Masurenreise vom 5. bis 12. Mai 2007 Im Laufe der Jahre hat sich für die großen Reisen der WWFG ein fester Teilnehmerkreis herauskristallisiert, der immer wieder das großartige Reiseangebot wahrnimmt. Dazu stoßen dann mehr oder weniger neue Mitfahrer, die sich für das jeweilige Reiseziel interessieren. Natürlich gibt es auch einige, die aus verschiedenen Gründen absagen müssen. Das bedeutet, dass sich in der Regel eine sehr homogene Reisegruppe zusammenfindet, die sich gut kennt und versteht, die gemeinsame Ziele verfolgt und auch das geplante Programm gemeinsam trägt. Für die Masurenreise hatten sich 39 Teilnehmer angemeldet. Leider waren zwei von ihnen gezwungen, krankheitsbedingt abzusagen. Wie bereits im Jahr zuvor fuhr uns die Firma Rett-ler aus Winterberg mit dem bewährten Fahrer Frank Pilger. Sein Geschick, uns über die schmalsten und verzwicktesten polnischen Straßennetze sicher zu lotsen, war bewunderns-wert. Auch das Wetter zeigte sich für uns während der Fahrt meist von der guten Seite. 1. Tag, Samstag 5. Mai: Anreise Der für diesen Tag vorgesehene Fahrplan wurde mehr als eingehalten. Alle Fahrtteilnehmer hatten sich an den Sammelstellen rechtzeitig eingefunden, so dass wir von der letzten Zusteigstelle in Erndtebrück über die B 62 bis Alsfeld, die A 7 und A 2 via Hannover und Berlin, dann über die A 10 und A 11 bis Stettin zügig voran kamen. Das „Mittagessen“ nahmen wir an einer Raststätte ein. Frank hatte dazu Würstchen vorbereitet. Plötzlich stellten wir fest, dass zwei fremde Männer sich unter uns gemischt hatten und sich mit unseren Würstchen bedienten. Sie hatten wohl beobachtet, dass niemand bezahlen musste – schließlich führten wir im Bus eine Strichliste – und fanden das Angebot sehr verlockend. Zwei unserer beherzten Männer machten die Gauner auf dem Parkplatz dingfest und forderten sie zur nachträglichen Bezahlung auf. Das taten sie auch mit der Bemerkung, unsere Würstchen hätten viel besser geschmeckt als ihre eigenen. Im Novotel begrüßte uns Anna, unsere erste Reiseleiterin, wies uns in die Zimmer und Gepflogenheiten des Hotels ein und gab uns die Termine für den Abend und den nächsten Morgen bekannt. Wir hatten den Tagesplan so früh beendet, dass wir nach dem Abendessen noch einen ausgedehnten Spaziergang durch das schöne Stettin unternehmen konnten. 2. Tag, Sonntag 6. Mai: Stettin und Weiterfahrt nach Danzig Gleich nach dem reichhaltigen Frühstück begrüßte uns Anna um 8:30 Uhr zur Stadtrundfahrt, bzw. zum Spaziergang durch Stettin. Die Sonne strahlte vom Himmel, so dass wir mit den kurzen aber pointierten Informa-tionen von Anna über das Schloss der Herzöge von Sehenswürdigkeiten: im 2. Weltkrieg fast völlig zerstörte Schloss der Herzöge von Brandenburg wurde Brandenburg, die Peter und Paul Das erst in den 80er Jahren im Renaissancestil rekonstruiert. Im großen Schlosshof finden im Kirche, die Jakobikirche, das Sommer Konzerte statt. Ein Schlossflügel dient als Opernhaus. Peter-und-Paul-Kirche steht an der Stelle des ersten christlichen Gotteshauses der Königstor und das Berliner Tor und Die Stadt, in dem schon der Missionsbischof Otto von Bamberg 1124 die Messe feierte. vor allem die Hakenterrasse mit den Die Jakobikirche wurde von den stolzen Hansebürgern nach dem Vorbild der Lübecker errichtet. Die reich ausgestattete dreischiffige Hallenkirche wurde 1677 dort gelege-nen Museen und Schulen Marienkirche wie auch im 2. Weltkrieg stark zerstört. Sie ist heute Kathedrale des Erzbistums Stettineinen wunderbaren Vormittag erlebten. Camm. barocke Königstor an der nördlichen Begrenzung der Altstadt und das Berliner Auf halber Fahrtstrecke nach Danzig Das Tor am Hohenzollernplatz sind prächtige Schmuckbauten, die nie die Funktion von nahmen wir in einem Lust-schloss Stadttoren hatten. Hakenterrasse ist das bekannteste Bauensemble der Stadt. Die hoch über der Oder ähnlichen Hotel das Mittag-essen ein: Die gelegene Uferstraße entstand zwischen 1900 und 1914. Drei öffentliche Gemüsesuppe in einem gebackenen Monumentalbauten stehen hier: Die Seefahrthochschule, das ehemalige Museum der Stettin, in dem heute das Meeresmuseum untergebracht ist, und das Gebäude der Brot-Topf mit Deckel und als Stadt Regierung von Pommern, heute Sitz der Wojewodschaft Westpommern. Nachspeise Apfelkuchen. Auf der Fahrtstrecke durch Dörfer und größere Orte bis Danzig gab uns Anna immer wieder interessante Nachrichten über polnische Geschichte, Wirtschaft und Bevölkerung. Das Städt-chen Platen gefiel uns besonders gut, wohingegen in so manchem Dorf sehr heruntergekom-mene Häuser und Vorgärten zu sehen waren.

Überhaupt schienen uns die Städte und größeren Ortschaften in gepflegterem Zustand zu sein als die Dörfer. Jemand ließ sich etwas zu laut zu der Bemerkung „polnische Wirtschaft“ hinreißen. Das schien Anna zunächst etwas verletzt zu haben, was jedoch schnell wieder behoben werden konnte. Um 19.30 erreichten wir unsere Herberge für zwei Nächte, das Novotel Marina in Danzig. Die Belegung der Zimmer und das Abendessen nahmen so viel Zeit in Anspruch, dass wir in der einsetzenden Dunkelheit nur noch einen kurzen Spaziergang zum Ostseestrand unterneh-men konnten.

Die Reisegruppe vor dem Hotel in Danzig

Vor der längsten Seebrücke Europas in Zoppot

3. Tag, Montag 7. Mai: Danzig und Umgebung Heutige Startzeit war 9:00 Uhr in Richtung Zoppot. Ab heute übernahm Joanna die Reiselei-tung. Zwar begleitete uns Anna noch einmal, aber das lag wohl eher an der aufkeimenden Be-ziehung zu Frank Pilger. Von einem geeigneten Parkplatz aus marschierten wir zur längsten Seebrücke Europas. Dort trafen wir auf zwei (wohl angetrunkene) Männer, die mit ihrem Zollstock nachprüfen wollten, ob die Länge der Brücke mit 516,5 m richtig angegeben war. Von der Brücke aus hatte

man einen wunderschönen Blick auf die neubarocken Bauten des alten mondänen und beliebten Seebads Zoppot. Rückwärts gerichtet konnte der Blick über die weite Danziger Bucht schweifen. Danach setzten wir die „3-Städte-Tour“ fort und entdeckten die Geburtshäuser von Günther Grass und Klaus Kinsky, sowie die Wohnvilla des ehemaligen polnischen Staatspräsidenten Lech Walesa. Bedeutender und beeindruckender Stopp war die Kirche in Oliva, wo uns neben den großartigen Kunstschätzen auch ein viertelstündiges Orgelkonzert geboten wurde. Beein-druckend waren die beweglichen Figuren an der Orgel, die ihre Bewegungen der Musik ent-sprechend ausführten. Der gesamte Nachmittag stand uns zur Besichtigung Danzigs zur Verfügung. Joanna verstand es hervorragend, uns nicht nur die Baudenkmäler zu zeigen und die Geschichte der Stadt zu erläutern, sondern sie brachte uns auch die Bürger Danzigs mit Witz und Charme näher. Zum Beispiel steht das Rathaus in einer langen Häuserzeile, so dass man nur eine schlechte Fron-talsicht auf das Gebäude hat. Deshalb führte man die Straße in einem leichten Bogen, damit das Rathaus gleich beim Betreten des Langen Marktes gut sichtbar ist. Während der Stadtbesichtigung Danzigs stieß Werner Wommelsdorf mit seiner Mutter Thea zu unserer Gruppe. Sie begleiteten uns bis zum 4. Tag und verließen uns erst in Frauenburg. Werner hatte die Führungen durch die Marienburg und den Doms zu Frauenburg organisiert und damit unserer Reisegruppe eine Ersparnis von 200 € gegenüber den Agenturpreisen er-möglicht. Dafür sei ihm ganz herzlich gedankt. Werner Wommelsdorf ist mit Helmut dreifach über den Urgroßvater im Seibelsbach verwandt.

von links: Helmut, Thea, Gertrud und Werner Wom(m)elsdorf vor der Marienburg

Sehenswürdigkeiten Danzigs: Krantor: Es ist das Wahrzeichen der Stadt und sein Ursprung reicht in das 14. Jahrhundert zurück. In der heutigen Form geht das Kranhaus auf 1440 zurück. Die beiden bis zu 4 m dicken Ziegeltürme hatten zwei Funktionen: Sie sollten die Stadt im Verteidigungsfall vom Hafen her schützen und sie enthielten die technischen Voraussetzungen für das Heben von Lasten bis zu 4 Tonnen. In Höhe von 12 und 20 m war je ein Holzrad mit einem Durchmesser von 5 m angebracht, über die Hanfseile gespannt waren. Angetrieben wurden die Räder von Häftlingen, die in die Räder steigen mussten und sie mit ihrem Körpergewicht bewegten. Neben dem Be- und Entladen von Schiffen wurde die Hubeinrichtung häufig dazu benutzt, Masten in Schiffsneubauten einzusetzen. Das Grüne Tor ist mehr Schlossanlage als Tor. Es wurde für Staatsempfänge gebaut, aber nur einmal so benutzt. Es beherbergt heute das Büro des Ex-Präsidenten Lech Walesa. Marienkirche: Die dreischiffige Hallenkirche mit ebenfalls dreischiffigem Querhaus ist der größte Backsteindom der Welt. Die Bürgerschaft der aufstrebenden Stadt Danzigwollte im 14. Jahrhundert mit dem Kirchenbau bis an die Grenzen des technisch Machbaren gehen. Vor Einführung der Reformation waren in der Kirche bis zu 60 Priester tätig. Im 2. Weltkrieg Die Marienkirche in Zahlen: wurde die Marienkirche stark beschädigt. Sofort nach Kriegsende machte man sich an den Wiederaufbau, dessen Länge: 105 Meter erste Etappe bereits nach 10 Jahren beendet war. Breite: 66 Meter Artushof: In vielen Hansestädten entstanden im 14. Jahrhundert Artushöfe. Diese Häuser waren VersammlungsInnenhöhe: 30 Meter orte reicher Bürger, auch Patrizier. Hier traf man sich, trank Bier und schloss nebenbei Geschäfte ab. Das einHöhe der Türme: 82 Meter fache Volk hatte keinen Zutritt. Danzigs Artushof ist der einzige, der an der Ostseeküste noch erhalten ist. Nach Dachfläche: 1 Hektar dem Niedergang der Hanse wurde der Artushof als Halle für Krämer und als Getreidebörse genutzt. Die FranzoInnenraum: ½ Hektar sen richteten dort ein Lazarett ein. Sehenswert ist vor allem der „Rote Saal“, der eine prächtige Innenausstattung Fassungsvermögen: 25 000 Pers. beherbergt. Er stammt aus den Jahren 1593 bis 1608 und wurde mit erlesenen Kunstgegenständen bestückt. Fenster: 37 Frauengasse: Sie gehört zu den schönsten Straßen Danzigs und verläuft von der Marienkirche bis zum mittelalgrößtes Fenster: 127 m2 terlichen Frauentor an der Mottlau. Mit ihren schmalen und reich geschmückten Bürgerhäusern und den BeiGrundsteinlegung: 25.03.1343 schlägen ist sie ein Beispiel für die einstige Danziger Straßenbebauung. Bauzeit: 159 Jahre Rechtstädtisches Rathaus: Im Mittelpunkt der Rechtstadt steht der wichtigste Danziger Profanbau, das Rechtstädtische Rathaus. Erdgeschoss und das erste Obergeschoss wurden 1380 im gotischen Stil errichtet. Hundert Jahre später wurde das Rathaus um ein weiteres Geschoss aufgestockt und mit einem Turm versehen. Nach dem Brand von 1556 wurde es von Grund auf umgebaut, nunmehr im Stil der flämischen Renaissance. Schließlich entstand der 82 m hohe Turm mit einer Renaissancehaube, auf der der sog. „Goldene Kerl“ steht, eine Statue des polnischen Königs Sigismund II. August, der von 1548 bis 1572 regierte. Die prächtige Innenausstattung des Hauses führte dazu, dass man es oft mit dem Dogenpalast in Venedig verglich. Seit dem Abschluss der Wiederaufbauarbeiten dient das Rathaus seit 1970 als Museum. Unter anderem wird hier die Dauerausstellung gezeigt: „ Danzig – Zerstörung und Wiederaufbau“. Großes Zeughaus: Früher wurden dort Waffen gelagert, heute werden in dem Gebäude Waren verkauft. weitere Sehenswürdigkeiten: Langer Markt – Langgasse - Langgasser Tor – Neptunbrunnen - Große Mühle – Katharinenkirche - Altstädtisches Rathaus – Königliche Kapelle - Lange Brücke

Die meisten von uns aßen in der Nähe des Krantors zu Mittag und genossen dabei Piroggen, ein polnisches Nationalgericht.

Die Reisegruppe bei der Führung durch die Marienburg

4. Tag, Dienstag 8. Mai: Marienburg – Frauenburg – Nikolaiken

Die Weiterfahrt führte uns heute zur Marienburg, dem Hauptverwaltungssitz des Deutschen Ritterordens. Im 2. Weltkrieg Marienburg ist das weltweit größte Backsteinschloss. Ihre Befestigungsanlagen stark zerstört, ist die Burg heute Die erstrecken sich über eine Fläche von 20 Hektar. Bereits in den 70er Jahren des 13. Jhd. wieder weitgehend restauriert. begann der Deutsche Ritterorden mit dem Bau eines Kastells, das 1280 zum Sitz des wurde. 1309 forcierte der Orden den Ausbau der Burg. 1310 entstand das Die Führung durch die Konvents Mittelschloss und von 1382 bis 1399 der Palast des Hochmeisters. Im Mittelalter galt die verschiedenen Gebäude der Burg Burg als uneinnehmbar. Sie bestand aus drei Teilen: dem Konventsschloss, dem Hochschloss, war zwar informativ, leider -dem Mittelschloss mit dem Hochmeisterpalast, konnte man die Führerin aber nur der Vorburg, die sich am Ufer der Nogat erstreckte. einzelnen Festungsteile waren von Ringmauern umgeben, so dass sich jeder Teil schlecht verstehen. Im Übrigen Die selbständig verteidigen konnte. Tore und Durchgänge waren mit Fallgittern, Torzwingen, hob sie viel mehr auf die Wehrgängen, Pechnasen und Schießscharten gesichert. ging die Burg in polnischen Besitz über. Als der Orden die Söldnertruppen, die die Bernsteinausstellung ab, als dass 1457 Burg verteidigten, nicht mehr bezahlen konnte, nahmen sie kurzerhand die Ordensburg als sie uns über den Ritterorden und Pfand und verkauften sie an den polnischen König. In der Folgezeit war die Burg Sitz polnischer Ämter. Im 17. Jhd. wurde sie von den Schweden verwüstet 1772 ging die seine Bedeu-tung aufklärte. So hoher Burg in preußischen Besitz über und wurde sofort zur Kaserne umfunktioniert. 1817 mancher von uns hätte sich auch begann man mit Restaurierungsarbeiten. Nach dem 2. Weltkrieg wurde die stark mehr Informationen über einzelne beschädigte Marienburg von Polen wieder aufgebaut. Gebäudeteile und das Leben der Ritter darin gewünscht. Insgesamt war es jedoch ein großes Erlebnis, durch diese imposante Burganlage zu gehen. Bis zum Mittag hatten wir Frauenburg, den langjähri-gen Nikolaus Kopernikus wurde am 19.02.1473 in Thorn Sohn einer vornehmen Familie geboren und starb Wohn- und Arbeitsplatz von Nikolaus Kopernikus, als am 24.05.1543 in Frauenburg. Seit 1491 widmete sich erreicht. Dort nahmen wir als Mittagsmahlzeit das tradi- K. mathematischen, astronomischen und Studien an der Universität von Krakau. tionelle Knackwürstchen unseres Drei-Sterne-Kochs Frank humanistischen 1496 begann er sein Studium an der Rechtsschule der Pilger ein. Danach startete das Besichtigungspro-gramm. Universität von Bologna. Weitere Studien betrieb er an Universitäten in Padua und Ferrara, wo er 1503 Es war uns allen schleierhaft, wie eine so klei-ne Stadt den zum Doktor des Kirchenrechts promovierte. Danach einen solch monumentalen Dom errichten konnte. In seiner studierte er noch Medizin. wurde er Mitglied des Domkapitels zu Ausdehnung, Größe und Innenausstat-tung ist er wirklich 1497 Frauenburg. Seit 1506 führte er die Geschäfte seines überwältigend. Hinzu kam, dass der Führer sprachlich und Onkels, des Bischofs von Ermland, bis er 1512 nach übersiedelte. Dort versah K. hohe Ämter in methodisch sehr versiert war und uns mit Leichtigkeit alle Frauenburg der bischöflichen Verwaltung, der er ab 1523 als Informationen übermittelte. In keinem Reiseführer steht, Generaladministrator vorstand. großes Verdienst ist die Erkenntnis, dass die dass die Häuser in Frauen-burg durch unterirdische Gänge Sein Sonne im Mittelpunkt der Welt steht und die Planeten miteinander verbunden sind. So war die Verbannung von sich auf Kreisbahnen um sie drehen (heliozentrisches Bis dahin galt die Erde als im Mittelpunkt Kopernikus´ Lieb-schaft 800 m aus der Stadt durch den Weltbild). der Welt stehend. Bischof überhaupt kein Problem. Kopernikus konnte jederzeit „unterirdisch“ zu ihr gelangen. Am Abend kamen wir mit vielen neuen Eindrücken in Nikolaiken an. In dem riesigen Gebäudekomplex des Hotels Gotebiewski sollten wir dreimal über-nachten. Begrüßt wurden wir durch die Geschäftslei-tung mit einem Glas Rotwein. Dabei wurden wir mit der Sage des Stinthengstes bekannt gemacht, der auch das Stadtwappen ziert. Zur Erinnerung erhielt jeder einen Stierhengst als Abzeichen. Die nächste Überraschung wartete nicht lange: Auf den Zimmern floss kein Wasser. Im 6. Stockwerk hatte es einen Rohrbruch gegeben. Das hielt jedoch einen Reise-teilnehmer nicht davon ab, sich im Klo die Haare zu waschen; schließlich gab es im Spülkasten noch aus-reichend Wasservorrat. Für diese Misere wurden wir einerseits durch einen Preisnachlass entschädigt und andererseits durch die außerordentlich aufwändigen und reichhaltigen Frühstücks- und Abendbuffets. Das gesamte Ambiente dieses Hotels war hervorragend, so dass wir uns alle sehr wohl gefühlt haben. Frauenburg erhielt 1310 von Bischof Eberhard von Neisse Stadtrechte. Als nach dem 2. Weltkrieg die Einwohnerzahl dramatisch absank, wurden die Stadtrechte vorübergehend aberkannt. Heute hat Frauenburg 2700 Einwohner. An historischen Gebäuden ist in der Stadt wenig erhalten geblieben Nach den Verwüstungen des Krieges hat man sogar noch bis 1954 solche Bauten abgerissen, unter anderem das Rathaus. Bereits 1329 wurde auf dem Hügel oberhalb der Stadt mit dem Bau eines Doms begonnen. Die Bauarbeiten konnten 1388 weitgehend abgeschlossen werden. In den folgenden Jahrhunderten wurde der Dom immer wieder erweitert und umgebaut. Anlass für den Dombau war vor allem die Angst vor Überfällen der Pruzzen auf Frauenburg. Deshalb umgibt ihn auch eine Wehrmauer, in deren Nordwestecke ein Glockenturm steht. Er soll sich von 1504 bis 1543 im Besitz von Kopernikus befunden haben. In ihm soll das Arbeitszimmer gewesen sein, in dem Kopernikus seine astronomischen Erkenntnisse entwickelte.

Der sagenhafte Stinthengst Er ist der König der Fische. Sein Körper hat die Gestalt eines Fisches und ist mit silbernen Schuppen besetzt. Seinen Kopf ziert eine goldene Krone. Vor langer Zeit soll der Stinthengst Herrscher über die masurischen Seen gewesen sein. Die Fischer fürchteten ihn, denn er kippte mit Leichtigkeit die Fischerboote um und zerriss ihre Netze. Schließlich wagten sich die verängstigten Menschen nicht mehr auf das Wasser. Als daraufhin Hungersnöte ausbrachen, schmiedete ein beherzter Fischer ein eisernes Netz, warf es aus und fing damit den Stinthengst. Der konnte das eiserne Netz nicht zerreißen. Er bat darum, wieder freigelassen zu werden, und versprach den Fischern stets gefüllte Netze. Aber damit er nicht wieder sein Unwesen treiben konnte, schmiedete der Fischer den Stinthengst an einen Brückenpfeiler, wo er heute noch zu sehen ist.

5. Tag, Mittwoch 9. Mai: Wolfsschanze–Heilige Linde–Allenstein–Reiterhof Marengo Um 9:00 Uhr verließen wir das Hotel und brachen zur Wolfsschanze auf. Das regnerische Wetter passte so ganz zu diesem Zielpunkt. Tief im Wald versteckt erstreckt sich die Anlage. Die Stimmung war gedrückt beim Die Wolfsschanze ist eines von mehreren Führerhauptquartieren, die die Nazis über ganz Anblick der meterdicken Europa verstreut einrichteten. Am 23.06.1941 zog Hitler in die Wolfsschanze ein. Nach Beginn des Russlandfeldzuges wollte er möglichst nahe am Ort der Kriegshandlungen Betonmauern und –decken, die sein. Es sollen über 20 000 Ingenieure und Arbeiter am Bau der Anlage beteiligt gewesen zum Teil trotz der Wahnsinnssein. Aus Gründen der Geheimhaltung wurden die Arbeiter alle drei Monate ausgetauscht. nicht zerborsten Umgeben war die 10 Hektar große Anlage von einem Minenfeld und sprengladung Stacheldrahtverhauen, die nur an drei Stellen passierbar waren. Es gab drei Sperrkreise: In waren. Zuletzt bot ein Modell Sperrkreis I befanden sich die Bunker von Hitler, Keitel, Göring, Bormann, Jodl und Dr. einmal einen GesamtDietrich. Bunker gab es hier auch für das SS-Begleitkommando und das noch Heerespersonalamt. In Sperrkreis II waren die Verbindungsstellen von Luftwaffe und überblick und Eindruck der Marine, Luftschutzbunker und Offizierskasinos. Sperrkreis III bildete den damaligen Befehlszentrale Verteidigungsring. 2100 Offiziere, Soldaten und Zivilpersonen hielten sich in der Anlage auf. Die Decke des Hitlerbunkers war 8 m dick. Hitlers. Am 23.01.1945 wurden die Bunker gesprengt.

Bis zum Mittag hatte sich der Himmel aufgehellt. Gegenüber der barocken Klosteranlage Heilige Linde aßen wir in einem kleinen Restaurant zu Mittag. Um 14:00 besuchten wir die Klosterkirche. Ein Orgelkonzert mit dem Ave Maria und der Toccata von Bach erzeugte in uns die rich-tige Stimmung. Auch diese Orgel verfügte wie die in Oliva über bewegliche Figuren. Dadurch wirkten zum Beispiel die Posaune spielenden Engel sehr lebendig. Nach dem Konzert versammelten wir uns um den Altar, wo Joanna uns die Kirche aus ihrem reichen Kenntnisschatz näher-brachte.

Heilige Linde Der Legende zufolge war im Verlies des Rastenburger Schlosses ein zum Tode Verurteilter eingekerkert. In der Nacht vor der Hinrichtung betete er zur Mutter Gottes. Maria erschien ihm und befahl, eine Holzfigur zu schnitzen. Der Verurteilte hatte sich noch nie mit Schnitzerei befasst, machte sich jedoch trotzdem an die Arbeit In wenigen Stunden hatte er eine wunderschöne Figur geschnitzt, Maria mit Kind. Die darüber informierten Richter eilten in seine Zelle. Sie verstanden das wunderschöne Werk als Fingerzeichen des Himmels und begnadigten den Gefangenen. Der befestigte sein Werk an der ersten am Weg stehenden Linde. Die Figur entwickelte eine ungewöhnliche Kraft. Eine unter ihr vorbeiziehende Schafherde kniete nieder, ein blinder Adliger wurde sehend und zahlreiche weitere Wunder wurden erzählt. Die Wunder veranlassten den Deutschen Orden, 1320 an dieser Stelle eine Kapelle zu bauen. 1686 begannen die Arbeiten an der heute noch bestehenden barocken Klosteranlage. Das Eingangstor besteht aus geschmiedeten Pflanzenornamenten, die in den vergoldeten Stammbaum Christi münden. Auf den Arkadengängen befinden sich 44 Skulpturen, die die Ahnen Christi darstellen sollen. Im Krieg blieb die Kirche von Zerstörungen verschont. Nur das Gestühl wurde beschädigt, als Sowjetsoldaten beim Durchzug in der Kirche übernachteten.

Nach einer kurzen Pause fuhren wir weiter nach Allenstein, wo wir einen kurzen Stopp einlegten, einen Rundgang machten und die historische Burg besuchten. Danach gab es eine kurze Gelegenheit zum Einkaufen. Leider hatte es sich wieder eingetrübt und es goss in Strömen, als wir auf dem Reiterhof Ma-rengo ankamen. Aber der Begrüßungstrunk heiterte uns sofort wieder auf und wir bestiegen sogleich die bereit stehenden Kutschen. Die waren zwar überdacht, aber seitlich peitschte der Regen hinein, so dass mancher Rücken völlig durchnässt war. Während des anschließenden typisch polnischen Essens – Sauerkrautsuppe, Piroggen und als Nachtisch Kuchen – war die Kleidung schnell wieder getrocknet. An das Essen schlossen sich Folkloredarbietungen polni-scher und russischer Tanzpaare und einer Musikgruppe an. Die heizten die Stimmung ordent-lich an und bezogen uns zum Schluss in die Tänze ein. Da unser Busfahrer besonders laut nach einer Zugabe rief, wurde er zu einer extra Tanzeinlage aufgefordert. Als wir den Reiterhof verließen, konnten wir einen der beiden Musiker ein Stück Weg mit-nehmen. So konnten wir in ausgelassener Stimmung gemeinsam noch einige Lieder singen. Es stellte sich

heraus, dass dieser Musiker seit seiner Kindheit blind war. Trotzdem wusste er immer ganz genau, an welcher Ampel wir gerade standen und wo er aussteigen musste. Das hat uns sehr berührt.

Teil der Reisegruppe in geselliger Runde auf dem Reiterhof Marengo

6. Tag, Donnerstag 10. Mai: Nikolaiken und Schiffsfahrt Die neuen Richtlinien zu den Ruhezeiten für Busfahrer zwangen uns dazu, heute ohne Bus auszukommen. Das war jedoch überhaupt kein Problem. Um 10:15 brachen wir zu einem Rundgang durch Nikolaiken auf. Joanna konnte uns einiges zur Geschichte des Städtchens und zu seiner heutigen Bedeutung erzählen. Von 11:30 bis 14:00 hatten wir eine Schiffsfahrt auf dem SpirdingSee, dem größten See Masurens, dem „Masurischen Meer“, gebucht. Das Wetter erlaubte den meisten von uns, die Zeit auf Deck zu verbringen und die Eindrücke des Sees und der

Uferlandschaft in sich aufzunehmen. Die meisten Seen Masurens sind in ihrer Struktur zerlappt und weit gefächert, so auch dieser. Der Nachmittag stand uns zur freien Verfügung. Die meisten von uns nutzten die Gelegenheit, um sich Mitbringsel für zuhause zu besorgen, die zahlreichen Bernsteinauslagen in der Bern-steinstraße zu bewundern und die evangelische Kirche zu besichtigen, um sich schließlich in einem kleinen Cafe wieder aufzufrischen. 7. Tag, Freitag 11. Mai: Thorn und Posen Heute hieß es Abschied nehmen von Nikolaiken. Bereits um 7:15 mussten die Koffer eingela-den und eine Viertelstunde später abgefahren werden, damit wir die vorgesehene Strecke bis Posen bewältigen konnten. Allerdings stellte sich bald heraus, dass wir genügend Zeit hatten, so dass mehrere Zwischenstopps eingelegt wurden. Um 14:15 erreichten wir Thorn. Joanna führ-te uns vom Parkplatz an der Weichsel durch das Stadttor zum Marktplatz. Mit Informati-onen musste sie sehr zurückhaltend umge-hen, da sie als Reiseleiterin für Thorn noch keine Lizenz besaß. Aber sie zeigte uns das Geburtshaus von Nikolaus Kopernikus und andere wunderschön restaurierte Gebäude. Wir hatten Zeit, um einmal das Straßenquad-rat um den Dom herum zu gehen, jedoch zwang uns ein plötzliches Gewitter mit Starkregen und heftigen Sturmböen dazu, in Geschäfts- und Hauseingängen Schutz zu suchen. Dadurch konnte die noch zur Verfügung stehende freie Zeit nicht mit Anschauen weiterer Sehenswürdigkeiten ausgefüllt werden. Thorn wurde 1231 als erste Stadt unter Verwaltung des Deutschen Ordens gegründet. Niedersächsische Einwanderer aus Westfalen gehörten zu den ersten Bewohnern. Die Stadtgründung steht in engem Zusammenhang mit der Christianisierung der Pruzzen. Im 14. Jahrhundert trat Thorn dem Hansebund bei. 1466 kam die Stadt unter polnische Herrschaft, die bis zur 2. Teilung Polens 1793 andauerte, bei der sie an das Königreich Preußen fiel. Der Versailler Vertrag bestimmte 1920, dass Thorn wieder an Polen fiel. Die mittelalterliche Altstadt mit den zahlreichen Gebäuden der deutschen Backsteingotik zählt heute zum Weltkulturerbe der Unesco. Berühmtester Sohn der Stadt ist der Astronom Nikolaus Kopernikus, der 1473 hier geboren wurde.

Die Weiterfahrt nach Posen verlief schnell und komplikationslos. Allerdings gab es in Posen Probleme bei der Suche nach dem Soldatenfriedhof. Nach einer Stunde angestrengter Suche fanden wir ihn endlich. Georg Womelsdorf ging mit seiner Frau Martha und einigen anderen Fahrtteilnehmern zum Grab seines Vaters, um dort ein Blumengebinde nieder zu legen. Erst um 19:40 kamen wir erst im Hotel Ikar an. Nach dem Abendessen gab es kaum noch eine Gelegenheit zu einem Spaziergang in die Stadt. 8. Tag, Samstag 12. Mai: Heimfahrt 6:50 Frühstück – 7:45 Koffer einladen – 8:00 Uhr Antritt zur Heimfahrt, das war der Früh-sport für den heutigen Tag. Über Frankfurt/Oder, Berlin, Hannover und Paderborn führte uns die Strecke nach Hause, wo wir um 20:00 Uhr eintrafen. Da wir erst am gestrigen Tag Franks „Sauerländer“ als Mittagessen verzehrt hatten, kehrten wir heute in einer Raststätte ein, wo sich jeder nach seinen Bedürfnissen versorgen konnte. Klaus Homrighausen