Kontaktklebstoffe Aktueller Stand der Technik Ulm, Juni 2011

Kontaktklebstoffe – Aktueller Stand der Technik Ulm, Juni 2011 Es sind vor allem zwei Eigenschaften, die Kontaktklebstoffen ihre herausragende Stellu...
Author: Carin Vogt
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Kontaktklebstoffe – Aktueller Stand der Technik Ulm, Juni 2011

Es sind vor allem zwei Eigenschaften, die Kontaktklebstoffen ihre herausragende Stellung verleihen. Sie sind die einzigen Klebstoffe, die eine messbare Sofortfestigkeit der Verklebung liefern - eine gleichwertige Wirkung kann sonst nur durch mechanische Verankerung erzielt werden. Zusätzlich ist ihr Haftspektrum extrem breit, so dass sie häufig bei schwierigen Verklebungen als Problemlöser eingesetzt werden. Die allermeisten Produkte sind heute noch lösemittelbasiert und damit aus Umwelt- und Arbeitsschutzgründen eigentlich nicht mehr zeitgemäß. Der vorliegende Beitrag fasst den aktuellen Stand der Technik und die zugehörige Umwelt- und Arbeitsschutzsituation zusammen.

Anwendungsgebiete von Kontaktklebestoffen Als Untergründe für Kontaktklebstoffe, unabhängig davon ob lösemittel- oder wasserbasiert, eignen sich praktisch alle üblichen Baumaterialien, wie Estriche, Spachtelmassen, Putze sowie Verlege- oder Metallplatten. Die jeweilige Oberfläche sollte möglichst glatt und eben sein. Glatte dichte Untergründe, wie Metallplatten, alte Nutzbeläge oder Beschichtungen müssen gründlich angeschliffen und abgesaugt werden. Kreidende oder staubende Oberflächen, wie Calciumsulfat-gebundene Estriche und Spachtelmassen oder Spanplatten, müssen zumindest grundiert, besser noch gespachtelt werden. Bei Belägen oder Profilen, die um Ecken oder Kanten geklebt werden, wirken verformungsbedingt permanent hohe Zugspannungen. Typische Fälle sind Hohlkehlen, Sockelaußenkanten oder Treppenstufen. Hier können Kontaktklebstoffe ihre spezifische Stärke ausspielen.

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Bild 1: Verlegung von Kautschuksockelleisten mit UZIN WK 222

Bild 2: Verlegung eines störrischen Nadelvliesbelags auf Treppenstufen mit UZIN WK 222

Durch die Sofortklebekraft bleiben die Beläge und Profile trotz der zum Teil hohen Zugspannungen von Anfang an in Form, die hohe Endfestigkeit gewährleistet die extreme Dauerhaftigkeit der Verklebung. Voraussetzung ist selbstverständlich die nachfolgend beschriebene und fachmännisch ausgeführte Untergrundvorbereitung. Obwohl nicht unbedingt typisch, wird auch in der Fläche in erheblichem Umfang mit Kontaktklebstoffen geklebt, wenn z. B. direkt anschließend an ein Profil oder eine Treppen-stufe kleinere Belagsflächen geklebt werden sollen oder in Aufzügen elastische Bodenbeläge zu kleben sind. Die Anforderung zur flächigen Verklebung von Bodenbelägen kann auch für Wände auftreten. Oft sind dies Prallwände in Sporthallen, aber auch Bodenbeläge, die in Schulen oder Kliniken an die Wand geklebt werden.

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Bild 3: Prallwandverlegung in einer Sporthalle mit UZIN WK 222

Da bei der Wandfixierung der Klebstoff zusätzlich die Belastung durch das Eigengewicht des Belags aufnehmen muss und auch extreme Punktbelastungen durch „Balleinschlag“ auftreten können, ist eine besonders hohe Leistungs-fähigkeit des Klebstoffs für eine dauerhafte Funktionsfähigkeit der Klebung essenziell. Lange Zeit war z. B. die Prallwandverklebung aufgrund der extrem hohen Anforderungen eine Domäne der lösemittelbasierten Kontaktklebstoffe. Mittlerweile können diese Anforderungen jedoch auch von wasserbasierten Systemen erfüllt werden – vor dem Hintergrund der großflächigen Anwendung und der damit einhergehenden erheblichen Lösemittelbelastung in geschlossenen Räumen, eine außer-ordentlich begrüßenswerte Entwicklung!

Umwelt- und Arbeitsschutz Lösemittelbasierte Kontaktklebstoffe sind eine technisch sehr nützliche und in der Anwendung sehr zuverlässige Gruppe von Klebstoffen. Ihr vergleichsweise sehr hoher Lösemittelgehalt von ca. 70 - 80 % birgt aus Sicht des Arbeitschutzes jedoch zwei erhebliche Risiken: Zum Einen können Verarbeiter und Nutzer der Räume durch Lösemittelinhalation gesundheitlich beeinträchtigt werden, zum Anderen können leichtentzündliche Lösemittel/Luft-Gemische entstehen und damit einhergehend eine erhebliche Explosions- und Brandgefahr.

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Bild 4: Brand, verursacht durch die Explosion der Lösemittel aus einem lösemittelbasierten Klebstoff

Eine durchaus realistisches Szenario, das leider immer wieder durch entsprechende Unfälle bestätigt wird. Unter Umweltgesichtspunkten dü-rften lösemittelbasierte Produkte eigentlich gar nicht mehr verwendet werden. Die Verlegewerkstoffhersteller unter-nehmen unvermindert größte Anstrengungen, um Emissionen aus wässrigen Dispersions-klebstoffen weiter zu reduzieren, wie die jüngste Verschärfung des EMICODE und die Einführung des Blauen Engel für Verlege-werkstoffe zeigen. Dazu ist die weitere Verwendung von Lösemittelprodukten kontra-produktiv - sie ist schlichtweg nicht mehr zeitgemäß! Die beiden genannten Aspekte der Lösemitteldiskussion haben sicher in erheblichem Maße dazu beigetragen, dass der Einsatz der lösemittelhaltigen Kontaktkleb-stoffe im letzten Jahrzehnt bereits erkennbar abgenommen hat. Die entsprechende Statistik des Industrieverbands Klebstoffe belegt dies sehr anschaulich.

Der größte Anteil der Substitution dürfte dabei auf alternative Verlegetechniken, wie die Verwendung von Trockenklebstoffen oder den Einsatz der Heißklebetechnik, entfallen. Seite 4 von 9

Wasserbasierte

Dispersionskontaktklebstoffe

waren

bisher

aufgrund

der

technischen

Einschränkungen nur für eine kleine Anzahl von Verlegern akzeptabel. Nach Einführung der jüngsten

Generation

von

Dispersionskontaktklebstoffen

mit

den

oben

beschriebenen

Leistungsdaten dürfte das Argument der eingeschränkten technischen Leistungsfähigkeit allerdings nicht mehr greifen. Auch behördlicherseits wurde diese veränderte Situation erkannt und durch die Neufassung der Technischen Regel für Gefahrstoffe/TRGS 610, Stand 2011 berücksichtigt. Unter Punkt 3.2 heißt es dort: „Auf allen Unterböden können alle Bodenbeläge ...

mit lösemittelfreien Dis-

persionsklebstoffen (GISCODE D1), SMP-Klebstoffen (GISCODE RS 10) oder löse-mittelfreien PU-Klebstoffen (GISCODE RU 0,5 und RU 1) verklebt werden.“ Diese Formulierung lässt an Deutlichkeit keine Wünsche mehr offen. Das in der Vergangenheit häufig missbrauchte „Schlupfloch“ der „technischen Notwendigkeit“ in der TRGS 610 aus dem Jahr 1999 gibt es nicht mehr.

Jeder Verwender muss sich daher darüber im Klaren sein, dass die Arbeits-

schutzvorschriften den Einsatz von lösemittelhaltigen Klebstoffen nicht mehr zulassen – mit allen Folgen!

Funktionsweise von Kontaktklebstoffen Kontaktklebstoffe werden beidseitig auf die zu verklebenden Teile aufgetragen, bei Sockelleisten z. B. auf die Leistenrückseite und die zu beklebende Wandfläche. Sie lüften dann so lange ab, bis das Löse- oder Dispergiermittel vollständig verdunstet ist. Danach beginnt die sogenannte Kontaktklebezeit. Dies ist der Zeitraum, in dem sich der getrocknete Klebstofffilm auf dem Belag beim Kontakt mit dem zweiten, ebenfalls getrockneten Film auf dem Untergrund noch verbindet. Die Kontaktklebezeit ist produktabhängig und liegt in der Regel zwischen 2 und 12 Stunden. Der

zweiseitige

Auftrag

ist

durch

den

zusätzlichen

Arbeitsgang

im

Vergleich

zu

Einseitklebstoffen (Haft- oder Nassbettklebstoffe) ein Nachteil. Allerdings bringt er dem Verleger auch Vorteile: Der Belag kann z. B. zu fast beliebiger Zeit eingestrichen und „zwischengelagert“ werden. Die eigentliche Verklebung kommt dann erst beim Kontakt des bestrichenen Belags mit dem bestrichenen Untergrund beim Anpassen und Andrücken zustande. Das Bindemittel der Bau-Kontaktklebstoffe ist üblicherweise Polychloropren, das auch unter den Bezeichnungen Neopren bzw. Neoprene (R) vermarktet wird. Daneben gibt es auch Produkte auf Polyurethan-Basis, die im Baubereich aber praktisch unbekannt sind. Beim Kleben werden die beiden getrockneten Klebeflächen kurzzeitig mit hohem Druck aufeinandergepresst. Dadurch kommt es zur Kristallisation innerhalb der Klebstoffschichten und zu hohen adhäsiven Kräften, verbunden mit der bereits beschriebenen Sofortfestigkeit. Dieser Vorgang wird auch als Verfilmung bezeichnet. Danach steigt die Klebkraft weiter an, nach ein bis drei Tagen ist die Endfestigkeit erreicht. Das Diagramm in Bild 5 veranschaulicht dieses Verhalten anhand des für

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Kontaktklebstoffe typischen Kraft/Weg-Diagramms. Die sprunghafte Kraftzunahme am Kurvenbeginn ist verantwortlich für die Sofortfestigkeit dieser Klebstoffgruppe.

Bild 5: Für einen Kontaktklebstoff typisches Diagramm der Festigkeitsentwicklung

Oft ist es dem Verwender gar nicht bewusst, dass die Sofortfestigkeit den Kontaktklebstoffen eine Alleinstellung verleiht, denn auch andere Klebstofftypen, wie z. B. Einseitklebstoffe, haben häufig eine spürbare Anfangshaftung, den sogenannten Tack. Sichtbares Zeichen für ihn ist der von vielen Verlegern als Qualitätshinweis gedeutete Fadenzug. Der Tack kann allerdings den Bodenbelag, wenn dieser unter Spannung steht, nur eine beschränkte Zeit am Boden halten. Die dauerhafte Verbindung entsteht bei diesen Klebstoffen erst durch die sich langsam aufbauende Klebkraft während der Abbindephase. Die danach erreichte Endfestigkeit stellt sicher, dass trotz der bei der Nutzung auftretenden Belastungen die Funktionsfähigkeit des Bodenbelags sicher gestellt ist. Ähnlich verhalten sich die häufig im Sockelbereich als Alternative zu den Kontaktklebstoffen eingesetzten Klebebänder oder Trockenklebstoffe. Als Haftklebstoffe haben sie eine hohe Anfangshaftung. Bei dauerhaften Zugspannungen im Belag, wie sie z. B. bei engen Radien an Treppenkanten auftreten, geraten sie allerdings an ihre Funktionsgrenzen. Da sie aus Umwelt- und Arbeitsschutzgründen jedoch völlig unbedenklich sind, sollten sie dort wo es technisch möglich ist, als Alternativen zu lösemittelhaltigen Kontaktklebstoffen zum Einsatz kommen. Leistungsfähigkeit von Kontaktklebstoffen In der Vergangenheit waren die Lösemittel-basierten Kontaktklebstoffe in der Kombination ihrer wichtigsten technischen Eigenschaften, wie Sofortfestigkeit, Endfestigkeit und WeichmacherSeite 6 von 9

beständigkeit den wenigen marktgängigen Dispersionsprodukten überlegen. Mit der jüngsten Generation wasserbasierter Neopren-Kontaktklebstoffe ist diese Dominanz gebrochen, wie die nachfolgende Gegenüberstellung wichtiger technischer Daten eines bewährten lösemittelbasierten Produkts mit seinem Nachfolger auf Wasserbasis deutlich macht. Die Sofortfestigkeit beider Produkttypen ist gleichwertig. Beurteilungsgrundlage ist dabei mangels geeigneter Messmethode, die Bewertung der Verleger beim Einsatz schwieriger Beläge, wie z. B. störrischer Nadelvliesbeläge, auf schwierigen Untergründen wie Treppenstufen mit engem Radius.

Bild 6: Sofortfestigkeit bei der Verlegung von störrischem Nadelvlies

Die Endfestigkeit des Dispersionsklebstoffs, gemessen als Scherfestigkeit unter PVC, ist um ca. 30 % höher als die des Lösemittelklebstoffs (Bild 7). Beim entsprechenden Schäl-widerstand übertrifft der wasserbasierte Klebstoff seinen Vorgänger sogar fast um das Doppelte.

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200 180 160 140

[%]

120 UZIN WK 222

100

UZIN GN 222

80 60 40 20 0 Schälwiderstand

Scherfestigkeit

Bild 7: Schälwiderstand von Kontaktklebstoffen (PVC, Lagerung bei 50 °C / 6 Wochen)

Die hohen Werte bei der Lagertemperatur von 50 °C zeigen darüber hinaus die hervorragende Beständigkeit gegen möglichen Weichmachereinfluss aus dem PVC-Belag an. Für die Praxis gibt dies dem Verleger hohe Sicherheit insbesondere bei Weichsockelleisten, Hohlkehlsockeln oder stark weichmacherhaltigen Belägen, wie CV- oder PVC-Beläge. Die Kontaktklebezeit des Dispersionsklebstoffs von mindestens 2 Stunden ist für alle üblichen Anwendungen ausreichend lang und auch das Einstreichen der Belagsrückseite am Tag vor der Verlegung ist möglich, was dem Verleger zusätzliche Flexibilität bei der Verlegung bietet. Die Auftragsmengen von nur 150 g - 225 g je Seite sind bei beiden Klebstoff-Typen ähnlich gering. Für den wasserbasierten Kontaktklebstoff ist sie allerdings besonders wichtig, weil nur so Trockenzeiten erreichbar sind, die vom Verleger akzeptiert werden und den Umstieg vom Lösemittel- auf den Dispersions-Kontaktklebstoff für ihn machbar erscheinen lässt. Da sich die Physik nicht gänzlich ausschalten lässt, erhöht sich Trockenzeit beim Übergang von Lösemittel zu Wasser bei Raumtemperatur von ca. 10 - 20 Minuten auf ca. 20 - 40 Minuten dem Verleger sollten seine Gesundheit und die seiner Umgebung diese 10 - 20 Minuten wert sein. Davon unabhängig kann der Verleger durch Einsatz eines Heißluftgebläses die Trockenzeit ohne Eigenschaftseinbußen jederzeit drastisch reduzieren. In Tabelle 1 sind die wichtigsten Daten vergleichend zusammengefasst.

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Tabelle 1: Kontaktklebstoffe – Vergleich ausgesuchter technischen Eigenschaften Eigenschaft

UZIN WK 222

UZIN GN 222

GISCODE

D1 (lösemittelfreie Dispersion)

S1 (stark lösemittelhaltig)

EMICODE

EC 1

---

Verstreichbarkeit

sehr gut

gut

Ablüftezeit

20 – 40 min.

10 – 20 min.

Verbrauch (PVC)

ca. 150 g (beidseitig)

ca. 200 g (beidseitig)

Verbrauch (Nadelvlies)

ca. 500 g (beidseitig)

ca. 500 g (beidseitig)

Scherfestigkeit (50 °C/6 Wochen)

133 %

100 %

Schälwiderstand (50 °C/6 Wochen)

185 %

100 %

Zusammenfasssung Kontaktklebstoffe sind eine extrem vielseitige Klebstoffgruppe und nehmen durch ihre Sofortklebekraft auch eine Sonderstellung ein. Sie sind technisch ausgereift und in der Praxis bewährt. Produkte auf Dispersionsbasis sind mittlerweile technisch gleichwertig zu lösemittelbasierten Produkten einsetzbar. Das Argument der technischen Notwendigkeit entfällt damit in Zukunft als Erklärung für den Einsatz der nicht mehr zeitgemäßen Lösemittelklebstoffe. Diese aus Umwelt- und Anwendersicht kritischen Produkte sollten daher baldmöglichst durch die wasserbasierten Alternativen abgelöst werden. Dann wird diese sehr nützliche Klebstoffgruppe auch in Zukunft ihren hohen Stellenwert erhalten können.

Autor: Dr. Norbert Arnold – Leiter Technischer Produktservice Uzin Utz AG

Kontakt: Die UZIN Anwendungstechnik beantwortet gerne Ihre Fragen. Service-Hotline: +49 (0)731 4097-257 | Fax-Nr.: +49 (0)731 4097-214 E-Mail: [email protected] Dieser Artikel ist in der Zeitschrift „Fußbodentechnik“ 4/2011 und 5/2011 erschienen.

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