LK Physik 13 Quantenphysik Richard Reindl 2004

Die aktuellste Version des Skriptes findet man unter http://www.stbit.de Das Werk steht unter einer Creative Commons - Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported Lizenz http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/3.0/deed.de

8. Oktober 2013

1 Materiewellen 1.1 Elektronenbeugung 1927 untersuchten Davisson und Germer sowie unabh¨angig davon P.G. Thomson das Verhalten von Elektronen, die auf ein Kristallgitter treffen. Thomson wandte dabei das DebyeScherrer-Verfahren an, wie wir in unserem Versuch: Elektronen durchlaufen eine Beschleunigungsspannung U und treten dann durch eine polykristalline Grafitfolie. Die an der Folie gestreuten Elektronen treffen auf einen kugelf¨ormigen Leuchtschirm (Radius: a = 14,0 cm), dessen Mittelpunkt in der Grafitfolie liegt. Auf dem Schirm beobachtet man zwei Beugungskreise, die zu den Netzebenenabst¨anden d1 = 1,23 ˚ A und d2 = 2,13 ˚ A ge-

+ U _

r 2ϕ

6 V∼

a

Grafitfolie

Abb.1.1.1 Versuch: Elektronenbeugung

h¨oren. Die Radien dieser Kreise, auf dem kugelf¨ormigen Schirm gemessen (Bogenl¨angen), seien r1 und r2 . Erstes Versuchsergebnis: Elektronen zeigen Interferenzerscheinungen!! Aus der Bragg’schen Beziehung n · λ = 2 d sin ϕ

folgt mit 2 ϕ =

(1.1.1)

r (wir beobachten in erster Ordnung, d.h. n = 1) a λ = 2 d sin

r 2a

(1.1.2)

Bei konstantem λ geh¨ ort zum gr¨ oßeren r das kleinere d, d.h. r1 > r2 . Wir vergleichen die gemessenen λ-Werte mit der kinetischen Energie Wk und dem Impuls p der Elektronen: √ m 2 Wk = v = e · U =⇒ p = m · v = 2 e m U (1.1.3) 2 Das qualitative Versuchsergebnis gr¨ oßeres U

=⇒

kleineres r

=⇒

kleineres λ

legt die Vermutung nahe, dass λ entweder zu Wk oder zu p proportional ist. In der Tabelle auf der folgenden Seite sind die Messergebnisse f¨ ur verschiedene Beschleunigungsspannungen zusammengestellt. Die λ-Werte f¨ ur die beiden Radien r1 und r2 sollten gleich sein, λ1 + λ2 . wir w¨ahlen den Mittelwert hλi = 2 Der letzten Zeile der Tabelle entnimmt man, dass λ · p = h = konst.

(1.1.4)

ist. F¨ ur die Konstante erh¨ alt man h=

6,70 + 6,63 + 6,63 + 6,69 · 10−34 J s = 6,66 · 10−34 J s 4 3

(1.1.5)

1 Materiewellen U r1 r2 λ1 λ2 hλi Wk p Wk · hλi p · hλi

in in in in in in in in in in

V m m 10−11 m 10−11 m 10−11 m 10−16 J 10−23 kgsm 3 10−26 kgsm 2 2 10−34 kg sm

2000 3000 4000 5000 0,018 0,0145 0,0125 0,0115 0,032 0,026 0,0225 0,020 2,738 2,206 1,902 1,749 2,806 2,280 1,974 1,756 2,772 2,243 1,938 1,753 3,20 4,80 6,40 8,00 2,416 2,959 3,416 3,820 0,886 1,08 1,24 1,40 6,70 6,63 6,63 6,69

Der genaue Wert f¨ ur das Plancksche Wirkungsquantum oder die Planckkonstante ist h = 6,626 075 5 · 10−34 J s = 4,135 669 2 · 10−21 MeV s

(1.1.6)

Weitere Versuche zeigen: Jeder K¨ orper mit dem Impuls p zeigt Interferenzerscheinungen wie eine h Welle mit der Wellenl¨ ange λ = . p

(1.1.7)

Diese 1927 experimentell gefundene Tatsache wurde von Louis de Broglie schon 1924 theoretisch vorausgesagt. Mit der Abk¨ urzung ~=

h = 1,054 572 66 · 10−34 J s = 6,582 122 0 · 10−22 MeV s 2π

(1.1.8)

2π λ

(1.1.9)

~2π k h = =~·k λ 2π

(1.1.10)

h =~·k λ

(1.1.11)

und der Wellenzahl k= folgt aus (1.1.4) p= oder endg¨ ultig p=

(de Broglie-Relation) Mit der Gesamtenergie E lautet die Energie-Impuls-Relation f¨ ur ein Teilchen der Masse m E 2 = p2 c2 + m2 c4 = p2 c2 + E02 oder p2 =

 1 1 1 2 2 E − E = 2 (E − E0 ) (E + E0 ) = 2 Ek · (2 E0 + Ek ) 0 c2 c c

(1.1.12) (1.1.13)

1p Ek · (2 E0 + Ek ) (1.1.14) c F¨ ur langsame Teilchen kann man Ek in der Summe gegen 2 E0 vernachl¨assigen und es gilt 2 Ek ≈ m ¨ ber: 2 v ; damit geht (1.1.14) in die klassische Formel u p=

p≈

1√ 1p 2 Ek E0 ≈ m v 2 m c2 = m v c c

(1.1.15)

F¨ ur die Wellenl¨ ange eines Teilchens der kinetischen Energie Ek gilt dann λ= p

hc Ek · (2 E0 + Ek ) 4

(1.1.16)

1 Materiewellen

1.2 Die Wellenfunktion und ihre physikalische Bedeutung Ein Doppelspaltversuch mit Elektronen bereitet wegen der Kleinheit der Wellenl¨angen ungeheuere technische Schwierigkeiten. Gel¨ost wurden diese Schwierigkeiten 1961 von C. J¨onsson an der Universit¨ at T¨ ubingen, was eine weitere Best¨ atigung des Wellencharakters der Elektronen erbrachte. Durch das Ausz¨ahlen der schwarzen Punkte auf dem Film kann die Z¨ ahlrate Zahl der e− S= Zeit

Film

v

1 v

v

s

2

z

s

(1.2.1)

in Abh¨angigkeit vom Ort bestimmt werden. Die experimentell gefundene Z¨ ahlrate entspricht genau der Intensit¨ atsverteilung einer

Film

Abb.1.2.1 Doppelspalt mit e−

klassischen“ Welle (z.B. Licht) mit der Wellenl¨ange ” h h λ= = p mv

(1.2.2)

Das Interferenzverhalten der Elektronen versucht man durch eine den Elektronen zugeordnete Wellenfunktion ψ(x, t) zu beschreiben. Da Elektronen im Allgemeinen lokalisierbar“ sind, ” muss ψ(x, t) r¨ aumlich begrenzt sein. Dazu wird die Gleichung einer nach rechts fortschreitenden Welle (y = sin(k x − ω t)) mit einer ortsabh¨angigen Amplitudenfunktion ϕ(x, t) multipliziert: ψ(x, t) = ϕ(x, t) · sin(k x − ω t) (1.2.3) beschreibt ein sogenanntes Wellenpaket (siehe Abb. 1.2.2). Wenn das Beugungsbild beim Doppelspaltversuch durch Interferenz der Wellenpakete verschiedener Elektronen entstehen w¨ urde, dann m¨ ussten ∆x alle w¨ahrend der Koh¨ arenzzeit τ = v durch die Spalte tretenden Elektronen gleichphasig sein, da es sonst keine konstruktive Interferenz geben w¨ urde. Die Annahme der Gleichphasigkeit der Wellenfunktionen verschiedener Elektronen ist aber durch nichts zu begr¨ unden. Es l¨ aßt sich also folgende Hypothese aufstellen:

ψ

(1.2.3)

ϕ

ψ

v

x

∆x

Abb.1.2.2 Wellenpaket

Das Wellenpaket eines Elektrons teilt sich in zwei Teilpakete auf, die miteinander interferieren.

(1.2.4)

Die Hypothese (1.2.4) l¨ asst sich folgendermaßen u ufen: ¨ berpr¨ Ein sehr intensit¨ atsarmer Elektronenstrahl wird durch den Doppelspalt geschickt. Die Intensit¨ at sei so gering, dass praktisch nie mehrere Elektronen gleichzeitig durch die Spalte treten. Mit S1 bzw. S2 bezeichnen wir die Z¨ ahlraten, wenn nur Spalt 1❥ bzw. nur Spalt 2❥ ge¨offnet ist, S12 sei die Z¨ahlrate, wenn beide Spalte gleichzeitig ge¨offnet sind. Wenn unsere Hypothese (1.2.4) 5

1 Materiewellen falsch w¨are, d.h. wenn das ganze Wellenpaket eines Elektrons nur durch einen Spalt treten w¨ urde, dann k¨ onnte es bei unserem intensit¨atsarmen Strahl keine Interferenzen geben, da dann jedes einzeln durch einen Spalt gehende Elektron weder mit anderen Elektronen noch mit sich selbst interferieren k¨ onnte. Damit w¨ urden sich die Beugungsbilder der Einzelspalte u ¨ berlagern zu S12 = S1 + S2 (siehe Abb. 1.2.3).

S

S12

S1

S2

z S12 = S1 + S2

Abb.1.2.3 Nur jeweils ein Spalt offen

Das Experiment liefert aber auch bei einer sehr geringen Intensit¨ at des einfallenden Elektronenstrahls das gleiche Interferenzbild wie bei einer starken Intensit¨ at (siehe Abb. 1.2.4). Damit scheint unsere Hypothese (1.2.4) experimentell abgesichert zu sein. Zur Kontrolle wird noch folgender Versuch ausgef¨ uhrt:

S S12 S1

S2

z

S12 6= S1 + S2

Abb.1.2.4 Beide Spalte offen

Direkt hinter den Einzelspalten werden Z¨ahler angebracht, die einzelne Elektronen registrieren k¨onnen. Entgegen unserer Hypothese (1.2.4) wird ein Elektron beim Durchgang durch den Doppelspalt immer nur von einem Z¨ ahler registriert! Die volle Energie eines Elektrons geht nur durch einen Spalt! Um die einander widersprechenden, aber doch experimentell abgesicherten Tatsachen (1.2.4) und (1.2.5) miteinander in Einklang zu bringen, wurden die h¨ochsten philosophischen Purzelb¨ aume geschlagen. Der popul¨arste dieser Purzelb¨aume, der auch heute noch durch viele Physikb¨ ucher geistert, ist der sogenannte Dualismus Welle-Teilchen“. ” Dieser Dualismus besagt Folgendes:

(1.2.5)

v 1

Z¨ ahler 1

2

Z¨ ahler 2

v v

Abb.1.2.5 Beide Spalte offen

Elektronen und andere Mikroobjekte sind Gebilde, die in manchen Versuchen Teilchen- und in anderen Versuchen Wellencharakter zeigen (Wellen-Teilchen-Dualismus).

(1.2.6)

Um diesen logisch unbefriedigenden Dualismus aus der Welt zu schaffen, m¨ ussen wir uns u ¨ berlegen, welche Aufgabe einer physikalischen Theorie u ¨ berhaupt zukommt: Eine physikalische Theorie hat die Aufgabe, bei einer gegebenen Versuchsanordnung die experimentell messbaren physikalischen Gr¨ oßen vorherzusagen.

(1.2.7)

Betrachten wir unseren Doppelspaltversuch: Messbar sind nur die Auftrefforte der Elektronen in der Beobachtungsebene und diese Auftrefforte sind sogar statistisch verteilt. Wirklich messbar ist also nur die Auftreffwahrscheinlichkeit eines Elektrons an einem bestimmten Ort. Die Theorie hat die Aufgabe, diese Auftreffwahrscheinlichkeit zu berechnen, nichts sonst!

6

1 Materiewellen Ausssagen wie Das Elektron ist ein Teilchen“, Das Elektron ist eine Welle“ oder Das Elektron ” ” ” ist w¨ urfelf¨ormig“ geh¨ oren in das Reich der Spekulationen, solange sie nicht direkt experimentell zug¨anglich sind. Experimentell zug¨anglich sind aber nur die Wirkungen der Elektronen auf geeignete Messapparaturen und nur diese Wirkungen k¨onnen durch eine sinnvolle physikalische Theorie beschrieben werden. Literatur: The Feynman Lectures on Physics, Bd. 3 Berkeley Physics Course, Bd. 4 Kommen wir jetzt zu der Frage, wie man die Wahrscheinlichkeit, ein Elektron an einem bestimmten Ort zu finden, berechnen kann. Die Wahrscheinlichkeit dP , das Elektron im Intervall [x , x + dx] anzutreffen, ist sicher proportional zu dx, d.h. dP = w(x, t) dx (1.2.8) mit der Wahrscheinlichkeitsdichte w(x, t). Die zentrale Frage ist jetzt, wie w(x, t) mit der Wellenfunktion ψ(x, t) = ϕ(x, t) · sin(kx − ωt) zusammenh¨angt. Da w(x, t) ≧ 0 gilt und ψ(x, t) oszilliert und somit auch negative Werte annimmt, kann ψ nicht gleich w sein. Diese Schwierigkeit wird u ¨berwunden, wenn man den Betrag

w = |ψ|

w

|ϕ| v

w(x, t) = |ψ| = |ϕ| · | sin(kx − ωt)|

(1.2.9)

oder das Quadrat

x

w(x, t) = ψ 2 = ϕ2 · sin2 (kx − ωt)

(1.2.10)

der Wellenfunktion als Wahrscheinlichkeitsdichte interpretiert. (1.2.9) hat den Nachteil, dass viele nichtdifferenzierbare Stellen (Spitzen) vorhanden sind. Auch (1.2.10) hat noch einen Nachteil: Innerhalb des Wellenpakets der Breite ∆x hat w(x, t) noch viele Nullstellen, was den experimentellen Tatsachen widerspricht (ein Elektron ist nicht zerhackt“). Die ideale Form von ” w(x, t) w¨are die von Abb.1.2.8. Die Wellenfunktion ψ(x, t) selbst muss aber den oszillierenden Term sin(kx − ωt) enthalten, um die experimentell beobachteten Interferenzen richtig zu beschreiben. Diese Schwierigkeit wird elegant u ¨berwunden, wenn man statt sin(kx − ωt) den komplexen Term

Abb.1.2.6 w(x, t) = |ψ(x, t)| w

w = ψ2

ϕ2 v

x

Abb.1.2.7 w(x, t) = ψ(x, t)2

w w v

x

Abb.1.2.8 Das ideale w(x, t)

ei(kx−ωt) = cos(kx − ωt) + i · sin(kx − ωt)

(1.2.11)

verwendet und die Wahrscheinlichkeitsdichte als das Quadrat des Betrages von ψ(x, t) definiert (Max Born, 1926): w(x, t) = |ψ(x, t)|2 = ψ(x, t) · ψ ∗ (x, t)

(1.2.12)

ψ(x, t) = ϕ(x, t) · ei(kx−ωt)

(1.2.13)

mit

7

1 Materiewellen Wegen |ei α |2 = 1 gilt

w(x, t) = |ψ(x, t)|2 = |ϕ(x, t)|2

(1.2.14)

Die Betragsstriche bei ϕ lassen wir stehen, damit im Bedarfsfall ϕ auch komplex gew¨ahlt werden kann. Die Wahrscheinlichkeit, das Elektron zur Zeit t im Intervall [a, b] anzutreffen, ist

P (a, b) =

Zb

w(x, t) dx =

Zb a

a

|ψ(x, t)|2 dx

(1.2.15)

Da sich das Teilchen irgendwo zwischen −∞ und +∞ befinden muss, ist P (−∞, +∞) = 1

(1.2.16)

Es gilt also die Normierungsbedingung +∞ +∞ Z Z |ψ(x, t)|2 dx = 1 w(x, t) dx =

(1.2.17)

−∞

−∞

F¨ ur r¨aumliche Probleme muss x in obigen Gleichungen durch den Ortsvektor ~r und dx durch das Volumenelement dV ersetzt werden: Z Z P (V ) = w(~r, t) dV = |ψ(~r, t)|2 dV (1.2.18) V

V

ist somit die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen im Raumbereich V anzutreffen. Die Normierungsbedingung lautet dann Z

Z

w(~r, t) dV =

ganzer Raum

|ψ(~r, t)|2 dV = 1

(1.2.19)

ganzer Raum

Damit die Wellenfunktion zur Beschreibung von Interferenzen geeignet ist, muss das Superpositionsprinzip gelten: Sind die ψν g¨ ultige Wellenfunktionen eines physikalischen Systems, dann ist auch n X aν ψν ψ=

(1.2.20)

ν=1

eine Wellenfunktion des Systems. Die aν m¨ ussen dabei so gew¨ ahlt werden, dass ψ wieder normiert ist. Wellenfunktionen k¨ onnen also, mit geeigneten Gewichtungsfaktoren aν , zu neuen Wellenfunktionen addiert werden, nicht aber die Wahrscheinlichkeitsdichten: 2 n n n X X X 2 2 2 |aν |2 wν (1.2.21) |aν | |ψν | = aν ψν 6= w = |ψ| = ν=1

ν=1

8

ν=1

1 Materiewellen

¨ 1.3 Wellenpakete als Uberlagerung ebener Wellen Das Ziel der Quantenmechanik (QM) ist es, eine m¨oglichst einfache Differentialgleichung F (ψ , ψ˙ , ψ¨ , ... , ψ ′ , ψ ′′ , ...) = 0

(1.3.1)

f¨ ur die Wellenfunktion ψ zu finden, die das Verhalten der Mikroobjekte richtig beschreibt. Wegen des Superpositionsprinzips (siehe (1.2.20)) muss die Summe zweier L¨osungen von (1.3.1) wieder eine L¨osung ergeben. Das ist nur m¨ oglich, wenn (1.3.1) eine lineare Differentialgleichung ist, d.h. wenn ψ und die Ableitungen von ψ nur linear in die Gleichung eingehen: F (ψ , ψ˙ , ...) = a ψ + b1 ψ˙ + b2 ψ¨ + ... + c1 ψ ′ + c2 ψ ′′ + ... = 0

(1.3.2)

Als weitere Forderung stellen wir an (1.3.1), dass die einfachste Wellenfunktion, n¨amlich die einer ebenen Welle ψ(x, t) = A · ei(kx−ωt) (1.3.3)

¨ eine L¨osung ist. Wegen der Linearit¨ at von (1.3.1) ist damit jede Uberlagerung ebener Wellen ψ(x, t) =

n X ν=1

Aν · ei(kν x−ων t)

(1.3.4)

¨ ebenfalls eine L¨ osung von (1.3.1). Es l¨asst sich exakt zeigen, dass auch die Uberlagerung unendlich vieler ebener Wellen, deren Wellenzahlen k kontinuierlich verteilt sind, eine L¨osung von (1.3.1) ist. Aus den diskreten Amplitudenwerten Aν in (1.3.4) wird dann die Funktion A(k) und das Summenzeichen geht in ein Integral u ¨ ber:

ψ(x, t) =

Z∞

−∞

A(k) · ei(kx−ωt) dk

(1.3.5)

wobei ω eine Funktion von k ist: ω = ω(k)

(1.3.6)

In der sogenannten Dispersionsrelation (1.3.6) steckt die konkrete Physik der betrachteten Welle. F¨ ur elektromagnetische Wellen im Vakuum mit der Wellenl¨ange λ und der Frequenz f gilt z.B. 2π ω · = c =⇒ ω = ω(k) = c · k mit konstantem c (1.3.7) λ·f = k 2π Bei G¨ ultigkeit von (1.3.7) sagt man, es herrscht keine Dispersion. Alle Teilwellen eines Wellenpakets breiten sich mit der gleichen Geschwindigkeit aus, die Form des Wellenpakets bleibt also erhalten: w(x, t) = w(x − ct, 0)

w w(x, 0)

w(x, t) = w(x − ct, 0) c

c·t

(1.3.8) Abb.1.3.1 Keine Dispersion

9

x

1 Materiewellen ¨ Leite zur Ubung (1.3.8) aus (1.3.5) und (1.3.7) her! In Materie ist die Lichtgeschwindigkeit von der Wellenl¨ ange bzw. der Frequenz abh¨ angig, d.h. die Teilwellen eines Wellenpakets (1.3.4) oder (1.3.5) laufen mit verschiedenen Geschwindigkeiten. Damit ¨ andert sich die Form eines Wellenpakets mit der Zeit, das Wellenpaket zerfließt, es herrscht Dispersion.

w

w(x, t) 6= w(x − ct, 0)

w(x, 0)

c

c·t

x

Abb.1.3.2 Mit Dispersion

Die Dispersionsrelation und das Zerfließen von Materiewellen behandeln wir im n¨achsten Kapitel. Die Dirac’sche Deltafunktion ist durch folgende Eigenschaften definiert: δ(x) = 0 f¨ ur x 6= 0 Z∞

−∞

(1.3.9) δ(x − x0 ) · f (x) dx = f (x0 )

¨ Mit der Deltafunktion kann die Uberlagerung endlich vieler Wellen (1.3.4) auch als Integral (1.3.5) geschrieben werden, wenn man folgendes A(k) w¨ahlt und ων = ω(kν ) beachtet: A(k) =

n X ν=1

Aν δ(k − kν )

(1.3.10)

Eine Grenzwertdarstellung der Deltafunktion behandeln wir in den Aufgaben. ¨ Als einfachstes Beispiel betrachten wir zun¨achst die Uberlagerung von zwei ebenen Wellen mit den Amplituden A1 = A2 = 1: ψ(x, t) = ei(k1 x−ω1 t) + ei(k2 x−ω2 t)

(1.3.11)

In den Aufgaben zu unseren mathematischen Hilfsmitteln haben wir die Formel ei a + ei b = 2 · cos

a − b i· a+b ·e 2 2

(1.3.12)

bewiesen. Damit folgt ψ(x, t) = 2 · cos

∆k · x − ∆ω · t i(k0 x−ω0 t) ·e 2

mit ∆k = k2 − k1 ,

∆ω = ω2 − ω1 ,

k0 =

k1 + k2 2

und ω0 =

(1.3.13) ω1 + ω2 2

(1.3.14)

In Abb.1.3.3 sind die Grafen des Realteils Re(ψ(x, t) = 2 · cos

∆k · x − ∆ω · t · cos(k0 x − ω0 t) 2

(1.3.15)

Im(ψ(x, t) = 2 · cos

∆k · x − ∆ω · t · sin(k0 x − ω0 t) 2

(1.3.16)

des Imagin¨ arteils

10

1 Materiewellen und der Einh¨ ullenden ±ϕ(x, t) mit ϕ(x, t) = 2 · cos

∆k · x − ∆ω · t 2

(1.3.17)

f¨ ur k1 = 3, k2 = 4 und t = 0 dargestellt, der rechte Teil der Abbildung zeigt die (in diesem Fall nicht normierbare) Wahrscheinlichkeitsdichte w(x, t) = 4 · cos2

∆k · x − ∆ω · t 2

(1.3.18)

ebenfalls zur Zeit Null. Die Breite ∆x einer Schwebungsgruppe ist die halbe Wellenl¨ange der Einh¨ ullenden, d.h. 1 2π 2π ∆x = · ∆k = (1.3.19) 2 2 ∆k oder ∆x · ∆k = 2 π

(1.3.20)

Die Wellenl¨ ange der eigentlichen Welle ist λ=

2π k0

(1.3.21)

und damit ist die Zahl n von Wellenz¨ ugen innerhalb einer Schwebungsgruppe n=

∆x k0 = λ ∆k

(1.3.22)

Je kleiner ∆k ist, umso ausgepr¨ agter ist die Schwebung, d.h. umso mehr Wellenz¨ uge sind in einer Schwebungsgruppe. Die Welle selbst breitet sich mit der Phasengeschwindigkeit vp =

ω0 k0

(1.3.23)

aus, die Geschwindigkeit einer Schwebungsgruppe oder auch von w(x, t) ist die Gruppengeschwindigkeit ∆ω vg = (1.3.24) ∆k F¨ ur eine ordentliche Schwebung“ (viele Wellenz¨ uge pro Gruppe) ist ∆k klein, d.h. ω(k) kann ” im Intervall [k1 , k2 ] linear angen¨ ahert werden. Weil k0 wegen (1.3.14) der Mittelpunkt dieses Intervalls ist, gilt dω vg ≈ (1.3.25) dk k=k0

11

1 Materiewellen ψ(x) = e3ix + e4ix

w(x) = 2 cos x + 2 4

2

0

−10

2

10

−2

0

−10

10

Abb.1.3.3 ψ(x) = e3ix + e3,5ix + e4ix

w(x) = 4 cos

x 2

+ 2 cos x + 3

2

5 −10

0

10

−2 −10

0

10

Abb.1.3.4 w(x) = |ψ(x)|2

ψ(x) = e4ix + e4.5ix + e5ix + e5.5ix + e6ix

20

−10

0

10

−10

0

10

Abb.1.3.5 ψ(x) = e4ix + e4.5ix + 2 e5ix + e5.5ix + 2 e6ix

w(x) = |ψ(x)|2 40

−10

0

10 20

−10

0

10

Abb.1.3.6 ψ(x) = e4ix + 2 e4,1ix + 3 e4,2ix + 4 e4,3ix + 4 e4,4ix + 3 e4,5x + 2 e4,6x + e4,7x

w(x) = |ψ(x)|2 400

200

0

−20

−50

Abb.1.3.7

12

0

50

1 Materiewellen Den Abbildungen Abb.1.3.4 bis Abb.1.3.7 (mit MAPLE erstellt) entnimmt man, dass immer mehr kleine Schwebungsgruppen zwischen zwei großen Gruppen auftreten, wenn die Zahl der u uckt: Je mehr Wellen u ¨berlagerten Wellen zunimmt oder anders ausgedr¨ ¨berlagert werden, umso weiter r¨ ucken die Hauptschwebungsgruppen auseinander. Wir wollen jetzt untersuchen, wie ¨ die Uberlagerung von unendlich vielen Wellen gleicher Amplitude A mit Wellenzahlen aus dem Intervall [k1 , k2 ] aussieht, wobei wir uns auf die Zeit Null beschr¨anken. Mit der Wellenzahlverteilung ( A f¨ ur k1 ≦ k ≦ k2 (1.3.26) A(k) = 0 sonst folgt aus (1.3.5) ψ(x, 0) = A ·

Zk2

eikx dk =

k1

 A  ik2 x · e − eik1 x ix

(1.3.27)

Mit der Formel

a − b i· a+b ·e 2 2 (Aufgaben zu den mathematischen Hilfsmitteln) folgt ei a − ei b = 2 i · sin

ψ(x, 0) =

2A ∆k · x i k0 x · sin ·e x 2

mit ∆k = k2 − k1

und k0 =

k1 + k2 2

(1.3.28)

(1.3.29)

(1.3.30)

Die Wahrscheinlichkeitsdichte zur Zeit Null ist dann w(x, 0) =

∆k · x 4 A2 · sin2 2 x 2

(1.3.31)

Als Breite ∆x des Paketes definieren wir den Abstand der beiden Nullstellen des Hauptpaketes: ∆x = 2 ·

2π ∆k

(1.3.32)

woraus ∆x · ∆k = 4 π

(1.3.33)

folgt. Beispiele f¨ ur die Grafen von Re(ψ(x, 0)), Im(ψ(x, 0)) und w(x, 0) findet man in Abb.1.3.8 und Abb.1.3.9. w(x, 0) ist nicht normiert, da es uns nur um die Form des Wellenpaketes geht. Wir kommen der idealen Form eines Wellenpaketes schon n¨aher, aber es st¨ort noch das Auftreten der immer kleiner werdenden Nebengruppen. Diese verdanken ihr Vorhandensein den scharfen Kanten in der Wellenzahlverteilung. Daher betrachten wir als n¨achstes Beispiel eine Gauß’sche Wellenzahlverteilung ohne Ecken und Kanten: A(k) = A0 · e−

(k−k0 )2 a2

(1.3.34)

¨ Die Uberlagerung aller Teilwellen ergibt dann die Wellenfunktion ψ(x, t) = A0 ·

Z∞

e−

(k−k0 )2 a2

−∞

13

· ei(k x−ω(k) t) dk

(1.3.35)

1 Materiewellen replacements

w(x) =

Re(ψ) und Im(ψ)

A(k) 1

0.1

0

2

0.02

0

−10

1−cos x 2 π 2 x2

10

0

−10

4

10

Abb.1.3.8 Re(ψ) und Im(ψ)

A(k)

w(x) =

1 0.4

0

2

0.2

0

−10

1+3 cos x−4 cos3 x 2 π 2 x2

10

0

−10

4

10

Abb.1.3.9 A(k) = e−(k−4)

2

Re(ψ) und Im(ψ)

w(x) =

1

2 −x 2

e



0.2

0.05 0

−5

0

2

4

5

6

−5

0

5

Abb.1.3.10 A(k) = e−4(k−4)

2

Re(ψ) und Im(ψ)

w(x) =

1

−x

2

e 8 16 π

0.1

0

−5

0

2

4

5

6

−5

0

5

Abb.1.3.11

F¨ ur t = 0 erh¨ alt man ψ(x, 0) = A0 ·

Z∞

e−

−∞

Ein Integral der Form 1 · F (x) = 2π

Z∞

−∞

(k−k0 )2 a2

· ei k x dk

A(u) · ei u x du

(1.3.36)

(1.3.37)

nennt man die inverse Fouriertransformierte von A(u). In einer mathematischen Formelsammlung (allerdings nicht in unserer Schulformelsammlung) findet man unter dem Kapitel Fourier” transformation“ u2 a2 2 |a| (1.3.38) A(u) = e− a2 =⇒ F (x) = √ · e− 4 x 2 π

14

1 Materiewellen Damit folgt aus (1.3.36) mit der Substitution u = k − k0 (du = dk) ψ(x, 0) = A0 ·

Z∞

−∞

u2

e− a2 · eiux+ik0 x dk =

= A0 · eik0 x ·

Z∞

−∞



= A0 · |a| ·

(1.3.39)

u2

e− a2 · eiux dk =

π · e−

a2 4

x2

· eik0 x

Die Wahrscheinlichkeitsdichte unseres Wellenpaketes ist dann w(x, 0) = |ψ(x, 0)|2 = A20 a2 π · e−

a2 2

x2

(1.3.40)

d.h. wenn A(k) eine Gauß’sche Funktion ist, dann ist es auch w(x). Als Breite einer Gaußfunktion definiert man u ¨ blicherweise die Breite in der 1e -fachen H¨ohe des Maximums: A(0) e w(0) w(x) = e A(k) =

=⇒

k = k0 ± |a| √ 2 x= |a| √ 2 2 ∆x = |a|

=⇒

∆k = 2 |a|

und

(1.3.41) (1.3.42) (1.3.43)

F¨ ur das Produkt der Breiten erhalten wir ∆k · ∆x = 4 ·



2

Das Integral (1.3.35) kann f¨ ur t 6= 0 nur ausgewertet werden, wenn die Funktion ω(k) bekannt ist. Wenn ∆k klein ist, dann kann ω(k) in dem Bereich, in dem A(k) wesentlich von Null verschieden ist, linear angen¨ahert werden: ω(k) = ω0 + vg (k − k0 ) (1.3.45)

(1.3.44)

ω(k) ω(k0 )

A(k)

mit ω0 = ω(0) und k1

dω ′ vg = ω (k0 ) = dk k=k0

k0

k2

k

(1.3.46) Abb.1.3.12 Lineare N¨aherung

Damit berechnet sich die Wellenfunktion (1.3.35) zu Z∞

ψ(x, t) = A0 ·

−∞ Z∞

= A0 ·

e−

(k−k0 )2 a2

e−

(k−k0 )2 a2

−∞

i (k0 vg −ω0 ) t

= A0 e

·

· ei (k x−ω t) dk = · ei (k x−ω0 t−vg kt+vg k0 t) dk = Z∞

−∞

15

e−

(k−k0 )2 a2

· ei k(x−vg t) dk

(1.3.47)

1 Materiewellen Mit der Substitution u = k − k0 gilt du = dk und somit ψ(x, t) = A0 ei (k0 vg −ω0 ) t ·

Z∞

−∞

i (k0 vg −ω0 ) t

u2

e− a2 · ei (u+k0 )(x−vg t) du =

i k0 (x−vg t)

·e

= A0 e

Z∞

= A0 ei (k0 x−ω0 t) ·

−∞

Z∞

−∞

u2

e− a2 · ei u(x−vg t) du =

(1.3.48)

u2

e− a2 · ei u(x−vg t) du

Mit (1.3.37) und (1.3.38) folgt dann a2 |a| 2 ψ(x, t) = 2 π · A0 ei (k0 x−ω0 t) · √ · e− 4 (x−vg t) 2 π

oder endg¨ ultig ψ(x, t) = A0 · |a|



π · e−

a2 4

(x−vg t)2

· ei (k0 x−ω0 t)

(1.3.49)

(1.3.50)

mit der Wahrscheinlichkeitsdichte w(x, t) = A20 · a2 π · e−

a2 2

(x−vg t)2

(1.3.51)

(1.3.50) und (1.3.51) sind noch nicht normiert. Mit der Integralformel Z∞

−b2 x2

e

dx =

−∞



π |b|

(1.3.52)

folgt aus (1.3.51) N :=

Z∞

w(x, 0) dx =

−∞

A20

2

·a π·

Z∞

e−

a2 2

x2

dx =

−∞



(1.3.53)

√ 3 2π = A20 · a2 π · = A20 · |a| π 2 · 2 |a| √ Division von w durch N und von ψ durch N liefert endg¨ ultig ψ(x, t) =

s

a2 |a| 2 √ · e− 4 (x−vg t) · ei (k0 x−ω0 t) 2π

(1.3.54)

und a2 |a| 2 w(x, t) = √ · e− 2 (x−vg t) = w(x − vg t, 0) 2π

(1.3.55)

Die Einh¨ ullende von ψ und die Wahrscheinlichkeitsdichte w behalten also ihre Form und bewegen sich mit der Gruppengeschwindigkeit vg in Richtung der positiven x-Achse. Wenn wir statt der linearen die quadratische N¨ aherung f¨ ur ω(k) verwendet h¨atten, w¨ urde auch die Form¨anderung des Wellenpakets (Zerfließen) richtig beschrieben.

16

1 Materiewellen

1.4 Teilchen als Wellenpakete In diesem Kapitel wollen wir versuchen, die Bewegung eines wechselwirkungsfreien materiellen Teilchens (z.B. eines Elektrons) quantenmechanisch richtig zu beschreiben. Das Teilchen habe den klassischen (d.h. nicht quantenmechanischen) Impuls p0 und die Masse m. Unsere bisherige Modellvorstellung sieht folgendermaßen aus: ¨ ˆ Dem Teilchen ist eine Wellenfunktion ψ(x, t) zugeordnet, die als Uberlagerung ebener Wellen geschrieben werden kann (Wellenpaket): ψ(x, t) =

Z∞

−∞

A(k) · ei(k x−ω(k) t) dk

(1.4.1)

Die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens im Intervall [x1 , x2 ] ist P (x1 , x2 ) =

Zx2

w(x, t) dx

w(x, t) = |ψ(x, t)|2

mit

x1

ˆ Die Kreisfrequenz ω der Wellenfunktion ist eine Funktion der Wellenzahl k, d.h. (Dispersionsrelation).

(1.4.2)

ω = ω(k)

ˆ Die klassische Geschwindigkeit v0 des Teilchens ist gleich der Gruppengeschwindigkeit des Wellenpakets; p0 dω v0 = = vg = ω ′ (k0 ) = (1.4.3) m dk k=k0

k0 entspricht dabei dem Maximum der Wellenzahlverteilung A(k).

ˆ Es gilt die de Broglie-Relation

p0 = ~ k0 =

h λ0

(1.4.4)

Was wir noch nicht kennen, ist die Gleichung der Funktion ω(k). Zu ihrer Berechnung verwenden wir (1.4.3) und (1.4.4): p0 ~ v0 = ω ′ (k0 ) = = · k0 (1.4.5) m m Da diese Beziehung f¨ ur jedes k0 gelten muss, folgt ~ ·k m

(1.4.6)

~ k2 +C 2m

(1.4.7)

ω ′ (k) = und damit ω(k) = Die kinetische Energie des Teilchens ist W =

p2 ~2 k02 m 2 v0 = 0 = 2 2m 2m

(1.4.7)

=

~ ω(k0 ) − ~ C

(1.4.8)

Da ω ≧ 0 gilt, ist die Wertemenge von W nach (1.4.8) gleich [−~ C , +∞]. Da die tats¨achliche Wertemenge von W [0 , +∞] ist, muss C = 0 sein. Die Dispersionsrelation f¨ ur ein wechselwirkungsfreies, nichtrelativistisches Teilchen lautet also ω(k) =

17

~ k2 2m

(1.4.9)

1 Materiewellen Aus (1.4.8) folgt dann die Planck-Relation W = ~ ω(k0 ) = ~ ω0 = h f0

(1.4.10)

F¨ ur ein relativistisches Teilchen beginnen wir mit der Energie-Impuls-Relation, wobei E die relativistische Gesamtenergie des Teilchens bezeichnet: E 2 = p2 c2 + m2 c4 = ~2 k2 c2 + m2 c4 Differenzieren nach ω ergibt mit

und E = γm c2 , p = γmv, γ = √

1 1 dk = dω = dω v dk 1 1−β 2

(1.4.12)

unter Verwendung der Kettenregel

dE dω dE 2 γ m c2 dω dE dω E 2E

(1.4.11)

dk 1 = 2~2 c2 k · dω v 1 = 2~2 c2 k · v ~2 k ~p = = =~ γ mv p = ~ω + C = 2~2 c2 k ·

(1.4.13) (1.4.14) (1.4.15) (1.4.16)

Setzt man (1.4.16) in (1.4.11) ein, dann erh¨alt man 

C ω+ ~

2

= k2 c2 +

m2 c4 ~2

Zur Probe differenzieren wir (1.4.17) nach k:   dω C = 2 k c2 · 2 ω+ ~ dk dω ~ k c2 k c2 p c2 γ m v c2 = = = = =v dk ~ω + C E γ m c2 ω + C~

(1.4.17)

(1.4.18)

(1.4.19)

Die Beziehung v = dω angig von der Wahl der Konstanten C. Wir w¨ahlen dk gilt also unabh¨ nat¨ urlich den einfachsten Wert C = 0. Damit gilt auch im relativistischen Fall die PlanckRelation E = ~ω (1.4.20) und die Dispersionsrelation (1.4.17) lautet f¨ ur ein relativistisches Teilchen ω 2 = k2 c2 +

m2 c4 ~2

(1.4.21)

Es sei hier noch einmal mit aller Deutlichkeit darauf hingewiesen, dass nichts mit der Frequenz f = 2ωπ schwingt und ω somit nicht gemessen werden kann. ω ist eine reine Rechengr¨oße, die zur Berechnung der messbaren Aufenthaltswahrscheinlichkeiten verwendet wird. So ist es auch kein Dilemma, dass sich das klassische und das relativistische ω auch f¨ ur kleine Geschwindigkeiten betr¨achtlich voneinander unterscheiden (siehe Aufgaben). Im vorhergehenden Kapitel haben wir Wellenpakete aus ebenen Wellen aufgebaut, ohne einen konkreten physikalischen Hintergrund daf¨ ur zu haben. Jetzt kennen wir die Dispersionsrelation eines freien Teilchens und k¨ onnen uns, mit kr¨aftiger Unterst¨ utzung eines Computeralgebrasystems (MAPLE), an die Konstruktion der Wellenfunktion eines (nichtrelativistischen) Teilchens 18

1 Materiewellen mit der Masse m und der Geschwindigkeit v = vg heranmachen. Wir gehen von einer Gauß’schen Wellenzahlverteilung A(k) = A0 · e−

(k−k0 )2 a2

(1.4.22)

aus. Mit (1.4.1) und (1.4.9) erhalten wir ψ(x, t) = A0 ·

Z∞

e−

(k−k0 )2 a2

−∞

~ k2

· ei(k x− 2 m

t)

dk

(1.4.23)

Nach einigem guten Zureden (siehe MAPLE-Worksheet) erhalten wir vom CAS folgende Ergebnisse: ψ(x, t) = ϕ(x, t) · ei(k0 x−ω0 t) (1.4.24) mit

i a2 (x−vt)2 4(bt−i)

e ϕ(x, t) = konst. · √

(1.4.25)

1 + ibt

und die normierte Wahrscheinlichkeitsdichte −a2 (x−vt)2 2(1+b2 t2 )

a e w(x, t) = √ · √ 2π 1 + b2 t 2

(1.4.26)

mit

W m v2 ~ a2 = und b = (1.4.27) ~ 2~ 2m ϕ(x, t) ist nicht reell, d.h. ψ(x, t) ist keine ebene Welle mit ortsabh¨angiger Amplitude. Vielmehr h¨angt sogar die Wellenl¨ ange des Paketes vom Ort ab. Das hat aber alles keine Bedeutung, da nur w(x, t) gemessen werden kann. Zur grafischen Darstellung der Wellenfunktion kann man noch folgende Schreibweise w¨ ahlen: p (1.4.28) ψ(x, t) = w(x, t) · ξ(x, t) p √ Da |ψ| = w gilt, ist |ξ(x, t)| = 1, d.h. ξ(x, t) ist eine Welle mit der Amplitude 1 und w(x, t) ist die Einh¨ ullende. In Abb.1.4.1 sind die Realteile von ψ und ξ zu zwei verschiedenen Zeiten gezeichnet. ω0 =

t = −4 s

−20

t = 4s 1

0

1

20

−20

−1

0

−1

Abb.1.4.1 ψ(x, t) und ξ(x, t)

19

20

1 Materiewellen



t = −2 s

t=0 0,5

0,5

0

0

50

50

−0,5

−0,5

t = 2s

t = 4s

0,5

0,5

0

0

50

−0,5

50

−0,5

t = 6s

t = 8s

0,5

0

0,5

0

50

−0,5

Abb.1.4.2

50

−0,5

√ Re(ψ), Im(ψ) und die Einh¨ ullenden ± w

Abb.1.4.2 zeigt die zeitliche Entwicklung eines Wellnpaketes f¨ ur a = 1, b = 1 und v = 4. Mit MAPLE kann man viele dieser Bilder berechnen und dann mit dem Befehl animate als eindrucksvollen Film ablaufen lassen. Es ist deutlich das Zerfließen“ des Wellenpaketes zu erkennen! Aber ” aufgepasst: Nicht das Teilchen selbst wird immer breiter, sondern nur unsere Kenntnis vom Aufenthaltsort des Teilchens! Man beachte die zeitliche Symmetrie der Bilder zum Zeitnullpunkt! Man muss das ganze Geschehen wie folgt interpretieren: Zur Zeit Null wird der Aufenthaltsort des Teilchens gemessen. Das Ergebnis der Messung ist die Funktion w(x, 0), deren Breite die Genauigkeit der Ortsmessung wiederspiegelt. Da w(x, t) f¨ ur t 6= 0 breiter ist als w(x, 0), kann die Geschwindigkeit des Teilchens zum Zeitpunkt der Ortsmessung nicht genau bekannt sein. Genaueres hierzu in den Aufgaben und im n¨ achsten Kapitel.

1.5 Die Unbestimmtheitsrelationen Die Bewegung eines Teilchens der Masse m mit der Geschwindigkeit v0 wird beschrieben durch die Wahrscheinlichkeitsdichte (1.4.26) −a2 (x−v0 t)2

e 2(1+b2 t2 ) a · √ w(x, t) = √ 2π 1 + b2 t 2 mit der Wellenzahlverteilung A(k) = A0 · e−

(k−k0 )2 a2

(1.5.1)

(1.5.2)

der Gruppengeschwindigkeit v0 =

~ k0 p0 = m m

20

(1.5.3)

1 Materiewellen und der Konstanten b=

a2 v0 a2 ~ = 2 k0 2m

(1.5.4)

Wir w¨ahlen eine Zeit t, zu der die Breite ∆x des Wellenpaketes (beim 1e -fachen des Maximalwertes) groß ist gegen seine Breite ∆x0 zur Zeit Null. Aus p 2 2(1 + b2 t2 ) (1.5.5) ∆x = a (Nachweis!) folgt ∆x0 ≪ ∆x

⇐⇒

Wenn das Teilchen exakt die Geschwindigkeit v0 h¨atte, w¨ are es zur Zeit t am Ort x0 = v0 · t (bis auf eine Ungenauigkeit in der Gr¨ oßenordnung der Anfangsbreite, die wir vernachl¨assigen). Ist die Geschwindigkeit des Teilchens aber v = v0 + ∆v, dann befindet es sich zur Zeit t am Ort x = v · t = x0 + ∆v · t. Die Wahrscheinlichkeit Wp daf¨ ur, dass das Teilchen zur Zeit Null einen Impuls aus dem Intervall [p , p + δp] hat ist gleich der Wahrscheinlichkeit, dass seine Geschwindigkeit aus

t≫

1 b

(1.5.6)

w

v0 · t

δx

x0

0

x

x

∆v · t

Abb.1.5.1 Bewegung eines Wellenpakets

dem Intervall [v , v + δv] mit δv = δp m ist. Diese Wahrscheinlichkeit ist aber gleich der Wahrscheinlichkeit Wx , das Teilchen zur Zeit t im Ortsintervall [x , x + δx] mit δx = (v + δv) · t − v · t = δv · t = δp ·

t m

(1.5.7)

zu finden. Bezeichnen wir mit wp die Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ ur den Impuls, dann gilt Wp = wp (p) · δp = Wx = w(x, t) · δx = w(x, t) · δp ·

t m

(1.5.8)

Wegen (1.5.6) gilt 1 + b2 t 2 ≈ b2 t 2

(1.5.9)

Mit guter N¨ aherung folgt dann aus (1.5.8) und (1.5.1) unter Ber¨ ucksichtigung von x − v0 · t = x0 + ∆v · t − x0 = ∆v · t a e t =√ · wp (p) = w(x, t) · m 2π

−a2 ∆v 2 t2 2 b2 t2

bt

·

(1.5.10) t = m (1.5.11)

−a2 ∆p2 2 b2 m2

√ −2 ∆p2 2 √ · e ~2 a2 ~a π

e a (1.5.4) = · =√ b m 2π √ −2 (p−p0 )2 2 √ · e ~2 a2 wp (p) = ~a π

(1.5.12)

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wellenzahl aus dem Intervall [k , k + δk] stammt, ist Wk = wk (k) · δk = wp (p) · δp = wp (~ k) · ~ δk

21

(1.5.13)

1 Materiewellen Damit folgt

√ −2 (k−k0 )2 2 wk (k) = √ · e a2 a π

(1.5.14)

Ein Vergleich mit (1.5.2) zeigt, dass wk (k) = |A(k)|2

(1.5.15)

gilt, wenn A0 geeignet gew¨ ahlt wird. Die Betragsstriche schreiben wir vorsichtshalber, weil A(k) auch komplex sein k¨ onnte. (1.5.12) zeigt, dass nicht nur der Ort des Teilchens, sondern auch sein Impuls eine Gr¨ oße ist, die durch eine Wahrscheinlichkeitsdichte beschrieben wird. Die 1e -Breite der Impulsverteilung ist √ (1.5.16) ∆p = ~ a 2 F¨ ur die Breite der Ortsverteilung folgt f¨ ur t ≫ 1b aus (1.5.5) und (1.5.16) √ ∆p ~a 2 ·t= · t = ∆v · t ∆x(t) = m m

(1.5.17)

∆v ist somit die Geschwindigkeit, mit der das Wellenpaket immer breiter wird. Abb.1.4.2 bzw. Gleichung (1.5.5) entnimmt man, dass das Wellenpaket zur Zeit Null die geringste Breite hat. Diese Tatsache muss man so interpretieren: Zur Zeit t = 0 wird der Ort und der Impuls des Teilchens gemessen. Die Unbestimmtheiten der Messung sind ∆x und ∆p. Zu allen anderen Zeiten (sowohl t > 0 als auch t < 0) ist die Unbestimmtheit des Aufenthaltsortes wegen der Unbestimmtheit des Impulses gr¨oßer als zur Zeit Null. (1.5.5) entnimmt man die Ortsunsch¨ arfe zur Zeit Null: √ 2 2 ∆x = ∆x(0) = a

(1.5.18)

Aus (1.5.16) und (1.5.18) folgt f¨ ur die Unsch¨arfen zur Zeit der Messung ∆x · ∆p = 4 ~ (1.5.19) 1 (f¨ ur -Breiten) e (1.5.19) ist unsere erste Fassung der ber¨ uhmten Unsch¨ arferelation f¨ ur Ort und Impuls, die Werner Heisenberg im Jahre 1927 als erster entdeckte. Heisenberg verwendete aber nicht die 1 e -Breiten der Wahrscheinlichkeitsdichten, sondern die Standardabweichungen von den Mittel¨ werten von Ort und Impuls (Uberpr¨ ufe die folgenden Gleichungen!): hxi = hpi = E D σx2 = (x − hxi)2 = E D σp2 = (p − hpi)2 =

Z∞

−∞ Z∞

−∞ Z∞ −∞ Z∞

−∞

w(x, 0) · x dx = 0

(1.5.20)

wp (p) · p dp = p0

(1.5.21)

w(x, 0) · x2 dx =

1 a2

wp (p) · (p − p0 )2 dx =

22

(1.5.22) 1 2 2 a ~ 4

(1.5.23)

1 Materiewellen Damit lautet die Unsch¨ arferelation ~ σx · σp = 2 (f¨ ur Standardabweichungen)

(1.5.24)

(1.5.19) und (1.5.24) haben wir f¨ ur ein Gauß’sches Wellenpaket abgeleitet. Heisenberg zeigte, dass allgemein ~ σx · σp ≧ (1.5.25) 2 gilt. Das Gleichheitszeichen gilt nur f¨ ur ein Gauß’sches Paket. Im dreidimensionalen Fall gilt: σx · σpx ≧

~ 2

σy · σpy ≧

~ 2

σz · σpz ≧

~ 2

(1.5.26)

Diese Gleichungen m¨ ussen wie folgt interpretiert werden: Misst man bei einer Vielzahl von identisch pr¨aparierten Teilchen gleichzeitig den Ort und den Impuls, dann gelten f¨ ur die Standardabweichungen der Messwerte die Ungleichungen (1.5.26). Abb.1.5.2 zeigt den Zusammenhang zwischen der Standardabweichung σp und einer m¨oglichen Definition der Breite ∆p der Wahrscheinlichkeitsdichte wp (p) (Analoges gilt f¨ ur σx und ∆x). F¨ ur ein Gauß’sches Wellenpaket findet man das Teilchen mit den folgenden Wahrscheinlichkeiten in den entsprechenden Intervallen (die gleichen Wahrscheinlichkeiten gelten f¨ ur die entsprechenden xIntervalle):

wp

σp

σp ∆p

p1

p0

p

p2

Abb.1.5.2 Breite und Standardabweichung

P [p0 − σp , p0 + σp ] = 68,3 % P [p0 − 2 σp , p0 + 2 σp ] = 95,4 % P [p0 − 3 σp , p0 + 3 σp ] = 99,7 % ∆x = 2 σx ∧ ∆p = 2 σp =⇒ ∆x · ∆p ≧ 2 ~ ≈ 0,32 h (68,3 %) ∆x = 4 σx ∧ ∆p = 4 σp =⇒ ∆x · ∆p ≧ 8 ~ ≈ 1,27 h (95,4 %) ∆x = 6 σx ∧ ∆p = 6 σp =⇒ ∆x · ∆p ≧ 18 ~ ≈ 2,86 h (99,7 %)

(1.5.27)

(1.5.28)

Wenn es nur auf Gr¨ oßenordnungen ankommt, schreibt man (1.5.28) meist in der einfachen Form ∆x · ∆p ' h

(1.5.29)

Neben der Unsch¨ arferelation f¨ ur Ort und Impuls gibt es eine analoge Beziehung f¨ ur die Unsch¨arfen von Energie und Zeit. Da die exakte Herleitung dieser Beziehung u ¨ber die Wahrscheinlichkeitsverteilungen der Gr¨ oßen Energie und Zeit nicht ganz einfach ist, beschr¨anken wir uns auf eine Plausibilit¨atsbetrachtung. Als sinnvolle Breite der Energieverteilung eines Gauß’schen Wellenpaketes bietet sich (siehe Abb.1.5.2) ∆E = 2 · σE = E2 − E1 =

23

p2 p22 − 1 2m 2m

(1.5.30)

1 Materiewellen an. Mit p1 = p0 − σp und p2 = p0 + σp folgt daraus σE =

(p0 + σp )2 − (p0 − σp )2 p 0 σp = 4m m

(1.5.31)

Die Wahrscheinlichkeit, das Teilchen im Zeitintervall [t, t + dt] am Ort x = 0 zu finden, ist wt (t) · dt. Das Wellenpaket bewegt sich mit der Gruppengeschwindigkeit v0 = pm0 u ¨ ber den Beobachter am Ort x = 0 hinweg. Als Breite der Zeitverteilung bietet sich daher ∆t = 2 · σt =

∆x 2 σx = v0 v0

(1.5.32)

an. Damit gilt σE · σt =

~ p 0 σp σx · = σx · σp ≧ m v0 2

(1.5.33)

~ 2

(1.5.34)

oder zusammengefasst σE · σt ≧ Analog zu (1.5.29) erh¨ alt man ∆E · ∆t ' h

(1.5.35)

Diese Gleichung muss folgendermaßen interpretiert werden: Werden bei einer Vielzahl von identisch pr¨aparierten physikalischen Zust¨ anden Energiemessungen der mittleren Zeitdauer ∆t ausgef¨ uhrt und bezeichnet ∆E die Unsch¨ arfe der Messwerte, dann gilt (1.5.35). Eine Energiemessung der Dauer ∆t ist also notwendigerweise mit dem Fehler ∆E ≈

h ∆t

(1.5.36)

behaftet. Mit der gleichen Energieunsch¨arfe ist ein physikalischer Zustand behaftet, der nur f¨ ur eine gewisse Zeit ∆t ( Lebensdauer“) existiert. Wir werden in einem sp¨ateren Kapitel mit ” (1.5.36) die Frequenzbreite von Spektrallinien berechnen, die eng mit der Energieunsch¨arfe von atomaren Zust¨ anden zusammenh¨ angt. Die Unsch¨arfebeziehung (1.5.36) zwingt uns auch dazu, den Energiesatz neu zu u ¨berdenken: Verletzungen des Energiesatzes um δE sind f¨ ur Zeitdauern ∆t mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit m¨oglich, wenn δE kleiner oder ungef¨ahr gleich der quantenmechanischen Energieunsch¨arfe ∆E ist:

(1.5.37)

h δE / ∆E ≈ ∆t h So k¨onnen z.B. aus dem Nichts f¨ ur kurze Zeiten ∆t Teilchen der Gesamtenergie m c2 / ∆t entstehen (virtuelle Teilchen). Mit einer entsprechend geringeren Wahrscheinlichkeit k¨onnen auch Teilchen mit einer gr¨ oßeren Energie entstehen. Das Vakuum ist also kein strukturloses Gebilde, sondern von virtuellen Teilchen durchsetzt (Vakuumfluktuationen), die mit real existierenden Teilchen in Wechselwirkung treten. Die Einfl¨ usse dieser Wechselwirkungen sind durchaus messbar und m¨ ussen ber¨ ucksichtigt werden, wenn Energiewerte von quantenmechanischen Zust¨ anden mit hoher Genauigkeit berechnet werden. Es sei noch bemerkt, dass die virtuellen Teilchen nicht wirklich existieren, sondern nur dem Versuch entspringen, sich gewisse Terme in den Gleichungen der Quantenfeldtheorie vorzustellen!

24

1 Materiewellen Bei der Entstehung virtueller Teilchen m¨ ussen gewisse Regeln (Erhaltungss¨atze) eingehalten werden. So k¨ onnen wegen der Ladungserhaltung z.B. keine isolierten geladenen Teilchen wie Elektronen oder Protonen entstehen. Geladene Teilchen entstehen nur mit dem entsprechenden Antiteilchen, das genau die negative Ladung des Teilchens tr¨agt. So kann z.B. ein ProtonAntiproton-Paar f¨ ur die Zeitdauer ∆t /

h h = ≈ 2 · 10−24 s δE 2 m c2

entstehen. ~ eines Teilchens mit dem Impuls p~ und Der Drehimpuls L der Masse m bez¨ uglich eines Punktes O ist definiert durch ~ = ~r × ~ L p = m · ~r × ~v

p ~

α

m

(1.5.38) ~ r

F¨ ur den Betrag des Drehimpulses erh¨alt man ~ = m v r sin α L = |L|

α

(1.5.39) O

Der Drehimpuls ist deshalb eine wichtige Gr¨oße in der Physik, weil f¨ ur ihn wie f¨ ur den Impuls und die Energie ein Erhaltungssatz gilt.

Abb.1.5.3 Drehimpulsdefinition

Der Drehimpuls eines Teilchens, das mit der Geschwindigkeit v eine Kreisbahn mit Radius r beschreibt, ist wegen sin α = 1 (~v ⊥~r) L = mvr = pr (1.5.40)

~v m ∆x

~ r

Da es in der Quantenmechanik wegen der Unsch¨arferelationen keine exakt definierte Teilchenbahn gibt, ist das Folgen¨ de nur eine Plausibilit¨ atsbetrachtung. Ist ∆ϕ die Anderung des Mittelpunktswinkels, dann geh¨ ort dazu die Bogenl¨ange

∆ϕ O

∆x = r · ∆ϕ auf der Kreisbahn. Aus (1.5.29) folgt dann

Abb.1.5.4 Kreisbewegung

∆x · ∆p = ∆ϕ · r · ∆p = ∆ϕ · ∆L ' h

(1.5.41)

∆ϕ · ∆L ' h

(1.5.42)

oder Die gr¨oßtm¨ ogliche Winkelunsch¨ arfe auf der Kreisbahn ist ∆ϕ = 2 π, woraus die kleinstm¨ogliche Drehimpulsunsch¨ arfe h =~ (1.5.43) ∆Lmin ≈ 2π folgt. ~ verwendet man deshalb als Drehimpulseinheit in der Quantenmechanik. ~ = Viele Elementarteilchen haben neben dem Bahndrehimpuls L gendrehimpuls oder Spin bez¨ uglich ihres Schwerpunktes (wie ein um Ball). Die Spins der Elementarteilchen sind ganzzahlige Vielfache von (wie z.B. das Elektron) hat den Eigendrehimpuls 2~ . Es sei bemerkt, dass die exakte Behandlung des Drehimpulses in der komplizierte Sache ist, die unsere M¨ oglichkeiten weit u ¨ bersteigt.

25

~r × ~p noch einen Eiseine Achse rotierender ~ 1 2 . Ein Spin- 2 -Teilchen Quantenmechanik eine

2 Station¨ are Zust¨ ande 2.1 Die Schr¨ odingergleichung In Kapitel 1 haben wir die Bewegung von freien Teilchen behandelt. Auf ein freies Teilchen wirkt keine Kraft, d.h. seine potentielle Energie ist konstant; das freie Teilchen bewegt sich in einem konstanten Potential. Damit man auch Teilchen in einem nicht-konstanten Potential beschreiben kann, muss die schon in (1.3.1) und (1.3.2) angek¨ undigte Grundgleichung der Quantenmechanik gefunden werden. F¨ ur ein freies Teilchen muss nach (1.3.3) eine ebene Welle ψ(x, t) = A · ei(k x−ω t)

(2.1.1)

eine L¨osung der gesuchten Gleichung sein. Differenzieren von (2.1.1) nach x und t liefert ˙ t) = −i ω A ei(k x−ω t) = −i ω ψ(x, t) ψ(x,

(2.1.2)

ψ ′ (x, t) =

i k ψ(x, t)

(2.1.3)

ψ ′′ (x, t) = −k2 A ei(k x−ω t) = −k2 ψ(x, t)

(2.1.4)

W = ~ω

(2.1.5)

˙ t) = −i · W · ψ(x, t) ψ(x, ~

(2.1.6)

˙ t) = W · ψ(x, t) i ~ ψ(x,

(2.1.7)

i k A ei(k x−ω t) =

Mit der Planck-Relation folgt aus (2.1.2)

oder nach Multiplikation mit i ~

Die Gleichungen (2.1.4), (2.1.5) und (2.1.7) gelten f¨ ur ein freies Teilchen. Erwin Schr¨ odinger (1887-1961, Nobelpreis 1933 gemeinsam mit Dirac) forderte, dass diese Gleichungen auch bei Anwesenheit eines beliebigen Potentials erf¨ ullt sein sollen. Aus (2.1.5) wird dann mit der potentiellen Energie V (x) ~ω = W =

p2 ~2 k2 m 2 v + V (x) = + V (x) = + V (x) 2 2m 2m

(2.1.8)

(2.1.8) ist die nichtrelativistische Dispersionsrelation bei Anwesenheit eines Potentials. Einsetzen von (2.1.8) in (2.1.7) liefert 2 ˙ t) = ~ · k2 ψ(x, t) + V (x) · ψ(x, t) i ~ ψ(x, 2m

(2.1.9)

Mit (2.1.4) folgt schließlich die zeitabh¨ angige, eindimensionale Schr¨ odingergleichung (1926) 2 ˙ t) = − ~ · ψ ′′ (x, t) + V (x) · ψ(x, t) i ~ ψ(x, (2.1.10) 2m

26

2 Station¨are Zust¨ande Mit (2.1.10) haben wir eine Gleichung konstruiert, die f¨ ur V (x) = 0 die ebene Welle (2.1.1) als ¨ L¨osung besitzt. Da (2.1.10) linear ist, ist auch jede Uberlagerung ebener Wellen und somit jedes Wellenpaket Z∞ A(k) ei(k x−ω t) dk (2.1.11) ψ(x, t) = −∞

eine L¨osung der Schr¨ odingergleichung mit V (x) = 0. Unser Weg von (2.1.1) zu (2.1.10) ist keinesfalls zwingend! Es k¨onnen sogar unendlich viele lineare Differentialgleichungen aufgestellt werden, die (2.1.1) als L¨osung besitzen (siehe Aufgaben). Ihre Rechtfertigung erh¨ alt die Schr¨odingergleichung nur dadurch, dass sie im nichtrelativistischen Fall alle bekannten Versuchsergebnisse richtig beschreibt! Die Beschreibung zeitabh¨ angiger quantenmechanischer Erscheinungen ist, außer beim freien Teilchen, recht kompliziert und wird meist numerisch in Angriff genommen. Wir wenden uns jetzt dem Studium der sogenannten station¨ aren Zust¨ ande zu: Definition:

Ein physikalischer Zustand, dessen Wellenfunktion nur u ¨ber den Faktor e−i ω t von der Zeit abh¨ angt, heisst station¨ arer Zustand.

F¨ ur einen station¨ aren Zustand gilt also ψ(x, t) = ϕ(x) · e−i ω t mit einer nur vom Ort (und nicht von der Zeit) abh¨angigen Funktion ϕ(x). Wegen 2 w(x, t) = |ψ(x, t)|2 = |ϕ(x)|2 · e−i ω t = |ϕ(x)|2

(2.1.12)

(2.1.13)

ist die Wahrscheinlichkeitsdichte eines station¨aren Zustands von der Zeit unabh¨ angig! Zur Ableitung einer Differentialgleichung f¨ ur die zeitunabh¨angige Funktion ϕ(x) setzt man (2.1.12) in (2.1.10) ein: ~2 · ϕ′′ (x) · e−i ω t + V (x) · ϕ(x) · e−i ω t 2m ~2 ~ ω ϕ(x) = − · ϕ′′ (x) + V (x) · ϕ(x) 2m

i ~ · (−i ω)ϕ(x) · e−i ω t = −

(2.1.14)

Mit der Gesamtenergie W = ~ ω des betrachteten Zustandes und der ortsabh¨angigen potentiellen Energie V (x) lautet die zeitunabh¨ angige Schr¨ odingergleichung −

~2 · ϕ′′ (x) + V (x) · ϕ(x) = W · ϕ(x) 2m

(2.1.15)

Die dreidimensionale Verallgemeinerung von (2.1.15) lautet ~2 · − 2m



∂2ϕ ∂2ϕ ∂2ϕ + 2 + ∂x2 ∂y ∂z 2



+ V (~r) · ϕ(~r) = W · ϕ(~r)

(2.1.16)

Die L¨osung von (2.1.16) f¨ ur eine konstante potentielle Energie V (x) = V0 lautet ϕ(x) = A · eα x + B · e−α x

mit

α=

1p 2 m(V0 − W ), ~

(2.1.17)

wie man leicht durch Einsetzen nachweist. F¨ ur W < V0 ist α reell und ϕ(x) ist die Summe von zwei reellen Exponentialfunktionen. Dieser Fall ist in der klassischen Mechanik nicht m¨oglich, weil die Gesamtenergie als Summe aus potentieller und kinetischer Energie mindestens so groß 27

2 Station¨are Zust¨ande wie die potentielle Energie sein muss. Nach der Quantenmechanik kann sich das Teilchen mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit also an Orten aufhalten, an denen es nach der klassischen Mechanik nie sein kann. Wir werden diesen Fall an konkreten Beispielen noch genau studieren. F¨ ur W > V0 ist die kinetische Energie Wk =

m 2 v = W − V0 2

(2.1.18)

des Teilchens positiv und es gilt α= Aus (2.1.17) folgt

1p i√ 2 2 i −2 m(W − V0 ) = m v = p = ik ~ ~ ~

ϕ(x) = A · ei k x + B · e−i k x

mit k =

p ~

f¨ u r W > V0

(2.1.19)

(2.1.20)

¨ (2.1.20) beschreibt die Uberlagerung einer nach rechts laufenden mit einer nach links laufenden Welle, denn f¨ ur station¨ are Zust¨ ande gilt ψ(x, t) = ϕ(x) · e−i ω t und damit ψ(x, t) = ϕ(x) · e−i ω t = A · ei (k x−ω t) + B · ei (−k x−ω t)

(2.1.21)

Da in (2.1.15) die zweite Ableitung von ϕ(x) nach x steht, muss ϕ(x) mindestens zweimal differenzierbar sein. Notwendig daf¨ ur ist folgende Stetigkeitsforderung: ϕ(x) und ϕ′ (x) sind stetig f¨ ur alle x

(2.1.22)

Mit Hilfe dieser Stetigkeitsforderung (die auch an Unstetigkeitsstellen von V (x) gelten muss) und der Normierungsbedingung Z∞ |ϕ(x)|2 dx = 1 (2.1.23) −∞

werden die Konstanten in ϕ(x) berechnet. Die Konstanten A und B in (2.1.17) und (2.1.20) sind i.a. komplex, d.h. es gilt A = a1 + a2 i und B = b1 + b2 i

(2.1.24)

mit reellen Zahlen a1 , a2 , b1 und b2 . Im Fall W > V0 erh¨alt man aus (2.1.20) die Wahrscheinlichkeitsdichte (siehe Aufgaben)   w(x) = |A|2 · 1 + |D|2 + 2 d1 cos 2kx + 2 d2 sin 2kx   = |A|2 · 1 + |D|2 + 2 |D| sin(2kx + σ) (2.1.25)

mit

D=

B = d1 + d2 i und A

tan σ =

d1 d2

(2.1.26)

F¨ ur den Mittelwert von w(x) erh¨ alt man durch Integration u ¨ ber eine Wellenl¨ange 2π

hwi =

k 2π

Zk 0

 w(x) dx = |A|2 · 1 + |D|2 = |A|2 + |B|2

28

(2.1.27)

2 Station¨are Zust¨ande Zusammenfassung: Die zeitunabh¨ angige Schr¨ odingergleichung f¨ ur ein Teilchen der Gesamtenergie W und der potentiellen Energie V (x) ~2 · ϕ′′ (x) + V (x) · ϕ(x) = W · ϕ(x) − 2m hat f¨ ur V (x) = V0 = konst. die L¨ osung

W < V0 ϕ(x) = A · eα x + B · e−α x

mit α =

W > V0 ϕ(x) = A · ei k x + B · e−i k x

mit k =

1 p · 2 m (V0 − W ) ~ 1 p · 2 m (W − V0 ) ~

  B w(x) = |A|2 · 1 + |D|2 + 2 |D| sin(2kx + σ) mit D = A

und

tan σ =

Re(D) Im(D)

Die Konstanten in ϕ berechnet man nach folgenden Regeln: ˆ Auch an Unstetigkeitsstellen von V (x) m¨ ussen ϕ(x) und ϕ′ (x) stetig sein. ˆ Normierung von ϕ(x) mit

Z∞

−∞

|ϕ(x)|2 dx = 1

2.2 Potentialbarrieren In der klassischen Mechanik wird eine Potentialbarriere der H¨ ohe V0 von einem Teilchen mit der Gesamtenergie W > V0 sicher u ¨ berwunden. Ein Teilchen mit W < V0 kehrt am Ort x0 mit V (x0 ) = W seine Bewegungsrichtung um. Quantenmechanisch k¨ onnte man das Problem Teilchen gegen Potentialbarrie” re“ folgendermaßen angehen: Man sucht eine L¨osung der zeitabh¨ angigen Schr¨ odingergleichung (2.1.10) mit dem zur Zeit Null

V V0 W

x0

x

Abb.2.2.1 Potentialbarriere

bekannten Wellenpaket ψ(x, 0). Diese Methode ist, zumindest numerisch, immer durchf¨ uhrbar, aber recht aufwendig. An den wesentlichen Ergebnissen ¨andert sich nichts, wenn man ein Teilchen mit scharf definiertem Impuls verwendet, dessen Wellenfunktion durch ψ(x, t) = C · ei(k x−ω t) = C · ei k x · e−i ω t

(2.2.1)

gegeben ist (∆p = 0, ∆x = ∞). Wegen (2.1.12) handelt es sich hier um einen station¨aren Zustand mit ϕ(x) = C · ei k x und das Problem wird durch die zeitunabh¨ angige Schr¨odingergleichung (2.1.15) beschrieben. (2.2.1) kann auch als Wellenfunktion eines Stromes von vielen identischen Teilchen gleicher Geschwindigkeit betrachtet werden. Die Gr¨oße dP = |ψ|2 dx = w(x) dx 29

(2.2.2)

2 Station¨are Zust¨ande ist dann proportional zur mittleren Zahl dN der Teilchen im Intervall [x , x + dx]: dN = konst. · w(x) dx

(2.2.3)

Da der Impuls p das gleiche Vorzeichen hat wie k, gilt: Teilchenstrom nach rechts : ϕ(x) = A · ei k x Teilchenstrom nach links : ϕ(x) = B · e−i k x

(2.2.4)

Im Folgenden betrachten wir Beispiele, V0 in denen ein von links einfallender TeilW chenstrom auf eine Potentialbarriere trifft. W2 W1 F¨ ur x < 0 und f¨ ur x > d sei die V2 potentielle Energie konstant (siehe Abb. V1 2.2.2). Ist die Teilchenenergie W kleiner x d 0 als die maximale potentielle Energie V0 , w dann muss das Teilchen, klassisch gesewmax hen, umkehren, d.h. es wird nie in den BewT hwL i reich x > d vordringen. Die L¨ osung der wmin wL Schr¨odingergleichung f¨ ur unser Problem x d 0 zeigt auch f¨ ur den Bereich x > d eine von Null verschiedene AufenthaltswahrscheinAbb.2.2.2 Potentialbarriere lichkeit (Tunneleffekt). Die L¨osung der Schr¨ odingergleichung in den Bereichen mit konstanter potentieller Energie ist f¨ ur W > max(V1 , V2 ) nach (2.1.20)  A · ei k1 x + B · e−i k1 x f¨ ur x < 0 ϕ(x) = (2.2.5) E ei k2 x f¨ ur x > d mit 1 p p1 = · 2 m (W − V1 ) ~ ~ 1 p p2 = · 2 m (W − V2 ) k2 = ~ ~ k1 =

(2.2.6) (2.2.7)

Dem einfallenden Strahl entspricht die Wellenfunktion A · ei k1 x , der Summand B · e−i k1 x muss als Wellenfunktion eines reflektierten Strahls interpretiert werden. Im durchgehenden Strahl, also f¨ ur x > d, gibt es keine reflektierten Teilchen (kein Summand mit e−ik2 x ). Nach (2.1.25) gilt f¨ ur die Wahrscheinlichkeitsdichte  |A|2 + |B|2 + 2 |A| · |B| · sin(2 k1 x + σ) f¨ ur x < 0 (2.2.8) w(x) = 2 |E| f¨ ur x > d Der Mittelwert der Wahrscheinlichkeitsdichte im Bereich links der Barriere ist nach (2.1.27) hwL i = |A|2 + |B|2

30

(2.2.9)

2 Station¨are Zust¨ande Dabei ist |A|2 die Wahrscheinlichkeitsdichte f¨ ur den einfallenden und |B|2 f¨ ur den reflektierten Teil des Teilchenstroms. In einem Zeitintervall ∆t fallen N Teilchen ein, NR Teilchen werden reflektiert und NT Teilchen durchdringen die Barriere. Die Teilchenzahlen sind proportional zu den Wahrscheinlichkeiten, die Teilchen in Ortsintervallen der Breiten v1 · ∆t bzw. v2 · ∆t zu finden:

NR N

NT x

v1 · ∆t

v2 · ∆t

Abb.2.2.3 Teilchenzahlen

 N = ε∗ |A|2 v1 ∆t = ε |A|2 v1  NR = ε∗ |B|2 v1 ∆t = ε |B|2 v1  NT = ε∗ |E|2 v2 ∆t = ε |E|2 v2

(2.2.10)

Der Reflexionskoeffizient R und der Transmissionsskoeffizient T sind die Wahrscheinlichkeiten f¨ ur Reflexion bzw. f¨ ur das Durchdringen der Barriere: R=

|B|2 NR = N |A|2

T =

,

|E|2 · v2 NT = N |A|2 · v1

(2.2.11)

Wir betrachten nur Vorg¨ ange, bei denen keine Teilchen erzeugt oder vernichtet werden, d.h. es gilt NR + NT = N bzw. R+T =1 (2.2.12) Da w(x) nach dem Durchdringen einer Potentialbarriere konstant ist, beginnt man die numerische L¨ osung der Schr¨ odingergleichung f¨ ur Probleme dieser Art im Bereich nach der Barriere und rechnet dann r¨ uckw¨ arts. Da im Bereich nach der Barriere ϕ(x) = E · eik2 x gilt und ϕ∗ (x) = E ·eik2 (x−x0 ) die gleiche Wahrscheinlichkeitsdichte wie ϕ ergibt, kann man die Konstante x0 beliebig w¨ ahlen. Mit einem beliebigen x0 nach der Barriere lauten dann die Anfangsbedingungen f¨ ur die numerische L¨ osung ϕ(x0 ) = E Aus den numerisch gewonnenen Funktionswerten von w im Bereich vor der Barriere berechnet man mit einer geeigneten Interpolation (Parabel durch drei Funktionswerte) das Maximum und das Minimum von w(x). Dazu w¨ ahlt man aus einer m¨oglichst feinen Wertetabelle den maximalen Wert und seine beiden Nachbarn (siehe Abb. 2.2.4). Durch Einsetzen der drei Wertepaare in die Parabelgleichung

,

ϕ′ (x0 ) = i k E

(2.2.13)

w

w2

wmax

w3

w1 x1

x2

x3

x

Abb.2.2.4 Maximumsberechnung

g(x) = a x2 + b x + c

(2.2.14)

erh¨alt man drei Gleichungen zur Berechnung der Koeffizienten a, b und c. Der Scheitelwert der so erhaltenen Parabel ist eine gute N¨ aherung f¨ ur das wahre Maximum von w(x). Analog berechnet man das Minimum und erh¨ alt so (siehe Abb. 2.2.2) hwL i =

1 · (wmin + wmax ) 2 31

(2.2.15)

2 Station¨are Zust¨ande Da bei der numerischen Rechnung |E| bekannt ist (Anfangswerte!), kann man jetzt den Transmissionskoeffizienten T berechnen. Aus N + NR = 2 N − NT

(2.2.16)

hwL i · v1 = 2 |A|2 v1 − |E|2 v2

(2.2.17)

folgt Aufl¨osen nach |A|2 und Einsetzen in (2.2.11) ergibt T =

2 |E|2 k2 2 |E|2 v2 = hwL i · v1 + |E|2 v2 hwL i · k1 + |E|2 k2

(2.2.18)

Da in den messbaren Wahrscheinlichkeiten T und R nur Verh¨altnisse der Betr¨age der Konstanten A, B und E vorkommen, kann eine der Konstanten noch frei gew¨ahlt werden. Zweckm¨aßigerweise w¨ahlt man E = 1 in den Anfangsbedingungen und erh¨alt dann mit (2.2.15) T =

4 k2 (wmin + wmax ) · k1 + 2 k2

(2.2.19)

Als erstes Beispiel betrachten wir eine Potentialschwelle  0 f¨ ur x < 0 V (x) = (2.2.20) V0 f¨ ur x ≧ 0

V V0

mit einer Teilchenenergie W < V0 . Die L¨osung der Schr¨odingergleichung ist (L steht f¨ ur links“, d.h. x < 0 und R f¨ ur ” rechts“, d.h. x > 0, wir w¨ ahlen A = 1) wegen (2.1.17) und ” (2.1.20):

Abb.2.2.5 Potentialschwelle

ϕL (x) = ei k x + B · e−i k x −α x

ϕR (x) = C · e

x

0

(2.2.21)

αx

+D·e

(2.2.22)

mit

1p 1√ 2 m W und α = 2 m (V0 − W ) (2.2.23) ~ ~ Wegen der Normierbarkeit muss D = 0 gew¨ahlt werden. Die Stetigkeitsforderungen bei x = 0 lauten k=

ϕL (0) = ϕR (0)

=⇒

ϕ′R (0)

=⇒ i k − i k B = −α C

=

ϕ′R (0)

1+B =C

(2.2.24) (2.2.25)

Die L¨osung dieses Gleichungssystems ist B=

1 − β2 − 2 β i 1 + β2

und C =

mit α β= = k

r

2 − 2β i 1 + β2

V0 −1 W

F¨ ur die Wahrscheinlichkeitsdichte erh¨alt man mit (2.2.8)  ur x < 0  1 + |B|2 + 2 · |B| · sin(2 k x + σ) f¨ w(x) =  |C|2 · e−2 α x f¨ ur x > 0 32

(2.2.26)

(2.2.27)

(2.2.28)

2 Station¨are Zust¨ande

Abb.2.2.6 zeigt w(x) f¨ ur ein Elektron mit V0 = 1 eV und W = 0,5 eV. Beachtenswert ist das Eindringen des Elektrons in den klassisch verbotenen Bereich x > 0. F¨ ur x < 0 liegt eine typische stehende Welle vor, die durch ¨ Uberlagerung der Wellenfunktionen der einfallenden und reflektierten Teilchen entsteht.

w(x)

2

−20 ˚ A

−10 ˚ A

10 ˚ A

0

Abb.2.2.6 w(x) bei der Potentialschwelle

Als n¨achstes Beispiel betrachten wir eine Rechtecksbarriere der Breite d:  V0 f¨ ur 0 ≦ x ≦ d V (x) = (2.2.29) 0 sonst mit W < V0 . Aus (2.1.17) und (2.1.20) folgt f¨ ur die Wellenfunktion (A = 1 wurde gew¨ ahlt)

V B e−ikx

V0 E eikx

eikx 0

x

d

Abb.2.2.7 Rechtecksbarriere

 ikx + B · e−i k x f¨ ur x < d  e −α ϕ(x) = C e x + D eα x f¨ ur 0 ≦ x ≦ d  E ei k x f¨ ur x > d

(2.2.30)

und aus (2.1.25) f¨ ur die Wahrscheinlichkeitsdichte  ur x < 0  1 + |B|2 + 2 · |B| · sin(2 k x + σ) f¨ w(x) =  |E|2 f¨ ur x > d

(2.2.31)

Mit einem Computeralgebrasystem berechnet man aus den Stetigkeitsforderungen f¨ ur ϕ und ϕ′ an den Stellen x = 0 und x = d die Konstanten B, C, D und E und erh¨alt dann aus (2.2.11) mit A = 1 und v1 = v2 f¨ ur den Transmissionskoeffizienten γ

2

T := |E| =

e2 α d + e−2 α d + γ − 2

mit

  W W γ = 16 · · 1− V0 V0

(2.2.32)

1 1.5

−10 ˚ A

0

0

x

Abb.2.2.8 w(x) bei der Rechtecksbarriere

10 ˚ A

d

Abb.2.2.9 Transmissionskoeffizient

Abb.2.2.8 zeigt w(x) f¨ ur ein Elektron mit V0 = 1 eV, W = 0,9 eV und d = 1 ˚ A. In Abb.2.2.9 ist die Funktion T (d) dargestellt, die wegen der Exponentialfunktion im Nenner mit wachsendem d sehr schnell gegen Null geht.

33

2 Station¨are Zust¨ande Eine sch¨one Best¨ atigung des Tunneleffekts war die theoretische Erkl¨ arung des radioaktiven α-Zerfalls durch Gamow (siehe Abb.2.2.10). Das Potential des α-Teilchens ¨ (4 He-Kern) ist eine Uberlagerung des Coulombpotentials und des Potentials der starken Wechselwirkung.

Abb.2.2.10 α-Zerfall

2.3 Gebundene Zust¨ ande Wir betrachten ein Teilchen der Masse m im Potential  0 f¨ ur 0 ≦ x ≦ a V (x) = (2.3.1) +∞ sonst

V n=3

Die Schr¨odingergleichung −

~2 2m

n=2

ϕ′′ (x) + V (x) ϕ(x) = W ϕ(x)

(2.3.2)

n=1

hat in den Bereichen x < 0 und x > a f¨ ur ein endliches W die L¨ osung ϕ(x) = 0.

0

a

x

Abb.2.3.1 Unendlich tiefer Potentialtopf

Im Intervall 0 ≦ x ≦ a lautet die L¨ osung nach (2.1.20) ϕ(x) = A eikx + B e−ikx

(2.3.3)

Die Stetigkeit von ϕ(x) bei x = 0 ergibt ϕ(0) = A + B = 0 d.h.

=⇒

B = −A

  ϕ(x) = A eikx − e−ikx = A (cos kx + i sin kx − cos kx + i sin kx) ϕ(x) = 2 A i sin kx

(2.3.4) (2.3.5) (2.3.6)

Aus der Stetigkeit von ϕ(x) bei x = a folgt sin ka = 0

=⇒

k = n·

π a

mit n ∈ N0

(2.3.7)

d.h. ϕn (x) =



2 A i sin 0

nπ a

·x



f¨ ur 0 ≦ x ≦ a sonst

(2.3.8)

und 2

wn (x) = |ϕn (x)| =



4 A2 sin2 0

nπ a

·x



f¨ ur 0 ≦ x ≦ a sonst

Die Normierung von ϕ dient zur Berechnung von A: Za Z∞  nπ  2 wn (x) dx = 4 A sin2 · x dx = a −∞ 0 hx  nπ ia a a = − sin ·x = 4 A2 · = 1 2 4nπ a 2 0 34

(2.3.9)

(2.3.10)

2 Station¨are Zust¨ande Damit gilt A2 =

1 2a

und die normierte Wahrscheinlichkeitsdichte lautet wn (x) =



2 a

sin2 0

nπ a

·x



f¨ ur 0 ≦ x ≦ a sonst

(2.3.11)

Die wesentliche Erkenntnis aus unseren Rechnungen ist, dass die Schr¨odingergleichung f¨ ur das eingesperrte Teilchen nur f¨ ur ganz bestimmte Teilchenenergien Wn eine L¨osung hat. Aus (2.3.7) folgt ~2 kn2 ~2 π 2 h2 p2 2 = · n = · n2 Wn = n = (2.3.12) 2m 2m 2 m a2 8 m a2 F¨ ur n = 0 ist w(x) = 0, d.h. es ist u ¨ berhaupt kein Teilchen vorhanden. Die niedrigste Teilchenenergie ist also W1 , d.h. es gibt kein eingesperrtes, ruhendes Teilchen!! Allgemein gilt:

V

V Kontinuum

Kontinuum

W4 metastabil

W3 W2 W1

x diskret

0

Abb.2.3.2 Energiespektrum

x

Abb.2.3.3 Metastabile diskrete Zust¨ande neben einem Kontinuum am Beispiel eines α-Teilchens im Potential des Restkerns

Zu jedem streng gebundenen Zustand (Teilchen in einer Potentialmulde mit unendlich breiten W¨ anden) gibt es nur diskrete Energiewerte Wn mit ganzen Quantenzahlen n. Ausserhalb des Bereichs der streng gebundenen Zust¨ande sind alle Energiewerte m¨oglich (freies Teilchen, Kontinuum, siehe Abb. 2.3.2). Aus einem Potentialtopf mit endlich breiten W¨anden verschwindet das Teilchen nach einer gewissen Zeit (Tunneleffekt). Es existieren quasistation¨ are (metastabile) Zust¨ ande neben einem Kontinuum. In einem Leiter oder Halbleiter bewegen sich die Elektronen im periodischen Potential der Atomr¨ umpfe. Dadurch verbreitern sich die diskreten Energiewerte zu Energieb¨ andern. Im Valenzband (unterstes Band in Abb. 2.3.4) sind die Elektronen an die Atomr¨ umpfe gebunden, im Leitungsband sind sie, innerhalb des Metalls, frei beweglich. Die Zahl N der Elektronen im Leitungsband ist eine Funktion der Temperatur: B

N (T ) = A · e− T

V

Kontinuum Austrittsarbeit Leitungsband

x

Abb.2.3.4 Energiezust¨ande in einem Leiter

mit Konstanten A und B.

35

(2.3.13)

2 Station¨are Zust¨ande EW = 1,9500 eV

EW = 1,9600 eV

EW = 1,9510 eV 5

−5 0

10

20

−100 0

−5

5

EW = 1,9519 eV

EW = 1,9520 eV

1

0

1

0

5

-1

5

5

EW = 1,951924891 eV

1

−5

−5

0

−5

−5

0

5

Abb.2.3.5 Schrittweises Ann¨ ahern an die richtige Wellenfunktion f¨ ur V (x) = x2

Zur numerischen L¨ osung bringt man die Schr¨odingergleichung 2m d2 ψ(X) = 2 · [U (X) − W ] · ψ(X) dX 2 ~

(2.3.14)

in eine einheitenfreie Form. F¨ ur ein Elektron erh¨alt man mit ~ = 6,5821220 · 10−22 MeV s , m = 0,51099906

m MeV , c = 299792458 2 c s

1 X = x˚ A , ψ(X) = ϕ(x) √ , U (X) = V (x) eV , W = EW eV ˚ A die einheitenfreie Gleichung (Aufgabe!) d2 ϕ(x) = B · [V (x) − EW ] · ϕ(x) dx2

mit B = 0,2624664482

(2.3.15)

F¨ ur einen zu x = 0 achsensymmetrischen Potentialtopf muss auch die Wahrscheinlichkeitsdichte w(x) zu x = 0 achsensymmetrisch sein. Die Wellenfunktion ϕ(x) ist dann entweder zu x = 0 achsensymmetrisch (gerade Funktion) oder zum Ursprung punktsymmetrisch (ungerade Funktion). Als Anfangsbedingung w¨ ahlt man f¨ ur gerade Funktionen ϕ(0) = 1 und ϕ′ (0) = 0, ′ f¨ ur ungerade Funktionen ϕ(0) = 0 und ϕ (0) = 1 (ϕ ist damit noch nicht normiert). Um die Normierbarkeit von ϕ zu gew¨ahrleisten, muss lim ϕ(x) = 0 gelten. Durch Probieren findet

ϕ

x→∞

man die richtigen Energiewerte EW (Eigenwerte), f¨ ur die ϕ im Unendlichen verschwindet. Dieses Verfahren ist aber recht zeitaufwendig, da f¨ ur jeden Versuch die Schr¨ odingergleichung numerisch gel¨ost werden muss (siehe Abb.2.3.5). Schneller geht es mit dem Newtonverfahren: F¨ ur ein gen¨ ugend großes x0 berechnet man g(EW ) = ϕ(x0 ) und sucht die L¨osung von g(EW ) = 0.

36

g(EW )

x0

Abb.2.3.6 Newtonverfahren Bestimmung

zur

x

EW-

2 Station¨are Zust¨ande

2.4 Der Franck-Hertz-Versuch Franck und Hertz f¨ uhrten 1914 folgenden Versuch durch (siehe Abb.2.4.1): Eine evakuierte Elektronenr¨ ohre mit einem Quechsilbertropfen im Inneren wird in einem Ofen erhitzt, um eine Hg-Atmosph¨ are zu schaffen. Die Spannung U wird von Null bis ca. 30 V hochgeregelt und dabei der Strom I(U ) mit einem Messverst¨ arker gemessen. Der Verlauf der Funktion I(U ) ist in Abb.2.4.2 dargestellt.

G A

K Hg-Dampf

6,3V ∼

+ −

U

R = 10 kΩ ≈ 30 V −

I

UB

+

Abb.2.4.1 Franck-Hertz-Versuch

Die Maxima von I misst man bei 11,5 16,2 21,6 26,5 U in V 6,8 ∆U in V 4,7 4,7 5,3 4,9 Der Mittelwert von ∆U ist h∆U i = 4,9 V

I nA

(2.4.1) 5

Das Versuchsergebnis kann wie folgt erkl¨art werden: Die Hg-Atome befinden sich 3 im Grundzustand mit der Energie W0 , ihr erster angeregter Zustand hat die Energie 1 W1 = W0 + 4,9 eV. Elektronen mit einer kiU V netischen Energie W < 4,9 eV stoßen nur 0 30 10 20 elastisch mit den Hg-Atomen zusammen und verlieren wegen me ≪ mHg fast keine Abb.2.4.2 I(U ) beim Franck-Hertz-Versuch Energie. Bei U = 4,9 V reicht die kinetische Energie der Elektronen aus, um die Hg-Atome in G den ersten angeregten Zustand zu versetzen. Dabei verlieren die Elektronen ihre gesamte kinetische Energie und k¨onnen U = 4,9 V nicht mehr gegen die Bremsspannung UB zwischen Gitter G und Anode anlaufen, d.h. I wird kleiner. Wird U weiter vergr¨oßert, dann wandert die Zone der unelastischen St¨oße vom Gitter weg nach links. Zwischen dieser Zone und dem 4,9 V < U < 9,8 V Gitter nimmt die kinetische Energie der Elektronen wieder G zu und der ganze Vorgang wiederholt sich. Der offensichtlich falsche Spannungswert des ersten Maximums ergibt sich aus U = 9,8 V einer Verschiebung der ganzen U I-Kurve. Gemessen wird ∗ n¨amlich die Spannung U zwischen Punkten im Inneren Abb.2.4.3 Zonen der unelastischen St¨oße

von Kathode und Gitter. Das Feld zwischen Kathode und Gitter h¨angt aber von der Spannung U zwischen den Oberfl¨ achen der Leiter ab. Da Kathode und Gitter i.a. aus verschiedenen

37

2 Station¨are Zust¨ande

Materialien bestehen (warum?), unterscheidet sich die tats¨achliche Beschleunigungsspannung U um die Differenz der Austrittsarbeiten der verwendeten Materialien von der gemessenen Spannung U ∗ :

A1 U U∗

U ∗ + A1 = U + A2

(2.4.2)

U = U ∗ + A1 − A2

(2.4.3)

A2

und damit

Die genaue Form der U I-Kurve ergibt sich aus der R¨ohrenkennline ohne Hg-Dampf (siehe Abb.2.4.5) und der Maxwellschen Geschwindigkeitsverteilung der aus der Kathode austretenden Gl¨ uhelektronen.

Abb.2.4.4 Die wahre Beschleunigungsspannung U I I0 ohne Hg-Dampf U

Abb.2.4.5 R¨ohrenkennlinie

38

3 Wechselwirkung von elektromagnetischer Strahlung mit Materie ¨ 3.1 Der Ubergang zwischen station¨ aren Zust¨ anden - Spektrallinien Wechselt ein Teilchen von einem station¨aren Zustand ψm = ϕm (x) · e−i ωm t

mit Wm = ~ ωm = h · fm

(3.1.1)

mit Wn = ~ ωn = h · fn ,

(3.1.2)

in einen anderen station¨ aren Zustand ψn = ϕn (x) · e−i ωn t

dann geschieht dieser Wechsel nicht pl¨ otzlich, sondern f¨ ur kurze Zeit sind beide Zust¨ande gleich¨ zeitig vorhanden. F¨ ur den Uberlagerungszustand gilt ψ = ψm + ψn = ϕm (x) · e−i ωm t + ϕn (x) · e−i ωn t

(3.1.3)

¨ und die Wahrscheinlichkeitsdichte des Uberlagerungszustandes ist damit w(x, t) = |ψ|2 = ψ · ψ ∗ =

  = ϕm · e−i ωm t + ϕn · e−i ωn t · ϕ∗m · ei ωm t + ϕ∗n · ei ωn t = = |ϕm |2 + |ϕn |2 + ϕm ϕ∗n · e−i(ωm −ωn )t + ϕ∗m ϕn · ei(ωm −ωn )t

(3.1.4)

¨ Die Wahrscheinlichkeitsdichte oszilliert also im Ubergangszustand mit der Frequenz fmn =

ωmn 1 = |ωm − ωn | = |fm − fn | 2π 2π

(3.1.5)

Bei einem geladenen Teilchen ist die Ladungsdichte ρ zur Wahrscheinlichkeitsdichte w propor¨ tional. Beim Ubergang ψm → ψn mit Wm > Wn (fm > fn ) schwingt also die Ladungsverteilung mit der Frequenz fmn , d.h. es wird eine elektromagnetische Welle der Frequenz fmn ausgestrahlt. ¨ Die Gesamtenergie der bei einem Ubergang ausgestrahlten Welle ist nach dem Energiesatz Wmn = Wm − Wn = h (fm − fn ) = h · fmn F¨allt umgekehrt eine elektromagnetische Welle der Frequenz f auf ein geladenes Teilchen im Zustand ψn (z.B. auf ein Elektron in einem Atom) und ist f gleich einer der Resonanzfrequenzen“ fmn , dann wird der ” Mischzustand ψm + ψn angeregt und das Teilchen geht ¨ mit der Ubergangswahrscheinlichkeit Pmn in den Zustand ψm u ¨ber. Dabei wird der Welle die Energie Wmn = h · fmn entzogen. Die Berechnung von Pmn erfolgt mit der quantenmechanischen Sto ¨rungsrechnung, w¨ urde hier aber zu weit f¨ uhren.

39

(3.1.6)

Wm

fmn Wn

¨ Abb.3.1.1 Ubergang mit Strahlung

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie Es folgt eine Zusammenfassung der bisherigen Ergebnisse: Ein Atom (oder ein anderer quantenmechanischer Zustand) mit den Energieeigenwerten Wν , ν ∈ N0 , kann nur Licht absorbieren oder aussenden, dessen Frequenz gleich einer der Resonanzfrequenzen 1 fmn = (Wm − Wn ) h ist. Ein Atom (oder ein anderer quantenmechanischer Zustand) kann aus einem elektromagnetischen Wellenfeld der Frequenz f nur den Energiebetrag

(3.1.7)

(3.1.8)

W = hf aufnehmen. Die Energie eines von Atomen ausgesandten elektromagnetischen Wellenfeldes der Frequenz f ist ein ganzzahliges Vielfaches von hf = ~ω

Mit der Wellenl¨ ange λmn =

c

(3.1.9)

(3.1.10)

fmn

der ausgesandten bzw. absorbierten Strahlung gilt Wm − Wn = h · fmn =

hc λmn

(3.1.11)

(Bohr’sche Frequenzbedingung) Die Wellenl¨ angen λmn k¨ onnen mit Prismen- oder Gitterspektrometern sehr genau gemessen werden. Die optische Untersuchung von Spektren ist also mit Hilfe von (3.1.11) der experimentelle Weg zur Bestimmung der Energiedifferenzen Wm − Wn . Tritt Licht, das von leuchtenden Gasen (also von wechselwirkungsfreien Atomen) ausgesandt wird, durch ein Gitter, dann beobachtet man einzelne, scharf begrenzte Spektrallinien. Jeder Spektrallinie ist eindeutig eine Wellenl¨ange zugeordnet. Wegen (3.1.11) sind somit die Linienspektren eine direkte experimentelle Best¨atigung f¨ ur die Existenz diskreter Energiewerte von Atomen. Wir betrachten jetzt den Mechanismus der Lichtentstehung etwas genauer: Einem Atom im Grundzustand (W0 ) wird die Energie Wm0 zugef¨ uhrt, das Atom hat dann die Energie Wm . Die Energiezufuhr geschieht durch St¨oße mit anderen Atomen (W¨armebewegung, Gl¨ uhlampe), durch St¨ oße mit Elektronen (Leuchtstoffr¨ohre, Bildschirm) oder durch Licht (Resonanzfluoreszenz). Die angeregten Zust¨ande eines Atoms haben meistens eine sehr kurze Lebensdauer τ in der Gr¨ oßenordnung von 10−8 s. Nach dieser kurzen Zeit gibt das Atom seine Anregungsenergie in einem ein- oder mehrstufigen Prozess in Form von elektromagnetischer Strahlung wieder ab.

40

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie ¨ Einen Uberblick u oglichen Frequenzen, die ein ¨ber alle m¨ quantenmechanisches System ausstrahlen oder absorbieren kann, erh¨ alt man mit einem sogenannten Termschema (siehe Abb. 3.1.2).

W3 W2 f21 W1

Mit Hilfe der Spektralanalyse k¨ onnen die Bestandteile sehr kleiner Proben eines Stoffes ermittelt werden. In einer elektrischen Funkenstrecke z.B. kann die Probe in ein leuchtendes Gas verwandelt und sein Spektrum untersucht werden.

f10 W0

Abb.3.1.2 Termschema

Ein Versuch zur Resonanzabsorption: Das Licht einer Natriumdampflampe wird von einem Spektrometer in seine Bestandteile zerlegt. Man beobachtet eine intensive gelbe Linie bei λ = 589 nm. Anschließend ersetzt man die Natriumdampflampe durch eine Kohlenbogenlampe, die weißes Licht ausstrahlt. Bringt man Natriumdampf in den Strahlengang, dann fehlt im kontinuierlichen Spektrum der Bogenlampe genau die gelbe Natriumlinie bei λ = 589 nm,

Schirm Linse Na Spalt

Lampe

Gitter

Abb.3.1.3 Spektrometer Statt des Gitters kann auch ein Geradsichtprisma verwendet werden

d.h. an dieser Stelle ist eine schwarze Linie zu erkennen (Umkehrung der Natriumlinie). Das Licht mit λ = 589 nm regt die Na-Atome an, die es dann isotrop wieder abstrahlen, d.h. am Ort des Spalts ist diese Wellenl¨ ange nur mit geringer Intensit¨at vertreten (Resonanzstreuung). Das ist ein direkter Beweis f¨ ur die Resonanzabsorption. Als Absorptionsspektrum bezeichnet man ein Spektrum weißen Lichtes mit schwarzen Absorptinslinien. Die Absoptionslinien im Sonnenspektrum werden nach ihrem Entdecker Fraunhoferlinien genannt (J. Fraunhofer, 1814, Straubing). Die Fraunhoferlinien geben Aufschluss u ¨ber die Elemente, die in der Sonnenatmosph¨are vorkommen. Als weiteres Beispiel unserer Theorie der Lichtentstehung betrachten wir die prinzipielle Funktionsweise eines Lasers (Light Amplifier by Stimulated Emission of Radiation): ¨ Ein Atom befinde sich im Energiezustand Wn . Die Wahrscheinlichkeit f¨ ur den spontanen Ubergang in den Grundzustand ist Pn0 . Wird das Atom im Zustand Wn von einer elektromagnetischen 0 ¨ Welle der Frequenz fn0 = Wn −W getroffen, dann ist die Ubergangswahrscheinlichkeit Sn0 in den h Grundzustand viel gr¨ oßer als Pn0 (stimulierte Emission). Man

verwendet

eine

Atomsorte,

f¨ ur

die Wm

Pmn ≫ Pn0

(3.1.12) Wn

ist und die eine nicht zu kleine Wahrscheinlich¨ keit Pmn f¨ ur den Ubergang von Wm → Wn haben. Werden die Atome mit Licht der Frequenz fm0 =

Wm − W0 h

(3.1.13)

bestrahlt, dann gehen die Atome zun¨ achst in den Zustand Wm u ¨ber. Wegen (3.1.12) gibt es mit der Zeit

fn0 W0

Abb.3.1.4 Prinzip des Lasers

immer mehr Atome im Zustand Wn (optisches Pumpen). Jetzt werden die angeregten Atome

41

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie mit Licht der Frequenz

Wn − W0 (3.1.14) h ¨ bestrahlt. Schlagartig nimmt die Wahrscheinlichkeit f¨ ur den Ubergang nach W0 zu (aus Pn0 wird Sn0 ) und alle Atome strahlen fast gleichzeitig eine Welle der Frequenz fn0 ab (Z¨ unden des Lasers). fn0 =

Wir betrachten den Z¨ undvorgang des Lasers etwas genauer: Die einfallende Welle trifft zur Zeit t1 auf das Atom A1 und zur Zeit x t2 = t1 + c

(3.1.15)

x A2

A1 t1

1❥

t2

2❥

Abb.3.1.5 Z¨ unden des Lasers

auf das Atom A2 . Die von den Atomen ausgestrahlten Wellen stehen in einer festen Phasenbeziehung zur einfallenden Welle und haben als bevorzugte Richtung die Richtung der ausl¨osenden Welle. Die von A1 ausgestrahlte Welle 1❥trifft gleichzeitig mit der ausl¨osenden Welle auf A2 , d.h. 1❥und 2❥sind gleichphasig. Der Laser sendet monochromatisches, u ¨ ber große Raumbereiche gleichphasiges (koh¨ arentes) Licht aus. Die Koh¨arenz des Laserlichts ist von viel gr¨oßerer Bedeutung als die hohen Energiedichten, die ein gepulster Laser erzeugen kann.

3.2 Die Lichtquantenhypothese Die Aussagen (3.1.7), (3.1.8) und (3.1.9) k¨onnen auch durch folgende Hypothese gedeutet werden: Eine elektromagnetische Welle der Frequenz f ist in Portionen der Energie (3.2.1)

W =h·f, die sogenannten Lichtteilchen, Lichtquanten oder Photonen, aufgeteilt. Die dynamische Masse eines Photons w¨are dann µ=

W hf = 2 , 2 c c

(3.2.2)

sein Impuls p = µc =

W hf = . c c

(3.2.3)

F¨ ur elektromagnetische Wellen gilt c=f ·λ

oder

ω =c·k

(3.2.4)

h 2π ~ hf = = = ~k c λ λ

(3.2.5)

woraus p=

folgt. F¨ ur Photonen gelten also die Planck-Relation und die de Broglie-Relation genauso wie f¨ ur Materieteilchen. r p c2 m =⇒ m = µ 1 − β 2 = µ 1 − 2 = 0 (3.2.6) µ= p c 1 − β2 d.h.

Photonen haben die Masse m = 0 42

(3.2.7)

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie Aus (3.2.4) folgt f¨ ur die Gruppengeschwindigkeit der Photonen vg =

dω =c dk

(3.2.8)

Licht der Frequenz f besteht aus kleinen Teilchen der Energie hf W = h f mit dem Impuls p = . c (Naives Photonenbild)

(3.2.9)

In Materie ist die Lichtgeschwindigkeit kleiner als c und daher k¨onnen in Materie nach dem naiven Photonenbild u ¨ berhaupt keine Photonen existieren, da wegen m = 0 auch W = 0 und damit f = 0 gelten w¨ urde. Das naive Photonenbild ist also sicher noch keine vollst¨andige physikalische Theorie.

3.3 Der Compton-Effekt 1919 bis 1923 untersuchte A.H. Compton die Streuung von R¨ontgenstrahlung der Frequenz f an freien Elektronen. Als freie“ Elektronen verwende” te er sehr lose an Atome gebundene Elektronen mit einer Ionisierungsenergie A, die sehr klein gegen die Energie Wγ der einfallenden Photonen war. Compton fand heraus, dass die Frequenz f ′ der gestreuten Photonen vom Streuwinkel ϕ abh¨angt. Um eine Formel f¨ ur die Wellenl¨ ange der gestreuten γ-Quanten zu erhalten, benutzen wir das naive Photonenbild, d.h. wir betrachten die Photonen als kleine Teilchen mit der Energie W = h f und dem Impuls p = hcf . Mit der kinetischen Energie We und dem Impuls ~ pe des Elektrons nach dem Stoß gilt Energiesatz: Impulssatz:

h f = h f ′ + We

p ~e

p~γ = ~ pγ + p~e

ε ϕ

vorher pγ =

h f′ hf c

ϕ p′γ =

p ~e

h f′ c

Abb.3.3.1 Compton-Streuung

h f − h f ′ = We

=⇒



v=0

hf



=⇒

p~γ − ~pγ = ~pe

(3.3.1) (3.3.2)

Quadrieren von (3.3.1) und (3.3.2) ergibt mit p~γ p~γ ′ = pγ p γ′ cos ϕ h2 f 2 + h2 f ′ 2 − 2 h2 f f ′ cos ϕ = p2e c2

(3.3.3)

2 h2 f f ′ (1 − cos ϕ) = p2e c2 − We2

(3.3.5)

2

2

2

h f +h f

(3.3.3) − (3.3.4):

′2

2

− 2h f f



=

We2

(3.3.4)

Mit der Energie-Impuls-Relation folgt p2e c2 = W 2 − W02 = (W − W0 ) (W + W0 ) = We (2 W0 + We )

43

(3.3.6)

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie Einsetzen von (3.3.6) in (3.3.5): 2 h2 f f ′ (1 − cos ϕ) = 2 W0 We = 2 W0 h (f − f ′ ) ′



(3.3.7)



h f f (1 − cos ϕ) = W0 (f − f )

f [h f (1 − cos ϕ) + W0 ] = W0 f 1 h f (1 − cos ϕ) + W0 = ′ f W0 f h c c c (1 − cos ϕ) + λ′ = ′ = f W0 f h c (1 − cos ϕ) + λ λ′ = W0

(3.3.8) (3.3.9) (3.3.10) (3.3.11) (3.3.12)

Die Differenz der Wellenl¨ angen von Streustrahlung und einfallender Strahlung ist somit ∆λ = λ′ − λ =

h (1 − cos ϕ) = λC (1 − cos ϕ) me c

(3.3.13)

mit der Compton-Wellenl¨ ange des Elektrons λC =

h = 2,42631 · 10−12 m me c

(3.3.14)

Ein Photon mit der Wellenl¨ ange λC hat die Energie WC = h f C =

hc = me c2 λC

(3.3.15)

Merkregel: Die Compton-Wellenl¨ ange eines Teilchens ist gleich der Wellenl¨ange eines Photons, dessen Energie gleich der Ruhenergie des Teilchens ist.

(3.3.16)

(3.3.13) stimmt ausgezeichnet mit der Erfahrung u ¨berein, d.h. unser Ausgangspunkt der Rechnung, das naive Photonenbild“, f¨ uhrt auf die richtige Funktion f ′ (ϕ). Mit der Kenntnis von f ′ ” bzw. λ′ in Abh¨ angigkeit von ϕ ist aber der Versuchsausgang noch nicht vollst¨andig beschrieben, da noch nicht bekannt ist, wie viele Photonen in die Richtung zwischen ϕ und ϕ + dϕ gestreut werden. Unser naives Photonenbild“ gibt uns keine Handhabe zur Berechnung der Intensit¨ats” verteilung I(ϕ) der Streustrahlung. Im Jahre 1928 gelang es aber Klein und Nishina, I(ϕ) mit Hilfe der Dirac-Gleichung, einer relativistischen Verallgemeinerung der Schr¨odingergleichung, zu berechnen. Klein und Nishina verwendeten als Ausgangspunkt ihrer sehr langwierigen Rechnung die quantenmechanische Theorie des Elektrons (Dirac-Gleichung) und die klassische Theorie des elektromagnetischen Feldes (Maxwell); diese Kombination heißt semiklassische Theorie: Schr¨ odinger (bzw. Dirac) + Maxwell = semiklassische Theorie (3.3.13) kann auch mit der semiklassischen Theorie hergeleitet werden, doch u ¨ bersteigt das den uns gesteckten Rahmen (siehe z.B. D¨ oring, Atomphysik und Quantenmechanik I, S.302-306).

44

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie

dP = w(ϕ) dϕ sei die Wahrscheinlichkeit, dass ein mit dem Elektron wechselwirkendes Photon in den Winkelbereich zwischen ϕ und ϕ+dϕ gestreut wird. Abb.3.3.2 zeigt die von Klein und Nishina berechnete Funktion w(ϕ) als Polardiagramm, wobei die Richtung der waagrechten Achse ϕ = 0 entspricht.

0,4

0

0,4

−0,4

Abb.3.3.2 w(ϕ)

F¨ ur die R¨ uckstoßenergie des Elektrons gilt nach (3.3.1)   1 1 hc hc − ′ = hc − We = λ λ λ λ + ∆λ

(3.3.17)

Mit (3.3.13) erh¨ alt man die Elektronenenergie in Abh¨angigkeit vom Streuwinkel ϕ des Photons:   1 1 − (3.3.18) We = h c λ λ + λC (1 − cos ϕ) We ist maximal, wenn der zweite Bruch in (3.3.18) minimal ist, d.h. f¨ ur cos ϕ = −1: We,max = h c



1 1 − λ λ + 2 λC



(3.3.19)

Um die Richtung zu bestimmen (ε in Abb.3.3.1), in die die Elektronen davonfliegen, setzen wir den Impulssatz vektoriell an:       hf h f′ cos ϕ p cos ε + e   c = c (3.3.20) h f′ − c sin ϕ pe sin ε 0 h f′ hf − cos ϕ c c h f′ sin ϕ pe sin ε = c f ′ sin ϕ tan ε = f − f ′ cos ϕ

(3.3.21)

pe cos ε =

Mit f′ = folgt aus (3.3.23) tan ε =

(3.3.23)

c c = ′ λ λ + λC (1 − cos ϕ)

sin ϕ f f′

(3.3.22)

− cos ϕ

=

sin ϕ f [λ+λC (1−cos ϕ)] c

− cos ϕ sin ϕ 1  =  = 1−cos ϕ (1 − cos ϕ) 1 + λλC 1+ sin ϕ 45

(3.3.24)

=

λC λ



(3.3.25)

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie Mit der trigonometrischen Umformung x tan = 2

r

1 − cos x 1 − cos x = 1 + cos x sin x

(3.3.26)

folgt aus (3.3.25) tan ε =  1+

1 

λC λ

· tan ϕ2

(3.3.27)

Abb.3.3.3 zeigt den prinzipiellen Versuchsaufbau und die gemessene Intensit¨ at der Streustrahlung ϕ f f¨ ur einen festen Streuwinkel ϕ in Abh¨ angigkeit von Blende f′ der Frequenz. Neben der Frequenz f ′ nach der Compton-Formel findet man auch gestreute PhoZ¨ ahler mit Energiemessung tonen mit der Frequenz f der einfallenden StrahI lung. F¨ ur diese Photonen diente nicht ein einzelniedrige Ordnungszahl nes Elektron, sondern ein vollst¨ andiges Atom (bei Gasen) oder sogar der ganze Festk¨ orper als Streupartner. Die Rechnung verl¨ auft in diesem Fall genauso wie bei der Streuung an einem Elektron, im Ergebnis (3.3.13) ist aber die Masse des jeweiligen f f′ f Streupartners in die Comptonwellenl¨ ange λC einzuI hohe Ordnungszahl setzen. Da eine Atommasse oder gar die Masse des ganzen K¨orpers um einige Zehnerpotenzen gr¨oßer ist als die Elektronenmasse, ist λC und somit auch ∆λ um diesen Faktor kleiner als die entsprechende Gr¨oße bei der Streung am Elektron. Die Frequenz des gestreuten Photons ist also fast gleich f . Die f f f′ Wahrscheinlichkeit daf¨ ur, welcher Kanal der Wechselwirkung vom Photon gew¨ ahlt wird, h¨angt davon Abb.3.3.3 Experimentelle Untersuchung ab, wie stark das Elektron an das Restatom gebunder Compton-Streuung den ist. Bei Atomen niedriger Ordnungszahl ist die Bindung der Elektronen schw¨ acher als bei Atomen hoher Ordnungszahl und damit die Wahrscheinlichkeit f¨ ur die Streuung am einzelnen Elektron h¨oher. Die Streuung am ganzen Atom oder am Festk¨orper nennt man auch elastische Streuung, weil sich die Frequenz und damit die Energie des Photons fast nicht ¨andert. Neben der ComptonStreuung und der elastischen Streuung kann das einfallende Photon auch vom Atom absorbiert werden und seine ganze Energie abgeben (Fotoeffekt, siehe n¨achstes Kapitel). Bei gen¨ ugend hoher Energie des Gammaquants k¨ onnen im Feld des Kerns auch neue Teilchen erzeugt werden (Paarerzeugung). ¨ Uberblick u ¨ ber die wichtigsten Wechselwirkungen von Photonen mit Atomen: elastische Streuung: R¨ uckstoßatom und gestreutes Quant Compton-Streuung R¨ uckstoßelektron und gestreutes Quant Gammaquant auf Atom Fotoeffekt: R¨ uckstoßatom und Elektron Paarerzeugung: R¨ uckstoßatom und neue Teilchen

46

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie

3.4 Der Fotoeffekt W

W

W

Kontinuum Kontinuum

Kontinuum Wk

Wk

0

0

0 A

hf

hf

hf

A

Leitungsband

Leitungsband

−A

∆W

Abb.3.4.1 Innerer Fotoeffekt Anheben von Elektronen aus dem Valenzband ins Leitungsband. Der elektrische Widerstand sinkt also bei Lichteinfall (Fotowiderstand).

¨ Abb.3.4.2 Außerer Fotoeffekt Anheben von Elektronen aus dem Leitungsband ins Kontinuum (Abl¨osen von Elektronen aus dem Metall). A heißt Austrittsarbeit oder Abl¨ osearbeit.

Abb.3.4.3 Fotoionisation Abl¨osung eines Elektrons von einem freien Atom. A heißt hier Ionisierungsenergie.

Abl¨osen von Elektronen aus einem Festk¨orper oder von einem Atom oder das Anheben von Elektronen aus dem Valenzband ins Leitungsband bei einem Leiter oder Halbleiter bezeichnet man als Fotoeffekt, wenn dabei das ausl¨ osende Photon seine ganze Energie abgibt (kein gestreutes Photon wie beim Compton-Effekt). Zur Untersuchung des ¨ außeren Fotoeffekts verwendet man eine Fotozelle (siehe Abb.3.4.4):

C¨ asiumkathode

Eine großfl¨ achige C¨ asiumkathode und ein Leiterring befinden sich in einem evakuierten Glasgef¨aß. Wird die Kathode mit Licht bestrahlt, treffen die austretenden Elektronen (Fotoelektronen) zum Teil auf den Leiterring und es fließt ein Fotostrom zwischen den Kontakten 1 und 2. Die Fotozelle ist bei Lichteinfall eine Stromquelle.

2

1

1

2

Abb.3.4.4 Fotozelle mit Schaltbild

Es folgt eine Zusammenstellung einiger Versuche zum Fotoeffekt mit deren Ergebnissen: Eine negativ geladene und fein abgeschmirgelte Zinkplatte (Entfernen der Oxydschicht), die auf ein Elektroskop zum Anzeigen der Ladung gesteckt ist, wird mit dem Licht einer Hg-Lampe bestrahlt: Die Platte entl¨ adt sich. Wird der Versuch mit einer positiv geladenen Platte wiederholt, wird keine Entladung festgestellt. Licht l¨ ost Elektronen von Metall ab (Hallwachs-Effekt).

(3.4.1)

Wird der Abstand der Lichtquelle zu einer Fotozelle verdoppelt, sinkt der Fotostrom auf ein Viertel. Daraus folgt Der Fotostrom und damit die Zahl der abgel¨osten Elektronen ist zur Intensit¨ at des einfallenden Lichtes proportional.

(3.4.2)

Die Messung des Fotostroms mit einem Oszilloskop extrem hoher Zeitaufl¨osung (∆t ≦ 10−8 s) ergibt: Der Fotostrom setzt praktisch sofort mit der Bestrahlung ein. (3.4.3)

47

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie Die maximale kinetische Energie der Fotoelektronen wird mit der Gegenfeldmethode gemessen (siehe Abb.3.4.5): Mit geeigneten Filtern (farbige Gl¨aser) werden der Reihe nach die Wellenl¨ angen des Hg-Spektrums einer Quecksilberdampf-Hochdrucklampe ausge-

Filter FZ

Messverst¨ arker

U

+ R

Hg-Lampe



IF

Abb.3.4.5 Gegenfeldmethode

siebt und damit eine Fotozelle bestrahlt. Zwischen die Kathode und die Anode der Fotozelle wird eine Gegenspannung U gelegt, die von den Fotoelektronen u ¨berwunden werden muss. Man stellt U so ein, dass der Fotostrom IF gerade verschwindet (U = U0 ). In diesem Fall erreichen auch die schnellsten und unter dem g¨ unstigsten Winkel ausgetretenen Elektronen die Anode nicht mehr. Die maximale kinetische Energie der Fotoelektronen ist also Wk = e · U0 . Ek [eV]

2

fg 1

−1

5

  f 1014 Hz Wk [eV]

8

8,22 1,45

6,88 0,94

5,50 0,33

  f 1014 Hz

5,19 0,22

−2

Abb.3.4.6 Gegenfeldmethode (Versuchsergebnis)

Der Versuch mit der Gegenfeldmethode liefert folgende Ergebnisse: Die kinetische Energie h¨angt nicht von der Intensit¨at, sondern nur von der Frequenz der einfallenden Strahlung ab.

(3.4.4)

Es existiert eine materialabh¨angige Grenzfrequenz fg ; f¨ ur Licht mit einer kleineren Frequenz gibt es keine Fotoelektronen.

(3.4.5)

F¨ ur die kinetische Energie der Fotoelektronen gilt Wk = h f − A

(3.4.6)

(Lichtelektrische Gleichung; Einstein, Lenard, 1905) Man beachte, dass (3.4.6) vor der Entdeckung der Quantenmechanik gefunden wurde. Mit unserem Kenntnisstand ist diese Gleichung eine triviale Anwendung des Energiesatzes und der Bohr’schen Frequenzbedingung, f¨ ur Einstein hingegen war das Aufstellen dieser Gleichung eine radikale Abkehr von der klassischen Theorie des Lichtes (Maxwell). F¨ ur uns ist das in Abb.3.4.6 dargestellte Versuchsergebnis eine sch¨one Best¨atigung unserer bisherigen Theorie und eine weitere Methode der experimentellen h-Bestimmung (Steigung der Geraden durch die Messwerte). 48

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie Außerdem folgt aus dem Versuch die Austrittsarbeit A des verwendeten Kathodenmaterials der Fotozelle. 1931 untersuchte Chaffee die Winkelabh¨angigkeit der Intensit¨atsverteilung der Fotoelektronen. Das Versuchsergebnis (siehe Abb.3.4.8) steht im Widerspruch zu der Verteilung, die man nach dem naiven Photonenbild erwarten w¨ urde (siehe Abb.3.4.7).

I(ϕ)

hf

hf

ϕ

keine R¨ uckstreuung

~ E

keine Streuung f¨ ur ϕ = 0

Abb.3.4.7 Naives Photonenbild

Abb.3.4.8 Semiklassische Theorie

Die klassische Physik (Newton und Maxwell) kann das Auftreten von Fotoelektronen erkl¨aren (erzwungene Schwingung der Elektronen im Feld der einfallenden Welle), doch w¨are die Amplitude der Schwingung und somit auch die Energie des Elektrons von der Amplitude und damit der Intensit¨at des einfallenden Lichtes abh¨angig (Widerspruch zu (3.4.4)). In der folgenden Tabelle ist zusammengestellt, welche Theorie welches Versuchsergebnis erkl¨art: Versuch klassisch naives Photon“ ” semiklassisch

(3.4.1) ja ja ja

(3.4.2) ja ja ja

(3.4.3) nein ja ja

(3.4.4) nein ja ja

(3.4.5) nein ja ja

(3.4.6) nein ja ja

Die Versuche entscheiden eindeutig zugunsten der semiklassischen Theorie!

49

I(ϕ) ja nein ja

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie

3.5 Der Wirkungsquerschnitt Will man z.B. die Wahrscheinlichkeit f¨ ur das Auftreten des Comptoneffektes in Abh¨angigkeit von der Wellenl¨ ange der einfallenden Strahlung messen, dann l¨asst man eine Strahlung der Intensit¨at I0 und der Wellenl¨ ange λ auf einen K¨orper, das sogenannte Target (Ziel), fallen und misst, gegebenenfalls in Abh¨ angigkeit von der Richtung, die Intensit¨at der gestreuten Strahlung. Die meisten experimentellen Ergebnisse der Quantenmechanik und der Elementarteilchenphysik werden durch Streuexperimente dieser Art gefunden.

N0 Teilchen im Zustand Z0

N = N0 + dN Teilchen im Zustand Z0

dx

N0 Teilchen, die sich im Zustand Z0 befinden, durchdringen ein sehr d¨ unnes Target der Fl¨ ache A und der Dicke dx.

dN = −dN Teilchen im Zustand Z

Target

Abb.3.5.1 Streuexperiment

̺ dn M dm z

: : : : :

Dichte des Targetmaterials Zahl der Teilchen (Atome, Molek¨ ule) im Target Masse der Targetatome Masse des Targets Teilchendichte des Targets dm = M · dn = ̺ · dV = ̺ A dx

(3.5.1)

̺ dn = (3.5.2) dV M Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen beim Durchgang durch das Target vom Zustand Z0 in den Zustand Z u ¨ bergeht, ist dN P = (3.5.3) N0 z=

Zu jedem Atom des Targets denken wir uns eine auf der Flugrichtung der Teilchen senkrecht stehende Querschnittsfl¨ ache σ. σ muss nichts mit der geometrischen“ Fl¨ ache des Atoms zu tun ” haben. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Teilchen beim Durchgang durch das Target mindestens eine der gedachten Querschnittsfl¨ achen trifft, ist P′ =

dn · σ A

(3.5.4)

σ

σ

σ

σ

σ

σ

σ

σ

Abb.3.5.2 Wirkungsquerschnitt

¨ σ heißt Wirkungsquerschnitt der Targetatome f¨ ur den Ubergang von Z0 nach Z, wenn P ′ = P gilt, d.h. wenn dN σ · dn = (3.5.5) A N0 Aus (3.5.1) und (3.5.2) folgt dn = z dV = z A dx und daraus mit (3.5.5) σ · dn dN = = σ z dx N0 A

(3.5.6)

dN = N0 σ z dx

(3.5.7)

oder

50

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie

F¨ ur ein nicht extrem d¨ unnes Target ist in (3.5.7) N0 durch N (x) (die Zahl der Teilchen im Zustand Z0 am Ort x) zu ersetzen. Damit erh¨alt man dN = −dN = −N (x) σ z dx oder

dN = −σ z dx N

dx

N0

N + dN

N

(3.5.8) 0

(3.5.9)

x

x

x + dx

Abb.3.5.3 Lambert’sches Gesetz

Integration von (3.5.9) liefert ln N = −σ z x + C ′ ,

(3.5.10)

woraus ′

N = e−σ z x+C = C · e−σ z x

(3.5.11)

folgt. Aus N (0) = N0 folgt C = N0 und damit das Lambert’sche Gesetz N (x) = N0 e−α x

(3.5.12)

̺ M

(3.5.13)

mit α=σ·z =σ·

Die Halbwertsdicke xh des Targets ist durch N (xh ) = xh =

ln 2 α

1 2

N0 definiert. Aus (3.5.12) folgt (3.5.14)

Im Fall der Absorption bedeutet der Zustand Z, dass das Teilchen nicht mehr vorhanden ist. N ist dann die Zahl der noch vorhandenen Teilchen, α nennt man den Absorptionskoeffizienten und σ heißt in diesem Fall der Absorptionsquerschnitt. Ist der Zustand Z durch das Teilchen wurde gestreut“ gekennzeichnet, dann nennt man σ den ” Streuquerschnitt. Das Lambert’sche Gesetz gilt nur dann, wenn ein in den Zustand Z versetztes Teilchen nicht mehr in den Zustand Z0 zur¨ uckkehren kann (Alles-oder-nichts-Wechselwirkung). (3.5.12) gilt z.B. f¨ ur die Absorption von Photonen durch den Fotoeffekt oder die Paarerzeugung und in guter N¨aherung auch f¨ ur die Rayleigh- und Compton-Streuung.

51

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie

3.6 Die wesentlichen Wechselwirkungen elektromagnetischer ¨ Strahlung mit Materie-Uberblick Haupts¨achlich gibt es vier Arten von Wechselwirkung elektromagnetischer Strahlung mit Materie. Im Folgenden bezeichnet A die Ionisierungsenergie des am schw¨achsten gebundenen Elektrons, f1 < f2 < ... < fn sind die Resonanzfrequenzen der beteiligten Atome, me ist die Ruhmasse des Elektrons, f die Frequenz der einfallenden und f ′ die Frequenz der gestreuten Strahlung. Z sei die Ordnungszahl (Zahl der Elektronen) der beteiligten Atome.

3.6.1 Koh¨ arente Streuung oder Rayleigh-Streuung (f = f ′ ) F¨ ur Wellenl¨ angen, die groß gegen die Abmesseungen eines Atoms sind (λ ≫ 10−10 m), d.h. f¨ ur 4 hf ≪ 10 eV, kann das elektrische Feld der Welle u ¨ber den Bereich des Atoms als konstant angesehen werden. Die elastisch an den Kern gebundenen Elektronen schwingen dann im Takt der einfallenden Welle und bilden somit selbst einen schwingenden Dipol, der Licht in alle Richtungen aussendet (Rayleigh-Streuung). Mit dem klassischen Elektronenradius re =

e2 4 π ε0 me c2

(3.6.1)

und dem Thomson-Querschnitt

8π 2 · re (3.6.2) 3 gilt f¨ ur den Wirkungsquerschnitt der Rayleigh-Streuung außerhalb der Resonanzfrequenzen σTh =

σR ∼ Z 2 · f 4

f¨ ur f ≪ f1

σR = Z 2 · σTh

f¨ ur fn ≪ f ≪ 104 eV

lim σR = 0

f →∞

(3.6.3) (3.6.4) (3.6.5)

F¨ ur eine Resonanzfrequenz ist der Wirkungsquerschnitt σRes =

e2 τ , ε0 me c

(3.6.6)

wobei τ die mittlere Lebensdauer des angeregten Zustands ist. τ liegt in der Gr¨oßenordnung von 10−8 s. Wegen der endlichen Masse des streuenden Atoms ist f ′ nicht exakt gleich f , sondern etwas kleiner. f ′ berechnet man mit der Comptonformel, wobei die Masse me des Elektrons durch die Masse M des freien Atoms ersetzt werden muss (Comptoneffekt am ganzen Atom). Die koh¨arente Streuung an Atomen im Kristall ist die Grundvoraussetzung f¨ ur die Braggreflexion.

3.6.2 Comptonstreuung Die klassische Behandlung der Streuung von elektromagnetischen Wellen an freien Elektronen (J.J. Thomson) liefert als Streuquerschnitt den Thomsonquerschnitt (3.6.2). Nach der klassischen Rechnung schwingen die Elektronen im Takt der einfallenden Strahlung mit, d.h. es ist f ′ = f . Die korrekte Beschreibung der Streuung an freien Elektronen mit der Quantenmechanik liefert die Comptonformel. Hier gilt n¨aherungsweise f¨ ur kleine Frequenzen f ′ ≈ f . Der Wirkungsquerschnitt f¨ ur die Comptonstreuung wurde 1929 von Klein und Nishina mit Hilfe der Diracgleichung, einer relativistischen Verallgemeinerung der Schr¨odingergleichung, berechnet:    4 8 1 1 8 2 1 (3.6.7) σC = 2 π re · · 1 − − 2 · ln(1 + x) + + − x x x 2 x 2 (1 + x)2 mit x=

2hf me c2 52

(3.6.8)

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie F¨ ur hf ≪ me c2 gilt

σTh , (3.6.9) 1+x d.h. σC geht f¨ ur kleine Frequenzen in den Thomsonquerschnitt u ¨ber. Die Comptonformel σC ≈

λ′ = λ + λC (1 − cos ϕ)

(3.6.10)

und die Formel (3.6.7) von Klein-Nishina gelten exakt nur f¨ ur wirklich freie Elektronen, in guter N¨aherung aber auch f¨ ur gebundene Elektronen, deren Ionisierungsenergie bzw. Austrittsarbeit klein gegen hf ist. Der Wirkungsquerschnitt eines Atoms mit Z Elektronen f¨ ur Comptonstreuung an Elektronen ist σC,Atom = Z · σC (3.6.11) σC,Atom darf nicht mit dem Streuquerschnitt des Comptoneffekts am ganzen Atom“ (me durch ” mAtom ersetzen, Rayleighstreuung) verwechselt werden!

3.6.3 Fotoeffekt F¨ ur hf > A tritt neben der koh¨ arenten Streuung und der Comptonstreuung als weiterer Kanal der Wechselwirkung noch der Fotoeffekt auf. Der Wirkungsquerschnitt σF von H-Atomen f¨ ur den Fotoeffekt kann analytisch berechnet werden. Mit A = 13,6 eV gilt  7  f¨ ur hf = A 10 · σTh 7   (3.6.12) σF (f ) ≈ A 2  f¨ ur A ≪ hf ≪ me c2 1,5 · 106 · σTh · hf F¨ ur andere Atome ist σF viel gr¨ oßer, da im Bereich hf ≫ A der Wirkungsquerschnitt σF ungef¨ahr proportional zu Z 5 ist.

3.6.4 Paarerzeugung F¨ ur hf > 2 me c2 kann sich ein Photon im Feld eines Kerns (der Kern nimmt Impuls auf) in ein Elektron-Positron-Paar verwandeln. Der Wirkungsquerschnitt f¨ ur Paarerzeugung ist   3    π · Z 2 r 2 · hf − 2  f¨ ur hf ' 2 me c2  e 2  1644 m c  e       2hf 109 137 28 2 2 (3.6.13) σP (f ) = · Z re · ln − f¨ ur 2 me c2 ≪ hf ≪ 1 me c2 2  1233 me c 42  3 Z         28 1 183 137  2 2  − · Z re · ln f¨ ur hf ≫ 1 me c2  1 1233 42 Z3 Z3

Die Berechnung der Wirkungsquerschnitte findet man z.B. in Landau, Lifschitz, Lehrbuch der theoretischen Physik, Bd. IVa. Die heute beste Beschreibung der Wechselwirkung elektromagnetischer Strahlung mit Materie ist die 1928 von Dirac begonnene und in den F¨ unfzigerjahren des zwanzigsten Jahrhunderts von Schwinger, Tomonaga und Feynman vollendete Quantenelektrodynamik (QED). Die QED sagt eine mit der semiklassischen Theorie (Schr¨odinger und Maxwell) nicht erkl¨arbare Verschiebung der Energieniveaus von Atomen voraus (Lambshift), die 1949 von Kroll, Lamb, Weißkopf und French berechnet wurde (∆W ≈ 10−6 eV).

53

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie σ

1015 σTh 107 σTh

R

σTh

ay lei

gh

σ

R

om on pt

Rayleigh σ R

C

Fotoeffekt σF

0 · σP ng 1 u g u e rerz Paa

σC

1

10−1

102

10

104

103

105

A

106 2me

107

108

109

h f [eV]

1012

1011

1010

c2

Abb.3.6.1 Wirkungsquerschnitte f¨ ur die Streuung von Photonen an H-Atomen

t

t γ′

A

A

A

γ

x f′

=f

Rayleigh

e−

τ

τ

γ

=f

Resonanzstreuung

f′

e−

e+

γ

A

A

x

x

x f′

γ

e−

A

A

e−

γ′

γ

t

t

t

γ′

A

x

0) ist die potentielle Energie und damit auch die Gesamtenergie W immer positiv, es gilt e > 1 und die Bahnkurve ist eine Hyperbel (siehe Abb.4.1.5). Es fehlt noch die Berechnung des Ablenkwinkels ϕ. Abb.4.1.6 entnimmt man ϕ = π − 2 ϑ0 (4.1.44) ϑ0 erh¨alt man aus (4.1.41) durch Nullsetzen des Nenners, weil dann r gegen Unendlich geht: cos ϑ0 = −

1 e

α ϕ ϑ0

(4.1.45)

K

Aus (4.1.44) und (4.1.45) folgt      π 1 1 − arccos − =2 ϕ = π − 2 arccos − e 2 e

ϑ0

s

oder mit Hilfe einer Formelsammlung Abb.4.1.6 Ablenkwinkel



1 ϕ = −2 arcsin − e



  1 = 2 arcsin e

(4.1.46)

Zur Herleitung der Streuformel m¨ ussen wir ϕ durch den Stoßparameter s ausdr¨ ucken. Mit der Geschwindigkeit v0 des α-Teilchens im Unendlichen gilt m 2 v (4.1.47) L = m v0 s und W = 2 0 Mit (4.1.43) und (4.1.47) geht (4.1.46) u ¨ ber in ϕ = 2 · arcsin B

mit B = s

Mit Hilfe von 1 √ = 1 − B2

s

1+



1 1+

m s v02 α

m s v02 α 60



m s v02 α

2

2

(4.1.48)

(4.1.49)

4 Atommodelle berechnet sich die Ableitung von (4.1.48) nach s zu dϕ = ds

−2 m v02 2 !  m s v02 1+ α

α

(4.1.50)

Einsetzen von (4.1.50) in (4.1.5) ergibt

dσ = dΩ

αs

1+



2 m v02

m s v02 α

2 !

sin ϕ

=

αs 2 m v02 B 2

(4.1.51)

sin ϕ

Aus (4.1.48) folgt ϕ sin = B 2

und 1 +



m s v02 α

2

=

1 1 = B2 sin2

(4.1.52)

ϕ 2

Damit kann man sin ϕ umschreiben: r ϕ ϕ ϕ ϕ sin ϕ = 2 sin cos = 2 sin 1 − sin2 = 2 2 2 2 p ϕ ϕ m s v02 (4.1.49) 1 − B 2 = 2 sin · B · = 2 sin = 2 2 α ϕ m s v02 · sin2 =2· α 2

(4.1.53)

(4.1.52) und (4.1.53) in (4.1.51) liefert endg¨ ultig die Rutherford’sche Streuformel: dσ = dΩ

αs 2 m v02

m s v02 ϕ ϕ ·2· · sin2 sin 2 α 2 2

=

α2 1 · 4 2 4 m v0 sin4

ϕ 2

(4.1.54)

oder dσ =

α2 dΩ · 4 2 4 m v0 sin4 ϕ2

61

(4.1.55)

4 Atommodelle Es folgen, ohne Beweis, einige Formeln f¨ ur Ellipsenbahnen, wenn die Masse M des Zentralgestirns sehr groß gegen die Masse m des Satelliten ist. Das Zentralgestirn befindet sich in einem Brennpunkt der Ellipse (B1 ), der auch der Ursprung des Koordinatensystems ist. Der sonnenfernste Punkt der Ellipse heißt Aphel (A), der sonnenn¨ achste Punkt ist der Perihel (P ). a ist die große Halbachse, b die kleine Halbachse.

v0

b B2 A

a

a·e

B1

r0

ϑ

M

P

r

Q

Abb.4.1.7 Keplerellipse

r(ϑ) =

p 1 + e cos ϑ

r0 = r(0) = B1 P =

a=

a = B1 Q + B2 Q p 1+e

r(π) = B1 A =

p 1 − e2

b= √

(4.1.56)

p 1−e

(4.1.57)

p 1 − e2

(4.1.58)

r0 v02 e= − 1 γM

r2 v2 p= 0 0 γM

4.2 Das Bohr’sche Atommodell

(4.1.59)

Das Rutherford’sche Atommodell (Newton und Maxwell auf kreisendes Elektron anwenden) liefert keinen Anhaltspunkt f¨ ur diskrete Energiewerte des Atoms. Wir versuchen daher folgende Modellvorstellung: rn

Das Elektron im H-Atom wird als stehende Materiewelle um den Kern herum beschrieben (siehe Abb.4.2.1). n=6

F¨ ur die Wellenl¨ ange dieser Materiewelle gilt dann n · λ = 2 π rn Mit der de Broglie-Relation

λ=

(4.2.1) h m e vn

Abb.4.2.1 Stehende Welle um den Kern

folgt dann me vn rn = n · ~ (1. Bohr’sches Postulat)

(4.2.2)

Niels Bohr hat dieses Postulat 1913 aufgestellt, um die experimentellen Ergebnisse zu erkl¨aren (de Broglie ver¨ offentlichte seine Relation erst 1924!!). In Worten lautet das 1. Bohr’sche Postulat: Der Bahndrehimpuls Ln = me vn rn des Elektrons kann nur ein ganzzahliges Vielfaches von ~ sein!

62

4 Atommodelle Weiter forderte Bohr, dass die Elektronen auf den Bohr’schen Bahnen, im Gegensatz zur Maxwell’schen Theorie, strahlungsfrei kreisen! Die Bohr’sche Frequenzbedingung h f = Wm − Wn

(4.2.3)

wird auch als 2. Bohr’sches Postulat bezeichnet. Im Einelektronensystem (z.B. H, He+ , Li++ , Be+++ usw.) spielt die elektrische Kraft die Rolle der Zentripetalkraft, d.h. es gilt Z e2 me vn2 = 2 4 πε0 rn rn

vn

(4.2.4)

Z·e Fe

Aufl¨osen von (4.2.2) nach vn , Einsetzen in (4.2.4) und Aufl¨osen nach rn liefert rn =

4 πε0 ~2 2 ε0 h2 · n2 · n = Z me e2 Z me e2 π

rn

(4.2.5) Abb.4.2.2 Kr¨afte auf das e−

Mit rH1 bezeichnen wir den Radius des Wasserstoffatoms f¨ ur n = 1 (1. Bohr’scher Radius): rH1 =

ε0 h2 = 0,529 ˚ A me e2 π

(4.2.6)

Damit gilt f¨ ur ein beliebiges Einelektronensystem mit der Kernladungszahl Z: rn =

rH1 2 0,529 ˚ A 2 ·n = ·n Z Z

(4.2.7)

Mit (4.2.4) erh¨ alt man f¨ ur die potentielle und die kinetische Energie des Elektrons Wpot = −

Z e2 4 πε0 rn

und Wkin =

me 2 1 Z e2 vn = · 2 2 4 πε0 rn

(4.2.8)

Die Gesamtenergie des Elektrons auf der n-ten Bahn ist dann 1 Z e2 1 Wn = Wkin + Wpot = − Wpot + Wpot = Wpot = − 2 2 8 πε0 rn

63

(4.2.9)

4 Atommodelle

Mit (4.2.5) folgt aus (4.2.9)

W

me · Wn = − 8 Mit me C= · 8



e2 ε0 h

2



Z e2 ε0 h

2

1 · 2 n

0

(4.2.10)

W∞

W3 W2

−18

= 2,179 · 10

J = 13,60 eV

(4.2.11)

folgt Wn = −Z 2 · C ·

1 W1 = 2 2 n n

(4.2.12)

Die Ionisierungsenergie eines Einelektronensystems im Grundzustand ist WIon = W∞ − W1 = Z 2 · C = Z 2 · 13,60 eV

(4.2.13) W1

Abb.4.2.3 Energiespektrum

¨ Beim Ubergang von Wm nach Wn wird elektromagnetische Strahlung der Wellenl¨ange λmn ausgesandt. Es gilt   1 Wm − Wn 1 1 = = Z 2 · R∞ · − (4.2.14) λmn hc n 2 m2 mit der Rydbergkonstanten R∞ =

me e4 1 C = = 1,097 · 107 2 3 hc m 8 ε0 h c

(4.2.15)

ur eine unendliche Kernmasse (keine Ber¨ ucksichtigung der KernmitbeDas ∞“ in R∞ steht f¨ ” wegung). Es gilt RH ≈ R∞ (siehe Aufgaben).

64

4 Atommodelle

4.3 Quantenmechanische Atomtheorie Das Bohr’sche Atommodell erkl¨ art die Energiewer¨ te von Einelektronensystemen in bester Ubereinstimmung mit dem Experiment. Dieses Modell kann aber folgende Eigenschaften der Atome nicht erkl¨aren:

z z P (x|y|z)

ˆ Die dreidimensionale Gestalt

~ r

ˆ Die magnetischen Eigenschaften

ϑ y

0

ˆ Die Spektren der Mehrelektronenatome

ϕ

y

x

¨ ˆ Die Auswahlregeln f¨ ur erlaubte Uberg¨ ange (Spektrallinien zu bestimmten Energiedifferenzen fehlen)

F (x|y|0)

x OF = r · sin ϑ

x = r · sin ϑ cos ϕ

ˆ Die Feinstruktur (Aufspaltung) der Energieniveaus

y = r · sin ϑ sin ϕ z = r · cos ϑ

Abb.4.3.1 Kugelkoordinaten

Schreibt man die dreidimensionale Schr¨odingergleichung f¨ ur das H-Atom  2  ∂ ϕ ∂2ϕ ∂2ϕ ~2 · + 2 + + V (~r) · ϕ(~r) = W · ϕ(~r) − 2m ∂x2 ∂y ∂z 2

(4.3.1)

auf Kugelkoordinaten um (siehe Abb.4.3.1), dann erh¨alt man mit der potentiellen Energie V (~r) = −

e2 4 π ε0 r

(4.3.2)

eine von r, ϑ und ϕ abh¨ angige L¨ osung, die in der Form ψ(r, ϑ, ϕ) = R(r) · Θ(ϑ) · Φ(ϕ)

(4.3.3)

geschrieben werden kann. Die selbstverst¨andlichen Bedingungen lim ψ(r, ϑ, ϕ) = 0 und ψ(r, ϑ + 2π, ϕ + 2π) = ψ(r, ϑ, ϕ)

r→∞

(4.3.4)

lassen f¨ ur die in den Funktionen R, Θ und Φ auftretenden Konstanten n, l und m nur ganze Zahlen mit folgenden Zusatzbedingungen zu: Zu jeder Hauptquantenzahl n kann l die Werte 0, 1, 2 ... , n − 1 und zu jedem l kann m die Werte 0, ±1, ±2 ... , ±l annehmen. n

l:

0

1

2

3

...

n−1

m:

0

z }| { 0, ±1

z }| { 0, ±1, ±2

z }| { 0, ±1, ±2, ±3

...

z }| { 0, ±1, ... , ±(n − 1)

Abb.4.3.2 Quantenzahlen

65

4 Atommodelle Zu jedem Wert von l gibt es 2l + 1 verschiedene Werte von m. Die Gesamtzahl der verschiedenen Wellenfunktionen zu einer festen Hauptquantenzahl n ist also 1 + 3 + 5 + ... + (2n − 1) = n2

(4.3.5)

(siehe Aufgaben). Zu jedem Zustand (n, l, m) gibt es noch zwei Einstellungen des Eigendrehimpulses oder Spins des Elektrons, was durch eine vierte Quantenzahl s beschrieben wird: s=±

1 2

~s

s = − 21

(4.3.6) s=

1 2

~s

1 2

(4.3.6) bedeutet, dass der Spin die Werte ± ~ annehmen kann. Abb.4.3.3 Spin

Die Energie, die zu einer Wellenfunktion ψnmls geh¨ort, h¨angt nur von der Hauptquantenzahl n ab und ist identisch mit den Werten der Bohr’schen Theorie. Beim H-Atom gibt es also zu jeder Hauptquantenzahl n genau 2 n2 verschiedene Zust¨ ande mit der gleichen Energie Wn . Die verschiedenen Zust¨ ande mit gleichem n unterscheiden sich z.B. im Bahndrehimpuls, der im Gegensatz zur Bohr’schen Theorie (L = n ~) durch p (4.3.7) L = l (l + 1) ~

gegeben ist. Wolfgang Pauli (Nobelpreis 1945) entdeckte 1925 sein ber¨ uhmtes Ausschließungsprinzip (Pauliprinzip oder Pauliverbot): Im Atom kann jeder Elektronenzustand (n, l, m, s) nur von einem Elektron besetzt sein!

Im Mehrelektronenatom sind die Energien zu verschiedenen Zust¨anden, auch bei gleicher Hauptquantenzahl, i.a. verschieden. Da das Maximum der Aufenthaltswahrscheinlichkeit eines Elektrons mit wachsendem n weiter vom Kern entfernt ist, kommt es zu einem schalenartigen Aufbau der Elektronenh¨ ulle eines Atoms. 1 K 2

n Bezeichnung der Schale: maximale Besetzung (2n2 ):

2 L 8

3 M 18

4 N 32

5 O 50

Die Spektren der Alkalimetalle k¨ onnen ann¨ahernd durch eine etwas abgewandelte Bohr’sche Theorie beschrieben werden (Leuchtelektronenmodell): Die Kernladung wird durch die Elektronen der inneren Schalen teilweise abgeschirmt; man verwendet daher in den Bohr’schen Formeln eine effektive Kernladung Zeff < Z: 1 λmn



2 Zeff

· R∞ ·

66



1 1 − 2 2 n m



(4.3.8)

4 Atommodelle r in ˚ A Cs Rb K 2,0

Xe He

Kr

Na

Ar

1,5 Li H Al

Os

Ru Ni

1,0 B 15

30

45

60

75

90

Z

90

Z

Abb.4.3.4 Atomradien in Abh¨ angigkeit von der Ordnungszahl Z WI in eV

25

He

Ne 20

Ar 15

Kr Xe

H

Rn 10 B 5

Li

Ga

Al Na

K

15

In Rb

30

Tl Cs

45

60

Abb.4.3.5 Ionisierungsenergien in Abh¨angigkeit von der Ordnungszahl Z

67

75

4 Atommodelle Es folgt eine qualitative Erkl¨ arung der Gr¨oße der Atomradien in Abh¨ angigkeit von der Kernladungszahl Z (siehe Abb.4.3.4). Wir gehen von der vereinfachenden Annahme aus, dass die Elektronen der ¨außeren Schale tats¨ achlich weiter außen sind als die Elektronen der inneren Schalen (wir wissen nat¨ urlich, dass sich die Aufenthaltswahrscheinlichkeiten der verschiedenen Elektronen u ¨ berschneiden). Befinden sich n Elektronen in der ¨ außeren Schale, dann sieht“ ein Elektron ” der ¨außeren Schale unter sich eine effektive Kernladung Zeff · e, mit dem maximalen Wert Z · e − (Z − n) · e = n · e

außere Schale ¨ n e−

(Z − n) e− Ze innere Schalen

(4.3.9) Abb.4.3.6 Zur effektiven Kernladung

Wenn alle anderen Elektronen der ¨ außeren Schale auch noch unter“ dem betrachteten Elektron ” sind, dann ist die effektive Kernladung nur noch e: 1 ≦ Zeff ≦ n

(4.3.10)

F¨ ur ein Alkaliatom ist n = 1 und damit Zeff ≈ 1. Mit wachsendem Z wird Zeff zun¨achst gr¨oßer und der Atomradius r kleiner. Wird Z noch gr¨oßer, dann wird die ¨außere Schale immer mehr gef¨ ullt und Zeff wird wieder kleiner, der Radius wieder gr¨oßer. Beim Erreichen des n¨achsten Alkaliatoms wird eine neue Schale begonnen und der Radius steigt sprunghaft an. Der große Sprung bei der Ionisierungsenergie von einem Edelgas zum benachbarten Alkaliatom erkl¨art sich wie folgt: Beim Alkaliatom ist der Radius groß und Zeff ≈ 1, beim Edelgas ist der Radius kleiner und Zeff gr¨ oßer. Wegen (4.2.9) ist die Ionisierungsenergie WIon =

e2 Zeff · rn 8 πε0

damit beim Edelgas viel gr¨ oßer als beim benachbarten Alkaliatom.

68

(4.3.11)

4 Atommodelle

4.4 R¨ ontgenspektren Bei einer nicht zu kleinen Beschleunigungsspannung U einer R¨ ontgenr¨ ohre tritt zum kontinuierlichen Bremsspektrum (nur von U abh¨ angig) noch ein vom Material der Anode abh¨ angiges charakteristisches Linienspektrum. W. Kossel erkl¨arte 1914 das Auftreten diskreter Linien im R¨ ontgenspektrum mit der Bohr’schen Theorie: Ein beschleunigtes Elektron schl¨agt aus dem Atom ein Elektron einer inneren Schale heraus. Dieses Loch wird von einem Elektron einer ¨außeren Schale wieder aufgef¨ ullt.

Intensit¨ at

λ0 =

hc eU

λ0

λ

Abb.4.4.1 R¨ontgenemissionsspektrum

M

N M

N

M

M L

L

L

L K

K

K K

Abb.4.4.3 Beispiel 2

Abb.4.4.2 Beispiel 1

Im ersten Beispiel (siehe Abb.4.4.2) wird ein Elektron der K-Schale herausgeschlagen und von einem Elektron der M-Schale in einem Sprung wieder aufgef¨ ullt es wird ein Quant der Kβ -Linie ausgesendet. Im zweiten Beispiel (siehe Abb.4.4.3) wird ein Elektron der L-Schale herausgeschlagen und von einem Elektron der N-Schale in zwei Spr¨ ungen wieder aufgef¨ ullt - es wird ein Quant der Lα - und der Mα -Linie ausgesendet.

O N α β M M-Serie α β γ L

Fehlt ein Elektron der K-Schale, dann sieht“ ein Elek” tron der L-Schale eine kugelsymmetrische Ladungsverteilung der Ladung (Z − 1) e (wenn das K-Elektron im Grundzustand ist). Aus (4.2.15) folgt dann f¨ ur die Wellenl¨ange der Kα -Linie mit n = 1 und m = 2 das Moseley’sche Gesetz

1 λKα

=

L-Serie α β γ δ

K K-Serie

Abb.4.4.4 Diskrete R¨ontgenlinien

3 R∞ (Z − 1)2 4

(4.4.1)

F¨ ur beliebige R¨ ontgenlinien folgt analog 1 λmn

2

≈ R∞ (Z − a)

69



1 1 − 2 2 n m



(4.4.2)

4 Atommodelle mit einer von m und n abh¨ angigen Abschirmkonstanten“ a. Das Ungef¨ahrzeichen wird ver” wendet, weil die Wechselwirkung zwischen den Elektronen vernachl¨assigt wird. F¨ ur die Lα -Linie w¨ urde man a ≈ 9 erwarten, experimentell erh¨alt man a = 7,4. Springt ein Elektron der M-Schale in ein Loch der K-Schale, wird ein Photon der Kβ -Linie emittiert. Die Energie dieses Photons ist sicher gr¨oßer als die Energie eines Photons der Kα Linie, d.h. es gilt λKβ < λKα . Mit n = 1 und m = 3 folgt aus (4.4.2) 1 λKβ



8 · R∞ (Z − a)2 9

(4.4.3)

Auf dem Weg von der M- zur K-Schale sieht“ das Elektron eine effektive Kernladung von ” ungef¨ahr Z − 9 bis zu Z − 1, d.h es gilt sicher a > 1. Mit (4.4.3) und (4.4.1) folgt daraus f¨ ur die Lage der Kβ -Linie λKβ ≈ oder zusammengefasst

8 8 32 1 R∞ (Z − a)2 < R∞ (Z − 1)2 = · 9 9 27 λKα 27 λK < λKβ < λKα 32 α

σK

(4.4.4)

σ

WK

W

σL

WL

W

WM

WL

WK

W

Abb.4.4.5 R¨ ontgenabsorptionsspektrum

Die linken Diagramme in Abb.4.4.5 zeigen den Wirkungsquerschnitt f¨ ur die Absorption eines Photons durch den Fotoeffekt an einem Elektron einer bestimmten Schale. Die Form der Diagramme folgt aus der Tatsache, dass der Wirkungsquerschnitt f¨ ur den Fotoeffekt mit wachsender Gammaenergie abnimmt, f¨ ur Energien kleiner der Ionisierungsenergie aber Null sein muss. Die ¨ Uberlagerung der Wirkungsquerschnitte f¨ ur die einzelnen Schalen ergibt den gesamten Wirkungsquerschnitt.

70

Inhaltsverzeichnis 1 Materiewellen 1.1 Elektronenbeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1.2 Die Wellenfunktion und ihre physikalische Bedeutung ¨ 1.3 Wellenpakete als Uberlagerung ebener Wellen . . . . . 1.4 Teilchen als Wellenpakete . . . . . . . . . . . . . . . . 1.5 Die Unbestimmtheitsrelationen . . . . . . . . . . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

. . . . .

2 2 4 8 16 19

2 Station¨ are Zust¨ ande 2.1 Die Schr¨ odingergleichung 2.2 Potentialbarrieren . . . . 2.3 Gebundene Zust¨ ande . . . 2.4 Der Franck-Hertz-Versuch

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

25 25 28 33 36

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

3 Wechselwirkung von elektrom. Strahlung mit Materie ¨ 3.1 Der Ubergang zwischen station¨aren Zust¨anden - Spektrallinien . . . . . . . . . . 3.2 Die Lichtquantenhypothese . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.3 Der Compton-Effekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.4 Der Fotoeffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.5 Der Wirkungsquerschnitt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6 Die wesentlichen Wechselwirkungen elektromagnetischer Strahlung mit Materie¨ Uberblick . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.1 Koh¨ arente Streuung oder Rayleigh-Streuung (f = f ′ ) . . . . . . . . . . . 3.6.2 Comptonstreuung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.3 Fotoeffekt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3.6.4 Paarerzeugung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

38 38 41 42 46 49

4 Atommodelle 4.1 Das Atommodell von Rutherford . 4.2 Das Bohr’sche Atommodell . . . . 4.3 Quantenmechanische Atomtheorie 4.4 R¨ontgenspektren . . . . . . . . . .

54 54 61 64 68

. . . .

. . . .

. . . .

71

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

. . . .

51 51 51 52 52