Lang, 1995)

Interpersonale Kommunikation – Prof. Dr. Gertraud Koch 3. Veranstaltung: Strategische vs. Verständigungsorientierte Kommunikation am 27. 01. 09 Gruppe...
Author: Arwed Junge
31 downloads 0 Views 84KB Size
Interpersonale Kommunikation – Prof. Dr. Gertraud Koch 3. Veranstaltung: Strategische vs. Verständigungsorientierte Kommunikation am 27. 01. 09 Gruppe A: Alicia Lindner, Jonas Mieke, Lena Schulze-Gabrechten

Thesenpapier Die Theorie des kommunikativen Handelns von Jürgen Habermas – Eine kommentierte Textcollage (Burkart/Lang, 1995) Die Autoren Burkart/Lang geben in ihrem Text einen Überblick über die zentralen Inhalte der Kommunikationstheorie von Jürgen Habermas. Habermas ist Vertreter der zweiten Generation der Kritischen Theorie und ist der Frankfurter Schule zuzuordnen. Sein Hauptwerk Theorie des kommunikativen Handelns, auf das sich die Autoren primär beziehen, verfasste er 1981. In diesem versucht er die normativen Grundlagen einer kritischen Gesellschaftstheorie zu klären. Ausgehend von Habermas’ Unterscheidung zwischen Verständigungsorientierter und Strategischer Kommunikation stellen die Autoren Burkart/Lang seine Theorie der Moderne vor. In einem dritten Teil wird auf seinen Begriff der Öffentlichkeit, die Rolle der Massenmedien in diesem Zusammenhang sowie die demokratietheoretischen Implikationen seiner Kommunikations- und Gesellschaftstheorie eingegangen. I. Sprache, Kommunikation und Verständigung Verständigung als ursprüngliche Funktion von Sprache Für Habermas ist die Sprache das zentrale Medium der Verständigung. Auch non-verbale Kommunikation verweist zumeist auf Sprache. Der ursprüngliche Zweck des Sprachgebrauchs ist die Verständigung, also ein wechselseitiger Prozess mit dem Ziel ein Einverständnis zu erlangen, um auf Basis dieses Interessenabgleichs Handlungen koordinieren zu können. Diese auf Konsensfindung abzielende Kommunikation ist somit der Originalmodus des verbalen Austauschs, die Habermas unter verständigungsorientierte Kommunikation zusammenfasst. Davon abzugrenzen ist die „defizitäre Form“ der strategischen Kommunikation, welche die Beeinflussung des Gegenübers zum Ziel hat. Diese Form ist als defizitär zu beschreiben, da bei Verständigung nur dem Argument, dem guten Grund, eine privilegierte Stellung zukommt, das Ergebnis ist demzufolge rational. Werden Zwänge in den Entscheidungsprozess miteinbezogen, ist das Ergebnis irrational Universalpragmatik Kommunikative Kompetenz ist also das Wissen darüber, wie ein unerzwungenes, allein rational motiviertes Einverständnis erlangt werden kann, also wie der Verständigungsprozess 1

ablaufen muss. Verständigung ist geprägt von Sprechakten, da Sprache das entscheidende Medium ist. Diese Sprechakte weisen eine Doppelstruktur auf, bestehend aus illokutivem und propositionalem Satz, wobei ersterer Teil Aufschluss über die Beziehung gibt, in der Sprecher und Hörer stehen („Ich empfehle dir,…“), und letzterer als Träger des Inhalts fungiert („…das zu unterlassen“).

Ansprüche an den Sprecher An den Sprecher sind dabei mehrere Ansprüche gerichtet: „Verständlichkeit“, „Wahrheit“, „Richtigkeit“ und „Wahrhaftigkeit“. „Verständlichkeit“ bedeutet, dass der Sprecher dem Hörer etwas so mitteilen kann, dass dieser es auch versteht. Ist dies nicht gegeben, da A und B z.B. eine andere Sprache sprechen, dann kommt der Verständigungsprozess logischerweise nicht in Gang. „Wahrheit“ soll heißen, dass das Genannte vom Hörer als existent begriffen werden kann. „Wahrhaftigkeit“ wiederum soll bedeuten, dass der Sprecher sich bewusst ist, nicht lügen zu dürfen, den anderen nicht zu täuschen. „Richtigkeit“ heißt, dass die Aussage des Sprechers mit festgelegten Normen der jeweiligen Gesellschaft vereinbar sein können muss. Diskurs zur Konsensfindung Zweifelt der Hörer eine der Vorraussetzungen „Wahrheit“, „Wahrhaftigkeit“ und „Richtigkeit“ an, so wird er das Angebot des Sprechakts zurückweisen. Zunächst wird er wohl noch einmal nachfragen („Wirklich?“), anschließend kann zur Klärung ein Diskurs geführt werden. Ziel eines solchen Diskurses ist wiederum die Konsensfindung, er muss folglich in eine „ideale Sprechsituation“ eingebettet werden, d.h. das Argument muss als einziger Faktor gelten, während alle äußeren und inneren Zwänge ausgeschaltet werden. Daran ist besonders gut zu erkennen, dass die Forderungen Habermas’ an die Kommunikation und ihr Umfeld einen normativen Idealcharakter aufweisen, dennoch seien sie bei der Verständigung vorauszusetzen.

II. Kommunikation und Gesellschaft 1. Nur das kommunikative Handeln nutzt Sprache verständnisorientiert Das beschriebene Verständigungskonzept dient Habermas als Grundlage für die Klärung des Begriffs der kommunikativen Handlung. Der sog. Handlungstypologie dient die Annahme eines teleologischen, also zweckmäßigen Handelns als Ausgangspunkt. Der vom Handelnden angestrebte Zweck wird mit Hilfe von erfolgsversprechenden Mitteln durch verschiedene Handlungsweisen erreicht. Habermas unterscheidet (1) instrumentelles, (2) strategisches und (3) kommunikatives Handeln. Instrumentelles Handeln zielt auf die manipulative Veränderung von Gegenstände ab. Sie stellt also einen Eingriff in die physische Welt dar. Das strategische Handeln ist erfolgsorientiert und der Gebrauch von Sprache dient hier der wechselseitigen Beeinflussung.

2

Kommunikatives Handeln wird als „rational motiviertes Verständnis zwischen Alter und Ego“ beschrieben. Hierbei erfolgt eine interne Abstimmung und das Ziel ist das gegenseitige Einverständnis. 2. Kommunikatives Handeln reproduziert die Lebenswelt Der Begriff der Lebenswelt spielt eine entscheidende Rolle. Habermas beschreibt diese als “intuitiv gewussten, unproblematischen und unzerlegbaren Horizont“ des Sprechers/Hörers. Weiterhin bilden Kultur, also ein Wissensvorrat, die Gesellschaft, bestehend aus legitimen Ordnungen im zwischenmenschlichen Bereich, sowie die Persönlichkeit, die durch erworbene Kompetenzen gekennzeichnet ist, die symbolischen Strukturen der Lebenswelt. Laut Habermas ist Kultur in Wissenschaft, Moral/Recht, Gesellschaft in demokratischen Institutionen sowie Persönlichkeit in Familie und Privatsphäre institutionalisiert. Kommunikatives Handeln reproduziert Kultur, sozialisiert und erfüllt die Funktion der sozialen Integration. Die drei konstituierenden Komponenten der Lebenswelt werden durch die Kontinuierung von gültigem Wissen (Kultur); der Stabilisierung von Gruppensolidarität (Gesellschaft) und der Heranbildung zurechnungsfähiger Aktoren (Persönlichkeit) reproduziert. Wird auf strategisches (defizitäre) Handeln umgestellt, hat dies Störungen in der Entwicklung der drei Bereiche der Lebenswelt zur Folge. 3. Die Rationalisierung der Lebenswelt führt zu einer Entbindung des vernünftigen Potenzials des verständigungsorientierten Handelns Seit der Moderne sind laut Habermas die drei Elemente der Lebenswelt, die bis dato eine einheitsstiftende Kraft besaßen, in Disharmonie. Eine immer stärkere Ausdifferenzierung der Bereiche der Lebenswelt und der ihr immanenten Prozesse führt zur Notwendigkeit eines kommunikativem Handeln, welches auf rational motivierte Verständigung abzielt. Letztlich stützt sich dies also auf „die Autorität des besseren Arguments“. Allerdings wird dieses Potential verständigungsorientierten Handelns nicht zwangsläufig auch genutzt. 4. Systemisch induzierte Verdinglichung und kulturelle Verarmung bedrohen die kommunikative Infrastruktur der Lebenswelt Für Habermas konstituiert sich Gesellschaft nicht nur aus der Lebenswelt, sondern auch aus dem ökonomischen und administrativen System. Die Bestanderhaltungsimperative dieser durch der Rationalisierung der Lebenswelt entstandenen Subsysteme sind Geld und Macht (dementsprechend wird dort nicht kommunikatives, sondern egozentrisches nutzenorientiertes Handeln praktiziert). Habermas spricht nun von einer „Kolonialisierung der Lebenswelt“ durch die verselbstständigten Imperative der Subsysteme, die Assimilation erzwingen. Zu dieser systemisch induzierten Verdinglichung hinzu kommt die kulturelle Verarmung, die beide die Lebenswelt bedrohen. Als eine Folge der Professionalisierung verarmt der Alltags und die breite Masse an Kultur. Durch diese Mangel an Verständigung wird das Alltagsbewusstsein fragmentiert.

3

III. Öffentlichkeit, Massenmedien und Demokratie Habermas zentraler Ansatz lautet hier: „Die in der Theorie der Moderne diagnostizierte Kolonialisierung der Lebenswelt bedeutet hier eine Vermachtung von Öffentlichkeit durch den manipulativen Einsatz massenmedialer Technologien, deren Folge ein erhebliches Demokratiedefizit ist.“ In diesem Zusammenhang stellt Habermas folgende Thesen auf: 5. Öffentlichkeit als normativer Begriff: Die Klärung politischer Fragen, soweit es ihren moralischen Kern betrifft, ist auf die Einrichtung einer öffentlichen Argumentationspraxis angewiesen. Vor Eintritt der Moderne lieferten Traditionen vorgegebene Sinn- und Deutungsmuster und regelten so das gesellschaftliche Zusammenleben. Danach artikuliert sich der durch sprachliche Verständigung hergestellte gesellschaftliche Konsens in der öffentlichen Meinung. Der öffentliche Diskurs bildet hierbei den Rahmen, rational - also im gemeinsamen Interesse der Argumentationsteilnehmer- (politische) Konflikte zu regeln. Idealerweise herrschen bei diesem Willensbildungsprozess die Voraussetzungen von kommunikativer Verständigung. 6. Durch den Strukturwandel der Öffentlichkeit ist eine Herrschaft auflösende diskursive Willensbildung im politischen System institutionalisiert worden. Habermas interpretiert die Entwicklung der Öffentlichkeit funktionell. Bis sich die kapitalistische Produktionsweise durchsetzte, hatte sich, unter anderem generiert durch die Französische Revolution, eine politische Öffentlichkeit herausgebildet. Öffentlichkeit ist demnach ein von Privatbürgern beherrschter Ort spontaner Meinungs- und Willensbildung. Unter anderem durch die Möglichkeit der Publizität können Bürger ihre Kritik äußern. 7. Die Öffentlichkeit wurde durch administrative Macht und die Imperative des kapitalistischen Wirtschaftssystem kolonialisiert. Dieses ist mit Forderungen eines demokratischen Willensbildungsprozesses unvereinbar. Als Teil der Lebenswelt ist auch die Öffentlichkeit seit Durchsetzung der kapitalistischen Produktionsweise von den Imperativen Macht und Geld durchdrungen. Eine politische Öffentlichkeit mit demokratischen Grundprinzipien erfordert aber verständnisorientierte Kommunikation. Die strategische Kommunikation, die im administrativen System und im Wirtschaftssystem vorherrscht, unterwandert demokratische Anforderungen einer politischen Öffentlichkeit, argumentiert Habermas. 8. Autonome, selbst-organisierte Teil-Öffentlichkeiten müssten eine „kluge Kombination von Macht und intelligenter Selbstbeschränkung entwickeln“ um eine kommunikative Gegenmacht zu bilden, welche die administrative Macht begrenzt.

4

Zur Eingrenzung der manipulativen administrativen Macht, welche darauf abzielt Massenloyalität zu erzeugen, sieht Habermas eine Chance in der kommunikativ erzeugten Gegenmacht autonom organisierter Teil-Öffentlichkeiten. Diese haben ein Interesse „aneinander“, bilden den Kern der Zivilgesellschaft und laufen aber auch Gefahr, sich in ein System zu verselbständigen. 9. Medienöffentlichkeiten sind ambivalent, sie hierarchisieren und entschränken den Horizont möglicher Kommunikation zugleich - durch ihre inhaltliche Struktur und durch ihre Organisationsform. Das autoritäre Potential der Medien ist unter anderem in den Möglichkeit der Massenmedien begründet durch ihre hierarchische Organisationsform und Ignoranz bestimmter Themen soziale Kontrolle auszuüben. Das emanzipatorisches Potential der Medien liegt in der Möglichkeit von Zentren verdichteter Kommunikation aus der Alltagswelt, ihre Meinung in der Öffentlichkeit kundzutun und mit den Einflüssen der kapitalistischen Imperative von außen zu konkurrieren. 10. Die diskurstheoretisch begründete Erwartung vernünftiger (im Sinne der Demokratie) Ergebnisse gründet sich auf das Zusammenspiel der zwei Ebenen politischer Willensbildung Habermas Diskursbegriff der Demokratie vertraut auf die „politische Mobilisierung und Nutzung der Produktivkraft Kommunikation“. Der Grundbegriff für eine normative Demokratietheorie ist eine politische Öffentlichkeit, in der die Bedingungen für eine verständigungsorientierte Kommunikation unter Staatsbürgern zur Willensbildung gegeben ist. Dabei muss die institutionelle Ebene des demokratischen Rechtsstaats, die Willensbildungs- und Meinungsprozesse formal verfasst, durchlässig sein für die nichtorganisierte Öffentlichkeit, die konstruktiv sowie bewertend Themen aus ihrer Lebenswelt einbringt.

IV. Fazit Habermas bezieht seine kommunikationstheoretischen Erkenntnisse auf eine kritische Gesellschaftstheorie und eine normative Demokratietheorie. Mit der kommunikationstheoretischen Unterscheidung zwischen verständigungsorientierter und strategischer Kommunikation erklärt er „Pathologien der Moderne“. Das administrative System sowie das Wirtschafssystem agieren mit Hilfe der defizitären strategischen Kommunikation. Durch die Durchdringung ihrer verselbstständigten Systemimperative untergraben sie die Kommunikationsbedingungen einer demokratischen politischen Öffentlichkeit. Habermas fordert abschließend eine neue Balance zwischen den Gewalten der gesellschaftlichen Integration, zwischen administrativer Macht sowie Geld und Produktivkraft Kommunikation, sodass letztere die Forderungen der Lebenswelt der Staatsbürger in der politischen Öffentlichkeit zur Geltung bringt. Nur so, durch die Vorherrschaft einer verständigungssorientierten rationalen Kommunikation im politischen 5

öffentlichen Diskurs, sieht er einen legitimierten demokratischen Willensbildungsprozess verwirklicht.

V. Kritik Wie bereits angeführt haben die Thesen Habermas’ einen stark normativen Charakter. Dies bietet einerseits für Verbesserungen im Bereich der alltäglichen Verständigung sowie politischer Willensbildungsprozesse als auch im Bereich der verantwortungsbewussten Medienführung Orientierungshilfe. Andererseits bewirkt es aber auch eine gewisse Praxisferne, man denke beispielsweise an die ideale Sprechsituation. Wie geht man nun damit um, dass in der Realität Ungleichgewichte der verschiedenen Kommunikationsteilnehmer gegeben sind? Habermas scheint dies auszuklammern. Und was passiert, wenn trotz Eintreten der Kommunikationsteilnehmer in einen Diskurs eine bestimmte Anforderung an die Sprecher, beispielsweise Wahrhaftigkeit, nicht erreicht werden kann? In gewissem Maße zweifelhaft erscheint auch die Einteilung zwischen verständigungsorientiertem Handeln und strategischem Handeln. Im Bezug auf die verständigungsorientierte Kommunikation definiert Habermas rational als im gemeinsamen Interesse aller Argumentationsteilnehmer und als Ziel der Verständigung. Es ist schwer vorstellbar, dass der einzelne Argumentationsteilnehmer rein verständigungsorientiert, also im Sinne des besseren Arguments handelt. Vielleicht kann sogar erfolgsorientiertes Handeln, bei dem die einzelnen Sprecher strategisch, d.h. nur in ihrem eigenen Interesse vorgehen, zu kollektivem Nutzen führen. Des Weiteren hätten die beiden Autoren Habermas’ These der systemisch verzerrten Kommunikation eingehender erklären können. Dieser Punkt bleibt etwas dürftig und damit unklar.

6