Naturschutz als Eckpfeiler einer guten fachlichen Praxis der Waldbewirtschaftung:

W. Scherzinger Naturschutz als Eckpfeiler einer „guten fachlichen Praxis“ der Waldbewirtschaftung: Segregation - Integration – oder Illusion? konven...
Author: Sabine Bach
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W. Scherzinger

Naturschutz als Eckpfeiler einer „guten fachlichen Praxis“ der Waldbewirtschaftung: Segregation - Integration – oder Illusion?

konventionelles Leitbild Forst: die ordnungsgemäße Bewirtschaftung sichert– automatisch – die Naturschutz-Funktion von Wäldern ( „Kielwasser-These“)

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traditionelles Leitbild Naturschutz: höchste ökologische Bewertung reifer Altbestände, denn die Klimax-Phase gilt als urewig-stabil, artenreich und besonders ästhetisch

Leitbild Wald-Ökologie: In Urwäldern ist nichts konstant – außer der Wandel. Ökosystemare Störungen bestimmen den Rhythmus zwischen Kontinuität und Zusammenbruch

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Grundlegend erweitertes Leitbild für „Naturschutz im Wald“: Dynamik des Naturgeschehens als Grundlage von Schutzkonzepten

Neu-Bewertung: Wald-Lebensgemeinschaft mit ihrer Artenausstattung = primäres Naturerbe Mitteleuropas, daher prioritärer Naturschutzauftrag

erweitertes Naturschutz-Ziel seit Rio, 1992: Biodiversität (Arten - Gesellschaften - Lebensräume)

3

Freif. Verj. Dickung (2%) 2% 10%

Schluß 5%

Optimalphase 20% Naturwald

Klimax

Plenterphase 33%

Zerfallsphase 22%

Zusam. Br. Freif. 8% 2%

Buntspecht Dreizehenspecht Weißrückenspecht Schwarzspecht Kleinspecht Hohltaube Rauhfußkauz Sperlingskauz Waldkauz Habicht Schreiadler Auerhuhn Haselhuhn Gartenrotschwanz Trauerschnäpper Baumpieper (Grauspecht)

Buntspecht Dreizehenspecht Schwarzspecht Grauspecht Grünspecht Kleinspecht Wendehals Waldkauz Habichtskauz Waldohreule Mäusebussard Wespenbussard Haselhuhn Auerhuhn Gartenrotschwanz Grauschnäpper Baumpieper Heidelerche

Wirschaftswald Schwarzsp Haselhuhn (Buntsp.) Buntspecht Birkhuhn Fitis Sperber Dreizehenspecht Habicht (Auerhuhn)Schwanzmeise Ziegenmelker Zwergschnäpper Zilpzalp Waldlaubsänger Heidelerche (Hohltaube) (Baumpieper) (Waldkauz)

Buntspecht Dreizehenspecht Weißrückenspecht Schwarzspecht Hohltaube Rauhfußkauz Habicht Trauerschnäpper Waldlaubsänger (Waldkauz) (Sperlingskauz) (Auerhuhn)

Buntspecht Dreizehenspecht Weißrückenspecht Schwarzspecht Hohltaube Rauhfußkauz Habicht Auerhuhn Waldkauz Sperlingskauz Trauerschnäpper Waldlaubsänger

„Urwälder“ können sehr unterschiedlich ausgeprägt sein – hinsichtlich Lebensraum-Potenzial und Artenausstattung. Im Vergleich einzelner Wald-Entwicklungsphasen: höchste Attraktivität in sehr alten und jungen Abschnitten (Beispiel Vögel im Bergmischwald, aus Scherzinger 1991); forstliche Umtriebszeit lässt nur Bruchteile des natürlichen Entwicklungspotenzials zu.

Beispiel: Reife- und Altersphase

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Altersmerkmale: * Kronendach-Rauigkeit * Borken-Rauigkeit * Uraltbäume (hohe Altersklassen, massereiche Stämme, überragende Wipfel, starke BH-Durchmesser)

* Epiphyten (Flechten, Moose, Farne) * Sonderstrukturen (Risse, Höhlen, Bruchstellen mächtige, breitastige Kronen, Zwiesel-Stämme) * Kronenbruch, „Baum-Ruinen“, Stammstümpfe * Totholz (stehend, liegend, unterschiedlicher Dimensionierung)

(aus Moning et al. 2009)

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Gefährdete und schutzbedürftige Waldvögel Mittel-Europas (nach Brutplätzen gereiht) Baumhöhlen Nicht-Singvögel 38 Arten (20 Wald-gebunden)

Singvögel 19 Arten (14 Wald-gebunden)

Äste, Baumkronen

Boden, Fels

Gänsesäger Zwergohreule Wendehals Raufußkauz Sperlingskauz Habichtskauz Schwarzspecht Grauspecht Dreizehenspecht Weißrückenspecht Mittelspecht Kleinspecht Blauracke Hohltaube

Waldwasserläufer Kormoran Graureiher Kaiseradler Steinadler Seeadler Fischadler Schwarzmilan Sakerfalke Wanderfalke Baumfalke Schwarzstorch Habicht Zwergadler Schreiadler Rotmilan Wespenbussard

Uhu Ziegenmelker Kranich Birkhuhn Haselhuhn Auerhuhn Waldschnepfe

Gartenbaumläufer Gartenrotschwanz Dohle Tannenmeise Halsbandschnäpper Trauerschnäpper Zwergschnäpper Waldbaumläufer

Sprosser Wintergoldhähnchen Sommergoldhähnchen Ringdrossel Fichtenkreuzschnabel Gimpel Zitronenzeisig Tannenhäher

Wasseramsel Baumpieper Heidelerche

Hoher Bedarf an Höhlen, Spalten, Rissen, breitastigen Baumkronen sowie Sonderstrukturen (Stelzwurzeln, Astausbrüche, Efeu- oder Hopfenranken als Nistplatz waldbewohnender Vogelarten

Phänomen Wald-Innen-Klima (relativ konstante Feuchtigkeit und Lufttemperatur infolge großflächiger Abschattung)

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Bedeutung hoher Langzeit-Konstanz im „Klimax-Wald“ (z. B. ungestörter Waldboden)

…doch „Bäume wachsen nicht in den Himmel“

Endogene Störungen: Alterung, Nährstoffverbrauch, Verlust der Abwehrkräfte (gegen Pilze, Insektenbefall, Trocknis, Sturm etc.)

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Baumsturz-Lücke (tree fall gap) infolge endogener und/oder exogener Störungen : Lichtschacht, Innere Waldränder; Sonderstrukturen (aufgekippte Wurzelteller, Lagerholz) Totholz – Moderholz

Entfaltung bedeutender Kurzzeit-Habitate im Wald-Lücken-System (hohe Produktivität, hohes Deckungsangebot, hohe Diversität durch Innere Waldränder [bzw. Randlinien und Ökotone]). Ein meist verkannter Mosaikstein zur Sicherung der Biodiversität von Wäldern (aus Moning et al. 2009)

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Schlagartige Änderung der Lebensbedingungen durch exogene Störung: Wald-Außen-Klima auf baumfreier „Katastrophenfläche“ (z. B. Lawinenschneise)

im fichtenreichen Bergwald gilt Sturmwurf als häufigste „Störung“

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Waldbrand (z. B. infolge Blitzschlag) ist speziell für trockene Kiefernwälder typisch

kurze Zeit prägen Hochstauden, Beerensträucher und Pionierbaumarten die Störungsfläche

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maximal

Vielfalt möglicher Waldentwicklungs-Zyklen, je nach Standort, Qualität und Intensität der Störung (nach Zukrigl)

n Dy

ik am

mittel

bestmögliche Sicherung des Naturerbes

minimal

Be wa h

Konstanz

Störung

re n

Katastrophe

Störung kann sowohl Bereicherung als auch Verlust an Arten bewirken

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Neubewertung von Totholz: vielseitige Lebensgrundlage - nicht Abfall

Totholz

Kronenteil Dürr-Ständer Wipfelbruch Bruchstamm Baumstumpf Lagerholz Wurzelteller

absterbend frisch tot getrocknet anbrüchig mürb verpilzt morsch Moder Mulm durchfeuchtet

Breite Palette der Lebensraumqualitäten für xylobionte Organismen:

Totholz = Holz toter Bäume

• Baumart (Nadel- oder Laubholz) • Stammdurchmesser (Äste, Stangen oder Altbäume) • Jahrring-Dichte (rasch- oder langsam-wüchsig) • besonnt – beschattet • trocken – feucht • nach Verrottungs-Stadium (dürr – brüchig – morsch) • nach Pilzbefall (Mycel, Konsolen) • nach Dauer der Milieu-Konstanz (Larvenentwicklung)

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Artengruppe (Schmidt 2006)

Artenzahl in Wäldern Deutschld

Pilze Flechten Moose

5.000 448 500

2.500 148 110

Mollusken Schwebfliegen Käfer Wanzen Nachtschmett.

davon Totholznutzende Arten

170

130

380 4.620 340 1.945

77 1.377 20 139

133

44

60

28

Vögel Säugetiere

Wie viel Totholz ist genug ? Anteil in Prozent der Gesamt-Holzmasse * 3-5% (Baumstümpfe, Kronen- u. Astholz) * 15% (auch Starkholz, Lagerholz) * bis 30% (Leitbild Urwald)

Nekromasse in m3/ha

Differenzierung nach Qualität

* wirtschaftlich tolerabel

* Risiko-Abschätzung

* Schwellenwerte für Besiedlung durch Xylobionte: 3 >15-20m /ha (relevant für Spechte) >40m3/ha (relevant für spezialisierte Totholzkäfer)

* Bedeutung für Biodiversität: Nadelholz oder Laubholz Totholz stehend oder liegend Totholz besonnt u.trocken, schattig u. feucht Schwach- oder Starkholz Totholz mit Borke oder entrindet Totholz verpilzt Moderholz, Mulm

Kalkulations-Ansätze zu Mindestmengen

Verteilungs-Muster von Totholz tote Einzelbäume Horste toter Bäume Totholz-patches feinkörniges Mosaik grob-gerastertes Mosaik Totholz großflächig Totholz landschaftsweit

(aus Moning et al. 2009)

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2000

1986-1989 $

Rachel

$

Rachel

P

$

Lusen Neuhütte

Guglöd

$

Lusen

Waldhäuser

Neuhütte

Guglöd

Altschönau

Altschönau

Grenze zwischen Randbereich und Naturzone Entwicklung der Totholzflächen 1988-1989 Enklaven Rachel-Lusen-Gebiet Erweiterungsgebiete 1000

Grenze zwischen Randbereich und Naturzone Entwicklung der Totholzflächen bis 2000 Enklaven Rachel-Lusen-Gebiet Erweiterungsgebiete

Glashütte

2000 Meter

0

1000

Glashütte

2000 Meter

Je mehr Totholz - desto besser ?

Bestandsentwicklung der Spechte im Frühlings-Halbjahr, 1989 - 2000

14

12

10

Individuen

0

Waldhäuser

8

6

4

2

0 1989

1990

1991

1992

1993

1994 Jahre

Grauspecht Schwarzspecht

1995

1996

Buntspecht Dreizehenspecht Schwarzspecht Kleinspecht Weißrückenspecht Grauspecht 1997

Weißrückenspecht Dreizehenspecht

1998

1999

2000

Kleinspecht Buntspecht

Totholz – stets nur ein Faktor im Habitatgefüge: In ausgedehnten Totholz-Flächen kann es z. B. an Deckung mangeln. Die höchste Attraktivität für Spechte erzielt das Totholz-Angebot bei mosaik-artiger Einbettung in vitalen Baumbestand.

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9 Spechtarten in Mitteleuropa (machen Höhlenangebot unterschiedlicher Dimensionierung verfügbar)

30

Innendurchmesser in cm

25

20

15

10

5

0 0

50

Höhlenbauer

Flugloch

Kleinspecht

3,2cm

Dreizehenspecht

4,2 - 4,5

Blutspecht

3,5 - 5,0

Buntspecht

4,5 - 5,7

Weißrückenspecht

5,5

Grauspecht

5,7

Grünspecht

6,5

Schwarzspecht

8,5 x 13

100

150

in Höhlen brütende Vögel kleine Meisen Sperlingskauz

Gartenrotschwanz (Kleiber) (Meisen) Wendehals Feldsperling Star Fliegenschnäpper Sperlingskauz Kleiber Wendehals Meisen Gartenrotschwanz Star Fliegenschnäpper (Sperlingskauz) Kleiber Meisen Gartenrotschwanz Fliegenschnäpper (Sperlingskauz) Kleiber Wendehals Gartenrotschwanz Fliegenschnäpper Star Zwergohreule Gartenrotschwanz Wendehals Fliegenschnäpper Wiedehopf Star Rauhfußkauz Gartenrotschwanz Hohltaube Fliegenschnäpper Dohle (Kohlmeise) (Wiedehopf) (Tannenmeise) (Blaurake) (Kleiber) (Waldkauz) (Star) (Gänsesäger) (Sperlingskauz)

200

250

300

Folgenutzer Hummeln Haselmaus Wespen Waldmaus Hummeln Baumschläfer

Fledermäuse

Wespen Waldmaus Fledermäuse Hummeln (Gartenschläfer) Wespen Waldmaus Fledermäuse Hummeln Siebenschläfer (Gartenschläfer)

Wespen Waldmaus Fledermäuse Hummeln Siebenschläfer (Gartenschläfer) Wespen Waldmaus Fledermäuse Hummeln (Gartenschläfer)

Wespen Waldmaus Fledermäuse Hummeln (Siebenschläfer) (Gartenschläfer) Hornissen Eichhörnchen (Fledermäuse) Wespen Baummarder Hummeln (Steinmarder) (Siebenschläfer)

Spechte als „Schirmarten“ für Folgenutzer ihres Höhlenbaus

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(aus Moning et al. 2009)

Spechthöhlen

Risse, Klüfte, Fäulnis-Höhlen

Ansprüche an die Qualität von Wäldern zur Bewahrung des Naturerbes aus Sicht des Naturschutzes: • flächenhaft ungestörter Waldboden • Uralt-Bestände (Höhlen, Spalten, Risse, Bruchstellen) • Sonderstrukturen (Wurzelteller, Bruchstämme) • Totholz (liegend-stehend, trocken-feucht, schwach-stark) • Baumsturz-Lücken / Innere Waldränder • Störungsflächen / äußere Waldränder • vorwiegend standortsheimische Baumarten (z. B. Schwerpunkt Buchenwald-Gesellschaften) • keine harte Fragmentierung (z. B. durch Erschließung, Groß-Kahlschlag) • Schwerpunkt-Berücksichtigung der Arten des Wald-Innen-Klimas • diverses Flächenmosaik (z. B. durch kleine Nutzungseinheiten) • Erhalt eingesprengter Landschafts-Elemente (z. B. Gewässer, Moore, Felsen) • Störungsfreiheit während Winterruhe, Brut- und Aufzuchtszeiten

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Forstwirtschaft folgt ganz anderen Zielvorgaben: • Qualitätsholz in konstanter Menge (Nachhaltigkeit) • Stammholz nach Zielstärken • Brennholz (Heizkraftwerke), Industrieholz (Papier) • Hackschnitzel (Energieholz, Pressplatten) • Rindenmulch i. R. Großmaschinen-Einsatz infolge wachsenden Nutzungsdrucks und sinkendem Personalstand; Dominanz ökonomischer Waldfunktionen infolge „Privatisierung“

Lösungsansatz zur Sicherung des Naturerbes von Wäldern

1. „Segregation“ nach Nutz- und Schutzwald

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alpin

montan

collin

planar

Engadin

(Seenlandschaft)

(Sihlwald)

Hohe Tauern

Schweiz

Gesäuse

Kalkalpen

(Wiener Wald)

Thayatal

Donau-Auen

Neusiedlersee

Berchtesgaden

Hocharz

Harz

Bayerischer Wald

Sächssche Schweiz

Kellerwald / Edersee

Hainich

Eifel

Unteres Odertal

Müritz See

(Senne-Niederung)

Jasmund

Vorp. Boddenldandsch.

Niedersächsisches. WM

Hamburgisches WM

Landschafts-Typ Dünen / Salzböden Schilfzone Sumpf / Moor Auwiesen Auwald Laubmischwald Trocken-Steppen Eichenwald Nadelmischwald Kiefernwald Buchenwald Hochmoor Schluchtwald Tannen-Buchenwald Bergmischwald Fichten-Buchenwald Fichtenwald Lärchen-Zirbenwald Krummholz-Region Alpinmatten

Schleswig-Holst. WM

m Höhenstufe

Repräsentativität Mittel-Europäischer Waldgesellschaften in Nationalparks Deutschland Österreich

Flächenanteil nutzungsfreier Waldgebiete in Deutschland = ca´ 1,5% (Naturwaldreservate, Bannwälder, Nationalparks, Kernzone von Biosphärenreservaten)

Verbreitungsschwerpunkt ausgewählter Waldvogelarten Wald-Nutzungsgebiete

Vogelart

Wald-Schutzgebiete

Uhu Baumfalke Seeadler Wendehals Dreizehenspecht Schwarzstorch Habicht Waldschnepfe Kaiseradler Sperlingskauz Ziegenmelker Auerhuhn Steinadler Raufußkauz Birkhuhn Schwarzspecht Hohltaube Blauracke Grauspecht Mittelspecht (Kranich) Habichtskauz Weißrückenspecht (Schreiadler)

Bei der geringen Flächenausdehnung von Wald-Schutzgebieten sind maßgebliche Anteile der Wildtier-Populationen auf den wesentlich großflächigeren Wirtschaftswald angewiesen

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Lösungsansatz zur Sicherung des Naturerbes in Wäldern: 2. Integration von Naturschutz-relevanten Qualitätskriterien

Naturschutz auf ganzer Fläche!

konventionell: „ordnungsgemäße“ Forstwirtschaft • Erschließung • Waldbau • Holznutzung • soziale Waldfunktionen

ohne Ausbeutung bzw. Degradierung der Waldstandorte

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aktuell die „gute fachliche Praxis“

• kein Großkahlschlag • Keine Ganzbaum-Nutzung • Kein Dünger- und Pestizideinsatz • Keine Monokulturen aus gebietsfremden Gehölzen • Beschränkung bei Erschließung auf erforderliche Wegeichte • Schonung von Horst- und Höhlenbäumen • Zulassen von Totholz • Zulassen von Sukzession und Pionierstadien • keine Holzernte zur Brut- und Aufzuchtszeit der Wildtiere

(Standardisierung der Eingriffs-Kriterien nach Gutachten durch die EU)

In Progress die „naturnahe“ Forstwirtschaft • rel. kleinflächige Eingriffe (z. B. femelartig) • Aufforstung, doch Zulassen von Sukzession auf Teilflächen • Erhalt von einzelnen Uralt-Bäumen (Biotop-, Horst- und Höhlenbäume) • Mindestmengen an Totholz • Schwerpunkt bei standortgemäßen Baumarten (auch Fremdländer) In Nischenposition die „naturgemäße“ Waldwirtschaft • folgt dem Ideal des Dauerwaldes • i. R. durch Plenterung • Einzelstamm- und Gruppen-Fällung • Naturverjüngung, bevorzugt Schattbaumarten • Erhalt von einzelnen „Biotopbäumen“ • Mindestmengen an Totholz

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Nicht alles „Nutzbare“ muss auch genutzt werden! (weniger Ordnung = mehr Lebensraum)

ein wichtiges Experiment der „Prozess-Wald“ Projekt im Stadtwald von Lübeck: • extensive, nachhaltige Nutzung (jeweils unter Jahreszuwachs) • 10% nutzungsfreie Referenzfläche (als Vergleich und Leitbild) • Einzelstamm- und Gruppen-Fällung • Belassen von Mindestmenge an Totholz • Belassen von „Biotopbäumen“ • Belassen von wirtschaftlich unbedeutendem Holz

Naturschutz als „Wald-Funktion“

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Vergleich Habitat-prägender Strukturen eines nutzungsfreien Naturwaldes mit Äquivalenten in bewirtschafteten Wäldern

Zur Erreichung einer hohen Diversität an Lebensräumen bedarf es einer hohen Vielfalt an Konzepten Kein einziges Bewirtschaftungskonzept kann – für sich genommen – die große Bandbreite an Naturschutz-relevanten Qualitätskriterien abdecken!

nicht entweder – oder, sondern 3. Kombination durch bestmögliche Verzahnung von Schutz- und Nutzwald Wald In Schutzgebieten "Altholzinseln" Vertragsnaturschutz

natürliches Angebot

schwaches Totholz (Astholz, Stubben) Sonderstrukturen vereinzelt konstante Abteilungs-Größen im Flächen-Mosaik Baumarten-Zusammensetzung Standorts-tauglich Sicherung der Biotopeignung integrierbar gleichmäßige Durchforstung altersgleiche Bestände regelmäßige Aufforstung Jung-Bestände dominieren Freiflächen regelmäßig

"Dynamik" "Chaos" Langzeitkonstanz Moderholz Rannenverjüngung starkes Totholz liegend und stehend Wurzelteller, Bruchholz, Feuchtstellen Uralt-Bestände dominieren hoch variables Flächen-Mosaik Baumarten-Zusammensetzung Standorts-heimisch Biotopeignung zufällig Stammverteilung hochvariabel ungleichaltrige Bestände unregelmäßige Naturverjüngung

Holznutzung Nährstoffentzug kurze Umtriebszeit "Stabilität" "Nachhaltigkeit"

anthropogenes Angebot

Freiflächen selten, unvorhergesehen

Katastrophenflächen

Wirtschaftswald

Die Zukunft der Wald-Natur wird im Wirtschaftswald entschieden – nicht in Reservaten! (auf Grund größerer Waldfläche, besserer Vernetzung der Einzelflächen, Ausdehnung auch in produktive Tal- und Hanglagen)

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Nicht entweder – oder, sondern Stufen-Konzept 1.

Segregations- Naturschutz auf Schutzgebiete beschränkt Modell

2.

IntegrationsModell

Trennung in Schutz- und Nutzwald (Schwerpunkt nutzungsfreie Wald-Schutzgebiete)

Naturschutz als Waldfunktion

"gute fachliche Praxis" Kielwasser-Konzeption Vertrags-Naturschutz

(Bewirtschaftung im Rahmen „guter fachlicher Praxis“ + Abgeltung von Sonderleistungen im Forst durch Vertragsnaturschutz)

3.

Kombinations- Schutzgebiete Waldbestände mit Sonderfunktion Modell Wirtschaftsflächen mit unterschiedlichem Anforderungs-Niveau

Biotopgestaltung hoher Naturnähegrad Prozeßschutz "gute fachliche Praxis" Kielwasser-Konzeption Vertrags-Naturschutz

Zukunfts - orientiert

Vergangenheits - orientiert

(nutzungsfreie Waldschutzgebiete + Integration von Naturschutzleistungen im Forst + Sondergebiete mit spezifischen Naturschutzaufgaben)

Bewahren

des Naturerbes

Naturwald-Reservate Kernzone Biosphären-Reservat Nationalparks primäre Wildnis ursprüngliche Artenvielfalt

Bewahren

des Kulturerbes

bäuerliches Kulturland dörfliche Strukturen Alleen, Dorfbäume alte Nutz-Rassen heimische Artenvielfalt

Entwickeln

einer nachhaltigen Bewirtschaftung

Entwickeln

eines diversen HumanLebensraumes

ökonomisch: Biomasse, Energie Boden, Wasser, Luft ökologisch: Arten, Systeme, Prozesse sozial: Lebensqualität Arbeit, Einkommen

Optimierung der Vielfalt an Arten, Strukturen und Erlebnisqualität, integriert auf Wirtschaftsflächenund Siedlungslandschaft

Naturschutz-Konzepte traditionell auf Artenausstattung und Ästhetik der vorindustriell-bäuerlichen Kulturlandschaft ausgerichtet.

Neu Verantwortung für unser natürliches Erbe: Ökosysteme und Artenvielfalt primärer Standorte, wie z. B. Wälder aller Höhenstufen.

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Aber: die nachhaltige Sicherung des Naturerbes unserer Wälder - nur eine Illusion ? offene Fragen

Wie viel Nutzungsverzicht ist zu fordern bzw. akzeptabel ? Wer finanziert Ausgleichszahlungen für Vertragsnaturschutz ? Wie kann das Ziel eines 5%-Anteils an nicht genutzter Waldfläche realisiert werden ?

offene Fragen

Wie kann Verkehrs- und Arbeitssicherheit - trotz Totholz und Lagerholz gewährleistet werden ?

offene Fragen

Wieweit ist Integration von anspruchsvollen Xylobionten in einem bewirtschafteten Wald möglich ? Wie können „Biotopbäume“ und Altholz-Inseln (auch für wenig mobile Totholzkäfer) räumlich-funktional vernetzt werden ?

offene Fragen

Was bleibt vom Naturerbe der Wälder unter den Folgen des Klimawandels ? Werden hohe Altersklassen auch in Zukunft bei den Hauptbaumarten noch erreicht ? Wie können Arten des Innen-Wald-Klimas bei zunehmender StörungsHäufigkeit (Sturmwurf, Insekten-Kalamität) überleben ? Kann die überlieferte Artenausstattung mit dem wachsenden Anteil an fremdländischen Baumarten zurecht kommen ? Wird es zu flächenhaftem Waldverlust infolge Dürre, Hochwasser, Erosion etc. kommen ?

Neu: „Mut zur Wildnis“ (Prozessschutz ohne Zielvorgabe, inklusive Rückkehr der „wilden“ Tiere)

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Bewahren

des Kulturerbes

bäuerliches Kulturland dörfliche Strukturen Alleen, Dorfbäume alte Nutz-Rassen heimische Artenvielfalt

Entwickeln

einer nachhaltigen Bewirtschaftung

Entwickeln

eines diversen HumanLebensraumes

Vergangenheits - orientiert

des Naturerbes

ökonomisch: Biomasse, Energie Boden, Wasser, Luft ökologisch: Arten, Systeme, Prozesse sozial: Lebensqualität Arbeit, Einkommen

Optimierung der Vielfalt an Arten, Strukturen und Erlebnisqualität, integriert auf Wirtschaftsflächenund Siedlungslandschaft

Leitbild „Natur Natur sein lassen“

Zukunfts - orientiert

Vergangenheits - orientiert Zukunfts - orientiert

Bewahren

Naturwald-Reservate Kernzone Biosphären-Reservat Nationalparks primäre Wildnis ursprüngliche Artenvielfalt

Bewahren

des Naturerbes

Naturwald-Reservate Kernzone Biosphären-Reservat Nationalparks primäre Wildnis ursprüngliche Artenvielfalt

Bewahren

des Kulturerbes

bäuerliches Kulturland dörfliche Strukturen Alleen, Dorfbäume alte Nutz-Rassen heimische Artenvielfalt

Entwickeln

einer nachhaltigen Bewirtschaftung

Entwickeln

eines diversen HumanLebensraumes

Entwickeln

• erlaubt primärer – sekundärer – und tertiärer „Wildnis“ neue Entwicklungs-Chancen • eröffnet Möglichkeiten zur LangzeitBeobachtung autogener Prozesse der „Selbstorganisation“

Entwickeln

ökonomisch: Biomasse, Energie Boden, Wasser, Luft ökologisch: Arten, Systeme, Prozesse sozial: Lebensqualität Arbeit, Einkommen

Optimierung der Vielfalt an Arten, Strukturen und Erlebnisqualität, integriert auf Wirtschaftsflächenund Siedlungslandschaft

Naturwald-Reservate Kernzone Biosphären-Reservat naturnaher Wildnis sekundäre Wildnis Entwicklungs-Nationalparks Renaturierung Artenausstattung und Standortqualität

"neuer" Wildnis

Truppenübungsgebiete Tagebau-Folgelandschaft tertiäre Wildnis Agrarbrache Industriebrache Weidelandschaft

• bietet neue Erlebnisräume im „wilden Wald“

Verantwortung für das Naturerbe unserer Wälder resultiert in der Verpflichtung zur Kooperation von Forstwirtschaft und Naturschutz, denn Naturschutz muss auf ganzer Fläche als Wald-Funktion festgeschrieben werden

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Wechsel von Hoch- und Niedrigwasser – maßgeblicher Pulsschlag der Auen

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Paradigmen-Wechsel im Naturschutz

Naturschutz = Stabilisieren

Festhalten erwünschter Natur = Ordnung Zustände Gleichgewicht durch Abwehr von Veränderungen Selbstregulation

"hands on" Pflegekonzepte Kontrolle Regulation

Bewahren, Erhalten Sichern Abschirmen

Determinismus: Ökosysteme streben nach maximaler Stabilität hohe Prognosensicherheit

nachhaltige Nutzung

Nachhaltigkeit von Produktion und Funktion

Störungen werden durch Selbstheilungskräfte zielgerichtet überwunden

Prozessschutz Zulassen naturgegebener Abläufe "alles ist im Fluss"

Natur = Wandel breites Entwicklungs-Potential "die Zukunft ist offen" keine Prognosensicherheit

Verwildern Wildwuchs "Wildnis"

"Nichtstun"

mutualistische Selbstorganisation

"hands off"

"Urwald von Morgen"

Statik-Ansatz

traditionell: Störungen vermeiden Störungsfolgen raschest möglich überwinden

Naturschutz = Entwicklungen Dynamik-Ansatz schützen

Störungen als Teil des Naturgeschehens akzeptieren Störungsfolgen als Bereicherung an Strukturen und Standorten begreifen

Störereignisse sind der Motor natürlicher Dynamik

Erweiterung des Instrumentariums um Prozess-Schutz und Wildnis-Entwicklung

Merkmal Totholz stehend Totholz liegend Baumteile morsch/tot Großhöhlen Altersstaffelung Kronendach-Rauhigkeit Lagerholz anbrüchig Lagerholz morsch Lagerholz modrig Pilze auf Totholz Risse, Faulhöhlen Bruchstellen Krone grobastig Uraltbäume Borken-Rauhigkeit Wuchsformen skurill Epiphyten Kletter-Schlingpflanzen Stämme massereich Spechthöhlen

Ressource

Substrat

Struktur

Faunistisch relevante Naturwald-Merkmale

Katastrophenflächen junge Sukzession Verjüngungshorste Wurzelteller

27

Lebensraum-bestimmende Strukturmerkmale natürlicher Uralt-Wälder

Phasen langfristiger Waldentwicklung (Beispiele aus Leibundgut 1981)

Es gibt keine Schluss-Phase, denn die Entwicklungs-Dynamik kennt keinen Stillstand

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exogene Störungen biotisch abiotisch

endogene

Freifläche

Sukzession

Verjüngung

Dickung

Schluß

Optimalphase

Plenter-

"Klimax"

Zerfalls-

Phase

Zusammen- Freifläche

Phase

bruch

Verjüngung

Schnee Feuer Sturm Wasser Insekten Biber Großherbivore Pilze

abiotische und biotische Störungen können in jeder Entwicklungsphase – exogen – einwirken;

dabei, je nach Fläche – Zeit – Intensität des Ereignisses: • das Ökosystem auf eine frühere Entwicklungsstufe zurückwerfen, • das Lebensraumpotential erheblich erweitern oder • die Entfaltung völlig neuer Systeme begründen

Insekten

Großherbivore

Pilze

Biber

Sturm

biotisch

Feuer

Hochwasser

Lawinen

Waldtyp

Bergrutsch

abiotisch

Störung

subalpiner Nadelwald borealer Nadelwald trockener Kiefernwald Auenwald Tiefland Nadelwald Bergmischwald Buchenwald colliner Laubmischwald

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Störungsbedingte Entfaltung eines vielseitigen Flächen-Mosaiks (patchiness) infolge de-synchroner und phasenverschobener Zyklen auf der Einzelfläche

(nach Remmert 1991)

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