Myokardinfarkt und instabile Angina Pectoris

CME Weiterbildung • Zertifizierte Fortbildung Internist 2007 · 48:399–412 DOI 10.1007/s00108-007-1802-4 Online publiziert: 1. März 2007 © Springer Med...
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CME Weiterbildung • Zertifizierte Fortbildung Internist 2007 · 48:399–412 DOI 10.1007/s00108-007-1802-4 Online publiziert: 1. März 2007 © Springer Medizin Verlag 2007 Rubrikherausgeber

H. Lehnert, Coventry/England E. Märker-Hermann, Wiesbaden J. Meyer, Mainz J. Mössner, Leipzig (Schriftleitung) A. Neubauer, Marburg

M. Weber · C. Hamm Abteilung für Kardiologie, Kerckhoff-Klinik, Bad Nauheim

Myokardinfarkt und instabile Angina Pectoris Zusammenfassung

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Unter dem Oberbegriff akutes Koronarsyndrom werden der ST-Hebungs-Myokardinfarkt, der Myokardinfarkt ohne ST-Hebungen und die instabile Angina Pectoris zusammengefasst. Charakterisiert wird das akute Koronarsyndrom durch den plötzlich einsetzenden Thoraxschmerz. In der Diagnostik kommt dem EKG und der Bestimmung von kardialen Markern zentrale Bedeutung zu. Eine umgehende invasive Diagnostik und interventionelle Therapie gilt beim ST-HebungsInfarkt als Therapie der ersten Wahl. Bei Patienten ohne ST-Hebungen sollte die Therapie risikoadaptiert durchgeführt werden. Während bei Patienten mit hohem Risiko (erhöhte Troponinwerte, klinische, hämodynamische oder rhythmische Instabilität, ST-Strecken-Senkungen im Ruhe-EKG, Diabetes mellitus) eine frühinvasive Therapie mit Angiographie inerhalb von 48 bis 72 Stunden indiziert ist, sollten Patienten mit niedrigem Risiko konservativ behandelt werden. Bei allen Patienten, bei denen eine interventionelle Therapie durchgeführt wird, ist in der Akutphase eine aggressive antiaggregatorische Therapie mit Acetylsalicylsäure, Clopidogrel, Heparin und einem Glykoprotein-IIb/IIIa-Hemmer indiziert. Für die Dauertherapie ist die Behandlung der kardiovaskulären Risikofaktoren besonders wichtig.

Schlüsselwörter Akutes Koronarsyndrom · ST-Hebungs-Infarkt · Infarkt ohne ST-Hebungen · Instabile Angina Pectoris

Myocardial infarct and unstable angina pectoris. Diagnostics and therapy Abstract Acute coronary syndromes include ST-elevation and non-ST elevation myocardial infarction, and unstable angina pectoris. These are characterised by the acute onset of chest pain. For the diagnostic work up in the acute phase, ECG and the assessment of cardiac markers play a central role. For patients with ST-elevation, primary interventional therapy is the first choice. For patients with an acute coronary syndrome without ST-elevation, a risk adapted therapeutic strategy should be chosen. High risk patients (elevated troponins, clinical, rhythmological and hemodynamic instability, ST-depression and diabetes mellitus) should be treated by an early invasive approach with angiography performed within 48–72 h. Low risk patients should be treated conservatively. For all patients who are treated interventionally, the administration of an aggressive antiaggregatory therapy including aspirin, clopidogrel, glycoprotein IIb/IIIa inhibitors and heparin is indicated in the acute phase. In the chronic phase, the treatment of cardiovascular risk factors is of paramount importance.

Keywords Acute coronary syndrome · ST-elevation myocardial infarction · Non-ST-elevation myocardial infarction · Unstable angina pectoris

Der Internist 4 · 2007

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Die koronare Herzkrankheit (KHK) ist eine der häufigsten Erkrankungen der westlichen Welt und rangiert in der Todesursachenstatistik an 1. Stelle. Klinisch manifestiert sie sich als chronische, stabile Verlaufsform mit belastungsabhängiger Angina Pectoris oder als akute Verlaufsform, dem akuten Koronarsyndrom. Dieses ist durch akut auftretende thorakale Schmerzen charakterisiert. Unter dem Oberbegriff „akutes Koronarsyndrom“ werden die instabile Angina Pectoris (IAP), der Myokardinfarkt ohne ST-Hebungen (NSTEMI) und der ST-Hebungs-Infarkt (STEMI) zusammengefasst (. Tab. 1). Da es sich bei dem akuten Koronarsyndrom um ein häufig auftretendes und lebensbedrohliches Krankheitsbild handelt, kommt der raschen Diagnostik, Risikostratifizierung und Therapieentscheidung eine besondere Bedeutung zu.

Epidemiologie

Die 30-Tages-Todesrate beim akuten Koronarsyndrom liegt relativ hoch

Die koronare Herzkrankheit und der Myokardinfarkt stellen die Haupttodesursachen in den Industrienationen dar. Die Inzidenz beträgt in Deutschland etwa 300 Infarkte pro Jahr und pro 100.000 Einwohner, sodass etwa 250.000 Menschen jährlich einen Myokardinfarkt erleiden. Im Jahr 2004 sind nahezu 62.000 Menschen an den Folgen eines akuten Infarktes und etwa 84.000 Menschen im Rahmen einer chronisch-ischämischen Herzkrankheit verstorben. Damit lagen die chronisch-ischämische Herzkrankheit an 1. und der akute Herzinfarkt an 2. Stelle der Todesursachen in Deutschland im Jahr 2004 ([1]; . Tab. 2). Nach den aktuellen Daten des Euro Heart Survey ist die 30-Tages-Todesrate bei Patienten mit akutem Koronarsyndrom zwar innerhalb der letzten Jahre von 6,2 auf 5,1% gesunken, liegt aber dennoch relativ hoch ([2];. Abb. 1).

Pathophysiologie Es wird zwischen einer vulnerablen und einer stabilen Plaque unterschieden

Das pathologische Korrelat der koronaren Herzkrankheit stellt die atherosklerotische Plaque dar, die sich meist als Folge einer initialen Endothelläsion bildet. Generell kann zwischen einer vulnerablen und einer stabilen Plaque unterschieden werden. Charakteristisch für eine vulnerable Plaque Tab. 1

Definitionen

Myokardinfarkt

Nicht-ST-Hebungs-Infarkt (NSTEMI) ST-Hebungs-Infarkt (STEMI) Instabile Angina Pectoris

Akutes Koronarsyndrom ohne ST-Hebungen (NSTE-ACS)

Tab. 2

Sterbefälle nach den 10 häufigsten Todesursachen 2004. (Nach [1])

ICD-10 Pos.-Nr. I25 I21 I50 C34 l64 C18 J44 J18 C50 E14

400 |

Der Internist 4 · 2007

Erhöhung kardialer Nekrosemarker (Troponin, CK MB) in Zusammenhang mit typischer klinischer Symptomatik, entsprechenden EKG-Veränderungen oder angiographischem Befund Myokardinfarkt entsprechend der o. g. Definition, aber keine ST-Strecken-Hebungen im Ruhe-EKG (12-Kanal) Myokardinfarkt entsprechend der o. g. Definition mit typischen ST-Strecken-Hebungen im Ruhe-EKG (12-Kanal) Angina Pectoris in Ruhe innerhalb der letzten 48 h oder neu aufgetretene Angina Pectoris bzw. deutliche Verschlechterung einer stabilen Angina Pectoris mit Beschwerden bereits bei leichtester Belastung Subsumiert den Myokardinfarkt ohne ST-Strecken-Hebungen (NSTEMI) und die instabile Angina Pectoris (IAP)

Todesursache Chronische ischämische Herzkrankheit Akuter Myokardinfarkt Herzinsuffizienz Bösartige Neubildung der Bronchien und der Lunge Schlaganfall, nicht als Blutung oder Infarkt bezeichnet Bösartige Neubildung des Dickdarmes Sonstige chronische obstruktive Lungenkrankheit Pneumonie, Erreger nicht näher bezeichnet Bösartige Neubildung der Brustdrüse (Mamma) Nicht näher bezeichneter Diabetes mellitus

Anzahl 84.163 61.736 48.184 39.798 32.241 19.420 19.390 18.395 17.768 15.952

Anteil in % 10,3 7,5 5,9 4,9 3,9 2,4 2,4 2,2 2,2 1,9

CME 10 9

ACS-I (2000–2001) ACS-II (2004)

8,4

30-Tages Mortallität (%)

8 7

6,4

6,2

6 5,1 5 4

3,6

3,4

3 2 1 0

STEMI

Non STE ACS

Alle ACS

Abb. 1 8 30-Tages-Letalität entsprechend des Euro Heart Survey Akutes Koronarsyndrom I (2000–2001) und II (2004; [2]) Abb. 3 8 Ruptur einer vulnerablen Plaque mit Thrombusbildung und distaler Embolisation thrombotischen Materials

Normale Koronararterie

Abb. 2 7 Verlaufsformen der koronaren Herzkrankheit. Während die Lumeneinengung einer stabilen Plaque die Behinderung des koronaren Blutflusses mit konsekutiver Myokardischämie und stabiler, belastungsabhängiger Angina Pectoris nach sich zieht, kommt es beim akuten Koronarsyndrom zur Ruptur einer vulnerablen Plaque mit Thrombusbildung und thrombotischem Verschluss oder distaler Embolisation

sind eine dünne fibröse Kappe, ein lipidreicher Kern und inflammatorische Zellen. Bei der chronischen koronaren Herzkrankheit mit stabiler Angina-Pectoris-Symptomatik führt die Lumeneinengung durch eine stabile Plaque zur Behinderung des Blutflusses und somit zu einer reversiblen Myokardischämie. Im Gegensatz dazu kommt es beim akuten Koronarsyndrom zur Ruptur oder Erosion einer vulnerablen Plaque mit Thrombusbildung (. Abb. 2 u. . Abb. 3). Dieser Thrombus kann zum kompletten Gefäßverschluss führen, was die Ursache für einen 7 ST-Hebungs-Infarkt ist. Es kann aber auch zur Embolisation thrombotischen Materials in die peripheren Koronararterien kommen. Dies ist meist der Mechanismus , der der instabilen Angina Pectoris und dem Myokardinfart ohne ST-Strecken-Hebung zu Grunde liegt. Als Folge der endogenen Fibrinolyse ist auch ein Wechselspiel zwischen Okklusion und partieller Wiedereröffnung des Gefäßes mit fluktuierendem klinischem Verlauf möglich [3].

Stabile KHK

Akutes Kornarsyndrom

Beim akuten Koronarsyndrom kommt es zur Ruptur oder Erosion einer vulnerablen Plaque mit Thrombusbildung 7 ST-Hebungs-Infarkt

Der Internist 4 · 2007

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Leitsymptom

Brustschmerz

ArbeitsDiagnose

Akutes Koronarsyndrom

EKG

Labor

Endgültige Diagnose

ST - Hebung

CK - MB 

STEMI

ohne ST - Hebung

Troponin 

NSTEMI

Troponin neg

Instabile Angina

Abb. 4 9 Diagnostik des akuten Koronarsyndroms [7, 8]

Klinik und Diagnostik

7 Thorakale Schmerzsymptomatik 7 „Stumme Ischämie“

Der ST-Strecken-Hebungs-Infarkt kann vom akuten Koronarsyndrom ohne ST-Strecken-Hebung abgrenzt werden

Die Diagnose des akuten ST-Hebungs-Infarktes sollte präklinisch gestellt werden

7 Biomarker 7 Routinediagnostik

7 C-reaktives Protein 7 Natriuretische Peptide

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Der Internist 4 · 2007

Das Kardinalsymptom der akuten Koronarsyndrome ist der plötzliche, aus der Ruhe heraus auftretende Brustschmerz. Meist ist diese akute Schmerzsymptomatik von vegetativen Symptomen wie Kaltschweißigkeit, Blässe oder Hypotonie begleitet. Die typische 7 thorakale Schmerzsymptomatik kann jedoch auch gänzlich fehlen, oder es kommt zu uncharakteristischen Beschwerden, die dann häufig die Diagnose erschweren. An eine solche 7 „stumme Ischämie“ muss insbesondere bei Diabetikern gedacht werden. Die wichtigste Untersuchung bei Patienten mit Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom ist das Ruhe-EKG. Bei Vorliegen von ST-Strecken-Hebungen von mindestens 2 mV in den Ableitungen V1–V3 oder von mehr als 1 mV in den übrigen Ableitungen kann der ST-Strecken-Hebungs-Infarkt („ST-elevation myocardial infarction“, STEMI) von dem akuten Koronarsyndrom ohne ST-StreckenHebung (NSTE-ACS) abgrenzt werden. Dies erlaubt bereits innerhalb kürzester Zeit eine diagnostische und therapeutische Entscheidung. Da sich ein Ruhe-EKG mit einfachen Mitteln und geringem Zeitaufwand anfertigen lässt, sollte bereits im Rahmen der präklinischen Versorgung des Patienten durch den Hausarzt oder den Notarzt ein 12-Kanal-EKG geschrieben werden. Insbesondere die Diagnose des akuten ST-Hebungs-Infarktes sollte präklinisch gestellt werden, da dadurch bereits frühzeitig die Weichen für eine adäquate Behandlung gestellt werden können. Das EKG erlaubt jedoch nicht nur die Diagnostik des STEMI, sondern es lassen sich auch weitere wichtige Befunde erheben. So sind horizontale ST-Strecken-Senkungen ein Hinweis auf eine bedeutsame Myokardischämie. Im Gegensatz dazu sind Veränderungen der T-Wellen-Morphologie als unspezifisch anzusehen und nicht hinweisend auf eine Myokardischämie. Auch Herzrhythmusstörungen, insbesondere anhaltende und nichtanhaltende ventrikuläre Tachykardien, die in Folge einer myokardialen Ischämie auftreten, können erkannt werden. Für die weitere Diagnostik und Risikostratifizierung von Patienten mit klinischen Zeichen eines akuten Koronarsyndroms kommt der Bestimmung laborchemischer 7 Biomarker eine zentrale Rolle zu. Die Marker der myokardialen Zellschädigung oder Nekrose, Kreatinkinase (CK), Kreatinkinase MB (CK MB) und kardiales Troponin (cTnT oder cTnI), gehören heute zur 7 Routinediagnostik (. Abb. 4). Entsprechend der Neudefinition des Myokardinfarktes (Konsensusreport) gilt die Diagnose Myokardinfarkt als gesichert, wenn es im Zusammenhang mit der typischen klinischen Symptomatik zu einem Anstieg der Troponinwerte oberhalb eines prädefinierten Grenzwertes kommt [4]. Die Höhe dieses Grenzwertes ist von den verwendeten Assays abhängig. Darüber hinaus muss gewährleistet sein, dass die Troponinwerte an dem jeweiligen Grenzwert mit hinreichender Präzision (CV

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