Johannes 11,1-46

27.9.09 Was glauben wir eigentlich?

In einem Pfarrkonvent spricht man über den Predigttext des kommenden Sonntags. Es ist – wie auch bei uns heute – der Bericht über die Auferweckung des Lazarus, aus dem Johannesevangelium (Kap. 11) Johannes berichtet dort, wie Jesus einen Toten, der bereits anfing zu verwesen, wieder lebendig gemacht hat. Unter den Pfarrern entzündet sich eine heiße Diskussion. War die Auferweckung des Lazarus ein einmaliges Wunder, oder kann eine solche Totenauferweckung auch heute geschehen? Zwei Parteien entstehen. Die größere vertritt die Ansicht, das war ein einmaliges Wunder von Jesus. Die kleinere Gruppe sagt: „Wunder gibt es immer wieder.“ - In der Tat, es gibt Berichte, wonach in Ländern, in denen besondere geistliche Aufbrüche geschehen, tatsächlich Tote auferweckt werden. Also die kleinere Gruppe sagt: „Wunder gibt es immer wieder. Wir müssen nur fest genug glauben und beten. Aus der größeren Partei melde sich ein Spötter: „Dann könnt ihr ja gleich die Beerdigung abschaffen. Statt dessen macht ihr nur noch Auferweckungen!“ Diese Aussage ist natürlich sehr frech und unsachlich. Aber hat er nicht recht mit seiner Bemerkung, „Dann könnt ihr ja gleich die Beerdigung abschaffen und stattdessen Auferweckungen halten.“? Ist es wirklich die Intention von Johannes 11, dass wir mit unserem Glauben so weit gehen und so kühn beten, dass Gestorbene wieder lebendig werden? Das wäre doch für alle, die an Gräbern stehen, in denen die Toten drin bleiben, ein Schlag ins Gesicht. Wozu hat Johannes dieses größte Wunder von Jesus überliefert? Ich möchte sie auf eine Spurensuche einladen. Die Geschichte aus Johannes 11 ist eine Zumutung. Ich muss ihnen neben dem scheinbar unglaublichen Wunder einen langen Text zumuten. Aber die Dramatik der Erzählung erlaubt es nicht, an irgend einer Stelle Passagen herauszunehmen. Achten sei jetzt beim Lesen einmal auf die Dramatik. Und ich möchte noch eine Fragestellung mit in die Lektüre nehmen: Was glauben wir eigentlich? Diese Frage kommt indirekt in der Geschichte vor. 1 Lazarus, ein Mann aus Betanien, dem Ort, in dem Maria mit ihrer Schwester Martha wohnte, war krank. 2 Maria war jene Frau, die den Herrn mit Salböl salbte und ihm mit ihrem Haar die Füße trocknete, und Lazarus, der krank geworden war, war ihr Bruder. 3 Die beiden Schwestern ließen Jesus ausrichten: »Herr, der, den du lieb hast, ist krank.« 4 Als Jesus das hörte, sagte er: »Am Ende dieser Krankheit steht nicht der Tod, sondern die Herrlichkeit Gottes. Der Sohn Gottes soll durch sie in seiner Herrlichkeit offenbart werden.« 5 Jesus hatte Martha und ihre Schwester und auch Lazarus sehr lieb. 6 Als er nun wusste, dass Lazarus krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort, wo er die Nachricht erhalten hatte. 7 Dann sagte er zu seinen Jüngern: »Wir wollen wieder nach Judäa gehen!« – 8 »Rabbi«, wandten sie ein, »vor kurzem haben die Juden dort noch versucht, dich zu steinigen, und jetzt willst du wieder dahin zurückkehren?« 9 Jesus erwiderte: »Es ist doch zwölf Stunden am Tag hell, oder nicht? Wenn jemand seinen Weg geht, während es Tag ist, stößt er nirgends an, weil er das Licht dieser Welt sieht. 10 Wenn jemand aber in der Nacht unterwegs ist, stößt er sich, weil das Licht nicht in ihm ist.« 11 Nachdem Jesus ´den Einwand seiner Jünger` auf diese Weise beantwortet hatte, sagte er: »Unser Freund Lazarus ist eingeschlafen. Aber ich gehe jetzt zu ihm, um ihn aufzuwecken.« – 12 »Herr, wenn er schläft, wird er wieder gesund«, sagten die Jünger, 13 die dachten, er rede vom gewöhnlichen Schlaf; in Wirklichkeit sprach er davon, dass Lazarus gestorben war. 14 Da erklärte er ihnen offen: »Lazarus ist gestorben. 15 Aber euretwegen bin ich froh, dass ich nicht dort war, weil ihr auf diese Weise an mich glauben werdet. Doch jetzt wollen wir zu ihm gehen!« – 16 »Ja, lasst uns mitgehen, um mit ihm zu sterben«, sagte Thomas, auch Didymus genannt, zu den anderen Jüngern. 17 Als Jesus nach Betanien kam, erfuhr er, dass Lazarus schon vor vier Tagen begraben worden war. 18 Betanien war nur etwa drei Kilometer von Jerusalem entfernt, 19 und viele Juden ´aus der Stadt` waren zu Martha und Maria gekommen, um sie in ihrem Leid zu trösten.

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20 Als Martha hörte, dass Jesus auf dem Weg zu ihnen war, ging sie ihm entgegen; Maria aber blieb zu Hause. 21 »Herr«, sagte Martha zu Jesus, »wenn du hier gewesen wärst, wäre mein Bruder nicht gestorben! 22 Aber auch jetzt weiß ich: Was immer du von Gott erbittest, wird er dir geben.« – 23 »Dein Bruder wird auferstehen«, gab Jesus ihr zur Antwort. 24 »Ich weiß, dass er auferstehen wird«, erwiderte Martha. »Das wird an jenem letzten Tag geschehen, bei der Auferstehung der Toten.« 25 Da sagte Jesus zu ihr: »Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. 26 Und wer lebt und an mich glaubt, wird niemals sterben. Glaubst du das?« – 27 »Ja, Herr«, antwortete Martha, »ich glaube, dass du der Messias bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommen soll.« 28 Danach ging sie weg, um ihre Schwester Maria zu holen. »Der Meister ist da und lässt dich rufen!«, sagte sie leise zu ihr. 29 Als Maria das hörte, stand sie schnell auf, um zu Jesus zu gehen. 30 Jesus war noch nicht ins Dorf hineingegangen, sondern war immer noch dort, wo Martha ihn getroffen hatte. 31 Die Juden, die bei Maria im Haus waren, um sie zu trösten, sahen, wie sie plötzlich aufsprang und hinauseilte. Sie dachten, sie wolle zum Grab gehen, um dort zu weinen, und folgten ihr. 32 Sowie Maria an den Dorfeingang kam und Jesus erblickte, warf sie sich ihm zu Füßen und rief: »Herr, wenn du hier gewesen wärst, wäre mein Bruder nicht gestorben!« 33 Beim Anblick der weinenden Frau und der Juden, die sie begleiteten und mit ihr weinten, erfüllten ihn Zorn und Schmerz. Bis ins Innerste erschüttert, 34 fragte er: »Wo habt ihr ihn begraben?« Die Leute antworteten: »Herr, komm mit, wir zeigen es dir!« 35 Jesu Augen füllten sich mit Tränen. 36 »Seht, wie lieb er ihn gehabt hat!«, sagten die Juden. 37 Und einige von ihnen meinten: »Er hat doch den Mann, der blind war, geheilt. Hätte er da nicht auch machen können, dass Lazarus nicht stirbt?« 38 Während Jesus nun zum Grab ging, erfüllten ihn von neuem Zorn und Schmerz. Lazarus lag in einem Höhlengrab, dessen Eingang mit einem großen Stein verschlossen war. 39 »Wälzt den Stein weg!«, befahl Jesus. »Herr«, wandte Martha, die Schwester des Verstorbenen, ein, »er ist doch schon vier Tage tot; der Leichnam riecht schon!« 40 Aber Jesus sagte zu ihr: »Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?« 41 Man nahm nun den Stein vom Eingang weg. Jesus richtete den Blick zum Himmel und sagte: »Vater, ich danke dir, dass du mich erhört hast. 42 Ich weiß, dass du mich immer erhörst. Aber wegen all der Menschen, die hier stehen, spreche ich es aus; ich möchte, dass sie glauben, dass du mich gesandt hast.« 43 Danach rief er mit lauter Stimme: »Lazarus, komm heraus!« 44 Der Tote trat heraus, Füße und Hände mit Grabbinden umwickelt und das Gesicht mit einem Tuch verhüllt. »Befreit ihn von den Tüchern und lasst ihn gehen!«, befahl Jesus den Umstehenden. 45 Viele von den Juden, die zu Maria gekommen waren, ´um sie zu trösten,` glaubten an Jesus, als sie das Wunder sahen, das er an Lazarus tat. Ich bin an einer Stelle in dieser Geschichte hängen geblieben. Jesus sagt zu Martha, „Dein Bruder wird auferstehen“ und er meint damit, jetzt gleich, in ein paar Minuten. Martha sagt: „Ich weiß, das wird am letzten Tag sein, wenn alle Toten auferstehen werden.“ Darauf sagt ihr Jesus das stärkste Wort, was jemals aus dem Mund von Jesus kam: »Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer lebt und an mich glaubt, wird niemals sterben. Soweit ist uns dieses Wort sehr geläufig. Aber die Frage im Anschluss an dieses Wort blenden wir in der Regel aus. Das ist aber keine rhetorische Frage, sondern Jesus meint das so, wie er es sagt: Glaubst du das?« Glaubst du das wirklich, was Jesus hier sagt? »Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer lebt und an mich glaubt, wird niemals sterben. Weißt du, was du da glaubst? Bist du dir ganz sicher, was du da glaubst? Jesus ist sich sicher, dass Martha noch nicht richtig verstanden hat, was Jesus damit meint. Daher die Frage, „Glaubst du das?“ Martha glaubt, dass ihr Bruder Lazarus am jüngsten Tag auferstehen wird, so wie alle Toten auferweckt werden. Ich gehe mal davon aus, dass die meisten unter uns bis hierher mit ge-

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hen – mit glauben. Aber ich behaupte, dass Jesus mehr meint, wenn er sagt, Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer lebt und an mich glaubt, wird niemals sterben. Wer glaubt wird leben, auch wenn er stirbt. Wer so lebt - im Glauben an mich, der wird niemals sterben. Da steckt mehr drin, als die Auferstehung am jüngsten Tag. Es geht hier nicht nur um das Leben nach dem Tod, sondern um das Leben vor dem Tod. Ich versuche mit diesen Worten zu spielen, vielleicht wird es dann deutlicher: Wer glaubt wird leben, auch wenn einer stirbt. Wer im Glauben an mich lebt, das heißt in Verbindung mit Jesus lebt, den kann der Tod nicht umbringen, weder der eigenen noch der Tod eines lieben Menschen. Er wird leben, auch wenn der Tod erbarmungslos zuschlägt. Es geht also auch um das Leben vor dem Tod. Eine weitere Frage an Martha unterstreicht das. »Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?« Jesus sagt das zu ihr, als Martha zu Bedenken gibt: „Er riecht schon!“ „Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen.“, hält Jesus dagegen. Wann wird Martha die Herrlichkeit Gottes sehen? Am jüngsten Tag?. Nein, jetzt gleich – mit anderen Worten: in diesem Leben. Wer glaubt wird die Herrlichkeit Gottes sehen, nicht erst am jüngsten Tag, wenn wir auferstehen, sondern jetzt, in diesem Leben. Und als Zeichen und als Beweis dafür, dass das so ist, weckt Jesus seinen Freund Lazarus auf. Damit könnte man ein erstes Ergebnis schon einmal fest halten. Wer glaubt, der wird in diesem Leben schon die Herrlichkeit Gottes sehen. Das kann z.B. durch eine Totenauferweckung geschehen, muss aber nicht. Die Herrlichkeit Gottes kann auch durch etwas ganz anderes sichtbar werden. Wichtig ist: Wer glaubt, der wird die Herrlichkeit Gottes in diesem Leben sehen. Die Auferweckung von Lazarus ist ein ganz besonderes Beispiel dafür. Damit gibt uns diese Geschichte eine ganz andere Perspektive im Blick auf unser Leben und im Blick auf den Tod. Wir sind auf Spurensuche im diesem Text. Jetzt möchte ich Spuren außerhalb des Textes suchen. Warum hat Johannes das eigentlich aufgeschrieben. Matthäus, Markus und Lukas haben dieses größte Wunder nicht überliefert. Sie berichten auch von Totenaufweckungen, aber die Leichen in ihren Geschichten haben noch nicht gestunken. Die Toten in diesen Geschichten waren noch relativ frisch. Die Verwesung war noch nicht eingetreten. Vielleicht dachten sie, „Das glaubt uns keiner! – „Das können wir niemanden zumuten!“ Johannes hatte den Mut, dieses sensationelle Wunder aufzuschreiben. Bei Johannes ist es das siebte und letzte Zeichen. Johannes nennt die Wunder Jesu bewusst Zeichen und er hat nur sieben Wunder überliefert. Die sieben Zeichen haben in sich eine Steigerung. Beim ersten macht Jesus Wasser zu Wein. Das ist noch relativ leicht. Dann heilt er einen Jungen aus der Entfernung. Die nächste Steigerung ist die Heilung eines Menschen, der 38 Jahre lang gelähmt war. Brot für etwa Zehntausend Menschen ist das vierte Zeichen. Und gleich im Anschluss daran geht Jesus auf dem stürmischen See. Als sechstes Zeichen gibt Jesus einem Blindgeborenen das Augenlicht. Und schließlich dann die Auferweckung von Lazarus. Diese sieben Zeichen sind von Johannes bewusst ausgewählt. Sie stehen in einer Klammer von zwei zentralen Aussagen. Am Anfang, Kapitel eins, schreibt Johannes: Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit. Achten sie bitte auf das Stichwort: Wir sahen seine Herrlichkeit. „Habe ich dir nicht gesagt, wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen?“, fragt Jesus Martha am Grab ihres Bruders. Wer glaubt, wird die Herrlichkeit Gottes sehen, jetzt schon in diesem Leben. Das ist die erste Klammer. Die zweite Klammer knüpft genau an diesem Gedanken an. Sie steht am Ende des Johannesevangeliums. (20,30f) Noch viele andere Zeichen tat Jesus vor seinen Jüngern, die nicht geschrieben sind in diesem Buch. Diese (sieben Zeichen) aber sind geschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen. Diese Schlussbemerkung ist der Schlüssel zu den Zeichen. Nur über diese Aussage, können wir das Wunder von Lazarus richtig deuten.

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Jesus hat das gemacht, nicht dass wir von jetzt an dafür beten, dass Tote wieder lebendig werden. Nein, damit wir glauben, dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist. Deshalb betete Jesus laut zu seinem Vater, nämlich damit die um in stehenden Menschen hörten, dass er mit seinem Vater redet und sie erkennen, er ist der Sohn Gottes. Aber das ist noch nicht alles, da steht noch mehr: Damit wir durch den Glauben das Leben haben in seinem Namen. Achten sie bitte hier auf die Stichworte Glauben und Leben. Auch das kommt im Bericht von Lazarus vor. Jesus sagt: Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt. Und wer lebt und an mich glaubt, wird niemals sterben. Hier springen uns die Worte glauben und Leben nur so an. Wer an den auferstandenen Jesus glaubt, der wird leben – nicht erst am jüngsten Tag. Denn, Johannes schreibt ganz deutlich: damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben das Leben habt in seinem Namen. Das heißt doch, durch den Glauben an den Auferstandenen jetzt leben. In seinem Namen, durch sein Leben leben. Nicht erst nach dem Tod, sondern bereits vor dem Tod, trotz des Todes und durch den Tod hindurch. Johannes hat das aufgeschrieben, damit wir jetzt schon diese Art von Leben leben. Wer so mit Jesus verbunden lebt, der wird die Herrlichkeit Gottes sehen – in diesem Leben. Habe ich dir nicht gesagt: Wenn du glaubst, wirst du die Herrlichkeit Gottes sehen? Johannes hat diese Herrlichkeit gesehen, er war hautnah dabei, als Lazarus aus dem Grab heraus kam. Deshalb bezeugt Johannes: wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater. Johannes möchte, dass seine Leser, so wie er glauben, dass Jesus der Sohn Gottes ist, dass sie durch diesen Glauben ein Leben in der Kraft und in der Gegenwart Jesus führen. Das wird ein Leben sein, das der Tod nicht zerstören kann. Nicht der eigene Tod und auch nicht der Tod eines anderen. Wer so in der Gegenwart des Auferstandenen lebt, der wird die Herrlichkeit Gottes sehen. Die Auferweckung von Lazarus ist der größte Beweis dafür, dass das wahr ist. Nebenbei bemerkt, diese Auferweckung geschah nicht heimlich irgendwo versteckt. Johannes bericht ausführlich, dass viele Menschen aus Jerusalem dabei waren. Lazarus wurde zur Sensation in der Stadt. Die Hohen Priester und Schriftgelehrten wollen Lazarus deshalb töten. Der Beweis für die Macht Jesu sollte beseitigt werden Das Wunder von Lazarus ist sozusagen der Beweis für die Echtheit dieser Aussagen. Wer glaubt wird leben – jetzt schon. Und wer glaubt, wird die Herrlichkeit Gottes sehen – jetzt. Nun sind wir innerhalb und außerhalb des Textes zur gleichen Grundaussage gekommen. Mit dieser Grundaussage kann man nun der Dramatik dieser Geschichte entlang gehen und dabei entdecken, wie das nun ganz praktisch aussieht, mit dem Auferstandenen leben und seine Herrlichkeit erleben. Ich kann das nur noch kurz anreisen. Da wird einer krank. Das ist sehr ernüchternd. Wer mit Jesus lebt, wird auch mal krank und er stirbt. Seine Herrlichkeit sehen, bedeutet nicht, nie mehr krank werden. Aber wir sehen die Krankheit in einem anderen Licht: Am Ende dieser Krankheit steht nicht der Tod, sondern die Herrlichkeit Gottes. Das heißt doch, weder die Krankheit noch der Tod hat das letzte Wort. Gott wird sich selbst durch Krankheit und Tod verherrlichen. Der Apostel Paulus hat später bestätigt, dass dem so ist. Jesus hatte Martha und ihre Schwester und auch Lazarus sehr lieb. Diese Festestellung in Vers 5 überliest man leicht neben den großen Dingen wie Tod, Glaube und Auferstehung. Aber das heißt doch, dass Martha, Maria und Lazarus in ihrer schrecklichen Angst und Not geliebt waren. Jesus hatte sie lieb. Am Grab brach er in Tränen aus, wohl wissend, dass er Lazarus auferwecken wird. Der Tod seines Freundes ging im trotzdem so ans Herz, dass Jesus laut weinte. Wer an den Auferstandenen Jesus glaubt, der glaubt an einen, der total mit uns mit leidet. Seine Herrlichkeit sehen bedeutet, seine Worte als Liebesbrief lesen. Wer glaubt, der liest die Liebeszusagen der Bibel als einen ganz persönlichen Liebebrief. Gerade in schweren Zeiten tröstet diese Liebe von Jesu. Diese Liebe geht unter die Haut. Sie bewirkt, dass wir uns trotz aller Angst und Trauer geborgen wissen. Nach der Feststellung, dass Jesus die drei Geschwister geliebt hat, schreibt Johannes ganz knapp: Als er nun wusste, dass Lazarus krank war, blieb er noch zwei Tage an dem Ort. Punkt!

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Wer sich von Jesus geliebt weiß, der muss sogleich zur Kenntnis nehmen, dass Jesus nicht sofort eingreift. Das ist eine Erfahrung, die uns in Stunden von Schmerzen und Angst zur Verzweiflung bringen kann. Jesus lässt zu, dass Schmerzen schlimmer werden, dass eine Not größer wird und dass Menschen darüber sogar sterben. Und trotzdem gilt, er liebt die Betroffenen. Ich werde mich hüten, eine Antwort auf solche dramatische Spannung im Leben von Menschen zu geben. Diese Geschichte zeigt aber etwas auf: Wer glaubt, wird die Herrlichkeit Gottes sehen. Gauben heißt in diesem Fall: aushalten. Mrtha und Maria müssen die Spannung aushalten. s ist eine Spannung mit Höhen und Tiefen. Sie machen Jesus Vorwürfe: Wärst du rechzeitig gekommen … Aber sie weiß auch: Was immer du von Gott erbittest, wird er dir geben. Martha traut Jesus trotzdem noch alles zu. Aber bis zum Letzten wagt sie sich dann doch nicht zu glauben: Jesus, er riecht schon. Und Jesus sagt zu ihr: Ich habe dir doch damals, als du mich gebeten hast ausrichten lassen, dass du am Ende die Herrlichkeit Gottes sehen wirst? Wer die Spannung aushält, - das ist Glaube, der wird die Herrlichkeit Gottes sehen. Und so könnte man jetzt weiter diese spannende Geschichte unter dem Aspekt untersuchen: Wer mit dem Auferstandenen Jesus lebt, der wird seine Herrlichkeit sehen. Martha und Maria sind wie magnetisch von Jesus angezogen. Allein die Aussage, „Jesus ist in der Nähe“, reißt sie raus aus dem Kreis der Trauernden hin zu Jesus. Das reißt sie aus ihrer Klage heraus und bringt in Bewegung. Martha entwickelt ihren Glauben weiter. Das wäre ein eigenes Thema. Ich möchte aber zum Schluss von der Theorie in die Praxis: Funktioniert das wirklich? Kann man durch den Glauben an Jesus, die Herrlichkeit Gottes schon hier im Leben erleben, selbst wenn man schreckliche Dinge erlebt? Am 22. September bekam ich wieder einmal eine Mail aus Brasilien. Die Fotos links sind jeweils am 22. September aufgenommen worden. Es sind die Geburtstage von Christiane. An ihrem 40. war sie schon sehr vom Krebs gezeichnet. Den letzten Geburtstag feierte ihr Mann am Grab. In seiner Mail schreibt er am Ende: Auch wenn es fast den ganzen Tag geregnet hat und Gespräche und Verhandlungen mich in Beschlag nahmen, konnte ich am Nachmittag mich ruhig an Christianes Grab setzen und mir mein „Trost“ Album mit den persönlichen Zusagen Gottes für meine Gedanken und Gefühlen in mein Herz hören. Liebe Grüße Euer Ka´egso. Am Tod von Christiane ist keine Herrlichkeit Gottes zu entdecken. Ich glaube, Jesus hat im Himmel mit gelitten. Aber dass hier ein Mensch nicht zerbricht, sondern durch den Schmerz hindurch getragen wird, dass er reift und dass seine Mails vielen Menschen Trost geben, daran kann man schon ein wenig die Herrlichkeit Gottes erkennen. Von daher müssen wir nicht darum beten, dass Tote auferweckt werden. Aber wir können erfahren, wie Menschen trotz Krankheit und Tod durch den Glauben weiter leben. Johannes macht uns mit seiner Geschichte Mut, dass wir durch den Glauben an den Sohn Gottes leben und dabei seine Herrlichkeit erleben. Amen.

Reinhard Reitenspieß

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