Diplomarbeit
Linksschenkelblockbild bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und implantiertem Kardioverter-Defibrillator
eingereicht von
Kaserbacher Katharina Geb.Dat.: 13. Juni 1987
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktorin der gesamten Heilkunde (Dr. med. univ.) an der
Medizinischen Universität Graz ausgeführt an der Universitätsklinik für Kardiologie unter der Anleitung von OA Dr. Peter Lercher Prof. Dr. Burkert M. Pieske
Graz, am 14. Februar 2013
I
Eidesstattliche Erklärung Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.
Graz, am 14. Februar 2013
Unterschrift
Gleichheitsgrundsatz: Um die Lesbarkeit der vorliegenden Arbeit zu erleichtern, habe ich mich entschlossen, das generische Maskulinum zu verwenden. Jedoch möchte ich ausdrücklich festhalten, dass in dieser Schreibweise sowohl männliche als auch weibliche Personen eingeschlossen sind. II
DANKSAGUNG An dieser Stelle bedanke ich mich recht herzlich bei Herrn Dr. Peter Lercher für die großartige Betreuung meiner Diplomarbeit und dafür, immer ermutigende Worte gefunden zu haben. Auch danke ich meiner Familie, allen voran meiner Mama, die mir mein Studium ermöglichten, mich in jeglicher Hinsicht ermutigten und nie an mir zweifelten. Danke an meine Freunde, die mir das Leben rund ums Studium versüßten und an die Graz-Clique, für die gemeinsam durchgestandene Zeit – ohne euch wär’s wohl nicht gegangen!
III
INHALTSVERZEICHNIS DANKSAGUNG
III
GLOSSAR UND ABKÜRZUNGEN
VII
ABBILDUNGSVERZEICHNIS TABELLENVERZEICHNIS
X XI
ZUSAMMENFASSUNG
1
ABSTRACT
3
HERZINSUFFIZIENZ
4
Definition
4
Einteilung und Klassifizierung der Herzinsuffizienz Akut vs. chronisch Systolisch vs. diastolisch
4 4 5
Epidemiologie und Prognose
7
Ätiologie
9
Diagnostik der Herzinsuffizienz Anamnese und körperliche Untersuchung Elektrokardiogramm Labor Thoraxröntgen Echokardiographie Zusätzliche nicht-invasive Bildgebung Herzkatheter LINKSSCHENKELBLOCK
10 10 12 12 14 15 16 16 17
Grundlagen der Reizleitung des Herzens
17
Grundlagen des Elektrokardiogramms
18
Definition
19
Linksschenkelblock und Herzinsuffizienz
20
THERAPIE DER CHRONISCHEN HERZINSUFFIZIENZ
22
Therapieziele
22 IV
Nicht-pharmakologische Behandlung Patientenschulung und Motivation Gewicht, Ernährung und Rauchen Körperliche Aktivität
22 22 22 23
Medikamentöse Therapie der systolischen Herzinsuffizienz Renin-Angiotensin-Aldosteron System (RAAS) ACE-Hemmer AT1-Rezeptorantagonisten -Blocker Aldosteronantagonisten Diuretika Herzglykoside Antikoagulantien
23 24 25 26 27 28 29 30 31
Operative und apparative Therapie der chronischen Herzinsuffizienz Revaskularisationstherapie Mitralklappenchirurgie Schrittmacher CRT ICD Ventrikuläre Assist-Systeme Herztransplantation
31 31 32 32 32 34 35 35
STUDIE Studienziele METHODIK
36 36 37
Studiendesign und Patientenkollektiv
37
Datenerhebung
37
Statistik
38
ERGEBNISSE
39
Demographische Daten
39
EKG-Veränderungen im Langzeitverlauf
48
DISKUSSION
52
Demographische Daten
52
QRS-Komplex
53
QRS-Komplex und andere Parameter
54 V
Medikamentöse Therapie
54
LIMITATIONEN
57
FAZIT
58
QUELLENVERZEICHNIS
59
CURRICLULUM VITÆ
67
VI
GLOSSAR UND ABKÜRZUNGEN -GT
Gamma-Glutamyl-Transferase
ACC
American College of Cardiology
ACE
angiotensin converting enzyme
ACEI
ACE-Inhibitoren = ACE-Hemmer
ACS
acute coronary syndrome = akutes Koronarsyndrom
ADH
Antidiuretisches Hormon = Vasopressin
AHA
American Heart Association
ARB
Angiotensin Rezeptor Blocker
ASS
Acetylsalicylsäure
AT1
Angiotensin II Rezeptor Subtyp 1
AV
atrio-ventrikulär
BMI
Body Mass Index =Gewicht [kg]/Göße [m]²
BNP
B-type natriuretic peptide
bpm
beats per minute = Schläge pro Minute
bzw.
beziehungsweise
CABG
coronary artery bypass graft =koronarer Bypass
COPD
chronic obstructive pulmonary disease = chronisch obstruktive Lungenerkrankung
Crea
Kreatinin
CRT
cardiac resynchronization therapy
CT
Computertomographie
EKG
Elektrokardiogramm
ESC
European Society of Cardiology
etc.
et cetera = und so weiter
evt.
eventuell
g/dl
Gramm pro Deziliter VII
GFR
glomeruläre Filtrationsrate = Parameter für die Nierenfunktion
ggf.
gegebenenfalls
Hb
Hämoglobin
HI
Herzinsuffizienz
ICD
implantierbarer Cardioverter-Defibrillator
ICM
ischemic cardiomyopathy = ischämische Kardiomyopathie
KHK
koronare Herzkrankheit
LSB
Linksschenkelblock
LVEDD
linksventrikulärer enddiastolischer Durchmesser
LVEF
left ventricular ejection fraction = linksventrikuläre Auswurfleistung
max.
maximal
Max.
Maximum
mg
Milligramm
mg/dl
Milligramm pro Deziliter
MI
Myokardinfarkt
Min.
Minimum
mind.
mindestens
ml/min
Milliliter pro Minute
mm
Millimeter
mmHg
Millimeter-Quecksilbersäule
mmol/l
Millimol pro Liter
MRT
Magnetresonanztomographie
ms
Millisekunde
NT-pro-BNP
N-terminales pro brain natriuretic peptide = natriuretisches Hormon
NW
Nebenwirkung
NYHA
New York Heart Association
PAVK
periphere arterielle Verschlusskrankheit
PCI
percutaneous coronary intervention = perkutane transluminale Koronarintervention
pg/ml
Picogramm pro Milliliter
RAAS
Renin-Angiotensin-Aldosteron-System VIII
RSB
Rechtsschenkelblock
SCD
sudden cardiac death = plötzlicher Herztod
SD
Standardabweichung
SPSS
Statistical Package for the Social Sciences
St.p.
status post = Zustand nach
TEE
transesophageal echocardiography = transösophageale Echokardiographie
TIA
transitorisch ischämische Attacke
U/l
Einheiten pro Liter
v.a.
vor allem
VHF
Vorhofflimmern
z.B.
zum Beispiel
IX
ABBILDUNGSVERZEICHNIS REIZLEITUNGSSYSTEM
18
EXTREMITÄTENABLEITUNGEN UND BRUSTWANDABLEITUNGEN
18
ELEKTRISCHE ABLEITUNG EINES HERZSCHLAGES
19
EKG EINES KOMPLETTEN LSB
20
RAAS
24
ANGRIFFSPUNKTE DIURETIKA
29
CARDIALE RESYNCHRONISATIONSTHERAPIE
33
IMPLANTIERBARER CARDIOVERTER-DEFIBRILLATOR
34
STUDIE: GESCHLECHTSVERTEILUNG
39
STUDIE: BODY MASS INDEX
40
STUDIE: BLUTDRUCK
41
STUDIE: ÄTIOLOGIE
41
STUDIE: INDIKATION
42
STUDIE: RHYTHMUS ZUM IMPLANTATIONSZEITPUNKT
42
STUDIE: RELEVANTE BEGLEITERKRANKUNGEN
43
STUDIE: MEDIKAMENTÖSE THERAPIE
44
STUDIE: ACE-HEMMER
45
STUDIE: BETA-BLOCKER
45
STUDIE: DIURETIKA
46
STUDIE: ALDOSTERONANTAGONISTEN
46
STUDIE: STATTGEHABTE INTERVENTIONEN AM HERZEN
47
STUDIE: DAUER QRS-KOMPLEX
49
STUDIE: BLOCKBILDER IMPLANTATIONSZEITPUNKT
50
STUDIE: BLOCKBILDER LETZTE NACHSORGE
50
X
TABELLENVERZEICHNIS TABELLE 1: ACC/AHA UND NYHA KLASSIFIKATION
6
TABELLE 2: URSACHEN DER HERZINSUFFIZIENZ
10
TABELLE 3: MEDIKAMENTÖSE THERAPIE
24
TABELLE 4: DOSIERUNG ACE-HEMMER
26
TABELLE 5: DOSIERUNG AT1-REZEPTORANTAGONISTEN
27
TABELLE 6: DOSIERUNG -BLOCKER
28
TABELLE 7: DOSIERUNG ALDOSTERONANTAGONISTEN
28
TABELLE 8: DOSIERUNG DIURETIKA
30
XI
ZUSAMMENFASSUNG Einleitung: Die Herzinsuffizienz (HI) ist eine der häufigsten internistischen Erkrankungen in den westlichen Industrienationen. Die Prävalenz ist altersabhängig und steigt mit zunehmendem Alter. Rund ein Drittel der Patienten mit chronischer HI weisen bereits bei Diagnosestellung im 12-Kanal-EKG einen Linksschenkelblock (LSB) auf. Dies ist im Vergleich mit HI-Patienten ohne LSB mit einer erhöhten kardialen Mortalität verbunden. Weitere 10% entwickeln im ersten Jahr nach Diagnosestellung ein Blockbild. Die Überlebensdauer nach Erstdiagnose des LSB liegt bei durchschnittlich 5 Jahren. Durch eine entsprechende pharmakologische Therapie kann die Mortalität dieser Patienten signifikant reduziert und die Symptomatik und Prognose durch eine zusätzliche Implantation eines Kardioverter-Defibrillator mit Resynchronisationstherapie bei ausgewählten Patienten mit fortgeschrittener HI weiter verbessert werden. Ziel dieser Studie war es, die Inzidenz bzw. Entwicklung eines LSB im Langzeitverlauf von chronisch herzinsuffizienten Patienten zu evaluieren. Methoden: Es wurde eine retrospektive Single-Center-Studie durchgeführt. Alle Patienten, die von 2003–2006 einen ICD erhielten und eine LVEF 35% zum Implantationszeitpunkt aufwiesen, wurden für die weitere Datenanalyse herangezogen. Ergebnisse: Von den insgesamt 247 Patienten hatten 134 Patienten (58%) eine LVEF 35%. Nach Ausschluss aller Patienten mit permanenter rechtsventrikulärer oder biventrikulärer Stimulation konnten insgesamt 40 Patienten (90% männlich, 10% weiblich, mittleres Alter 57 ±13 Jahre) analysiert werden. 26 dieser Patienten (65%) hatten eine KHK, bei 35% lag eine nicht-ischämische Kardiomyopathie vor. In einem Nachbeobachtungszeitraum von 5,3 ± 1,8 Jahren zeigte sich eine signifikante Verbreiterung des QRS-Komplexes um 19 ms von initial 125 ± 30 ms auf 145 ± 46 ms (p=0,006). 4 Patienten wiesen im letzten EKG einen neuen LSB auf und bei 4 Patienten hatte sich dieser zurückgebildet.
1
Schlussfolgerungen: Die Zunahme der QRS-Breite zeigte, dass die HI trotz medikamentöser Therapie eine progressive Erkrankung ist, die weiterer Forschung und Optimierung der Therapie bedarf. Diese Studienergebnisse bedürfen jedoch einer Bestätigung durch ein größeres Patientenkollektiv.
2
ABSTRACT Introduction: Chronic heart failure (CHF) is one of the most common diseases of the Western world. The prevalence is age-related and increases with age. About one third of patients with CHF have a left bundle branch block (LBBB) at the time of diagnosis. Patients with a LBBB have a significantly higher mortality than those without a LBBB. Within 1 year after the diagnosis of CHF another 10% develop LBBB. The average survival rate of those patients then is approximately 5 years. Optimal medical therapy significantly reduces mortality and the implantation of a cardiac resynchronization therapy with an implantable defibrillator additionally improves symptoms and prognosis. The goal of this retrospective study is to assess both incidence and increase of QRS duration during long term follow-up in patients with congestive heart failure. Methods: In this retrospective single-center-study all patients who received an ICD from 2003–2006 were included. Patients, who had an ejection fraction of 35% at the time of implantation, were analyzed. Results: Out of 247 screened patients 134 (58%) had an ejection fraction 35%. After exclusion of patients with permanent right ventricular or biventricular stimulation 40 patients (90% male, 10% female, mean age 57 ±13 years) could be analyzed. In 65% of those 40 patients coronary artery disease was the underlying heart disease, dilated cardiomyopathy in 14 cases. During a follow-up period of 5,3 ± 1,8 years QRS duration significantly increased from 125 ± 30 ms to 145 ± 46 ms (p=0,006). In 4 patients a new LBBB developed during follow-up and 4 patients with baseline LBBBB no longer had a LBBB at follow-up. Conclusion: The increase of the QRS interval shows that despite optimal medical therapy CHF is still a progressive disease and there is further need for research and improvement of CHF therapy. The study results, however, have to be confirmed by a larger patient population.
3
HERZINSUFFIZIENZ Definition Herzinsuffizienz ist ein klinisches Syndrom, bei dem ein Missverhältnis zwischen der vom Herzen geförderten Blutmenge und dem Blutbedarf besteht, den die körpereigenen Gewebe zur Aufrechterhaltung ihrer metabolischen Prozesse benötigen. [1] Die European Society of Cardiology (ESC) definiert die Herzinsuffizienz (HI) folgendermaßen: - typische Symptome: Dyspnoe in Ruhe oder Belastung, Müdigkeit und Abgeschlagenheit, Beinödeme - typische Zeichen: Tachykardie, Tachypnoe, pulmonale Rasselgeräusche, Pleuraergüsse, erhöhter Jugularvenendruck, periphere Ödeme, Hepatomegalie - objektivierbare funktionelle oder strukturelle Veränderungen des Herzens in Ruhe: Kardiomegalie, 3. Herzton, Herzgeräusche, abnormes Echokardiogramm, erhöhtes NT-pro-BNP [2] Hierbei zeigt sich, dass verschiedene Organsysteme – wie Herz, Lunge, Nieren und Leber – mit einbezogen sind. [3]
Einteilung und Klassifizierung der Herzinsuffizienz Die HI kann wie folgt eingeteilt werden in: - akut vs. chronisch - systolisch vs. diastolisch Akut vs. chronisch Diese Einteilung bezieht sich auf den zeitlichen Verlauf der Krankheitsentwicklung. Die akute HI entwickelt sich im Verlauf von Stunden bis Tagen. [4] Sie entsteht häufig durch ausgedehnte Myokardinfarkte,
4
durch Rhythmusstörungen und durch akut auftretende hypertensive Krisen bei einer vorbestehenden eingeschränkten Auswurfreserve. [5] Die chronische HI wird meist durch ständige Volumen- und Drucküberlastung eines oder beider Ventrikel verursacht [1] und entwickelt sich über Monate bis Jahre. [4] Auch eine chronische HI kann akut dekompensieren und ein ähnliches klinisches Bild wie die akute HI aufweisen. Insofern ist die akute HI von der akuten Dekompensation einer chronischen HI häufig nicht zu unterscheiden. Die Behandlung beider ist ident. [5] Ursachen für eine akute Verschlechterung einer vorbestehenden HI können sein: [5] - nicht ausreichend behandelte Hypertonie - Absetzen von benötigten Medikamenten (z.B. Diuretika) - zusätzliche Infekte (z.B. Pneumonie) - pulmonale Embolie - Myokarditis, Vaskulitis - akute Ischämie - Rhythmusstörungen (z.B. Tachyarrhythmie) - Viskositätsänderungen - Überwässerung bei Niereninsuffizienz - Anämie, Blutungen - zusätzliche Therapie mit NSAR Systolisch vs. diastolisch Eine HI kann auf einer Pumpfunktionsstörung oder einer Füllungsstörung des Herzens beruhen. Die systolische HI basiert auf einer eingeschränkten Auswurfleistung (LVEF 40–50%). [2] Die Füllungsstörung steht hier im Vordergrund. Bei den meisten HI-Patienten kann eine systolische und diastolische Dysfunktion nachgewiesen werden. [2] Die
HI
kann
verschieden
klassifiziert
werden.
Bei
der
NYHA-
Klassifikation wird die Schwere der HI basierend auf Symptomen bei körperlicher Aktivität eingeteilt. Die ACC/AHA-Klassifizierung verwendet jedoch die strukturellen Veränderungen des Herzmuskels zur Stadieneinteilung. [2] In der folgenden Tabelle werden die zwei Klassifikationen [2] gegenübergestellt:
ACC/AHA
NYHA
Strukturelle Veränderung
Symptome und körperliche Belastbarkeit
Stadium A
Hohes HI-Risiko. Keine strukturellen oder funktionellen Veränderungen. Keine Zeichen oder Symptome einer HI.
Stadium B
Strukturelle Herzerkrankung, die eng mit der Entwicklung von HI verknüpft ist. Es liegen jedoch keine Symptome/Zeichen der HI vor.
Stadium C
Symptomatische HI mit zugrundeliegender struktureller Herzerkrankung
Klasse I
Keine körperliche Einschränkung. Keine Anzeichen von Erschöpfung, Rhythmusstörungen oder Atemnot während alltäglicher körperlicher Aktivität.
Klasse II
Leichte Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Keine Beschwerden in Ruhe. Bei alltäglicher körperlicher Aktivität treten Erschöpfung, Rhythmusstörungen oder Atemnot auf.
Klasse III
Höhergradige Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit. Keine Beschwerden in Ruhe. Erschöpfung, Rhythmusstörungen oder Atemnot bei geringer körperlicher Belastung.
Fortgeschrittene strukturelle Herzerkrankung und schwere Symptome der HI in Ruhe Stadium D Klasse IV trotz maximaler medikamentöser Therapie. TABELLE 1: ACC/AHA UND NYHA KLASSIFIKATION
Beschwerden bei allen körperlichen Aktivitäten und in Ruhe.
6
Epidemiologie und Prognose Die Prävalenz ist altersabhängig und steigt mit zunehmendem Alter. [4] Im Alter zwischen 45 und 55 Jahren leiden weniger als 1% der Bevölkerung an einer HI, zwischen 65 und 75 Jahren bereits 2–5% und bei über 80-Jährigen fast 10%. Das mittlere Alter liegt derzeit bei 74 Jahren. [5] In einer Framingham Heart-Studie wurde gezeigt, dass Männer häufiger an HI erkranken als Frauen. [6] Die Prävalenz der symptomatischen HI wird in der europäischen Gesamtbevölkerung auf 0,4–2% geschätzt. Pro Jahr treten 1–4/1.000 Neuerkrankungen auf. [5] In Österreich geht man derzeit von rund 250.000 Betroffenen aus, wobei die Anzahl der Erkrankten in den letzten 15 Jahren um rund 40% gestiegen ist. Man vermutet, dass dies mit der erhöhten Lebenserwartung und der besseren medizinischen Versorgung zu tun hat. [7] Bei etwa 30–40% der herzinsuffizienten Patienten ist die linksventrikuläre systolische Pumpfunktion erhalten. Das bedeutet, dass ihre Symptomatik primär durch eine ventrikuläre Relaxations- und Compliancestörung und damit eine diastolische HI bedingt ist. Hiervon sind vor allem ältere Frauen betroffen. [5] Die manifeste HI stellt die häufigste Einweisungsdiagnose der Über-65-Jährigen dar und ist mit häufigen Rehospitalisierungen, schlechter Langzeitprognose und hoher Mortalität assoziiert. [8] Mit 1–2% der Gesamtkosten ist die HI eine der teuersten Diagnosen im Gesundheitssystem. Zwei Drittel der Kosten werden durch die Hospitalisierungen herzinsuffizienter Patienten verursacht. Bei genauerer Betrachtung kann festgestellt werden, dass ca. 50% der Betroffenen innerhalb von sechs Monaten nach einem Krankenhausaufenthalt rehospitalisiert werden müssen. [9] Symptome wie Angina pectoris, niedriger systolischer Blutdruck und zunehmende Ödeme sind Zeichen einer Hypervolämie und/oder Hypoperfusion und führen zu frühzeitigen Rehospitalisierungen (innerhalb von 30 Tagen). Parameter für eine spätere Rehospitalisierung (innerhalb von 90 Tagen) sind Rasselgeräusche, erhöhter Jugularvenendruck, De-
7
pressionen und ein hohes Alter. Koronare Herzkrankheit (KHK), die vorherige Implantation eines Schrittmachers, sowie das Einsetzen eines implantierbaren Kardioverter-Defibrillators (ICD) sind ebenfalls Risikofaktoren eines erneuten Krankenhausaufenthaltes. Als weitere Risikofaktoren für eine Rehospitalisation gelten Vorhofflimmern (VHF), Diabetes mellitus, ein verlängertes QT-Intervall und eine erhöhte Herzfrequenz. Auch das weibliche Geschlecht und das Alter scheinen dabei eine Rolle zu spielen. [9] Bei genauerer Betrachtung kann festgestellt werden, dass nur 28% der Patienten erneut aufgrund einer Herzinsuffizienz stationär aufgenommen
werden,
jedoch
45%
der
Rehospitalisierungen
nicht-kardio-
vaskulärer Ursache sind. Es konnte ferner in verschiedenen Studien gezeigt werden, dass der initiale Krankenhausaufenthalt bei Herzinsuffizienz als unabhängiger Prädiktor für weitere Aufenthalte gesehen werden kann. [9] Durchschnittlich dauert der initiale Krankenhausaufenthalt rund 5,5 (± 5,4) Tage. [10] Ist der initiale stationäre Aufenthalt bereits länger, ist mit einer schnelleren Wiederaufnahme zu rechnen. Die Dauer des Aufenthaltes und die wiederholte Rehospitalisierung verschlechtern die Prognose und erhöhen das Mortalitätsrisiko der HI. So wurde gezeigt, dass nach der zweiten bis dritten Rehospitalisierung ein 30%iges Mortalitätsrisiko besteht. In einer Studie mit Afroamerikanern konnte gezeigt werden, dass eine Gehstrecke von unter 200 m beim 6-Minuten-Gehtest als unabhängiger Prädiktor für die Mortalität und Rehospitalisierung angesehen werden kann. [9] Ebenso zeigt sich bei Afroamerikanern eine 50% höhere Inzidenz der HI und höhere Rehospitalisationsraten im Vergleich zur amerikanischen Allgemeinbevölkerung. [11] Unabhängige Faktoren für Tod und Rehospitalisierung scheinen ebenfalls psychosoziale Parameter darzustellen. So wirkt sich ein starkes soziales Netzwerk positiv und ein Mangel an emotionaler Unterstützung negativ auf die Gesundheit von Herzpatienten aus. [9]
8
Die Framingham Heart-Studie zeigt in der 5-Jahres-Mortalität für Frauen eine günstigere Prognose als für Männer. Hierbei starben rund 40% der betroffenen Frauen und 54% der Männer. [8] Ebenso ist die Sterblichkeit stadienabhängig und die Prognose der systolischen (verminderte Pumpfunktion) und diastolischen (verminderte Ventrikelfüllung) HI vergleichbar schlecht. [5]
Ätiologie Es gibt drei wichtige Aspekte der HI: - chronische Drucküberlastung - koronare Herzkrankheit - Herzfrequenz Die chronische Drucküberlastung spielt eine entscheidende Rolle sowohl in der Entwicklung der systolischen als auch diastolischen HI. Je höher der Blutdruck, desto höher ist die Inzidenz einer Herzinsuffizienz. Neben der hypertensiven Herzerkrankung ist die KHK die wichtigste Ursache für die Entwicklung einer HI, besonders nach durchgemachtem Myokardinfarkt. Ein weiterer Risikofaktor ist die Höhe der Herzfrequenz, wobei die Inzidenz der HI in Abhängigkeit von der Herzfrequenz proportional ansteigt. [5] Auch in der Ätiologie der HI gibt es Unterschiede zwischen Mann und Frau. Während beim Mann hauptsächlich die KHK als Ursache im Vordergrund steht, spielen bei der Frau der arterielle Hypertonus und der Diabetes mellitus die wichtigsten Rollen. [8] In der Framingham Heart Studie zeigte sich eine erhöhte Inzidenz der Herzinsuffizienz in Verbindung mit vorbestehender kardialer und nichtkardialer Dysfunktion. Aussagekräftig waren hierbei erhöhtes Serumkreatinin, eine obstruktive Lungenventilationsstörung und erniedrigte Hämoglobinkonzentrationen. Bei subklinischer Fehlfunktion anderer
9
Organsysteme zeigte sich ein um 30% erhöhtes Risiko an einer HI zu erkranken. Die Studienergebnisse lassen darauf schließen, dass eine klinische Manifestation der HI durch das Vorhandensein subklinischer Fehlfunktionen verschiedener Organsysteme beschleunigt wird. [3]
Diagnostik der Herzinsuffizienz Die Diagnosestellung der HI stützt sich auf eine Nachweisdiagnostik und eine Aussschlussdiagnostik anderer Erkrankungen. Ausgeschlossen werden müssen unter anderem andere Erkrankungen, die zur Stauungssymptomatik, Natrium- und Wasserretention und Dyspnoe führen. Anamnese, klinische und technische Untersuchungen haben das Ziel, die zugrunde liegenden Herzkrankheiten zu charakterisieren. [5] Differenziert werden muss hierbei zwischen myokardialen, nichtmyokardialen und extrakardialen Ursachen. [5] In der nachstehenden Tabelle werden ausgewählte Ursachen dargestellt: [5] myokardial
Myokarditis KHK chronische Drucküberlastung Myokardhypertrophie infiltrative Kardiomyopathien
nichtmyokardial
angeborene und/oder erworbene Vitien (v.a. Aortenstenose) Perikarderkrankungen (v.a. Pericarditis constrictiva)
extrakardial
arteriovenöse Fisteln arterielle Hypertonie Lungenembolie Hypoxämie TABELLE 2: URSACHEN DER HERZINSUFFIZIENZ
Anamnese und körperliche Untersuchung Meist gibt die Anamnese des herzinsuffizienten Patienten bereits die wesentlichen Hinweise auf Ursachen, klinischen Schweregrad und Prognose.
10
Zu beachten ist, dass – wie bereits erwähnt – beim älteren Patienten der arterielle Hypertonus und die KHK die häufigste Ursachen der HI sind. Es lassen sich praktisch immer die typischen Risikofaktoren wie Rauchen, Hypertonie, Hypercholesterinämie, Diabetes mellitus, familiäre Belastung oder Übergewicht erheben. Die Dyspnoe als eines der Leitsymptome muss differentialdiagnostisch insbesondere von obstruktiven oder restriktiven Ventilationsstörungen abgegrenzt werden. Angina pectoris Beschwerden sind das Leitsymptom bei Patienten mit ischämisch bedingter HI. Zusätzlich finden sich Symptome wie Hustenreiz, Völlegefühl, Meteorismus oder Ödembildung sowie hypotone Beschwerden wie Schwindel. Weitere unspezifische Zeichen sind Nykturie, Orthopnoe, Schlaflosigkeit und Infektanfälligkeit. [5] Im Rahmen der körperlichen Untersuchung können periphere Zyanose, arterieller Hypertonus, feuchte pulmonale Rasselgeräusche, Tachypnoe, Halsvenenstauung, Aszites, Pleuraergüsse oder periphere Ödeme als Zeichen einer HI festgestellt werden. [5] Die kardiale Auskultation kann einen 3. oder 4. Herzton aufweisen, wobei der 3. Herzton Kennzeichen eines dilatierten, kontraktionsgestörten Ventrikels mit vergrößerten, diastolischen Volumina ist. Er tritt ebenfalls bei hochgradiger Mitralinsuffizienz und pathologischer Compliance des linken Ventrikels auf. Der 4. Herzton ist für die kontraktile Beanspruchung des Vorhofs kennzeichnend. Diese Beanspruchung findet im Rahmen der arteriellen Hypertonie, einer Aortenstenose oder einer myokardialen Ischämie durch eine erschwerte linksventrikuläre Füllung statt. [5]
11
Elektrokardiogramm Im Ruhe-EKG lassen sich bei der chronischen HI meist keine spezifischen Veränderungen erkennen. Gelegentlich kann es trotzdem erste Hinweise auf die Genese einer HI geben. Wegweisend sind insbesondere das Vorliegen von Infarktnarben oder bleibende ST-Hebungen als Zeichen einer Aneurysmabildung. Repolarisationsstörungen können auf eine chronische Ischämie des Herzens hinweisen. Elektrokardiographische Zeichen einer linksventrikulären Hypertrophie findet man hauptsächlich bei Patienten mit Hypertonie und bei der Aortenstenose. Zeichen der Rechtsherzbelastung deuten auf das Vorliegen eines Cor pulmonale hin. Ein Linksschenkelblock (LSB) ist immer Ausdruck einer morphologischen Myokarderkrankung und kann als unspezifisches Zeichen einer linksventrikulären Schädigung angesehen werden. Von größerer Wichtigkeit ist das EKG in der Diagnostik der rhythmogenen HI, z.B. beim AV-Block Grad III mit langsamem Ersatzrhythmus oder bei Tachykardien wie beispielsweise eine tachykarde Vorhofflimmerarrhythmie. [5] Das Langzeit-EKG ist zur Primärdiagnostik der HI wenig geeignet. Es kann jedoch Aufschluss über Häufigkeit und Dauer atrialer und ventrikulärer Arrhythmien geben. Es sollte bei Patienten mit entsprechender Symptomatik durchgeführt werden, da nur bei symptomatischen ventrikulären Arrhythmien eine spezifische antiarrhythmische Therapie erforderlich ist. [5] Labor Bei jedem Patienten mit HI sollte ein Basislabor mit den folgenden Parametern abgenommen werden: [5]
12
Basisparameter -
Serum-Natrium/-Kalium
-
Serum-Kreatinin, Harnstoff
-
Blutbild
-
Leberparameter
-
Serum-Glukose
-
Urinstatus
spezielle Parameter - Natriuretische Peptide (z.B. BNP) - Schilddrüsenfunktion - Troponin T - C-reaktives Protein - Serumlipide - Ferritin, Transferrin - Albumin Die Retentionswerte (Niere) sind bei unbehandelter und milder HI meist im Normbereich. Erst bei der schweren HI kommt es durch eine intensivierte Diuretikagabe und einer renalen Minderperfusion zur Erhöhung. Zudem findet sich hier häufig eine Hypokaliämie, die ein Trigger von malignen ventrikulären Arrhythmien sein kann. [5] Die Hyponatriämie ist ebenfalls Zeichen einer schweren Herzinsuffizienz und mit einer schlechten Prognose verbunden. [5] Eine Anämie kann primäre Ursache für Müdigkeit und Dyspnoe sein, jedoch findet sie sich auch häufig bei schwerer HI, die zu einer signifikanten Verschlechterung der Symptomatik beitragen kann. Eine Polyglobulie kann auf eine pulmonale Funktionsstörung oder ein zyanotisches Vitium hinweisen. [5] Ein Anstieg der Leberparameter ist durch einen erhöhten zentralen Venendruck (hepatischen Stauung) bedingt. [5]
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Das Serumalbumin wird zur differentialdiagnostischen Abgrenzung eines hypalbumänischen, onkotischen Ödems (z.B. bei Leberzirrhose) bestimmt. [5] Bei neuaufgetretenem VHF sollten die Schilddrüsenparameter bestimmt werden, da eine manifeste Hyperthyreose die Ursache sein kann. [5] BNP und NT-proBNP sind Biomarker aus der Gruppe der natriuretischen Peptide und haben derzeit die größte klinische Bedeutung bei der HI. [5, 12] Sie können zur Beurteilung der Schwere der Erkrankung herangezogen werden. [12] Es handelt sich hierbei um neuroendokrine Hormone, die hauptsächlich vom linken und rechten Ventrikel als Antwort auf eine Druck- und Volumenbelastung ausgeschüttet werden. Eine Erhöhung der Parameter findet sich sowohl bei der systolischen als auch bei der diastolischen HI, kann jedoch nicht zu deren Differenzierung herangezogen werden. Die Ursachen der Biomarkererhöhung sind mannigfaltig (z.B. Hypervolämie, einige pulmonale Erkrankungen). Die Werte per se haben bei einem unselektionierten Krankenkollektiv jedoch nur eine geringe Aussagekraft und sollte daher nicht zum allgemeinen Screening eingesetzt werden. Es kann aber zur differentialdiagnostischen Abgrenzung unklarer akuter Dyspnoe auf dem Boden einer kardialen Erkrankung oder einer exazerbierten Lungenfunktionsstörung hilfreich sein. Die Werte müssen immer in Zusammenhang mit der klinischen Untersuchung und den anderen erhobenen Befunden bewertet werden. [5] Kontrollen der BNP-Werte spielen eine wichtige Rolle für die Überwachung des Krankheitsverlaufes der HI und der medikamentösen Therapie. So ist mit steigenden Werten eine Verschlechterung der Erkrankung und somit eine Verschlechterung der Prognose verbunden. [12] Thoraxröntgen Der Stellenwert des Thoraxröntgen ist seit der guten Verfügbarkeit der Echokardiographie eingeschränkt. [5]
14
Radiologisch lässt sich ein vergrößertes Herz und eventuell pulmonale Stauungszeichen erkennen. Es ist zu beachten, dass nicht jedes im Röntgenbild vergrößertes Herz insuffizient ist und ein normal großes Herz eine myokardiale Insuffizienz nicht ausschließt. [13] Das Thoraxröntgen wird in zwei Ebenen durchgeführt und dient außer der Detektion von Kardiomegalie und Lungenstauung auch der Feststellung von Pleuraergüssen, Vorhandensein pulmonaler Erkrankungen oder Infektion, die ursächlich für die Dyspnoe verantwortlich sein können. Die Befunde sind nur dann aussagekräftig, wenn sie mit Zeichen und Symptomen der HI in Zusammenhang gebracht werden können. [2] Echokardiographie Die Echokardiographie ist die Ultraschalluntersuchung des Herzens. Um die Diagnose der HI zu stellen, wird sie als Standardverfahren angewandt und sollte frühzeitig durchgeführt werden. Die Echokardiographie bietet viele Vorteile, denn sie ist fast überall verfügbar, schnell, nicht-invasiv, sicher und bringt Informationen über die Herzanatomie, Wandbewegungen und Klappenfunktionen. Der meist verwendete Parameter zur Unterscheidung einer systolischen HI von einer diastolischen HI ist die LVEF. Diese ist bei der systolischen HI vermindert und bei der diastolischen HI erhalten. Falls die Echokardiographie nicht transthorakal durchgeführt werden kann, gibt es die Möglichkeit der transösophagealen Echokardiographie (TEE). Die TEE wird v.a. beim Ausschluss von kardialen Thromben im linken Vorhof bei Patienten mit VHF verwendet. [2] Eine Stressechokardiographie durch körperliche oder pharmakologische Belastung kann bei der Detektion einer Ischämie als Ursache für eine reversible oder persistierende kardiale Dysfunktion herangezogen werden. Darüber hinaus kann anhand der Stressechokardiographie die Vitalität akinetischer Myokardareale überprüft werden. Sie stellt jedoch kein Routineverfahren in der HI-Diagnostik dar. [5]
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Zusätzliche nicht-invasive Bildgebung In speziellen Fällen, werden zusätzliche nicht-invasive bildgebende Verfahren eingesetzt werden. Dazu zählen das Kardio-MRT (= Magnetresonanztomographie des Herzens), das Kardio-CT (= Computertomographie des Herzens) und nuklearmedizinische Verfahren. [2] Herzkatheter Um die Diagnose der HI zu stellen, ist in der Regel keine invasive Abklärung notwendig. Jedoch ist der Herzkatheter zur Feststellung der zugrunde liegenden Ursache und weiterer Therapieplanung entscheidend. Ein Herzkatheter sollte daher bei allen Patienten mit unklarer HI zum Nachweis oder Ausschluss einer koronaren Herzkrankheit erfolgen, bei denen prinzipiell die Option einer interventionellen oder operativen Myokardrevaskularisation besteht. Dies ist besonders bei akuter Dekompensation und kardiogenem Schock sinnvoll, wenn der Verdacht auf ein akutes Koronarsyndrom (ACS) besteht. Darüber hinaus ist eine erneute Koronarangiographie bei Patienten mit bekannter ischämischer Kardiomyopathie
(ICM)
und
progredienten
Angina-pectoris-
Beschwerden oder Ischämienachweis in der Ergometrie oder Szintigraphie angezeigt. Zur weiterführenden Abklärung eines Klappenvitiums vor der geplanten operativen Korrektur ist ebenfalls eine Herzkatheteruntersuchung indiziert. [5]
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LINKSSCHENKELBLOCK Grundlagen der Reizleitung des Herzens Der normale Schrittmacher des Herzens ist der Sinusknoten (primärer Schrittmacher). Er befindet sich im rechten Vorhof an der Einmündungsstelle der Vena cava superior und besteht aus sogenannten Schrittmacherzellen. Diese sind in der Lage, sich selbst zu depolarisieren und sorgen somit für eine rhythmische Herzaktivität. Die Frequenz des Sinusknoten beträgt in Ruhe etwa 60-80 bpm. Vom Sinusknoten breitet sich die Erregung nun in beiden Vorhöfen aus und führt so zur Vorhofkontraktion. Nächster Punkt der Erregungsausbreitung ist der AVKnoten (sekundärer Schrittmacher). Er besteht ebenfalls aus Schrittmacherzellen, die im Falle eines Versagens des Sinusknotens mit einer Frequenz von etwa 45-60 bpm die Herztätigkeit aufrecht erhalten kann. Im AV-Knoten findet eine deutliche Verlangsamung der Erregungsleitung statt. Über das His-Bündel breitet sich die Erregung in den zwei Tawara-Schenkeln –
die in den Purkinje-Fasern münden – aus, mit
nachfolgend synchroner Kontraktion beider Ventrikel. Der linke TawaraSchenkel teilt sich in einen anterioren und einen posterioren Faszikel. Falls auch der AV-Knoten ausfällt, ist das Ventrikelmyokard durch eigene Schrittmacherzellen (tertiärer Schrittmacher) in der Lage, die Herztätigkeit mit etwa 25-45 bpm aufrecht zu erhalten. [14] Die Erregungsrückbildung beginnt zunächst auf Vorhofebene. Die Repolarisation der Vorhöfe fällt zeitlich mit der Depolarisation der Ventrikel zusammen. Danach findet die Rückbildung in den Ventrikeln statt und zwar in genau entgegengesetzter Richtung der Erregungsbildung. [14]
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REIZLEITUNGSSYSTEM [44]
Grundlagen des Elektrokardiogramms [15] Die elektrische Aktivität des Herzens wird von der Körperoberfläche abgeleitet. Für das Routine-EKG werden im Normalfall 12 Ableitungen verwendet: - 6 Extremitätenableitungen (I, II, III, aVR, aVL, aVF) - 6 Brustwandableitungen (V1-V6)
EXTREMITÄTENABLEITUNGEN [45] UND BRUSTWANDABLEITUNGEN [46]
Das EKG stellt die elektrische Erregungsausbreitung und Erregungsrückbildung dar. Jedoch gibt es Teilvorgänge die nicht sichtbar sind: - Depolarisierung des Sinusknoten - Repolarisierung der Vorhöfe
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Den einzelnen Schritten des Reizleitungssystems können im Oberflächen-EKG einzelne „Zacken“ und „Wellen“ zugeordnet werden. Die PWelle ist Ausdruck der Vorhofdepolarisation. Der QRS-Komplex spiegelt die Kammerdepolarisation wider und die T-Welle repräsentiert die Kammerrepolarisation. Ebenso werden den Vorgängen Zeitintervalle zugeordnet: [53] P-Welle
50–100 ms
PQ-Zeit
120–200 ms
QRS-Komplex
60–100 ms
QT-Zeit
max. 550 ms
ELEKTRISCHE ABLEITUNG EINES HERZSCHLAGES [47]
Definition Bei einem Linksschenkelblock (LSB) sind Form und Dauer des QRSKomplexes verändert. Es wird ein inkompletter von einem kompletten LSB unterschieden. Vom kompletten LSB spricht man, wenn die Blockade entweder am gemeinsamen Schenkelstamm oder gleichzeitig an beiden Faszikeln erfolgt. Die Kriterien eines kompletten Blockbildes sind die Verbreiterung des QRS-Komplexes auf 120 ms und dessen Deformierung in eine sogenannte „Schenkelblock-Konfiguration“ in den Ablei-
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tungen I, aVL, V5 und V6. Da bereits die Depolarisierung gestört ist, ist auch die Repolarisierung verändert und zeigt evt. deszendierende STStrecken oder negative bzw. abgeflachte T-Wellen. Beträgt die Dauer des QRS-Komplexes 100–110 ms, so bezeichnet man dies als inkomplettes Blockbild. [15]
EKG EINES KOMPLETTEN LSB [52]
Linksschenkelblock und Herzinsuffizienz Bei rund einem Drittel der Patienten mit chronischer HI zeigt sich im 12Kanal-EKG ein LSB. Dieser ist im Vergleich mit HI-Patienten ohne LSB mit einer schlechteren LVEF und erhöhter kardialer Mortalität vergesellschaftet. [16] Ebenso ist die Prognose schlechter als bei Patienten mit einem Rechtsschenkelblock (RSB). Die Überlebensdauer nach Erstdiagnose des LSB beträgt durchschnittlich 5 Jahre. [17] Risikofaktoren für das Auftreten eines LSB sind zum Beispiel arterieller Hypertonus, Kardiomegalie oder KHK. [18] In einer Studie von A.L. Clark et al. konnte gezeigt werden, dass 10,4% der Patienten mit chronischer HI ohne LSB, diesen innerhalb des ersten Jahres entwickeln. Ebenso wurde gezeigt, dass unter der Einnahme von Amiodaron die Zahl der neu aufgetretenen LSB steigt. Die Ursache hierfür ist jedoch unklar. Die Inzidenz eines LSB in der Allgemeinbevölke-
20
rung liegt bei einer Beobachtungsdauer von über 40 Jahren bei 0,6%. Zudem fand man heraus, dass die Prognose mehr von den Komorbiditäten abhängt, als vom LSB per se. [16] Die Studie zeigt auch, dass sich die Dauer des QRS-Komplexes im Laufe der Zeit verändert, wobei Männer einen breiteren QRS-Komplex haben als Frauen. So stieg das QRS-Intervall bei HI-Patienten ohne LSB von durchschnittlich 97,7 ms zu Beginn auf 101,3 ms ein Jahr später. Bei Patienten mit LSB jedoch war im ersten Jahr keine signifikante Veränderung in der Dauer des QRS-Komplexes zu erkennen. Ebenso war bei ca. 7% der bestehende LSB verschwunden. In den Folgejahren 2 und 3 zeigte sich jedoch eine stete Zunahme der durchschnittlichen QRSDauer bzw. Neuentwicklung eines LSB. [16] Der LSB führt zu einem pathologisch veränderten Kontraktionsmuster [17] des linken Ventrikels. Durch eine gleichzeitige Stimulation beider Ventrikel (kardiale Resynchronisationstherapie) kann eine Synchronisierung des ventrikulären Kontraktionsmusters erreicht werden. Im Langzeitverlauf führt dies zum umgekehrten Remodelling (reverse Remodelling), bei dem das linksventrikuläre Volumen reduziert und die systolische und diastolische Funktion verbessert wird. [19] Diese Therapie reduziert – bei bereits optimaler medikamentöser Therapie – das Mortalitätsrisiko um 19%. [54]
21
THERAPIE DER CHRONISCHEN HERZINSUFFIZIENZ Therapieziele Die Behandlungsziele der HI sind vielfältig. Vorrangig ist es, die Symptome eines Patienten und damit die Lebensqualität zu verbessern und Mortalitäts- und Hospitalisierungsrate zu senken. Hierzu stehen nichtpharmakologische, medikamentöse und operative therapeutische Maßnahmen zur Verfügung. Liegt eine behebbare HI vor, ist die kausale Therapie primär anzustreben. [5] Die Prävention einer primären oder sekundären Myokardschädigung bei Patienten mit erhöhtem HI-Risiko gewinnt zunehmend an Bedeutung. So sollen Risikofaktoren (v.a. arterielle Hypertonus und KHK) effektiv behandelt werden um dadurch die Inzidenz zu verringern. Ebenso ist es relevant, Vitien frühzeitig zu diagnostizieren und zu behandeln, um die Entwicklung einer Herzinsuffizienz zu verhindern. [5]
Nicht-pharmakologische Behandlung Patientenschulung und Motivation Patienten und Familienangehörige sollen über Krankheit, deren Symptome inklusive Verhaltensmaßnahmen und Therapie aufgeklärt werden. Zusätzlich sollen sie angehalten werden, ihren Lebensstil zu verändern und dadurch die Lebensqualität zu erhöhen. [5] Gewicht, Ernährung und Rauchen Eine regelmäßige Gewichtskontrolle durch den Patienten selbst hilft die Dekompensationsrate zu senken. [5] Dabei sollte das Gewicht zu einem festen Zeitpunkt täglich kontrolliert werden. Bei unüblichen, kurzfristigen Gewichtszunahmen sollte der behandelnde Arzt informiert werden. Als unüblich gilt: >1 kg/Nacht, >2 kg/3 Tage sowie >2,5 kg/Woche. [20]
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Um Flüssigkeitseinlagerungen zu verhindern, sollte die Salzzufuhr vermindert werden. [2] Zudem ist die tägliche Flüssigkeitszufuhr einzuschränken. Wie stark die Einschränkung erfolgen soll, hängt von der Schwere der HI ab. So sollten bei der leichten bis mittleren HI 2 l/Tag, bei der schweren HI 1–1,5 l/Tag nicht überschritten werden. [5] Alkohol soll möglichst vermieden werden, bei alkoholtoxischer Kardiomyopathie ist auf jeden Fall eine absolute Alkoholkarenz strikt einzuhalten. [20] Da Rauchen einen bekannten kardiovaskulären Risikofaktor darstellt, sollte es unterlassen werden [2] Körperliche Aktivität Um die körperliche Belastbarkeit zu verbessern, sollen Patienten der NYHA Klasse II und III ein regelmäßiges Training wie Gehen oder Radfahren absolvieren. Zudem werden Symptomatik und Lebensqualität verbessert. Anstrengungen, die zur Dyspnoe führen, sind generell zu vermeiden. Strenge körperliche Schonung und Bettruhe sind nur bei akuter bzw. dekompensierter HI indiziert. Jedoch sollten auch hier passive Bewegungsübungen und Atemtraining durchgeführt werden. [5]
Medikamentöse Therapie der systolischen Herzinsuffizienz Behandlungsindikation stellt sowohl die symptomatische HI als auch asymptomatische HI mit einer LVEF 40% dar. [21] Da davon ausgegangen wird, dass die chronische HI auf einer primären Myokardschädigung beruht, die durch gegenregulatorische Mechanismen des Körpers aggraviert wird, liegt das Behandlungsziel darin, diese zu blockieren. Man erwartet sich dadurch, die Progression zu mindern, die Symptome zu verbessern und die Überlebensrate zu steigern. [5]
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Ein Überblick der verschiedenen Arzneimittel in der Therapie der Herzinsuffizienz wird in folgender Tabelle dargestellt: [20]
Arzneimittel ACE-Hemmer -Blocker Diuretika
Schleifendiuretika Thiazide
Aldosteron-Antagonisten AT1-Rezeptorblocker Herzglykoside
NYHA Klasse I Klasse II Klasse III indiziert indiziert indiziert nach MI indiziert indiziert bei Hypertonie bei Flüssigkeitsretention --indiziert bei Hypertonie bei Flüssigkeitsretention indiziert --nach MI indiziert in allen NYHA-Klassen bei ACE-Hemmerintoleranz
Klasse IV indiziert indiziert indiziert indiziert indiziert
bei chronischem, tachyarrhythmischem VHF bei Sinusrhythmus nur als Reservemittel bei VHF oder spezifischen Bedingungen
Antikoagulanzien bei therapierefraktärer arterieller Hypertonie oder Angina pectoris Amlodipin und Felodipin TABELLE 3: MEDIKAMENTÖSE THERAPIE
Renin-Angiotensin-Aldosteron System (RAAS) Da es bei der HI zu einer Aktivierung des RAAS über eine durch die Pumpschwäche des insuffizienten Herzens ausgelöste Hypotonie kommt, ist es wichtig zu verstehen, wie dieses funktioniert und warum die folgenden Wirkstoffgruppen zur Therapie eingesetzt werden können.
RAAS [48]
24
Beim Renin-Angiotensin-Aldosteron-System (RAAS) handelt es sich um einen Mechanismus zur mittelfristigen Blutdruckregulierung. [22] Sinkt der Blutdruck in der Niere um 10–15 mmHg ab [22], wird Renin vom juxtaglomerulären Apparat der Nierenglomerula freigesetzt. Das nun systemisch vorkommende proteolytische Enzym wandelt das von der Leber gebildete Glykoprotein Angiotensinogen in Angiotensin I um. Dieses wiederum wird durch das in Blut und Lunge vorkommende Angiotensin-Converting Enzyme (ACE) in Angiotensin II überführt. [51] Angiotensin II wirkt per se als potenter Vasokonstriktor und führt zur Natriumrückresorption
und
folglich
zu
einer
Blutdrucksteigerung.
Gleichzeitig stimuliert es die Sekretion von Aldosteron und ADH (Antidiuretisches Hormon) in der Nebennierenrinde. [23] Aldosteron verstärkt nun die Natrium- und Wasserretention in den Nierentubuli. Im Gegenzug dafür werden vermehrt Magnesium und Kalium ausgeschieden. [5] Durch den letztlich gestiegenen Blutdruck wird die Reninproduktion gehemmt und der Kreis geschlossen. Das zusätzliche Volumen ist für ein bereits geschädigtes Herz eine Belastung. Der Blutdruck kann vom bereits geschwächten Herz langfristig nicht aufrecht erhalten werden und führt zu einer erneuten RAASAktivierung. Es entsteht ein Circulus Vitiosus, den es zu unterbrechen gilt. ACE-Hemmer Diese Wirkstoffgruppe hemmt das Angiotensin Converting Enzym (ACE) und verhindert somit die Umwandlung von Angiotensin I in Angiotensin II. Dadurch werden ungünstigen Wirkungen des RAAS wie Volumenbelastung und Remodelling vermindert. Zudem wird durch die Blockade des ACE das Kalikreinkininsystems aktiviert, das folglich zu einer Erhöhung des Bradykininspiegels führt. Bradykinin werden positive Effekte, wie Vasodilatation und Natriumexkretion, zugeschrieben. [5] ACE-Hemmer senken die Mortalitätsrate und verbessern die Prognose. [24]
25
Indikation [2] -
Alle Patienten mit einer LVEF 40%, unabhängig von deren Symptomen.
Kontraindikationen [2] -
Angioödem in der Vorgeschichte
-
beidseitige Nierenarterienstenose
-
Serum-Kalium >5 mmol/l
-
Serum-Kreatinin >220 µmol/l (~2,5 mg/dl)
-
schwere Aortenstenose
-
ACE-Hemmerintoleranz ACE-Hemmer Benazepril Captopril Enalapril Fosinopril Lisinopril Perindopril Quinapril Ramipril Trandolapril
Startdosis [mg] 2.5 3x6.25 2.5 10 2.5 2 2.5–5 1.25–2.5 1
Zieldosis [mg] 2x5–10 3x50–100 2x10 20 20–35 8 5–10 2x2.5–5 4
TABELLE 4: DOSIERUNG ACE-HEMMER [5]
AT1-Rezeptorantagonisten Sie blockieren die über den AT1-Rezeptor vermittelten Wirkungen von Angiotensin II selektiv und weisen somit die günstigen Wirkungen der ACE-Hemmer auf, ohne jedoch deren Nebenwirkungen (v.a. der Husten) zu teilen. [25] Daher können diese Wirkstoffgruppe bei ACEHemmerunverträglichkeit verabreicht werden. Indikationen [2] -
LVEF 40%
-
ACE-Hemmerunverträglichkeit
-
Beschwerdepersistenz trotzt ACE-Hemmer und -Blocker
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Kontraindikationen [2] -
beidseitige Nierenarterienstenose
-
Serum-Kalium >5 mmol/l
-
Serum-Kreatinin >220 µmol/l (~2,5 mg/dl)
-
schwere Aortenstenose
-
Kombinationstherapie mit ACE-Hemmern und Aldosteronantagonisten AT1-Antagonisten Candesartan Lorsartan Valsartan Nebivolol
Startdosis [mg] 4 12.5 2x40 1,25
Zieldosis [mg] 1x12 50 2x160 10
TABELLE 5: DOSIERUNG AT1-REZEPTORANTAGONISTEN [5]
-Blocker -Blocker sollten zusätzlich zu einer Therapie mit ACE-Hemmer und ggf. Diuretika bei Patienten mit stabiler HI [26] oder bei stattgehabtem unkomplizierten Myokardinfarkt als Standardmedikation verabreicht werden. Durch ihren negativ inotropen Effekt führt die Therapie zu einer Senkung der Herzfrequenz, des myokardialen O2-Verbrauchs und des linksventrikulären Volumens, sowie zu einer Steigerung der LVEF, was einer Umkehr des Remodellings entspricht. [27] Indikation [2] -
LVEF 40%
-
NYHA II–IV
-
optimale Dosierung eines ACE-Hemmer/AT1-Rezeptorantagonisten
Kontraindikation [2] -
Asthma bronchiale
-
AV-Block II°/III°
-
Sick-Sinus-Syndrom
-
Sinusbradykardie (5 mmol/l
-
Serum-Kreatinin >220 µmol/l (~2,5 mg/dl)
-
Kombination mit Kaliumsparenden Diuretika oder Kaliumersatzpräparaten
-
Kombination von ACE-Hemmer und AT1-Rezeptorblocker Therapieziel diuretische Therapie Therapie einer Hypokaliämie Prognoseverbesserung bei schwerer systolischer HI (Spironolacton) postinfarziell bei systolischer symptomatischer HI (Eplerenon)
Dosis [mg/Tag] 50–200 50–200 12.5–50 12.5–50
TABELLE 7: DOSIERUNG ALDOSTERONANTAGONISTEN [5]
28
Diuretika Eine pulmonale oder periphere Ödembildung (kardiale Dekompensation) stellt den häufigsten stationären Aufnahmegrund herzinsuffizienter Patienten dar. [5] Deshalb sind Diuretika bei jeder HI mit Flüssigkeitsretention indiziert. [21] Die verschiedenen Wirkstoffe haben unterschiedliche Angriffspunkte im Nephron und führen dadurch zu einer erhöhten Salz- und Flüssigkeitsausscheidung. [5]
ANGRIFFSPUNKTE DIURETIKA [5]
Schleifendiuretika haben den ausgeprägtesten saluretischen und diuretischen Effekt.
Thiazide besitzen einen schwächeren Effekt als die
Schleifendiuretika und sogenannte kaliumsparende Diuretika weisen nur eine geringe Wirkung auf. [5] Auf Grund der verschiedenen Wirkstärken werden Thiazide bei geringgradigen und Schleifendiuretika bei ausgeprägten Flüssigkeitsansammlungen angewandt. Eine Kombinationstherapie ist bei therapieresistenten Ödemen angezeigt. Zudem wird zur Vorbeugung erneuter Flüssigkeitsretentionen und akuter Dekompensationen die Diuretikagabe weiter fortgesetzt. [21]
29
Diuretikum Startdosis [mg] Schleifendiuretika Furosemid 20–40 Bumetanid 0.5–1.0 Torasemid 5–10 Thiazide Bendroflumethiazid 2.5 Hydrochlorothiazid 25 Metolazon 2.5 kaliumsparendes Diuretika +ACEI/ARB -ACEI/ARB Spironolacton 12.5–25 50 Amilorid 2.5 5 Triamteren 25 50
Tageshöchstdosis [mg] 40–240 1–5 10–20 2.5–10 12.5–100 2.5–10 +ACEI/ARB 50 20 100
-ACEI/ARB 100–200 40 200
TABELLE 8: DOSIERUNG DIURETIKA [2]
Herzglykoside Herzglykoside sind Naturstoffe verschiedener Pflanzen. Sie kommen z.B. im Fingerhut oder im Maiglöckchen vor. [5] Auf das Herz wirkt die Substanzgruppe positiv inotrop (Steigerung der Kontraktionsfähigkeit) und negativ dromotrop (Verringerung der Geschwindigkeit der Erregungsausbreitung). Zusätzlich wird die sympathoadrenerge Aktivierung bei HI-Patienten vermindert. [28] Indikationen [2] -
bei VHF bei Ruhepuls >80 bpm und körperlicher Betätigung >110–120 bpm
-
bei Sinusrhythmus LVEF 40% NYHA II–IV optimale
Dosis
von
ACE-Hemmer/AT1-Rezeptorblocker
und
-Blocker
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Kontraindikationen [2] - AV-Block II°/III° und Sick-Sinus-Syndroms ohne Schrittmacher - Präexzitationssyndrome - Digoxinintoleranz Antikoagulantien Patienten mit HI weisen durch die Stase des intrakardialen Blutflusses ein erhöhtes Risiko für thrombembolische Komplikationen auf. [5] Thrombozytenaggregationshemmung Eine Therapie mit Acetylsalicylsäure (ASS) wird bei der Mehrzahl von Patienten mit KHK eingesetzt und vermindert nach stattgehabtem Myokardinfarkt und bei instabiler Angina pectoris die Mortalität und Morbidität. [5] Systemische Antikoagulation Eine orale Antikoagulation ist bei Patienten mit VHF und HI bzw. linksventrikulärer Kontraktionsstörung zur Verminderung thrombembolischer Ereignisse sinnvoll, da hierdurch die Schlaganfallhäufigkeit reduziert werden kann. [5]
Operative und apparative Therapie der chronischen Herzinsuffizienz Revaskularisationstherapie Bei 60–70% aller Patienten mit HI stellt sich eine KHK als Ursache dar. Daher sollte an eine evt. notwendige Revaskularisierung gedacht werden. Diese erfolgt entweder durch einen koronaren Bypass (CABG) oder einer perkutanen Koronarintervention (PCI). Welches Verfahren angewandt wird, hängt von der Stenosemorphologie, dem Eingriffsrisiko sowie den Co-Morbiditäten ab. [2] Voraussetzung für die Revaskularisation ist jedoch der Nachweis von ischämischem, vitalem Myokard sowie bypassfähigen Koronarien. [26]
31
Mitralklappenchirurgie Bei Patienten mit höhergradiger Mitralklappeninsuffizienz kann eine Mitralklappenrekonstruktion, wie mehrere Studien belegen konnten, auch bei Patienten mit schwerer linksventrikulärer Dysfunktion zu einer deutlichen symptomatischen Besserung führen. [26] Schrittmacher Konventionelle rechtsventrikuläre Schrittmacher haben in der Therapie der HI keinen Stellenwert, außer es besteht eine konventionelle Indikation zur Behandlung einer Bradykardie. [26] CRT Bei HI-Patienten mit zusätzlichem LSB zeigt der linke und rechte Ventrikel eine dyssynchrone Kontraktion, die eine Reduktion der Herzleistung und der diastolischen Füllungszeit, eine Erhöhung der linksventrikulären Wandspannung und enddiastolischen Volumina und eine relative Mitralinsuffizienz zur Folge hat. Dies führt zu einer signifikanten Verschlechterung der Prognose. [29] Das dyssynchrone Kontraktionsmuster kann durch eine spezifische Schrittmachertherapie (kardiale Resynchronisationstherapie) verbessert werden. Dabei wird ähnlich wie bei einem normalen Herzschrittmacher das Aggregat subkutan subclaviculär eingesetzt. Insgesamt werden drei Elektroden in den rechten Vorhof, in den rechten und linken Ventrikel implantiert. Durch gleichzeitige Stimulation beider Ventrikel (biventrikuläre Stimulation) kann die Dyssynchronie reduziert und die Auswurfleistung des Herzens verbessert werden. [30] Die Symptomatik und Belastbarkeit der Patienten verbessert sich und die Mortalität wird reduziert. [26] Bei gegebener Indikation erhalten die Patienten eine Kombinationstherapie aus Kardioverter-Defibrillator und CRT-System (CRT-D). Die Lebenserwartung in gutem klinischen Zustand sollte bei Implantation des
32
CRT-D Systems >1 Jahr und bei einem CRT System ohne ICD-Funktion (CRT-P) >6 Monate betragen. [31]
CARDIALE RESYNCHRONISATIONSTHERAPIE [49]
Die Indikationen für eine kardiale Resynchronisationstherapie sind: [32] - QRS-Dauer 120 ms, - LVEF 35%, - symptomatische Herzinsuffizienz (NYHA Klasse III/IV) - Sinusrhythmus. In der MADIT-CRT Studie konnte ein Benefit auch für Patienten in der NYHA Klasse II gezeigt werden, [19, 55] jedoch sollte hierbei eine QRSDauer von 150 ms bei LSB vorliegen. [31] Im Vergleich zur alleinigen ICD-Therapie hatten Patienten mit kombinierter CRT Therapie eine ausgeprägtere Reduktion der Morbidität. [19] Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine CRT-D Therapie auch bei Patienten mit chronischem Vorhofflimmern einen signifikanten Benefit bringen. [32] Trotz gewissenhafter Patientenselektion und optimaler linksventrikulärer Sondenlage profitieren nicht alle Patienten von einem CRT System, die Non-Responder-Rate liegt weiterhin bei 20 bis 30%. [19, 33]
33
ICD Der plötzliche Herztod (SCD, sudden cardiac death) ist die häufigste Ursache der kardiovaskulären Todesfälle und ist definiert als plötzlicher, unerwarteter, natürlicher kardialer Tod innerhalb einer Stunde nach Symptombeginn. Kammertachykardien, die in Kammerflimmern und letztlich Asystolie übergehen, sind der häufigste Grund dafür. [34] 25-50% der Todesfälle von HI-Patienten sind auf den SCD zurückzuführen. [35] Um dem SCD vorzubeugen, ist die Therapie der Wahl die Implantation eines ICD. Dabei wird das Aggregat unter dem Brustmuskel eingesetzt und eine Elektrode zumeist an der Spitze der rechten Herzkammer verankert. Unter bestimmten Voraussetzungen (z.B. bei einem begleitenden Sick-Sinus-Syndrom) wird zusätzlich eine Vorhofsonde implantiert. Bei HI-Patienten mit einer Indikation für eine Resynchronisationstherapie wird ein CRT-D System gewählt. [36]
IMPLANTIERBARER CARDIOVERTER-DEFIBRILLATOR [50]
Es wird in der Indikationsstellung zwischen Primärprophylaxe und Sekundärprophylaxe unterschieden. In der Primärprophylaxe wird der ICD bei Patienten mit vorangegangenem MI (Ereignis mind. 40 Tage zuvor) oder einer nicht-ischämischen Kardiomyopathie, einer LVEF 35%, NYHA Klasse II oder III und opti-
34
maler medikamentöser Therapie empfohlen. Die Lebenserwartung in gutem klinischen Zustand sollte >1 Jahr betragen. [2] Die MADITStudie zeigte bereits 1996, dass die ICD-Implantation zur Primärprophylaxe im Vergleich zur alleinigen medikamentösen Therapie die Mortalität signifikant reduziert. [37] Bei Patienten mit überlebtem SCD oder mit symptomatischer, anhaltender ventrikulärer Kammertachykardie wird der ICD als Sekundärprophylaxe implantiert. Die Lebenserwartung sollte in gutem klinischen Zustand >1 Jahr betragen. [2] Auch hier zeigten multizentrische Studien eine deutliche Überlegenheit des ICDs in der Sekundärprävention im Vergleich zur alleinigen antiarrhythmisch medikamentösen Therapie. [38] Ventrikuläre Assist-Systeme Die chronische terminale HI weist eine Einjahresletalität von 50% auf. Aus diesem Grunde wurden mechanische Kreislaufunterstützungssysteme entwickelt. [5]
Diese ventrikulären Assist-Systeme oder Kunst-
herz können zur Überbrückung bis zu einer Herztransplantation (Bridgeto-transplantation), bei Myokarditis mit schwerer Pumpfunktionsstörung oder in Einzelfällen zur dauerhaften hämodynamischen Unterstützung (Destination-therapy) eingesetzt werden. [39, 5] Herztransplantation Die Herztransplantation ist bei terminaler HI fest etabliert mit einer Verbesserung der Überlebensrate, Belastbarkeit und Lebensqualität im Vergleich
zu
einer
konventionellen
Therapie.
[39]
Die
5-
Jahresüberlebensrate nach Herztransplantation liegt bei etwa 70–80%. Als Komplikationen nach der Transplantation sind Abstoßungsreaktionen besonders im ersten postoperativen Jahr von Bedeutung. Die lebenslange Immunsuppression ist erforderlich, kann jedoch Infektionen und langfristig die Entstehung von Malignomen begünstigen. [5]
35
STUDIE Studienziele Die Herzinsuffizienz ist eine der häufigsten internistischen Erkrankungen in den westlichen Industrienationen mit einer Prävalenz von 1-2% in der Normalbevölkerung. Die Häufigkeit zeigt dabei eine deutliche Altersabhängigkeit, so beträgt die Prävalenz bei 45- bis 55-Jährigen unter 1% und steigt bei 70- bis 80-Jährigen auf 10-20% an. [2] Die Prognose der Patienten ist je nach Stadium der HI signifikant reduziert mit einer mittleren 5-Jahres-Mortalität von 50%. [40] Das Vorhandensein eines LSB im Ruhe-EKG verschlechtert die Prognose weiter. Bis zu einem Drittel aller Patienten mit chronischer HI haben bei Diagnosestellung bereits einen LSB [41], weitere 10% werden innerhalb eines Jahres ein Blockbild entwickeln. [16] Rezente Untersuchungen von Patienten mit ICDs zeigen ferner, dass bei diesen Patienten ein Schenkelblockbild ein unabhängiger Prädiktor für das Auftreten ventrikulärer Tachyarrhythmien im Langzeitverlauf ist bzw. Kammertachykardien häufiger auftreten. [42, 43] Durch eine entsprechende pharmakologische Herzinsuffizienztherapie kann die Mortalität dieser Patienten signifikant reduziert und die Symptomatik und Prognose durch eine zusätzliche Implantation eines ICDbzw. CRT-Gerätes bei ausgewählten Patienten mit fortgeschrittener HI weiter verbessert werden. [2] Daraus resultieren folgende Studienziele, die untersucht werden: - Veränderung der Dauer des QRS-Komplexes im Langzeitverlauf - Häufigkeit eines LSB bei Geräteimplantation - Inzidenz eines LSB im Langzeitverlauf
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METHODIK Studiendesign und Patientenkollektiv Bei dieser Studie handelt es sich um eine retrospektive Datenerhebung hinsichtlich Inzidenz und Entwicklung eines LSB bei Patienten mit chronischer HI und implantiertem ICD aus primär- und sekundärprophylaktischer Indikation. Primär wurden alle Patienten (Männer und Frauen), welchen an der Medizinischen Universitätsklinik Graz im Zeitraum von 2003 bis 2006 ein ICD implantiert und in weiterer Folge nachgesorgt wurden, evaluiert. Diejenigen Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz und reduzierter Linksventrikelfunktion (LVEF 35%) wurden anschließend für die weitere Analyse herangezogen.
Datenerhebung Die Daten für diese retrospektive Analyse wurden aus der digitalen Datenbank der KAGES (MEDOCS) und den archivierten, schriftlichen Krankenakten der kardiologischen Ambulanz – soweit vorhanden – entnommen. Folgende Daten wurden zum Zeitpunkt der ICD-Implantation erfasst: demographische Daten: Name, Geburtsdatum, Geschlecht, Größe, Gewicht, stattgehabte Reanimation, stattgehabte operative und interventionelle Eingriffe am Herzen, Grunderkrankung, relevante Begleiterkrankungen, NYHA-Klasse, evt. stattgehabte Synkope, medikamentöse Therapie, Implantationsdatum, evt. Todesdatum und Todesursache. Untersuchungen: Blutdruck, EKG (Datum, Rhythmus, PQ-Zeit, QRS-Dauer, Art des Schenkelblockbildes), Echokardiographie (LVEF, LVEDD, LVH), Koronarangiographie (Anzahl der Koronarien mit relevanten Stenosen), Laborwerte (Hämoglobin, Creatinin, Creatinin-Clearance, NT-proBNP, Natrium, -GT, Cholesterin)
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Für die Beurteilung des LSB im Langzeitverlauf wurden die EKGAufzeichnungen zum Zeitpunkt der ICD Implantation und zum Zeitpunkt der letzten ICD-Nachsorge analysiert.
Statistik Die statistische Analyse der Daten erfolgte mit Hilfe des Programmes Statistical Package for the Social Sciences (SPSS, Version 20). Dabei wurde eine deskriptive Datenanalyse durchgeführt, bei der Häufigkeiten, Korrelationen und Mittelwerte inklusive Standardabweichungen errechnet wurden. Es wurden zweiseitige t-Tests und der WilcoxonTest angewandt. Ein p-Wert