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Nur Science-Fiction?

Zusammenfassung

Die Entwicklung des Industriellen Internet der Dinge ist rasant. Täglich berichten die Medien über neue technische Möglichkeiten, die Start-ups begeistert aufnehmen und in mehr oder weniger erfolgreiche Geschäftsmodelle überführen. Software und physische Komponenten wachsen zu integrierten Systemen zusammen, und viele solche Systeme werden miteinander verbunden, um gemeinsam Probleme zu lösen: Da sind sie, die „Cyber-Physical Systems“ (CPS). Wohin geht aber diese Entwicklung? Was ist und wird tatsächlich „Science-Fiction“ bleiben, und was ist es wert, es sich genauer anzusehen – mit Blick auf die Digitalisierung des Unternehmens, der Produkte und Dienstleistungen?

Meine These: Wir sehen heute schon viele der technischen Möglichkeiten, die sich erst in den nächsten fünf bis zehn Jahren im Markt etablieren werden. Denken Sie zurück an die ersten „Mobile Phones“ – und was in nur kurzer Zeit daraus geworden ist. Heute wachsen Software und physische Komponenten zu integrierten Systemen zusammen, und diese Systeme werden miteinander verbunden, um gemeinsam Probleme zu lösen: Wir sprechen von „Cyber-Physical Systems“ (CPS). Glas wird dabei, wie schon dargestellt, eine wichtige Rolle spielen, insbesondere in der Art und Weise, wie wir mit der Technik interagieren. Was wird in den nächsten Jahren Marktreife erlangen? Welche Tendenzen sind sonst im Markt schon zu beobachten? Sehen wir uns einige Beispiele dafür an, was in der Forschung und in den Zukunftslaboren entwickelt wird.

© Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2017 P. Samulat, Die Digitalisierung der Welt, DOI 10.1007/978-3-658-15511-7_2

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Holografie: Wissen aus dem Kristall Viele Forscher sind davon überzeugt, dass in Zukunft Kristallkerne als Datenspeicher dienen werden: Bei den Kristallen werden die Daten mittels spezieller Laser eingebrannt, was die Neuanordnung der kristallinen Strukturen bewirkt. Es ist der Weg zum holografischen Speicher, den wir heute schon in Form der in einem Glasblock „schwebenden“ Figuren sehen können. Heute eher noch edles Schmuckstück oder Eyecatcher im Verkaufsraum – morgen der Langzeitdatenspeicher. 5D-Speicherkristall1 Mit diesem Ansatz werden Daten mithilfe von Punkten in Nanostrukturen in drei Schichten gespeichert. Mit diesen Punkten können so nicht nur die üblichen drei Raumdimensionen für die Datensicherung genutzt werden, sondern auch deren Größe und Orientierung. Damit stehen fünf Dimensionen zur Verfügung. Eine einzelne Scheibe ist in der Lage, 360 Terabyte an Daten auf einer Fläche zu speichern, die kaum größer ist als ein Zweieurostück (Wieselsberger 2016). „5D-Speicher“ oder auch Superman-Speicherkristall nennen die Forscher der University of Southampton ihre Entwicklung (s. Abb. 2.1). Kristalle bringen beste Voraussetzungen für stabile Langzeitspeicher mit: unbegrenzte Haltbarkeit. So entstehen viele Ideen: Kennzeichnung von Objekten, z. B. ein „Barcode“ im Glas? Diebstahlschutz oder Identitätsbeweis … ? Wie war das eigentlich damals mit dem Tesafilm?

Abb. 2.1  Der 5D-SpeicherkristallQuelle: University of Southampton

http://www.gamestar.de/hardware/news/3268084/5d_speicher_aus_quartz.html?r=864758915188 3961&lid=489511&pm_ln=16 1

Graphen – mehr als smarte Kaffeebecher?61

Viele wissenschaftliche Entdeckungen wurden durch puren Zufall gemacht. Aus einem kleinen Scherz, den sich die Physiker Steffen Noethe und Matthias Gerspach anlässlich der CeBIT 1998 machten, sollte aber schnell Ernst werden. Die beiden Wissenschaftler, die die Belichtung optischer Datenträger auf Kunststoffbasis erforschten, legten nur zum Spaß eine Tesafilm-Rolle unter einen sogenannten Fotolithografen. Dabei stellte sich heraus, dass auf der Kleberolle wesentlich bessere Daten in holografischer Form eingeprägt werden konnten als auf allen anderen getesteten Materialien. Und wie ging das weiter? Statt Datenspeicher auf Tesa-Basis entwickelt das Unternehmen heute Sicherheitsverfahren, bei denen – ähnlich wie bei einem Geldschein – Waren mit einem nicht fälschbaren Label ausgestattet werden, denn: „Produktpiraterie und Know-how-Diebstahl gehören zu den größten Herausforderungen der Industrie. Allein im Jahr 2014 beschlagnahmte der deutsche Zoll sechs Millionen Waren im Wert von fast 140 Millionen Euro. Rund 70 Prozent der Unternehmen in Deutschland sind von Produkt- oder Markenpiraterie betroffen, fand der Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) in seiner jüngsten Studie heraus. Der geschätzte Schaden: knapp acht Milliarden Euro jährlich“ (VDMA 2016). Dreiste Fälschungen schaden der Industrie massiv. Und wenn aus Plagiatoren Konkurrenten werden, droht sogar der Totalverlust.

Aquaman-Kristall „Die University of Southern Denmark hat im Rahmen des sogenannten Aquaman- Kristall-Projekts ein revolutionäres Material entwickelt, welches dich zum Fisch verwandeln kann. Das neue Material kann Sauerstoff aus der Luft oder aus dem Wasser in hoher Konzentration speichern und diesen dann bei Bedarf auch unter Wasser wieder abgeben. Das Aquaman-Kristall speichert so viel Sauerstoff, dass man über einen sehr langen Zeitraum unter Wasser bleiben kann und das ohne Sauerstoffflasche oder anderes Zubehör.2 Das Material ist eine chemische Verbindung, die als ein riesiges Auffangbecken für Sauerstoff fungiert. Ein Teelöfel des Kristalls speichert den gesamten Sauerstoff der sich in einem mittelgroßen Raum befindet“ (Bart 2014).

Graphen – mehr als smarte Kaffeebecher? Das 2004 erstmals aus Graphit hergestellte Material Graphen besteht aus einer einzigen Lage von Kohlenstoffatomen. Es ist damit nicht nur unvorstellbar dünn (es wird aus diesem Das Video dazu: Scientific Breakthrough! Danish scientists develop substance that stores and releases oxygen. https://www.youtube.com/watch?v=WX_BXuFp4Qc

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Grund auch als zweidimensionales Material bezeichnet), sondern widerstandsfähiger als Stahl, dazu leitfähig, biegsam und durchsichtig. Damit ließen sich berührungsempfindliche Displays falten, Schaltungen auf dem Kaffeebecher oder der Milchpackung entwickeln, die mit der Umwelt interagieren, z. B. an der Supermarktkasse. Da Graphen für den Körper gut verträglich zu sein scheint, könnte es eingesetzt werden, um intelligente Kontaktlinsen mit Zoom zu entwickeln (Grünlink 2016). 2014 wurden bereits über 9000 Patente mit Graphenbezug angemeldet.

Smart Glass Glas, das beim Anlegen einer Steuerspannung die Transparenz ändert, habe ich Ihnen bereits im vorangegangenen Kapitel vorgestellt. Aber: Es geht auch deutlich anders, einfacher: Abb. 2.2 zeigt das Zusammenspiel zwischen einem nur beschichteten Glas und einem dahinter liegenden iPad. Das Glas ist bei dunklem Hintergrund ein sehr guter Spiegel (s. Abb. 2.2, links mit einem ausgeschalteten iPad). Zeigt das iPad aber ein Bild, so wird das nahezu ohne Kontrastverlust angezeigt. Die für die Interaktion mit dem Menschen noch notwendige Kamera liefert das iPad gleich mit – mehr braucht also der Entwickler eigentlich nicht, um den interaktiven Spiegel Realität werden zu lassen. Auch bei dem Glas, das durch die Steuerspannung die Transparenz verändert3 (s. Abb. 2.3), geht die Entwicklung weiter: Die Flächen werden immer größer, die Kosten verringern sich: Ganze Gebäudefronten können mit diesem „intelligenten“ Glas versehen werden, das in Zukunft auch in der Lage sein wird, tagsüber Wärme zu speichern und sie nachts wieder abzugeben – erste Laborversuche dazu waren erfolgreich.

Abb. 2.2  Der Spiegel wird zum Display (Foto: Samulat) Switchable, laminated glass panel composed of polymer dispersed liquid crystal film (PDLC).

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Abb. 2.3  Smart Glass als Sichtschutz und Projektionswand (Quelle: dreamglassgroup.com)

Wir alle kennen Personenwaagen, die fast vollständig aus Glas bestehen. In Kürze werden viele Geräte, nicht nur unsere Smartphones und Tablets, komplett transparent zu bauen sein. Biegsames Glas wird diese Geräte in der Form veränderbar machen: Der Weg zur „smarten“ Tapete, die ihr Muster ändert und den Fernseher ersetzen wird, ist nicht mehr weit. Messgeräte in der Windschutzscheibe unseres Autos werden Eintrübungen verhindern. Ein Temperatur- und Luftfeuchtigkeitssensor wird die Autoheizung und das Gebläse regulieren: Beschlagene Frontscheiben gehören dann der Vergangenheit an. Augmented Reality im Auto? Das intelligente Glas ersetzt im Auto nicht nur die heute üblichen Anzeigen, sondern interagiert auch so mit der Außenwelt, dass wir für uns wichtige Informationen angezeigt bekommen werden. Personalisierte Autos, so wie sie unter anderem Tesla jetzt bereits auf den Markt bringt, werden diese Technik in jeder Form nutzen. Smart Glass schafft die Voraussetzungen für die Entwicklung integrierter Messanwendungen für das Smartphone: So könnte es schon bald möglich sein, mit dem Smartphone

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jede Art von Flüssigkeit zu analysieren, die eigene DNA zu entschlüsseln oder Epilepsietests durchzuführen. Das israelisches Start-up DeepOptics macht sich momentan einen Namen mit Linsen, die ihre optischen Eigenschaften automatisch in Echtzeit anpassen können. Diese Fähigkeit erlaubt es den Linsen, in Echtzeit auf eine bestimmte Entfernung zu fokussieren und eröffnet mannigfaltige Anwendungsgebiete (Trisko 2016). Neu ist die Technologie nicht. Die Linsen der Kameras in Smartphones fokussieren bereits seit Längerem mit dieser Methode. Ultradünnes, biegsames und trotzdem stabiles Glas: Die Firma SCHOTT fertigt aktuell schon Glas mit einer Dicke von nur 50 Mikrometern, das ist etwa so dick wie ein menschliches Haar. Zum Einsatz kommt es heute schon als gehärtetes Deckglas in bieg- und faltbaren OLED4-Displays, in der Kamera oder im Fingerprint-Sensor oder als thermisch stabile Komponente für elektronische Schaltungen (Horvatitsch 2016).

3D-Scanner Mobile 3D-Fotostudios5 erfassen Körpermaße und Konfektionsgrößen von Kunden: Unscheinbare Kabinen, zunächst einmal aufgestellt an Bahnhöfen oder Flughäfen, sollen Online-Modehändlern helfen, Rücksendungen wegen nicht passender Kleidungsstücke zu reduzieren. Einen wahren Boom haben, auf Basis dieser Technik, gerade die sogenannten „3DFotos“ (s. Abb. 2.4) hinter sich. Hier werden Figuren als Abbild der eigenen Personen erstellt, als exakte verkleinerte Kopie. Die Funktionsprinzipien dieser 3D-Scanner sind sehr unterschiedlich. Werden in einigen Systemen Hunderte von Kameras eingesetzt, welche die Person oder den Gegenstand umgeben und von allen Seiten fotografieren, so gibt es Ansätze – insbesondere im industriellen Umfeld – mit Streiflicht- oder Laserscannern. Messgenauigkeiten von 0,01 Millimetern sind heute schon als Standard zu bezeichnen. Aber es gibt auch bereits gute Ansätze für „zu Hause“, z. B. mit der Spielkonsole Microsoft Xbox One und der dazugehörenden Kinect-Kamera oder mit Smartphone-Apps,6 die aus mehreren Kamerabildern 3D-Modelle errechnen und anzeigen. Kinect als 3D-Scanner nutzen Eine organische Leuchtdiode (Organic Light Emitting Diode, OLED) ist ein leuchtendes Dünnschichtbauelement aus organischen halbleitenden Materialien, das sich von den anorganischen Leuchtdioden (LED) dadurch unterscheidet, dass die elektrische Stromdichte und Leuchtdichte geringer und keine einkristallinen Materialien erforderlich sind (Quelle: Wikipedia).

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Ein am Amsterdamer Flughafen Schiphol stehendes Gerät liefert z. B. die Maße, aus denen ein 3D-Drucker in einer halben Stunden 14 Zentimeter hohe Figuren von Flugreisenden formt.

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Ein Beispiel ist die iPhone-App Trimensional, LLC. Sie erstellt bereits aus zwei Aufnahmen ein 3D-Modell, das man in Profi-Programme exportieren kann.

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3D-Scanner65 Abb. 2.4  Professionelles 3D-Foto (Quelle: Twinkind)

Die Kinect-Kamera ist eigentlich dazu gedacht, die Bewegungen und Gestik von einem oder mehreren Spielern aufzunehmen und in die Bewegung der Spielfiguren umzusetzen. Dazu ist es notwendig, auch die Position im Raum zu kennen – die Kinect-Kamera kann also auch Entfernungen messen. Nehmen wir also einmal so eine Kinect-Kamera in die Hand und gehen um die Person herum, von der wir ein 3D-Foto erstellen möchten (s. Abb. 2.5). Microsoft beschreibt die Funktion so: Mit dem im SDK enthaltenen Tool KinectFusion wird die Xbox-Bewegungssteuerung zum günstigen 3D-Farbscanner. Erstellen Sie in Echtzeit 3D-Farbscans mit dem Kinect für Xbox-One-Sensor und Ihrem Windows-10-PC. Geben Sie doch einmal jemandem, der durch ein Gebäude geht, die Kincet-Kamera mit (so wie ich es bei Microsoft in Cambridge gezeigt bekam) und erstellen sie so einen 3D-Scan der Räumlichkeiten, der auf einem 3D-Drucker ausgegeben wird: beeindruckend. In der industriellen Produktion ermöglichen 3D-Scans per Laser das berührungslose Testen von Oberflächen und bei großer Reichweite das Vermessen von kleinen und großen Objekten. CAD-Modelle werden unmittelbar aus den Scan heraus erstellt. Im Rahmen der Qualitätssicherung können die gemessenen und registrierten Punktwolken direkt mit dem von Ihnen zur Verfügung gestellten CAD-Modell verglichen werden. 3D-Laserscans überwachen den Fortschritt von Baumaßnahmen und unterstützen dabei, die Volumenbestimmung von Erdmassen oder eine Bauwerksüberwachung zu dokumentieren.

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Abb. 2.5  3D-Fotos mit der Microsoft Kinect und 3D-Drucker (Eigenes Foto).

Computer erreichen noch in unserem Menschenleben die Intelligenz von Menschen Volkswagen Group CIO Martin Hofmann findet auf den Hamburger IT-Strategietagen 2016 klare Worte: „Selbstlernende Systeme, deren künstliche Intelligenz die gesammelte Leistungsfähigkeit der Gehirne aller Menschen um ein Vielfaches übersteigen wird, stellen die Welt bald auf den Kopf.“ In den kommenden Jahren werden Technologien der Smarten Prognostik in unsere Industrie- und Verkaufsprozesse einziehen. Dann werden die digitalen Assistenzsysteme intelligent. Sie sind individuell und haben ihren Platz im Smartphone und auf den Displays der Kunden. Auf Basis von Datenanalyse verstehen sie, wie ihr Besitzer „tickt“ und welche Kundenbedürfnisse ihn treiben. Darüber hinaus verstehen sie auf Basis von situativen Daten auch, wie sich von Moment zu Moment die Kundenbedürfnisse ihres Nutzers verändern.

Touchpoint Management Jeder von uns wird zum Bestandteil eines großen „intelligenten Touchpoint Managements“ werden, das die von vielen verschiedenen digitalen Geräten gesammelten Daten verbindet und zu intelligenten Schlussfolgerungen zusammenführt.

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,,Die von den Geräten gegebenen Empfehlungen sind also nicht nur individuell verschieden, sondern auch situativ verschieden. Beides zusammen heißt: adaptiv“ (Jansky 2016).

Justiz & Recht Die Auswirkungen der Digitalisierung in unserer Gesellschaft werden das Rechtssystem verändern. Die ungebremste Digitalisierung führt zu einer radikalen Transparenz auf allen Ebenen, im Privaten, in Unternehmen, in Staat und Gesellschaft. Künftig werden elektronische Geräte nicht nur Daten verarbeiten, sondern zugleich menschliche Emotionen sowie Gedanken erkennen. Also: • Wie den Umgang mit Anwendungsdaten regeln? • Wem gehören eigentlich die Daten? Hybride Lösungen bedeuten in den meisten Fällen, dass der Anbieter Zugriff auf Daten haben muss, die permanent aus der Anwendung der Lösung entstehen. Für klassische, produzierende Unternehmen ist dies neu und birgt zahlreiche Chancen, aber auch Risiken. Der professionelle Umgang mit diesen Massendaten, heute unter den Begriffen Analytics, Big Data oder Data Science diskutiert, ist eine neue grundlegende Fähigkeit, die Unternehmen besitzen oder aufbauen müssen. „Ich werde mir künftig über Dinge wie Google Glass, Smartwatches und jede Art von Device Gedanken machen müssen, das in der Lage ist, Audio- oder Videomaterial aufzuzeichnen. Das ist unsere größte Sorge, wenn es darum geht unsere eigenen Daten zu schützen“, erklärt Mark McCreary, Datenschutzbeauftragter und Partner bei der US-Kanzlei Fox Rothschild.

Wem gehören die erfassten Daten? Die Nutzungs- und Verwertungsrechte an Informationen sind Voraussetzung, um mit dem Sammeln und Auswerten von Daten Geld zu verdienen. Eine zentrale Frage, die Analysten gerne außer Acht lassen, ist die des Eigentums. Jedes über das Internet verbundene Gerät produziert Daten. Doch wem gehören diese Daten? Nicht immer ist eine Abgrenzung möglich. Ein Beispiel aus der digitalen Transformation des Automobils (Quelle: Duisberg, www.car-it.com) macht es deutlich: „Über eine Onboard-Unit verlässt künftig ein stetiger Datenstrom das Fahrzeug. Die Blackbox sammelt fortlaufend Informationen aus Steuergeräten und Sensoren, aus Internetanwendungen und Apps. Sie meldet unter anderem Position, Temperatur, Tempo, Verbrauch et cetera und lässt mit dieser Fülle an Informationen auch Rückschlüsse auf das Verhalten des Fahrers zu. Das Gegenstück ist – mindestens – ein Rechenzentrum, das gleichzeitig Zehntausende Datenströme entgegennimmt, bündelt und auswertet. In den Rechenzentren arbeiten die Big-Data-Anwendungen an der Auswertung der Daten.“

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Doch wem gehören diese Daten? Dem Hersteller? Dem Fahrer? Dem Provider? Bei welchen Daten, die vom Fahrzeug versendet werden, ist eine Einwilligung des Betroffenen erforderlich? „Was macht ihr mit meinen Daten?“, fragte 2014 der grüne Politiker Malte Spitz Unternehmen und Behörden für sein gleichnamiges Buch. Dabei ging es ihm darum zu erfahren, wo über ihn was gespeichert wird. Was ist mit den Daten, die z. B. für Predictive Maintenance und die kontinuierliche Optimierung der Produktionsprozesse erhoben werden? Rechtliches Neuland! Seitdem insbesondere die Autoindustrie mit dem Thema „Datenschutz“ hadert, ist interessanterweise aus den Reihen der Politik der Begriff „Dateneigentum“ zu hören. In ihrer Rede über die „richtige Balance zwischen Datenschutz, Dateneigentum und neuen Produktmöglichkeiten“ setzte Angela Merkel voraus, dass es so etwas wie Dateneigentum tatsächlich gibt (Merkel 2015). Laut einer Studie der Industrie- und Handelskammer München und Oberbayern nennen 50 Prozent der befragten Unternehmer neben der IT-Sicherheit rechtliche Unsicherheit als eines der größten Hindernisse bei der Digitalisierung. Thema Nummer eins: Wem gehören die erfassten Daten? Das Recht über die Nutzung und Verwertung der Daten ist daher klar zu regeln: Zum Standard künftiger Verträge werden „Data Quality Level Agreements“ gehören, die die Qualität der Smart Data vertraglich absichern. Tragfähige Geschäftsmodelle erfordern Rechtssicherheit! Aber auch jeder von uns ist gefordert, denn es fehlt noch immer eine breite Diskussion über den Schutz personenbezogener Daten in der Öffentlichkeit, mahnte im Mai 2015 Andrea Voßhoff, Bundesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit. Diese Daten seien heute eine wichtige Währung. „Nutzer werden viel zu sehr verführt, ihre Daten preiszugeben. Als Vorteile winkt dann die Bequemlichkeit im Alltag. Aber nichts ist kostenlos“ (Voßhoff 2015).

Die Öffentliche Verwaltung ist gefordert Es besteht also dringender Handlungsbedarf: Es fehlt Rechtssicherheit, die öffentliche Verwaltung ist gefordert. Und es gibt bereits erste, viel beachtete Ansätze dazu (s. Abb. 2.6). So wurde bereits im Dezember 2014 ein renommierter Bericht mit dem Titel The Internet of Things: making the most of the Second Digital Revolution (by the UK government's chief scientific adviser Sir Mark Walport) veröffentlicht, der eine Liste von zehn genau spezifizierten Aufgabenstellungen enthält, wie sie im Umfeld des IoT als relevant gesehen werden – und welche Aufgabenstellungen für die öffentliche Verwaltung daraus abzuleiten sind (Walport 2014). Bereits Anfang 2018 wird die General Data Protection Regulation (GDPR) bzw. die Datenschutz-Grundverordung (DSGVO) als neues Gesetz in Kraft treten. Die DSGVO schafft eine einheitliche EU-Datenschutzgesetzgebung und soll die Prozesse und gesetzlichen Anforderungen für alle Länder vereinfachen, die mit mehr als einem EU-Staat zu tun haben (DSGVO 2016).

Zurück in die Zukunft?69 Abb. 2.6  Rechtliche Rahmenbedingungen des IoT (Quelle: Walport 2014)

Hauptziel der Grundverordnung ist eine EU-weit einheitliche und zeitgemäße Regelung der im industriellen Umfeld stattfindenden Behandlung von personenbezogenen Daten. Sie führt das „Recht, vergessen zu werden“ ein, mit der Pflicht, nicht mehr benötigte Daten unaufgefordert zu löschen. Vorgeschrieben werden regelmäßige Audits und eine Meldepflicht bei Datenverlust oder Sicherheitslücken.

Zurück in die Zukunft? Wie beeinflussen diese Entwicklungen unsere heute zu treffenden Entscheidungen? „You Promised Me Mars Colonies – Instead, I Got Facebook“, so bringt es Buzz Aldrin auf der Titelseite des MIT Technology Review Vol 115 auf den Punkt: Keiner von uns weiß, wohin alle diese Entwicklungen tatsächlich führen werden. Aber, es ist enorm

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wichtig, die Veränderungen zu beobachten und aus der Perspektive des eigenen Unternehmens, der eigenen Produkte zu bewerten. Da ist er wieder, der von mir geforderte Perspektivenwechsel in der Digitalisierung, in der Industrie 4.0, im Industrial Internet of Things. Wir müssen lernen, die richtigen Fragen zu stellen, und akzeptieren, dass traditionelle Methoden der Markt- und Konkurrenzbeobachtung heute regelmäßig nicht mehr funktionieren. Denken Sie doch auch ein wenig wie ein Start-up. Ändern Sie Ihre „Flughöhe“ in der Sicht auf Ihr Unternehmen und beobachten Sie, was an Entwicklungen „da draußen“ stattfindet. Haben Sie Spaß an technischen Errungenschaften und den notwendigen Ernst, Auswirkungen auf Ihr Geschäft zu erkennen.

Literatur Bart, R. (2014). Aquaman Kristall – Universität entwickelt Material, welches dich unter Wasser atmen lässt. http://www.trendsderzukunft.de/aquaman-kristall-southern-denmark-universitaetentwickelt-material-welches-dich-zum-fisch-verwandel-kann/2014/10/08/. Zugegriffen: 10. Juni 2016. DSGVO (2016). Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Finaler Text der DSGVO inklusive Erwägungsgründe. https://dsgvo-gesetzt.de. Zugegriffen: 16. Dez 2016. Grünlink, B. (2016). Flache Wunder. Graphen verblüfft die Forscher. In: P.M., Heft Apr. 2016, S. 38ff. Horvatitsch, T. (2016). SCHOTT solutions Nr. 1/2016 > Ultradünnglas. http://www.schott.com/ magazine/german/sol116/sol116_01_utg.html. Zugegriffen: 13. Juni 2016. Jansky, S.G. (2016). Trendanalyse „Artificial Intelligence (Teil 2)“: Nehmen uns Computer die Arbeit weg? www.2beahead.com. Zugegriffen: 21. Apr 2016. Merkel, A. (2015). Rede von Bundeskanzlerin Merkel bei der Deutsch-Französischen Digitalen Konferenz am 27. Oktober 2015. https://www.bundesregierung.de/Content/DE/Rede/2015/10/ 2015-10-28-rede-merkel-paris-konferenz.html. Zugegriffen: 13. Juni 2016. Trisko, A. (2016). Diese Brillengläser können sich selber fokussieren. http://www.trendsderzukunft. de/diese-brillenglaeser-koennen-sich-selber-fokussieren/2016/03/11/. Zugegriffen: 10. Juni 2016. VDMA. (2016). Produkt- und Markenschutz: Klon der Angst. http://www.hannovermesse.de/de/ news/klon-der-angst.xhtml. Zugegriffen: 25. Apr 2016. Voßhoff, A. (2015). Personenbezogene Daten sind das Öl der digitalen Gesellschaft. Doch wem gehören sie wirklich? http://www.cio.de/a/wem-gehoeren-meine-daten,3099053. Zugegriffen: 13. Juni 2016. Walport, M. (2014). The Internet of Things: making the most of the Second Digital Revolution (by the UK government's chief scientific adviser Sir Mark Walport). www.gov.uk/government/ uploads/system/uploads/attachment_data/file/389315/14-1230-internet-of-things-review.pdf. Zugegriffen: 15. Juni 2016. Wieselsberger, G. (2016). Hardware news: 5D-Speicher aus Quartz – 360 TByte pro Scheibe, überlebt 13,8 Milliarden Jahre. http://www.gamestar.de/hardware/news/3268084/5d_speicher_aus_ quartz.html?r=8647589151883961&lid=489511&pm_ln=16. Zugegriffen: 10 Juni 2016.

http://www.springer.com/978-3-658-15510-0