergang“ erwächst kein Neuanfang. Wie unausweichlich von Beginn an das endgültige Verderben droht, fängt Kubin - quasi als Rahmen der Geschichte - in seinem Frontispiz und in der Illustration seiner Schlußvignette ein: Der Tod, mit Pfeil und Bogen bereit zum Schuß, tötet den Jüngling, der vom Pfeil durchbohrt, zusammenfällt. - Die Vorzugsausgabe besteht aus 50 nummerierten Exemplaren auf Juball-Bütten mit jeweils signierter Originallithographie. Nr.1 - 20 sind dabei in Ganzleder gebunden, jedem dieser Exemplare ist eine Originalzeichnung Kubins beigefügt. Nr. 21 - 50 sind in Ganzpergament gebunden; vorliegend ist dies die Nr. 41. - Die handschriftliche Widmung des Verfassers lautet: Herr Dr. W. Maag/ gewidmet/ vom Verfasser/ RRSchmidt/ Lugano/ 3.Juli.1937“. – Zustand: Pergamentdeckel leicht aufgebogen. Vereinzelt leicht fleckig.

614 20. Jahrhundert. - Illustrierte Bücher. - Literatur. Kent, Rockwell. - Voltaire (eigentlich: Arouet, Jean Francois Marie). Candide. Illustrated by Rockwell Kent. New York, Random House, 1928. Quart. Mit Anfangsvignette, illustriertem Titel, ganzseitig illustriertem Impressum (verso Titel) und Druckvermerk mit bibliophilen Angaben, Nummerierung und handschriftlicher Signatur des Illustrators (zum Schluß) sowie 75 Textillustrationen und 32 Schmuckinitialen. 3 weiße Blatt (außerhalb der Zählung), 4 nicht nummerierte Bll. (inklusive Titel und Impressum), S.9 - 111, 1 nichtpaginierte Seite (Druckvermerk), 3 weiße Blatt. Gewachster Original-Leineneinband mit Vorderdeckelillustration sowie Rückenbeschriftung und sparsamer Verzierung, alles geprägt und vergoldet. Vorsätze mit zweifarbigem “Random House Motiv”. 180,-

# 780 von 1470 Exemplaren der vom Illustrator signierten ‚Candide-Ausgabe Random House 1928‘, die als herausragendes Meisterwerk nordamerikanischer Bibliophilie gilt. - Siehe „Wings“, No.12/1929, The Literary

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Guild of America, S.3 - 7. - Die im Jahre 1759 zuerst anonym erschienene Novelle ‚Candide‘ ist als eine satirische Abrechnung Voltaires mit der in seinen Augen realitätsfernen zeitgenössischen Philosophie sowie mit den Mißständen der herrschenden Klassen zu sehen. Dem Postulat, das Gott als Vollendeter wohl „die beste aller Welten“ geschaffen hat, setzt er nicht zuletzt vor dem Hintergrund des Erdbebens von Lissabon im Jahre 1755 und des Elends des Siebenjährigen Krieges (1756 - 1763) beißenden Spott und Pessimismus entgegen. - Der Kritiker Carl van Doren hebt die Illustrationen des Malers und Illustrators Rockwell Kent (1882 - 1971) besonders hervor und stellt fest, daß die im vorliegenden Band gewählte Bildersprache Kents dem ‚altehrwürdigen und berühmten Stoff‘ der Novelle ‚Candide‘ eine moderne und ebenso berühmte Interpretation zur Seite stellt. Besonders Kents Textillustrationen sind gekennzeichnet durch einen „feinen Strich“, der eine sehr hintergründige Ironie vermittelt. Die Schmuckinitialen sind von großem ästhetischen Reiz: Figuren - ebenfalls mit dem sparsamen Federstrich ausgearbeitet „ranken“ um den jeweiligen Anfangsbuchstaben. Seine sogenannten „paragraph designs“ im Text sind eine weitere Besonderheit: in ihrer klaren Formensprache und großen Schlichtheit gliedern sie den Text und unterstützen die Typographie von Lucian Bernhard, dessen Schriftstile für Kaffee Haag, Pelikan und die Zündkerze von Bosch noch heute einem größeren Publikum bekannt sind. Beide - die „paragraph desings“ und die Lettern - wurden in der im Jahre 1837 gegründeten Bauerschen Gießerei in Frankfurt a.M. gegossen. Die Pynson Printers - gegründet 1922 in New York vom Typographen Elmer Adler und bekannt für ihre bibliophil ausgestatteten und limitierten Bücher - besorgten den Druck des vorliegenden Werkes im April 1928. Rockwell Kent signierte den Druckvermerk. Beim verwendeten Papier handelt es sich um französisches Bütten mit Wasserzeichen („all rag French paper“). - Dem eigentlichen Text vorangestellt ist die „Bibliographical note“: Eine Editionsgeschichte des „Candide“. Verfaßt wurde sie vom Philantrophen Charles Edmund Merrill. - Die Deckelillustration ziert eine abgebrochene Säule vor stilisiertem Hintergrund und Sternenhimmel. – Zustand: Leicht fleckig; oberes Kapital gestaucht. Unbeschnitten.

Beiliegend: Wings. New York, The Literary Guild of America, Dezember 1929 (No.12 - Volume 3). Illustriert und bebildert. 1 Bl., S.3 - 19, 1 unpag. S. Geheftet. Bei ‘Wings’ handelt es sich um die monatlich erscheinende Mitgliederzeitschrift des im Jahre 1927 gegründeten Buchklubs “The Literary Guild”. Ziel war es, den Mitgliedern kostengünstigere Buchklubausgaben von speziell ausgesuchten Bü-

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chern anzubieten. Vorliegendes Heft widmet sich u.a. der Besprechung der im Jahr 1929 erschienen Buchklub - ‘Candide’Ausgabe, die die Kent - Illustrationen des im Jahr zuvor erschienen und oben beschrieben Pressendrucks von Random House wiedergibt. Begründet wird die Aufnahme des Titels in das Programm von “Literary Guild” mit der Aktualität des Stoffs von Voltaire (“Now in America ... there is a kind of official optimism in power...”) und mit den in Zeit passenden Illustrationen Kents, die - über die sehr zahlungskräftige und kleine Käuferschaft des wertvoll ausgestatteten Pressendrucks hinaus - einem breiten Leserpublikum bekannt gemacht werden sollten. 615 20. Jahrhundert. - Illustrierte Bücher. - Literatur. - Shakespeare, William. Die tragische Geschichte von Hamlet Prinzen von Daenemark in deutscher Sprache. Neu übersetzt und eingrichtet von Gerhart Hauptmann. Begleitet von Auszügen die den Geschichten von Saxo Grammaticus und Francois de Bellesforest und der Hystorie of Hamlet entnommen sind. Weimar, Cranach-Presse, 1928 - (1929). (Vertrieben vom Insel-Verlag in Leipzig und S.Fischer in Berlin). GroßQuart (35,5 x 24 cm). Mit 74 OriginalHolzschnitten von Edward Gorden Craig, gedruckt in verschiedenen Grautönen (ein Detail in Blau: Orphelias großes Fenster in der fünften Szene von Akt IV/ S.138). Die Titelversalien in Holzschnitt von Eric Gill. Druck des Textes in Rot und Schwarz in der von Edward Johnston für dieses Werk entworfenen Hamlet-Schrift. 3 weiße Blatt, 1 nicht nummeriertes Blatt (Schmutztitel), 1 unpaginierte Seite (Titel), S. 4 - 202, 1 nicht nummeriertes Blatt („Übersichtsplan über den Stoff“, verso: Druckvermerk). Original - Otto- Dorfner - Maroquineinband auf fünf Bünden. Kopfgoldschnitt; Vorder- und Fußschnitt unbeschnitten. Mit handumstochenen Kapital. 9.900,-

Meilenstein deutscher Bibliophilie im 20.Jahrhundert; # 43 von 255 Exemplaren (davon 230 Exemplare - hier vorliegend - auf Maillol-Kesslereschem handgeschöpften Bütten, 15 Exemplare auf Kaiserlichem Japan und 8 Exemplare auf englischem Pergament) - Sarkowski 1585; Schauer I, S. 91/92; MüllerKrumbach # 48 und S. 56 ff.; Brinks # 76 und S. 127 ff. - Die Cranach-Presse - „die europäischste unter den deutschen Pressen“ (Schauer I, S. 89) - wurde in Weimar im Jahre 1913 durch Harry Graf Kessler gegründet. Der sich dabei selber auferlegte Anspruch bei der Herstellung von Druckerzeugnissen war hoch: es sollten vollendete Buchkunstwerke geschaffen werden und zwar ohne auf etwaige merkantile Einwände Rücksicht zu nehmen. Der ausgewählte Inhalt des Textes sollte ein harmonisches Ganzes mit allen Bestandteilen des Werkes - angefangen bei der Auswahl des Papiers und der Drucktypen, der Auswahl der Graphik, des Layouts und der Gestaltung des Einbandes - bilden. In Kesslers Abwesenheit während des 1.Weltkrieges entstanden Ausgaben und Bücher unter der Aufsicht Henry van de Veldes. Im Jahre 1931 wurde die Cranach-Presse aufgelöst: das Inventar wie Originaldruckstöcke und Druckschriften usw. gingen bei Bombardierungen im 2.Weltkrieg unter. - Kesslers (1868 - 1937) Wirken für die Kultur war prägend: in verschiedenen Funktionen, nicht zuletzt als Mäzen, förderte er neben der Buchkunst die bildende zeitgenössische Kunst, das Theater und die Literatur. So war er u.a. „einer der Mitbegründer des ‚PAN‘ (1895)“ (siehe Rodenberg S. 148). Seine Kontakte zur Kunst- und Literaturszene waren länderübergreifend. Das Inferno des 1.Weltkriegs machte ihn zum Pazifisten, er nahm „für das Auswärtige Amt mehrere diplomatische Sonderaufträge wahr“ (DBE a.a.O.) und wurde aufgrund seiner progressiven Einstellungen als „roter Baron“ bekannt. „1932 unterstützte er John Heartfields Plakatpropaganda gegen die Nationalsozialisten“ (DBE a.a.O.). 1933 verließ er Deutschland und betätigte sich vor allem schriftstellerisch. „Sein Weimarer Besitz [wurde] zwangsversteigert und sein Berliner Wohnung geplündert“ (DBE a.a.O.). - Zum vorliegenden Werk: Die Holzschnitte - einzelne Figurinen und großflächige Langholzschnitte mit Szenen - sind das Ergebnis von Edward Gordon Craigs Entschluß, die Entwürfe, die auf seine Tätigkeit als Bühnenbildner zurückgehen, „buchkünstlerisch zu verwerten“ (Müller-Krumbach S. 57), wobei der Satz „Suggestion, nicht Realismus“ seine Herangehensweise verdeutlicht. Verstärkt wird diese Bühnenwirkung durch die Verwendung von horizontalen und vertikalen Linien unterschiedlicher Stärke, wodurch Räume und Perspektiven angedeutet werden. Die unterschiedlichen Grautöne innerhalb eines Holzschnitts

ANTIQUARIAT TERRAHE & OSWALD, RIEMBERG wurden nicht durch verschiedene Druckvorgänge, sondern durch die drucktechnisch besonders anspruchsvolle Zurichtung der Druckstöcke und durch die Bearbeitung der Druckerschwärze erreicht. Schauer vergleicht zutreffend die optische Wirkung der Bildersprache Craigs mit einem Spannungsbogen von Regungslosem, Lauerndem und Tückischem, der plötzlich durch die jähe Aktion unterbrochen wird (siehe Schauer I, S. 92). - Die beiden Grade der Hamlet-Type wurden vom Schriftkünstler Edward Johnston für das vorliegende Werk entworfen und von den Stempelschneidern Edward Prince und G.T.Friend geschnitten. Angelehnt war das Schriftbild an den von Fust und Schoeffer im Jahre 1457 gedruckten Mainzer Psalter. Beim Dramenwortlaut wurde eine Gotisch mit hochgereckten Oberlängen verwendet, bei den Prosatexte - das sind die begleitenden Texte - fand dagegen eine stämmige Rundgotisch kleineren Grades Anwendung (siehe Schauer I, S. 92). Das Layout wird durch den Entschluß Kesslers, dem Dramenwortlaut eine Kommentierung beizugeben, bestimmt: meist umringt der Rahmentext das Drama, aufgrund der unterschiedlichen Längen sind die letzten Seiten nur dem Rahmentext vorbehalten. Einfluß auf das gestalterische Bild nimmt auch die Verwendung des Rotdrucks: die rot gedruckten Passagen sollten „weniger schwer auf die Figuren“ drücken und die „ganze Seite leichter und luftiger“ machen (Brinks S. 129). Rot gedruckt wurde die Titelzeile „Die tragische Geschichte von Hamlet Prinzen von Daenemark“, die durchlaufende Kolumnenüberschrift, die seitlich stehenden Akt- und Szenenangaben, die Pantomimenangaben auf S. 92/93, die Quellenangabe auf S. 188 sowie der Druckvermerk. - Als Randkommentare verwendet Kessler Shakespeares eigene Quellen zu Hamlet: „Diese waren die Histoire tragique von Beelesforest,..., die Hystorie of Hamlet und die Historiae Danicae von Saxo Grammaticus“ (Brinks, S. 132) und zwar in Auszügen, im Original und in deutscher Übersetzung. In die „Hamletquellen“, die dem Druckvermerk und dem „Übersichtsplan über Stoff“ vorangestellt sind, findet der Leser eine eingehende Erläuterung Kesslers dazu. – Der Verlagseinband aus rostrotem Maroqiun trägt als Rückentitel die jeweils dreizeiligen Angaben „Shakespeare G.Hauptmann Hamlet“ und „Holzschnitte von Gordon Craig“ im zweiten und dritten Rückenfeld. Alle sechs Bundfelder sind durch eine einfache Karreevergoldung verziert. Die Kapitale werden durch eine goldgeprägte Doppellinie hervorgehoben, wobei zwischen den Doppelgoldlinien am unteren Kapital zusätzlich die zweizeilige Angabe „Cranachpresse MDCCCXXX“ zu lesen ist. Die Vorderund Hinterdeckel sind mit einer einfachen goldgeprägten Rahmenvergoldung verziert, ansons-

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ten aber schmucklos. Die Deckel weisen eine Steh- und Innenkantenvergoldung – letztere mit Doppellinie – auf. Die Bezeichnung des Buchbinders „O. Dorfner Weimar“ ist goldgeprägt auf der unteren Innenkante des Hinterdeckels vermerkt. – Zustand: Rücken etwas aufgehellt. Fliegende Vorsatzblätter leimschattig; vorderes fliegendes Vorsatzblatt mit altem Besitzerstempel (adelige Provenienz); stellenweise fleckig (unbeschnittene Buchschnitte etwas stärker).

Beigefügt: Erster Prospekt zur Deutschen Ausgabe des Hamlet. 1 Blatt, vorderseitig bedruckt in Rot und Schwarz in der Hamlet-Type. Quart (25,6 x 22,6 cm) Mit Eingangsversalie in Rot (ornamentiert von Aristide Maillol, geschnitten Eric Gill) und Holzschnitt „Soldat mit Schild“ von Edward Gordon Craig aus dem Hamlet in Schwarz. 6-zeilige Vorankündigung des Buches in Rot; 22- zeilige Ankündigungen zu den drei Ausgaben des Werkes, ihrer Ausstattung, Auflagenhöhe und den Preisen in Schwarz, einzeilige Abschlußzeile zur Auslieferung in Rot. (1929) - Brinks # 74. – Zustand: Zwei winzige Löcher am rechten Rand; am linken Rand der Hauch einer Knickspur. Beigefügt: Suitenbeilagen für die Vorzugsausgaben: drei Blätter mit je einem Holzschnitt von Edward Gordon Craig auf hellgelbem Japan, jedes Blatt von Craig signiert bzw. monogrammiert. Die Darstellungen im Einzelnen: 1. König, Erster Akt zweite Szene, S.17 ; 2.“Ein Zimmer im Schloss“, Dritter Akt dritte Szene, S.109; 3. Hamlet (?), Vierter Akt fünfte Szene, S.142. – Zustand: Leichte Verfärbung am rechten Rand (kaum zu sehen); minimal fleckig.

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616 20. Jahrhundert. - Mappenwerk. - Graphik. - DDR. - Weidensdorfer, Claus. Singwonzmor. (pdjs zweit map heiß t „singwonzmor“ das sind 16 selbsterfundene Offsetalugrafien gedruckt von Michael Wachwitz gemappt von xxx xxx die Mappe hat Nummer 6 von 15). Ohne Ort, 1983. Groß Folio (43,2 x 50 cm = Mappe; 37,6 x 45 cm = Blattgröße). Titelblatt und 16 einfarbigen Tafeln in Rot, Braun, Blau, Pink, Orange oder Schwarz auf unterschiedlich farbigem Papier in Grau, Elfenbein, Grün und unterschiedlichen Brauntönen (jede Tafel ist handschriftlich signiert, datiert („83“) und nummeriert („6/15). Illustrierte OriginalHalbleinenmappe. 950,-

Nichts beschreibt die Blätter besser als der der Mappe beigefügte Kommentar des Künstlers: „In der 2. map gibt es keine Abfolge und keine Titel Alle plärren so gut sie können - ; die Blöden wie die Schlauen haben ihre Stimme und wenn sie spielen, habe ich meine Lust, die eine andere ist als ihre. Auch ich spiele auf und wer da Lust empfindet wird sich zeigen.“ - natürlich geht es um Gesang, Musik und Künstler, egal ob Mensch oder Tier. - Vgl. Lang. Malerei u. Graphik in der DDR; vgl. IX Kunstausstellung der DDR, S. 267. - Claus Weidensdorfer (geb. 1931) studierte an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden u.a. bei Hans Theo Richter und Max Schwimmer. Neben Lehraufträgen an der Fachschule für Werbung und Gestaltung in Berlin und ab 1989 an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden arbeitet er seit 1966 als freischaffender Maler und Graphiker. Er wird als „malerischer Graphiker“ (siehe Lang S. 213) charakterisiert, bei dem Anklänge an die Kunst von Kubin und Chagall unverkennbar sind. Sein Schaffen „wird durch spontane Niederschrift und einen mitunter kauzigen Humor bestimmt“ (Lang S. 214). - Beigefügt ist eine Originalgraphik: eine von Weidensdörfer gestaltete Tafel mit gedrucktem Kalendarium (am unteren Rand). Der oben wiedergegebene handschriftlich verfaßte Kommentar zur Mappe ist spiegelbildlich signiert und datiert („Radebeul 5.5. 83) und künstlerisch eingerahmt von einem Gitarre spielenden Mann mit über ihm schwebenden Lautsprecher (linke Seite), einem singenden Pelikan (unten rechts) und einer Seiltänzerin (oben links). Sowohl die Illustrationen als auch der Text sind mit schwarzem Tuschstift gefertigt.