Industrial Culture - Cultural Industries

Industrial Culture Cultural Industries Einblicke in die Entwicklung von Linz an der Donau als Industrie- und Kulturstadt Endbericht im Rahmen der Le...
Author: Mina Hoch
10 downloads 0 Views 514KB Size
Industrial Culture Cultural Industries

Einblicke in die Entwicklung von Linz an der Donau als Industrie- und Kulturstadt

Endbericht im Rahmen der Lehrveranstaltung 229.091 KS Projektmanagement und 229.092 IK Projektbegleitung

Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik Johannes Kepler Universität Linz Sommersemester 2007

Impressum Eigentümerin, Herausgeberin und Verlegerin: Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik Johannes Kepler Universität Linz Altenbergerstraße 69 A-4040 Linz-Auhof AutorInnen: Baldinger, Walter, Breitenfellner, Birgit, Bürkle, Sabine, Denk, Patricia, Fahrnberger, Vera, Haslinger, Waltraud, Höretzeder, Werner, Huber, Julia, Hübinger, Ralf, Leidl, Ilse, Leitner, Thomas, Medicus, Reingard Ursula, Melchardt, Alexandra, Pokorny, Bettina, Rittenschober, Sonja, Schaffelhofer, Birgit, Schrempf, Daniela,Schweitzer, Petra, Siegl, Katharina, Stadlbauer, Judith, Staudinger, Emina, Steiner, Andreas, Ther, Daniela, Zeindlhofer, Christian, Zipper, Marek Lehrveranstaltung: 229.091 KS Projektmanagement und 229.092 IK Projektbegleitung Sommersemester 2007 Lehrveranstaltungsleiter: Mag. David Lechner, MMag. Thomas Philipp Erscheinungsjahr: 2007 Layout: LIquA - Linzer Institut für qualitative Analysen Druck: Abteilung Wirtschaftsservice an der Johannes Kepler Universität Linz Bestell- bzw. Downloadmöglichkeit: LIquA - Linzer Institut für qualitative Analysen Untere Donaulände 10 A-4020 Linz Tel. + Fax: ++43 732 21 69 74 Web: http://www.liqua.net/ E-Mail: [email protected]

Inhaltsverzeichnis 1.

Einleitung.........................................................................................................................................7 1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3

2.

Inhaltlicher Überblick ...................................................................................................................10 2.1 2.2 2.3 2.4

3.

Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch .....................................................................................10 Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation........................................................................................12 Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit...............................................................................................................13 Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaate8 ..............................................................................................14

Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt .............................................................17 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3 3.3.1 3.3.2 3.3.3 3.3.4 3.3.5 3.4 3.4.1 3.4.2 3.4.3 3.5 3.5.1 3.5.2 3.6 3.6.1 3.6.2 3.6.3 3.6.4 3.6.5 3.7

4.

Inhalt und Aufbau des Endberichts .......................................................................................................................7 Methodik und Vorgehensweise ..............................................................................................................................9 Erstellung von differenzierten Forschungsdesigns ....................................................................................................9 Erhebungsphase........................................................................................................................................................9 Analyse- und Interpretationsphase ............................................................................................................................9

Einleitung................................................................................................................................................................17 Annäherung an die Begriffe Kultur, Industrie, Image und Identität ..................................................................17 Der Kulturbegriff.......................................................................................................................................................17 Der Begriff Industrie .................................................................................................................................................19 Der Begriff des Images ............................................................................................................................................19 Der Begriff Identität ..................................................................................................................................................20 Abriss über die historische Entwicklung von Linz.............................................................................................20 Nachkriegszeit und Wiederaufbau ...........................................................................................................................21 Die Linzer Industrie nach 1945 ................................................................................................................................21 Die Linzer Kultur nach 1945.....................................................................................................................................22 Kampagnen zur Imagekorrektur der Stadt Linz .......................................................................................................25 Kultur und Industrie als Standortfaktoren.................................................................................................................26 Spannungsfelder und Wechselwirkungen zwischen Industrie und Kultur ......................................................27 Der elitäre Kulturbegriff als Spaltpilz der Sphären ...................................................................................................27 Industrie unter der Wahrnehmungsschwelle............................................................................................................28 Vermittlung zwischen Sphären: Probleme und Chancen.........................................................................................30 Eine neue Identität für Linz ...................................................................................................................................31 Die Summe ist mehr als die einzelnen Teile............................................................................................................31 Dramaturgie vor Ort .................................................................................................................................................32 Kulturelle Positionierung von Linz.......................................................................................................................32 Kulturelle Schwerpunkte ..........................................................................................................................................33 Wahrnehmung von Linz als Industrie- und Kulturstadt ............................................................................................34 Linz09 ......................................................................................................................................................................36 Zusammenwirken von Industrie und Kultur..............................................................................................................38 Perspektiven einer Industrie- und Kulturstadt ..........................................................................................................39 Ausblick ..................................................................................................................................................................39

Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch ............................................................41 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.2.6 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.3.4 4.3.5 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.5 4.5.1 4.5.2 4.6 4.6.1 4.6.2 4.6.3 4.6.4 4.7

Die Arbeitswelt im Umbruch .................................................................................................................................41 Der Arbeitsmarkt im Wandel ....................................................................................................................................41 Arbeitsmarkt der Industriebranche...........................................................................................................................43 Arbeitsmarkt im Kunst- und Kulturbereich ...............................................................................................................46 Flexibilisierung.......................................................................................................................................................53 Versuch einer Definition...........................................................................................................................................53 Atypische Beschäftigungsverhältnisse als Folge der Flexibilisierung am Arbeitsmarkt...........................................54 Flexibilisierung im Kunst- und Kulturbereich............................................................................................................54 Mehrfachbeschäftigung - Multijobs ..........................................................................................................................56 Flexibilisierung im Industriebereich..........................................................................................................................58 Flexibilisierung - Chance oder Hindernis? ...............................................................................................................62 Prekarisierung........................................................................................................................................................63 Versuch einer begrifflichen Abgrenzung ..................................................................................................................63 Prekarisierungsängste .............................................................................................................................................64 Prekarisierung im Kunst- und Kulturbereich ............................................................................................................65 Atypisierung als Ursache der Prekarität...................................................................................................................68 Prekäre Beschäftigung und Desintegration am Arbeitsmarkt ..................................................................................69 Möglichkeiten des Umgangs mit Prekarisierung und Flexibilisierung.............................................................70 Traditionelle Interessensvertretungen......................................................................................................................71 Interessensvertretung Kunst- und Kulturschaffender ..............................................................................................72 Netzwerke ................................................................................................................................................................75 Entgrenzung von Arbeit und Leben .....................................................................................................................76 Arbeit und Freizeit....................................................................................................................................................79 Der Mensch als Ware - Arbeitskraftunternehmer.....................................................................................................80 Zukunft der Arbeit..................................................................................................................................................81 KünstlerInnenarbeitsmärkte als Vorbild ...................................................................................................................81 Übergangsarbeitsmärkte als Lösungsmodell...........................................................................................................82 Flexicurity.................................................................................................................................................................82 Lösungsansätze in der Zeitschrift "Die Wahrheit"....................................................................................................82 Zukünftige Entwicklung unter Berücksichtigung von Linz 2009 ......................................................................84

5.

Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation ..............................................................85 5.1 5.2 5.2.1 5.2.2 5.2.3 5.2.4 5.3 5.4 5.4.1 5.4.2 5.4.3

6.

Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit .....................................................................................98 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.3 6.3.1 6.3.2 6.3.3 6.3.4 6.3.5 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.4.4 6.4.5 6.5 6.5.1 6.5.2

7.

Einleitung................................................................................................................................................................98 Mobilität und Verkehr in Linz................................................................................................................................98 Mobilität....................................................................................................................................................................98 Verkehr ..................................................................................................................................................................101 Mobilitätstypen und ihre Aktionsräume ............................................................................................................104 Arten von Aktionsräumen.......................................................................................................................................104 Typologisierung......................................................................................................................................................105 Mobilitätstypen der InterviewpartnerInnen .............................................................................................................105 Mobilität der InterviewpartnerInnen im konkreten Fall ...........................................................................................106 Anforderungen an die Mobilitätstypen der InterviewpartnerInnen .........................................................................107 Mobilität im künstlerischen und im industriellen Bereich ...............................................................................108 Gründe für die Mobilität..........................................................................................................................................108 Mobilitätsanforderungen ........................................................................................................................................109 Auswirkungen und Grenzen von Mobilität .............................................................................................................111 Berufs- vs. Wohnsitzwechsel .................................................................................................................................112 Unterschiede bezüglich Mobilität im künstlerischen und industriellen Bereich ......................................................113 Mobilitätsperspektiven ........................................................................................................................................114 Zukünftige Entwicklung der Mobilität in Linz ..........................................................................................................114 Mobilitätsförderungsmassnahmen der Stadt Linz..................................................................................................114

Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates .................................................................. 116 7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.3 7.3.1 7.3.2 7.4 7.5 7.6

8.

Einleitung................................................................................................................................................................85 Begriffsbestimmungen..........................................................................................................................................87 Migration ..................................................................................................................................................................87 ArbeitsmigrantInnen.................................................................................................................................................87 Akkulturation ............................................................................................................................................................89 Assimilation..............................................................................................................................................................90 Migrationsanlass - Gastarbeiterbewegung .........................................................................................................91 Situation von MigrantInnen...................................................................................................................................92 Situation von MigrantInnen am Arbeitsmarkt ...........................................................................................................92 Probleme von MigrantInnen am Arbeitsmarkt..........................................................................................................93 Diskriminierung von MigrantInnen - Vorurteile gegenüber MigrantInnen generell und am Arbeitsmarkt ................94

Krise des Wohlfahrtsstaates...............................................................................................................................116 Probleme und Herausforderungen der Betroffenen.........................................................................................119 Soziale Absicherung von Künstlern und Künstlerinnen .........................................................................................119 Soziale Absicherung von IndustriearbeiterInnen ...................................................................................................123 Maßnahmen zur sozialen Absicherung .............................................................................................................124 Maßnahmen zur Absicherung bei Unfall oder im Krankheitsfall ............................................................................125 Maßnahmen zur Absicherung während/nach der Erwerbstätigkeit .......................................................................126 Linz als Soziale Stadt ..........................................................................................................................................128 Zukunftsbild .........................................................................................................................................................129 Fazit.......................................................................................................................................................................131

Anhang........................................................................................................................................ 132 8.1 8.2

Literaturverzeichnis.............................................................................................................................................132 Interviews .............................................................................................................................................................144

Industrial Culture - Cultural Industries

7

Kapitel 1. Einleitung

1. Einleitung Dieser Forschungsbericht fasst die Ergebnisse der Lehrveranstaltungen "Kurs Projektmanagement" und "Intensivierungskurs Projektbegleitung" zusammen, die im Sommersemester 2007 am Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik an der Johannes Kepler Universität Linz abgehalten wurden. Der inhaltliche und forschungsthematische Bezugsrahmen der Lehrveranstaltung wurde in Anlehnung an ein laufendes Forschungsprojekt mit dem Titel "Industrial Culture / Cultural Industries“ gewählt, welches sich derzeit in der so genannten Vorprojektphase bei Linz 2009 - Kulturhauptstadt Europas OrganisationsGmbH befindet. Im Mittelpunkt des Rahmenprojektes steht die Entwicklung von Linz als Industrie- und Kulturstadt entlang von 12 verschiedenen Diskurssträngen innerhalb der letzten 30 bis 40 Jahre. Eine besondere Betrachtung sollen dabei die mannigfaltigen Verflechtungen zwischen Industrie und Kultur erfahren, beispielsweise die Verbindung moderner Technologien und neuer Kunstformen, die kulturelle Orientierung von Erwerbstätigen im industriellen Sektor, das Vorhandensein ähnlicher sozialer Problemlagen durch die Etablierung neuer Arbeitsformen oder die Herausbildung kreativer Milieus im Rahmen der Cultural Industries. Studierende der Studienrichtung Sozialwirtschaft richteten im Zuge der Lehrveranstaltung den Fokus auf fünf ausgewählte Diskursstränge und analysierten exemplarisch das kulturelle/künstlerische sowie industrielle Feld aus verschiedenen Blickwinkeln. Dazu wurden in der Lehrveranstaltung fünf Themengruppen gebildet, die sich u. a mit der Identität und dem Image der Stadt Linz, den Umbrüchen bei den Arbeitsverhältnissen, den arbeitsweltlichen Mobilitätserfordernissen, den spezifischen Arbeitsund Lebensrealitäten von MigrantInnen der zweiten und dritten Generation sowie mit den Wahrnehmung und Veränderungen von Linz als soziale Stadt beschäftigten. Neben dieser inhaltlichen Auseinandersetzung wurden in der Lehrveranstaltung besondere Schwerpunkte in der Vermittlung von Forschungsmethoden und Projektmanagementfähigkeiten sowie bei der begleitenden Öffentlichkeitsarbeit (Interview im Freien Radio, Presseaussendungen an lokale Tageszeitungen, Beiträge für Fachzeitungen und -zeitschriften, ...) gesetzt. Die Ergebnisse der Lehrveranstaltung wurden im vorliegenden Forschungsbericht zusammengefasst.

1.1

Inhalt und Aufbau des Endberichts

Der vorliegende Forschungsbericht fasst die Ergebnisse der studentischen Arbeiten, die im Rahmen der Lehrveranstaltung erarbeitet wurden, zusammen. 25 Studierende der Studienrichtung Sozialwirtschaft setzten sich in fünf Themengruppen mit den folgenden Schnittstellen auseinander:

8

Der Mehrwert von Kunst und Kultur für Linz Kapitel 1. Einleitung

Themengruppe 1: Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch Vera Fahrnberger, Werner Höretzeder, Julia Huber, Bettina Pokorny, Daniela Ther Themengruppe 2: Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt Waltraud Haslinger, Ralf Hübinger, Petra Schweitzer, Katharina Siegl, Andreas Steiner Themengruppe 3: Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation Reingard Ursula Medicus, Alexandra Melchardt, Sonja Rittenschober, Daniela Schrempf, Judith Stadlbauer Themengruppe 4: Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit Walter Baldinger, Patricia Denk, Thomas Leitner, Emina Staudinger, Christian Zeindlhofer Themengruppe 5: Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates Birgit Breitenfellner, Sabine Bürkle, Ilse Leidl, Birgit Schaffelhofer, Marek Zipper Nach der im Anschluss folgenden allgemeinen Erläuterung der Methodiken und Vorgehensweise, die im Rahmen der Lehrveranstaltung gewählt wurden, werden in den daran anschließenden Abschnitten die einzelnen Ergebnisse der Themengruppen präsentiert. In Kapitel 2 (Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt) liegt der Schwerpunkt auf dem Umorientierungsprozess der Stadt Linz von einer "reinen Industriestadt" hin zu einer Industrie- und Kulturstadt. Der Bogen wird hierbei, ausgehend von der historischen Entwicklung seit dem zweiten Weltkrieg, den damit verbunden kulturellen Meilensteinen und dem Imagewandel über die Bedeutung des kulturellen Umfeldes als weicher Standortfaktor und den Tücken, die u. a. im Konzept der Identitätspolitik liegen bis hin zu den aktuellen kulturellen Positionierungen (Kulturentwicklungsplan, Linz09 etc.) gespannt. Das daran anschließende Kapitel 3 (Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch) legt den Fokus auf den Wandel des Arbeitsmarktes und die Umbrüche in der Arbeitswelt. Auf Basis einer grundsätzlichen Beschreibung von arbeitsweltlichen Entwicklungstendenzen und Veränderungsprozessen (Erosion des "Normalarbeitszeitverhältnisses", Prekarisierungs- und Flexibilisierungstendenzen etc.) werden spezifische Auswirkungen und Lösungsoptionen im industriellen sowie künstlerisch-kulturellen Arbeitsmarkt beleuchtet. In Kapitel 4 (Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation) richtet sich der Blick auf die spezifischen Arbeits- und Lebensrealitäten der zweiten und dritten Generation. Es werden u. a. die Probleme von MigrantInnen am Arbeitsmarkt sowie grundlegende Aspekte der Integration angesprochen. Das Kapitel 5 (Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit) beleuchtet die Auswirkungen und Ursachen von Mobilität im künstlerisch-kulturellen und industriellen Bereich. Auf Basis einer begriffstheoretischen Entwirrung von Mobilität und Verkehr werden verschiedene Mobilitätstypen, -erfordernisse und -perspektiven für den künstlerisch-kulturellen und industriellen Bereich skizziert und angesprochen. Das abschließende Kapitel 6 (Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates) beschäftigt sich mit den Problemen und Herausforderungen, die sich durch den Abbau des Sozialstaates für IndustriearbeiterInnen und KünstlerInnen ergeben und mit den Maßnahmen, welche von der Stadt Linz und der voestalpine AG zur Abfederung dieses Abbaus initiiert wurden. Im Anhang finden sich das Literatur-, Tabellen- und Abbildungsverzeichnis. An die in der Literaturliste angeführten InterviewpartnerInnen ergeht an dieser Stelle ein besonders herzlicher Dank für ihre Teilnahme am Projekt.

Industrial Culture - Cultural Industries

9

Kapitel 1. Einleitung

1.2

Methodik und Vorgehensweise

Im Rahmen der Lehrveranstaltung wurden folgende Arbeitsphasen im Sinne eines zirkulären Modells des Forschungsprozesses durchlaufen: Erstellung von differenzierten Forschungsdesigns Erhebungsphase (Interviewplanung bzw. -durchführung und sekundärstatistische Datenerhebung) Analyse- bzw. Interpretationsphase Wissenstransferphase (Dokumentation und Berichtlegung) 1.2.1

Erstellung von differenzierten Forschungsdesigns

In einem ersten Arbeitsschritt wurden von den fünf Themengruppen jeweils eigenständige Forschungsdesigns erstellt. Diese umfassten im wesentlichen die Ein- und Abgrenzung des Forschungsfeldes, die Erarbeitung von Forschungsfragen und -zielen, die Festlegung der geplanten methodischen Vorgehensweisen sowie detaillierte Zeitpläne. Im Zuge dieser Phase wurde auch ein erster desk research durchgeführt, der auf die Erfassung der relevanten Literatur bzw. Materialien zu den jeweiligen Themenstellungen abzielte. 1.2.2

Erhebungsphase

In der Erhebungsphase erfolgte die Definition der grundlegenden Begriffe. In Vertiefung des desk researchs wurden weitere relevante Literatur sowie projektrelevante Materialien erhoben. Im Zuge dieser Arbeitsphase wurden außerdem relevante sekundärstatistische Daten erfasst, 38 leitfadengesteuerte, teil-standardisierte Interviews mit AkteurInnen bzw. ExpertInnen aus dem künstlerischen und industriellen Bereich und (von einer Themengruppe) Flash-Interviews mit der Linzer Bevölkerung durchgeführt. Eine Themengruppe führte darüber hinaus eine diskursanalytische Auswertung zweier Zeitungen durch. 1.2.3

Analyse- und Interpretationsphase

In der Analyse- und Interpretationsphase, die sich größtenteils an die Erhebungsphase anschloss, erfolgte die Analyse und Interpretation der Interviews und der relevanten Literatur mittels einfacher Kodierungs- und Kategorisierungsverfahren. Auf Grundlage dieser Arbeitschritte wurde abschließend das Material verdichtet und in Form des vorliegenden Forschungsberichtes aufbereitet. Besondere Beachtung verdient der Umstand, dass der Forschungsbericht von den Studierenden in der Zeit von nur einem Studiensemester (knapp vier Monate zu je vier Wochenstunden) erstellt wurde.

10

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 2. Inhaltlicher Überblick

2. Inhaltlicher Überblick 2.1

Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Freischaffend zu sein war in der Vergangenheit ein Attribut für eine kleine Gruppe von Erwerbstätigen, die nicht in Normalarbeitsverhältnissen Ihre Existenz sicherten. In den letzten Jahrzehnten nimmt diese Form der Beschäftigung überproportional zu. Klassisch Freischaffende werden dabei immer mehr durch die neuen Selbstständigen in ihrer Form abgelöst. Mit dieser Entwicklung geht auch ein Trend einher, der immer öfter dazu führt, dass Beschäftigte durch eine Arbeit nicht mehr in der Lage sind ihre Existenz zu sichern, ohne weitreichende Kompromisse einzugehen. Im Zuge dieses Wandels treten oft Schwierigkeiten auf, welche die ArbeitnehmerInnen im Zuge einer Beschäftigung in Kauf nehmen müssen. Einerseits sind viele gefordert, durch neue Rahmenbedingungen immer flexiblere Arbeitszeiten und -formen zu akzeptieren, andererseits schafft die wirtschaftliche Notwendigkeit oft einen Druck, der dazu führt Arbeitsverhältnisse in semigeregelten Bereichen anzunehmen, die in prekären Arbeits- und Lebensumständen münden. Das Modewort Flexibilisierung meinte in der Vergangenheit, dass Arbeitsbedingungen zugunsten der Arbeitskräfte geändert werden. Diese Bedeutung hat sich gewandelt und meinte später die Anpassung der Arbeitskräfte an das Unternehmen. Beschäftigte sollen zeitlich und räumlich jederzeit verfügbar sein, Anpassung um jeden Preis. Heute bedeutet Flexibilität "die Veränderung von Lebendigkeit" und verlangt von den ArbeitnehmerInnen, Risiken und kurzfristige Änderungen ihrer Arbeits- und Lebenssituation auf sich zu nehmen. Dadurch gibt es die idealtypische berufliche Laufbahn immer seltener, die Struktur, der "rote Faden" in den Lebenswegen ist oft undeutlich. Prekär bedeutet, dass die für ein Normalarbeitsverhältnis charakteristischen sozialen, rechtlichen und betrieblichen Standards unterschritten werden. Demnach gibt es keine Erwerbsarbeit, die aufgrund ihrer Beschaffenheit als prekär bezeichnet werden könnte. Eine Erwerbsarbeit wird erst im Verhältnis zu anderen, "normalen" Arbeitsformen prekär. Prekarität kann also nicht für sich alleine betrachtet werden, sondern misst sich an Normalitätsstandards, die zur jeweils aktuellen Zeit in einer Gesellschaft vorherrschen. Wurde Kunstschaffenden oft die Ungeregeltheit ihrer Beschäftigungsform als künstlerische Freiheit attestiert, kann auch argumentiert werden, dass diese aus Mangel an Alternativen gelernt haben damit umzugehen. Es hat einen Grund, dass Kunst oft als "brotlos" bezeichnet wird. Das neoliberale Wirtschaftsdenken der Gegenwart, hat in diesen Beschäftigungsformen nun ihr Ideal gefunden. Bedeutet es doch weniger Kosten und Verantwortung auf Seiten der Arbeitgeber, einen Flexibilisierungsschub in der Produktion und, in einem marktwirtschaftlichen Kontext, dass bei einem weniger regulierten Arbeitsmarkt und freieren Beschäftigungsmöglichkeiten von ArbeitnehmerInnen der Preis für Arbeitskraft am Arbeitsmarkt sinkt. Das ist durch weniger Lohnnebenkosten und einer vergleichsweise schwachen Verhandlungsmacht der ArbeiterInnen bedingt. Gewerkschaften sehen hier ihre jahrzehnte lange Arbeit unterlaufen. Der Soziologe Richard Sennett spricht in diesem Zusammenhang von einem Regimewechsel.

Industrial Culture - Cultural Industries

11

Kapitel 2. Inhaltlicher Überblick

Der Großteil, der in Linz tätigen Industriebeschäftigten steht nicht im Zentrum dieser Entwicklung. Die gute Auftragslage der voestalpine AG, die vollkontinuierliche Produktion und die Arbeitszeitorganisation in Form von Schichtarbeit führen zu wenig Veränderung der Beschäftigungsformen. In Hinblick auf die Privatisierung der voestalpine und der Stahlstiftung für freigestellte MitarbeiterInnen kann hier von einer Momentaufnahme gesprochen werden. Kunstschaffende erleiden in Linz ein internationales Schicksal, das von Unterbeschäftigung und Prekarität begleitet wird. Mit Bruckner- und Kunstuniversität sind Ausbildungsstätten in Linz gegeben, aber nur ein Bruchteil der AbsolventInnen können nach ihrem Abschluss ihre Existenz durch die Kunst sichern und bleiben beruflich kunstschaffend. In Linz tätige KünstlerInnen, die in mittels offenem Interview befragt wurden, bestätigen die schlechten Erfolgschancen. Es gibt bei Freischaffenden, insbesondere KünstlerInnen, seit jeher Überschneidungen von privater und beruflicher Zeit und Tätigkeit, begründet durch eine gewisse Sinnstiftung, die diese aus ihrer Tätigkeit entnehmen. Dieser Trend ist in ökonomischen Tätigkeitsbereichen, in Beschäftigungen, die der Existenzsicherung dienen, neu. Die Entgrenzung beruflicher und privater Agenden ist bei Tätigkeiten zur Existenzsicherung aber oft keine gewünschte Entwicklung, sondern Auswirkung eben dieser neuen Beschäftigungsformen. Der Wunsch nach sozialer Absicherung führt ArbeitnehmerInnen im aktuellen Umfeld dazu, ihre beruflichen Tätigkeiten und Notwendigkeiten derart hoch zu bewerten, dass diese eine gewisse Übermacht über private, soziale Aspekte zu beobachten ist. Unselbstständig Erwerbstätige befinden sich in einer Situation, in der sie, um erfolgreich berufstätig zu sein, gezwungen werden wie Unternehmer über ihre Arbeitskraft, und damit über sich selbst und ihr privates Umfeld, zu bestimmen. Um im Arbeitskampf leistungsfähig zu sein, unterwirft sich der/die ArbeitnehmerIn beruflich und privat ökonomischen Zwängen. Um als Individuum in diesem Umfeld erfolgreich zu sein, ist eine neue Form der Kooperation von Nöten. Gibt es im Kunst und Kulturbereich bereits einige etablierte Interessensvertretungen, so sind Gewerkschaften für neue Selbstständige oder ArbeiterInnen in prekären Beschäftigungen oft erst am entstehen. Der Arbeitsmarkt der Zukunft wird flexibler werden, das macht einerseits neue gesetzliche Regelungen notwendig, um Schwächere zu schützen, andererseits wird auch das Verhalten der Betroffenen mehr in Richtung Eigenverantwortung und Solidarität gehen müssen.

12

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 2. Inhaltlicher Überblick

2.2

Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

Die Arbeit von Gästen der zweiten und dritten Generation ist in Linz ein wichtiges Thema, weil Linz als Industrie- und Kulturstadt eine große Zahl an Arbeitsplätzen für Menschen und somit auch für MigrantInnen bietet. 2006 wurde in Linz ein Anteil von Personen mit nicht-österreichischer Herkunft von 13,2 Prozent gezählt. Der Großteil der männlichen Migranten ist im Industriebereich tätig und geht meistens klassischen Tätigkeiten wie der Metallverarbeitung oder Bauarbeiten nach. Die Frauen üben überwiegend traditionelle Tätigkeiten wie zum Beispiel jener der Einzelhandelskauffrau aus. Ein Arbeitsbereich, in dem sowohl Männer als auch Frauen sehr stark vertreten sind, ist die Reinigungsbranche. Auffallend bei diesen Arbeitsfeldern ist, dass es sich hierbei um Positionen mit geringen Qualifikationsanforderungen und niedrigen Löhnen handelt. Gründe für diese meist beschränkten Arbeitsmöglichkeiten gestalten sich sehr vielfältig. Die sprachliche Qualifikation ist der häufigst genannte Grund und betrifft teilweise sogar noch die MigrantInnen der zweiten und dritten Generation. Oft erhalten die Kinder und Jugendlichen mit migrantischer Herkunft eine kürzere oder schlechtere Schulbildung im Vergleich zu den einheimischen Kindern. Die unqualifizierte Ausbildung und die oft mangelhaften Sprachkenntnisse bilden eine sehr schlechte Ausgangslage für die spätere berufliche Karriere. Zusätzlich leiden MigrantInnen am Arbeitsplatz oft unter Fremdenhass und Vorurteilen. MigrantInnen der zweiten und dritten Generation geben an, sich öfter im Schulleben oder im Berufsalltag behaupten zu müssen, als ihre österreichischen KollegInnen. Dies kann auch zu einer gewissen Ablehnung gegenüber dem neuen Heimatland führen, wodurch sich der Eingliederungsprozess in die neue Gesellschaft verzögert. Nicht nur im Industriesektor haben MigrantInnen mit spezifischen Problemen zu kämpfen, auch KünstlerInnen mit migrantischem Hindergrund fällt es oft schwer in Österreich Fuß zu fassen. Obwohl das Interesse an ethnischer Vielfalt im Kunst- und Kulturbereich groß ist, ist es dennoch schwer für sie, als eigenständige KünstlerInnen akzeptiert und bekannt zu werden. Immer wieder werden sie in eine bestimmte Nische eingeordnet und auf ihre migrantische Herkunftsidentität zurückgeworfen, sodass es ihnen oft nicht gelingt, sich von Anderen zu differenzieren und sich mit ihrer eigenen Stilrichtung zu behaupten.

Industrial Culture - Cultural Industries

13

Kapitel 2. Inhaltlicher Überblick

2.3

Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

Der Begriff "Mobilität" sowie die damit verbundenen Vorstellungen, Assoziationen und Interpretationen werden sehr unterschiedlich ausgelegt und verstanden. Dies war eine der überraschenden Erfahrungen die sich aus dieser Studie ergaben. Die Erkenntnisse aus den Interviews mit den jeweiligen Personen bestehend aus Politikern, Künstlern und ArbeiterInnen beziehungsweise Angestellten waren ebenso interessant wie unterschiedlich. Ebenfalls sehr differierende Einsichten wurden durch die ausgedehnte Literaturrecherche gewonnen, welche sich in ihrer Vielfalt nicht besser hätte eignen können um das untersuchte Forschungsthema aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln zu betrachten und zu untersuchen. So merkt man diesen Unterschied der Wahrnehmung bereits bei der Suche bzw. Frage nach der Definition des Begriffes "Mobilität". Während die InterviewpartnerInnen durchwegs übereinstimmten, dass diese als geographische Flexibilität zwischen zwei Orten zu verstehen sei, findet man in ausgedehnten Bänden unzählige Arten, wie bspw. die soziale Mobilität, welche selbstverständlich ebenfalls wichtig ist, jedoch für den Aspekt des untersuchten Gebietes ausgeklammert wurde. "Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit" konzentriert sich folglich auf die räumliche Mobilität in Linz und den damit zusammenhängenden Unterschieden und Gemeinsamkeiten von ArbeiterInnen bzw. Angestellten und KünstlerInnen. Dass dieses Thema in Oberösterreich besonders wichtig ist, kann man daran feststellen, dass knapp 60 % der oberösterreichischen Erwerbstätigen ihren Arbeitsplatz außerhalb der Wohngemeinde haben und somit bereits zur Gruppe der PendlerInnen zählen. Die Situation in Linz ist hierbei speziell hervorzuheben, da es in der Landeshauptstadt fast doppelt so viele Arbeitsplätze wie wohnhaft Erwerbstätige gibt. Folglich ist die Anzahl der PendlerInnen besonders groß, was unterschiedlichste Vorund Nachteile mit sich bringt. Die Bereitschaft zur Mobilität ist eindeutig den Vorteilen zuzuordnen. Das Wirtschaftswachstum kann hiervon besonders profitieren, da flexible Arbeitskräfte dazu beitragen. Es gibt jedoch Unterschiede in der Mobilitätsbereitschaft, wie aus den Interviews hervorging. Während es für ArbeiterInnen als normal empfunden wird morgens im Stau zu stehen, sehen es KünstlerInnen wesentlich diversifizierter. Da sie nicht täglich den gleichen Arbeitsweg zurücklegen müssen ist es für sie der Aufwand welcher im gerechtfertigten Zusammenhang mit dem jeweiligen Auftrag stehen muss. Es muss sich also für sie lohnen sich dem Stau oder der langen Anreise auszusetzen. Zu den vordergründigsten Nachteilen zählt der ökologische Effekt der sich durch den Verkehr nicht vermeiden lässt. Während sich die Betroffenen damit beschäftigen, ob sich Mobilität lohnt oder nicht wird seitens der Politik überlegt, wie eine nachhaltige Mobilitätsangebotsverbesserung der Stadt Linz aussehen kann und soll. Während sich Markus Spannring (Gemeinderat Linz; ÖVP) mit den Zukunftsprognosen und dem damit steigenden motorisierten Individualverkehr konfrontiert sieht und somit für einen Ausbau der Straßen eintritt, setzt sich Jürgen Himmelbauer (Mobilitätsstadtrat Linz; Die Grünen) mit der Frage auseinander wie man die Bevölkerung dazu motivieren kann den Trend umzukehren und mehr öffentliche Verkehrsmittel zu nutzen.

14

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 2. Inhaltlicher Überblick

Auch die unterschiedlichen Einkommen von ArbeiterInnen bzw. Angestellten und KünstlerInnen spielen bei der Frage der Mobilität und vor allem bei der Verkehrsmittelwahl eine große Rolle. Da die öffentlichen Verkehrsmittel, als inferiore Güter, hauptsächlich von jenem Teil der Gesellschaft besonders stark genutzt werden welcher ein geringeres Einkommen bezieht, trifft dies auf die KünstlerInnen mehr als auf die ArbeiterInnen bzw. Angestellten, welche gesicherte monatliche Gehälter beziehen und sich somit mittel- und langfristig ein Auto leisten können, ohne dabei ein zu großes finanzielles Risiko in Kauf nehmen zu müssen. Oft wird von KünstlerInnen jedoch auch gar kein Verkehrsmittel aus Arbeitsgründen benötigt, weil sie ihre Arbeitsstätte zu Hause haben. Dies ist aus verkehrstechnischer Sicht die optimale Lösung, welche sich jedoch aus verständlichen Gründen für ArbeiterInnen bzw. Angestellte und auch viele KünstlerInnen nicht realisieren lässt. Der Unterschied ob Linz als Kultur- oder Industriestadt gesehen wird spielt für die Betroffenen meist keine wesentliche Rolle im Mobilitätsverhalten, da sich aus diversen Interviews gezeigt hat, dass jede/-r sein/ihr eigenes Umfeld als zentral betrachtet. Die ArbeiterInnen und Angestellten der VOEST sehen in Linz eine eindeutige Industriestadt, während die KünstlerInnen durchaus das Kulturangebot der Stadt kennen und schätzen. Die Tatsache, dass Linz 2009 Kulturhauptstadt Europas wird, ist einerseits sehr erfreulich, da der Bekanntheitsgrad steigt, der Tourismus angekurbelt wird usw., andererseits stellt es die Landeshauptstadt auch vor erneute Verkehrsprobleme, welche bis dahin gelöst werden sollten um die Mobilität der Anreisenden und auch der in Linz wohnhaften Bevölkerung weiterhin gewährleisten zu können.

2.4

Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaate8

Österreich wird als ein Sozialstaat oder auch Wohlfahrtsstaat angesehen, in den letzten 20 bis 30 Jahren spricht man im alltäglichen Sprachgebrauch aber auch in der wissenschaftlichen Literatur von der "Krise des Wohlfahrtsstaates", die sich grundsätzlich durch den Abbau von Sozialleistungen und der Veränderung von Arbeitsverhältnissen kennzeichnet. Rainer Zendron, Vizerektor der Kunstuniversität Linz, meint, dass die Krise des Wohlfahrtsstaates vor allem auf die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse zurückzuführen sei. Emmerich Tálos sieht die Probleme des Sozialstaates vor allem in den veränderten Rahmenbedingungen, wie zum Beispiel der demografischen Entwicklung und der "Lohn- und Ehezentriertheit" des österreichischen Sozialsystems. Nationale Maßnahmen der letzten Jahre, wie zum Beispiel die Verschärfung von Pensionsbestimmungen, die Einführung und Erhöhung von Gebühren und Selbstbehalten, wirken sich auf die Bevölkerung, also auch auf die LinzerInnen aus. Daher beschäftigen sich die folgenden Teile der Arbeit mit den Problemen und Herausforderungen, die sich durch den Abbau des Sozialstaates für IndustriearbeiterInnen und KünstlerInnen ergeben, und mit den Maßnahmen, welche von der Stadt Linz und der voestalpine AG zur Abfederung dieses Abbaus initiiert wurden.

Industrial Culture - Cultural Industries

15

Kapitel 2. Inhaltlicher Überblick

Linz ist von der Industrie des 20.Jahrhunderts wie keine andere Stadt in Österreich geprägt worden und wird daher oft als "Industriestadt" bezeichnet, insbesondere auch durch die wichtige Rolle der Voestalpine AG. In den letzten Jahren wurde jedoch auch die Kultur und Kulturentwicklung sehr forciert, daher könnte man auch von Linz als einer Kulturstadt sprechen. In diesem Zusammenhang wurden daher auch viele kulturpolitische Akzente und Schwerpunkte gesetzt und ein Netz an kultureller Infrastruktur aufgebaut. Neben der Ars Electronica, der künstlerisch innovativen Auseinandersetzung mit Technologie und Gesellschaft, zeigen sich diese Akzentsetzungen am deutlichsten im Bereich von Kultur im öffentlichen Raum, der Spektakelkultur, Klangwolke, Linzer Stahlsinfonie, Mach-mitKonzerte, Forum Metall, Pflasterspektakel, Linz-Fest, Klangplatz Hauptplatz u.a. sind geglückte Versuche, kulturelle Prozesse einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Aber auch die Ausgaben im Sozialbereich wurden in den letzten Jahren massiv angehoben, Linz bemüht sich daher auch als "soziale Stadt" wahrgenommen zu werden. Bereits im November 1990 wurde vom Linzer Gemeinderat ein umfassendes Sozialprogramm für Linz beschlossen. Durch diese äußerst erfolgreiche Sozialoffensive ist es gelungen, die Lebensbedingungen vor allem für Senioren, Kinder, Jugendliche und Familien sowie sozial Benachteiligte wesentlich zu verbessern. Erkenntnisse der Studie sind, dass zu den Problemen von Künstlern und KünsterlInnen das unregelmäßige und meist niedrige Einkommen zählen, jedoch der potentiellste Schritt um sie sozial abzusichern, ist die seit 7 Jahren bestehende Künstlersozialversicherung. Diese entlastet vor allem selbstständige Künstler und KünstlerInnen. Andererseits gibt es auch hier Hürden wie eine Mindesteinkommensgrenze, keine Absicherung im Fall der Arbeitslosigkeit und ähnliches. Künstler sind aber nicht nur Opfer von finanzieller sondern auch von psychischer Belastung. Unfall oder Krankheit zum Beispiel bedeuten für Künstler und KünstlerInnen einen enormen Verdienstausfall und sie werden ein Fall für die Sozialhilfe. Bei Industriearbeitern und IndustriearbeiterInnen hingegen tritt das Sozialversicherungsgesetz in Kraft. Beiträge werden vom ArbeitgeberIn, wie auch vom ArbeitnehmerIn entrichtet. Um längerfristig die Finanzierung zu gewährleisten, werden Maßnahmen zur Kostendämpfung, Effizienzsteigerung und Steuerung gemacht. In Österreich werden die Pensionsleistungen großteils über die Beitragszahlungen der Erwerbstätigen finanziert. Aufgrund der alternden Gesellschaft sind Veränderungen von Nöten, die von der Bevölkerung bereits wahrgenommen werden. Die Befragten - im Alter zwischen 20 und 30 Jahren - machen sich noch nicht wirklich Gedanken über die Pensionsabsicherung, jedoch überlegen Manche, in den nächsten Jahren einen kleinen Betrag in eine private Vorsorge einzuzahlen. In Bezug auf Arbeitslosigkeit und Unfall/ Krankheit wurden von den Industriearbeitern und IndustriearbeiterInnen keine wesentlichen Veränderungen wahrgenommen, außer der Einführung der ECard, die positiv erwähnt wurde. Der soziale Abbau macht Maßnahmen der Bevölkerung/der Betriebe/Städte unabdingbar. In Bezug auf die Absicherung im Unfall- oder Krankheitsfall existiert in Österreich eine KünstlerInnensozialversicherung, die jedoch immenser Kritik ausgesetzt ist, die betroffene Gruppe nicht ausreichend abzusichern. Die Stadt Linz versucht die Bevölkerung durch gezielte Programme und Veranstaltungen für das Thema Gesundheit zu sensibilisieren. Des Weiteren führt und koordiniert sie Hilfsdienste im Bereich Betreuung und Pflege.

16

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 2. Inhaltlicher Überblick

Den MitarbeiterInnen der Voestalpine AG steht ein Betriebsratsfonds zur Verfügung, der beispielsweise die Kosten für Kuraufenthalte übernimmt. Ferner wurde das sogenannte Life Programm ins Leben gerufen, das versucht, lebensphasengerechte Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe zu schaffen, um die Gesundheit der MitarbeiterInnen zu erhalten. Dies erfolgt durch einige Änderungen im Arbeitsprozess (z.B. die Umstellung von der Fünfer Schicht auf die Vierer Schicht). In Bezug auf die Absicherung während und nach der Erwerbstätigkeit rückt die private Vorsorge auf der individuellen Ebene immer mehr in den Vordergrund. Diese Entwicklung muss jedoch kritisch betrachtet werden, da diese durch die Einkommensabhängigkeit für verschiedene Berufsgruppen mit geringem Einkommen nicht finanzierbar ist. Die Stadt Linz bietet keine Maßnahmen an, um die Absicherung in diesen zwei Bereichen zu gewährleisen. Die Voestalpine AG wiederum hat eine eigene Pensionskassa für ihre MitarbeiterInnen eingerichtet. Weitere Maßnahmen, welche die Voestalpine AG realisiert hat, sind das Integrationszentrum und die Stahlstiftung. Dieses Zentrum ist mit ausgebildeten PsychologInnen besetzt und stellt eine Anlaufstelle für MitarbeiterInnen dar, die ihre bisherige Tätigkeit nicht mehr verrichten können. Die Stahlstiftung wurde eingeführt, um MitarbeiterInnen, denen ihr Arbeitsplatz gekündigt worden ist, bei der Reintegration in den Arbeitsprozess zu helfen. Dabei besteht die Möglichkeit einer Umschulung sowie Weiterbildung. Finanziert wird die Stiftung von allen MitarbeiterInnen der Voestalpine AG. Das Zukunftsbild in Bezug auf die Entwicklung des Sozialstaates ist in der wissenschaftlichen Literatur gespalten. Einige Autoren befinden den Sozialstaat für obsolet, andere wiederum sprechen sich für den Fortbestand des Sozialstaates als wichtiges Element der Gesellschaft aus. Die Befragten sehen die Zukunft des Sozialstaates durchwegs positiv und hoffen auch selbst, wenn man es benötigt, vom "sozialen Netz" aufgefangen zu werden. In dem Bereich Absicherung nach der Erwerbstätigkeit besteht eine gewisse Skepsis darüber, ob das Umlageverfahren bei den Pensionen weiterhin finanzierbar bleibt und man erwartet sich länger als bisher arbeiten zu müssen. Aufgrund der vermehrten Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen meint Zendron, dass es in den nächsten Jahren zu einer sozialrechtlichen Regelung für diese Beschäftigungsverhältnisse kommen wird und somit auch KünstlerInnen, die hauptsächlich in prekären Arbeitsverhältnissen sind, davon profitieren werden. Im Bereich des Gesundheitssystems erwarten sich die Befragten, dass die Kosten, welche die Patienten selbst zu tragen haben, steigen werden und weniger Leistungen von der Sozialversicherung abgedeckt werden. Linz ist zur europäischen Kulturhauptstadt 2009 ernannt worden. Dies birgt für die Stadt Linz, nach Meinung der Befragten, einige Chancen und wird durchwegs positiv gesehen. Die Befragten sehen vor allem Chancen die sich für die Stadt Linz aufgrund des vermehrten Tourismus ergeben und der vemehrten Finanzierung der Linzer Kunst- und Kulturszene. Der Vizerektor der Kunstuniversität Linz, Rainer Zendron, betont in diesem Zusammenhang sehr stark den Aspekt der "Nachhaltigkeit". Das Projekt Kulturhauptstadt 2009 muss, seiner Meinung nach, darauf achten, dass auch nach dem Jahr 2009 die Kunst- und Kulturszene gefördert wird und das Budget der Stadt Linz nicht zu sehr beansprucht wird. Weiters sei es eine große Chance, Kunst und Kultur den eher kunst- und kulturfernen Bevölkerungsschichten näher zu bringen.

Industrial Culture - Cultural Industries

17

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt Waltraud Haslinger, Ralf Hübinger, Petra Schweitzer, Katharina Siegl, Andreas Steiner

3.1

Einleitung

Mit der heraufziehenden Krise der verstaatlichten Industrie begann in Linz ein Umorientierungsprozess von der "reinen Industriestadt" mit einer kulturellen Mindest-Infrastruktur hin zu einer Industrieund Kulturstadt mit einem breiten, vielfältigen kulturellen Angebot und laufenden Bemühungen, dieses zu kommunizieren und auszubauen. Die Industrie spielte dabei immer eine Rolle - sei es bei der programmatischen Integration in die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung, bei Projekten wie dem Forum Metall oder für die technologische Avantgarde rund um die Ars Electronica. Im folgenden Kapitel soll nach einer Annäherung an die wichtigen Begriffe Kultur, Industrie, Image und Identität der Bogen der historischen Entwicklung von Linz seit dem Zweiten Weltkrieg bis heute nachvollzogen werden. Auf den Imagewandel und die damit in Zusammenhang stehenden Meilensteine im Bereich Kultur wird ebenso eingegangen, wie auch die Umweltschutzmaßnahmen der Industrie Erwähnung finden. Ihnen ist es nicht zuletzt zu verdanken, dass Linz eine saubere Stadt ist. In der Folge soll auf die Bedeutung eines regen kulturellen Umfeldes als weicher Standortfaktor eingegangen werden. Dass es sich lohnt, das Image einer Kulturstadt zu pflegen, wird ebenso zur Sprache kommen, wie die Tücken, die mit der Transformation einer Industriestadt zur Kulturstadt verbunden sind. Eine dieser Tücken liegt grundsätzlich im Konzept der Identitätspolitik begründet. Am Ende soll zu einer Standortbestimmung der Stadt Linz im urbanen Kulturprozess gefunden werden. Im Vorfeld des Großprojektes "Kulturhauptstadt 2009" versuchen viele InteressentInnen ihre Beiträge einzubringen und ihre Vorstellungen umzusetzen. Der Diskussionsprozess kreist um eine Fragestellung, die auch für diese Arbeit relevant ist: Was ist der "Spirit of Linz"?

3.2

3.2.1

Annäherung an die Begriffe Kultur, Industrie, Image und Identität

Der Kulturbegriff

Es gibt eine Vielzahl unterschiedlicher Definitionen von Kultur. Ein sehr eng gefasster Kulturbegriff beschränkt sich häufig auf die umgangssprachlich als "Hochkultur" bezeichneten Aspekte Oper, Theater, bildende Kunst und dergleichen.

18

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

Dem gemäß zeichnet sich Kultur durch einen bildungsbürgerlichen Charakter aus und richtet sich an einen vergleichsweise kleinen Personenkreis - nicht zuletzt aufgrund des vorwiegend hochpreisigen Angebotes. Personen, die dieses elitäre Verständnis von Kultur mittragen, haben meist auch eine negative Haltung gegenüber der Alltagskultur bzw. Massenkultur und bezeichnen sie als inhaltslos und banal. Unter dem Begriff Kultur lässt sich alles vereinen, was Menschen selbst erschaffen bzw. wiedergeben. Ihre Werke, Erkenntnisse und Errungenschaften in den verschiedensten Bereichen wie der Kunst, Wissenschaft, Religion und Recht. Sie fördern ein Zusammengehörigkeitsgefühl und wirken identitätsstiftend.1 "Der Mensch lebt in einem symbolischen und nicht mehr in einem bloß natürlichen Universum. (...) Statt mit den Dingen selbst umzugehen, unterhält sich der Mensch in gewissem Sinne dauernd mit sich selbst."

2

Kultur dient den Menschen als Orientierungshilfe. So definiert der Europarat Kultur in folgender Weise: "Kultur ist alles, was es den Individuen erlaubt, sich gegenüber der Welt, der Gesellschaft und auch gegenüber dem heimatlichen Erbe zurechtzufinden, sowie alles, was dazu führt, dass der Mensch seine Situation besser begreift, um sie unter Umständen verändern zu können."

3

Ein wichtiger Aspekt von Kultur ist, dass sie sich auf eine bestimmte Gruppe bzw. Einheit bezieht. Kultur lässt sich also nicht verallgemeinern, sie stellt die typische Lebensart in einer bestimmten Region oder auch Zeit dar.4 Der Begriff Kultur wird heutzutage in vielerlei Hinsicht verwendet. Kultur lässt sich schließlich gut vermarkten. Nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Überlegungen bemühen sich die meisten Städte, ihre kulturellen Vorzüge nach außen bestmöglich zu präsentieren, um ein positives Image zu erzeugen. Es fällt also schwer, Kultur einzugrenzen und es stellt sich die Frage, wo Kultur beginnt und wo sie aufhört. Wichtig ist jedenfalls auch die Berücksichtigung des Kontextes, in dem von Kultur gesprochen wird. So haben KünstlerInnen eine andere Auffassung vom Begriff Kultur als beispielsweise IndustriearbeiterInnen.

1

vgl. Prechtl/Burkhard 1999

2

Prechtl/Burkhard 1999

3

Mörth 1997, S. 4

4

vgl. Regenbogen/Meyer 2005, S. 367

Industrial Culture - Cultural Industries

19

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

3.2.2

Der Begriff Industrie

Unter dem Begriff Industrie versteht man die gewerbliche Gewinnung und Verarbeitung von Rohstoffen bzw. die Weiterverarbeitung von Halbfertigprodukten vor allem in Fabriken. Es handelt sich hier im Gegensatz zum Handwerk um sehr große Betriebe mit einem hohen Kapitaleinsatz, welche hauptsächlich technologisch gestützte Produktionsverfahren verwenden. Ein weiteres Merkmal dafür ist eine intensive Arbeitsteilung und ein hoher Spezialisierungsgrad.5 Die Stadt Linz weist besonders seit dem Zweiten Weltkrieg eine starke industrielle Prägung auf. Mit der heutigen voestalpine AG ist sie Standort eines der großen Leitbetriebe des Landes, um den sich ein dichtes Netz an so genannten Stakeholdern gebildet hat, die von ihm zum Teil existenziell abhängig sind. 3.2.3

Der Begriff des Images

Image ist die Vorstellung oder das Bild, das man von einem bestimmten Gegenstand oder einer Person hat bzw. sich kreiert.6 Diese Vorstellung von etwas oder jemanden ist allerdings oberflächlich und geht nicht sehr in die Tiefe. Sie stellt die primäre Wahrnehmung eines Gegenstandes oder einer Person dar.7 Ein Image entwickelt sich meist nur aufgrund weniger hervorstechender Merkmale bzw. der Überbetonung bestimmter Aspekte: "Image wird häufig als die Gesamtheit aller Einstellungen, Kenntnisse, Erfahrungen, Wünsche und Gefühle definiert, die mit einem bestimmten Meinungsgegenstand in Verbindung gebracht werden."

8

Das Image bedeutet zudem ein emotionales Urteil über eine Person, eine Personengruppe, ein Unternehmen, eine Institution, ein Produkt, eine Marke oder eine Stadt. Das bedeutet, dass bei der Bewertung Vorbehalte und Ängste eine wesentliche Rolle spielen. Ein besonders für das Marketing wesentlicher Punkt ist die Steuerbarkeit von Image. Durch den gezielten Einsatz von Werbemaßnahmen kann ein bestimmtes Image aufgebaut werden. Das ist allerdings nicht von heute auf morgen möglich und erfordert intensive Bemühungen, vor allem weil viel Vertrauen und Glaubwürdigkeit für den Aufbau eines positiven Images notwendig ist.9 Image ist veränderbar. Demnach ist auch das Image einer Stadt wandelbar. Das Image von Linz hat sich verändert. Lange Zeit musste sich Linz mit einem negativen Image auseinandersetzen: Im 19. Jahrhundert wurde Linz aufgrund einer vorwiegend agrarisch geprägten Struktur als "Provinz" von Vielen belächelt. Im 20. Jahrhundert entwickelte sich Linz zu einer Industriestadt und mit dieser Entwicklung kam ein neues - ebenso negatives - Image, das bis heute nachwirkt. Mit Industrie verbindet

5

vgl. Meyers Lexikon online

6

vgl. Dembinski 2005

7

vgl. Interview mit Kannonier 2007

8

Dembinski 2005

9

vgl. Lexikon für Pressearbeit, Öffentlichkeitsarbeit und PR (Public Relations) o.J.

20

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

man etwas Schmutziges10, unter anderem durch die Umweltprobleme ergab sich der Spruch: "In Linz, da stinkt’s." Hier verdeutlicht sich der vorher erwähnte Aspekt, dass sich ein Image oft nur aufgrund weniger Merkmale entwickelt. In diesem Fall verursachten die Umweltprobleme von Linz ein Negativimage. Seit Mitte der 1970er-Jahre wird einiges unternommen, um diesem negativen Image zu entkommen. Durch Verbesserungen im Umweltbereich, den Bestrebungen das Stadtbild zu verschönern und durch kulturelle Aktivitäten kam es zu einem Umschwung. Das Image von Linz hat sich gewandelt.11 Dabei sollte man jedoch berücksichtigen, dass einerseits dieser Wandel noch nicht abgeschlossen ist und dass es andererseits ununterbrochener Bemühungen bedarf, um das positive Image einer Stadt zu erhalten. 3.2.4

Der Begriff Identität

Der Begriff Identität ist schwer zu fassen. Auch im Zuge der im Forschungsprojekt durchgeführten Interviews wurde deutlich, dass es den Befragten schwer fiel, ihn in Bezug auf eine Stadt zu definieren. Der für diese Arbeit relevante Identitätsbegriff bezieht sich auf die so genannte kulturelle Identität. Sie beschreibt die Zugehörigkeit eines Individuums zu einer bestimmten sozialen Gruppe. Eine Person fühlt sich also aufgrund eines Faktors oder mehrerer Faktoren einer bestimmten Einheit verbunden. Kulturen, Gesellschaften und deren Untereinheiten, also soziale Bewegungen, Randgruppen oder eine bestimmte Szene können eine kollektive Identität entwickeln. Darüber hinaus wirken Faktoren wie die Religion, die Sprache, der Dialekt oder auch die Geschlechtszugehörigkeit identitätsstiftend. Soziale Gruppen wollen sich von anderen sozialen Einheiten abheben bzw. sich abgrenzen. Maßnahmen, die diese verschiedenen Gruppen vereinen sollen, stärken eher das Zusammengehörigkeitsgefühl der einzelnen Gruppen.12

3.3

Abriss über die historische Entwicklung von Linz

Überblickt man die Geschichte der Stadt Linz, so ist festzustellen, dass die zweite Hälfte des letzten Jahrhunderts große Veränderungen in jeder Hinsicht gebracht hat. Nachfolgend wird auf die historische Entwicklung von Linz, insbesondere der Nachkriegszeit und den Wiederaufbau eingegangen. Für einen Einblick in die dunklen Kapitel der Zeit des Nationalsozialismus, in der aufgrund der Sonderstellung von Linz im Deutschen Reich (Linz als Patenstadt des Führers) wesentliche Grundlagen

10

vgl. Sandgruber 1999

11

vgl. ebd.

12

vgl. Fuchs-Heinritz 1994, S. 286

Industrial Culture - Cultural Industries

21

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

für die weitere Entwicklung der Stadt gelegt wurden, wird an dieser Stelle auf die umfangreichen und ausführlichen Arbeiten des Archivs der Stadt Linz verwiesen.13 3.3.1

Nachkriegszeit und Wiederaufbau

Am 5. Mai 1945 befreiten die Amerikaner die Stadt und beendeten somit den Krieg. Kurz darauf brachen fast alle lebenswichtigen Einrichtungen zusammen. Der von den Amerikanern am 7. Mai 1945 eingesetzte Bürgermeister Ernst Koref14 war der gesamten Bevölkerung verantwortlich und hatte den Befehlen der Besatzungsmacht zu gehorchen.15 Die Einführung demokratischer Verhältnisse dauerte bis zum Herbst 1945. Nach dem Kriegsende war ein Drittel der Wohnungen von Linz zerstört, dazu kamen noch Schäden im Kanal-, Wasser- und Gasrohrnetz. Obwohl die Zukunft der Stadt Linz ungewiss war, begann man sehr rasch mit der Wiedererrichtung der Schwerindustrie. Im Juni 1945 wurde der Wiederaufbau der Vereinigten Oesterreichischen Eisen- und Stahlwerke (VOEST) in die Wege geleitet. Am 16. Juli 1946 übergab die amerikanische Besatzungsmacht die Werke an die Republik Österreich.16 Im Sommer 1946 konnten die Stickstoffwerke mit der Produktion von Unkrautbekämpfungsmitteln und Kunstdünger beginnen. Die anschließende Verstaatlichung brachte den Stickstoffwerken und auch der VOEST dank des Marshall-Planes finanzielle Hilfe. Die Weiterführung der Großindustrie war wohl die entscheidende Maßnahme für die weitere Entwicklung von Linz nach dem Krieg. Die erneut aufstrebende Industrie lockte viele Menschen aus dem Umland nach Linz, die mit Wohnungen versorgt werden mussten. Linz hatte hierbei den größten Aufholbedarf aller österreichischen Städte. Ab den 1960er-Jahren war die Wohnungsnot weitgehend gemildert, auch die Barackenlager gehörten der Vergangenheit an. Neben dem Wohnbau wurde auch die Errichtung infrastruktureller Einrichtungen wie etwa Schulen und Kindergärten enorm vorangetrieben. 3.3.2

Die Linzer Industrie nach 1945

Die Linzer Großindustrie war ab dem Zweiten Weltkrieg die bedeutendste Arbeitgeberin der Region. Der Anteil an der Gesamtbeschäftigten der eisen- und metallverarbeitenden Industrie stieg von 19,1 % (1939) auf 35,4 % (1950) und schließlich auf 46,0 % im Jahr 1964. Der Anteil der Beschäftigten in der chemischen Industrie stieg von 3,3 % (1939) auf 11,4 % (1964). Zu Beginn der 1970er-Jahre verlangsamten sich die Zuwachsraten der Linzer Industrie. Das Ende der Hochkonjunktur besiegelte 1975 der so genannte "Ölschock", eine weltweite Ölkrise. In diesem Jahr schrumpfte die österreichische Wirtschaft um 0,4 %. Nur durch eine Wirtschaftspolitik, in der Beschäftigung - auf Kosten der Verschuldung - die höchste Priorität geschenkt wurde, konnten die Arbeitslosenzahlen niedrig gehalten werden.

13

Eine Übersicht der Publikationen des Archivs der Stadt Linz findet sich unter http://www.linz.at/Archiv/de/19324_13060.asp.

14

vgl. Linzer Wirtschaftschronik 1990, S. 7 ff.

15

vgl. Mayrhofer 1995

16

vgl. Fiereder 1983, S. 221 ff.

22

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

1985 wurde für Linz zum Schicksalsjahr. Grund dafür war die Krise der verstaatlichten Industrie, die unter anderem in der Wirtschaftspolitik der vergangenen Jahre begründet war. Nach Massenentlassungen wurden in den 1980er- und 1990er-Jahren Restrukturierungsmaßnahmen gesetzt.17 3.3.3

Die Linzer Kultur nach 1945

Neben dem materiellen Aufbau begann auch der kulturelle Wiederaufbau. 1945 nahm das Volkstheater in Urfahr seinen Betrieb auf, die Linzer Volksbühne war vorerst im heute nicht mehr existierenden Theresiensaal in der Jungwirthstraße angesiedelt. Da die meisten Säle zerstört waren, wurden auch viele Veranstaltungen im Rathaussaal abgehalten18. Ende der 1940er-Jahre gründete eine Gruppe Schauspielinteressierter eine "Werksbühne" für die VOEST-Belegschaft, aus der schließlich in den 1950er-Jahren das noch heute existierende Kellertheater hervorging.19 Ebenfalls in den 1950erJahren wurde das Landestheater renoviert und erweitert. In diesen Zeiten materieller Not wurden noch die Kunstschule, die Neue Galerie und die Volkshochschule in den ersten Nachkriegsjahren errichtet.20 Nach 1945 standen zunächst die Abgrenzung gegenüber der NS-Kultur und die Betonung traditioneller humanistischer Kulturwerte im Vordergrund. Ab den 1970er-Jahren führte jedoch ein neues, dynamisches Kulturverständnis zur kulturellen und sozialen Öffnung der städtischen Kulturpolitik mit den Schwerpunkten Kultur und Technologie (Ars Electronica) sowie Kultur im offenen Raum (Klangwolke). In beiden Bereichen entwickelte sich eine vielfältige und qualitativ hoch stehende Kultur- und Kunstszene. Zu den kulturpolitischen Meilensteinen in dieser Zeit zählen in chronologischer Reihenfolge:21 Die erste Landesaustellung "Kunst der Donauschule" 1965 Die Gründung des Brucknerkonservatoriums 1968 Errichtung der Kunsthochschule 1973 Die Eröffnung des Stadtmuseums Nordico im Gebäude des ehemaligen "Collegium Nordicum" 1973 Der Bau des Brucknerhauses als Konzerthaus 1974 und die Initiierung des Brucknerfestes. Beides trug wesentlich zur kulturellen Internationalisierung der Linzer Kultur bei. Zudem leistete der Bau dieses Konzerthauses auch einen bedeutenden Beitrag zur Imagepositionierung von Linz. So wurde mit dem Brucknerhaus der Weg von der Industriestadt zu einer Kulturstadt untermauert. Die Eröffnung des Landeskulturzentrum Ursulinenhof 1977

17

vgl. Moser 1990, S.185f

18

vgl. Katzinger/Mayrhofer 1995

19

vgl. Linzer Kellertheater 2007

20

vgl. Grau 1951

21

vgl. Katzinger/Mayrhofer 1990, S. 356 ff.

Industrial Culture - Cultural Industries

23

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

Das Forum Metall als öffentlicher Skulpturenpark im Donaupark 1977 auf Initiative des damaligen Direktors der Neuen Galarie, Peter Baum gemeinsam mit dem Künstler Helmuth Gsöllpointner bildete mit seinen großen Metallskulpturen eine erste symbolische Verknüpfung von Kunst und Industrie in Linz und prägt noch heute das Erscheinungsbild des beliebten Freizeitareals an der Donau. Die Gründung des Vereins Stadtwerkstatt als wichtiges Zentrum der Freien Szene 1979. In Linz bildet die Stadtwerkstatt einen der wichtigsten Dreh- und Angelpunkt der Freien Szene. Eine weitere wichtige Einrichtung der Freien Szene aus dieser Zeit ist die 1984 gegründete KAPU, ein musikkultureller und sozialer Knotenpunkt. In den 1990er-Jahren folgte eine ganze Reihe an Einrichtungen und Initiativen der Freien Szene (z. B. time's up, Kunstraum Goethestraße, Radio FRO, Social Impact, qujOchÖ, Die Fabrikanten, transpublic, IFEK, …) die mittlerweile einen Schwerpunkt der Linzer Kulturentwicklung einnimmt. Die Linzer SP-Gemeinderätin FechterRichtinger betont die Rolle der Freien Szene in der Entwicklung zur Industrie- und Kulturstadt und bezeichnet sie als "die kleinen Steinchen, die eine Stadt lebenswert und wichtig machen und die sie auch braucht neben den großen Riesenprojekten."22 Die Gründung des Festivals Ars Electronica 1979 gemeinsam mit der Linzer Klangwolke im Rahmen des Brucknerfestes. Diese Konstellation war maßgeblich für die Entwicklung eines wirklich eigenständigen kulturellen Images von Linz. Sie erregte internationales Ansehen und Interesse durch die Kombination der beiden Pole Tradition und Zukunft, die eine unverwechselbare kulturelle Position für Linz hervorbrachten. Die Einrichtung des Veranstaltungszentrums Posthof 1984 Das Internationale Straßenkunstfestival Pflasterspektakel ab 1987, das einen großen Beitrag zur kulturellen Vielfalt in Linz beiträgt. Das jährlich wachsende Angebot von StraßenkünstlerInnen aus aller Welt lockt zehntausende BesucherInnen in die Stadt und gilt daher als eines der wichtigsten kulturellen Highlights. Die Gründung des OK Offenen Kulturhauses Oberösterreich (früher OK Centrum für Gegenwartskunst) in der früheren Ursulinenschule 1987. Es versteht sich als Experimentallabor für junge, internationale Künstlerlnnen und als Diskurs- und Handlungsort und arbeitet eng mit der Ars Electronica zusammen. die Gründung des Theater Phoenix 1989 die Etablierung des Linzfestes ab 1990

22

Interview mit Fechter-Richtinger 2007

24

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

In den 1990er-Jahren erhöhte sich der finanzielle Druck auf Kunst und Kultur. Die Auseinandersetzungen um die Mittelzuteilungen zwischen einzelnen Sektoren wie Kultur, Verkehr oder Sport wurden schärfer. Andererseits ist ein deutlicher Aufschwung der Kultur im tertiären Sektor (Kulturtourismus, Freizeitgestaltung, Werbung, Design usw.) konstatierbar. Wichtige Entwicklungen der letzten Jahre waren insbesondere: Die Neueröffnung des Literaturzentrums Stifterhaus 1993 Die Eröffnung Ars Electronica Center (Museum der Zukunft) 1996 Der Grundlagenentwurf des Kulturentwicklungsplanes für Linz 1997 als Ergebnis einer langen, intensiven und auf breiter Basis geführten Debatte über Kunst und Kultur im Allgemeinen und ihre Bedeutung für die Stadt Linz im Besonderen Der europäische Kulturmonat und erste Initiativen zur Bewerbung als europäische Kulturhauptstadt 1998 Die Eröffnung des Lentos Kunstmuseum an der Donaulände 2003. Das Lentos verkörpert ein Museum der zeitgenössischen und modernen Kunst und prägt seit seiner Errichtung das Stadtbild von Linz. Es handelt sich hierbei um die Nachfolgeinstitution der Neuen Galerie, welche 1953 von der Stadt Linz in Betrieb genommen wurde. Die Akkreditierung des Bruckner-Konservatoriums als Anton Bruckner Privatuniversität 2004 Die Erstausrichtung des Filmfestivals Crossing Europe 2004 mit seiner Schwerpunktsetzung auf mittel- und osteuropäische Filmkunst rund um das Programmkino Moviemento Die Nominierung zur europäischen Kulturhauptstadt für das Jahr 2009 im Jahr 2005 In den kommenden Jahren werden auch das in Bau befindliche Musiktheater beim Volksgarten, der Wissensturm beim Bahnhof - beide auch maßgeblich für die räumliche Stadtentwicklung und die Aufwertung des Gebietes rund um den Bahnhof - und Linz als Europäische Kulturhauptstadt 2009 markante kulturelle Meilensteine für Linz sein. In dem skizzierten Spannungsfeld der Einrichtungen und in der bewusst wahrgenommenen Verantwortung gegenüber der jüngeren Vergangenheit bündeln sich die Herausforderungen für die Kulturpolitik in Linz. Darauf soll in späteren Kapiteln noch näher eingegangen werden.

Industrial Culture - Cultural Industries

25

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

3.3.4

Kampagnen zur Imagekorrektur der Stadt Linz

Mit der Krise der verstaatlichten Industrie und den schwerwiegenden Umweltproblemen durch Schadstoffemissionen verschlechterte sich das Image der Stadt Linz. Aus diesem Grund wurde 1988 der Entschluss gefasst, eine breit angelegte Imagekampagne zu starten.23 Die Kampagne mit einer Laufzeit von 1989 bis 1991 und 1992 bis 1994 verfolgte die Zielsetzung, das Negativimage der Stadt schnellstmöglich abzubauen und ein positiv besetztes Erscheinungsbild entwickeln. Diese Ziele sollten durch eine entsprechende Kommunikationspolitik der Stadt und durch eine klar definierte Zielpositionierung eingeleitet werden.24 An die Imagekampagne der Stadt Linz wurden folgende Anforderungen gestellt: Linz sollte die dynamischste Landeshauptstadt in Österreich werden. Es sollte ein "Markendenken" greifen, d. h. die Stadt sollte als Marke funktionieren. Es sollte eine Richtung vorgegeben werden, in die sich die Stadt mit ihren BürgerInnen entwickelt. Definition von positiven Ankerthemen, die als Gegengewicht zur negativen Image-Dimension von Linz dienen sollen.25 Alle Aktivitäten in den Bereichen Kultur, Umwelt, Wirtschaft, Arbeitspolitik und Fremdenverkehr wurden mit Blickrichtung Zukunft gesetzt. Die Umsetzung der Kampagne erfolgte in zwei Teilen mittels Printmedien, über Hörfunk und auf Plakaten. Begleitet wurden die Kampagnen durch die Marktforschung, die einerseits die Bevölkerung und andererseits die OpinionleaderInnen befragte. Der Auftakt der ersten Kampagne fand im September 1989 statt. Neben der Wirtschaft erlebte auch die Kultur einen ihrer Höhepunkte zu dieser Zeit. Die im Herbst getroffenen Schwerpunkte fanden über die Medien Plakat, Tageszeitungen und Hörfunk ihren Niederschlag. Einen wichtigen Teil der Kampagne bildete die "Eventidee", d. h. es wurde bei dem Design der Plakate auf Besonderheiten und Events der Stadt Linz Rücksicht genommen. Im Jubiläumsjahr 1990 wurde die Imagekampagne auf nationale Ebene ausgeweitet. Als Medien fungierten der Hörfunk (über Ö3) sowie Plakate. Der erste Teil der Kampagne endete im Jahr 1991.26

23

vgl. Frohrer 1992, S. 8

24

vgl. Magistrat der Stadt Linz 1989

25

vgl. Haslinger 1995

26

vgl. Magistrat der Stadt Linz 1989

26

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

Reinhard Kannonier, Rektor der Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung, erinnert sich an diese Kampagne unter dem Titel "Linz lebt auf" als politischen Top-Down-Versuch einer Imagekorrektur als Folge der allgemeinen Krisenstimmung im Zusammenhang mit der wirtschaftlichen Schieflage der damaligen VOEST. Aus seiner Sicht hat diese große und teure Werbekampagne auch funktioniert.27 Nach der Zustimmung des Gemeinderates setzte Linz im Herbst 1992 die Imagekampagne mittels Inseraten, Hörfunkspots und Plakaten fort. Die Realisation des zweiten Teils fand in den Jahren 1992, 1993 und 1994 statt. Bei der Weiterführung wurde die Gestaltungsidee beibehalten, um den Wiedererkennungswert zu gewährleisten. Thematisiert wurden im Wesentlichen dieselben Bereiche wie bei der ersten Kampagne. Ebenso fand eine Weiterführung der "Eventidee" statt. So fand sich anlässlich der Eröffnung der Taubenmarktarkade im September 1992 auf vielen Plakaten der Slogan "Linz im Anzug". Im Kulturbereich stand ein Plakat mit dem Slogan "Linz am Programm" für die Klangwolke, das Brucknerhaus und den Posthof. Der Schwerpunkt der zweiten Imagekampagne lag beim Dialogmarketing mit Meinungsbildung. Ziel dieser Aktivitäten war die aktive Kommunikationssteuerung von Problemthemen, also Themen, die nicht mit Werbung in den Medien kommuniziert werden können. 3.3.5

Kultur und Industrie als Standortfaktoren

Im schärfer werdenden internationalen Wettbewerb um hochqualifiziertes Personal spielen neben den harten Standortfaktoren für die globalisierte Industrie, wie technische Infrastruktur, Anschluss an wichtige Verkehrswege, vorteilhafte politische Regelungen oder Steuervorteile, zunehmend so genannte weiche Standortfaktoren als Qualitätsmerkmale eine Rolle. Zu diesen gehören gute Bildungseinrichtungen und ein hochentwickeltes Gesundheitssystem ebenso wie eine saubere Umwelt und attraktive Naherholungsmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang dürften vor allem die Leistungen der Kulturpolitik und der öffentlichen Kultureinrichtungen zum Tragen kommen.28 Kannonier sieht diese im Zeitverlauf zu harten Standortfaktoren werden, da die Lebensqualität für die Bindung von Spitzenkräften und ihre Familien eine wachsende Rolle spielt.29 Erich Dipplinger von der Kulturgemeinschaft voestalpine AG bringt mit der Standortfrage ebenfalls vor allem solche Faktoren für Personal in Verbindung und betont, dass besonders für Führungskräfte das kulturelle Angebot hinsichtlich der Frage, ob ein Standort als Arbeitsplatz interessant wird, wichtig ist.30

27

vgl. Interview mit Kannonier 2007

28

Göschel 2004, S. 238

29

vgl. Kannonier 2007

30

vgl. Interview mit Dipplinger 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

27

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

Auch der Vorstandsdirektor und künstlerische Leiter der LIVA (Linzer Veranstaltungsgesellschaft MBH), Wolfgang Winkler meint, dass ein erstrangiges Kulturangebot für den Wirtschaftsstandort Linz sehr wohl von Bedeutung sei und verweist dabei auf die Wichtigkeit einer Koordination der Zusammenarbeit von Wirtschaftsstandort, Messe- und Kongressstadt sowie Kulturstadt, was auf einen Synergieeffekt für Linz abzielt.31 Andreas Hübinger, beschäftigt in leitender Funktion in der Rohstoffversorgung in der voestalpine AG, relativiert aus Sicht der Industrie die Bedeutung der weichen Standortfaktoren hingegen, wenn er erklärt, Kultur werde sicher kein standortbestimmendes Instrument für einen Konzern sein.32 Wie man sieht, gibt es gerade in der Standortfrage, ob Kultur wichtig für diese ist, unterschiedliche Denkansätze, wobei eine Tendenz in die Richtung geht, dass die Attraktivität eines Wirtschaftsstandortes in der Zukunft immer mehr vom kulturellen Umfeld beeinflusst wird.

3.4

Spannungsfelder und Wechselwirkungen zwischen Industrie und Kultur

Linz ist eine Stadt, die über Jahrzehnte mit einer eindeutigen Prägung als Industriestadt versehen war. Diese Prägung war sowohl für das Image als Stahlstadt als eine Namensgeberin des LD-Verfahrens oder im abfälligen "In Linz, da stinkt’s" wirksam als auch in der Identität der LinzerInnen. Der industrielle Leitbetrieb der Region war von seiner Gründung im Nationalsozialismus bis zu seiner heutigen Existenz als voestalpine AG in vielfacher Weise gestaltend und prägend für die Stadt und ihre Bevölkerung. So kann auch der Aufschwung der Kulturstadt Linz nicht unabhängig von der Industrie betrachtet werden. Denn in den 1970er-Jahren wurde mit der weltweiten Stahlkrise im Allgemeinen und der aufkeimenden Krise der verstaatlichten Industrie im Besonderen ein Umorientierungsprozess der Stadt notwendig.33 3.4.1

Der elitäre Kulturbegriff als Spaltpilz der Sphären

Das Spannungsfeld zwischen Industrie und Kultur beginnt schon im Begriffsverständnis. Der herkömmliche Kulturbegriff der breiteren Bevölkerung ebenso wie der bürgerlichen Eliten beschränkt sich häufig auf den Aspekt "Hochkultur" mit seinen Ausprägungen Oper, Theater, (klassische) Musik und bildende Kunst. Dieser elitäre Kulturbegriff wirkt nun in einer Industriestadt und damit auch einer Stadt der ArbeiterInnen, häufig Bestandteil der sogenannten "bildungsfernen Schicht", wenig integrativ.

31

vgl. Winkler 1999

32

vgl. Interview mit Hübinger 2007

33

vgl. Interview mit Kannonier 2007

28

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

Klaus Czempirek, ehemals Wirtschaftswissenschafter an der Universität Linz, empfiehlt für Linz daher auch einen umfassenden Kulturbegriff, der über die Kunst hinaus auch Wissenschaft und Gewerbe enthält. Damit war Linz immer schon Kulturstadt34, wobei wohl die Integration von Wissenschaft und Gewerbe respektive Technologie und Industrie in das kulturelle Geschehen im engeren Verständnis des Begriffes das derzeit Spezifische am Bild von Linz als Industrie- und Kulturstadt ausmacht. Diese thematische Nähe der Kultur zur Industrie ist zum Einen der Unique Selling Proposition von Linz im Wettbewerb der aufstrebenden Kulturstädte Mitteleuropas, zum Anderen bedeutet das Fehlen einer langen, klassisch orientierten kulturellen Tradition die Möglichkeit, Neues vergleichsweise unbelastet ausprobieren zu können. Diesen Vorteilen stellen die Linzer Kulturschaffenden Georg Ritter und Peter Donke in ihrem Beitrag zum Kulturentwicklungsplan der Stadt Linz den Nachteil eines fehlenden Umfeldes, eines aufgeschlossenen Publikums, eines philosophischen Diskurses, geringer Publizität und fehlendem internationalen Anschluss gegenüber.35 Letzteres ist es auch, was VertreterInnen der Industrie am Standort Linz bemängeln und daher an den Vorbereitungen zum Kulturhauptstadtjahr 2009 bislang wenig partizipieren. Der alte Vorwurf der Provinzialität36 wirkt in der Führungsetage der globalisierten Großindustrie immer noch nach. Kultur als weicher Standortfaktor37 wird zwar geschätzt, um im weltweiten Wettbewerb um die besten Köpfe eine angenehme Lebensqualität und gute Bildungs- und Freizeitmöglichkeiten für sie und ihre Familie anbieten zu können. Aber nicht zuletzt durch elitäre Prägung des Begriffes ist Linz noch keine "Kulturstadt". An den Schub und die Nachhaltigkeit, der aus der Sphäre der Kultur auf die Industrie wirksam werden könnte, wird noch nicht geglaubt. 3.4.2

Industrie unter der Wahrnehmungsschwelle

Die Distanz zwischen Kultur und Industrie liegt auch in der mangelnden Erlebbarkeit der einen für Nahestehende der jeweils anderen Sphäre. So wird die Industriestadt Linz für Menschen, die keinen persönlichen Bezug zu einem der Großbetriebe haben - sei es über ein Beschäftigungsverhältnis oder eine unmittelbare räumliche Nähe - kaum mehr erlebbar. Die Bedeutung der voestalpine AG für Linz ist allen befragten ExpertInnen und PassantInnen auf der Straße klar, die Wahrnehmung erfolgt aber vielfach nur mehr über die Medien oder "im Vorbeifahren". Die für alle LinzerInnen spürbaren Begleiterscheinungen des Lebens in einer Industriestadt, der Staub oder der Geruch, sind mit den Investitionen zur Verringerung schädlicher Emissionen verschwunden.38

34

vgl. Czempirek 1999

35

vgl. Ritter/Donke 1999

36

vgl. Sandgruber 1999 und Interview mit Kannonier 2007

37

vgl. Göschel 2006, S. 238

38

vgl. Interview mit Kannonier 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

29

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

Für Reinhard Kannonier sind es daher auch zwei Faktoren, welche die Erlebbarkeit der Industrie für die breite Linzer Bevölkerung verringern: die hohen Umweltstandards und die steigenden ästhetischen Ansprüche bei der Industriearchitektur. Beispiele dafür finden sich in der voestalpine AG ebenso wie bei der Firma KEBA in Urfahr, deren Existenz als Industriebetrieb nicht zuletzt durch die gelungene Architektur selbst AnwohnerInnen kaum bewusst ist.39 Wer sich allerdings in den ArbeiterInnenvierteln der Stadt umsieht, im Franckviertel (das nach einem Fabrikanten des 19. Jahrhunderts benannt ist), am Bindermichl oder im Spallerhof, für die bzw. den wird auch die Industriestadt Linz abseits der Werkanlagen sichtbar. Nach wie vor leben in den zu Beginn der 1940er-Jahren von den Nazis erbauten und in den letzten Jahrzehnten sanierten gemeinnützigen Wohnanlagen vorwiegend ArbeiterInnen. Die Industrie- und Kulturstadt Linz zeigt sich am Bindermichl an der renovierten Fassadenmalerei aus den 1960er-Jahren mit von Industriearbeit inspirierten Motiven oder im regen Pfarrleben der Pfarre St. Michael - deren Kirche im übrigen als erster moderner Kirchenbau der Nachkriegszeit in Linz (eingeweiht 1957) als Beispiel besonders gelungener Sakralarchitektur ein Kulturdenkmal ist.40

Abb. 1: Stadtteil Bindermichl: Arbeiterkunst an Hausfassaden, Kulturdenkmal Pfarrkirche St. Michael

Für die Kulturproduktion im Sinne eines engeren Kulturbegriffes spielt die Industrie ebenfalls eine geringere Rolle. Kannonier verweist in diesem Zusammenhang auf das zurückgehende Interesse an den mit der industriellen Massenproduktion eng verbundenen sozialen Themen im Bereich Kunst und Kultur. An die Stelle der Industrie sieht er die Technologie gerückt. Diese ist nicht mehr ortsgebunden wie die Industrie.41 Technologie ist im Linzer Kulturbetrieb allerdings ein zentrales Thema: Mit dem Ars Electronica Festival hat Linz eine Veranstaltung mit globalem Renommee. Aber obwohl die Ars Electronica international bekannt ist und ein großes mediales Echo erzeugt, bietet sie für die LinzerInnen kaum mehr Identifikationspunkte als ein unbestimmtes Gefühl von internationaler Bedeutung. JedeR kennt sie, man ist über ihren Ruf informiert, eine persönliche Betroffenheit schafft sie jedoch nur für eine eng gesteckte Zielgruppe.42

39

vgl. ebd.

40

vgl. Wabro 2004

41

vgl. Interview mit Kannonier 2007

42

vgl. Flashinterviews 2007, Interview mit Kannonier 2007

30

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

3.4.3

Vermittlung zwischen Sphären: Probleme und Chancen

Mit der Einrichtung der Hochschule für künstlerische und industrielle Gestaltung 1973 setzten Stadt und Land gemeinsam mit der voestalpine AG ein starkes Zeichen für die wechselseitige Bedeutung von Industrie und Kultur.43 Die Vermittlung zwischen diesen beiden Sphären ist dennoch eine schwierige Angelegenheit. Kannonier nennt in diesem Zusammenhang drei verschiedene Stufen der Beziehungsintensität: Die einfachste, aber kaum als solche qualitativ wirksame Beziehung ist Sponsoring. Industriebetriebe geben Geld, um in den Publikumsströmen und dem medialen Echo rund um Veranstaltungen präsent zu sein. Nur wenig komplexer sind Versuche der Aneignung von Ikonen bzw. die Verwendung einer (Zeichen-)Sprache aus dem Kulturbereich für den eigenen Imagegewinn. Kann die Beziehung aber auf eine strukturelle Ebene gehoben werden, besteht für beide - für Kulturschaffende wie für die Industrie - die Möglichkeit, die Potenziale zu wecken und Neues zu schaffen. Österreich sieht Kannonier auf diesem Gebiet noch sehr rückständig und nennt als einziges funktionierendes Beispiel die Firma Zumtobel. Dort werden jungen Kreativen Ressourcen zur Verfügung gestellt, damit sie sich unbekümmert entfalten können. Und obwohl ein überwiegender Teil der Ergebnisse dieser "Spielereien" für Zumtobel unbrauchbar ist, profitiert die Firma dennoch von ihrem offenen Zugang zu Kreativität im allgemeinen und von dem einen - wertvollen - Prozent der Ergebnisse der kreativen Zelle im besonderen.44 Insbesondere von der Kunst kann die Industrie den Umgang mit Kreativität, mit Neuem lernen - ein Potenzial, das trotz seiner Unkalkulierbarkeit nicht ungenutzt bleiben sollte. In Sinne einer Bekanntschaft mit Neuem sieht auch Helmuth Gsöllpointner, ehemaliger Rektor der Kunstuniversität Linz und Initiator der Veranstaltungen "Forum Stahl", "Forum Metall" und "Forum Design", eine der Aufgaben des Ars Electronica für LinzerInnen: "Vom AEC erwarte ich mir aber eine Trichterfunktion, die dadurch erfüllt wird, dass möglichst viele Besucher von überall angezogen werden und hineinströmen, um wie im Prater in einem Kuriositätenkabinett zu staunen, was es nicht alles gibt".45

Mehr ist von der Beziehung der Bevölkerung zur Ars Electronica in absehbarer Zeit auch nicht zu erwarten. Denn wie bereits weiter oben erwähnt beschränkt sich die Rezeption durch die LinzerInnen derzeit hauptsächlich auf die Wahrnehmung, dass hier eine für die Stadt wichtige Sache stattfindet. Gelingt diese Trichterfunktion, ist das wiederum eine Menge. Denn um die Ars Electronica herum würde sich damit etwas bilden, worauf wohl ein Großteil der LinzerInnen in irgendeiner Form stolz ist ein kurzer Moment eines "Wir"-Gefühls. Auf die Problematik eines städtischen "Wir"-Gefühls als Outcome einer gesteuerten Bemühung um eine kollektive kulturelle Identität soll im Folgenden eingegangen werden.

43

vgl. Mayrhofer/Katzinger 1990. S. 362

44

vgl. Interview mit Kannonier 2007

45

Gsöllpointner 1999

Industrial Culture - Cultural Industries

31

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

3.5

Eine neue Identität für Linz

Für den Kultur- und Stadtforscher Albrecht Göschel stellt die "Europäische Stadt" die Utopie einer Synthese von Universalismus und Identität dar:46 "Diese Synthese von empathiebegründeter Identität in der örtlichen und regionalen Kultur - den cultures - mit vernunftbegründeter Universalität - der Culture - sei der Kern, sei die große, emanzipatorische Utopie der europäischen Stadt."

3.5.1

47

Die Summe ist mehr als die einzelnen Teile

Die Kennzeichen und die Qualität von Urbanität sind damit auch das Nebeneinander und die lose Vernetzung von vielen kleinen und kleinsten Teilidentitäten zu einem gemeinsamen Ganzen.48 Ein Beispiel für diese Teilidentitäten sind Stadtteilkulturen. Diese entwickeln sich um historische, bauliche und organisatorische Kristallisationskerne.49 So ist Linz vielleicht weniger eine Stadt der LinzerInnen sondern der Menschen vom Römerberg, vom Bindermichl oder aus Sankt Magdalena. Linz ist eine Stadt der MigrantInnen im Neustadtviertel, der ArbeiterInnen im Frankviertel, der Jugend an der Donaulände oder des bürgerlichen Mittelstandes am Froschberg. Es ist eine Kulturstadt mit Zentren wie Stadtwerkstatt, Stifterhaus oder Kunstuniversität und eine Industriestadt mit den dazugehörigen Werkanlagen, Wohnvierteln und Betriebssportvereinen. Eine wahre "Europäische Kulturhauptstadt" im Sinne von Göschels Begriff "Culture" wird Linz, wenn diese einzelnen Teilidentitäten unter der Universalität einer gemeinsamen Kultur stehen können. Diese ist aber mit dem Image einer Industrie- und Kulturstadt nicht adäquat beschreibbar. Vielmehr muss es ein tolerantes, die Verschiedenheit bejahendes, interessiertes, ausgewogenes Nebeneinander und eine Bereitschaft zum Miteinander geben. Hier sieht der Linzer Soziologie Ingo Mörth auch die Probleme im Linzer Kulturhauptstadt-Bestreben. Es vernachlässigt diese Teilidentitäten und konzentriert sich auf die City-Kultur, die weniger für die BewohnerInnen der Stadt als für PassantInnen an den Einkaufsstraßen oder eine internationale Kulturöffentlichkeit konzipiert ist. Mörth rät daher auch zu einer Förderung der Stadtteilkulturen und deren Vernetzungs- und Begegnungsmöglichkeiten.50 Damit schlägt er in eine ähnliche Kerbe wie Kannonier, der das Potenzial einer lebendigen, authentischen Kulturstadt (in Linz kann das nur die Form einer Industrie- und Kulturstadt annehmen) "[…] in der Herausarbeitung von lokalen und regionalen Besonderheiten", in einer "[…] Rückbesinnung auf eigene Traditionen und Voraussetzungen für kulturelles Handeln, deren Analyse und Einbettung in ein größeres Umfeld, schließlich eine[r] Bestandsaufnahme, woraus sich dann eine 'Dramaturgie des Ortes’ entwickeln lässt" sieht.51

46

vgl. Göschel 2004, S. 162

47

vgl. ebd., S. 161

48

vgl. Interview mit Kannonier 2007

49

vgl. Mörth 1999

50

vgl. ebd.

51

vgl. Kannonier 1999

32

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

3.5.2

Dramaturgie vor Ort

Mit dem zunehmenden Wettbewerb um Wirtschaftsstandorte, um die besten Köpfe und angesichts sinkender Populationen im Wettbewerb um BewohnerInnen bemühen sich Städte immer mehr um die Planung und Steuerung nicht nur ihres kulturellen Images sondern auch ihrer kulturellen Identität. Letztere soll garantieren, dass den Versprechungen des attraktiven Images auch eine messbare Realität in der Stadt entspricht.52 Ziel ist die Generierung einer Stadt zum Wohlfühlen, die entsprechend der modernen Seins-Ökonomie53 von ihren Stakeholdern wie ein Produkt genutzt wird. Die beiden Hürden, die Göschel in diesem Zusammenhang nennt, werden auch in Bezug auf Linz wirksam. Zum einen bedeutet die Konzentration auf einen Standort ein Abziehen der Ressourcen von anderen. In Linz bedeutet die von vielen ExpertInnen festgestellte Konzentration auf die City-Kultur eine Vernachlässigung weniger attraktiver Stadtteile und Randlagen (generalisiert kann dies nicht werden, da ja auch die Solarcity Pichling einiges an stadtplanerischer Aufmerksamkeit erhält, allerdings aus ähnlichen Motiven, nämlich der Entwicklung einer "Modellsiedlung"). Zum anderen werden die Bemühungen um ein gemeinsames "Wir"-Gefühl, also einer kollektiven Identität einer Stadt, der zunehmenden Differenzierung und Pluralisierung moderner Stadtgesellschaften nicht gerecht.54 Sozial Schwächere oder Subkulturen werden von diesem wolkigen "Wir"-Gefühl einer "Feel Good City" ausgeklammert - ein Fehler, der einer sozialdemokratisch geprägten Stadt der ArbeiterInnen nicht passieren darf. In diesem Sinne ist das Bewusstsein der Stadtverwaltung für Linz als Kultur- und Industriestadt ein immens wichtiges. Es muss sich auch in einer Förderung und Vernetzung der Stadtteile mit ihren kleinen und kleinsten Teilidentitäten ausdrücken.

3.6

Kulturelle Positionierung von Linz

In den letzten Jahren wurden in Linz vielfach Kulturschwerpunkte gesetzt und realisiert. Durch Veranstaltungen, wie zum Beispiel dem Ars Electronica Festival konnte sich Linz auch international positionieren. Vor allem durch die Verbindung der Elemente Kunst, Technologie, Wirtschaft und Wissenschaft schaffte es Linz, sich zukunftsweisend zu präsentieren.55 Ein weiterer Aspekt ist bei der Planung auch die Nähe zur Bevölkerung. Kunst und Kultur wird in Linz nicht als so genannte Hochkulturszene gesehen wie sie zum Beispiel in Salzburg stattfindet.56

52

vgl. Göschel 2006, S. 238 f.

53

Schulze 1992 zit. in Göschel 2006, S. 239

54

Göschel 2006, S. 240

55

vgl. Janko 1999

56

vgl. Interview mit Fechter-Richtinger 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

33

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

Ein wesentlicher Impuls für die Zukunft wird und ist bereits die Planung für die Europäische Kulturhauptstadt 2009 (Linz09). Die Linzer Kulturpolitikerin Regina Fechter-Richtinger bezeichnete im Interview das Linz09-Büro als einen wesentlichen Impuls im Linzer Kulturbereich. Die Intendanz unter der künstlerischen Leitung des Schweizers Martin Heller wurde Mitte 2006 mit der Planung des Programms beauftragt. 3.6.1

Kulturelle Schwerpunkte

Der Kulturentwicklungsplan der Stadt Linz wurde ab 1997 als Orientierung und Diskursgrundlage für die nächsten zehn bis fünfzehn Jahre erarbeitet. Dabei liegt der Schwerpunkt für Linz insbesondere auf der Vereinigung von Kunst, Kultur und öffentlichem Raum.57 Demokratische Kulturentwicklung und Stadtentwicklung bedeuten Öffnung und Einbindung von Kunst, Kultur, Initiative und KünstlerInnen in öffentliche Prozesse:58 "Die Stadt Linz bekennt sich als Kulturstadt für alle und zu kulturpolitischen Schwerpunktsetzungen in den Bereichen Technologie und Neue Medien, Offene Räume und Freie Szene.

59

Aus den geführten ExpertInnengesprächen geht hervor, dass sich das Kulturangebot vor allem auf den Bereich Neue Medien konzentriert. Kannonier hebt hierbei die gesellschaftskritische Auseinandersetzung mit den neuen Medien hervor, da dieser Bereich auch mit der wirtschaftlichen Stellung von Linz und der Ars Electronica korrespondiert. Als weiteren Schwerpunkt nennt er die Freie Szene, da aus dieser wichtige kreative Impulse für die Stadt kommen.60 Die Großveranstaltungen in Linz wie das Pflasterspektakel oder das Linzfest wurden in den Interviews als wichtige Kulturereignisse genannt. Diese Veranstaltungen zeichnen sich durch die Verbindung zur Bevölkerung aus, sie sind anders erlebbar für die Menschen. Fechter-Richtinger beschreibt die Nähe der LinzerInnen zum Pflasterspektakel folgendermaßen: "Dadurch das es nicht im abgeschlossenen Raum sondern im öffentlichen Raum stattfindet, ist es ihr Fest."61

57

vgl. Interview mit Kannonier 2007

58

Janko 1999

59

Magistrat der Stadt Linz 2004, S. 9

60

vgl. Interview mit Kannonier 2007

61

Interview mit Fechter-Richtinger 2007

34

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

Auch die Linzer Klangwolke erfüllt die Bedingung, für die Bevölkerung erlebbar zu sein. Tausende Menschen können ein Konzert miterleben, welches normalerweise in einem abgeschlossenen Raum stattfinden würde.62 Wobei Kannonier zum Beispiel die Weiterführung der Klangwolke in Frage stellt, da der Höhepunkt bereits erreicht wurde. Die Klangwolke war für ihn nur als Grundstein gedacht: "Die Klangwolke hat an Qualität verloren, aber es sind immer noch 100.000 Leute dort, aber es war eigentlich nicht der Sinn der Sache. Der Sinn der Sache war, dass man versucht, sukzessive mit solchen Aktionen einen höheren ästhetischen Anspruch zu stellen und die Leute daran zu gewöhnen, dass sie eine Freude daran haben."

63

Das Linzer Brucknerhaus kann mit dem Gebotenen, z. B. Veranstaltungsreihen zu einem Komponisten, zwar internationale Ansprüche erfüllen, ist aber im Vergleich mit anderen Städten nicht herausragend.64 Kannonier sieht im Hinblick auf das Brucknerhaus geschichtlich auch Parallelen zur Ars Electronica. Menschen und hunderte JournalistInnen aus aller Welt kommen nach Linz, um dem Ars Electronica Festival beizuwohnen. Die Bevölkerung von Linz weiß zwar nichts über diese Veranstaltung, jedoch könnte, wie beim Brucknerhaus, Schritt für Schritt eine allgemeine Akzeptanz aufgebaut werden.65 3.6.2

Wahrnehmung von Linz als Industrie- und Kulturstadt

In mehreren Interviews wurde nachgefragt, inwieweit Linz als Industrie- bzw. als Kulturstadt wahrgenommen wird. Für den Linzer ÖVP-Gemeinderat Markus Spannring präsentiert sich die Stadt Linz heute zweifelsfrei als moderne Industriestadt. Seiner Meinung nach ist es der Landeshauptstadt gelungen, durch Umweltschutz- und Sanierungsmaßnahmen das frühere negative Image (u. a. es stinkt, die Stadt ist hässlich oder die Menschen leiden unter den hohen Emissionsbelastungen) abzulegen. Linz ist heute ein bedeutender Wirtschaftsstandort mit sehr hohen Unweltstandards, wodurch die Deklaration als Industriestadt sicherlich angemessen erscheint.66 Auch der freischaffende Künstler Werner Puntigam schließt sich der Meinung Spannrings an: Obwohl Puntigam keinen direkten Einblick in die Thematik genießt, glaubt er (primär Medienberichten zufolge), dass die Bezeichnung als Industriestadt sicherlich zutreffend ist. Seiner Meinung nach werden in den verschiedensten Linzer Industriebetrieben und Unternehmen vor allem sehr qualitätsvolle Produkte erzeugt, wodurch die Bezeichnung als Industriestadt sicherlich ihre Berechtigung erfährt. Nicht hoch genug zu bewerten sind nach Puntigams Aussagen vor allem der radikale Wandel in der Umweltpolitik und die diesbezüglich äußerst positiven Veränderungen.67

62

Ritter/Donke 1999

63

vgl. Interview mit Kannonier 2007

64

vgl. Prieler 1999

65

vgl. Interview mit Kannonier 2007

66

vgl. Interview mit Spannring 2007

67

vgl. Interview mit Puntigam 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

35

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

Der als Programmierer in der VAI beschäftige Heinz Rath betont hauptsächlich den Einfluss der angesiedelten Großbetriebe. Konzerne wie etwa die voestalpine AG prägten vornehmlich die Entwicklung hin zur Industriestadt. Diese treten seines Erachtens im Erscheinungsbild auch vornehmlich national und international nach außen hervor.68 Christoph Harrer, beruflich als freischaffender Künstler tätig, sieht die Bezeichnung als Industriestadt für Linz voll und ganz zutreffend. Unzählige internationale Unternehmen haben sich in der Stadt angesiedelt und prägen dementsprechend das Stadtbild nachhaltig. Vielmehr noch etabliert sich seiner Meinung nach die Stadt zunehmend als Zentrum der Technologie. Für ihn ist vor allem das Ars Electronica Center die erste logische Konsequenz daraus.69 Die Befragungen, ob und inwieweit Linz als Kulturstadt fungiert bzw. bezeichnet werden kann, führten hingegen zu unterschiedlichen Wahrnehmungen und Resultaten. Harrer kann primär der Deklaration als Kulturstadt nicht vorbehaltlos zustimmen. Seines Erachtens ist zwar gerade in jüngster Vergangenheit viel im Kunst- und Kulturbereich geschehen, aber er vermisst trotz eines vorliegenden Kulturentwicklungsplans ein wirklich ganzheitliches und nachhaltiges Konzept. Bedenklich findet er es vor allem, dass die heimischen Kunstschaffenden viel zu wenig miteinbezogen werden. Die Identifikation mit der eigenen Kultur müsste nach Harrers Aussagen aber am Beginn der Entwicklung stehen. Sie bildet die Basis und fungiert in Folge als tragende Säule im Entstehungsprozess.70 Puntigam ergänzt Harrers Aussagen: er hat stets die kulturelle Entwicklung in Linz beobachtet und findet, dass in Linz sicherlich viel entstanden ist (er nennt hierzu etwa Einrichtungen wie den Posthof oder das Theater Phönix). Die derzeitige Situation beschreibt er hingegen als weniger euphorisch. Projekte werden teilweise künstlich medial hochgepusht ohne dabei eine wesentliche künstlerische Qualität und Basis aufzuweisen. Künstlerisch problematisch findet er etwa so manches Projekt der Ars Electronica. Oftmals wird ein verfälschtes und simples Bild in Bezug auf die wahren KünstlerInnenleistungen dargestellt (der virtuelle Dirigent, als Beispiel, spiegelt in keinster Weise die wirklichen Leistungen eines Dirigenten). Auch die Subventionslage für KünstlerInnen verschlechtert sich zunehmend. Laut Puntigam sind auch viele andere KünstlerInnen der Meinung, dass derzeit im Voraus gespart wird, um somit Geldmittel für das Kulturhauptstadtjahr 2009 anzuhäufen. Nicht zuletzt ergeben sich für ihn im Vergleich von bestimmten, im Kulturentwicklungsplan festgeschriebenen Punkten mit den aktuellen Subventionen Zweifel an der Wahrnehmung und Ernsthaftigkeit dieses Planes.71 Die Bezeichnung als Kulturstadt findet Heinz Rath für Linz unzutreffend. Wenn alles so bleibt, dann ist für ihn Linz ein wenig zu verschlafen, um als Kulturstadt zu fungieren.72 Demgegenüber betont Gemeinderat Spannring, dass Linz einen guten Ruf als Kulturstadt genießt. Linz hat sich seines Erachtens schon seit geraumer Zeit in einem neuen Segment positioniert. Er bezeichnet Linz als progressive, fortschrittliche Kulturstadt, die sich gegenüber anderen Städten (etwa Wien oder Salzburg) durch ein differierendes Programm abhebt.73

68

vgl. Interview mit Rath 2007

69

vgl. Interview mit Harrer 2007

70

vgl. ebd.

71

vgl. Interview mit Puntigam 2007

72

vgl. Interview mit Rath 2007

73

vgl. Interview mit Spannring 2007

36

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

3.6.3

Linz09

Bereits im Kulturentwicklungsplan der Stadt Linz wird die Bewerbung für die Europäische Kulturhauptstadt angekündigt. Durch Artists-in-Residence-Programme und Zusammenarbeiten mit anderen Kulturhauptstädten sollte sich Linz international besser positionieren und Informationen zur Kulturhauptstadt beschaffen.74 Aus den ExpertInneninterviews geht hervor, dass vieles, was Linz09 betrifft, noch undurchsichtig ist. Die Intendanz unter der Leitung von Martin Heller hat grundsätzlich freie Hand bei der Auswahl der Projekte, welche jedoch noch nicht erfolgt ist.75 Das O.K Offenes Kulturhaus Oberösterreich realisiert für Linz09 drei Jahre hinweg Großprojekte, die Kunst mit öffentlichen Räumen verbinden. Im Jahr 2007 war dies "Schaurausch - Kunst im Schaufenster". Schaufenster in der Innenstadt wurden zu öffentlich zugänglichen Kunstobjekten. 2008 folgt der "Strom des Vergessens" - in den Stollensystemen von Linz wirken Museumsobjekte mit der Linzer Geschichte und KünstlerInnen zusammen. Im Kulturhauptstadtjahr folgt schließlich "Dem Himmel so nah" - KünstlerInnen arbeiten auf und mit den Dächern von Linz. Vor kurzem startete außerdem die Linz-Europa-Tour mit dem österreichischen Alpenrockmusiker Hubert von Goisern. Linz ist hierbei Start und Ziel einer Donaureise, die bis zum Kulturhauptstadtjahr 2009 dauern wird. Unter den Vorprojekten befindet sich auch das Projekt "art machines", welches sich mit der Entwicklung vom mechanischen zum elektronischen Zeitalter der letzten 50 Jahre beschäftigt. Eine Ausstellung zeigt Roboter, Skulpturen und moderne elektronische Installationen. Ein weiteres Projekt, dass ich mit der Identität von Linz beschäftigt ist der "Atlas Linz". Die Lebensqualität von Linz wird anhand von außergewöhnlichen Parametern gemessen. Es werden entweder einzelne Stadtteile untereinander oder unterschiedliche Städte verglichen. Beim Projekt "Industrial Culture - Cultural Industries" steht die Entwicklung von Linz als Industrie- und Kulturstadt mit Fokus auf die letzten 30 bis 40 Jahre im Mittelpunkt, wobei eine umfangreiche wissenschaftliche Arbeit als Grundlage für eine darauf folgende Ausstellung im Linzer Stadtmuseum Nordico dienen soll. Fechter-Richtinger betont im Interview insbesondere, dass auch in den äußeren Stadtteilen Linz09 greifbar und fühlbar sein sollte. Hier spielt für sie der Integrationsbereich eine Rolle, da dieser in der Kultur von Linz noch vernachlässigt würde. Für Fechter-Richtinger wäre der Wunsch für Linz09 allgemein eine Mischung aus einem Angebot für alle LinzerInnen und einem Programm, dass auch Gäste von außerhalb anzieht. Für einige der befragten freischaffenden Künstler lassen sich die Chancen, die sich durch die Ernennung zur Kulturhauptstadt ergeben könnten, derzeit noch nicht abschätzen. Puntigam und Hofbauer hoffen vor allem, dass keine ähnliche Situation wie in Graz eintritt, wo im Anschluss an das Kulturhauptstadtjahr infolge der Geldknappheit nur mehr geringe Subventionen an die lokale Kunstszene ausbezahlt werden konnten. Puntigam vermutet vor allem, dass in Linz sehr stark auf den Tourismus

74

vgl. Magistrat der Stadt Linz 2004, S. 11

75

vgl. Interview mit Fechter-Richtinger 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

37

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

geschielt wird. Dies bekräftigt auch Hofbauer, da für ihn in den ersten Diskussionsrunden zur Kulturhauptstadt nicht der Kunstbereich sondern der Fremdenverkehrsgedanke dominierte. Skeptisch steht der Ernennung zur Kulturhauptstadt vor allem Harrer gegenüber. Für ihn wäre es vernünftiger, die kulturbezogenen Geldmittel nicht konzentriert auf ein Jahr bezogen einzusetzen, sondern nachhaltig verteilt über viele Jahre hinweg. Des Weiteren hofft er, dass die Chance zur eigenen Identifikation wahrgenommen wird und vor allem nicht (dies bemerkt auch Hofbauer) auf die heimische Szene vergessen wird. ÖVP-Gemeinderat Spannring macht die Chancen für Linz in erster Linie vom Programm abhängig. Wird ein entsprechendes Programm entworfen, so profitiert Linz sicherlich durch die Aussicht auf internationale Bekanntheit und einer Imageverbesserung innerhalb der heimischen Bevölkerung.76 Mehrere der befragten Personen aus dem Industriebereich sehen durchwegs Chancen für Linz durch die Nominierung als Kulturhauptstadt 2009, obwohl diese festhalten, dass sich im Kulturbereich vermutlich nicht viel verändern wird. Eine Befragte rechnet generell mit mehr Veranstaltungen und Chancen, die sich durch den vermehrten Tourismus für die Stadt Linz ergeben. Ein Befragter aus dem Kulturbereich meinte zu dem Thema "Linz Europäische Kulturhauptstadt 2009", dass es der Stadt Linz sehr gelegen kommt und es eine Chance für die Stadt und den Kulturbereich ist. Er verweist auf die Verpflichtung für 2009, noch etwas in der Stadt zu verändern, der Bau des Lentos und des Theaters an der Blumau waren seiner Meinung nach ein erster Schritt in die richtige Richtung.77 Rainer Zendron, Vizerektor an der Kunstuniversität Linz, sieht vor allem in zwei Aspekten eine große Chance durch die Ernennung zur Kulturhauptstadt 2009 für den Kulturbereich und die BewohnerInnen von Linz. Zum einen ist es ein finanzieller Aspekt und zum anderen, dass durch das Projekt Kulturhauptstadt 2009 die Möglichkeit besteht, neue bzw. kulturferne Bevölkerungsschichten anzusprechen. Der finanzielle Aspekt äußert sich darin, dass viel Geld von der öffentlichen Hand aber auch von privatwirtschaftlicher Seite in Kunst und Kultur investiert wird. Zendron weist hierbei aber besonders auf das Problem der Nachhaltigkeit hin. Seiner Meinung nach hat man in Graz (Graz war 2003 Kulturhauptstadt) nicht nachhaltig agiert, es wurde in einem Jahr sehr viel in Kunst und Kultur investiert, nach diesem Jahr als europäische Kulturhauptstadt befand sich Graz jedoch in schweren finanziellen Schwierigkeiten. Er ist aber der Meinung, dass Linz bisher sehr nachhaltig agiert habe, aber dieses Problem nicht aus den Augen verlieren dürfe. Der zweite Aspekt betrifft die Linzer Bevölkerung. Wenn es Linz gelingt, ein Programm zu entwerfen, welches nicht nur TouristInnen anspricht, sondern auch die Linzer Bevölkerung, dann besteht die Möglichkeit, in diesem Jahr Bevölkerungsschichten anzusprechen, die sonst mit Kultur wenig konfrontiert sind. Zendron fasst dies folgendermaßen zusammen: "Man muss ganz spezifische, aber gleichermaßen hoch stehende kulturelle Projekte dort machen, wo die Leute leben und die Kunst und Kultur muss sich auch an die Lebenssituation von den Leuten andocken."

78

76

vgl. Interview mit Puntigam 2007, Interview mit Harrer 2007, Interview mit Hofbauer 2007, Interview mit Spannring 2007

77

vgl. Interview mit Nussbaumer 2007, Interview mit Hoheneder 2007, Interview mit Pichlbauer 2007, Anonymisiertes Interview 2007a

78

Interview mit Zendron 2007

38

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

3.6.4

Zusammenwirken von Industrie und Kultur

Aus den ExpertInnen-Interviews geht hervor, dass sich das Verhältnis zwischen Industrie und Kultur in den letzten Jahren vor allem auf Sponsoring beschränkt hat. Bis jetzt scheint auch die Rolle der Industrie für Linz09 noch nicht klar zu sein. Kannonier spricht das Spannungsverhältnis der Industrie gegenüber der Kultur an: "Es gibt ein sehr großes Misstrauen von Seiten der Industrie, insbesondere die größere Industrie hat sich noch nicht entschieden, in welcher Weise sie jetzt teilnimmt."79 Außerdem hebt er die Unterschiede in der Sprache zwischen den Sphären Industrie und Kultur hervor. Für Linz09 sieht er große Probleme in der Kommunikation, auch weil es für ihn wenige Menschen in der Industrie gibt, die ein Gespür für Kultur haben. Personen aus der Industrie planen Veranstaltungen wie das voestival, welches für ihn einen rein provinziellen Charakter hat. Andererseits kann die Industrie auch als Schauplatz genutzt werden. Hans-Karl Schaller, Betriebsratsvorsitzender der voestalpine AG, streicht den betrieblichen Aspekt der Kulturhauptstadt 2009 heraus. Er sehe in der Ernennung der Stadt Linz zur Kulturhauptstadt auch eine Chance für die voestalpine AG, da sich diese mit Kunstprojekten an der Kulturhauptstadt beteiligen wird.80 Gemeinderätin Fechter-Richtinger sieht die Kulturvermittlung als Chance auch die IndustriearbeiterInnen in den Prozess für Linz09 einzubinden. Dabei müsste diese Kulturvermittlung aber in den Betrieben stattfinden, damit ArbeiterInnen auch bei Linz09 etwas für sich entdecken und erleben können. Außerdem hebt sie eine geplante Ausstellung im Nordico hervor, die sich mit der Geschichte der voestalpine AG auseinandersetzen wird. Ein weiterer Berührungspunkt zwischen Industrie und Kultur ist für sie auch das bereits genannte voestival.81 Dieses wurde anfangs hauptsächlich für KundInnen veranstaltet, Restkarten waren für die MitarbeiterInnen vorgesehen.82 Kannonier berichtet im Gespräch des weiteren, dass die Eröffnung des BesucherInnenzentrums der voestalpine AG auf 2009 verschoben wurde, damit diese in das Kulturhauptstadtjahr fällt. Kultur kann aber wie bereits beschrieben als Standortfaktor betrachtet werden. Durch ein attraktives Kulturangebot können hoch qualifizierte MitarbeiterInnen leichter angeworben werden. Außerdem könnte die Abwanderung potentieller Spitzenkräfte eingedämmt werden.83 Kannonier dazu: "Ich glaube, dass in Zukunft für den Standort Europa - das klingt jetzt pathetisch aber ich meine das eigentlich ganz pragmatisch - im Globalisierungsprozess jene Standortfaktoren die früher weiche Standortfaktoren genannt wurden in Zukunft Bestandteil der harten Standortfaktoren sein werden."

79

Interview mit Kannonier 2007

80

vgl. Interview mit Schaller 2007

81

vgl. Interview mit Fechter-Richtinger 2007

82

vgl. Interview mit Hübinger 2007

83

vgl. Sandgruber 1999

84

Interview mit Kannonier 2007

84

Industrial Culture - Cultural Industries

39

Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

3.6.5

Perspektiven einer Industrie- und Kulturstadt

Das Image der Stadt Linz sollte die industrielle Vergangenheit, die Entwicklungen im Bereich neuer Technologien und den Wunsch zu einer offenen Gesellschaft vereinen. Dazu müssen vor allem Projekte realisiert werden, die sich mit der Stadtgeschichte und den typischen Arbeitswelten gesellschaftspolitisch und kulturpolitisch beschäftigen.85 In der Kunstszene werden jedoch Stimmen laut, dass mehrheitlich Projekte gefördert werden, die nicht unmittelbar mit Kunst in Verbindung stehen. Am Beginn war früher eine Idee oder ein Kunstwerk, heute hängen die Motive oft mit der Ankurbelung des Tourismus zusammen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Kunstschaffende auf Grund des Mehrwertes mehr Geld bekommen. Der Steyrer Schriftsteller Erich Hackl sieht etwa die Kluft in Kunst und Kultur nicht mehr zwischen Hoch- und Alternativkultur, sondern zwischen Planung bzw. Organisation und den KünstlerInnen.86 Auf lange Sicht hin gesehen könnte aber eine Kulturpolitik, die sich auf die Auseinandersetzung mit der Identität einlässt zum Aushängeschild für Linz werden. Im Hinblick auf Linz09 betont Kannonier ebenfalls die langfristigen Wirkungen für die Stadt: "Für mich ist 2009 nur dann interessant, wenn ich an 2015 denke - ist da noch was da? Und hat sich da was verbessert?"87 Der Linzer Kulturdirektor Siegbert Janko fasst die Zukunftsvision für Linz folgendermaßen zusammen: Am "Ende" dieses Prozesses steht die Vision, für die Kultur- und Industriestadt Linz eine Klammer zu finden, die künstlerisches Potenzial, vorhandene Tradition, industrielle Produktion und digitale Information zu einem Kunstwerk Stadt verbindet: "The Spirit of Linz".88

3.7

Ausblick

Beim Konzept für die Kulturhauptstadt 2009 setzt die Stadt Linz auf Nachhaltigkeit. Nicht 2009 ist zentral, sondern die darauf folgenden Jahre. Mit den Schwerpunkten im Kulturentwicklungsplan (Technologie und Neue Medien, Offene Räume und Freie Szene) richtet sich die Stadt ebenfalls an der Zukunft aus - und wird sich den damit verbundenen Problemen stellen müssen. Die Ortlosigkeit der Technologie und der kritische Umgang mit Neuen Medien ist schon in der Gegenwart ein bedeutendes Thema: Die allzeitige Verfügbarkeit von Information wirft Fragen nach dem Gläsernen Menschen auf, welcher der Konsumwelt ebenso schutzlos ausgeliefert ist wie der Terrorbekämpfung. Gleichzeitig hinterlässt der Zugang zu Information einen signifikanten Anteil der Bevölkerung in einem spanischen Dorf zurück - sie sind "Opfer" des sogenannten Digital Divides.

85

vgl. Prieler 1999

86

vgl. Wippersberg 1999

87

Interview mit Kannonier 2007

88

vgl. Janko 1999

40

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 3. Industrie und Kultur - Identität und Image einer Stadt

Der Umgang mit öffentlichen Räumen ist in einer Zeit der Privatisierung und Ökonomisierung von großer Aktualität. Diese Räume sind ebenso virtuell wie materiell und bieten Menschen Raum für Erholung und Kreativität. Und nicht zuletzt findet die Freie Szene Berücksichtigung. Sie war immer schon eine subversive Zelle, widerständig und alles andere als einem kollektivem Versinken in Selbstgefälligkeit zuträglich. Ihre Förderung durch finanzielle Mittel und Freiräume bedeutet auch für Linz, es sich nicht bequem machen zu können. Gleichzeitig ist auch für Linz der "Standortfaktor Kultur" relevant. Im globalen Wettbewerb um die besten Köpfe muss den Menschen ein attraktives Umfeld geboten werden. Linz tut gut daran, sich dabei seiner Geschichte ebenso zu besinnen, wie sich als Summe vieler kleiner Teile zu verstehen, die es zu fördern und zu vernetzen gilt. Nur so kann es vermeiden, einer künstlich generierten, kulturellen Waren-Identität aufzusitzen, die vom Spektakel lebt und nicht vom Diskurs.

Industrial Culture - Cultural Industries

41

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch Vera Fahrnberger , Werner Höretzeder, Julia Huber, Bettina Pokorny, Daniela Ther

4.1

4.1.1

Die Arbeitswelt im Umbruch

Der Arbeitsmarkt im Wandel

4.1.1.1 Atypisierung der Beschäftigungsverhältnisse Eine zentrale Dimension des Wandels des Arbeitsmarktes respektive der Beschäftigungsverhältnisse stellt die Erosion des "Normalarbeitszeitverhältnisses" dar, welches im Wesentlichen als eine unselbstständige, dauerhafte Vollzeitbeschäftigung mit geregelter Normalarbeitszeit beschrieben werden kann. Ein kontinuierliches Entgelt und Bestandschutzgarantien sind zudem weitere kennzeichnende Kriterien dieses Beschäftigungstypus.89 Im Zeitraum von 1945 bis etwa 1980 ging die überwiegende Mehrheit der Erwerbstätigen einem Normalarbeitsverhältnis nach, doch in den letzten Jahrzehnten kam es zu einer weit reichenden Flexibilisierung des Arbeitsmarktes sowie innerbetrieblicher Organisationsstrukturen. Ein massiver Anstieg so genannter "atypischer" Beschäftigungsverhältnisse wie etwa Teilzeit, Telearbeit, Freie DienstnehmerInnen, WerkvertragsnehmerInnen ist dadurch bedingt. Zudem hat sich auch eine neue Gruppe von Selbstständigen herausgebildet, auch AlleindienstleisterInnen genannt. Dieser Beschäftigungstypus erfasst alle gewerblichen Tätigkeiten, für welche kein Gewerbeschein erforderlich ist wie z. B. AutorInnen und DolmetscherInnen.90 Im Unterschied zur "alten" Selbstständigkeit bewegen sich AlleindienstleisterInnen in Berufsfeldern mit einem niedrigen Regulationsgrad. Demzufolge sind - trotz vergleichbarem Ausbildungsniveau - Einkommen und soziale Sicherheit geringer.91 In der zukünftigen Arbeitswelt werden derartige Beschäftigungsformen das Normalarbeitsverhältnis zwar nicht völlig ersetzen, doch wird ein proportional stärkerer Anstieg der atypischen Beschäftigungsverhältnisse prognostiziert. Im Kern bedeutet dies nichts anders als eine wachsende Prekarisierung der Arbeitszeitverhältnisse. Das Wesen der Arbeitswelt wird demnach zunehmend von einer Vielfalt nebeneinander bestehender Arbeitsformen geprägt werden, wodurch es im weiteren Verlauf zu einer steigenden Ungleichverteilung der Arbeit kommen wird.92 Der Arbeitsmarkt wird immer stärker

89

vgl. Mokre 2002, S. 2

90

vgl. SFG - Steirische Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH o. J.

91

vgl. Schiffbänker/Mayerhofer 2003, S. 19 f.

92

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 68 f.

42

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

durch das "Winner-Takes-All"-Prinzip reguliert, wonach einige Wenige den gesamten Gewinn einstreichen während die große Anzahl der VerliererInnen leer ausgeht.93 In Anbetracht der skizzierten tief greifenden arbeitweltlichen Veränderungen soll im Weiteren geklärt werden, welche subjektive sowie auch soziale Relevanz der Erwerbsarbeit vor dem Einsetzen des Wandels beigemessen wurde und welche Transformationsprozesse seither eingesetzt haben. 4.1.1.2 Bedeutung der Erwerbsarbeit Die Erwerbsarbeit besitzt eine grundlegende normative Ausstrahlungskraft, welche sich zunächst daran ermessen lässt, dass sie die materielle Existenzgrundlage bildet und zunächst die ökonomische Integration ermöglicht. Darüber hinaus dient Beschäftigung jedoch auch als Mittel zum Zweck, um Motive und Bedürfnisse in Handlungsfeldern außerhalb der Arbeitswelt wie z. B. der Familie und der Freizeit verfolgen bzw. befriedigen zu können. Neben der Erwirtschaftung des Lebensunterhalts sowie der Gewährung soziokultureller Teilhabechancen erfüllt Beschäftigung auch noch eine dritte wesentliche Funktion indem sie identitätsstiftend wirkt. Erwerbsarbeit galt, in Anbetracht dessen was sie zu leisten vermag, über geraume Zeit hinweg als "Mittelpunkt der subjektiven Lebenswirklichkeiten"94. Seit den 1980er-Jahren wird in der Lebensstilforschung jedoch immer wieder die Grundannahme getroffen, dass die soziale Positionierung des Individuums immer weniger durch die Stellung in der Arbeitwelt bedingt ist. Diese These stützt sich auf die Entwicklungen der verkürzten Wochen- und Jahresarbeitszeit sowie der verringerten, in der Arbeitswelt verbrachten Lebenszeit - welche weitgehend aus dem enormen Zuwachs atypischer Beschäftigungsverhältnisse resultieren. Demzufolge würde die Identitätsstiftung zunehmend in Handlungsfeldern außerhalb von Büro und Betrieb erfolgen, wie etwa in diversen Vereinen oder Bereichen der Massenkultur. Diese bilden nicht nur neuartige soziale Identitäten sondern auch Vergemeinschaftungsformen aus, welchen der bzw. die Einzelne zunehmend an Bedeutung beimisst.95 Das Resultat dieser veränderten Relevanz von Erwerbsarbeit kann durchaus als Dilemma bezeichnet werden. Die Erwerbsarbeit hat zwar quantitativ an Umfang eingebüßt und die Freizeit ist folglich deutlich gestiegen, doch muss der individuelle Aufwand oftmals intensiviert werden. Um den eigenen Arbeitsplatz auf Dauer zu sichern, muss eine höhere Arbeitsbelastung in Kauf genommen werden, auch laufende Weiterbildung bis hin zu "lebenslangem Lernen" werden angesichts der steigenden Erwerbsrisiken zu einer Notwendigkeit. Demnach wird Erwerbsarbeit insgesamt immer wichtiger, die Relevanz, welche ihr subjektiv beigemessen wird, sinkt jedoch, da Identität und soziale Positionierung zunehmend in anderen nicht-marktlichen Handlungsfeldern generiert werden.96

93

vgl. Sennett 1998, S. 159

94

vgl. ebd., S. 3

95

vgl. Kraemer/Speidel o. J., S. 2 f.

96

vgl. ebd.

Industrial Culture - Cultural Industries

43

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

4.1.1.3 Der veränderte arbeitsweltliche Integrationsmodus Was aus dem oben erläuterten Dilemma zudem hervorgeht, ist eine Transformation des arbeitsweltlichen Integrationsmodus. Die stetige Ausweitung von Flexibilisierung und Selbstorganisation in Verbindung mit wachsenden Prekarisierungsängsten und sozialen Verunsicherungen lassen den arbeitsweltlichen Integrationsmodus verblassen, welcher bislang allen Erwerbstätigen ein bestimmtes Maß an Stabilität, Sicherheit und Teilhabechancen zubilligte. An dessen Stelle schiebt sich sukzessive ein Modus, der Integration durch die implizite Drohung des Arbeitsplatzverlustes erzwingt und von der Maxime geleitet wird, dass jede, selbst schlecht bezahlte und sozial ungeschützte Arbeit, die kein individuelles Auskommen ermöglicht, besser ist als überhaupt keine Arbeit.97 Richard Sennett (1998) kommt in diesem Zusammenhang zu einem ähnlichen Schluss, wobei er das Eingehen von Risiken hervorhebt, welches für einen Großteil der Menschen zu einer "täglichen Notwendigkeit" geworden sei. Insbesondere die Instabilität flexibler Organisationen selbst sei es, welche die Erwerbstätigen dazu zwinge, immer wieder neue Risiken einzugehen.98 Risiko wird im Allgemeinen jedoch nicht so sehr als viel versprechende Chance wahrgenommen, sondern vielmehr als ein "sich in Gefahr begeben" wahrgenommen.99 Der Arbeitsmarkt respektive die Unternehmen glorifizieren das tägliche Eingehen neuer Risiken, geleitet von einem dynamischen Gesellschaftsideal, welches Stillstand als den Tod bezeichnet. Demnach, so meint Sennett, lassen sich die Menschen - getrieben von der Furcht des Nichts tun - auf immer neue Risiken ein.100 Daraus kann auch eine steigende Fluktuation zwischen den Betrieben bzw. am Arbeitsmarkt abgeleitet werden. Während in der Vergangenheit Arbeitsplatzsicherheit und Unternehmensbindung wesentliche Faktoren waren, welche die Menschen an ihrem Arbeitsplatz hielten, haben die veränderten Bedingungen der Arbeitswelt auch dazu geführt, dass das Versäumen eines Wechsels als ein Zeichen des Misserfolgs interpretiert wird. Antriebskraft ist zumeist jedoch nicht eine finanzielle Besserstellung, zumal Einkommensgewinne im Zuge eines Arbeitsplatzwechsels immer seltener werden. Im Vordergrund steht vielmehr der Akt des Aufbruchs selbst, denn wer nicht in Bewegung bleibt, ist draußen.101 Um sich also einen Platz in der Arbeitswelt mit existenzsichernden Einkommenschancen zu sichern bedarf es fortwährender Qualifikation um die aktuellen Anforderungen der Unternehmen zu erfüllen. Nicht selten müssen die Kosten für diese Bildungsinvestitionen von den ArbeitnehmerInnen selbst getragen werden. Konzepte wie "Lebenslanges Lernen" werden zunehmend propagiert. 4.1.2

Arbeitsmarkt der Industriebranche

Die beschriebenen arbeitsweltlichen Entwicklungstendenzen und Veränderungsprozesse nehmen Bezug auf den Arbeitsmarkt als Gesamtes. Die im Zuge der vorliegenden Arbeit durchgeführte Diskurs-

97

vgl. Kraemer/Speidel o. J., S. 16 ff.

98

vgl. Sennett 1998, S. 105

99

vgl. ebd., S. 107

100

vgl. ebd., S. 109

101

vgl. ebd., S. 115

44

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

analyse der Zeitschrift "Die Wahrheit"102 belegt, dass auch die traditionelle, einst weitgehend verstaatlichte Industriebranche von diesem Wandel erfasst wurde. So etwa wird in einem Artikel der Ausgabe 12/1999 konstatiert, dass die Industriebeschäftigten seit einigen Jahren mit ständigen Umbrüchen und fortwährenden Organisationsänderungen seitens der Unternehmen sowie der Branchen konfrontiert werden. Die Strukturen am Arbeitsmarkt sowie die innerbetrieblichen Arbeitsbedingungen verlieren an Stabilität. Ein Entwicklungstrend - so der Standpunkt - dem der/die einzelne ArbeitnehmerIn nur wenig abgewinnen kann. Die Strukturen werden zunehmend instabil. Arbeitsabläufe werden zunehmend anonymisiert und ständige Umstrukturierungen - Fusionen und Betriebsschließungen mit eingeschlossen - schüren Ängste um den Arbeitsplatz. Schließlich leistet auch die "kalte Shareholder-Philosophie" ihren Betrag zur Verbreitung einer dauerhaften Verunsicherung unter den Beschäftigten. Daher sei es nur nachvollziehbar und logisch, dass Begeisterung und Freude an der Arbeit stetig schwinden. Individuelle Arbeitsleistung und Arbeitsplatzsicherheit werden zunehmend entkoppelt, und der eigene Arbeitseinsatz letztlich als "sinnlos" wahrgenommen. Demzufolge sei Geld der letztlich verbleibende Ansporn, um in der Freizeit seine "'echten’ Bedürfnisse" zu befriedigen.103 Bereits einige Jahre zuvor wurde vor der Verschlechterung der sozialen Verhältnisse in Mittel- und Westeuropa gewarnt. Die als "Amerikanisierung" bezeichnete "Verschärfung der Gegensätze zwischen arm und reich" sei das Ergebnis einer verschärften Arbeitsmarktsituation sowie einer "Deregulierung zugunsten des ungezügelten Kapitalismus". Gefordert wird demnach die Anerkennung des Diskussionsbedarfs betreffend die Frage, wie Arbeit und Einkommen gerecht verteilt werden können um somit der steigenden Armut entgegenzuwirken. Widerstand, so wird konstatiert, kommt jedoch von Seiten der Wirtschaft. Anstelle von "Solidaritätsmaßnahmen" wird eine weitere Flexibilisierung des Arbeitsmarktes im Sinne einer Ausdehnung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit als notwendig erachtet und die Streichung gewerkschaftlich errungener Sozialleistungen und "Nulllohnrunden" gefordert - alles zum Wohle der Wettbewerbsfähigkeit der heimischen Wirtschaft.104 Den jüngst immer öfter wiederholten Warnungen in "Die Wahrheit" zufolge konnte die Wirtschaft ihre Anliegen bis dato zu weiten Teilen durchsetzen. Die herrschenden Arbeits(markt)bedingungen würden die Errungenschaften der Gewerkschaften zunehmend bedrohen. Das Aufkommen der Neuen Selbständigen, der Mehrfachbeschäftigung sowie der Erosion des Normalarbeitszeitverhältnisses führe dazu, dass sozialpartnerschaftliche Bestimmungen betreffend ArbeitnehmerInnen-Mitbestimmung, Kündigungsschutz und sozialer Sicherungssysteme zunehmend unterlaufen werden.105 Sennett spricht in diesem Zusammenhang von einem Regimewechsel, welcher insbesondere in Produktionsbetrieben sichtbar wird. Im alten System der Routinezeit waren Arbeitsstellen klar definiert und der Charakter der Angestellten fand Ausdruck in ehrlicher Arbeit, Solidarität zu den ArbeitskollegInnen sowie einem Zugehörigkeitsgefühl zu derselben Gemeinde. Im neuen, flexiblen Regime ist der

102

"Die Wahrheit" ist die monatlich erscheinende Zeitung des ArbeiterInnenbetriebsrats der voestalpine AG am Standort Linz, Öberösterreich.

103

vgl. Die Wahrheit Nr. 12/1999, S. 12 und S. 14

104

vgl. Die Wahrheit Nr. 12/1996, S. 2, und Die Wahrheit Nr. 03/1997, S. 2

105

vgl. Die Wahrheit Nr. 01/2006, S. 12

Industrial Culture - Cultural Industries

45

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Arbeitstag geprägt von einem Kommen und Gehen der ArbeiterInnen. Die Nachtschicht wird bzw. ist bereits abgelöst von einem diffizilen Netz von Teilzeitarbeit. Dabei wird nicht mehr nur in flexiblen Arbeitszeitmodellen gearbeitet sondern zunehmend nach Bedarf.106 Zwar wird an späterer Stelle noch genauer auf die Flexibilisierung im Industriebereich eingegangen, doch haben einen derartigen Wechsel des Systems auch die Beschäftigten des voestalpine-Konzerns in den letzten Jahren zu verspüren bekommen, etwa in Form des steigenden Einsatzes überlassener Arbeitskräfte, also LeiharbeiterInnen. Diese Form des Arbeitskrafteinsatzes erlaubt eine weitgehend perfektionierte Optimierung zwischen Arbeitsangebot und -bedarf und ermöglicht es den Unternehmen die Realisierung des Prinzips "Arbeit auf Abruf" zu realisieren.107 Betreffend die steigende Fluktuation am Arbeitsmarkt, so gilt auch für den Industriebereich, dass eine Stelle auf Lebenszeit - zumindest unter den jüngeren ArbeitnehmerInnen - nicht mehr als erstrebenswert erachtet wird. Sowohl der Wechsel des Arbeitsplatzes zwischen Betrieben als auch hinsichtlich der beruflichen Tätigkeit an sich werden von Industriebeschäftigten als zeitgemäß angesehen. Die Möglichkeiten, sich in seiner Arbeitsstelle respektive seinem Beruf zu verändern, erschließen sich dabei aus den Weiterbildungen, welche zu einer notwendigen Anforderung geworden sind.108 Dabei geraten ältere ArbeitnehmerInnen zunehmend unter Druck, denn Jugend wird mit Flexibilität und damit verbundener laufender Adaptierung der Fähigkeiten, Alter hingegen mit Erstarrung gleichgesetzt.109 Zudem scheinen junge Angestellte für die Unternehmen formbarer zu sein - sowohl hinsichtlich dem Eingehen von Risiko als auch hinsichtlich des Gehorsams. Bevor sie innerhalb der Organisation gegen Strukturen anzukämpfen, entscheiden sie sich für den Weg des Arbeitsplatzwechsels. Derartige Einstellungen auf Arbeitgeberseite senden für die älteren ArbeitnehmerInnen jedoch auch eine persönliche Botschaft aus: "Während sich die Erfahrung in ihnen ansammelt, verliert sie zugleich an Wert."110 Die Verleihung beruflicher Rechte und Position erfolgt im flexiblen Regime nicht mehr über die Anerkennung der im Laufe der Zeit angesammelten Kenntnisse. Lebenserfahrung wird zunehmend negiert, was zählt, sind unmittelbare Fähigkeiten. Diese Verblassung eines allgemeinen "Senioritätsprinzips" wird zusätzlich dadurch forciert, als dass komplexe Kenntnisse etwa im technischen Bereich nicht länger additiv sind. Demnach kann nicht mehr auf derselben Basis weiter aufgebaut werden, sondern es bedarf eines ganz neuen Ansatzes um ein Feld zu entwickeln. Dafür werden natürlich junge, also flexible ArbeitnehmerInnen bevorzugt eingesetzt.111 Gegen einen derartigen Bedeutungsverlust von Erfahrungswerten wehren sich die ArbeitnehmerInnenvertreterInnen der Industriebeschäftigten immer deutlicher. In der voestalpine AG gibt es einen

106

vgl. Sennett 1998, S. 85 f.

107

vgl. Die Wahrheit Nr. 09/2001, S. 9 und Die Wahrheit Nr. 12/2002, S. 6

108

vgl. Anonymisierte Interviews 2007e-h

109

vgl. Sennett 1998, S. 124

110

vgl. ebd., S. 125

111

vgl. ebd., S. 126 ff.

46

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

hohen Anteil an älteren ArbeitnehmerInnen. Ein Umstand der sowohl auf die "restriktive[r] Personalpolitik" sowie die allgemeine Überalterung der Gesellschaft zurückgeführt wird. Vor etwa zwei Jahren entstand in "Die Wahrheit" die Rubrik "Alt und Gut". In jeder Ausgabe werden seither über die arbeitsweltlichen Bedürfnisse älterer ArbeitnehmerInnen, deren Fähigkeiten sowie Probleme und Chancen am gegenwärtigen und künftigen Arbeitsmarkt berichtet. Dabei wird unterstrichen, dass es sich um ein Vorurteil handle, dass ältere ArbeitnehmerInnen dem Unternehmen im Allgemeinen weniger bringen als jüngere KollegInnen. Angesichts der demographischen Entwicklung sei ohnehin ein Umdenken notwendig. Es bedarf Maßnahmen der Förderung einer längeren Erwerbstätigkeit, denn die älteren ArbeitnehmerInnen (45+) werden künftig das größte Arbeitkraftpotenzial darstellen. Insbesondere eine adäquate Vorbereitung dieser Gruppe von Beschäftigten auf den Wandel des Arbeitsmarktes, so z. B. durch lebenslanges Lernen und bedarfsgerechte Fortbildungsmaßnahmen wird in diesem Zusammenhang genannt, wobei der konkrete Handlungsbedarf bei den Unternehmen und der Politik verortet wird.112 Aus der Sicht der befragten KünstlerInnen mangelt es im Industriebereich insbesondere an Möglichkeiten, sich selbst zu verwirklichen. Allerdings, so wird argumentiert, könnten Qualitäten wie Arbeitsplatzsicherheit für die IndustriearbeiterInnen selbst von so hoher Wertigkeit sein, dass die Arbeit durchaus Zufriedenheit stiftet. Als problematisch und belastend für die Industriebeschäftigten wird vor allem die Schichtarbeit erachtet.113 Die Befragten aus der Industriebranche selbst messen ihren Arbeitsstellen auch nur wenig Potenzial zur Selbstverwirklichung im Sinne von Kreativität bei. Lediglich ein interviewter Metaller meinte, dass die Selbstverwirklichung in seinem Bereich bis zu einem gewissen Grad möglich ist, da er gelegentlich auf Montage fährt. Dies bringe Abwechslung in seinen Arbeitsalltag und biete Möglichkeiten sich selbst weiterzuentwickeln.114 4.1.3

Arbeitsmarkt im Kunst- und Kulturbereich

Pierre Bourdieu (1999) zählt das künstlerische Feld zu den "unsicheren Orte[n] des sozialen Raumes”115. Ausgehend von dieser Betrachtungsweise, versucht sich Messner an dessen genauerer Beschreibung: "Es stellt nur vage Positionen bereit, legt wenig fest, ist an wenige Voraussetzungen gebunden und bietet gleichzeitig ungewisse und schwankende Zukunftsaussichten. Eine umfassende Definition für Künstlerinnen und Künstler, einen gemeinsamen Nenner, ein klar abgestecktes Berufsbild zu finden, ist schwierig. Weder gibt es eine Standesvertretung wie bei anderen freien Berufen, noch ist die Berufsbezeichnung an bestimmte Ausbildungswege oder der Betriebsablauf an geregelte Arbeitszeiten geknüpft."

116

112

vgl. Die Wahrheit Nr. 04/2006, S. 9, Die Wahrheit Nr. 03/2007, S. 6 und Die Wahrheit Nr. 05/2006, S. 10

113

vgl. Anonymisierte Interviews 2007a-d

114

vgl. Anonymisierte Interviews 2007e-h

115

Bourdieu 1999, S. 358

116

Messner 2002, S. 1

Industrial Culture - Cultural Industries

47

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Eine Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang jedoch der institutionalisierte Kunst- und Kulturbereich dar. Zwar ist Zahl der Normalarbeitszeitverhältnisse auch in diesem Arbeitsmarktsegment rückläufig, doch findet man im Umfeld von Theater, Oper und anderen Kultureinrichtungen noch weitgehend normierte Arbeitsverhältnisse.117 Im Allgemeinen zeichnet sich die Organisation von Arbeit im Kunst- und Kulturbereich jedoch durch hohe Selbstständigen- und Teilzeitraten sowie diskontinuierliche Erwerbsverläufe und so genannte "Patchwork- Karrieren" aus. Projektarbeit, geringfügige, befristete oder mehrfache Beschäftigungsverhältnisse werden gleichzeitig oder abwechselnd ausgeübt. Eine ergebnisorientierte Entlohnungsstruktur und die Vergütung nach Marktwerten bedingt in weiterer Folge oft eine ungewisse und unzureichende soziale und/oder existenzielle Absicherung. Unregelmäßige und niedrige Einkommen dominieren bei gleichzeitig hohem Qualifikationsniveau, was hohe Investitionen in Ausbildung und Erfahrung bedeutet.118 Der Arbeitsmarkt stellt demnach zwei zentrale Anforderungen an die KünstlerInnen - berufliche Mobilität und die Bereitschaft zur Weiter- und Besserqualifizierung in Form von formalisierten Bildungsabschlüssen sowie laufenden Weiterbildungsmaßnahmen.119 Je nach Datenquelle, bewegt sich die AkademikerInnenquote im Kunst- und Kulturfeld zwischen 30 und 40 Prozent. Die Angabenschwankungen ergeben sich dabei aus der schlechten Datenlage, vorrangig bedingt durch die Strukturen der KünstlerInnenarbeitsmärkte sowie einer fehlenden einheitlichen Definition des Kunstfeldes. Der Anteil an AkademikerInnen unter allen Erwerbspersonen liegt laut Mikrozensus 2001 bei vergleichsweise sehr niedrigen 7 Prozent.120 Auch die interviewten KünstlerInnen verfügen über einen hohen Ausbildungsstand. So haben alle einen Maturabschluss und sind - oft nach einer gewissen Orientierungsphase - an einer der Linzer Kunsthochschulen, Kunst- oder Bruckneruniversität, ausgebildet worden. JedeR der Befragten sah sich dabei in einer bestimmten Phase seines bzw. ihres Lebens damit konfrontiert, sich letztlich zwischen einem traditionellen "Brotberuf" oder jenem des Künstlers bzw. der Künstlerin und der damit verbundenen Erwerbsrisiken zu entscheiden.121 Nur ein sehr geringer Anteil von 2 Prozent der AbsolventInnen künstlerischer Universitäten bringt es tatsächlich zu einer erfolgreichen Karriere im Kunstfeld. Als zentrales Kriterium zur Messung des beruflichen Gelingens wird dabei die Anzahl der Ausstellungen in Museen, Galerien, auf Kunstfestivals etc. herangezogen. Inwieweit die einzelnen KünstlerInnen die Chance bekommen, ihre Arbeiten zu präsentieren, hängt wesentlich davon ab, ob sie über gute Netzwerkkontakte verfügen um sich Aufträge und Karrierechancen zu sichern.122 Die notwenige Propaganda läuft nämlich zum Großteil über interne Kanäle, d. h. über Empfehlungen durch GaleristInnen, KuratorInnen oder andere Personen,

117

vgl. Schiffbänker/Mayrhofer 2003, S. 25

118

vgl. ebd., S. 17 f.

119

vgl. Haak/Schmid 1999, S. 32

120

vgl. Schiffbänker/Mayerhofer 2003, S. 35

121

vgl. Anonymisierte Interviews 2007a-d

122

vgl. Schiffbänker/Mayrhofer 2003, S. 23

48

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

welche die künstlerische Öffentlichkeit repräsentieren.123 Demnach ist es für Kunstschaffende nur sehr schwierig aufzusteigen, doch auch wenn einmal der Anstoß des herrschenden "Schneeballprinzips" erfolgt ist, so ist die Position der Künstlerinnen keineswegs gesichert. Das errungene symbolische Kapital kann jederzeit wieder aberkannt werden, wenn sich Nachfrage und Bedingungen am Markt ändern.124 Fragt man Industriebeschäftigte, wie sie die Arbeitsbedingungen im Kunst- und Kulturbereich sehen, so werden diese als grundsätzlich schwierig und problematisch eingestuft. Die eigenverantwortliche Auftragsbeschaffung sowie die daran geknüpften Organisationsaufwendungen - angefangen beim Material über Räumlichkeiten bis hin zu Kontakten und Ausstellungsmöglichkeiten - bergen viele Gefahren des Scheiterns in sich. Insbesondere selbstständige KünstlerInnen würden ein enormes finanzielles Risiko eingehen, da ein hoher und teurer Materialeinsatz bei Ausbleiben der Nachfrage und Aufträge die Existenzsicherung massiv bedrohe. Demnach meinte einer der interviewten männlichen Industriebeschäftigten, dass es sinnvoll sei, eine Mischung aus geregelter Arbeit und künstlerischem Tätigsein einzugehen. Da für ihn handwerkliches Geschick eine Voraussetzung für das KünstlerInnentum darstellt, könne dieses auch gut in anderen Bereichen des Arbeitsmarktes eingebracht und verwertet werden. Zudem sei es schwierig, Menschen dafür zu begeistern, das Geld für Kunst anstelle von diversen Luxusartikeln auszugeben.125 Gemeinsamkeiten zwischen ihren Arbeitsverhältnissen und jenen von KünstlerInnen sehen sie außerdem keine. Vielmehr sind für sie wesentliche Unterschiede erkennbar wie zum Beispiel die Möglichkeit der Kunstschaffenden, sich ihre Zeit selbst frei einzuteilen. Außerdem gäbe es, dadurch dass die Arbeit vermehrt zuhause stattfindet, keine klare Trennung zwischen Arbeit und Freizeit, welche im Bereich der Industriebeschäftigung sehr wohl vorhanden sei.126 Was die Sozialstruktur der Erwerbstätigen im Kunst- und Kulturbereich im Hinblick auf das "Geschlecht der Arbeit" betrifft, so kann von einem gewissen "degendering of work" gesprochen werden. Es können hier nicht dieselben traditionellen Muster des existenzsichernden, familienernährenden lebenslangen Vollzeitbeschäftigten als männliche Norm, und die zuverdienende, fluktuierende Teilzeitbeschäftigte als weibliche Norm beobachtet werden. Die zu konstatierende starke soziale Differenzierung innerhalb der Kulturberufe bezieht sich auf Frauen und Männer gleichermaßen.127 Zudem gilt es noch die fehlende Tradition gewerkschaftlicher Vertretung als Spezifikum der Arbeitsmarktstrukturen im Kunst- und Kulturbereich zu nennen, welches diese zugleich wesentlich vom Industriebereich unterscheidet. Das Fehlen einer gewerkschaftlich institutionalisierten Standesvertretung werde insbesondere dadurch bedingt, als dass die Beschäftigungsformen stark von "Normalarbeitsplätzen" abweichen und viele Kunst- und Kulturschaffende nicht in das Schema der zu vertreten-

123

vgl. Messner 2002

124

vgl. Bourdieu 1999, S. 343

125

vgl. Anonymisierte Interviews 2007e-h

126

vgl. ebd.

127

vgl. Gottschall/Betzelt 2003, S. 213 und S. 220

Industrial Culture - Cultural Industries

49

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

den ArbeitnehmerInnen der Gewerkschaften passen. Demnach werden sie einfach ausgegrenzt. Dies steht allerdings auch in Zusammenhang mit einem grundlegenden Problem der Verwaltung und diverser Institutionen, alles einzuordnen und katalogisieren zu müssen. Ist keine Zuordnung zu einem der Schemata möglich, fällt man gänzlich aus diesem System heraus. Während Definitionen und Normierungen in Institution aller Art von besonderer Bedeutung sind, erweisen sie sich im Kunst- und Kulturbereich aufgrund der großen Vielfalt vielfach als problematisch.128 Folgt man den Ausführungen in der KUPF-Zeitung129, so sind Arbeitsverhältnisse von KünstlerInnen von der Durchmischung von Arbeit und Freizeit und von einem ständigen Kampf ums Überleben geprägt. Häufig findet man hier Personen, die sich trotz Beschäftigung am Rande des Existenzminimums befinden. Ehrenamtliche Arbeit und Job-Hopping von einem Projekt zum nächsten, ohne zwischenzeitlich Anspruch auf Arbeitslosengeld zu haben, dominieren demnach im Kunst- und Kulturbereich. Vor allem die Darstellung der Arbeitssituationen von KünstlerInnen durch die Wirtschaft wird in der KUPF-Zeitung stark kritisiert. Dass die Eigenschaften der "zukünftigen ArbeitnehmerInnen" ("flexibel, eigenverantwortlich, innovativ") nur beworben würden, damit auf lange Sicht die Kosten im Wirtschaftsbereich gesenkt werden können, wird festgestellt. Diese Eigenschaften verheimlichen nämlich auch eine andere Seite, jene der Selbstausbeutung, der geringen sozialrechtlichen Absicherung und der ständigen Existenzängste. Gleichzeitig wird die politische Situation in Österreich sehr kritisch betrachtet. Besonders der Wechsel zu einer schwarz-blauen ÖVP-FPÖ-Regierung wurde häufig thematisiert - und das nicht im Positiven. Im November 2002 schreibt die KUPF-Zeitung: "Es ist ganz offensichtlich, dass das kulturpolitische Verständnis in den letzten zweieinhalb Jahren wieder zu einer Auffassung der 50er Jahre zurückgekehrt ist: Künstlerische Tätigkeiten sind Privat- und Freizeitvergnügungen, wenn einem 130

nichts Besseres einfällt."

Häufig wird die Frage nach der politischen Seite der Kunst diskutiert. Soll der Kunst- und Kulturbereich sich kritisch oder unreflektiert mit der Politik auseinandersetzen? Die Artikel in der KUPF-Zeitung befürworten größtenteils ein aktives "In die Politik gehen" des eigenen Bereichs. Kunst soll als wichtiges gesellschaftliches Element die Politik mitgestalten. Dazu wird auch die Frage nach Autonomie versus Abhängigkeit laut: Wie autonom sind KünstlerInnen in ihrer Arbeit tatsächlich? Nicht nur das Recht auf die KünstlerInnensozialversicherung ist mit der Anerkennung des KünstlerInnenstatus verbunden. Auch die gesellschaftliche und politische Anerkennung ist nötig, um von Förder- und SubventionsgeberInnen Geld für Projekte zu erhalten. Dementsprechend muss die künstlerische Arbeit bestimmte Kriterien erfüllen, die sich nicht immer mit den Vorstellungen der KünstlerInnen decken.

128

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 71

129

Die KUPF-Zeitung ist die Zeitschrift der Kulturplattform Oberösterreich, des Dachverbands der oberösterreichischen Kulturvereine. Sie erscheint mindestens fünfmal jährlich.

130

KUPF-Zeitung Nr. 99/5/02a

50

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

4.1.3.1 Kulturalisierung der Ökonomie In der arbeitsmarktpolitischen Diskussion ist der kulturelle Sektor aus zwei entscheidenden Gründen vermehrt ins Blickfeld gerückt. Zum einen ergaben sich durch neue Formen der Kunstproduktion und -distribution unter dem Motto "Creative Industries" wesentliche Veränderungen in der Entwicklung eines zusätzlichen Beschäftigungspotenzials und zum anderen besteht vermehrtes Interesse an der Qualität der Jobs.131 Betreffend die Qualität der Arbeit wird der Kunst- und Kulturbereich des Öfteren als "Versuchskaninchen für neue Arbeitsformen" betrachtet. Die Expertin der Arbeiterkammer Oberösterreich, Elfi Sonnberger, meint dazu etwa, dass der KünstlerInnenarbeitsmarkt ein "Trendsetter" für die generelle Entwicklung am Arbeitsmarkt ist. Atypische Beschäftigungsformen existieren in Kunst- und Kulturberufen schon lange, ebenso wie die Mehrfachbeschäftigung, welche oft aus Gründen der unzureichenden Existenzsicherung eingegangen wird.132 Armin Chodzinski (2002) findet für die Beschreibung der Qualität der Arbeit von KünstlerInnen entschieden radikalere Worte und bezeichnet sie als "die Avantgarde des Neoliberalismus". Als solche werden sie von flexiblen Arbeitszeiten, Ausbeutungs- und Selbstausbeutungsmodellen in ihrer gesamten Tragweite erfasst, wohingegen Betriebsvereinbarungen, Tarifverträge und Gewerkschaften derartige Ausuferungen in Unternehmenszusammenhängen noch verhindern können. Demzufolge endet die Identifikation mit dem künstlerischen Produkt in der Aufgabe der eigenen Person.133 Demnach wird das Bild des/der autonomen KünstlerIn für kapitalistische Zwecke benutzt. KünstlerInnen bringen traditionell ihre Seelen in die Arbeit ein und das ist genau die Qualifikation, die das moderne Management sucht, wenn neue Arbeitskräfte rekrutiert werden sollen. Das Unternehmertum, die selbständige Unabhängigkeit und die geheiligte Individualität von KünstlerInnen sind die Traumqualifikationen der ArbeitnehmerInnen von morgen: gewerkschaftlich nicht organisierte, bestens ausgebildete Individuen ohne Solidarität, die sich als TaglöhnerInnen verdingen.134 Monika Mokre (2002) sieht dies ähnlich und meint: "Die Kulturalisierung der Ökonomie profitiert davon, dass man Bilder aus dem Kultursektor nimmt, die sich dadurch auszeichnen, dass das symbolische Gehalt, das symbolische Kapital wenn man so will sehr viel größer ist als der materielle Gewinn, und man verkauft das den Leuten als etwas Positives: Man verdient nicht soviel, dafür ist euer Leben er135

füllter."

Diese Bilder seien deshalb so attraktiv, weil das Postulat der Selbstbestimmung deren Grundlage bildet. Man möchte nach seinen Vorstellungen leben, ohne sich irgendwo einzuordnen. Diese Selbst-

131

vgl. Schiffbänker/Mayrhofer 2003, S. 16

132

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 69 und Mokre 2002

133

vgl. Chodzinski 2002

134

vgl. Messner 2002

135

Mokre 2002

Industrial Culture - Cultural Industries

51

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

ständigkeit und Selbstermächtigung bedeutet jedoch auch, dass man für sein Scheitern selbst verantwortlich ist und die Gesellschaft dafür wenig bis keine Verantwortung trägt.136 4.1.3.2 Ökonomisierung der Kunst und Kultur Auf der anderen Seite gibt es jedoch auch die "Creative Industries", welchen die Vorstellung und Idee zugrunde liegt, dass die Kunst als Bestandteil der Ökonomie existieren kann.137 Der hier gewählte Begriff der "Creative Industries" geht dabei auf ein Wahlprogramm der britischen Labour Party in den 1990er-Jahren zurück. Im deutschsprachigen Raum werden in zahlreichen Studien und Berichten jedoch eher die Begriffe "Kultur-" bzw. Kreativwirtschaft" bevorzugt verwendet. Dabei muss jedoch angemerkt werden, dass der internationale Diskurs um die Ökonomisierung der Kunst und Kultur von einem hohen Maß an Heterogenität - etwa bedingt durch unterschiedlich empirische Zugänge aber auch ideologische Standpunkte - geprägt ist. Daraus ergibt sich eine ausufernde Vielfalt an Definitionen, Begrifflichkeiten und Konzeptionen, auf welche an dieser Stelle nicht näher eingegangen werden soll. Die wesentliche gemeinsame Grundlage stellt der Beschäftigungsanstieg bzw. das Beschäftigungspotenzial im Kunst- und Kulturfeld dar, wobei dieser Trend mittels unterschiedlichster Erklärungsstrategien erläutert wird.138 So etwa liegt für Dario Azzelini der Grund schlichtweg darin, dass zunehmend mehr Tätigkeiten das Etikett "Kunst" bzw. "Kultur" tragen. Seiner Ansicht nach begründe sich dies dadurch, dass man den Beschäftigten durch eine derartige Neueinordnung im beruflichen Tätigkeitsspektrum niedrigere Löhne bzw. Gehälter zahlen muss, weil es an gesetzlichen Tarifregelungen fehlt.139 Demnach deutet Azzelini die Zunahme der Beschäftigten im Kunst- und Kulturbereich als eine Parallelentwicklung zum Anstieg von flexiblen und unbeständigen Beschäftigungsformen.140 Messner steht diesem oft proklamierten, neuen Beschäftigungspotenzial in den "Creative Industries" ähnlich skeptisch gegenüber und deutet diesen Trend als Versuch seitens der Wirtschaft, immer mehr Leute - im Namen der Kunst - in die Selbstständigkeit zu bringen.141 Diese Forderung nach "Selbstunternehmertum” steht für sie in enger Verbindung mit den verschärften Forderungen, den Staat aus seiner Verantwortung als Geld- und Subventionsgeber zu entlassen und das Kunst- und Kulturfeld über privates Sponsoring zu finanzieren.142 Auch Elisabeth Mayerhofer konnotiert die Ökonomisierung der Kultur durchweg negativ und spricht in diesem Zusammenhang von einem diskursiven Shift von "KünstlerInnen" zu "kreativen UnternehmerInnen".143

136

vgl. ebd.

137

vgl. Azzelini 2002

138

vgl. Lechner/Philipp 2006, S. 8 f.

139

vgl. Azzelini 2002

140

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 70

141

vgl. Azzelini 2002

142

vgl. Messner 2002

143

vgl. dieStandard.at 2004

52

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Insgesamt gilt zu sagen, dass derartige Standpunkte durchaus von Befürchtungen zeugen, Kunst und Kultur würde zunehmend an Daseinsberechtigung verlieren, falls sie dem Kriterium der marktwirtschaftlichen Verwertung nicht gerecht wird. Trotz der durchaus berechtigten kritischen Haltung gegenüber der wachsenden "Creative Industries" respektive "Kreativwirtschaft" finden sich auch durchaus pragmatischere und grundsätzlich positivere Haltungen und Erläuterungen über dieses arbeitsmarktliche bzw. wirtschaftliche Phänomen, welches in Österreich erst im letzten Jahrzehnt an (gesellschafts-)politischer Relevanz gewinnen konnte. Begriffsbestimmende Dimensionen der Kreativwirtschaft bilden dabei Kreativität und Innovation, welche sich beide durch das Prinzip der Erneuerung auszeichnen, wenn auch auf unterschiedliche Weise. Unter Kreativität versteht man im Allgemeinen ein schöpferisches Handeln, welches "[…] Bekanntes in einen neuen Zusammenhang [stellt] oder den Bruch mit althergebrachten Denk- und Handlungsroutinen [vollzieht]." Innovation bezeichnet hingegen neuartige Kombinationen von Produktionsfaktoren, also eine Andersverwendung der eingesetzten Ressourcen. Kreativität ist demnach eine konstitutive Fähigkeit für die Entwicklung neuer Ideen und die Generierung von neuem Wissen. Betreffend den ökonomischen Verwertungsprozess am Markt bedarf es jedoch einer Umsetzung der kreativen Leistung in Form von Innovation.144 Darauf aufbauend wird etwa in der Studie "Kreativwirtschaft in der Stadtregion Linz der "komplexe[n] Gegenstand" der Kreativwirtschaft wie folgt definiert: "Unter Kreativwirtschaft werden jene Sektoren und Branchen an der Schnittstelle zwischen Kunst/Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft zusammengefasst, die an der Kreation, Produktion, Reproduktion und dem Austausch von Gütern oder Leistungen mit hohem symbolischen Wert beteiligt sind. Im Kernbereich handelt es sich dabei um jene Produktionsorte, die durch Kreativität und Innovation Prozesse auslösen, bei denen kulturelle Artefakte, komplexe Informations- und Wissensbestände bzw. geistiges Eigentum von zentraler Bedeutung sind."

145

Demnach umfasst Kreativwirtschaft die Bereiche Kunst, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft - im Konkreten etwa den Buch-, Literatur- und Pressemarkt, die Film-, Video-, die Fernseh- und Radiowirtschaft, sowie die Informations-, Kommunikations-, Multimedia- und Internetwirtschaft, das Kunsthandwerk, die Darstellende Kunst aber auch Forschung, Entwicklung, Bildung und Beratung.146 Der Bedeutungszuwachs der Kreativwirtschaft wird dabei als Ausdruck des strukturellen Wandlungsprozesses "von der industriellen zur 'post'-industriellen Wirtschaft" gedeutet. Dabei kommt ihr die wichtige Funktion zu, strukturelle Löcher zu schließen - das Ergebnis globaler Arbeitsteilung und der damit zusammenhängenden Produktionsverlagerung in Niedriglohnländer. Darüber hinaus, so wird fortgesetzt, erschließt die Kreativwirtschaft auch neue Wirtschaftssegmente, welche im Zuge veränderter

144

vgl. Lechner/Philipp 2006, S. 8

145

vgl. ebd., S. 9

146

vgl. ebd., S. 10

Industrial Culture - Cultural Industries

53

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

"Lebensstile, Arbeitswelten, Konsumgewohnheiten und Bildungserfordernisse an Bedeutung gewinnen." 147 Die "Ökonomisierung der Kultur" kann demnach auch als strukturelles Erfordernis und als Chance für die arbeitsweltliche Entwicklung gesehen werden. Kritische Stimmen formulieren allerdings die Forderung, das Bestehen eines Arbeits(markt)feldes im Kunst- und Kulturbereich zu sichern, in dem die erwerbswirtschaftliche Nutzung und Verwertung der Kreativität den Schöpfungsprozess nicht primär determinieren.

4.2

4.2.1

Flexibilisierung

Versuch einer Definition

Für die Begriffe flexibel, Flexibilität oder Flexibilisierung gibt es zahlreiche verschiedene Definitionen. Laut Brockhaus bezeichnet die Flexibilisierung der Arbeitszeit "[…] alle Maßnahmen, mit denen eine größere Flexibilität sowohl von Arbeits- wie auch Betriebszeiten erzielt werden soll. Damit soll ein System […] befähigt werden, auf gesamtwirtschaftliche Veränderungen […] im Sinne der angestrebten Unternehmensziele schnell, wirksam und kostengünstig reagieren zu können."

148

In der freien Enzyklopädie Wikipedia findet man folgende Definition: "Unter Flexibilisierung versteht man grundsätzlich die Auflösung vormals festgefügter Strukturen. Zum Ende des 20. Jahrhunderts wird der Begriff zunehmend zur Beschreibung von Veränderungsprozessen in Wirtschaft und Gesellschaft verwendet. Er stellt ein Schlagwort dar, das häufig im Zusammenhang mit Reformen genannt wird."

149

Auch auf andere Ansätze bezüglich Flexibilisierung wird in der Studie flexible@art hingewiesen, wie die Definition von Kast et al., die darunter einen "gesellschaftlichen Strukturwandel" verstehen, der das "sozialpsychologische Klima" beeinflusst. Flexibilisierung von Arbeitskräften wird auch mit Nomaden verglichen, die sich ständig neuen Herausforderungen stellen müssen. Das Mode-Schlagwort Flexibilisierung meinte in der Vergangenheit, dass die Arbeitsbedingungen zugunsten der Arbeitskräfte geändert werden. Diese Bedeutung hat sich gewandelt und meinte später die Anpassung der Arbeitskräfte an das Unternehmen. Beschäftigte sollen zeitlich und räumlich jederzeit verfügbar sein - Anpassung um jeden Preis. Heute bedeutet Flexibilität "die Veränderung von Lebendigkeit" und verlangt von den ArbeitnehmerInnen, Risiken und kurzfristige Änderungen ihrer Arbeits- und Lebenssituation auf sich zu nehmen. Da-

147

vgl. ebd., S. 19

148

Brockhaus-Enzyklopädie 1988, S. 376 f.

149

Freie Enzyklopädie Wikipedia o. J.c

54

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

durch gibt es die idealtypische berufliche Laufbahn immer seltener, die Struktur, der "rote Faden" in den Lebenswegen ist oft undeutlich.150 Flexibilisierung muss aber nicht negativ behaftet sein, bedeutet der Begriff doch auch eine Veränderung von vorhandenen Strukturen. Dadurch könnte eine rasche Anpassung und angemessene Reaktion auf eine Situation erfolgen. Die Verhandlungsmacht der AkteurInnen ist ausschlaggebend, ob sich Flexibilisierungsmaßnahmen negativ auf ArbeitgeberInnen oder ArbeitnehmerInnen auswirken.151 4.2.2

Atypische Beschäftigungsverhältnisse als Folge der Flexibilisierung am Arbeitsmarkt

Flexibilisierung und atypische Beschäftigung sind sehr eng aneinander gekoppelt. Beispiele für atypische Beschäftigungen sind "Zeit- und Leiharbeit, Scheinselbständigkeit, Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung und Vollerwerbsarbeit im Niedriglohnsektor sowie befristete Erwerbsarbeit auf Projektund Werkvertragsbasis"152 und die neuen Selbständigen. In Österreich befinden sich über eine Million Menschen in atypischen Beschäftigungsverhältnissen.153 Während Normalarbeitsverhältnisse seltener werden, nimmt die Atypische Beschäftigung im EURaum immer mehr zu. Es ist auch kein Ende dieses Trends in Aussicht. Die rechtliche und soziale Absicherung der atypischen Arbeitsverhältnisse ist dabei sehr unterschiedlich, ebenso wie die Einkommensmöglichkeiten. Die betroffenen Personen arbeiten teilweise freiwillig und teilweise mangels einer alternativen Beschäftigung in diesem Sektor.154 Atypische Beschäftigung ist teilweise gekennzeichnet von schlechter Bezahlung, geringer sozialer und rechtlicher Absicherung und flexibler Arbeitszeit. Bei den "Neuen Selbständigen" oder den "Freien DienstnehmerInnen" kann es vorkommen, dass sie Zeiten ohne Beschäftigungsmöglichkeit erleben. Auch der Durchschnitt der wöchentlichen Arbeitszeit in Österreich liegt weit unter dem Ausmaß einer Vollbeschäftigung. Flexibilisierung am Arbeitsplatz kann sich auf das soziale Umfeld einer Person auswirken. BeziehungspartnerInnen oder Kinderwunsch blockieren die Flexibilität und damit auch die Karrierechancen.155 4.2.3

Flexibilisierung im Kunst- und Kulturbereich

Im Kunst- und Kulturbereich tätige Personen sind häufig auf die Ausübung einer oder mehrerer Nebentätigkeiten angewiesen. Um ihre künstlerische Arbeit finanzieren zu können, müssen sie ihren Lebensunterhalt in einem anderen Beruf verdienen. Tätigkeiten im Kunst- und Kulturbereich werden politisch und auch gesellschaftlich gern als "individuelles Privatvergnügen" gesehen.156

150

vgl. Institut für Gesellschafts- und Soziapolitik 2006, S. 49 ff.

151

vgl. ebd., S. 51

152

Kraemer/Speidel o. J., S. 9

153

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 52

154

vgl. Schrattenecker 2002, S. 1

155

vgl. ebd.

156

vgl. Schiffbänker/Mayerhofer 2003, S. 21

Industrial Culture - Cultural Industries

55

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Alle in der vorliegenden interviewten Personen aus dem Kunst- und Kulturbereich befinden sich in einem oder mehreren flexiblen Arbeitsverhältnissen, die teils zur Existenzsicherung und teils der künstlerischen Tätigkeit dienen. Es entsteht der Eindruck, dass der Wandel zu mehr Flexibilität in der Arbeitswelt genau die Art von Arbeit fördert, die KünstlerInnen anspricht. Profitieren können die Befragten insofern, als sie im Bedarfsfall weniger Probleme haben einen Job zu finden, der mit der Lebenseinstellung zu freien und freiberuflichen Tätigkeiten korreliert.157 Künstlerische Tätigkeiten sind meist klassische Beispiele für atypische Beschäftigung. Schlechtes und unregelmäßiges Einkommen ist kombiniert mit ungenügender sozialer und rechtlicher Absicherung.158 Arbeit im Kunst- und Kulturbereich ist oft sehr zeitintensiv und verlangt flexible Anpassung. Die in diesem Bereich häufige Zweitbeschäftigung kann noch den Rest der kostbaren Freizeit kosten.159 Ein Grund warum unsere Befragten flexible Arbeitszeiten und -formen schätzen, ist die Möglichkeit sich dabei ihrer Kunst widmen zu können. Auch in den individuellen Werdegängen wurde vermehrt darauf hingewiesen, dass Personen, die fixe Dienstverhältnisse gehabt hatten, sich oft nach dem Sinn dieser Tätigkeiten gefragt haben.160 Ein Wandel der Arbeitswelt österreichischer KünstlerInnen wurde auch durch die KünstlerInnensozialversicherung eingeleitet, über die aber geteilte Meinung herrscht. Für freischaffende KünstlerInnen bringt sie einen Vorteil bei den Versicherungsabgaben. Die Befragten aus dem Kunst- und Kulturbereich kritisieren aber die Mindesteinkommensgrenze aus künstlerischer Tätigkeit von 3.500 Euro pro Jahr, um diese Versicherung in Anspruch nehmen zu können. Die KünstlerInnensozialversicherung ist außerdem mit Beschäftigungen mit einer Anstellung unvereinbar. Dabei handelt es sich aber um ein Problem, das nicht nur KünstlerInnen trifft, sondern jede Person, die mehreren Jobs in regulären Verhältnissen nachgeht. Dadurch entsteht ein organisatorischer Mehraufwand.161 Ein Befragter aus dem Schauspielerbereich meint dazu im Interview: "[…] Künstlersozialversicherung, die ja für Schauspieler besonders tricky ist, weil, das ist ja so, [...] eigentlich bist du als Schauspieler ja weisungsgebunden, das heißt, du müsstest eigentlich bei jeder Produktion angestellt werden. Gleichzeitig bist du aber Künstler und musst dich eigentlich dann ja, vor allem wenn du keine Produktion hast, musst du dich ja selber versichern. Also freischaffend, also selbständig quasi. Und dann kommst du natürlich in diese Bredouille, dass du ja eh selbständig eigentlich deine Sozialabgaben zahlst, müsstest dann aber von der Produktion wieder angestellt werden und kriegst eben nicht das Bruttogeld, sondern immer nur das Nettogeld, und für die Produktion ist es auch noch blöd, weil die halt die ganzen Lohnnebenkosten zahlen müssen. Also das ist total deppert, da muss man immer tricksen, das ist immer prekär, das ist immer eigentlich mit einem Fuß im Kriminal."

157

vgl. Anonymisierte Interviews 2007a-d

158

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 55

159

vgl. ebd., S. 71

160

vgl. Anonymisierte Interview 2007a-d

161

vgl. ebd.

162

vgl. Anonymisiertes Interview 2007d

162

56

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

4.2.3.1 Flexibilisierung der Arbeitswelt - Erkenntnisse aus der Analyse der "KUPF"-Zeitung In der KUPF-Zeitung wird das Thema Flexibilisierung im Allgemeinen eher selten erwähnt. Angrenzende Themenbereiche wurden in den letzten fünf Jahren vermehrt angesprochen. Es wird postuliert, dass "Die Zeit der Vollbeschäftigung [...] vorbei" ist. Heutzutage müssen ArbeitnehmerInnen "[...] flexibel sein, nach Bedarf einsetzbar, möglichst gut und bedarfsgerecht qualifiziert [sein]."163 Ein wesentliches Problem für KünstlerInnen ist eher, dass die für diesen Bereich typische Vermischung von Arbeit und Freizeit von der Wirtschaft als Idealbild des/der zukünftigen ArbeitnehmerIn propagiert wird. "Flexibilität, erhöhte Arbeitsbereitschaft bis zur Selbstausbeutung und großer Idealismus versus geringer Lohn sind gängige Modelle."164 Selbständige Beschäftigung wird von Seiten der Wirtschaft beworben mit Schlagworten wie "Freie Zeiteinteilung, selbstbestimmtes Arbeiten, eigener Auftraggeber" und ähnlichem. Da diese Beschreibung auf viele Arbeitssituationen im Kulturbereich zutrifft, wird dieser, der "dritte Sektor" als Vorbild herangezogen, wobei die negativen Seiten wie mangelnde Absicherung oder "flexibles" Einkommen nicht näher erwähnt werden.165 Die Belastungen, die sich durch Selbständige Beschäftigung ergeben, wie zum Beispiel geringes und unsicheres Einkommen, hohe Flexibilität und Mobilität, sowie die häufige Mehrfachbeschäftigung, um über die Runden zu kommen, werden verschwiegen. Der wirtschaftliche Sektor "entideologisiert" damit die Besonderheit von künstlerischer Beschäftigung. Die besonderen Risiken und Mühen, die KünstlerInnen auf sich nehmen, um ihre Arbeit zu tun, werden nach der KUPF-Zeitung in ihrem Wert reduziert. Der Begriff des Cultural Worker wird verwendet, um diese Lebensbedingungen zu umschreiben. Der typische Cultural Worker ist im Idealfall "multi-skilled, flexibel, psychisch stark im Nehmen, unabhängig, alleinstehend, ortsungebunden".166 Die Durchmischung von Arbeit und Freizeit ist in diesem Tätigkeitsbereich völlig normal. 4.2.4

Mehrfachbeschäftigung - Multijobs

In der Zeitschrift "Die Zukunft der Arbeit" findet sich folgende Frage: "Was ist besser: Man hat keine Arbeit und vegetiert am Existenzminimum dahin oder man hat zwei Arbeiten und vegetiert ebenfalls am Existenzminimum dahin?"167 Diese Frage betrifft heutzutage immer mehr Menschen, nicht nur Beschäftigte im Kunst- und Kulturbereich. Hier gipfelt es manchmal aber im Extremen, wie sich bei einem Interview zeigte: "[…] dann kommt da schon oft ein lustiger Mix heraus oder ein Patchwork. Also letzte Woche hatte ich einen Tag, an dem hatte ich 5 verschiedene Jobs. Das war dann eh ein 16 Stunden-Job."168

163

vgl. KUPF-Zeitung Nr. 85/1/2000

164

KUPF-Zeitung Nr. 100/1/2003

165

vgl. KUPF-Zeitung Nr. 99/5/2002b

166

KUPF-Zeitung Nr. 100/1/2003

167

Die Zukunft der Arbeit 2004, S. 8

168

Anonymisiertes Interview 2007a

Industrial Culture - Cultural Industries

57

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Diesen Trend zu Multijobs oder Mehrfachbeschäftigungen gibt es in Deutschland schon verbreiteter als in Österreich. Der allgemeine Wandel des Arbeitsmarktes bewegt sich weg von fixer Anstellung hin zu mehr freien Dienstverträgen, Teilzeitarbeit und Werkverträgen. In Zukunft werden sich Unternehmen vermehrt darauf einstellen müssen, "dass sie nicht der einzige Arbeitgeber ihrer Mitarbeiter" sind.169 Daraus ergibt sich eine wichtige Frage: Woran liegt es, dass viele Menschen nur mithilfe von mehreren Jobs ihre Existenz sichern können und andere mit einem Arbeitsplatz leben können? Ein grundsätzliches Problem der Arbeitsgesellschaft besteht darin, dass soziale Sicherheit an monetäre Arbeit gekoppelt ist. Ohne irgendeine Form der Erwerbsarbeit gibt es keine Absicherung. Dadurch sind viele Menschen dazu gezwungen, einer bezahlten Tätigkeit nachzugehen.170 Auch die Aufspaltung von Vollzeitstellen in Teilzeitstellen unterstützt den Trend zu Multijobs. Selbst wenn eine dauernde Vollzeiterwerbstätigkeit gewünscht wird, ist diese oft nicht leicht zu finden, zielen doch viele Stellenangebote auf Teilzeitkräfte ab: "Tun wir so weiter wie bisher, dann gibt es eine sehr kleine Schicht sehr gut Verdienender, die sehr viel Arbeit und sehr viel Geld haben, und eine sehr große Schicht immer schlechter Verdienender, sehr viele Menschen, die zwölf oder mehr Stunden am Tag in zwei oder drei schlecht bezahlten Jobs arbeiten müssen, um sich noch irgendwie durchbrin171

gen zu können."

Zusätzlich gibt es auch viele Personen, die eine eingeschränkte Erwerbstätigkeit suchen, entweder weil sie mehr Freizeit genießen wollen oder diese für andere Tätigkeiten nutzen, wie Betreuung oder ehrenamtliche Arbeit. Für KünstlerInnen ist hohe berufliche Flexibilität Voraussetzung für ihre Arbeit, aber "[...] Lebensplanung erfordert Sicherheiten, und wenn alles flexibel und befristet ist [...]"172, kann man nicht wissen, wie das Leben in einem Jahr sein wird. Will man sich im Kunst- und Kulturfeld einen Namen machen, gehört die Teilnahme an Festivals dazu. Auch hier ist wieder Flexibilität nötig, und die geregelten Nebenjobs, die das Überleben sichern sollen, passen da so gar nicht dazu.173 "Flexible Jobs ohne fixe Anstellung, wechselnde Brotjobs kombiniert mit Projektaufträgen, Werkverträge, geringfügige Beschäftigungen, schlechte Bezahlung für hochqualifizierte Arbeit - das sind typische Formen von Erwerbsarbeit im Kul174

turbereich."

Um das amerikanische Negativbeispiel, dass zahlreiche Menschen trotz mehrfacher Beschäftigung sozial nicht abgesichert sind und nicht von ihrem Einkommen leben können, zu verhindern, ist eine Neukonzipierung des Arbeitsmarktes nötig.175 Michael Kastner, Professor für Organisationspsychologie an der Universität Dortmund, beschreibt seine Zukunftsvision zum Thema Arbeit folgender maßen. Menschen bewegen sich ständig auf einem Kontinuum zwischen zwei Polen. An dem einen Ende wird

169

Wirtschaftskammern Österreichs 2007

170

vgl. Die Zukunft der Arbeit 2004, S. 9

171

ebd.

172

KUPF-Zeitung Nr. 107/3/2004

173

vgl. KUPF-Zeitung Nr. 102/3/2003

174

KUPF-Zeitung Nr. 109/5/2004

175

KUPF-Zeitung Nr. 99/5/2002c

58

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

keine Tätigkeit zum Gelderwerb ausgeführt, sondern ausschließlich Eigentätigkeiten wie Pflege, Haushalt oder Ehrenamt. Auf dem anderen Pol finden sich mehrere Tätigkeiten, die dem Gelderwerb dienen, auf einmal, also Multijobs. Würde dieses Kontinuum gesellschaftlich anerkannt und als normal gelten, würde soziale Stigmatisierung wegen "Arbeitslosigkeit völlig wegfallen, da es diese an sich ja nicht mehr gibt."176 4.2.5

Flexibilisierung im Industriebereich

Die Flexibilisierung der Arbeitszeiten hat eine Verlagerung der Regelungsaufgaben von der kollektiven zur betrieblichen Ebene bzw. zu den einzelnen Beschäftigten zur Folge. Kollektivverträge werden lediglich auf die Festlegung von Rahmenbedingungen reduziert, während konkrete Regelungen und deren exakte Ausgestaltung erst in Arbeitsteams oder am Arbeitsplatz erfolgen. Diese "Individualisierung des Arbeitszeitkonflikts" kann auch zunehmend im Industriebereich festgestellt werden und gestaltet sich vor dem Hintergrund der Arbeitsmarktkrise vor allem im Bereich von un- oder angelernten Tätigkeiten als Gratwanderung. Entsprechend ihrer konkreten (Verhandlungs-)Position im Betrieb gilt es für Beschäftigte abzuwägen, ob diese es sich leisten wollen und/oder können, für ihre Interessen aktiv einzutreten und etwa Mehrarbeit abzulehnen, selbst wenn gegenwärtig akute Personalknappheit in der Abteilung vorherrscht.177 Die in der vorliegenden Arbeit Befragten aus dem Industriebereich geben an, dass die Bereitschaft zur Flexibilität in ihrer Branche sehr wichtig ist. Schichtarbeit ist in diesem Bereich sehr verbreitet, zusätzlich weichen die Einkommenschancen von Personen, die innerhalb desselben Arbeitsgebietes tätig sind, stark voneinander ab. So verdient ein fix angestellter Arbeitnehmer in einem Klein- und Mittelbetrieb weit weniger als ein Leasingarbeiter, der aber muss örtlich flexibel sein und sich an die Anforderungen anpassen.178 Nur für eine der Befragten, die im Bürobereich arbeitet, ist die zeitliche Flexibilität kein so großes Problem. Ihre Woche erstreckt sich von Montag bis Freitag und sie hat grundsätzlich eine feste Arbeitszeit. Natürlich gibt es Ausnahmen wie Kundenbesuche im Ausland (örtliche Flexibilität), die oft länger dauern als die "normal" geregelte Arbeitszeit.179 Wie sich Flexibilisierungsnotwendigkeiten im Unternehmen niederschlagen, zeigt sich beim geführten Experteninterview mit Johann Linsmaier, der Arbeiterbetriebsrat in der voestalpine AG ist. Im Unternehmen wird das Schichtmodell beibehalten, um den Notwendigkeiten eines vollkontinuierlichen Produktionsprozesses gerecht zu werden. Bestrebungen zu einer gewissen Flexibilisierung sind auch hier zu erkennen. Dass diese oft von Betriebsseite initiiert werden, zeigt die Entwicklung der Schichtarbeit.180 Waren in der Vergangenheit nur das Modell der Zweierschicht (Früh-, Spätschicht) und Viererschicht (drei Tage Früh-, drei Tage Spät-, drei Tage Nachtschicht, drei Tage frei) relevant, kommt nun verstärkt die Fünferschicht zum Einsatz. Dabei arbeiten Beschäftigte jeweils zwei Tage Früh-, Spät-

176

Die Zukunft der Arbeit 2004, S. 10

177

vgl. Jürgens 2003, S. 41

178

vgl. Anonymisierte Interviews 2007e-h

179

vgl. Anonymisiertes Interview 2007f

180

vgl. Interview mit Linsmaier 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

59

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

und Nachtschicht und haben dann zweimal zwei Tage frei. In diesem Modell haben ArbeiterInnen eine Wochenarbeitszeit von 33,6 Stunden. Das bedingt einen Einkommensrückgang, wird aber durch die gewonnene Freizeit gerne in Kauf genommen.181 Der Vorteil dieser Fünfschichtvariante liegt aber nicht einseitig auf Seiten der ArbeitnehmerInnen, sondern vor allem auch auf Seiten des Betriebes, wird dadurch doch die Wahrscheinlichkeit bei Mehrarbeit Überstundenzuschläge leisten zu müssen, geringer. Zusätzlich kann im Bedarfsfall von Mehrarbeit immer auf zwei Schichten, statt bisher einer, zurückgriffen werden, die gerade Freizeit haben.182 Die so genannte "Normalarbeitszeit" im Sinne einer regelmäßig, werktags und tagsüber ausgeübten Vollzeittätigkeit ohne Varianz in der Lage gilt gegenwärtig bei weitem nicht mehr für die Mehrheit von Beschäftigten und wird immer mehr von anderen Arbeitszeitmodellen abgelöst. Die Forderung von Unternehmen nach einem flexiblen, an die Marktrhythmen angepassten Personaleinsatz kann auf wesentliche Änderungen in der Produktion zurückgeführt werden. Standardisierte Massenherstellung wurde allmählich durch einen kundenorientierten, just-in-time organisierten Produkt- und Dienstleistungsservice abgelöst. Variiert bei den traditionellen Formen flexibler Arbeitszeit vor allem die Lage der Arbeitszeit, sind die neuen Modelle durch eine stärkere und gleichzeitige Varianz in der Lage, der Dauer und Verteilung der Arbeitszeit gekennzeichnet. Somit kommt es zu einer abermaligen Flexibilisierung bereits flexibler Arbeitszeitmodelle wie der Schichtarbeit.183 Das Kernelement dieser neuen Instrumente der Flexibilisierung stellen Arbeitszeitkonten dar, mit Hilfe derer Betriebe die geleistete Mehrarbeit und etwaige Minusstunden verwalten. Im Gegensatz zu früheren Gleitzeitmodellen dienen die flexibilisierten Arbeitszeiten heute vorrangig der Anpassung an ökonomische Interessen der Betriebe. Je nach Saison oder Produktzyklen leisten die Beschäftigten oft mit kürzeren Ankündigungsfristen Mehrarbeit, welche dann in absatzschwächeren Phasen durch Freizeit ausgeglichen werden soll. Somit verliert der Tag bzw. die Woche vor dem Hintergrund der Entwicklung von Langzeit- und Lebens-Arbeitszeitkonten an Bedeutung.184 4.2.5.1 Leiharbeit und Leasingpersonal - Erkenntnisse aus der Analyse der Zeitschrift "Die Wahrheit" Die Belegschaft der voestalpine AG wurde in den letzten Jahren auch zunehmend mit dem Phänomen "Leiharbeit" konfrontiert, wobei das mediale Aufgreifen der Problematik einherging mit der Meldung darüber, dass bereits ein Vorschlag betreffend einer Betriebsvereinbarung zur Regelung des Einsatzes überlassener Arbeitskräfte von der betriebsrätlichen Gesamtkonzernvertretung ausgearbeitet wird. Die Diskussion schlug in den Jahren 2001 und 2002 hohe Wogen - bis sich Unternehmensleitung und Betriebsräte nach harten Verhandlungen im Oktober 2002 auf eine konzernweit gültige "Grundsatzerklärung" sowie einer beigeschlossenen Muster-Betriebsvereinbarung für die einzelnen Betriebe einigen konnten. Ebenso schnell wie aufgekommen verschwand das Thema "Leiharbeit" wieder in "Die Wahrheit". Ein Umstand der - optimistisch betrachtet - vermuten lässt, dass die beschlossenen Rege-

181

vgl. ebd.

182

vgl. ebd.

183

vgl. Jürgens 2003, S. 39

184

vgl. ebd., S. 39 f.

60

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

lungen bis dato breite Zustimmung finden. Den Anstoß zur Diskussion lieferte die durchaus harsch kritisierte Entwicklung, dass Leiharbeit im Konzern zunehmend zum Dauereinsatz wurde und überlassene Arbeitskräfte in manchen Gesellschaften der voestalpine AG bereits 10 Prozent des Gesamtpersonals stellten.185 Es gibt Ängste seitens der Stammbelegschaft hinsichtlich ihres Arbeitsplatzes wie des Erhalts eines existenzsichernden Einkommens. Dieses Bedrohungspotenzial müsse entschärft werden - auch im Zuge von Fairness und Gerechtigkeit gegenüber den Leiharbeitskräften. In diesem Zusammenhang anerkennen die Betriebsräte von Beginn der Debatte an, dass Auslastungsschwankungen in Produktionsbetrieben nicht gänzlich beseitigt werden können und demnach durchaus ein allfälliger Bedarf an Leiharbeit besteht. Die damit verbundenen Kostenvorteile für das Unternehmen dürften - so der Standpunkt - jedoch nicht dazu Anlass geben die Stammbelegschaft durch Leiharbeitskräfte zu ersetzen. Leiharbeit dürfe die Personalarbeit demnach lediglich "in begründeten Fällen" ergänzen. Diese stellen im Wesentlichen Zeiten der Spitzenabdeckung, Kapazitätsschwankungen sowie das Erfordernis von kurzfristig durch Ausbildungsmaßnahmen nicht erwerbbarer MitarbeiterInnenqualifikationen dar. Hinsichtlich des Entgelts spricht man sich für eine Annäherung an den Lohn der jeweiligen Arbeitsstätte - über den Leiharbeits-Kollektivvertrag hinaus - aus. Damit würde man auch den Druck auf die Stammbelegschaft mildern, es in manchen Bereichen "etwas billiger zu geben". Das Eintreten für Fairness und Gerechtigkeit mündet schließlich in dem Grundsatz, für die gleiche Leistung auch gleiche Rechte und gleiche Bezahlung gelten zu lassen.186 Zudem soll ein zwingendes Beratungsgespräch zwischen Unternehmensvertreter und Betriebsrat nach sechsmonatiger Beschäftigung eines/einer Leasing-MitarbeiterIn dem missbräuchlichen Dauereinsatz den Riegel vorschieben, zugunsten einer etwaigen Übernahme des/der ArbeitnehmerIn in den betreffenden Betrieb.187 4.2.5.2 Arbeitszeitflexibilisierung - Erkenntnisse aus der Analyse der Zeitschrift "Die Wahrheit" Im Mittelpunkt des Flexibilisierungsdiskurses in "Die Wahrheit" steht die Arbeitszeit - sowohl hinsichtlich der Beweglichkeit der Lage als auch des Ausmaßes der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit.188 Mitte der 1990er-Jahre wurden noch konkrete Maßnahmen zur flexibleren Arbeitszeitgestaltung (Ausbau der Gleitzeit, Zeitkontomodelle, neue Schichtmodelle etc.) angedacht und erläutert. In den letzten zwei Jahren jedoch rückten die Folgen und finanziellen Auswirkungen der Flexibilisierung in das Zentrum der Debatte. Im voestalpine-Konzern gebe es bereits eine Vielzahl von durchdachten Arbeitszeitmodellen, welche den speziellen betriebswirtschaftlichen Anforderungen des Unternehmens zur Genüge Rechnung tragen. Die Flexibilisierung sei jedoch zum "Steckenpferd" der Unternehmensleitung avanciert, wobei es die damit verfolgten Absichten infrage zu stellen gilt.189 Sachzwang, so der Standpunkt der Betriebsräte sei dabei nicht die Motivation. Vielmehr, so wird beanstandet, sollen auf dem Weg der Flexibilisierung die Realisierung der Vorstellung "Arbeit auf Abruf" sowie

185

vgl. Die Wahrheit Nr. 12/2002, S. 6

186

vgl. Die Wahrheit Nr. 09/2001, S. 9 und Die Wahrheit Nr. 12/2002, S. 6

187

vgl. ebd.

188

vgl. Die Wahrheit Nr. 03/1997, S. 2, Die Wahrheit Nr. 10/2005, S. 7 und Die Wahrheit Nr. 01/2006, S. 14 f.

189

vgl. Die Wahrheit Nr. 10/2005, S. 7 und Die Wahrheit Nr. 01/2006, S. 14 f.

Industrial Culture - Cultural Industries

61

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Lohn- und Gehaltskürzungen, etwa durch den Wegfall von Überstundenzuschlägen, erwirkt werden. Demzufolge wird die Forderung formuliert, dass die Flexibilisierung keine "Einbahnstraße zu Lasten der Arbeitnehmer[Innen]"190 sein darf und insbesondere nicht dazu missbraucht werden soll, "an der Kostenschraube"191 zu drehen. Vielmehr bedarf es eines Interessensausgleiches zwischen der Arbeitgeberseite und den Beschäftigten, damit Flexibilisierungsmaßnahmen einer "Win-Win-Situation" für beide Seiten gerecht werden.192 Um diesem Ziel näher zu kommen, gilt vorab klarzustellen, dass die Bestimmungen der Flexibilität von den Unternehmen festgelegt werden und diese auch über weit mehr Macht verfügen als der/die einzelne ArbeitnehmerIn. So etwa obliegt die Gestaltung der Arbeitsverträge (z. B. als Arbeitseinsatzort gelten alle europäischen Konzernniederlassungen) alleinig dem/der ArbeitgeberIn - ein/e Arbeitssuchende/r befindet sich de facto nicht in der Position, sich die Freiheit heraus nehmen, nicht zu unterschreiben. Nachdem das Bestimmungsrecht bei den Unternehmen liegt, sollen diese auch die mit der Arbeitszeitflexibilisierung einhergehenden Risiken tragen. Gegenwärtig würden jedoch "Marktrisiko" als auch das Risiko "des Arbeitsanfalls" auf die ArbeitnehmerInnen abgewälzt werden. Sie sind es, die individuelle Lösungen für die Betreuung der Kinder, der Vereinbarkeit von Beruf und Familie sowie dem Auskommen mit einem geringeren Einkommen finden müssen.193 Aus Sicht der Betriebsräte - in ihrer Funktion als ArbeitnehmerInnen-Vertretung - sind die Möglichkeiten einer für beide Seiten vorteilhaften Arbeitszeitflexibilisierung zum gegenwärtigen Zeitpunkt bereits mehr als erschöpft. Die Beschäftigten würden bereits jetzt mit einer Ausuferung des Arbeitsumfangs aufgrund permanenter Arbeitsintensivierung und "all-inclusive-Gehältern" zu kämpfen haben, als Preis für die Zugestehung "gewisser Gestaltungsmöglichkeiten".194 Die Kontrolle über die Arbeitszeit ging über die letzten zwei bis drei Jahrzehnte hinweg - beginnend mit Gleitzeitregelungen über Arbeitszeitflexibilisierung - immer mehr verloren. Hinsichtlich der Entlohnung wirkt sich dies in der Auszahlung der zuvor erwähnten "all-inclusive-Gehälter" aus. Die mangelnde Abstimmung dieser immer populärer werdenden Entlohnungsform auf den konkreten Arbeitsumfang wird wiederholt kritisiert. Überstundenzuschläge existieren in diesem System nicht mehr und auch die Einhaltungen der Arbeitsruhezeiten und Wochenendruhe seien dadurch stark gefährdet.195 Der/die einzelne ArbeitnehmerIn kann sich gegen derartige Verschlechterungen jedoch nicht wehren, da der große Anpassungs- und Konkurrenzdruck die Beschäftigten schnell dazu treibt, die persönlichen Grenzen der Belastung zu übertreten und sich folglich selbst auszubeuten. Demzufolge braucht es gesetzliche Rahmenbedingungen wie etwa in Form von Kollektivverträgen und Betriebsvereinbarungen - zum Schutz der ArbeitnehmerInnen. Derartige gesetzliche Regelungen seien unerlässlich um - trotz fortschreitender Arbeitszeitflexibilisierung - weiterhin Höchstarbeitszeiten sowie gesicherte Ent-

190

vgl. Die Wahrheit Nr. 03/1997, S. 18

191

vgl. Die Wahrheit Nr. 10/2005, S. 7 und Die Wahrheit Nr. 01/2006, S. 14 f.

192

vgl. Die Wahrheit Nr. 01/2006, S. 14 f., Die Wahrheit Nr. 06/2003, S. 12 und Die Wahrheit Nr. 11/1996, S. 12

193

vgl. ebd.

194

vgl. Die Wahrheit Nr. 07,08/2003, S. 10 und die Wahrheit Nr. 06/2003, S. 12

195

vgl. ebd. und Die Wahrheit Nr. 01/2006, S. 14 f.

62

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

gelt durchzusetzen. Darüber hinaus sollte die Bestimmung der Arbeitszeit nicht alleine der Arbeitgeberseite obliegen, sondern eine "möglichste Wahlfreiheit über die Lage der Arbeitszeit durch den Arbeitnehmer gegeben sein".196 4.2.6

Flexibilisierung - Chance oder Hindernis?

Es stellt sich die Frage, ob Flexibilisierung eher als Chance oder zusätzliches Hindernis auf dem Arbeitsmarkt wahrgenommen wird. Flexibilität wird heute in fast allen Berufsbereichen vorausgesetzt. Sie gehört zum Anforderungsprofil seitens der Regierung und Wirtschaft ebenso wie seitens der ArbeitnehmerInnenschaft, ungeachtet des Ausbildungsgrades.197 Die Entstrukturierung von Arbeitszeit führt zu einer erhöhten Eigenverantwortlichkeit der Beschäftigten und vermittelt zunächst den Eindruck eines Autonomiegewinns. Dass dieses Mehr an Freiheit aber gleichzeitig auch mehr Druck im Sinne einer "Selbstökonomisierung" bedeuten kann, äußert sich oft in negativen Folgewirkungen wie physischen und psychischen Belastungen, Problemen mit der Familie oder vermehrt auftretenden Konflikten mit KollegInnen.198 Durch die Auflösung früherer Strukturen im Namen der Flexibilität kommt es auch zum Fehlen langfristiger Bindungen.199 Zugleich steigt auch der alltägliche Organisationsdruck deutlich, wenn ArbeitnehmerInnen trotz ihrer flexiblen Arbeitszeit soziale Bindungen aufrecht erhalten wollen. Der Koordinationsaufwand von Familien oder Personen, die sich in Vereinen oder ehrenamtlich engagieren oder pflegebedürftige Angehörige zu versorgen haben, bringt sie oftmals an die Grenzen sozialer Kohäsion.200 Folglich wird die Verlässlichkeit der Arbeitszeit zu einer zentralen Voraussetzung für die Realisierung von Zeitwohlstand. Je häufiger die Arbeitszeit Schwankungen unterworfen ist, desto mehr gewinnt die Mitbestimmung über Dauer und Lage der Anwesenheit für die Beschäftigten an Bedeutung, um ihr privates Leben planen zu können.201 In einem Interview aus dem Kunst- und Kulturbereich der Studie flexible@art wird Flexibilisierung als Zwang bezeichnet. Dieser Zwang breitet sich nach und nach auf die gesamte Gesellschaft aus, der einzelne hat "[…] relativ wenig Optionen nicht flexibel und nicht prekär zu leben und zu arbeiten".202 Auch in den Interviews der Industriebeschäftigten in der vorliegenden Arbeit wurde die Befürchtung ausgesprochen, dass das private Umfeld auf der Strecke bleiben könnte, wenn ständig und immer mehr Flexibilität gefordert wird.203 Flexibilität birgt Risiken in sich, die niemand richtig einschätzen kann. ArbeitnehmerInnen müssen sich ständig weiterentwickeln, ihr Leben lang weiterlernen. Das was sie gestern gelernt haben, kann heute schon wieder überholt sein und morgen könnten sie deshalb ihren Arbeitsplatz verlieren. Arbeitgebe-

196

vgl. Die Wahrheit Nr. 03/1997, S. 2, Die Wahrheit Nr. 07,08/2003, S. 10 und Die Wahrheit Nr. 06/2003, S. 12

197

Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 51

198

vgl. Jürgens 2003, S. 45

199

vgl. Sennett 1998, S. 79

200

vgl. Jürgens 2003, S. 43

201

vgl. ebd., S. 44

202

Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 57

203

vgl. Anonymisierte Interviews 2007e-h

Industrial Culture - Cultural Industries

63

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

rInnen dagegen entwickeln immer neue Systeme zur Kontrolle ihrer Arbeitskräfte. Die durch die Flexibilisierung entstandene Freiheit bedroht möglicherweise das Unternehmen, indem sie missbraucht wird oder die Verfügungsmacht der ArbeitgeberInnen blockiert.204 Flexibilisierung ist zudem oft an Nachteile wie zeitweilige Erwerbslosigkeit oder mangelhafte Arbeitsbedingungen gekoppelt. Die damit einhergehenden Einkommensausfälle stellen eine Bedrohung der eigenen Existenz dar: "Zusammengefasst bedeutet eine flexible Arbeit gleichzeitig ein flexibles Einkommen."205 Flexibilisierung kann aber durchaus auch als Chance wahrgenommen werden. Sie ermöglicht die Anpassung der Arbeitszeiten an subjektive Wünsche und dadurch mehr individuelle Freiheit. Die Selbständigkeit steigt und davon profitiert wiederum die Qualität der Arbeit. Die Steigerung der Selbständigkeit führt zu einer Erhöhung des Selbstwertgefühls, da die Organisation der eigenen Lebens- und Arbeitssituation verstärkt selbst übernommen wird. Damit steigert die Flexibilisierung auch die Fähigkeit einer Person, sich auf dem Arbeitsmarkt durchzusetzen und der Konkurrenz stand zu halten.206 Die Befragten aus dem Industriebereich sehen durch die Flexibilisierung bessere Chancen, von Firmen in ihrer Weiterbildung unterstützt zu werden.207 Durch die Flexibilisierung des Arbeitsmarktes steigen auch die Chancen für bestimmte Gruppen von ArbeitnehmerInnen, einen Arbeitsplatz mit ihrer privaten Situation zu vereinbaren. Dies gilt insbesondere für Personen mit Betreuungsverpflichtungen, Personen die ihren Übergang in die Pension gleitend gestalten möchten oder allgemein für Personen, die eine Vollbeschäftigung nicht ausüben können oder wollen.208 Ein Grund warum beispielsweise die Befragten aus dem Kunst- und Kulturbereich flexible Arbeitszeiten und -formen schätzen, ist die Möglichkeit sich dabei ihrer Kunst widmen zu können.209

4.3

4.3.1

Prekarisierung

Versuch einer begrifflichen Abgrenzung

Wörtlich übersetzt bedeutet prekär "unsicher, misslich, schwierig, bedenklich". Heute wird dieser Begriff vor allem zur Beschreibung unsicherer, zeitlich begrenzter oder zu wenig abgesicherter Arbeitsverhältnisse verwendet.210 Nach der These der doppelten Spaltung der Erwerbsgesellschaft von Robert Castel lässt sich die Erwerbsgesellschaft in drei Zonen einteilen. Die erste, die "Zone der Normalität", ist eine relativ gut ge-

204

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 60

205

vgl. ebd.

206

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 59

207

vgl. Anonymisierte Interviews 2007e-h

208

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 59 f.

209

vgl. Anonymisierte Interviews 2007a-d

210

vgl. Frassanito-Netzwerk o. J.

64

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

schützte, die aber immer mehr schrumpft. Die zweite, die "Zone der Entkoppelung", beinhaltet jene, die dauerhaft aus der Erwerbsgesellschaft ausgeschlossen sind, also entbehrlich sind. Diese Zone wächst immer mehr an. Zwischen diesen beiden Zonen findet sich schließlich die "Zone der Prekarität", in der sich geringfügige Beschäftigungsverhältnisse ebenso finden wie befristete Projektarbeit oder Arbeit im Niedriglohnsektor, um nur einige Beispiele zu nennen. In dieser Zone reduziert sich verstärkt die soziale Absicherung für die sich darin befindlichen Personen.211 Was beinhalten prekäre Arbeitsverhältnisse und was fehlt ihnen im Vergleich zu "normalen" Arbeitsverhältnissen? Prekär bedeutet, dass die "[...] für ein Normalarbeitsverhältnis charakteristischen sozialen, rechtlichen und betrieblichen Standards unterschritten werden."212 Demnach gibt es keine Erwerbsarbeit, die aufgrund ihrer Beschaffenheit als prekär bezeichnet werden könnte. Eine Erwerbsarbeit wird erst im Verhältnis zu anderen, "normalen" Arbeitsformen prekär.213 Prekarität kann also nicht für sich alleine betrachtet werden, sondern misst sich an Normalitätsstandards, die zur jeweils aktuellen Zeit in einer Gesellschaft vorherrschen.214 Prekäre Beschäftigungsverhältnisse gibt es schon lange. Der Mythos der "Normalarbeitsverhältnisse für alle" war vergleichsweise nur von kurzer Dauer. In der Arbeitswelt bedeutet Prekarisierung eine immer raschere Umwandlung von dauerhaften Arbeitsverhältnissen in unsichere und geringer entlohnte Arbeitsformen. Da sich aber die Arbeitswelt immer mehr mit dem sozialen Leben der Menschen vermischt, kann man unter dem Begriff Prekarisierung auch eine allgemeine Verunsicherung der Lebens- und Arbeitsverhältnisse verstehen.215 Eine weitere wichtige Unterscheidung unter Personen in prekären Beschäftigungsverhältnissen ist der Prekarisierungsgrad. Dieser beschreibt, ob und über wie viele alternative Beschäftigungsmöglichkeiten eine Person verfügt. Denn nicht alle atypischen Beschäftigungsverhältnisse werden zwangsweise angenommen. Hat die betreffende Person beispielsweise mehrere Beschäftigungsalternativen oder verfügt über bessere Netzwerke und Ressourcen als eine andere Person, ist auch der Grad der Prekarisierung geringer.216 4.3.2

Prekarisierungsängste

Zwischen Normalarbeitsverhältnissen und prekären Beschäftigungen kann keine eindeutige Abgrenzung erfolgen, vielmehr handelt es sich hier um fließende Übergänge. Unsichere Beschäftigungsverhältnisse können zudem disziplinierende Wirkung auf geschützte Normalarbeitsverhältnisse haben. Je reibungsloser prekär Beschäftigte in die Arbeitsabläufe eines Unternehmens integriert werden, desto stärker ist die Verunsicherung bei jenen Personen, die einen geschützten Arbeitsplatz innehaben.

211

vgl. Kraemer/Speidel o. J., S. 1

212

ebd., S. 8

213

vgl. ebd., S. 6

214

vgl. ebd., S. 8

215

vgl. Frassanito-Netzwerk o. J.

216

vgl. Kraemer/Speidel o. J., S. 10 f.

Industrial Culture - Cultural Industries

65

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Führen befristet Beschäftigte dieselbe Arbeit zu einem niedrigeren Lohn aus als die dauerhaft Beschäftigten, kann bei letzteren "ein diffuses Gefühl der Ersetzbarkeit" entstehen.217 Das Gefühl, ersetzbar zu sein, kann sich zu "Prekarisierungsängsten" steigern. Dabei handelt es sich um die subjektive Sorge, dass die eigene Arbeitssituation, die man bisher als sicher eingeschätzt hatte, an sozialer und rechtlicher Sicherheit einbüßen könnte. Diese Ängste werden durch die steigende Anzahl an prekären Beschäftigungsverhältnissen verstärkt, auch wenn die eigene Arbeitssituation sich objektiv noch in einem "sicheren" Sektor des Arbeitsmarktes befindet.218 Prekarisierungsängste entstehen aus sozialer Verunsicherung und können bewirken, dass einzelne Personen ihre Lebensplanung bedroht sehen. An der Ausbreitung von Prekarisierungsängsten kann man erkennen, dass die soziale Verunsicherung in der Gesellschaft in heutiger Zeit stark zunimmt.219 Durch Prekarisierungsängste steigt auch die Konkurrenz unter den Beschäftigten, sich im Unternehmen unentbehrlich zu machen, um den eigenen Arbeitsplatz zu sichern. "Mit anderen Worten sind potenziell alle Beschäftigten der permanenten Drohung des Arbeitsplatzverlustes ausgesetzt."220 Unternehmen können sich diesen Konkurrenzkampf zunutze machen, indem die Anforderungen der Beschäftigung unter Androhung einer Entlassung angehoben werden. Da die einzelnen Personen ihr soziales Abrutschen verhindern wollen, verstärkt sich wiederum der Konkurrenzdruck.221 4.3.3

Prekarisierung im Kunst- und Kulturbereich

Der Kunst- und Kulturbereich ist ein typisches Arbeitsmarktsegment, in dem prekäre Beschäftigung gang und gäbe ist: Flexible Arbeitszeiten, Durchmischung von Arbeit und Freizeit, ungenügende sozialrechtliche Absicherung, um nur einige der vielen Charakteristika der Arbeitsrealitäten im Kunst- und Kulturbereich zu nennen. Stefan Haslinger, Geschäftsführer der Kulturplattform Oberösterreich, bezeichnet im Interview atypische Beschäftigung als gängige Beschäftigungsform von KünstlerInnen: "[...] dieser Trend zur Prekarisierung ist allgegenwärtig, gerade im Kunst- und Kulturbereich massiv da. In der Frage mehrere Teilzeitjobs, wovon vielleicht einer noch im besten Fall über eine Anstellung geregelt ist, über eine geringfügige, der Rest auf Honorarbasis und freie Dienstverträge. Der Kunst- und Kulturbereich stellt wirklich den klassischen pre222

kären Arbeitsmarkt dar."

Um ihre Existenz zu sichern, gehen die meisten Befragten aus dem Kunst- und Kulturfeld neben ihren künstlerischen Berufen noch weiteren Tätigkeiten nach. Diese bewegen sich oft im Umfeld von Kunst und Kultur, zum Beispiel die Arbeit als Requisiteur oder als Bühnenmitarbeiter. So ist der im Rahmen

217

vgl. ebd., S. 14

218

vgl. ebd., S. 8

219

vgl. ebd., S. 9

220

vgl. ebd., S. 15

221

vgl. ebd.

222

Interview mit Haslinger 2007

66

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

der vorliegenden Arbeit befragte Regisseur auch Mitarbeiter eines Linzer Kinos und gibt Seminare für Interessierte und in Schulen. Die handwerklich orientierte Bildhauerin baut auch Ausstellungen für andere KünstlerInnen auf. Demnach handelt es sich bei Zweit- oder Drittjobs in der Regel um die Erledigung kleinerer Arbeitsaufträge, die keine Regelmäßigkeiten aufweisen müssen oder dürfen. Schließlich muss es immer möglich sein für das eigene berufliche, künstlerische Vorankommen Kapazitäten frei machen zu können. Alle diese Beschäftigungen dienen aber der Existenzsicherung, weil die Befragten oft von ihrem künstlerischen Schaffen nicht leben können.223 Existenzsicherung findet also vermehrt auch abseits der eigenen künstlerischen Tätigkeit statt. Bei diesen zusätzlichen Beschäftigungen handelt es sich aber meist nicht um reguläre Dienstverhältnisse, ganz im Gegenteil, die meisten dieser Arbeiten sind im Schwarzarbeiterbereich einzustufen. Freie Dienstverträge oder geringfügige Beschäftigungen bilden beinahe die positiven Ausnahmen.224 Nur der interviewte freie Schauspieler war bei seiner Berufswahl der älteste und hatte bereits im Vorfeld seiner Ausbildung die meisten Jobs. Er ist seit dem Beginn seines Schauspielstudiums anfänglich als Vollzeitstudent und nun als Vollzeitschauspieler tätig. Er kann von seinem Einkommen ein "normal", finanziell ausgestattetes Leben führen.225 In der freien Kulturarbeit beginnen EinsteigerInnen meist mit großem Idealismus. Dieser orientiert sich an der kreativen und interessanten Tätigkeit, nicht an Abrechnungen und Stundenlöhnen. Doch bei den meisten Arbeitsaufträgen handelt es sich um Projekte oder befristete Verträge, die meist sozial nicht ausreichend abgesichert sind und nur unregelmäßiges Einkommen gewährleisten. Regelungen für die Entlohnung von KünstlerInnen gibt es kaum, und durch die wachsende Anzahl an künstlerisch Tätigen werden die Preise für ihre Arbeit immer niedriger.226 In einer Studie zur sozialen Lage von KünstlerInnen wurde festgestellt, dass 60 % über 40 Wochenstunden arbeiten, wobei 45 % weniger als 727 Euro netto pro Monat verdienen: "Mit der Wahrscheinlichkeit von 50:50 wird mindestens zwei Beschäftigungen gleichzeitig nachgegangen".227 Die Prekarisierung im Kunst- und Kulturbereich hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Erstens, weil die Zahl der Beschäftigten in diesem Bereich gestiegen ist und zweitens, weil viele davon langfristig im Kunst- und Kulturbereich tätig sein wollen. Die Möglichkeiten, in ein geregeltes Arbeitsverhältnis zu wechseln, haben abgenommen, ebenso wie die Bereitschaft, sich in ein solches zu begeben. 228 Die Anforderungen an KünstlerInnen, sich selbst und ihre Arbeit zu vermarkten, sind gestiegen. Fähigkeiten wie "Selbstorganisation, Kreativität, Eigenmotivation sowie Intuition, Reflexivität, soziale und Teamkompetenz" werden von KünstlerInnen gefordert.229 Diese Rahmenbedingungen in Verbindung

223

vgl. ebd.

224

vgl. ebd.

225

vgl. Anonymisiertes Interview 2007a

226

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 71 f.

227

Kulturrat Österreich 2005

228

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 69

229

vgl. ebd.

Industrial Culture - Cultural Industries

67

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

mit der Kulturförderungspolitik, welche eher Vereine als Einzelpersonen unterstützt, fördern nicht unbedingt den künstlerischen Nachwuchs, sagt Haslinger im Interview.230 Die Befragten aus dem Kunst- und Kulturbereich gehen keinen typisch ehrenamtlichen Tätigkeiten nach. Der Grund dafür ist kein Mangel an Interesse, sondern dass die nötigen zeitlichen Ressourcen nicht vorhanden sind. Dabei soll jetzt nicht der Eindruck entstehen, dass die ausgeübten Tätigkeiten der befragten KünstlerInnen nur auf monetäre Ziele gerichtet sind. Die meiste Zeit verwenden die Befragten auf unbezahlte Tätigkeiten, die aber trotzdem den eigenen Zielen dienen.231 4.3.3.1 Prekäre Zeiten und KünstlerInnensozialversicherung - Erkenntnisse aus der Analyse der KUPF-Zeitung Der Begriff Prekarisierung wird in der KUPF-Zeitung eher selten verwendet. Typische Arbeitssituationen von KünstlerInnen sind jedoch häufig prekär, hier besteht der Widerspruch zwischen der Zeit und den Förderungen, die für die Umsetzung von Projekten benötigt werden und dem Geld, das KünstlerInnen brauchen, um ihr Leben zu finanzieren.232 Problematisch erscheinen der KUPF-Zeitung aber nicht die Arbeitsbedingungen von KünstlerInnen an sich, da diese ja oft bewusst selbst gewählt sind. Was fehlt, ist die entsprechende Anerkennung der Arbeit und Absicherung für KünstlerInnen in Form von staatlichen Rahmenbedingungen. Im Sozialstaat Österreich werden bestimmte Rechte auf Absicherung im Krankheitsfall, bei Unfall oder Arbeitslosigkeit durch ein Versicherungssystem erworben. Allerdings wird damit nur das "klassische Arbeitsmodell" (Vollbeschäftigung, AlleinverdienerInnen) optimal abgesichert. Atypisch Beschäftigte werden von diesem System benachteiligt und auf ihre Bedürfnisse wird nicht flexibel reagiert.233 Von Prekarisierung betroffen sind viele Gruppen von arbeitenden Menschen, seien es Arbeitslose, neue Selbständige oder allein erziehende Mütter.234 Die KünstlerInnensozialversicherung sowie der dazugehörige Fonds werden in zahlreichen Artikeln erwähnt und geben in der KUPF-Zeitung Anlass für zahlreiche ärgerliche und sarkastische Beiträge und Anmerkungen. Es ist die Rede von "Zwangsrekrutierung" in die Versicherung, ohne Zeit, um private Versicherungsverträge verlustfrei zu beenden. Der Fonds bezahlt außerdem nur für die Pensionsversicherung einen Zuschuss, und hier nur für jene Personen, die in einer bestimmten Einkommensspanne liegen.235 Der Fonds stelle sich zudem nicht auf die Lebenssituationen der BezieherInnen ein. Für alle KünstlerInnen gilt dieselbe Mindesteinkommensgrenze, unabhängig von ihrem Familienstand oder Bezügen wie Stipendien oder ähnlichem.236

230

vgl. Interview mit Haslinger 2007

231

vgl. Anonymisierte Interviews 2007a-d

232

vgl. KUPF-Zeitung Nr. 102/3/2003

233

vgl. KUPF-Zeitung Nr. 99/5/2002a

234

vgl. KUPF-Zeitung Nr. 99/5/2002c

235

vgl. KUPF-Zeitung Nr. 99/5/2002a

236

vgl. KUPF-Zeitung Nr. 116/2/2006

68

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Die Künstlersozialversicherung sei "[…] nichts weiter als die Einbindung der KünstlerInnen in die Neue Selbständigenversicherung."237 Die Zuerkennung des KünstlerInnenstatus, die der Fonds vornimmt, bedingt, dass AbsolventInnen einer Kunstuniversität zwar dazugehören, andere künstlerisch tätige Personen aber erst ihren Status beweisen müssen. Und dieser Status wird nur am Einkommen gemessen.238 Zusätzlich wird der Zuschuss zurückgefordert, wenn die Einkommensgrenze über- oder unterschritten wird.239 4.3.4

Atypisierung als Ursache der Prekarität

Um den Unterschied zwischen normalen und atypischen Arbeitsverhältnissen feststellen zu können, müssen zuerst die Merkmale eines Normalarbeitsverhältnisses festgehalten werden. Worum handelt es sich also bei einem Normalarbeitsverhältnis und was ist das idealtypische daran? Von "normalen" Beschäftigungsverhältnissen wird "[…] immer dann gesprochen, wenn mit ihrer Ausübung spezifische Sicherheitsgarantien und Rechtsansprüche verbunden sind, die eine stabile gesellschaftliche Statusposition begründen."240 Im Konkreten gibt es gesellschaftliche Erwartungen, welche ein Normalarbeitsverhältnis im Detail ausmachen, wie etwa: Unbefristeter Arbeitsvertrag Vollzeitbeschäftigung Stabile und gerechte Entlohnung Soziale und rechtliche Absicherung Diese Erwartungen herrschen noch in großen Bevölkerungsteilen vor, obwohl viele dieser Rechte durch politische und wirtschaftliche Maßnahmen bereits ausgehöhlt wurden.241 Atypische Beschäftigungsverhältnisse verfügen über keinen oder geringen rechtlichen Schutz, können in jedem Stundenausmaß vorkommen und bieten häufig nur unregelmäßige Entlohnung.242 Atypische Beschäftigungsformen umfassen "Zeit- und Leiharbeit, Scheinselbständigkeit, Teilzeitarbeit, geringfügige Beschäftigung und Vollerwerbsarbeit im Niedriglohnsektor sowie befristete Erwerbsarbeit auf Projekt- und Werkvertragsbasis".243 Nicht jede atypische Beschäftigung ist automatisch prekär. Die meisten Formen atypischer Beschäftigung beinhalten zwar ein "prekäres Potenzial", welches aber nicht unbedingt wirksam werden muss. Ob eine Beschäftigung als prekär eingestuft werden kann oder nicht, ist abhängig vom zuvor erläuter-

237

KUPF-Zeitung Nr. 98/4/2002

238

vgl. ebd.

239

vgl. KUPF-Zeitung Nr. 116/2/2006

240

Kraemer/Speidel o. J., S. 7

241

vgl. ebd.

242

vgl. Mokre 2002, S.2

243

Kraemer/Speidel o. J., S. 9

Industrial Culture - Cultural Industries

69

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

ten Grad der Prekarisierung und den biografisch und sozial beeinflussten Erwartungen einer Person. Atypische Beschäftigungen sind normalerweise weder ausreichend, um die eigene Existenz abzusichern, noch beinhalten sie die für Normalarbeitsverhältnisse üblichen sozialen und rechtlichen Absicherungen. Ausschlaggebend sind die Motive, warum eine atypische Erwerbsarbeit aufgenommen wurde. Soll die atypische Beschäftigung einen (Wieder-)Einstieg ins Berufsleben ermöglichen, handelt es sich um einen Zusatzverdienst zum Familieneinkommen, oder wurde die Beschäftigung aufgrund mangelnder Alternativen gewählt? Um bewerten zu können, ob eine Beschäftigung als prekär bezeichnet werden kann oder nicht, stellt sich also die Frage nach der Handlungsfähigkeit der jeweiligen Person.244 4.3.5

Prekäre Beschäftigung und Desintegration am Arbeitsmarkt

An die Erwerbstätigkeit gekoppelt ist in unserer Gesellschaft auch ein bestimmter sozialer Status. Erwerbstätigkeit verfügt also über Integrationspotenzial, das die Positionierung einer Person im gesellschaftlichen Gefüge beeinflussen kann. Während bei Normalarbeitsverhältnissen meist das Integrationspotenzial zum Tragen kommt, haben prekäre Beschäftigungslagen oft eine "desintegrierende" Wirkung. In diesem Zusammenhang soll der Begriff der Desintegration so verstanden werden, dass Erwartungen von Personen bezüglich ihrer Teilhabe am "gesellschaftlichen Wohlstand" enttäuscht werden.245 Im Folgenden werden Gründe für die desintegrierende Wirkung prekärer Arbeitsverhältnisse aufgezählt: Kein dauerhaft Existenz sicherndes Erwerbseinkommen Geringere soziale und rechtliche Absicherung Keine oder mangelhafte Partizipation in der Arbeitswelt (z.B. Interessensvertretung) Beschäftigungsunsicherheit aufgrund befristeter Arbeitsverträge Langfristige Lebensplanung wird aufgrund beruflicher Unsicherheiten blockiert246 Prekäre Beschäftigungsverhältnisse können aber nicht nur desintegrierend, sondern auch integrierend wirken, wenn die Erwartung eine prekäre Erwerbslage in absehbarer Zeit zu überwinden, nicht dauerhaft enttäuscht wird. Die Erfüllung dieser Erwartung hängt eng mit den Qualifikationen und dem Alter der Person zusammen. Das Integrations- beziehungsweise Desintegrationspotenzial hängt also von der subjektiven Einschätzung ab, ob und wann von einer prekären Beschäftigung zu einem Normalarbeitsverhältnis gewechselt werden kann.247

244

vgl. ebd., S. 9 f.

245

vgl. ebd., S. 5

246

vgl. ebd., S.11f.

247

vgl. ebd., S. 11 ff.

70

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Es ist anzunehmen, dass prekär Beschäftigte zahlreiche Anstrengungen unternehmen, um in den Arbeitsmarkt re-integriert zu werden. Auch hier werden umso mehr Kräfte eingesetzt, je weniger die Erwartungen in ein Normalarbeitsverhältnis zu wechseln, enttäuscht werden. Prekäre Erwerbsarbeit erscheint den betroffenen Personen als unvermeidbarer Dauerzustand, wenn die Hoffnung auf eine berufliche Alternative dauerhaft enttäuscht wird.248

4.4

Möglichkeiten des Umgangs mit Prekarisierung und Flexibilisierung

Durch die oft ähnlichen Problemstellungen mit welchen sich ArbeitnehmerInnen in der Berufswelt konfrontiert sehen, entstehen Interessensvertretungen um bessere Verhandlungspositionen der individuell Betroffenen zu erreichen. Prekarisierung wurde mithilfe derartiger Zusammenschlüsse bereits um die Jahrhundertwende in "Arbeiterkreisen" entschärft. KünstlerInnen und Kulturschaffende finden sich heute in einer weiterentwickelten Gesellschaft vor teils ähnlich gelagerten Problemstellungen. Es ist auch zu beobachten, dass in den letzten Jahrzehnten vermehrt Interessensvertretungen im Kunstund Kulturfeld entstanden sind. Dabei findet man sowohl gewerkschaftlich organisierte Vereinigungen als auch themenspezifische Plattformen welche dem Meinungsaustausch sowie der Vernetzung von Interessen dienen sollen. Ein Großteil der Organisationen unterscheidet sich jedoch - betreffend Struktur und Meinungsbildungsprozess - deutlich von den gewerkschaftlich organisierten Interessensvertretungen der traditionellen Branchen. Die Gründe dafür sind sowohl in den Rahmenbedingungen dieses sehr heterogenen Berufsfeldes zu suchen, als auch im Selbstbild der KünstlerInnen. In beiden Fällen geht es jedoch um das Spannungsverhältnis zwischen dem Individuum einerseits und dem Kollektiv anderseits. Demnach stellt das hohe Maß an Heterogenität eine Herausforderung für Interessensvertretungen dar, da für die Entwicklung kollektiver Lösungsstrategien zuerst Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden müssen. Die Tatsache, dass das Kunst- und Kulturfeld eher gewerkschaftsfern ist, kann jedoch auch durch die tätigen Personen selbst begründet werden - deren Einzigartigkeit und Autonomie wohl zu den bedeutendsten Ressourcen gehört und demnach Zusammenschlüsse zu einem Kollektiv eher abgelehnt werden. Die Anliegen der diversen Vereinigungen erfassen dabei sowohl die Erhaltung der Kunst- und Kulturförderung durch die öffentliche Hand als auch die Diskussion und Erarbeitung von Lösungsmodellen zum Umgang mit den Folgen der zunehmenden Flexibilisierung und Prekarisierung. Aufgrund der eher losen Strukturen im Bereich der Interessensvertretung betreffend Kunst und Kultur sollen im folgenden sowohl Gewerkschaften, regionale sowie themenspezifische Interessensgemeinschaften, aber auch das Arbeitsmarktservice betreffend ihres Service- und Leistungsangebots für

248

vgl. ebd., S. 13

Industrial Culture - Cultural Industries

71

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

KünstlerInnen vorgestellt werden. Betreffend atypische Beschäftigungsverhältnisse gilt auch die Arbeiterkammer als Anlaufstelle auf der Suche nach Beratung und Unterstützung. Im Industriebereich hingegen sind die Strukturen deutlich klarer gestaltet und folgen einem hierarchischen Stufenaufbau, beginnend auf innerbetrieblicher Ebene. Diese Organisationen und ihre Strukturen sind als Reaktion auf arbeits- und sozialrechtliche Fragestellungen der Vergangenheit entstanden und über viele Jahrzehnte hin gewachsen. Damit verbunden sind eine politische Schlagkraft sowie ein noch immer hoher Organisationsgrad. An beidem mangelt es hingegen den vorwiegend netzwerkartig strukturierten Interessensvereinigungen im Kunst- und Kulturfeld, welche sich im Gegenzug durch Flexibilität, Offenheit und Diskursbereitschaft auszeichnen. 4.4.1

Traditionelle Interessensvertretungen249

Am Standort Linz der voestalpine AG werden die dort tätigen ArbeiterInnen durch einen fünfundzwanzigköpfigen Arbeiterbetriebsrat vertreten. Die dafür freigestellten Funktionäre sind direkt am Betriebsgelände in einem eigenen Bürotrakt untergebracht. Angestellte finden in einem Angestelltenbetriebsrat gleiche Voraussetzungen. Es gibt dabei geordnete Zuständigkeiten, eigene Informationskanäle zu den MitarbeiterInnen und die Möglichkeit für jede/n MitarbeiterIn sich mit seinem/ihrem Anliegen - sei es nun die einzelne Person oder einen größeren Teil der Belegschaft betreffend - an die zuständigen Betriebsräte zu wenden. Außerhalb dieser betriebsinternen Interessensvertretungsorgane in Linz finden Beschäftigte bei Arbeitsmarktservice (AMS) und Arbeiterkammer gute Vertretung. Zurückzuführen ist das auf die klaren Berufsbilder sowie arbeits- und sozialrechtlichen Normverhältnisse der Beschäftigten. Darüber hinaus gewährleisten die jährlich neu ausverhandelten kollektivvertraglichen Regelungen eine genaue Klärung der Ansprüche und Rechte der ArbeitnehmerInnen. Dieses zentrale Element der Sozialpartnerschaft in Österreich kann auf eine lange Tradition zurückblicken und ist mit den Organisationen selbst mit gereift. Auch im Fall eines Beschäftigungsverlustes hat der/die voest-MitarbeiterIn durch das AMS gute Chancen eine neue Arbeitsstelle zu finden. Bei einer Fluktuation von 2 % kommt dem AMS für die Beschäftigten der voestalpine AG eine untergeordnete Rolle zu. Traditionell weniger strukturiert zeigen sich Interessensvertretrungen für die Beschäftigten im Kunstund Kulturbereich. Zwar sind die gleichen Organisationen auch für die Interessen dieser Beschäftigungsgruppe zuständig, doch fehlte diesen mitunter die nötige Effizienz. Das hatte zur Folge, dass sich in diesem Bereich neue, spezifischere Interessensvertretungen entwickelt haben.

249

Interview mit Johann Linsmaier 2007

72

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

4.4.2

Interessensvertretung Kunst- und Kulturschaffender

Die Interessenvertretungen im Kunst- und Kulturbereich sind spartenspezifisch organisiert. In jenen Bereichen, wo ungesicherte Arbeitsverhältnisse und Freiberuflichkeit dominieren, sind derartige Organisationen und Verbände am häufigsten und auch am ältesten250, wie z .B. im Bereich der Bildenden Kunst. KünstlerInnen, die in längerfristig gesicherten Beschäftigungsverhältnissen stehen wie z. B. OrchestermusikerInnen haben auch Anspruch auf gewerkschaftliche Vertretung, wodurch der Druck, eine eigene Interessenvertretung zu bilden bzw. dieser beizutreten, geringer ist. Die Interessenvertretungen werden aus dem Kulturbudget (des Bundes, der Länder und/oder Gemeinde) gefördert und heben Mitgliedsbeiträge ein. 4.4.2.1 Interessengemeinschaft Kultur Im freien Bereich bildet die Interessengemeinschaft Kultur (IG Kultur) - trotz ihres relativ kurzen Bestehens seit dem Jahr 1990 - die bedeutendste berufliche Interessensvertretung im Bereich Kunst und Kultur. Sie fungiert sowohl als Netzwerk zum Zweck der Interessensorganisation und -koordination sowie als Vertretungsinstitution im Bereich der freien und autonomen Kulturarbeit in Österreich.251 Hinsichtlich der Organisationsstruktur bildet die IG Kultur den Dachverband von 310 Kulturinitiativen. Gemäß dem Prinzip einer gewerkschaftsähnlichen Interessensvertretung besteht die Hauptaufgabe in politischem Lobbying. Dabei gilt es, die Realisierung notwendiger gesetzlicher Maßnahmen zu erwirken, wodurch das Bestandrisiko von Kulturinitiativen verringert und die soziale Absicherung von KulturarbeiterInnen verbessert wird. Die politische Arbeit auf Bundes- und Länderebene erfolgt etwa in Form von Forderungskatalogen, Beratungen und Empfehlungen. Den Mitgliedern werden neben Rechtsberatung und -vertretung Fortbildungs- und Informationsveranstaltungen angeboten, ebenso werden Seminare und Workshops für KulturpolitikerInnen geboten. Workshops und Konferenzen mit der entsprechenden Dokumentation sind weitere Aktivitäten. Auch werden regelmäßig Publikationen zu aktuellen Fragen, beispielsweise rechtlichen Neuerungen veröffentlicht. Viermal jährlich wird die Zeitschrift "kulturrisse" veröffentlicht und neunmal jährlich erscheinen Mitgliederinformationen. Darüber hinaus wird Vernetzungsarbeit auf regionaler und internationaler Ebene geleistet. Die IG Kultur Österreich verfügt über Ländervertretungen in allen Bundesländern, die in unterschiedlichem Ausmaß aktiv sind. 4.4.2.2 KUPF - Kulturplattform Oberösterreich Der vor mehr als zwanzig Jahren gegründete gemeinnützige Verein KUPF agiert als lokale bzw. regionale Plattform für Kulturvereine im Raum Oberösterreich und hat seinen Sitz in Linz.252 Gemäß dem Stand im Jänner 2007 zählt die KUPF 106 Mitgliedsvereine, deren Aktions- und Tätigkeitsfelder ein breites Spektrum der zeitgenössischen Kunst sowie der Kulturarbeit abdecken. Die Palette reicht von Kinderkultur und -zirkus über Schauspiel und Musik (Kabarett, Theater, Jazz, Hardcore, ...) bis hin zu

250

Schiffbänker/Mayerhofer 2003, S. 32

251

vgl. IG Kultur Österreich o. J.

252

vgl. KUPF Kulturplattform OÖ o. J. c

Industrial Culture - Cultural Industries

73

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Medienarbeit (Zeitungen, Radio, Web-Projekte), bildender Kunst (Ausstellungen, Workshops etc.) und Kulturarbeit von und für MigrantInnen und Menschen mit Beeinträchtigungen.253 Das Leistungsangebot der KUPF beinhaltet Beratung und Service, erstreckt sich jedoch auch auf den Bereich der kulturpolitischen Interessensvertretung und ist bemüht Gewerkschaftsarbeit für KulturarbeiterInnen in Oberösterreich zu leisten. Neben der mindestens fünf mal jährlich erscheinenden KUPF-Zeitung und dem Radio KUPF auf Radio FRO254 bietet vor allem das KUPFOrganisationshandbuch eine Hilfestellung für Beschäftigte im Kunst- und Kulturbereich betreffend die Professionalisierung in ihrem beruflichen Tätigkeitsfeld. Die Inhalte reichen dabei von Organisationsbis Recht- und Steuertipps.255 Mit dem KUPF-Innovationstopf wurde 1995 ein Fördertopf geschaffen, dessen Ziel es war und ist, Kulturinitiativen und Kunst- und Kulturschaffenden die Möglichkeit zu geben, neue kritische Impulse für eine kontinuierliche Kulturarbeit zu setzen. Der KUPF-Innovationstopf wird jährlich ausgeschrieben und vom Land OÖ mit mindestens 75.000 Euro Projektgeld gefüllt. Dabei obliegt die organisatorische Abwicklung zur Gänze der KUPF. Die Auswahl der Projekte trifft eine unabhängige Jury, die sich aus ExpertInnen der freien Kulturarbeit zusammensetzt. Mit diesem Modell fordert die KUPF von SubventionsgeberInnenseite ein, Projekte zu fördern, welchen außerhalb dieses Rahmens das Prädikat "förderwürdig" oftmals verwehrt bliebe.256 Der aktuelle Innovationstopf der KUPF richtet sich an Kulturinitiativen in Oberösterreich, die sich im Rahmen von kulturellen / künstlerischen Projekten mit ihren Arbeits- und Lebensbedingungen und der regionalen Verankerung auseinandersetzen.257 Neu im Leistungsspektrum der KUPF ist die KUPFakademie, die 2007 in Form eines Vereins gegründet wurde, um auf dem Gebiet der Erwachsenenbildung auf Fördergelder des Landes zugreifen zu können und auch für NutzerInnen förderbar zu sein. Ab 2007 bietet die KUPFakademie Seminare und Workshops für MitarbeiterInnen von Kulturinitiativen und andere Interessierte an. Die Themenpalette reicht von Förderungen für Kunst und Kultur oder Abgaben für Kulturvereine bis hin zu Social Skills. Einen Schwerpunkt bilden inhaltliche Themen der Kulturarbeit. Nicht nur das "Wie" freier Kulturarbeit, sondern auch das "Warum" wird diskutiert und vermittelt, wobei die Seminare und Workshops ausschließlich von praxiserfahrenen ReferentInnen geleitet werden. Neben fixen Workshop- und Seminarangeboten gibt es auch Weiterbildungsveranstaltungen, die bei Bedarf von der KUPFakademie für Interessierte organisiert werden.258

253

vgl. KUPF Kulturplattform OÖ o. J. d

254

Freier Rundfunk Oberösterreich GmbH

255

vgl. KUPF - Kulturplattform OÖ 2004b

256

vgl. KUPF - Kulturplattform OÖ o. J. d

257

vgl. KUPF - Kulturplattform OÖ 2006

258

vgl. KUPF - Kulturplattform OÖ o. J. b

74

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

4.4.2.3 FIFTITU% Spezialisierter als die KUPF tritt FIFTITU% in Linz auf. 1998 konstituierte sich FIFTITU% als Verein zur Förderung von Kunst und Kultur von Frauen in Oberösterreich. Diese Vereinigung wird unter anderen von Kultur- und Frauenbüros des Landes Oberösterreich sowie der Stadt Linz gefördert und setzt sich insbesondere mit dem Thema der Geschlechtergleichstellung in Kunst und Kultur auseinander.259 4.4.2.4 Arbeitsmarktservice / Team 4 Innerhalb des Arbeitsmarktservice (AMS) gab es bis 2005 in Wien eine eigene Beratungsstelle für KünstlerInnen im darstellenden Bereich, insbesondere für Berufe rund um Film, Theater und Musik.260 Dieser Bereich wurde jedoch - im Sinne des Konzepts von Public Private Partnership - ausgelagert Team 4 kann als Nachfolgeeinrichtung bezeichnet werden. Tätig ist diese private Gesellschaft allerdings nur in Wien (KünstlerInnenservice Wien) und Graz (Team 4 Projektmanagement GmbH) - für Linz ist derzeitig öffentlich nichts über die Realisierung einer derartigen Vermittlungsorganisation bekannt. Im verbleibenden Bundesgebiet werden KünstlerInnen bei den jeweils zuständigen regionalen Geschäftsstellen des AMS mitbetreut. Demnach fehlt es außerhalb der zwei größten Landeshauptstädte Österreichs an spezifischen Organisationseinheiten oder spezialisierten BetreuerInnen im öffentlichen Bereich zur Beratung und Vermittlung von KünstlerInnen. Team 4 verfügt über eine eigene Datenbank, mittels derer Vermittlungsdienste zwischen ArbeitskräfteNachfragenden und -Anbietenden erfolgen. Für die betreuten KundInnen gelten die allgemeingültigen Regelungen des Arbeitslosenversicherungsgesetzes. Aufgrund der Tatsache, dass die Engagements jedoch häufig nicht dauerhafte, sondern kurzfristige Anstellungen bedeuten, treten vermehrt versicherungsrechtliche Schwierigkeiten auf. Die Aufnahmebedingungen für die Betreuung und Vermittlung durch Team 4 sind ein Nachweis der laufenden künstlerischen Tätigkeit sowie das Vorliegen eines formalen Ausbildungsabschlusses, wodurch eine Vielzahl von KünstlerInnen vorneweg von den Leistungen ausgeschlossen sind.261 4.4.2.5 Kulturgewerkschaft - Kunst, Medien, Sport, freie Berufe Die Kulturgewerkschaft - Kunst, Medien, Sport, freie Berufe (KMSfB) vertritt die Interessen der künstlerisch, journalistisch, programm-gestaltend, technisch, kaufmännisch, administrativ, pädagogisch unselbstständig oder freiberuflich Tätigen und Schaffenden in den Bereichen Kunst, Medien, Erziehung, Bildung und Sport, sowie der in diesen Bereichen in Ausbildung Stehenden. Letzteres ist insbesondere auch für Kunstuniversitätsstudierende von Interesse. Die Aufgaben der Kulturgewerkschaft KMSfB liegen in der Wahrung und Verbesserung des ArbeitnehmerInnenschutzes, in den Verhandlungen der

259

vgl. FIFTITU% 2006

260

vgl. Schiffbänker/Mayerhofer 2003, S. 31

261

vgl. TEAM 4 2005

Industrial Culture - Cultural Industries

75

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Kollektivverträge auf Landesebene, in der Durchführung von Interventionen und in der Unterstützung bei der Abwicklung von Serviceleistungen.262 Der Schwerpunkt liegt jedoch vorrangig in der arbeits- und sozialrechtlichen Beratung. Diesbezügliche Anfragen beziehen sich dabei meist auf die Themen Werkverträge und befristete Dienstverträge. Wohingegen die Anzahl der Erkundigungen bei der KMSfB in den letzten drei Jahren in etwa gleich blieben, verzeichnete die Gewerkschaft der Privatangestellten (GPA) deutliche Anstiege - ein Faktum, welches auf die steigende Anzahl der atypischen Beschäftigungsverhältnisse zurückzuführen ist. Der Grund für die relativ konstante Anzahl der Anfragen bei der KMSfB liegt laut ExpertInnen darin, dass KünstlerInnen bereits seit jeher mit atypischen Beschäftigungsformen konfrontiert sind und demnach befristete Dienstverträge sowie Werkverträge weniger Fragen bei den betreffenden Personen aufwerfen.263 Als weitere Ursache für die unveränderte Anzahl der Anfragen bei der KMSfB muss allerdings auch angeführt werden, dass der Informationsgrad bei den KünstlerInnen über bestehende Interessensvertretungen ein eher niedriger ist oder zumindest nur wenig Interesse an einer derartigen Vertretung vorliegt.264 Bei der GPA Oberösterreich ist man sich dessen auch bewusst und erwähnt in diesem Kontext, dass man sich überlegen müsse, wie man sich im Kunst- und Kulturfeld und insbesondere bei Kunstuniversitätsstudierenden und -absolventInnen besser positionieren kann, um den Organisationsgrad in der KMSfB zu steigern. Grundsätzlich sei der Organisationsgrad, womit der prozentuale Anteil der Mitglieder der gesamten Berufsgruppe gemeint ist, jedoch mit anderen Berufsgruppen vergleichbar. Genaue Erhebungen über den tatsächlichen Organisationsgrad gibt es laut KMSfB allerdings nicht.265 4.4.3

Netzwerke

Die geringe Struktur und Regulationsmacht von Interessensvertretungen im Kunst- und Kulturbereich hat zur Folge, dass die individuelle Interessensvertretung der künstlerisch oder kulturell tätigen Personen immer wieder neue, relevante Netzwerke schafft. Die zentralen Erfolgsvariablen hierbei sind Kommunikation, Vertrauen und vor allem der "Ruf". Diese losen Netzwerkstrukturen tragen wesentlich dazu bei, dass Arbeitsmärkte für Kunst- und Kulturberufe nicht nur offener und flexibler, sondern auch risikoreicher sind als institutionell regulierte Märkte von Arbeits- und Dienstleistungsanbietern sind.266 Aber auch Vorteile von flexiblen Netzwerken werden erkannt. So gibt es laut Burt nach der Analyse von Netzwerken "Structrual Holes", wodurch Vorteile für ein Individuum in einem derartigen Netzwerk entstehen, wenn es Lücken, Umwege und Zwischenstationen für die eigene Beweglichkeit nutzt und damit Vorteile in Bereichen generieren kann, die für andere nicht zu erkennen waren oder übersehen wurden. Burts formale Analyse wird zwar von vielen Soziologen heftig debattiert, doch besitzt seine

262

vgl. Gewerkschaft - Kunst, Medien, Sport, freie Berufe 2007

263

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 66

264

vgl. Arbeiterkammer OÖ/Kunst Raum Goethestrasse/Kulturplattform OÖ 2003, S. 25

265

vgl. Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik 2006, S. 94

266

vgl. Gottschall/Betzelt 2003, S. 213 f.

76

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

These eine enorme Plausibilität: Sie lautet, je flexibler die Operationen eines Netzwerks seien, desto mehr strukturelle Löcher entwickle es. Darüber hinaus zeigt er überzeugend den Anreiz zum Eingehen von Risiken. Hat ein Netzwerk aber keinen Bestand treten diese Vorteile nicht auf. Diskontinuität führt im Gegensatz zu Unsicherheiten der Involvierten.267 Künstlerarbeitsmärkte funktionieren also im wesentlichen auf der Basis von Netzwerken, und die Einbettung in Netzwerke ist für die meisten lebenswichtig. Dennoch sind solche Netzwerke als Geflechte der Interdependenz durchaus riskant und der erfolgreiche Umgang mit ihnen stellt hohe Anforderungen an die TeilnehmerInnen. Steuerungsmedien von Netzwerken sind Kommunikation, Vertrauen und "Ruf". Zum Erfolg der KünstlerInnen führen neben Qualifikationen auch die Fähigkeit zu kommunizieren. Die Funktionsweise des beruflichen Netzwerks im kulturellen Segment wird maßgeblich durch das hohe Bildungsniveau und die Qualifikationsbereitschaft unterstützt. Wer das Netzwerk zu nutzen weiß, wird auch die Beschäftigungsfähigkeit erhalten.268 Die nachfolgende Einschätzung nimmt zwar Bezug auf Deutschland, doch kann aufgrund ähnlicher Strukturen und Gegebenheiten daraus auch ein Informationsgewinn für die Situation in Österreich gezogen werden: "Einen hohen Stellenwert der Risikominderung haben Netzwerkstrukturen, die sowohl im sozialen als auch im beruflichen Bereich ein zentrales Fundament für die Funktionsweise von Künstlerarbeitsmärkten darstellen. Diese Netzwerke unterstützen die kritischen Übergänge zwischen einzelnen Sequenzen diskontinuierlicher Beschäftigung, einschließlich der Überbrückung von Beschäftigung und Erwerbslosigkeit. Wir wissen noch zu wenig über deren Funktion beim Ausgleich von Einkommensrisiken, nehmen aber an, dass sie eine große Rolle spielen und interessantes Anschauungsmaterial für innovatives Risikomanagement bieten könnten. Neben den staatlichen Institutionen der Künstlerdienste und der Zentrale Bühnen-, Fernseh- und Filmvermittlung der Bundesanstalt für Arbeit spielen private Künstleragenturen eine zentrale Rolle. Die Liberalisierung dieses Marktes setzte 1994 ein und führte zu einem Boom in der Eröffnung weiterer privater Vermittleragenturen. Das Nebeneinander privater, wie öffentlicher Arbeitsvermittlung bzw. der auf den Künstlerarbeitsmärkten typische "public-private mix" der Arbeitsvermittlung wird in Zukunft auch in anderen Teilsegmenten des Beschäftigungssystems eine stärkere Rolle spielen."

4.5

269

Entgrenzung von Arbeit und Leben

Die zunehmende Brüchigkeit und Auflösung bis dato sicherer bzw. für sicher gehaltener Abgrenzungen zwischen Arbeit und Freizeit lässt sich deutlich beobachten.270 Die gegenwärtig zu erkennende Entgrenzung von Arbeit wird in verschiedensten Dimensionen deutlich und kann in Folge als weitreichende und tiefgehende Erscheinung bezeichnet werden. Beinahe zur Normalität ist inzwischen die

267

vgl. Sennett 1998, S. 111 f.

268

Haak/Schmid 1999, S. 22 f., S. 35

269

vgl. ebd., S. 35

270

Gottschall/Voß 2003, S. 16

Industrial Culture - Cultural Industries

77

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

zeitliche Entgrenzung im Sinne einer Flexibilisierung fast aller Arbeits- und Beschäftigungsverhältnisse geworden. Für immer mehr ArbeitnehmerInnen wird auch eine räumliche Entgrenzung von Arbeit und Beschäftigung zu alltäglicher Selbstverständigkeit. Das Ergebnis sind MobilarbeiterInnen, Beschäftigte mit wechselnden Arbeitsorten, PendlerInnen und Multiple-Job-Holders. Die technische Entgrenzung hingegen wird selten als solche wahrgenommen, obwohl die sich rasch ändernde und ausdifferenzierende technologische Ausstattung am Arbeitsplatz eine zentrale Erscheinung davon ist. Vor dem Hintergrund der Dynamik von Marktökonomie und Produktionsorganisation darf auch der fachliche bzw. qualifikatorische Aspekt nicht unterschätzt werden. Weiterbildung sowie -qualifizierung sind dabei zu unentbehrlichen Voraussetzungen geworden. Gleichermaßen sind zahlreiche berufliche Wechsel271 und berufliches Umlernen zur Normalität im Arbeitsalltag geworden. Feste Sozialbezüge in Verbindung mit einem Normarbeitsverhältnis werden seltener. Beschäftigte werden mit neuen Formen der Gruppen- und Teamarbeit sowie Projektorganisation aber auch mit einer verstärkten Deregulierung der Beschäftigungsformen konfrontiert. Verringerter Kündigungsschutz, erleichterte Befristung oder etwa Arbeitskräfteüberlassung wirken sich weitreichend auf die Sozialorganisation von Arbeit aus. Unter der Deregulierung von Arbeit und Beschäftigung kann grundsätzlich auch eine rechtliche oder vertragliche Form der Entgrenzung verstanden werden, welche mit anderen bereits genannten Dimensionen, wie etwa der Arbeitszeit, in Wechselwirkung steht. Kollektivvertragliche Regelungen werden immer stärker individualisiert und flexibilisiert. Mit der berufsstrukturellen Entgrenzung von Arbeit wird die starke Zunahme von AlleinSelbstständigen begrifflich erfasst. Somit werden Tätigkeiten, die zuvor von ArbeitnehmerInnen ausgeführt wurden durch betriebliche Rationalisierung, arbeitsmarktpolitische Maßnahmen wie etwa Existenzgründung oder die viel diskutierten Ich-AGs sowie mangels Arbeitsmarktalternativen oder zuletzt aus freier Wahl nun von AlleindienstleisterInnen ausgeübt. Diese Übertragung des Unternehmensrisikos und der Verantwortung für die soziale Absicherung erfordert meist eine Inanspruchnahme privater Ressourcen, um in dieser Beschäftigungsform "überleben" zu können. Damit einher geht klarerweise eine Aufweichung der Grenzen von Arbeit in zeitlicher, räumlicher aber auch materieller und sozialer Sicht.272 In weiterer Folge verändert sich auch das Verhältnis von "Arbeit und Leben". Aufgrund der vielfältigen Formen von Entgrenzung gerät die Trennung von Sozialsphären in modernen Gesellschaften immer mehr ins Wanken. So können die Bereiche Arbeit und Leben nicht mehr eindeutig strukturiert und voneinander abgegrenzt werden. Sie werden zu einer aktiv und individuell zu leistenden Aufgabe der Selbstorganisation oder des gezielten alltäglichen Managements. Es muss diskutiert werden, inwiefern die Vermischung von Tätigkeiten, wie dies etwa bei Teleheimarbeit der Fall ist auch Vorteile für die betroffenen Personen bieten kann oder primär eine Abgrenzung der Tätigkeiten angestrebt werden soll. Generell kann festgehalten werden, dass mit der zunehmenden Tendenz selbstorganisierter

271

vgl. Anonymisierte Interviews 2007a-d

272

vgl. Gottschall/Voß 2003, S. 17 f.

78

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Arbeitsformen die Grenzen zwischen bisher klar getrennten Lebensbereichen immer mehr verwischen. Neben work-life-balance-Maßnahmen seitens der Betriebe, welche den geschützten Privatbereich immer mehr in den Prozess der Erwerbstätigkeit integrieren, führen auch die Anforderungen an Weiterbildung und berufliches Umlernen zu immer mehr halbberuflichen Aktivitäten im privaten Umfeld.273 Diese grundlegenden Veränderungstendenzen von Arbeit können aber nicht nur auf betriebliche Veränderungen reduziert werden. Vielmehr sind sie das Ergebnis vielfältiger Einflussfaktoren und Wechselwirkungen in einem gesellschaftlichen Kontext. So spielen auf ökonomischer Ebene vor allem die Trends der Globalisierung und Tertiarisierung eine Rolle, die mit die mit neoliberaler und deregulierender Politik einhergehen. Verschärft wird die Entwicklung durch geschwächte Gewerkschaften und einer aufgrund der Standortdebatte sowie Beschäftigungskrisen eingeschüchterten Belegschaft. Gleichermaßen müssen die auf gesellschaftlicher Ebene stattfindenden Individualisierungstendenzen aber auch veränderten Arbeits- und Erwerbsorientierungen als wesentliche Begleiter dieses Prozesses betrachtet werden.274 Schlussendlich muss neben der Entgrenzung von Arbeit und Leben auch die Entgrenzung von Arbeitskraft und Person thematisiert werden. War die Trennung von Arbeitskraft und Person, auch wenn nur unvollständig, eines der wesentlichen Prinzipien fordistisch-tayloristischer Arbeitsorganisation, so steht gegenwärtig die Anforderung an Selbstorganisation und Selbstverantwortung, sowie die damit verbundene verstärkten Integration der Arbeitskraft in den Arbeitsprozess, im Mittelpunkt. Von den Beschäftigten werden zunehmend "soft skills", unternehmerisches Denken und die Fähigkeit zur Selbststeuerung erwartet. Gleichermaßen kommt es zu einer Externalisierung der betrieblichen Kontrollfunktion auf die Beschäftigten selbst, indem ihnen im Zuge "fremdorganisierter Selbstorganisation" größere Autonomiespielräume zur Erreichung betriebswirtschaftlicher Ziel- und Terminvorgaben gewährt werden.275 Die Auflösung der Grenzen zwischen Arbeitszeit und Freizeit, aber auch zwischen Arbeitsort und Wohnort im Zuge der Flexibilisierung wird auch in der voestalpine-Betriebsratszeitung "Die Wahrheit" konstatiert. Hinzugefügt wird in diesem Zusammenhang die damit einhergehende Tendenz zu Mehrarbeit ohne Mehreinkommen.276 Immer häufiger befassen sich Beiträge in der Zeitung auch mit der Zunahme psychischer Belastungen und Überforderung im Zuge der Ausuferung des Arbeitsumfangs, aber auch ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Freizeit wird regelmäßig thematisch aufgegriffen. Eine Work-Life-Balance wird als notwendige Grundvoraussetzung für das Wohlbefinden der ArbeitnehmerInnen herausgestrichen, auch unter Verweis darauf, dass gerade erfolgreiche Arbeitnehmer(Innen) nicht selten das Familienglück dem beruflichen Erfolg zum Opfer fällt. Dies mag zwar

273

vgl. ebd., S. 19 f.

274

vgl. Kratzer/Sauer 2003, S. 96 f.

275

vgl. ebd., S. 106 f., Gottschall/Betzelt 2003, S. 215 und Voß/Pongratz 1998, S. 138

276

vgl. Die Wahrheit Nr. 01/2006, S. 14 f.

Industrial Culture - Cultural Industries

79

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

stimmen, doch lässt diese Argumentationsführung beinahe nur einen Schluss zu, nämlich dass beruflicher Erfolg und Karriere beinahe unvereinbar mit Familie sind.277 In vergangenen Zeiten, so wird angemerkt war die Arbeit noch ein "Bereich von Zufriedenheit, Selbstbestätigung und Erfolg", doch wird er immer mehr zur Belastung. Die zunehmende Überarbeitung und Erschöpfung der ArbeitnehmerInnen wird auf die steigende Unsicherheit, die Ängste und den Druck, sich ständig neuen Technologien und Abläufen anpassen zu müssen, zurückgeführt. Aber auch mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten und ebenso mangelnde Anerkennung durch Vorgesetzte sowie fehlende Entspannungs- und Ausgleichsmöglichkeiten etwa aufgrund der dauernden Erreichbarkeit durch das Handy werden als stressfördernde Faktoren in die Debatte eingebracht. Allgemein wird festgestellt, dass nicht mehr die körperlichen sondern vielmehr die psychischen Belastungen der Arbeitswelt im Mittelpunkt stehen. Viele jedoch, so wird weiter ausgeführt, trauen sich nicht in Krankenstand zu gehen - zu groß sind die Ängste, abqualifiziert zu werden.278 Die klare Forderung lautet, ein gesundes, neues Maß an Arbeit zu finden, wobei der Handlungsbedarf vorrangig bei den Unternehmen verortet wird. Es brauche, so der Ansatz, eine "gesundheitsfördernde Betriebskultur" dessen Basis eine menschengerechte Gestaltung der Arbeitsprozesse bilde. Im konkreten gehe es dabei insbesondere um eine Übereinstimmung zwischen MitarbeiterInnenqualifikation und Aufgabenfeld, einem ausreichenden Angebot an Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten ebenso wie die Gewährung angemessener Handlungs- und Entscheidungsspielräume.279 4.5.1

Arbeit und Freizeit

Dieses Teilkapitel wurde aus den geführten Interviews abgeleitet. Befragt wurden vier Betroffene aus dem Kunst- und Kulturbereiche und vier Betroffene aus dem Industriebereich, außerdem zwei Experten aus den jeweiligen Sparten. Während die in der Industrie beschäftigten Personen Arbeit und Freizeit relativ gut voneinander trennen können, verschwimmt die Grenze bei KünstlerInnen sehr häufig. KünstlerInnen verbringen ihre Freizeit häufig damit, sich um ihre nächste Beschäftigung zu kümmern. Im Industriebereich gibt es eine geregelte Arbeitszeit. Natürlich kann diese mit Belastungen wie der Schichtarbeit versehen sein, aber grundsätzlich kann man von geregelten Arbeitszeiten ausgehen. Diese fixen Zeiten der Arbeit gibt es im Kulturbereich eher selten. KünstlerInnen müssen sich mit ihrer eigenen Beschäftigung oft nach der Freizeit der KunstkonsumentInnen richten.280 Dazu kommt noch, dass sich viele KünstlerInnen und Kulturschaffende mehrere Teilzeitjobs suchen müssen. Bestenfalls ist einer dabei, der durch eine geringfügige Anstellung geregelt ist. Die übrigen sind meist auf Honorarbasis oder mittels freien

277

vgl. Die Wahrheit Nr. 07/2002, S. 6 und Die Wahrheit Nr. 04/2003, S. 12

278

vgl. Die Wahrheit Nr. 04/2003, S. 12

279

vgl. Die Wahrheit Nr. 12/1999, S. 14, Die Wahrheit Nr. 03/2007, S. 6 und Die Wahrheit Nr. 04/2002, S. 6

280

vgl. Anonymisierte Interviews 2007a-h

80

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

Dienstverträgen geregelt. Somit stellt der Kunst- und Kulturbereich tatsächlich den klassischen prekären Arbeitsmarkt dar.281 Im Kunst- und Kulturbereich ist es schwierig, gedanklich abzuschalten, die Kunst bleibt immer im Hinterkopf. Hobbys oder Freizeitbeschäftigungen beziehen sich oftmals wieder auf den Kunst- und Kulturbereich, einfach aus Spaß und Freude an der Kunst. Verschiedenste Veranstaltungen von bekannten oder weniger bekannten KünstlerInnen werden besucht, um sich Anregungen für den eigenen neuen Job zu suchen. Drei der vier Befragten engagieren sich zudem noch ehrenamtlich. Für artfremde Tätigkeiten bleibt meist nur wenig Zeit, anders als im Industriebereich. Die Menschen, die in diesem Bereich beschäftigt sind, haben mehr Zeit, um berufsfremden Freizeitbeschäftigungen nachzugehen. Der Erfolg von KünstlerInnen ist unter anderem auch davon abhängig, ob sie über Netzwerke verfügen, um neue Aufträge zu bekommen oder ihre Person bekannt zu machen. Gesellschaftliche Situationen werden oft zur Selbstvermarktung genutzt. Bei allen Befragten ist ein Verschwinden früherer Freizeitbeschäftigungen hin zu Aktivitäten im Umkreis der Kunst zu erkennen. Weitere Härten entstehen, wenn es zu einem größeren Engagement oder Auftrag kommt. Freizeit verschwindet dann manchmal über mehrere Monate, weil die KünstlerInnen sich keine Freiräume leisten können.282 4.5.2

Der Mensch als Ware - Arbeitskraftunternehmer

Dieser Trend zur Selbstverantwortung von Arbeitnehmern hinsichtlich, zeitlicher, räumlicher, technischer Verwendbarkeit in Betrieben, die damit einhergehende Verpflichtung zur ständigen, eigeninitiativen Weiterentwicklung des Produktes Arbeitskraft wird bei Voß/Pongratz (1998) als "Arbeitskraftunternehmer" beschrieben.283 Unternehmer deshalb, weil es nun im Sinne eines Verkaufens der eigenen Fähigkeiten, in der Eigenverantwortung des Besitzers von Arbeitskraft steht, sein Produkt unter besten Voraussetzungen am Arbeitsmarkt anzubieten. Er hat zu analysieren, was der Markt erwartet, muss sich qualifizieren, und in weiterer Folge Marketing betreiben um sein Produkt unter guten Rahmenbedingungen zu verkaufen. Als Dienstleister bleibt er für die Qualität seines Produktes Arbeit verantwortlich. Auch die Verantwortung bezüglich geleisteter Arbeit verbleibt durch entsprechende Vertragsgestaltung bei der Arbeitskraft. Um jedoch dauerhaft entgrenzt im Sinne der bisherigen Erläuterungen arbeiten zu können, ist es für die Beschäftigten unabdingbar, zumindest gelegentlich Teile ihrer Tätigkeit an PartnerInnen, FreundInnen oder Familienangehörige zu delegieren. Diese führen dann Zuarbeiten aus, die das Maß von Freundschaftsdiensten oder partnerschaftlicher Hilfestellung deutlich überschreiten. Somit werden fundamentale soziale Beziehungen zu ökonomisch werthaltigen Arbeitsbeziehungen verobjektiviert und finden auch immer mehr Verbreitung bei abhängig Beschäftigten mit stark autonomisierter und

281

vgl. Interview mit Haslinger 2007

282

vgl. Anonymisierte Interviews 2007a-h

283

vgl. Voß/Pongratz 1998, S. 142 f.

Industrial Culture - Cultural Industries

81

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

subjektivierter Tätigkeit.284 Um die neuen Verantwortlichkeiten bewältigen zu können, ist ein ökonomisches Agieren in allen Lebensbelangen gefordert. Der Arbeitskraftunternehmer entwickelt aus scheinbar sozialer Notwendigkeit ökonomisches Verhalten.

4.6

4.6.1

Zukunft der Arbeit

KünstlerInnenarbeitsmärkte als Vorbild

Das weitverbreitete gesellschaftliche Bild der KünstlerInnen ist nach wie vor, das diese idealistische TräumerInnen sind, die diverse Risiken in Kauf nehmen, aus Liebe zu ihrer Kunst. Diese Ansicht führt zu dem Schluss, dass diese Märkte auf keinen Fall prototypischen Charakter für andere Beschäftigungsgruppen haben, sie weisen in keiner Weise Parallelen zu anderen Märkten auf. Die KünstlerInnen des 21. Jahrhunderts müssen sich auf den kulturellen Arbeitsmärkten jedoch viel mehr als eigenständige UnternehmerInnen präsentieren, ihre Ware vermarkten, verkaufen und Steuern bezahlen. Sie entwickeln Professionalität nicht nur in ihrer Kunst sondern außerdem in wirtschaftlichen Handlungsweisen. Die früheren klaren Grenzen zwischen Kunst und Wirtschaft verschwimmen aus diesem Grund immer mehr.285 Durch die Tertiarisierung erleben die Kunst- und Kulturberufe ein gewaltiges Beschäftigungswachstum, das mit einer Akademisierung des Arbeitskräfteangebotes einhergeht. Außerdem geht dies mit einem spürbaren Anstieg des Anteils an hochqualifizierten Frauen einher.286 Für den Typus des "neuen Selbstständigen" gilt die Künstlerin bzw. der Künstler als Vorbild, er arbeitet projektorientierter und fern von strukturierten Dienstverhältnissen. Außerdem bringt er sich mit seiner ganzen Seele in die Arbeit ein und das ist genau die Qualifikation die das moderne Management braucht und sucht.287 Es besteht kein Zweifel, dass künstlerische Strategien in der Wirtschaft produktiv sind. Kulturschaffende und KünstlerInnen arbeiten selbstständig und erkenntnisorientiert. Sind sie mit Arbeiten beauftragt, die einen hohen Selbstidentifikationswert haben, reagieren sie mit Selbstausbeutung und investieren sehr viel Zeit.288 Natürlich ist die Behauptung, das die Zukunft des Arbeitsmarktes nur noch in KünstlerInnenarbeitsmärkten besteht, gewagt, jedoch ist es durch die zuvor ausgeführten Trends nicht von der Hand zu weisen, dass die Arbeitsplätze der Zukunft zunehmend "künstlerisch" geprägt sein werden. Diese Arbeitsplätze sind mehr selbstbestimmt, projekt- und teamorientiert und sprunghaft in der Art und dem Umfang des Arbeitsverhältnisses.289

284

vgl. Matschuk 2003, S. 350

285

vgl. Haak/Schmid 1999, S. 30 f.

286

vgl. Schiffbänker/Mayerhofer 2003, S. 18

287

vgl. Messner 2002, S. 3 f.

288

vgl. Chodzinski 2002, S. 7

289

vgl. Haak/Schmid 1999, S. 33

82

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

4.6.2

Übergangsarbeitsmärkte als Lösungsmodell

Es ist schwierig die wachsenden Unsicherheiten und Risiken der Beschäftigungsarbeit so zu regeln, dass nicht neue Formen der sozialen Ausgrenzung entstehen. Gibt es überhaupt die Möglichkeit die Flexibilisierung der Arbeitsmärkte in effektive Bahnen zu lenken? Und lassen sich die sehr gegensätzlichen Anforderungen von Flexibilität und sozialer Sicherheit miteinander koppeln? Die Lösungsansätze fordern nach neuen Formen der Absicherung bzw. Solidarität, die für den Arbeitsmarkt im allgemeinen gewonnen werden können. Mit dem Entwurf der Übergangsarbeitsmärkte ist so ein Ansatz gelungen. Die Übergangsarbeitsmärkte machen den Wechsel zwischen selbstständiger Arbeit und unselbstständiger Beschäftigung möglich, synchron verläuft die sozialrechtliche Übertrittsregelung zwischen Vollzeit- und Teilzeitarbeitsverhältnissen angepasst auf die jeweilige Lebensumstände. Prekäre Beschäftigungsverhältnisse mit sozialrechtlicher Absicherung sind Bestandteil des Modells der Übergangsarbeitsmärkte. Dadurch soll natürlich auch mehr Flexibilität in die "Normalarbeitsverhältnisse" gelangen.290 4.6.3

Flexicurity

Das Wort Flexicurity kommt aus dem englischen und ist eine Verschachtelung der beiden Worte flexibility (Flexibilität) und security (Sicherheit). Das Prinzip stammt aus Dänemark und gilt schon jetzt, als Allheilmittel für die Krise der Sozialsysteme. So stellt dieses Konzept eine Kombination von Flexibilität und Sicherheit dar. In der Theorie ist es eine politische Strategie, die das Ziel hat, den Arbeitsmarkt so flexibel wie möglich zu gestallten und zur gleichen Zeit einen umfassenden sozialen Schutz bietet. Als Österreich 2006 die Ratspräsidentschaft übernahm wurde Flexicurity zum Bestandteil des europäischen Sozialmodells und auch des Lissabon-Prozesses. Die richtige begriffliche Definition sowie der Inhalt ist zwischen den europäischen Sozialpartnern stark umstritten, wie generell die Frage des europäischen Modells. 4.6.4

Lösungsansätze in der Zeitschrift "Die Wahrheit"

4.6.4.1 Arbeitszeitverkürzung Über den gesamten Analysezeitraum hinweg stößt man immer wieder auf die Forderung nach einer "radikalen Arbeitszeitverkürzung". Diese sei eine notwendige arbeitszeitpolitische Maßnahme, um die "größte Herausforderung unserer Zeit", die Erreichung der Vollbeschäftigung, zu bewältigen. Die derzeitige 38,5-Stunden-Vollzeitarbeitswoche sollte im Idealfall auf 32 Stunden herabgesetzt werden, doch wird eine Reduktion auf 35 Stunden als realistische Zielsetzung verfolgt.291 Eine daran geknüpfte Entwicklung sei eine Verschiebung der Wertigkeit von Arbeit und Freizeit. Während in den ersten Jahren dieser Aspekt des gesellschaftlichen Wertewandels lediglich in einem Bei-

290

vgl. Schiffbänker/Mayerhofer 2003, S. 23

291

vgl. Die Wahrheit Nr. 12/1996, S. 4

Industrial Culture - Cultural Industries

83

Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

satz erwähnt wurde, rücken derartige Gedanken in jüngerer Vergangenheit zunehmend in das Zentrum der Diskussion. Dieser Prozess einer stärkeren Bewusstseinsentwicklung drückt sich zudem auch darin aus, als dass anfänglich das Wertesystem des/der einzelnen Arbeitnehmers/In angesprochen wurde, wohingegen heute von einer insgesamt "neuen Weltordnung" die Rede ist. Das Selbstwertgefühl soll, respektive kann - eben aufgrund der begrenzten traditionellen Arbeit - nicht länger vom Beruf abgeleitet werden. Ob und inwieweit derartige "Weltanschauungen" künftig Erfolg haben werden, wird dabei vorrangig an das Ausmaß des Mitspracherechts der Gewerkschaften geknüpft. Dies stellt einen deutlichen Appell an die ArbeitnehmerInnen dar, die Form der institutionell-gewerkschaftlichen Organisation ihrer Interessen beizubehalten.292 4.6.4.2 Recht auf Arbeit Als denkbare Maßnahme um die ArbeitnehmerInnen vor Verschlechterungen sozialer Standards zu schützen und der Politik einen Gesetzgebungsauftrag zur Erreichung der Vollbeschäftigung zu erteilen, wurde Mitte der 1990er-Jahre auch die verfassungsrechtliche Verankerung des Rechts auf Arbeit andiskutiert. Eine derartige Verfassungsbestimmung wäre demzufolge eine "Staatszielbestimmung" und kein einklagbares Recht auf einen bestimmten Arbeitsplatz oder eine bestimmte individuelle Sozialleistung. Ein soziales Grundrecht auf Arbeit wird als zeitgemäßes Instrument erachtet, um den Problematiken der hohen Armutsgefährdung sowie dem zunehmenden "Ausbeutungsgrad" der ArbeitnehmerInnen entgegenzuwirken.293 4.6.4.3 Sabbatjahr Als weitere Möglichkeit zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit im Sinne einer gerechteren Verteilung von Arbeit und Einkommen, wurde Ende der 1990er-Jahre der Ausbau von Urlaubs- und Jobrotationsmodelle, besser bekannt als "Sabbatical" bzw. Sabbatjahr, gefordert. Bis dato blieb es jedoch bei einer einmaligen Vorstellung der Grundzüge eines Sabbatjahres, ohne Erläuterungen betreffend einer Realisierung eines derartigen Modells folgen zu lassen. Im Wesentlichen geht es dabei darum, dass beschäftigte Personen ihre Arbeitszeit reduzieren oder ihren Arbeitsplatz überhaupt zeitlich begrenzt verlassen und für die Zeit eine finanzielle Abgeltung - meist in Höhe des fiktiven Arbeitslosengeldes erhalten. Die frei werdenden Stellen werden infolge mit Arbeitslosen besetzt. So kommt es - auf Basis der Freiwilligkeit - zu einer "gerechter[en]" und "sozialer[en]" Verteilung der Arbeit, auch wenn dadurch natürlich keine zusätzliche Nettobeschäftigung erreicht werden kann. Der Gewinn durch derartige Modelle wird insbesondere in der Bekämpfung der Langzeitarbeitslosigkeit gesehen, doch erscheint die Vorstellung "Langzeitarbeitslose [würden] die freiwerdenden Arbeitsplätze besetzen können" und weiter "[e]s wird also eines der schwierigsten Probleme gelöst - nämlich das der Langzeitarbeitslosigkeit [...]" etwas einfältig.294

292

vgl. Die Wahrheit Nr. 01/2006, S. 12, Die Wahrheit Nr. 12/1996, S. 4

293

vgl. Die Wahrheit Nr. 11/1996, S. 2

294

vgl. Die Wahrheit Nr. 02/1998, S. 2

84

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 4. Flexible Multi-Work - Arbeitsverhältnisse im Umbruch

4.7

Zukünftige Entwicklung unter Berücksichtigung von Linz 2009

Wie sich die Kulturhauptstadt 2009 auf den Kulturarbeitsmarkt auswirkt, lässt sich schwer vorhersagen. Eine Möglichkeit ist, dass sich Vorteile für die StudentInnen der Linzer Kunstuniversität ergeben, sie können ihre Arbeitskraft billiger anbieten, weil sie meist finanzielle Unterstützung von zu Hause bekommen. Sie müssen im Gegensatz zu den KünstlerInnen, die bereits in der Arbeitswelt stehen, nicht von dem Einkommen leben. Der Hauptteil der angebotenen Beschäftigung wird jedoch wahrscheinlich wieder im atypischen Bereich zu finden sein, das hat zur Folge, dass viele der Beschäftigten durch das soziale Netz fallen werden. Leider werden die Langzeitauswirkungen eher negativ betrachtet. Die Krise scheint vorprogrammiert zu sein, denn nach dem überdimensionalen Arbeitspensum während der Zeit der Kulturhauptstadt werden die Menschen anschließend eine Pause brauchen. Durch die finanzielle und soziale Unsicherheit für die Beschäftigten im Kulturbereich ist dies jedoch nicht möglich. Außerdem werden die zusätzlich benötigten Arbeitskräfte während des Projektes anschließend nicht mehr gebraucht.295 Nicht nur Vorsicht sondern auch Vorausschau und Weitblick sind gefordert. Die Kulturhauptstadt 2009 nur aus dem wirtschaftlichen Blickwinkel zu betrachten ist nicht genug. Natürlich würden bei einem Erfolg die Tourismuszahlen steigen und die Wirtschaftsstandortfaktoren und auch das Stadtmarketing würden verbessert werden. Jedoch scheint es mehr als bedenklich, ein Großevent in der Art eines einjährigen Mega-Feuerwerks zu planen. Es muss vor- und Nachhaltig geplant werden. Nicht nur das Jahr 2009 soll im Vordergrund stehen auch die Jahre davor und danach müssen beleuchtet werden. Befürchtungen bestehen leider dahingehend, dass die zeitgenössische Kunst- und Kulturarbeit durch die Errichtung von neuen und vor allem teuren Großbauten und "Kunstpalästen" in den Hintergrund gedrängt werden. Es ist notwendig, ein Konzept zu entwerfen, dass die Kulturszene in Linz und darüber hinaus im Vorfeld aufbaut und fördert, damit sie auch nach der Kulturhauptstadt 2009 weiter existieren kann. Es bestehen allerdings bereits Signale in die entgegengesetzte Richtung, wie eine 15prozentige Budgetsperre und die Stilllegung von Fördergeldern, die eine fortdauernde Arbeit beinahe unmöglich machen. Wichtig ist es, in jedem Fall sich zu überlegen, wie soziale Randgruppen in den Brennpunkt der kulturellen Geschehnisse gelangen.296

295

vgl. Institut für Gesellschaftspolitik 2006, S. 73

296

vgl. KUPF - Kulturplattform OÖ 2004a

Industrial Culture - Cultural Industries

85

Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation Reingard Ursula Medicus, Alexandra Melchardt, Sonja Rittenschober, Daniela Schrempf, Judith Stadlbauer

5.1

Einleitung

Die Zuwanderung von Menschen aus anderen Ländern oder Regionen geschieht immer aus persönlichen, politischen oder ökonomischen Gründen mit dem Ziel der MigrantInnen, ihre persönliche Lebenslage zu verbessern oder zu erleichtern. Die Zuwanderer und Zuwanderinnen, speziell die ArbeitsmigrantInnen, erhoffen sich bessere sozioökonomische Bedingungen im Land, in welches sie migrieren. Von der einheimischen Bevölkerung werden diese Menschen jedoch oftmals nicht als Bereicherung, sondern als Problem angesehen. Dabei wird auch kein Unterschied gemacht, ob es sich bei den ArbeitsmigrantInnen um hochqualifiziertes Personal oder um einfache ArbeiterInnen handelt. Bei einer negativen Einstellung gegenüber den zugewanderten Arbeitskräften sollte nicht vergessen werden, dass noch im 19. Jahrhundert die steigende Mobilität der Arbeitskräfte als Fortschritt und Bereicherung angesehen wurde und die Einstellung galt: Wanderung ist Leben und Fortschritt - Sesshaftigkeit dagegen Stagnation.297 Die derzeitige europäische Politik sieht MigrantInnen auf mehreren Ebenen belastend. Dies ergibt sich einerseits aus der Anforderung an die einheimische Bevölkerung, sich mit den Zugewanderten und deren Kulturen auseinander zu setzen und dem Versuch, zugewanderte Menschen in die vorhandenen sozialen Strukturen zu integrieren. Andererseits setzen sich die ArbeitsmigrantInnen selbst oft unter erhöhten Druck, sich den erhofften Wohlstand und die erwünschte Lebensqualität möglichst rasch erarbeiten zu können. Denn schließlich wollen die ArbeitsmigrantInnen im Regelfall auch das Gefühl erlangen, dass sich der Umzug ins Ausland, der mit dem Verlassen der Heimat verbunden ist, gelohnt hat und keine Fehlentscheidung war. Mit den Anwerbeabkommen für Arbeitskräfte mit der Türkei (1962) und Jugoslawien (1966) begann die Arbeitsmigration von GastarbeiterInnen nach Österreich. Nach einem Anwerbestopp (1974) stabilisierte sich der Anteil der nicht-österreichischen Bevölkerung in Linz auf etwa 4 %, bis Kriege und politische Umbrüche ab 1989 eine Steigerung auf 8,8 % der Gesamtbevölkerung in Linz bis zum Jahre 1991 brachten. Eine Verminderung der Migrationsbewegung erzielte die Novellierung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes im Jahre 1990 mit seiner Quotenregelung für ausländische Arbeitskräfte, sodass der Anteil an Personen nicht-österreichischer Herkunft an der Linzer Gesamtbevölkerung per 1. Jänner 2006 13,2 % (24.929 Personen) betrug.

297

vgl. Treibel 2003, S. 225 ff.

86

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

Die angegeben Zahlen umfassen dabei alle Formen von MigrantInnen: Flüchtlinge, ethnische Minderheiten, illegale Personen, Zuwanderung durch Familienzusammenführung, Bildungswillige und Arbeitssuchende. Sie erfahren Diskriminierung in allen Bereichen: Vorurteile und Rassismus, physische und psychische Bedrohungen, sozialen Ausschluss, geringeres Einkommen, Benachteiligung bei der Wohnungssuche usw. Das Augenmerk der vorliegenden Arbeit richtet sich auf die zweite und dritte Generation der am Ende des 20. Jahrhunderts nach Linz gekommenen GastarbeiterInnen, bei denen die erwünschte Verbesserung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Die aus meist wirtschaftlich und sozial schwachen Ländern kommenden MigrantInnen wollen in höher entwickelten Ländern einen Neuanfang wagen. In diesem Fall treten Probleme dahingehend auf, dass die westlichen Industriestaaten eine sehr hohe Leistungsfähigkeit aufgrund der hohen und funktionalen Ausdifferenzierung verlangen, welche die neu angekommenen Arbeitskräfte oft überfordert. Die Umgewöhnung von einem einfachen zu einem höchst ausdifferenzierten System fällt oft sehr schwer. Diese Umgewöhnungsphase führt meistens zur Desozialisierung und wird durch die sprachlichen Barrieren verstärkt.298 Da die Sprache ein wesentlicher Faktor zur Aufnahmefähigkeit in soziale Gruppen ist, behindern die fehlenden Sprachkenntnisse oft den Eingliederungsprozess in die neue Gesellschaft. Nicht nur die Fähigkeit eine Sprache zu sprechen ist essentiell, sondern auch die Kenntnisse über die landestypische Semiotik und die semantischen und syntaktischen Regeln. Generell vermittelt die Sprache denen, die dieser mächtig sind, ein gewisses Zugehörigkeitsgefühl.299 Speziell bei den geführten ExpertInneninterviews zeigte sich, dass sich durch die besseren sprachlichen Qualifikationen der zweiten und dritten Generation eine wesentliche Verbesserung ihrer Chancen am Arbeitsmarkt vollzogen hat. Jedoch lässt die schulische Sprachförderung immer noch zu wünschen über. Die ExpertInnen sprachen von einem enormen Aufholbedarf im schulischen Sektor und dass durch die Einsparungsmaßnahmen der letzten Jahre ein großes Potenzial an Sprachkenntnissen verloren ging.300 Gerade in manchen Stadtteilen von Linz, in denen der Anteil von Personen mit migrantischer Herkunft besonders hoch ist, ist das sprachliche Niveau der MigrantInnenkinder auffallend niedrig. Statistiken zeigen, dass einige Stadtteile einen fast 50-prozentigen Anteil an Personen mit migrantischem Hintergrund aufweisen. Zu diesen Stadtgebieten zählen etwa das Markartviertel und das Neustadtviertel. Speziell in diesen Stadtbereichen ist die Linzer Verwaltung besonders gefordert, eine fundierte Schulbildung ohne sprachliche Barrieren zu ermöglichen.

298

vgl. Han 2000, S. 191

299

vgl. ebd., S. 182 ff.

300

vgl. Interview mit Kronister 2007 und Interview mit Mümtaz 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

87

Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

5.2

5.2.1

Begriffsbestimmungen

Migration

Der Begriff Migration kann auf sehr verschiedene Art und Weise definiert werden. Um eine mehrdimensionale Sichtweise zu bekommen, sollen im folgenden drei Definitionen des Begriffes gegenübergestellt werden. Für Eisenstadt (1954) heißt Migration "[…] der Übergang eines Individuums oder einer Gruppe von einer Gesellschaft zur anderen".301 Ronzani (1980) definiert Migration folgender maßen: "Individuen aus einem Gesellschaftssystem wechseln in ein anderes über, wodurch direkt oder indirekt in beiden Systemen interne und externe Beziehungs- und Strukturveränderungen induziert werden".302 Han (2000) verbindet mit dem Begriff der Migration Bewegungen von Personen und Personengruppen im Raum, welche wiederum einen dauerhaften Wohnortwechsel bedingen. Ab dem Jahr 1960 wird bereits ein Wohnortwechsel, welcher länger als fünf Jahre dauert, als Migration gesehen.303 Migration kann auch anhand unterschiedlicher Migrationsformen beschrieben werden. Laut William Peterson kann man zwischen fünf Migrationsformen unterscheiden:304 "Primitive migration": unter diesen Typus fällt jene Migration, welche aufgrund des Drucks der Natur ausgelöst wird, Völker- und Seewanderungen, sowie Wanderungen von SammlerInnen und NomadInnen. "Forced and impelled migration": hier handelt es sich um eine Art Zwangsmigration, deren Auslöser der Staat ist. Sie wird als veranlasst bezeichnet, sofern den MigrantInnen eine gewisse Entscheidungsmacht über ihre eigene Migration obliegt und als erzwungen, wenn sie diese Entscheidungsmacht nicht mehr besitzen. "Free migration": hier spielt die persönliche Entscheidung die wesentlichste Rolle für den Migrationsanlass. "Mass migration": unter diesem Begriff wird eine Migrationsform verstanden, welche in einem eher kleinen Rahmen beginnt und sich schließlich zu einer sozialen Bewegung entwickelt. 5.2.2

ArbeitsmigrantInnen

Zu den ArbeitsmigrantInnen zählen jene MigrantInnen, welche ihr Herkunftsland aus wirtschaftlichen Gründen hinter sich gelassen haben und mit dem Zweck der Arbeitsaufnahme in eine andere Gesellschaft wanderten. Abgesehen von dem Aspekt, dass diese MigrantInnen hoch qualifiziert sein können, handelt es sich doch in überwiegendem Maße um wenig oder minder qualifizierte Personen. Arbeits-

301

vgl. Eisenstadt 1954 in Treibel 2003, S. 19

302

vgl. Ronzani 1980, S. 17

303

vgl. Han 2000, S. 7

304

vgl. ebd., S. 24 ff.

88

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

migrantInnen sind im Einwanderungsland meist in der unteren Einkommensschicht der industriellen Lohnarbeit anzutreffen.305 Die Arbeitsmigration kann sowohl als vorübergehende, als auch als dauerhafte Wanderung erfolgen. Mittels der Arbeitsmigration wurde meist versucht Nachfragelücken der industriellen ArbeiterInnenschaft aufzufüllen.306 Meist ist die Migrationsbereitschaft jedoch an bestimmte Regeln sowie Bedingungen geknüpft: zum einen die Erzielung eines deutlich höheren Einkommens sowie die Deckung der Migrationskosten, und zum anderen eine konkrete Arbeitsplatzzusage.307 Zwei sehr wesentliche Determinanten von Arbeitsmigration sind die konkrete Arbeitsmarktpolitik sowie die strukturellen Bedingungen der Wirtschaft, welche eine erhöhte Nachfrage nach Arbeitskräften nach sich ziehen.308 Im Zuge der Arbeitsmigration ist das Ökonomische Sequenzmodell von Charles Price von Bedeutung, welches aus vier Phasen besteht: Die erste Phase ist durch eine wachsende industrielle Nachfrage nach Arbeitskräften gekennzeichnet. Mittels ArbeitsmigrantInnen wird versucht, die Lücken des Arbeitsmarktes im unteren Lohnbereich zu schließen. Dies führt zu einer Verschärfung des Wettbewerbs und kann ein Auslöser für Fremdenhass sein. In der zweiten Phase kommt es zu einem wirtschaftlichen Abschwung und Fremdenfeindlichkeit sowie stärker werdenden Vorurteilen gegenüber den Fremden. In der dritten Phase erholt sich die Wirtschaft und der Fremdenhass wird weniger, auch die Einreisebestimmungen werden wieder gelockert und die Einwanderung wieder erlaubt. In der vierten Phase kommt es aufgrund der wirtschaftlichen Rezession zwar zu einer Wiederbelebung des Fremdenhasses, diesmal ist dessen Grad durch die gewachsene Pluralität der Gesellschaft jedoch schwächer.309 Alle MigrantInnen haben mit Problemen wie Vorurteilen, Assimilation oder Akkulturation zu kämpfen. Diese Prozesse und Probleme sind in den nachstehenden Kapiteln genauer erläutert, um bessere Kenntnis darüber zu gewinnen, mit welchen Bereichen MigrantInnen bei ihrer Auswanderung vom Heimatland konfrontiert sind.

305

vgl. Heckmann 1992, S. 67 f.

306

vgl. Heckmann 1992, S. 67 f.

307

vgl. Demel/Bender 1999, S. 5

308

vgl. Han 2000, S. 64

309

vgl. ebd., S. 40 f.

Industrial Culture - Cultural Industries

89

Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

5.2.3

Akkulturation

Unter Akkulturation versteht man den langwierigen Prozess der Einführung und Eingliederung der MigrantInnen in die dominierende Gesellschaft des Einwanderungslandes. Dabei verblassen die Wertvorstellungen und der Verhaltenskodex des Heimatlandes und die neuen Lebensgewohnheiten und Ansichten des Einreiselandes werden schrittweise adaptiert. Die Akkulturation lässt sich in externe und interne Akkulturation unterteilen. Die externe betrifft die äußere Ebene und bedeutet, dass landesübliche Umgangsformen und Verhaltensnormen angenommen werden. Ein wichtiger Faktor ist die Sprachadaptierung und die Erfüllung der Rollenerwartungen der jeweiligen Kultur nach außen hin. Bei der internen Akkulturation geht es nicht um das äußere Erscheinungsbild sondern um den inneren Wandel der MigrantInnen. Die Lebensgewohnheiten und der Alltag in der neuen Kultur wird von ihnen nicht mehr mit einem Fremdheitsgefühl wahrgenommen, sondern wird selbstverständlich.310 Zu den zwei größten Problemen des Akkulurationsprozesses zählen die Entwurzelung sowie die Neueingliederung. Beim Verlassen der Heimat entfernt man sich nicht nur physisch, sondern man verlässt auch das gesamte soziale Bezugssystem und seinen Platz in der Gesellschaft. Dieser Vorgang bedeutet, dass man seine Existenz und seine Einflechtung in verschiedene Gruppen wie zum Beispiel Familie, Bekanntenkreis oder Berufsumfeld aufgibt und damit auch den Faktor der Stabilität. Bei der Neueingliederung in das neue Heimatland ist die rasche Erlernung der Sprache und der baldige Einstieg ins Berufsleben von großem Vorteil. Durch die Sprache können neue soziale Kontakte geknüpft werden und man selbst kann sich besser in das soziale System eingliedern. Auch der Einstieg in den Beruf bzw. in die Schule ermöglicht den MigrantInnen schneller mit den Alltagsgewohnheiten und Normen des Zuwanderungslandes vertraut zu werden. Außerdem kann dadurch die Erwartung von ArbeitsmigrantInnen auf einen höheren Lebensstandard erfüllt werden und es kommt zur schnelleren Adaptierung der neuen Lebensform.311 Der Zeitraum des Akkulturationsprozesses hängt von verschiedenen Faktoren ab. Es ist von Bedeutung wie organisiert die Personen mit migrantischem Hintergrund sind und welches Zusammengehörigkeitsgefühl MigrantInnen besitzen. Ist der Zusammenhalt und das Traditionsbewusstsein von MigrantInnengruppen sehr ausgeprägt wird die interne und externe Akkulturation langwierig oder es wird ihrerseits sogar Widerstand gegen diesen Prozess geleistet. Auch die mögliche Diskriminierung und der Rassismus, die den MigrantInnen begegnen, sind maßgebend, denn umso stärker sich die EinwandererInnen integriert und willkommen fühlen, desto eher werden sie sich wie ein vollwertig integriertes Mitglied der neuen Gesellschaft fühlen.312

310

vgl. ebd., S. 198

311

vgl. ebd., S. 179 ff.

312

vgl. Heckmann 1992, S. 184

90

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

5.2.4

Assimilation

Unter dem Begriff der Assimilation wird das Konzept der Einwanderungsforschung und der Eingliederung in die neue Gesellschaft von MigrantInnen verstanden.313 Dieser Anpassungsprozess von Zuwanderungsströmen wird seit dem 19. Jahrhundert wissenschaftlich untersucht und analysiert. Viele ExpertInnen sprechen auch davon, dass die erste Soziologie die Soziologie der Migration war. Die Einteilung des Assimilationsprozesses erfolgt in sieben Stufen und stellt kein starres Konzept dar. Die erste Stufe ist jene des kulturellen Lernens, auf der die Erwerbung der Sprachkenntnisse und des Basiswissens über die heimische Bevölkerung im Vordergrund steht. In der zweiten Stufe entsteht eine positive Einstellung und Wahrnehmung zum Rest der Bevölkerung. Es kommt zu ersten zwischenmenschlichen Interaktionen, auch auf die Gefahr hin, dass Missverständnisse entstehen können. Die darauf folgende Assimilationsstufe führt zu einer negativen Haltung gegenüber der Herkunftsgruppe und -nation. Es vollzieht sich eine Distanzierung gegenüber dem alten Gruppenleben und es wird eine weitere Annäherung zur neuen Bevölkerung versucht. Die vierte Stufe beinhaltet die Akkommodation, d. h. es vollzieht sich die äußerliche Anpassung und es kommt zur Rollenübernahme. Jedoch identifizieren sich die MigrantInnen noch nicht mit diesem neuen Selbstbild. Es kann zur Überanpassung führen. In der fünften Phase entsteht erstmals die soziale Akzeptanz von Seiten der Aufnahmegruppe und dies führt zu einem gewissen Maß an Vertrautheit auf beiden Seiten. In der vorletzten Stufe kommt es zur Identifikation durch die Mitgliedschaft in dem sozialen System und in der Gesellschaft. In der siebten und letzten Stufe dieses Modells stimmen die MigrantInnen völlig mit den Normen des Einreiselandes überein und dadurch werden die MigrantInnen zu einem vollwertigen Mitglied der Gesellschaft. Dieses Stufenmodell wird von ExpertInnen als Richtlinie für den Assimilationsprozess von MigrantInnen angesehen. Die Stufen eins, vier und sieben können unter dem Begriff der kulturellen Assimilation zusammengefasst werden und die restlichen Stufen als soziale Assimilation.314 Bei der Assimilation spielen die anfängliche Fremdheit gegenüber dem Einreiseland mit seinen anderen Sitten, Gebräuchen und Sprachen und der Umgang damit eine tragende Rolle. Wenn sich die MigrantInnen an diese Alltagssituation gewöhnt haben, setzt erneut die Fremdheit ein. Doch bei der zweiten Form von Fremdheit handelt es sich um die einsetzende Fremdheit gegenüber den eigenen Wurzeln und der Herkunftsnation. Dieser Wechsel von Fremdheit gegenüber dem Neuen und dann gegenüber dem Alten führt bei den meisten MigrantInnen zu einer großen Unsicherheit und Instabilität.315 Die ArbeitsmigrantInnen der zweiten und dritten Generation sind von diesem Assimilationsprozess größtenteils nicht betroffen, da ihre Eltern bzw. Großeltern eingewandert sind und die nachfolgenden Generationen schon seit ihrer Geburt in Österreich leben. Deshalb zeigt sich auch bei den Interviews der vorliegenden Arbeit, dass die Befragten die österreichischen Traditionen und Wertvorstellungen schon von Kindheit auf kennen. Zusätzlich gibt es bei den MigrantInnen der zweiten und dritten Gene-

313

vgl. Treibel 2003, S. 84

314

vgl. ebd., S. 95

315

vgl. ebd., S. 103

Industrial Culture - Cultural Industries

91

Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

ration keine vordergründigen Sprachbarrieren mehr, weil entweder die Eltern die deutsche Sprache schon adaptiert und die Kinder sie somit gelernt haben oder ihnen die Sprache schon in der Schule beigebracht wurde.

5.3

Migrationsanlass - GastarbeiterInnenbewegung

Der Ausspruch "Wanderung ist Leben und Fortschritt - Sesshaftigkeit ist Stagnation"316 war von maßgeblicher Bedeutung in den Anfängen der Arbeitsmigration. Bei den interviewten Personen zeigt sich, dass die meisten von ihnen zur Antwort gaben, dass ihre Eltern aus wirtschaftlichen bzw. beruflichen Gründen ihr Heimatland verlassen hatten. Einer der Interviewpartner bemerkte auch, dass ein gewisser Pioniergeist dahinter steckte und man die Arbeit im Aufnahmeland als die große Chance betrachtete.317 In Österreich wurde erst in den 1960er-Jahren jene Bewegung, welche als GastarbeiterInnenbewegung bezeichnet wurde, wirksam. Ursprünglich besagte die Gastarbeit, so wie es vom Begriff bereits impliziert wird, einen eher kurzfristigen Aufenthalt im jeweiligen Einwanderungsland. Meist erstreckte sich dieser jedoch über einen längeren Zeitraum als es im Vorfeld geplant war. Und so wurde aus den ökonomischen Einwanderungsgründen eine Art Lebensprojekt und aus der Gastarbeit resultierte die Niederlassung im jeweiligen Aufnahmeland.318 Jene MigrantInnen, welche bis zum Anwerbestopp gekommen waren, werden als erste Generation bezeichnet. Kinder und Kindeskinder, die von GastarbeiterInnen in den Aufnahmegesellschaften geboren wurden, werden als zweite bzw. dritte Generation bezeichnet.319 Die Kinder der zweiten Generation müssen jedoch nicht unbedingt in Österreich geboren sein, zu ihnen zählen auch jene, welche vor dem schulpflichtigen Alter eingewandert sind. Diese Gruppe untergliedert sich weiters in jene, welche als österreichische StaatsbürgerInnen geboren wurden, jene, welche eingebürgert wurden und jene, welche keine österreichische Staatsbürgerschaft besitzen.320 Welche Motive bzw. Erwartungen sich hinter der Einwanderung in ein fremdes Land verbergen können, soll im folgenden kurz dargestellt werden. Wie die InterviewpartnerInnen erwähnen, spielt neben der Hoffnung auf bessere Beschäftigungs-, Einkommens- und Informationsmöglichkeiten auch der Wunsch nach sozialer Statusverbesserung eine wesentliche Rolle für das Verlassen des eigenen Landes. Neben den ökonomischen Faktoren sind damit auch persönliche Beziehungen zu Verwandten oder Bekannten angesprochen, welche bereits eingewandert sind und Informationen über die Zielregion liefern. Das Ziel der Wanderung ist demnach sehr stark von bestehenden Kontakten abhängig.

316

vgl. Ravenstein 1972, S. 86 in Treibel 2003, S. 44

317

vgl. Interview mit Uzunkaya 2007

318

vgl. Treibel 2003, S. 129

319

vgl. ebd.

320

vgl. Herzog-Punzenberger 2003, S. 7

92

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

Die MigrantInnen haben sich gewisse Wunschvorstellungen von der neuen Heimat ausgemalt, welche jedoch oftmals der Realität nicht entsprechen. Es entwickelt sich eine gewisse Eigendynamik im Kontext der Auswanderung und es kommt zur Migration, wenn es der Gesellschaft nicht mehr gelingt, die Erwartungen ihrer Mitglieder zu erfüllen. Folgende vier Faktoren können dabei als Anlass für Migration gesehen werden:321 Die physische Existenz eines Wanderers und seiner Familie scheint nicht mehr gesichert zu sein. Die institutionelle Struktur kann materielle Ziele nicht mehr gewährleisten. Der politisch-ideologische Bereich Gewisse Lebensvorstellungen gelangen nicht mehr zur Verwirklichung.

5.4

5.4.1

Situation von MigrantInnen

Situation von MigrantInnen am Arbeitsmarkt

Anhand der geführten Interviews wurde ansatzweise ersichtlich, dass auch in Linz der Arbeitsmarkt ethnisch segmentiert ist. Ethnische Segmentierung bedeutet, dass Menschen aufgrund ihrer ethnischen Herkunft bestimmten Berufssparten zugeteilt werden. Diese Segmentierung basiert jedoch nicht auf Qualifikationen sondern richtet sich meistens nur nach der Herkunft. Auch die zweite und dritte Generation ist sehr oft noch in jenen Branchen tätig, die nicht ihrem Ausbildungsgrad entsprechen. Jene Branchen, wo MigrantInnen am häufigsten beschäftigt sind, sind die Bau- sowie die Metall- und Stahlbranche. Laut Mümtaz Karakurt, Geschäftsführer des oberösterreichischen MigrantInnenzentrums Migrare, sind 80 Prozent der MigrantInnen in diesen Branchen tätig. Es wurde oftmals die rechtliche und soziale Stellung der Eltern übernommen obwohl es bereits viel mehr FacharbeiterInnen in der zweiten und dritten Generation gibt.322 Im Vergleich dazu sind Jugendliche österreichischer Herkunft sehr häufig in der Land- und Forstwirtschaft, im Kredit- und Bankenwesen, in der öffentlichen Verwaltung und im Unterrichtswesen vertreten, jedoch seltener in der Textil-, Leder- und Bekleidungsindustrie sowie in der chemischen Industrie. Kinder türkischer GastarbeiterInnen sind beispielsweise daher in weitaus häufigerem Ausmaß in der Textil-, Leder- und Bekleidungsindustrie, in der Chemieindustrie, der Nahrungsmittelerzeugung und im Handel beschäftigt.323 Laut Karakurt sind zusätzlich zu den schlechteren Berufschancen auch die Bil-

321

vgl. Treibel, 2003, S. 41 f.

322

vgl. Interview mit Karakurt 2007

323

vgl. Biffl 2004, S. 52

Industrial Culture - Cultural Industries

93

Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

dungschancen der zweiten und dritten Generation geringer als jene der Kinder und Jugendlichen mit österreichischem Hintergrund.324 Meist werden jene Berufs- und Beschäftigungslaufbahnen, welche von den Eltern eingeschlagen worden sind, von den Kindern weitergeführt, wobei deren Eltern meist in schlechteren Branchen tätig sind. Das Bild der ethnischen Segmentierung am Arbeitsmarkt spiegelt sich auch bei den geführten Interviews wieder. So geben drei der Befragten an: "Meine Mutter war Verkäuferin und mein Vater Angestellter in einer Fabrik."325, "Mein Vater ist LKW-Fahrer und meine Mutter arbeitet in einer Hühnerverpackungsfabrik."326 und "Mein Vater arbeitet in der Voest und meine Mutter beim Merkur."327 Sie werden somit zur Arbeiterschicht gezählt und verdienen auch weniger, was wiederum Auswirkungen auf die Aus- und Weiterbildung ihrer Kinder hat. Auch die Benotung in den Schulen hängt sehr häufig vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern ab und wirkt sich somit auf die Weiterbildung der Kinder aus.328 5.4.2

Probleme von MigrantInnen am Arbeitsmarkt

Von Sprachproblemen kann heute nicht mehr in dem Ausmaß gesprochen werden wie in der ersten Generation. Im Allgemeinen sprechen die MigrantInnen der zweiten und dritten Generation sogar besser Deutsch als ihre Muttersprache, obwohl es natürlich auch immer noch einige gibt, welche die deutsche Sprache nicht erlernen möchten.329 Ein wesentliches Problem stellt jedoch die Stigmatisierung aufgrund der ethnischen Herkunft dar. Eine der befragten MigrantInnen beschreibt ihre Situation folgendermaßen: "Also ich befürchte, dass meine Chancen nach der Ausbildung nicht die Besten sind, da ich bereits 39 Bewerbungen weggeschickt habe und bis jetzt nur Absagen zurückbekommen habe. Leider. Bei meinem vorherigen Beruf habe ich 330

auch bemerkt, dass es schon schwierig ist, als Migrantin eine Stelle zu finden."

MigrantInnen der zweiten und dritten Generation fällt es auch wesentlich schwerer, Lehrstellen zu finden als gleichaltrigen Personen mit österreichischem Hintergrund. Den GastarbeiterInnenkindern wird zugeschrieben, dass sie generell Defizitträger sind und speziell schulische Förderungen aufgrund ihrer Herkunft benötigen. Leider werden dabei oft persönliche Probleme sowie Fähigkeiten außer Acht gelassen.331 Der Anteil der MigrantInnen ist besonders in den Sonderschulen ziemlich hoch. Es ist ihnen daher oftmals nicht möglich, einen adäquaten Bildungsabschluss zu erlangen, wodurch wiederum der Ein-

324

vgl. Interview mit Karakurt 2007

325

vgl. Interview mit Jahic 2007

326

vgl. Interview mit Tesevic 2007

327

vgl. Interview mit Demirtas 2007

328

vgl. Interview mit Karakurt 2007

329

vgl. Interview mit Karakurt 2007 und Interview mit Jahic 2007

330

vgl. Interview mit Jahic 2007

331

vgl. Interview mit Karakurt 2007

94

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

stieg ins Erwerbsleben erschwert wird und der Einsatz von bildungs- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen zu einer Notwendigkeit wird. Wird diesem Prozedere jedoch nicht ausreichend entgegenzuwirken versucht, endet dies in einer sozialen und wirtschaftlichen Abhängigkeit der MigrantInnen.332 Das österreichische Bildungssystem reproduziert demnach auf diese Art und Weise eine "Unterschicht", da eine Überrepräsentation ex-jugoslawischer und vor allem türkischer Kinder in den österreichischen Sonderschulen keine Ausnahme darstellt.333 Dieses Nichtintegrieren einer großen Anzahl von Kindern migrantischer Herkunft in das Regelschulsystem führt zwar auf den ersten Blick zu einer Einsparung von Fördergeldern, langfristiges Resultat sind jedoch die wirtschaftlichen Verluste aufgrund der geringen Qualifikation der Arbeitskräfte.334 Biffl (2004) weist darauf hin, dass viele GastarbeiterInnenkinder überdurchschnittlich häufig eine Hauptschule besuchen, um im Anschluss rasch ins Berufsleben einsteigen zu können.335 Bei den geführten Interviews im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird dieser Befund verdeutlicht. So meinte eine von unseren interviewten Personen: "Ich habe die normale Pflichtschule mit der Hauptschule abgeschlossen und dann einen Lehrberuf als Elektroinstallateur ergriffen".336 Eine weitere der interviewten Personen erwähnte: "Ich war zuerst in der Volksschule, dann in der Hauptschule und danach ein Jahr in der HAK. Anschließend habe ich eine Lehre absolviert, als Dachdecker. Meine Lehre habe ich auch abgeschlossen und jetzt arbeite ich als Spannungstechniker."337 Dies resultiert zumeist aus der finanziellen Lage, in welcher sich die Eltern der MigrantInnen zweiter und dritter Generation befinden. Diese macht es notwendig, dass die Kinder so rasch als möglich etwas zum Familieneinkommen beitragen. Weiters wird vergleichsweise öfter eine Lehre als eine höhere Schule zur Weiterbildung gewählt. Auch der Anteil jener MigrantInnen, welche ihren Platz im Kunstund Kulturbereich gefunden haben, ist ein sehr geringer und meist werden die Werke von KünstlerInnen migrantischer Herkunft nur in den eigenen Gruppierungen bekannt gemacht. Dies kann mitunter ein Grund dafür sein, dass sie nicht von ihrer Kunst leben können.338 5.4.3

Diskriminierung von MigrantInnen - Vorurteile gegenüber MigrantInnen generell und am Arbeitsmarkt

In der Sozialpsychologie baut der Begriff "Vorurteil" auf einem Konzept der Einstellungen auf. Dieses Konzept beruht auf folgender Annahme: "Vorurteile sind Einstellungen, eine spezifische Kategorie negativer, feindseliger Einstellungen."339 Vorurteile sind gelernte und stabile Verhaltensdispositionen, die auf ein bestimmtes Objekt abzielen, in diesem Fall sind es Vorurteile gegenüber ArbeitsmigrantInnen. Diese Vorurteile ziehen bestimmte Verhaltensmuster nach sich.

332

vgl. Biffl 2004, S. 43

333

vgl. Herzog-Punzenberger 2003, S. 25

334

vgl. Biffl 2002, S. 540

335

vgl. Biffl 2004, S. 43

336

vgl. Interview mit Serbest 2007

337

vgl. Interview mit Demirtas 2007

338

vgl. Interview mit Karakurt 2007

339

vgl. Heckmann 1992, S. 120

Industrial Culture - Cultural Industries

95

Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

Unabdingbar für die Entstehung von Vorurteilen ist die Einteilung von Menschen in zwei Gruppen: in die "Wir-Gruppe" und in die "Andere-Gruppe". Diese "Andere-Gruppe" wird durch stereotype Klischees definiert und abgegrenzt. Die zugeschriebene Kennzeichnung kann aus dem Erscheinungsbild, körperlichen Merkmalen, der Sprache oder dem gesamten Gruppenbild entstehen. Das meist prägnanteste Merkmal, das MigrantInnen zugeschrieben wird, ist die Bedrohlichkeit. Die "Wir-Gruppe" lebt in ständiger Angst vor Überfremdung, sinkender Macht oder einer sinkenden Privilegiertenrolle in Sektoren wie Arbeitsmarkt, Wohnungssuche oder Heiratsmarkt. Diese Angst vor MigrantInnen wurde in den 1960er- und 1970er-Jahren durch politische Parolen wie "Stoppt die Ausländerüberflutung" oder ähnliches geschürt. Die damit suggerierte Bedrohung ist heute noch in den meisten Menschen fest verankert.340 Auf negativen Gefühlen beruhende Vorurteile führen meistens zu Diskriminierung ethnischer Minderheiten. Bei diesem kollektiven Verhalten gegenüber MigrantInnen wird der Gleichheitsgrundsatz verletzt und dies stellt eine Form der Diskriminierung dar. Diese negativen Emotionen werden oft in der Literatur als Überreste des instinktiven Verhaltens bezeichnet, doch die Anthropologie konnte bis heute diese These von Xenophobie nicht belegen.341 Die beiden geführten ExpertInneninterviews zeigen, dass die Bevölkerung zwar schon in einem gewissen Maße sensibilisiert ist, auf alltägliche Diskriminierung zu achten, jedoch die Offenheit gegenüber fremden Kulturen durch rassistische Wahlwerbung oder Berichterstattung immer wieder zunichte gemacht oder zumindest eingeschränkt wird. Die interviewten ExpertInnen sind sich einig, dass der Fremdenhass in den letzten Jahrzehnten insbesondere in den unteren Schichten der Bevölkerung geschürt wurde. Hauptverantwortlich dafür sind einzelne politische Parteien, die sich die Angst der wenigen qualifizierten Arbeitskräfte zu Nutzen machen. Dass die heftig diskutierte Arbeitslosenrate und die Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse ebenso wie die Angst vor dem Verlust des eigenen sozioökonomischen Status ein entscheidender Faktor ist, darf dabei nicht unerwähnt bleiben. MigrantInnen der zweiten und dritten Generation erfahren nach wie vor Diskriminierung, wenn es um die Jobsuche und Jobvermittlung aber auch um die betriebsinterne Hierarchie geht.342 Ein Problem stellt dabei das Erlangen einer ausreichenden Qualifikation dar, welches für MigrantInnen der zweiten und dritten Generation meist nur unter erschwerten Bedingungen stattfindet, denn oft wird ihnen auch nicht genug zugetraut. So merkt eine der befragten Personen im Interview an: "Hier, bei meiner Ausbildung, haben mir manche Lehrer schon gesagt, dass ich den Abschluss wegen meiner Sprache nicht schaffen werde, weil ich doch noch Probleme habe und noch Fehler beim Deutsch Sprechen mache. Weiters glauben manche Lehrer, dass ich aufgrund meiner bosnischen Herkunft die österreichischen Gesetze, die wir ja in manchen Fächern lernen müssen, nicht verstehen werde, weil die Gesetzestexte für mich zu kompliziert geschrieben 343

sind."

340

vgl. ebd., S. 121 ff.

341

vgl. Heckmann 1992, S. 124

342

vgl. Interview mit Karakurt 2007

343

Interview mit Jahic 2007

96

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

Eine weitere interviewte Person meint wiederum, dass er in der Hauptschule Probleme mit einer Lehrerin hatte, welche ihn unfair benotet habe. Er sei Klassenbester gewesen und hätte trotzdem immer eine Zwei in Mathematik bekommen. Er ist der Ansicht, dass dies damit zusammenhing, dass diese Lehrerin auf Personen mit migrantischer Herkunft nicht so gut zu sprechen gewesen sei.344 Auch Josef Kronister, Betriebsratsvorsitzender der voestalpine AG, sieht im Interview die größten Probleme in der Sprache und der schulischen Ausbildung. Auf die Kinder der zweiten und dritten Generation müsste in der Schule viel mehr eingegangen werden, um diese sprachlichen Barrieren zu beseitigen.345 Einer der interviewten migrantischen Künstler weist darauf hin, dass er aufgrund seiner Tätigkeit - zumindest in dem Umfeld, in dem er sich bewegt - mit dem nötigen Respekt behandelt werden würde.346 Auch in einem anderen Interview wird von den positiven Erlebnissen bezüglich Integration in der Arbeit in der Tanzgruppe erzählt: "Wir sind mehrere Leute, teils MigrantInnen, teils ÖsterreicherInnen und diese Mischung stört niemanden. Dass in der Tanzgruppe Leute mit migrantischem Hintergrund sind, bzw. dass die Gruppe gemischt ist, hat keinerlei Auswirkungen auf die Qualität. Kunst ist ein allgemeiner Begriff, der Leute aus verschiedenen Ländern verbinden kann."

347

Das übrige Umfeld hat für die kulturelle Tätigkeiten der MigrantInnen der zweiten und dritten Generation oft weniger Verständnis. Sie werden oftmals nicht als EinzelkünstlerInnen wahrgenommen, sondern in die Kategorie "multikuturelle Kunst" hineingezwängt. Die Abgrenzung gegenüber den Landsleuten im Kunst- und Kulturbereich scheint oft fast unmöglich und wird erst zur Realität wenn schon eine gewisse Popularität besteht. Karakurt kritisiert im Interview, dass vor allem durch politische Vorgehensweisen und rassistische Wahlwerbungen Integrationsfortschritte erschwert und kaputt gemacht. Er hofft allerdings, dass in Zukunft die Gesellschaft als vielfältig wahrgenommen wird und diese Vielfalt und Andersartigkeit Akzeptanz findet. Die Kunst und Kultur kann in diesem Zusammenhang als verbindend wirken, da Kunst keiner Nationalität und Sprachzugehörigkeit bedarf. Es können somit verschiedene Menschen zusammengeführt werden. Entstehen jedoch bei Kunst und Kultur Zugangsbarrieren, kann dies die Differenzen erhöhen und die Kluft zwischen verschiedenen Gruppierungen vergrößern.348 Die Interviews mit MigrantInnen der zweiten und dritten Generation ergaben, dass nach wie vor Situationen erlebt werden, in denen sie benachteiligt werden. Eine der interviewten Frauen meint beispielsweise, dass sie sich noch immer sehr stark als Migrantin fühlt, obwohl sie schon seit 15 Jahren in Linz leben würde und versucht hat, sich zu integrieren. Sie wird nach wie vor wie eine Fremde behandelt und hat auch mit Schwierigkeiten bei der Wohnungssuche zu kämpfen. Sie fühle sich durch ausländerfeindliche Sprüche persönlich angegriffen und befindet es als sehr schlimm, dass es zur Zeit in Linz Viertel gibt, wo vorwiegend MigrantInnen wohnen, was dazu führt, dass sich so genannte

344

vgl. Interview mit Hr. Tesevic

345

vgl. Interview mit Hr. Kronister

346

vgl. Interview mit Hr. Serbest

347

Interview mit Hr. Demirtas

348

vgl. Interview mit Hr. Karakurt

Industrial Culture - Cultural Industries

97

Kapitel 5. Arbeit von Gästen - Die zweite und dritte Generation

Ghettos bilden und es den MigrantInnen nicht mehr möglich ist mit ÖsterreicherInnen in Kontakt zu treten wodurch die Integration erschwert wird.349 In einem anderen Interview wird erwähnt, dass die Person auch immer wieder erlebt, dass sie aufgrund ihrer migrantischen Herkunft diskriminiert wird, beispielsweise beim Fortgehen. Gerade wenn es Probleme mit Personen migrantischen Hintergrundes gegeben hat, werden alle anderen nichtösterreichischen Personen zur Verantwortung gezogen und beschuldigt. Dies führt sogar soweit, dass MigrantInnen in gewisse Linzer Lokale nicht mehr hinein dürfen.350

349

vgl. Interview mit Jahic 2007

350

vgl. Interview mit Demirtas 2007

98

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit Walter Baldinger, Patricia Denk, Thomas Leitner, Emina Staudinger, Christian Zeindlhofer

6.1

Einleitung

Das folgende Kapitel beschäftigt sich mit dem Thema "Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit". Zuerst wird der Begriff Mobilität durch Bezugnahme auf verschiedene AutorInnen und InterviewpartnerInnen näher beschrieben. Da das Thema sehr weitläufig ist, werden auch die wichtigsten Verbindungen von Mobilität mit der Umwelt, die geschichtliche Entwicklung von Mobilität sowie die heutige Mobilitätssituation behandelt. Auch die Nutzungsbereiche und Arten von Mobilität sind sehr unterschiedlich. Für die Erstellung der Arbeit wurden drei Linzer Künstler aus dem freischaffenden Bereich sowie drei MitarbeiterInnen der voestalpine AG und zwei Experten zum Thema befragt, um Besonderheiten im künstlerischen und industriellen Sektor hinsichtlich Mobilität aufzuzeigen und zu vergleichen. Es lassen sich einige Unterschiede erkennen, besonders im Bereich der Auswirkungen und Ursachen von Mobilität, welche im Text näher beleuchtet werden. Der Situation in Linz wird in diesem Bericht besondere Beachtung geschenkt, nicht zuletzt mit besonderem Fokus auf Linz als Europäische Kulturhauptstadt 2009.

6.2

6.2.1

Mobilität und Verkehr in Linz

Mobilität

Mobilität ist ein sehr vielseitiger Begriff, der auf verschiedene Art und Weise interpretiert und definiert werden kann. Aiginger (1980) versteht unter Mobilität jede Bewegung zwischen definierten Einheiten eines Systems.351 Franz (1984) wird hier konkreter. Für ihn ist Mobilität der Wechsel eines Individuums zwischen definierten Einheiten eines Systems.352 Mobilität kann auch als Gesamtheit von Ortsveränderungen verstanden werden.353 Die im Zuge der vorliegenden Arbeiten interviewten Personen haben noch genauere Vorstellungen von Mobilität. Sie definieren Mobilität eigentlich durchwegs als Möglichkeit von einem Ort zum ande-

351

vgl. Aiginger 1980, S. 25

352

vgl. Franz 1984, S. 24

353

vgl. Wissenschaft und Umwelt 2001, S. 69

Industrial Culture - Cultural Industries

99

Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

ren zu kommen. Ob nun auf dem Weg zum Arbeitsplatz oder in der Freizeit354, es ist für sie auch wichtig, ökologische Aspekte dabei zu beachten.355 Diese Bewegungsabläufe sind vor allem zur Lebenserhaltung essentiell.356 Bei den künstlerisch-kreativen InterviewpartnerInnen ist auch zu erkennen, dass diese eher auf Mobilität angewiesen sind als IndustriearbeiterInnen, da sie für die Berufsausübung oftmals unterschiedliche Wege zurücklegen müssen.357 Es hat sich zwar in den letzten Jahrzehnten die Infrastruktur sehr verändert, die Mobilität ist laut Schaufler (1993) jedoch immer noch der Weg, der zur Erledigung bestimmter Aktivitäten dient.358 Früher wurde Mobilität anders als heute wahrgenommen. Dieser Begriff war lange Zeit sehr negativ besetzt. Er wurde ursprünglich für Krieger verwendet, die oft weite Reisen unternahmen. Da diese sehr gefährlich waren, wurde der Begriff negativ assoziiert.359 Vom Begriff wie wir ihn heute kennen, war damals noch nicht die Rede. Mobilität war damals nur für Krieger oder Personen, die ausreichend finanzielle Mittel besaßen, möglich. Mobilität war eher bekannt als räumliche Mobilität in Form von Wanderungen um z. B. den Wohnsitz zu wechseln.360 Der Begriff Mobilität wie er heute gesehen wird, wurde erst zu Beginn der Industrialisierung bekannt. Durch den wirtschaftlichen Aufschwung siedelten sich immer mehr Unternehmen in den Städten an. Betriebe in den umliegenden Gegenden wurden immer weniger und so waren die ArbeitnehmerInnen mehr oder weniger gezwungen, in die Städte zu fahren.361 Mittlerweile wird Mobilität als durchwegs positiver Begriff wahrgenommen. Dies gilt vor allem für jenen Teil der Gesellschaft, der bereits mobil ist.362 Bei den interviewten Personen kann man diese positive Einstellung auch klar erkennen.363 Mobilität gehört heute für viele schon zur Routine. Dies äußert sich auch in der Aussage von Franz (1984), der meint, dass die modernen Menschen heute mobiler sind als die Menschen vergangener Zeiten.364 Das 21. Jahrhundert wird auch gerne als das Zeitalter der Mobilität bezeichnet. Noch nie sind so viele Menschen, fast bewegungslos sitzend, über so große Distanzen transportiert worden, wie heute. Diese physische Mobilität ist ein großer Wunschtraum der Menschheit und sie wird mit Begeisterung von der Gesellschaft, den TechnikerInnen, der Wirtschaft und der Politik gelebt.

354

vgl. Interview mit Rath 2007, Interview mit Aspelmayr 2007, Interview mit Schütz 2007, Interview mit Himmelbauer 2007, Interview mit Spannring 2007

355

vgl. Interview mit Himmelbauer 2007

356

vgl. Interview mit Harrer 2007

357

vgl. Interview mit Puntigam 2007

358

vgl. Schaufler 1993, S. 109

359

vgl. Wissenschaft und Umwelt 2001, S. 8

360

vgl. Eder et al. 1982, S. 9

361

vgl. Denz/Kutzenberger 1978, S. 12 ff.

362

vgl. Aiginger 1980, S. 80

363

vgl. Interview mit Rath 2007, Interview mit Aspelmayr 2007, Interview mit Schütz 2007, Interview mit Himmelbauer 2007, Interview mit Spannring 2007

364

vgl. Franz 1984, S. 37 ff.

100

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

Jedoch hat dieser Fortschritt auch seine Schattenseiten. Wie bereits erwähnt, ist hier vorwiegend die Ökologie zu betrachten. Das Wertesystem der Gesellschaft ändert sich durch zunehmende Verschmutzung und Lärmbelastung immer mehr. Ökologie und Umweltschutz werden verstärkt zum Thema, auch in politischen Diskussionen.365 Die einseitige Entwicklung des motorisierten Individualverkehrs ist eine große Herausforderung für die Stadtpolitik.366 Dies wird laut Schaufler (1993) auch in der Zukunft immer mehr zum Problem, denn die Autos werden größer, die Motoren stärker und die durchschnittliche Geschwindigkeit stagniert oder verringert sich sogar. Dies führt dazu, dass immer mehr Menschen zwar moderne Autos haben, ihnen dies aber oft nichts nützt, da sie immer öfter im Stau stehen werden.367 Mobilität setzt in gewisser Weise auch Flexibilität voraus, zu der nicht jedeR bereit ist. Es ist auch nicht jedeR anpassungsfähig genug um Mobilität zu "leben". Mobilität hängt von den Entscheidungen der Menschen ab und es gibt durchaus Personen, die sich bewusst oder unbewusst gegen (übermäßige) Mobilität entscheiden. Natürlich ist kein Mensch gänzlich vor Mobilität gefeit, jedoch kann man diese reduzieren, in dem man, sofern es die wirtschaftliche Lage zulässt, den Arbeitsweg so kurz wie möglich gestaltet.368 Doch nicht nur das Individuum trägt zum Mobilitätshemmnis bei, auch die Vorraussetzungen der Außenwelt, besonders in der Berufswelt, können die Mobilität beeinflussen.369 Unter räumlicher Mobilität versteht man vor allem die Pendlermobilität. Als Pendeln wird eine Wanderung ohne Wohnsitzwechsel bezeichnet. Hauptkriterium der Pendelwanderung ist das Überschreiten einer Gemeindegrenze. In letzter Zeit wird aber auch vermehrt der zurückgelegte Arbeitsweg bzw. dessen Länge und/oder die dafür aufgewendete Zeit untersucht und als Kriterium für die Pendelwanderung deklariert.370 Betrachtet man die Pendlerwanderung in Linz, so hatten am Stichtag der Volkszählung von 2001 insgesamt 360.139 der 601.654 oberösterreichischen Erwerbstätigen ihren Arbeitsplatz außerhalb ihres Wohnortes. Knappe 60 % (59,9) der Erwerbstätigen zählen daher zur Gruppe der AuspendlerInnen. 40,1 % hatten hingegen ihren Arbeitsplatz innerhalb ihrer Wohngemeinde. Innerhalb der Gruppe der AuspendlerInnen lag der Arbeitsplatz bei 22,6 % innerhalb, bei einem guten Drittel außerhalb der Wohnbezirksgemeinde. Darüber hinaus pendelt jedeR zwanzigste oberösterreichische Erwerbstätige in ein anderes Bundesland und 2,1 % sogar ins Ausland. 31,2 % Gemeinde-BinnenpendlerInnen sowie 8,9 % NichtpendlerInnen (hierzu befindet sich die Arbeitsstätte am Wohngrundstück) charakterisieren letztendlich die prozentuelle Zusammensetzung der Erwerbstätigen an Wohngemeindearbeitsplätzen. Ein Vergleich der Volkszählungsergebnisse von 2001 mit denen von 1991 zeigt deutlich, dass

365

vgl. Wissenschaft und Umwelt 2001, S. 13

366

vgl. Schaufler 1993, S. 86

367

vgl. ebd., S. 76

368

vgl. Aiginger 1980, S. 112

369

vgl. ebd., S. 145

370

vgl. Eder et al. 1982, S. 35

Industrial Culture - Cultural Industries

101

Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

die Gruppe der NichtpendlerInnen (- 31,1 %) und Gemeinde-BinnenpendlerInnen (- 7.9 %) jeweils anteilsmäßig gesunken, die Gruppe der AuspendlerInnen (+ 18,7 %) gestiegen ist.371 Die Landeshauptstadt Linz verkörpert das zentrale Arbeitsplatzzentrum in Oberösterreich. Manifestiert durch den 186,7-%igen Index des Pendlersaldos von 2001 gibt es in Linz fast doppelt so viele Arbeitsplätze als es in der Stadt wohnhafte Erwerbstätige gibt. Dieses große Arbeitsplatzangebot verdeutlicht umso mehr auch die hohe vorliegende Einpendlerfrequenz. Regelmäßig pendeln 87.084 Erwerbstätige, das sind rund ein Viertel aller oberösterreichischen AuspendlerInnen, zu ihrer Linzer Arbeits- und Dienststätte.372 6.2.2

Verkehr

Die Begriffe Mobilität und Verkehr werden oft vermischt. Beim Begriff Verkehr geht es um die Gesamtheit aller Vorgänge, die zur Raumüberwindung dienen. Diese Raumüberwindung zeigt Wechselbeziehungen zwischen Verkehrsmitteln und den räumlichen Strukturen.373 Diese Bewegungsvorgänge werden mit Transportmitteln durchgeführt. Im Gegensatz dazu steht der Begriff Mobilität, der nicht zwangsläufig Transportmittel für die Bewegungsabläufe vorsieht.374 Die ansteigende Mobilität hat auch Auswirkungen auf die Ökologie. Das Ziel ist hier, den Infrastrukturausbau im Sinne der Nachhaltigkeit bzw. einer nachhaltig wirkenden Verkehrs- und Siedlungsstruktur zu gestalten.375 Das Mobilitätssystem wird durch die individuellen Entscheidungen von unterschiedlichen Gruppen beeinflusst, da jedeR eigene Interessen hat. Das heißt der Mensch gestaltet durch sein Handeln die Außenwelt mit. Die Komplexität der Umwelt ist um einiges höher als die des Verkehrssystems. Die Schwierigkeit ist daher, die wichtigen Eigenschaften des Ökosystems nicht zu beeinträchtigen. Dies ist aufgrund der hohen Komplexität aber leider nicht möglich.376 Um die Herausforderungen der Mobilität zu bewältigen, muss auch die Verkehrspolitik ihren Beitrag dazu leisten. Hierbei ist es wichtig die Vorraussetzungen für ein mobiles Miteinander zu schaffen, indem die benötigte Infrastruktur bereitgestellt wird. Das heißt unter anderem essentielle Verkehrswege für die Wirtschaft sowie für den privaten Bereich bereitzustellen und wie bereits erwähnt zur Verbesserung des Umweltschutzes z. B. durch nachhaltigeren Verkehrsbau, Verkehrsvermeidung oder Verkehrsverlagerung auf umweltfreundlichere Verkehrsträger beizutragen. Verkehrssicherheit ist ebenfalls ein wichtiger Faktor der Verkehrspolitik. Unfälle fordern Jahr für Jahr große Sach- und Personenschäden, welche auch Auswirkungen auf andere haben, da jeder Unfall Zeit, Geld oder auch Gesundheit kostet. Es ist des Weiteren unerlässlich in den verschiedenen Regionen vergleichbare Verkehrs-

371

vgl. Land Oberösterreich 2005, S. 90

372

vgl. ebd., S. 100 und S. 102

373

vgl. Wissenschaft und Umwelt 2001, S. 35

374

vgl. ebd., S. 3 ff.

375

vgl. ebd., S. 89 ff.

376

vgl. ebd., S. 93 ff.

102

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

infrastrukturbedingungen zu schaffen, um jeder Person die gleichen Mobilitätsvoraussetzungen zu bieten.377 Aufgrund von Wirtschaftswachstum und der steigenden Bereitschaft der Menschen mobil zu sein, ist es vielen eher möglich den Beruf ihrer Wahl zu ergreifen. Das heißt, sie sind nicht an örtliche Gegebenheiten gebunden. Dies ist ein wichtiger Faktor von Mobilität.378 Wirtschaftsentwicklung und Verkehrsentwicklung gehen also stets Hand in Hand. Angefangen von zunehmender Mobilität der ArbeitnehmerInnen, die zum Arbeitsplatz fahren bis hin zum zunehmenden Transport von Produkten.379 Wirtschaftswachstum und Verkehr haben sowohl negative als auch positive Komponenten. Zu den positiven gehören etwa die zunehmende Flexibilität der Menschen, die einfachere Verwirklichung von Karrierewünschen und die problemlosere Überwindung größerer Distanzen. Negative Faktoren wären die Zunahme der CO2-Emissionen, die Erhöhung externer Kosten für den Verkehrsausbau und natürlich hiermit auch die zusätzlichen Kosten für die VerkehrsteilnehmerInnen welche auch Teile dieser Kosten tragen müssen (z. B. Autobahnvignette).380 Der positive Aspekt der Flexibilität könnte auch negativ interpretiert werden, denn Mobilität führt auch zu zusätzlicher Belastung und Druck.381 Hier ist noch einmal anzumerken, dass Mobilität als solches nicht zwangsläufig die Autonutzung voraussetzt, sondern jegliche Fortbewegung beinhaltet.382 Lange Zeit hindurch prägten vorrangig die angesiedelten Großbetriebe und Konzerne das Verkehrsgeschehen in der Stadt und Region Linz. Ausgeprägte Spitzen im Berufsverkehr dominierten demnach das Bild. Die Abnahme der Industrialisierung, die Dynamik des Dienstleistungssektors sowie die Flexibilisierung brachten infolge eine Schwächung dieser Verkehrsspitzen. Die einsetzende Suburbanisierung und die Veränderungen im Verkehrsverhalten der Bevölkerung verstärkten darüber hinaus den Wandel der Verkehrssituation während der letzten Jahre.383 Als zentrale Einflussgrößen in der heutigen Verkehrsituation gelten primär die Siedlungsentwicklungen im Linzer Umland, die soziodemografischen Trends sowie die Mobilität. Nicht zu vergessen ist jedoch auch die Einwirkungskraft der Verkehrspolitik mit all ihren Rahmenbedingungen, Erfolgen und Unterlassungen.384 Im Wesentlichen setzten sich die Verkehrsbeziehungen des Großraumes Linz aus Fahrten zusammen die zwischen der Stadt und den umliegenden Region (Ziel- und Quellverkehr), innerhalb von Linz (Binnenverkehr) und durch die Stadt (Durchzugsverkehr) stattfinden.385

377

vgl. Schaufler 1993, S. 154 ff.

378

vgl. Aiginger 1980, S. 11 ff.

379

vgl. Wissenschaft und Umwelt 2001, S. 19 ff.

380

vgl. Schaufler 1993, S. 94 ff.

381

vgl. Dienel/Trischler 1997, S. 59

382

vgl. Schaufler 1993, S. 109

383

vgl. Magistrat der Stadt Linz 2007a

384

vgl. Magistrat der Stadt Linz 2007b

385

vgl. ebd.

Industrial Culture - Cultural Industries

103

Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

Die fortschreitende Verlagerung der Nutzungen an die Peripherie und in das Umland von Linz gilt als wesentlicher Wirkungstatbestand in der heutigen und zukünftigen Linzer Verkehrssituation. Räumlich können diesbezüglich erhebliche Unterschiede festgestellt werden: Wandern einerseits nördlich der Donau fast ausschließlich Wohnungsnutzungen nach außen, so entwickelt sich hingegen im Süden eine zersiedelte Landschaft mit vorwiegend Einkaufseinrichtungen, Betrieben und auch neuen Wohngebieten. Eine verkehrspolitische Problematik zeigt sich insbesondere dadurch, dass all zu oft die derzeitige Siedlungsentwicklung abseits der öffentlichen Verkehrsmittel stattfindet. Am Auto orientierte Verkehrsbeziehungen sind die logische und gleichsam erzwungene Folge. Die Zunahme des Gesamtverkehrs und der Fahrstrecken, des Einkaufsverkehrs mit dem Auto, sowie Fahrten entlang des Stadtrandes sind die spezifischen, allesamt den Autoverkehr begünstigenden Trends.386 Ein Grund für den steigenden Verkehr sind ebenso die Menschen selbst. Viele fahren mit dem Auto in die Stadt obwohl dies oft gar nicht nötig wäre, da sie mit dem öffentlichen Verkehrsmittel fahren könnten.387 Es macht sich durch den steigenden Verkehr eine zusätzliche Platznot bemerkbar, da immer mehr Parkplätze zu Verfügung gestellt werden müssen und dies gerade in der Innenstadt, aufgrund begrenzter Flächen, ein großes Problem darstellt. Wenn man es genau betrachtet, ist das Auto eigentlich kein Fahrmittel sondern ein Stehmittel, da das Auto etwa durchschnittlich 90 % der Zeit steht und nur zu 10 % genutzt wird.388 Die Autobelastung nimmt laut dem grünen Stadtrat und Vorsitzenden des Mobilitätsausschusses Jürgen Himmelbauer immer mehr zu und es wird zukünftig mit 30 % mehr Verkehr in Linz gerechnet. Besonders negativ ist dies für Leute, die direkt in der Stadt wohnen. Es gibt auch schon Bürgerinitiativen welche fordern, dass nur noch der Anliegerverkehr durch bestimmte Straßen fahren darf bzw. dass Temporeduktionen vermehrt durchgeführt werden.389 Ebenso nehmen Zeitverluste, zusätzliche KfzBetriebskosten, Unfallrisiken sowie Umweltbelastungen durch übermäßigen Verkehr zu.390 Natürlich hat eine höhere Verkehrsfrequenz auch negative Folgen für die Infrastruktur wie etwa die der Straßenreparatur und -sanierung.391 In Linz prägt die weitere Zunahme des Autoverkehrs die Verkehrssituation. Im Vergleich mit anderen österreichischen Städten liegt Linz bei den motorisierten Individualverkehrswegen mit 49 % im Spitzenfeld. Innerstädtisch wird derzeit jeder zweite Weg mit dem Auto zurückgelegt. Dem gegenüber wird nur jeder vierte Weg mit einem öffentlichen Verkehrsmittel bewältigt.392 Der Anteil des Radverkehrs ist mit 6 % an den Gesamtverkehrswegen vergleichsweise gering.393 Die hoch gesetzten Erwartungen in den öffentlichen Verkehr fanden demzufolge bislang keine Erfüllung.394

386

vgl. ebd.

387

vgl. Interview mit Schütz 2007

388

vgl. Wissenschaft und Umwelt 2001, S. 26

389

vgl. Interview mit Himmelbauer 2007

390

vgl. Bickel/Friedrich 1994, S. 96

391

vgl. ebd. 1994, S. 94

392

vgl. Magistrat der Stadt Linz 2007a

393

vgl. Magistrat der Stadt Linz 2007a

394

vgl. ebd.

104

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

Als verkehrsübergreifendes Konzept aus dem Jahre 1992 versteht sich der Linzer Verkehrsentwicklungsplan als Planungs- und Informationsinstrumentarium für die Verkehrspolitik. Im Wesentlichen verinnerlicht der Entwicklungsplan die Absicht eines ausgewogenen Verkehrssystems und die Abkehr von der Autoorientiertheit. Eine möglichst autofreie Innenstadt, ein genereller Vorrang für den öffentlichen Verkehr sowie für alternative Antriebsformen bilden im Besonderen die Kernbereiche. Obwohl einige Bereiche des Verkehrsentwicklungsplanes in der Vergangenheit erfolgreich umgesetzt werden konnten (etwa die Parkraumbewirtschaftung oder die Angebotsverbesserungen der Linz Linien) gelang die Umsetzung bisher nicht zur Gänze.395 Insbesondere im Hinblick auf eine vorausschauende Verkehrspolitik und neu verbreitete Wirkungsmechanismen (wie etwa die der derzeitigen Siedlungsentwicklung) bedarf es spezieller Impulse und alternativer Ansatzpunkte.396

6.3

Mobilitätstypen und ihre Aktionsräume

Mobilität ist nicht nur in einem geographischen Aspekt zu begreifen, sondern auch in einem sozialen Zusammenhang zu sehen. Mit Hilfe eines Aktionsraumkonzeptes soll es gelingen, diese soziale Dimension zu erfassen und getrennt von der räumlichen Mobilität zu verstehen. Es wird davon ausgegangen, dass jede mobilitätsfähige Einheit im Zeitablauf verschiedene Aktivitäten durchführt.397 6.3.1

Arten von Aktionsräumen

Es musste z .B. der interviewte freischaffende Künstler Eugen Hofbauer, als er in Karenz war, seine ältere Tochter jeden Morgen in die Schule und seine Frau zur Arbeit bringen und zwischendurch gelegentlich auch einkaufen gehen. Das Kind kam dann am Nachmittag mit seiner Frau zurück. Anschließend gingen sie vielleicht noch auf den Spielplatz und dann noch eventuell, wie dies auch beim Angestellten der voestalpine AG, Heinz Rath, manchmal der Fall ist, abends noch mit Freunden aus usw.398 Die verschiedenen Aktivitätsorte sind mit der räumlichen Mobilität der einzelnen Personen verbunden. Auf diese Weise erhält man individuelle und auch familiäre Aktionsräume, die einfach eine Verknüpfung verschiedener Aktivitäten an verschiedenen Standorten darstellen.399 Der Bezugspunkt des individuellen und familiären Aktionsraumes wird in der Regel der Wohnstandort sein. Von hier aus erfolgen auch die meisten Bewegungsvorgänge. Andere wichtige Aktivitäten, die in diesem Zusammenhang noch erwähnenswert wären, sind: Wohnen, Arbeiten, Freizeit und Bildung. Der interviewte Linzer Gemeinderat Markus Spannring hält die Aufgliederung in diese vier zusätzlichen Aktivitäten hinsichtlich des Hinkommens und des Wegkommens vom Arbeitsplatz, zu kulturellen

395

vgl. ebd.

396

vgl. ebd.

397

vgl. Franz 1984, S. 32

398

vgl. Interview mit Hofbauer 2007, Interview mit Rath 2007

399

vgl. Franz 1984, S. 32

Industrial Culture - Cultural Industries

105

Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

Angeboten, zu Bildungsangeboten, zu Freizeitmöglichkeiten und zum Konsumieren, ebenfalls für sehr wichtig.400 6.3.2

Typologisierung

Es ist nicht einfach, die Mobilitätstypen in ihren familiären und individuellen Aktions-, Wohn-, Arbeits-, Freizeit- und Bildungsräumen zu typologisieren. Franz (1984) gibt eine Übersicht nach Mackensen et al. (1975), bei der verschiedene Mobilitätstypen aufgelistet werden. Dies ist eine Typologie kombinierter, räumlicher und sozialer Mobilität, wo versucht wird, eine Typologisierung zu erreichen. Diese Klassifizierung nach Mackensen et al. sieht am Ende eine Einteilung in Mobilitätstypen A-J vor.401 Es handelt sich hierbei wohlgemerkt nur um einen Versuch, Mobilität zu typisieren und zwar vor dem empirischen Studienbeginn. Wie Franz (1984) beschreibt, gab es früher schon zahlreiche Versuche, die Vielfalt von räumlichen Bewegungen zu Typen zusammenzufassen, was sich letztlich als sehr schwierig herausgestellt hat, da eine Vielzahl an Typisierungsmöglichkeiten besteht. Es gab das Ravenstein Typisierungsschema, dann eine Weiterführung dieses Schemas durch Fairchild, Heberle und Petersen. Bei den letzten beiden wird auch die historische Dimension miteinbezogen. All diese Typologisierungsschemen waren zu global ausgerichtet. Deshalb entfernte man sich wieder von diesen und versuchte, nach empirischen Studien Mobilitätstypen zu ordnen. Es wird also davon ausgegangen, nicht alle denkbaren Fälle zu untersuchen, sondern nur bestimmte Typen.402 Auch bei den InterviewpartnerInnen gibt es kein einheitliches Typologisierungsschema. Es werden lediglich die verschiedenen Mobilitätstypen anhand der Befragungen aufgezeigt, beschrieben wie Mobilität in diesen konkreten Fällen aussieht und welche Anforderungen an diese Mobilitätstypen gestellt werden. 6.3.3

Mobilitätstypen der InterviewpartnerInnen

Eine Angestellte der voestalpine AG, Sylvia Aspelmayr, gehört zu den ArbeitspendlerInnen, die jeden Tag ca. eine halbe Stunde zu ihrem Arbeitsplatz zurücklegen müssen. Damit ist es aber noch nicht getan, denn aufgrund ihrer Arbeitstätigkeit kann es auch sein, dass sie Dienstreisen durchzuführen hat, welche eher unregelmäßig sind.403 Ähnlich ergibt sich die Situation für den bereits zuvor angesprochenen Angestellten in der voestalpine AG, Heinz Rath. Auch er muss jeden Tag den Weg zu seinem Arbeitsplatz zurücklegen. Aber in dieser konkreten Situation sieht es so aus, dass er sich zusätzlich auch regelmäßiger, fast einmal in der Woche, auf Geschäftsreise befindet.404

400

vgl. Interview mit Spannring 2007 und Franz 1984, S. 32

401

vgl. Franz 1984, S. 35

402

vgl. ebd., S. 50 ff.

403

vgl. Interview mit Aspelmayr 2007

404

vgl. Interview mit Rath 2007

106

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

Für den voestalpine-Arbeiter Bernhard Schütz ist die Situation ähnlich wie für Heinz Rath und Sylvia Aspelmayr. Auch er fährt jeden Tag zum Arbeitsplatz und wieder zurück. Der Unterschied bei dem Mobilitätstyp von Bernhard Schütz zu den anderen beiden Typen besteht darin, dass Schütz im Schichtbetrieb arbeitet. Noch vor einiger Zeit war diese Situation bei ihm nicht gegeben, denn damals hatte er eine Arbeit, die von ihm verlangte, sich ständig auf Montage zu begeben.405 Bei den interviewten freischaffenden KünstlerInnen verhält es sich so, dass es nur einen, ziemlich ähnlichen Mobilitätstyp gibt, der sich nur in einigen wenigen Punkten unterscheidet. Die erwähnten KünstlerInnen müssen nicht jeden Tag zu einem fixen Arbeitsplatz, da dieser nicht jeden Tag zwangsweise derselbe sein muss. Die Distanzen zwischen Wohn- und Arbeitsort können ständig variieren. Nur bei einem bestimmten Typus ist es so, dass diese beiden Aktionsräume über einen längeren Zeitraum die gleichen bleiben und zwar dann, wenn der Wohnort auch gleichzeitig der Arbeitsort ist.406 6.3.4

Mobilität der InterviewpartnerInnen im konkreten Fall

Die konkrete Situation von Sylvia Aspelmayr sieht so aus, dass sie an fünf Tagen in der Woche zweimal täglich die Strecke Ottensheim bis Linz zurücklegt. Bei guten Bedingungen benötigt sie für diese Strecke eine halbe Stunde, bei schlechteren Bedingungen benötigt sie dafür 45 Minuten. Manchmal kann es auch vorkommen, dass sie beruflich noch auf Dienstreise in anderen Städten dieser Welt unterwegs ist.407 Heinz Rath legt auch an fünf Tagen in der Woche die Strecke Wilhering bis Linz und retour zurück. Im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit ist er aber regelmäßiger im Ausland auf Geschäftsreise. Er begibt sich hierbei mit dem Auto oder mit dem Flugzeug in ausländische Staaten wie zum Beispiel nach Saudi-Arabien oder in die Türkei.408 Bernhard Schütz befindet sich, wie vorhin schon erwähnt, im Schichtbetrieb. Er muss also seine Wegstrecke zum Arbeitsplatz und wieder retour neunmal hintereinander, zweimal am Tag zurücklegen, danach hat er drei Tage frei. Er ist hierbei nicht immer auf das Auto angewiesen, denn bei Schönwetter fährt er mit dem Fahrrad, mit den Rollerblades oder er läuft zur Arbeit. Schütz weiß aber auch, aus seiner eigenen Montage-Erfahrung, dass ein Auto dabei unabkömmlich ist und wie es ist, wenn man für längere Zeit zum Arbeiten unterwegs ist und erst nach einer oder einigen Wochen wieder nach Hause kommt.409 Bei den interviewten freischaffenden KünstlerInnen kann es sein, wie dies z. B. bei Eugen Hofbauer, der sich hauptsächlich mit Malerei beschäftigt, mindestens viermal in der Woche der Fall ist, dass sie an jedem Tag eine andere Distanz und Strecke zu ihrem Arbeitsort zurückzulegen haben. Hofbauer hat konkret im Rahmen seiner Projekte damit zu tun, Kontakte aufzubauen. Diese Kontakttreffen kön-

405

vgl. Interview mit Schütz 2007

406

vgl. Interview mit Puntigam 2007, Interview mit Hofbauer 2007, Interview mit Harrer 2007

407

vgl. Interview mit Aspelmayr 2007

408

vgl. Interview mit Rath 2007

409

vgl. Interview mit Schütz 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

107

Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

nen im Inland sowie im Ausland stattfinden und deshalb ist er vermehrt auf ein flexibles Verkehrsmittel wie das Auto angewiesen. Mit Telefon oder E-Mail alleine würden solche Kontakte nicht zustande kommen. Das persönliche Gespräch hat für eineN KünstlerIn einen sehr hohen Stellenwert.410 Auch der Musiker und Photograph Werner Puntigam sieht Mobilität dahingehend, dass man auf sie angewiesen ist oder vielmehr noch gezwungen wird, mobil zu sein, denn die VeranstalterInnen und AuftraggeberInnen sind weit über die Stadt- und Landesgrenzen hinaus verstreut angesiedelt. Christoph Harrer, graphischer Gestalter und Photograph, hat fixe PartnerInnen beziehungsweise AuftraggeberInnen im In- und Ausland und auch er muss darauf achten, dass er zu den Teilnahmen an diesen Festivals oder Ausstellungen rechtzeitig gelangt, deshalb ist auch er vermehrt auf ein mobiles Verkehrsmittel angewiesen.411 6.3.5

Anforderungen an die Mobilitätstypen der InterviewpartnerInnen

Den individuellen Aktionsraum kann man, wenn man im Besitz eines Kraftfahrzeuges ist, stark erweitern. Weiter voneinander entfernte Aktivitätsstandorte, können in gleicher oder sogar in kürzerer Zeit erreicht werden, wie dies mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder auch unmotorisiert möglich wäre. Es sind aber hierbei einige Zwangsfaktoren zu berücksichtigen, welche die Aktionsraumflexibilität einschränken. Zum Beispiel gibt es Personen, die noch einer zweiten Beschäftigung nachgehen und so eine berufliche Doppelbelastung haben, also zweimal den Aktionsraum Arbeit in Kauf nehmen müssen. Weiters gibt es Personen, die sehr an ihrem langjährigen Wohnstandort festhalten, zum Beispiel wegen Grund- oder Hausbesitzes. Eine weitere Einschränkung, welche die Flexibilität des Aktionsraumes betrifft ist jene, dass vielen Personen nur der öffentliche Verkehr zur Verfügung steht. Es ist oft auch notwendig, falls sich mehrere Personen in einem Haushalt befinden, die individuellen Aktionsräume aufeinander abzustimmen.412 Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch noch, dass es Aktionsraumflexibilität mit einer hohen und einer niedrigeren Ausprägung gibt. Einige Personen müssen der räumlichen Entfernung kaum Beachtung schenken und können einen großen Handlungsspielraum ausnutzen, andere Personen wiederum haben einen geringen Handlungsspielraum mit einer nur geringen Aktionsraumflexibilität.413 Die Anforderung, die an Mobilitätstypen, wie die von Werner Puntigam, Christoph Harrer oder auch Eugen Hofbauer gestellt wird, ist ein hohes Maß an Mobilität von ihrer Seite her, da die VeranstalterInnen und AuftraggeberInnen oder auch PartnerInnen sehr weit verstreut angesiedelt sind.414 "Würde man sich nicht darüber hinaus, sondern nur auf sein unmittelbares Umfeld der zentralen Wohn- und Wirkungsstätte konzentrieren, dann würde die Auftragslage stagnieren", merkt Werner Puntigam in diesem Zusammenhang an.415 Denn eine gute Basis, um Projekte auch auf Dauer sichern zu können,

410

vgl. Interview mit Hofbauer 2007

411

vgl. Interview mit Puntigam 2007, Interview mit Harrer 2007

412

vgl. Franz 1984, S. 186 ff.

413

vgl. Franz 1984, S. 173

414

vgl. Interview mit Puntigam 2007, Interview mit Harrer 2007

415

Interview mit Puntigam 2007

108

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

bedarf eines persönlichen Gesprächs. "Von da her, ohne Auto würde es heutzutage nicht gehen",416 meint Christoph Harrer im Interview. Anforderungen, die an Mobilitätstypen wie Sylvia Aspelmayr oder auch Heinz Rath gestellt werden, sehen so aus, dass sie sehr weite Wege jeden Tag zu ihrem Arbeitsplatz und wieder nach Hause zurückzulegen haben. Sehr unangenehm und störend ist hierbei der große Zeitverlust wenn es staut und die Ungewissheit, nicht zu wissen, wann man genau nach Hause kommt. Darüber hinaus kommt noch eine gewisse Art von Mobilität hinzu, sich auch während der Arbeitszeit auf Dienst- oder Geschäftsreisen zu begeben. Diese Art von Mobilität ist sehr gut für Typen geeignet, die gerne reisen, andere Städte kennen lernen und viel Erfahrung sammeln wollen. Andererseits kann eine solche Art von Mobilität, wie Aspelmayr bestätigt, sehr anstrengend sein, besonders wenn man für längere Zeit von der eigenen Familie entfernt ist.417 Anstrengend kann es aber auch sein, wenn man sich eine Woche oder einige Wochen auf Montage befindet, wie Schütz aus seiner vergangenen Erfahrung her weiß. Auch wenn er selbst jetzt nicht mehr wirklich auf ein Auto angewiesen ist, um seinen Arbeitsplatz zu erreichen, weiß er, dass an solche Typen Anforderungen gestellt werden, die ohne Auto nicht erfüllbar wären. Schütz meint hierzu im Interview, "dass man hier nicht weiß Gott wie lange mit dem Bus oder Zug herumfahren kann um von A nach B zu kommen".418 Die Anforderungen bei diesem Mobilitätstypus erfordern, dass man sich nicht ausschließlich mit öffentlichen Verkehrsmitteln fortbewegen kann, um den Anforderungen gerecht zu werden.

6.4

6.4.1

Mobilität im künstlerischen und im industriellen Bereich

Gründe für die Mobilität

Laut dem Interview mit dem freischaffenden Künstler Werner Puntigam ist die Mobilitätssituation für KünstlerInnen besonders schwierig, da man nie genau weiß, wie es auftragsmäßig in den nächsten Monaten aussieht. Da auch die Einkommenssituation mit der Auftragslage verbunden ist, treten immer wieder Einkommensängste auf, vor allem bei jenen KünstlerInnen, welche nur in einem Kunstbereich tätig sind. Weiters muss man als KünstlerIn nicht nur seine eigentliche künstlerische Tätigkeit ausüben, sondern auch zum großen Teil alle anderen begleitenden und vorbereitenden Managementaufgaben.419 Laut Christoph Harrer ist es notwendig ständig und selbständig bemüht zu sein, neue Aufträge an Land zu ziehen um überleben zu können. Aus diesem Grund kann man sagen, dass Mobilität zum Anforderungsprofil eines/r freischaffenden Künstlers/in gehört. Würden sie Mobilität prinzipiell ablehnen, wäre ein berufliches Überleben schwer möglich.420 Eugen Hofbauer, der seit 2003 als freischaffender Künstler tätig ist, erwähnt ebenfalls, dass man in seiner Position nicht erwarten kann,

416

vgl. Interview mit Harrer 2007

417

vgl. Interview mit Aspelmayr 2007, Interview mit Rath 2007

418

Interview mit Schütz 2007

419

vgl. Interview mit Puntigam 2007

420

vgl. Interview mit Harrer 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

109

Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

dass die Leute zu ihm ins Atelier kommen, sondern im Gegenteil - er muss hinaus zu den KundInnen. Seiner Meinung nach muss man aktiv und angriffslustig werden, um Erfolg zu haben. Hofbauer gibt zwar an, dass sein Beruf ohne persönliche Mobilität auch möglich wäre, allerdings würde so alles viel langsamer gehen und er müsste lediglich auf Mundpropaganda vertrauen.421 Ein weiterer, allerdings positiv besetzter Grund für erhöhte Mobilität im künstlerischen Bereich kann auch jener sein, dass man gerne reist und somit Mobilität kein Problem sondern eher ein erfrischendes Vergnügen darstellt. Berufsbedingtes Reisen fungiert für KünstlerInnen somit als Ideenspender, da man dadurch immer wieder neue Eindrücke gewinnen kann.422 Im Interview mit Stadtrat Himmelbauer erwähnt dieser, dass Mobilität im künstlerischen Bereich sehr stark vom/n der jeweiligen KünstlerIn abhängt. Es gibt solche, die nur arbeiten können, wenn sie verschiedene Plätze bereisen und jene, welche nur produktiv sein können, wenn sie in ihrem Atelier sind und ständig neue Ideen darin umsetzen können. Das heißt KünstlerInnen-Sein ist für ihn nicht zwingend mit Mobilität verbunden.423 Die Interviews mit den ArbeiterInnen und Angestellten der voestalpine AG ergaben, dass Entlohnung, ein gutes Arbeitsklima oder zu wenig Arbeitsmöglichkeiten im Wohnort Gründe für Mobilität im industriellen Bereich darstellen können.424 Weiters erwähnen die Befragten, dass Mobilität den heutigen Lebenswandel erleichtern würde, da man sich überall hinbewegen kann ohne auf jemanden angewiesen zu sein.425 Oft ist für ArbeitnehmerInnen sogar der Besitz eines Führerscheines eine Vorraussetzung für eine Anstellung und besonders als AußendienstmitarbeiterIn muss die Bereitschaft zur Mobilität hoch sein. Bernhard Schütz meint im Interview, dass er während seiner Montagezeit sehr viel an Erfahrung gewann und auch sein Verdienst höchst zufrieden stellend für ihn war.426 6.4.2

Mobilitätsanforderungen

Der Linzer Gemeinderat Spannring erwähnte im Interview, dass es bezüglich Mobilitätsanforderungen zwei Aspekte gibt. Einerseits gibt es ArbeitnehmerInnen, die gerne mobil sind, andererseits gibt es jene, die keine Wahl haben, da sie z. B. am Land wohnen und es dort keine ausreichenden Berufsmöglichkeiten gibt. Laut Spannring kommt es auf die Lokalität an. Leute aus dem Mühlviertel sind es z. B. gewohnt täglich bis zu 100 Kilometer zu pendeln, während dies für Leute aus den Ballungsräumen wie Linz eben nicht der Fall ist. Seiner Meinung nach werden Mobilitätsanforderungen an ArbeiterInnen und Angestellten in der Zukunft zunehmen.427

421

vgl. Interview mit Hofbauer 2007

422

vgl. Interview mit Puntigam 2007

423

vgl. Interview mit Himmelbauer 2007

424

vgl. Interview mit Rath 2007, Interview mit Aspelmayr 2007, Interview mit Schütz 2007

425

vgl. ebd.

426

vgl. Interview mit Schütz 2007

427

vgl. Interview mit Spannring 2007

110

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

Die Situation der freischaffenden KünstlerInnen sieht hier ganz anders aus. Während ArbeitnehmerInnen und Angestellte hauptsächlich täglich ihren Weg zur Arbeit und wieder retour zurücklegen, arbeiten z. B. KünstlerInnen oft mehrere Wochen lang an Projekten im Ausland mit. Werner Puntigam erwähnt, dass er die Frage nach seinen Mobilitätsanforderungen nicht beantworten kann, da sich diese immer nach gerade laufenden Projekten richten. So kann es vorkommen, dass er nur kurzfristig (ein bis zwei Tage) oder auch länger (mehrere Wochen) für ein Projekt unterwegs ist.428 Auch Hofbauer erwähnt, dass seine Mobilität sehr stark von der Größenordnung des Projektes abhängig ist. Weiters gibt er an, dass für ihn KünstlerInnen schon immer ein fahrendes Volk darstellten und dass sich das bis heute nicht verändert hätte.429 Gemäß dem Interview mit Puntigam stehen in Österreich ansässige freischaffende KünstlerInnen vielfach vor der Problematik, dass die heimischen Festivals und VeranstalterInnen die Qualität und die Anerkanntheit der österreichischen KünstlerInnen oft nicht als gut genug befinden. Man glaubt, mit auswärtigen KünstlerInnen besser beim Publikum punkten zu können und somit wirkt sich die geographische Nähe oft als negatives Auswahlkriterium für eine/n KünstlerIn aus. Um letztendlich als freischaffende/r KünstlerIn bestehen zu können, muss internationales Terrain betreten werden. Die Mobilitätsspirale setzt sich laut Puntigam somit in Bewegung und die Verwirklichung von Projekten an unterschiedlichen Schauplätzen und Ländern gilt als unausweichlich. Seiner Meinung nach wird sich allerdings bezüglich Mobilitätsanforderungen im KünstlerInnenbereich nicht mehr viel ändern, KünstlerInnen müssten diese sowieso in Kauf nehmen, wenn sie sich für die Kunstszene entscheiden. Weiters erwähnte er, so wie Hofbauer auch, dass bereits das Internet und die Digitalisierung im Allgemeinen, erhebliche Erleichterungen mit sich brachten.430 Christoph Harrer konnte in seinem Interview nicht exakt beantworten, wie oft er durchschnittlich in der Woche aus beruflichen Gründen mobil ist, da er sehr kurzfristig auf Aufträge reagieren muss und es eben im freischaffenden Kunstbereich keine zeitlich fixierten Reglements gibt. Auch er argumentierte, ähnlich wie Puntigam, dass ein/e freischaffende/r KünstlerIn bald vor existenziellen Problemen stehen würde, würde sie/er sich nur auf die Stadt Linz und das unmittelbare Umfeld konzentrieren, da der Markt hierfür zu klein und die Konkurrenz zu groß ist. Außerdem sei das Vertrauen in heimische KünstlerInnen in Österreich und auch anderen Ländern nicht groß genug und man bevorzugt meist auswärtige KünstlerInnen. In diesem Sinne hat man keine andere Wahl als sein geographisches Tätigkeitsfeld auszudehnen und sich beruflich auf Wanderschaft zu begeben. Harrer glaubt des Weiteren nicht, dass sich die Anforderungen an die freischaffenden KünstlerInnen zukünftig verändern werden, denn um überleben zu können muss man auch zukünftig mobil sein bzw. bleiben. Er hat grundsätzlich kein Problem mit Mobilität, allerdings versucht er trotzdem die Anzahl und die Weite der Wege weitgehend minimieren zu können.431 Ebenso wie Harrer und Puntigam argumentiert Hofbauer dahingehend, dass es in Österreich schwierig ist als freischaffende/r KünstlerIn Fuß zu fassen, da man als österreichische/r KünstlerIn kein so hohes Ansehen genießt wie ein/e ausländische/r. Daher ist es

428

vgl. Interview mit Puntigam 2007

429

vgl. Interview mit Hofbauer 2007

430

vgl. Interview mit Puntigam 2007, Interview mit Hofbauer 2007

431

vgl. Interview mit Harrer 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

111

Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

auch seiner Meinung nach unumgänglich, dass man Kontakt zur Außenwelt und vor allem auch zum Ausland sucht.432 6.4.3

Auswirkungen und Grenzen von Mobilität

Die befragten Personen im industriellen Bereich geben hierbei vor allem Verkehrsprobleme, Staus und damit verbundene Freizeitverluste als negative Auswirkungen an. Weiters kritisierten sie die stetig ansteigenden Benzinkosten die durch Mobilität mit dem Auto eine finanzielle Belastung ergeben. Heinz Rath und Sylvia Aspelmayr, beide Angestellte in der voestalpine AG, erwähnen, dass Mobilität die Zeit, die man für Freunde hat, erheblich einschränkt. Wenn man ständig unterwegs ist bzw. aufgrund eines langen Arbeitsweges immer erst spät nach Hause kommt, hat man hierfür natürlich weniger Zeit. Bernhard Schütz, der in jungen Jahren schon auf Montage war, ergänzt, dass es ihm sehr schwer gefallen ist, wenn er oft ein paar Wochen weg von zu Hause und seinen Freunden war, da er dadurch vieles versäumt hat 433 Zwei positive Auswirkungen von Mobilität werden in diesem Sinne einerseits von Sylvia Aspelmayr und andererseits von Bernhard Schütz angeführt. Aspelmayr erwähnt, dass sie Freunde hat, die nicht unweit von ihrem Wohnort leben, d. h. wenn sie nicht mobil wäre, könnte sie diese gar nicht oder fast nie sehen. Schütz merkt an, dass Leute die im Außendienst arbeiten und sich ihre Arbeit selbst einteilen können, mehr Zeit für ihre Freunde hätten, da sie oft an Nachmittagen frei haben, wenn sie schnell und gut genug arbeiten.434 Werner Puntigam, der hauptsächlich im Bereich Musik tätig ist, erwähnt ebenso, dass berufliche Mobilität sein persönliches Umfeld beeinflusst. Allerdings sieht er Mobilität als positiven Faktor was seinen Freundeskreis betrifft, da dieser dadurch nicht lokal beschränkt ist. Puntigam kann durch seine Mobilität intensive Freundschaften in aller Welt pflegen. Im Gegenzug dazu sieht dies Harrer nicht ganz so rosig. Er erwähnt in seinem Interview, dass allzu oft geplante Vorhaben mit Freunden durch seine Mobilität ins Hintertreffen geraten.435 Zwei der drei interviewten Künstler sehen ihre Mobilität als Barriere für eine künftige Familiengründung. Harrer erwähnt überdies, dass man einen ordentlichen und verständnisvollen Lebenspartner braucht, welcher einem Vertrauen und Verständnis entgegenbringt, wenn man als freischaffende/r KünstlerIn tätig ist. Er kann sich vorstellen, mit seiner jetzigen Lebenspartnerin später eine Familie zu gründen und schließt nicht aus, künftig in ein fixes Arbeitsverhältnis einzutreten um damit den Unsicherheiten der dauernden Mobilität entgegenwirken zu können. Puntigam charakterisiert seine bisherigen und auch seine derzeitige Partnerschaft als Fernbeziehungen, was nicht zuletzt auf seine Mobilität zurückzuführen ist. Hofbauer bemerkt positiv, dass die Beziehung zu seiner Frau, trotz seiner Mobilität, schon seit über 17 Jahren anhält. Als Gründe dafür erwähnt er ihr Verständnis, ihr Interesse

432

vgl. Interview mit Hofbauer 2007

433

vgl. Interview mit Rath 2007, Interview mit Aspelmayr 2007, Interview mit Schütz 2007

434

vgl. Interview mit Aspelmayr 2007, Interview mit Schütz 2007

435

vgl. Interview mit Puntigam 2007, Interview mit Harrer 2007

112

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

und ihre Unterstützung für seine Tätigkeiten. Auch seine Kinder seien mit der gegenwärtigen Situation aufgewachsen und kommen gut damit klar.436 Im industriellen Bereich liegen die Grenzen bei Schütz, Aspelmayr und Rath zwischen einer bis zu zwei Stunden Fahrtzeit pro Strecke zur Arbeit. Als Gründe werden hierbei die Benzinkosten bzw. der Freizeitverlust genannt.437 Im kulturellen Bereich erwähnen die Interviewpartner vor allem die Sinnhaftigkeit bzw. Realisierbarkeit von Projekten als Grenzen ihrer Mobilität. Grundsätzlich reist Puntigam sehr gerne und es gibt daher für ihn bei sinnvollen Projekten keine Grenzen. Auch Harrer lässt sich nicht von berufsbedingter Mobilität abhalten, es sei denn, Projekte bringen ihn an seine persönlichen Grenzen (sehr lange Aufenthalte im Ausland - z. B. 3 Monate). Hofbauer erwähnt, dass es für ihn eigentlich gar keine Grenzen bezüglich Mobilität gibt. Egal ob Europa oder auch Übersee, er möchte seine Chancen überall in der Welt nützen und umsetzen.438 6.4.4

Berufs- vs. Wohnsitzwechsel

Laut Eder/Kutzenberger/Sacher (1982) gibt es so genannte Push- und Pull-Faktoren für einen Arbeitsplatzwechsel, wobei erstere die Gründe für ein Verlassen des/r jetzigen Dienstgebers/in beschreiben und letztere jene Gründe, welche eine/n neue/n ArbeitgeberIn attraktiv erscheinen lassen. Der wichtigste Pull-Faktor ist hierbei eindeutig die Bezahlung während Aufstiegsmöglichkeiten und auch die Erreichbarkeit Pull- sowie Push-Faktoren sein können.439 Die ArbeiterInnen und Angestellten im industriellen Bereich, nämlich Bernhard Schütz und Heinz Rath können es sich gut vorstellen aufgrund von guter Bezahlung, Aufstiegschancen, passendes Arbeitsklima etc., den Wohn- bzw. Arbeitsplatz zu wechseln. Dabei käme sogar ein anderes Bundesland für sie in Frage. Aspelmayr hingegen hat im Gegenteil zu Schütz und Rath ihre eigene Familie hier in Ottensheim und lehnt es somit ab, ihren Wohnsitz zu wechseln.440 Die interviewten freischaffenden Künstler schließen einen Wohnsitzwechsel aus beruflichen Gründen nicht aus. Puntigam gibt an, sich auch vorstellen zu können, in ein anderes Land auszuwandern, obwohl für ihn Linz die ideale Stadt mit guter Infrastruktur und zentraler Lage darstellt. Harrer erklärt, dass für ihn auf jeden Fall persönliche Faktoren wie seine aktuelle Lebenspartnerin, Abneigungen oder Vorlieben mit eine Rolle spielen würden. Hofbauer argumentiert, dass es vor allem wichtig für ihn wäre, dass seine Kinder mit der Situation klar kommen (Schule etc.).441

436

vgl. Interview mit Puntigam 2007, Interview mit Harrer 2007, Interview mit Hofbauer 2007

437

vgl. Interview mit Rath 2007, Interview mit Aspelmayr 2007, Interview mit Schütz 2007

438

vgl. Interview mit Puntigam 2007, Interview mit Harrer 2007, Interview mit Hofbauer 2007

439

vgl. Eder/Kutzenberger/Sacher 1982, S. 150

440

vgl. Interview mit Rath 2007, Interview mit Aspelmayr 2007, Interview mit Schütz 2007

441

vgl. Interview mit Puntigam 2007, Interview mit Harrer 2007, Interview mit Hofbauer 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

113

Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

6.4.5

Unterschiede bezüglich Mobilität im künstlerischen und industriellen Bereich

Stadtrat Himmelbauer sieht die Unterschiede zwischen industriellem und künstlerischem Feld sehr stark darin begründet, an wie vielen Projekten KünstlerInnen gerade arbeiten. Weiters argumentiert er, dass sich KünstlerInnen meistens kein Auto leisten können und daher zwangsweise auf andere Formen von Mobilität angewiesen sind. ArbeiterInnen und Angestellte hingegen leisten sich alleine schon des Status wegen eines.442 Um die Unterschiede kurz zusammenzufassen, werden im Zuge dieser Arbeit kurz die einzelnen Bereiche, nämlich Gründe, Anforderungen, Auswirkungen und Grenzen der Mobilität, jeweils im künstlerischen sowie im industriellen Feld beleuchtet. Gründe für Mobilität sind im industriellen Feld vor allem gute Entlohnung, Arbeitsklima sowie zu wenig Berufsmöglichkeiten im Wohnort, d. h. Mobilität ist nicht immer zwingend notwendig. Im künstlerischen Feld wäre hingegen ein Überleben ohne Mobilitätsbereitschaft gar nicht möglich. Nicht zuletzt wegen der Problematik, dass die heimischen Festivals und VeranstalterInnen die Qualität und die Anerkanntheit der österreichischen KünstlerInnen oft nicht als gut genug befinden und man somit gefordert ist, internationales Terrain zu betreten. Positiv ist anzumerken, dass im freischaffenden Kunstbereich Mobilität äußerst nützlich sein kann, da man Reisen als Ideenspender nutzen kann. Bezüglich Mobilitätsanforderungen hat man als AngestellteR bzw. ArbeiterIn im industriellen Feld, vor allem wenn man am Land lebt, oft keine andere Möglichkeit als mobil zu sein, da im Wohnort in vielen Fällen keine Arbeitsmöglichkeiten vorhanden sind. Dabei bedeutet "mobil sein" vor allem zweimal täglich den Arbeitsweg zurückzulegen. In der Kunstszene kann man diese Frequenz nicht so einfach bestimmen. Mobilitätsanforderungen variieren von Projekt zu Projekt und es gibt keine festgelegten Reglements und Arbeitszeiten wie in der Industrie. Weiters muss man als freischaffende/r KünstlerIn, wie bereits erwähnt, internationales Terrain betreten, wenn man erfolgreich sein will. Hofbauer bezeichnet in diesem Sinne KünstlerInnen als "Gaukler" oder "fahrendes Volk".443 Im industriellen Feld sind es vor allem Benzinkosten, Staus und der damit verbundene Freizeitverlust welche als negative Auswirkungen von Mobilität zu erwähnen sind. Freischaffende KünstlerInnen stehen dagegen oft vor dem Problem, dass Vorhaben mit Freunden oder LebenspartnerInnen ins Hintertreffen geraten, da sie kurzfristig auf Projekte reagieren müssen. Weiters empfinden es KünstlerInnen als erschwerend, in diesem Tätigkeitsbereich künftig eine Familie gründen zu können, nicht zuletzt, da sie oft Fernbeziehungen pflegen. Positiv zu erwähnen ist allerdings in beiden Tätigkeitsfeldern, dass durch Mobilität Freundschaften nicht lokal beschränkt sind.

442

vgl. Interview mit Himmelbauer 2007

443

vgl. Interview mit Hofbauer 2007

114

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

Ebenso wie die Auswirkungen variieren die Grenzen der Mobilität im künstlerischen und industriellen Feld. Während ein/e voestalpine-MitarbeiterIn angibt, nicht länger als ein bis zwei Stunden unterwegs in die Arbeit sein zu wollen, stellt die Grenze für KünstlerInnen eher keine Zeitangabe dar. Für sie sind Sinnhaftigkeit und Realisierbarkeit von Projekten entscheidend für die Ausführung dieser. Alle Befragten im industriellen Feld, die noch keine eigene Familie gegründet haben sowie alle Befragten im künstlerischen Bereich gaben an, sich vorstellen zu können, einen Wohnsitzwechsel aus beruflichen Gründen durchzuführen. Dabei kommt für die Befragten im industriellen Bereich ein anderes Bundesland in Frage, während die meisten freischaffenden KünstlerInnen auch bereit wären in ein anderes Land auszuwandern.

6.5

6.5.1

Mobilitätsperspektiven

Zukünftige Entwicklung der Mobilität in Linz

Als urbaner Ballungsraum wird die Stadt Linz auch in Zukunft mit steigenden Verkehrsströmen und deren Auswirkungen unmittelbar konfrontiert sein. Während im öffentlichen Verkehr noch genügend Reserven stecken, gelangt das bereits jetzt stark befahrene Straßennetz unter dem Aspekt der prognostizierten Verkehrsentwicklungen nach und nach an seine Kapazitätsgrenzen. Da der im Stadtgebiet verfügbare Straßenraum dementsprechend begrenzt ist, können zukünftig auftretende Engpässe bestenfalls punktuell, keinesfalls aber systematisch durch Ausbaumaßnahmen beseitigt werden.444 Auch Stadtrat Himmelbauer445 deklariert die verstärkt autoorientierte Entwicklung als künftige Kernproblematik. Stimmen die Prognosen der Landesverkehrsplaner (diese erwarten einen 30-prozentigen PKW-Verkehrsanstieg in den nächsten Jahren), dann wird laut Himmelbauer ein baldiges Umdenken notwendig sein. Als Lösungsansatz plädiert er für einen Umstieg in den Bereich der sanften Mobilität. 6.5.2

Mobilitätsförderungsmassnahmen der Stadt Linz

Resultierend aus zwei zur Thematik der Mobilität durchgeführten Interviews mit politischen EntscheidungsträgerInnen zeigen sich zwei fundamental unterschiedliche Grundsatzpositionen: Einerseits bekräftigt Gemeinderat Spannring das klare Bekenntnis zum weiteren Ausbau des Individualverkehrswegenetzes. Er befürwortet die geplante Errichtung der vierten Linzer Donaubrücke mit Tunnelanlagen und insbesondere die Realisierung bzw. Schließung des Linzer Verkehrsrings. Zusätzlich ist er von der Wichtigkeit einer Osttangente und eines zweiten Autobahnanschlusses für Linz überzeugt. Mittelmäßig optimistisch sieht Spannring hingegen die Verwirklichung einer eigenen City-SBahn im Bereich des öffentlichen Verkehrs.446 Demgegenüber verweist Stadtrat Himmelbauer insbe-

444

vgl. Magistrat der Stadt Linz 2007b

445

vgl. Interview mit Himmelbauer 2007

446

vgl. Interview mit Spannring 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

115

Kapitel 6. Mobile Massen - Das Pendel der Arbeit

sondere auf die Bemühungen der Stadt Linz, den Weg in Richtung sanfte Mobilität zu vereinfachen. Neben der bereits erfolgten Straßenbahnverlängerung in Richtung Solar-City bezeichnet er die Verlängerungen in Richtung Pichlinger-See und Leonding als weitere beabsichtigte Ausbauetappen. Auch die Etablierung von Stadtteilbussen, Anrufsammeltaxis und anderen Maßnahmen sollen zukünftig einen Beitrag dazu leisten. Nicht zu vergessen ist auch das beabsichtigte Maßnahmenpaket im Bereich der RadfahrerInnen und die Frage des Platzes für FußgeherInnen. Als besonders herausfordernd bewertet er jedoch die notwendige Bewusstseinbildung in allen Ebenen. Die vierte Linzer Donaubrücke bezeichnet er kurz und bündig als Schwachsinn.447

447

vgl. Interview mit Himmelbauer 2007

116

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates Birgit Breitenfellner, Sabine Bürkle, Ilse Leidl, Birgit Schaffelhofer, Marek Zipper

Der Abbau des Sozialstaates scheint in der heutigen Gesellschaft ein gravierendes Problem zu sein. In den letzten Jahrzehnten gab es diverse Maßnahmen im sozialen Bereich wie zum Beispiel die Verschärfung von Pensionsregeln und die Einführung und Erhöhung von Selbstbehalten im Gesundheitsbereich. Die Maßnahmen des Abbaus gehen zwar von einer nationalen Ebene aus, jedoch sind die Auswirkungen auf lokaler Ebene, also auch auf die Linzer Bevölkerung, spürbar. In der Vergangenheit wurde Linz als "Industriestadt" bekannt. Das vorliegende Kapitel soll prüfen, ob sich die Wahrnehmung der Bevölkerung hin in Richtung einer "Kulturstadt" bzw. einer sozialen Stadt verändert hat. In den vorliegenden Ausführungen werden auf die Probleme und Herausforderungen der betroffenen Gruppen im Kunst- und Industriebereich eingegangen. In der Arbeit werden die Bereiche "Gesundheit" und "Absicherung während und nach der Erwerbstätigkeit" behandelt. Ein zentrales Ziel ist es hierbei nicht nur die Probleme darzustellen, sondern auch Maßnahmen, welche auf lokaler Ebene angeboten werden, abzubilden. Die Stadt Linz, Industriebetriebe und auch die Betroffenen haben Strategien entwickelt, um dieser Problematik zu begegnen.

7.1

Krise des Wohlfahrtsstaates

Es ist zunächst notwendig, den Begriff "Wohlfahrtsstaat" zu klären, um danach kurz auf den Wohlfahrtsstaat in Österreich und dessen Entwicklungen der letzten Jahre eingehen zu können. Es gibt in der wissenschaftlichen Literatur eine Diskussion darüber, ob die Begrifflichkeiten "Wohlfahrtsstaat" und "Sozialstaat" Synonyme darstellen oder ob es Unterschiede gibt.448 Dieser Arbeit liegt das Verständnis zu Grunde, dass Wohlfahrtsstaat und Sozialstaat homogene Begriffe darstellen. Es existiert weiters bei der Definition eines Sozial- oder Wohlfahrtsstaates keine allgemein gültige Definition. Alber (1989) verwendet für den Begriff Wohlfahrtsstaat ein deskriptives Verständnis zur Kennzeichnung bestimmter Staatsaktivitäten: "Der Begriff Wohlfahrtsstaat bezeichnet einen Satz politischer Reaktionen auf gesellschaftliche Strukturwandlungen im Rahmen der Modernisierung, der aus staatlichen Interventionen in die gesellschaftliche Verteilung von Lebenschancen in den Dimensionen Einkommen, Gesundheit, Wohnen und Bildung besteht, die auf die Förderung der Sicherheit und Gleichheit der Bürger abzielen."

448

vgl. Butterwegge 2006, S. 16 ff.

449

Alber 1989, in Butterwegge 2006, S. 18

449

Industrial Culture - Cultural Industries

117

Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

Eine andere Definition geben Kowalsky/Schröder (1993). Ihrer Meinung nach "[…] soll der Sozialstaat im umfassenden Sinne zur Daseinsvorsorge und zum Schutz des Individuums vor unsozialen sowie ungerechten Maßnahmen oder Effekten und damit schließlich zur Zukunftsgestaltung der Gesellschaft beitragen."450 In den letzten Jahren bzw. Jahrzehnten hat sich der soziale Wohlfahrtsstaat aufgrund politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Rahmenbedingungen verändert. Man spricht daher in der Literatur, aber auch im alltäglichen Sprachgebrauch, von der "Krise des Wohlfahrtsstaates". Die Probleme des Wohlfahrtsstaates lassen sich nach Tálos (2001) in folgende Bereiche unterteilen:451 Finanzierungsprobleme: Unsichere Finanzierung durch veränderte Rahmenbedingungen (wie z. B. demographische Entwicklung) Steuerungsprobleme: Zum Teil Überversorgung, Problem der sozialen Treffsicherheit, Rücknahmen sozialer Leistungen Legitimationsproblem: Verlust der politischen Unterstützung und der Unterstützung in der Gesellschaft Schmidt (2002) fügt diesen Punkten noch das Problem der institutionellen Defizite hinzu. Diese umfassen Aspekte der Verrechtlichung, Monetarisierung und Bürokratisierung der Institutionen des österreichischen Sozialstaates.452 Die Situation des sozialen Wohlfahrtsstaates in Österreich fasst Tálos (2001) folgendermaßen zusammen: "Ungeachtet seiner Ausdifferenzierung und Verbreitung ist der österreichische Sozialstaat mit einer Reihe von Problemen konfrontiert. Diese ergeben sich zu einem Gutteil aus der spezifischen Kombination veränderter Rahmenbedingungen (geringerer wirtschaftlicher Wachstumsraten, Alterung der Gesellschaft, Atypisierung der Arbeitsmärkte, höhere 453

Arbeitslosigkeit) und der Lohn- und Ehezentriertheit eines guten Teils der österreichischen Sozialsysteme."

Die Entwicklung des österreichischen Wohlfahrtsstaates in den letzten Jahren ist von einer enormen Anpassungsleistung an die sich ändernden Kontextbedingungen gekennzeichnet. Einige wichtige Meilensteine waren in den 1990er-Jahren die Einführung des Pflegegelds oder die Einführung einer Nettoersatzrate im Bereich der Arbeitslosenversicherung. In den letzten 20 Jahren kam es zu einem stetigen "Abbau des Sozialstaates", der sich in mehreren Maßnahmen niedergeschlagen hat. Seit den 1990er-Jahren ist die Nettoersatzrate stetig abgesunken, Pensionsbestimmungen wurden immer wieder verschärft, Selbstbehalte im Gesundheitsbereich erhöht, Familienleistungen gekürzt und Rezeptgebühren eingeführt, die seit deren Einführung stetig erhöht wurden. Weiters wurde die beitragslose Mitversicherung für kinderlose Lebensgemeinschaften abgeschafft und die Schwerarbeiterregelung

450

Kowalsky et al. 1993, in Butterwegge 2006, S. 16

451

vgl. Tálos et al. 2001, S. 1

452

vgl. Schmidt 2002, S. 53 f.

453

Tálos et al. 2001, S. 16

118

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

verändert. Nach Tálos (2001) hat sich seit dem Jahr 2000 mit den veränderten politischen Rahmenbedingungen der letzten konservativen Regierung dieser Trend verstärkt.454 Die Befragung von Experten im Rahmen der vorliegenden Arbeit ergab unterschiedliche Meinungen über die Krise des Wohlfahrtsstaates. Hans-Karl Schaller, Arbeiterbetriebsrat in der voestalpine AG, sieht den Wohlfahrtsstaat noch nicht in der Krise, jedoch gibt es seiner Meinung nach eine Entwicklung in Richtung Abbau von Sozialleistungen in Österreich.455 Etwas anders lautet die Meinung von Rainer Zendron, Vizerektor an der Kunstuniversität Linz. Er sieht den Abbau des Sozialstaats vor allem durch die Prekarisierung und Flexibilisierung der Arbeitszeiten gegeben. Seiner Meinung nach können Aspekte des Wohlfahrtsstaates durch den fortschreitenden Wandel der Beschäftigungsverhältnisse nicht mehr funktionieren. Das vermehrte Aufkommen von neuen Beschäftigungsverhältnissen wie zum Beispiel LeasingarbeitnehmerInnen im Industriebereich oder ArbeitnehmerInnen von so genannten "Creative Industries" hat zum Beispiel Auswirkungen auf die Beiträge für die Pensionsversicherung. Die Arbeitslosenversicherung - ein wesentlicher Teil des Sozialstaates - kommt bei neuen Beschäftigungsformen oft überhaupt nicht zur Anwendung. Zendron meint weiters, dass durch die vermehrte Schaffung von Sonderregelungen viele ArbeitnehmerInnen, insbesondere KünstlerInnen, durch das "soziale Netz" fallen und dass die Propagierung der privaten Vorsorge, die in den letzten Jahren stark zugenommen hat, im Gegensatz zur öffentlichen Vorsorge steht, die ein Kennzeichen des Sozialstaates ist. Er kommt zu dem Schluss, dass der Wandel der Beschäftigungsverhältnisse der radikalste Wandel in unserer Gesellschaft ist und der Abbau des Sozialstaates in Österreich Realität ist.456 Obwohl diese Entwicklungen hauptsächlich ein nationales Phänomen ist, haben diese dennoch Auswirkungen auf die Städte und die vom Projekt ausgewählten Zielgruppen - IndustriearbeiterInnen und KünstlerInnen. Es wurden in Bezugnahme auf das Projekt zwei Themenbereiche identifiziert: Gesundheit Absicherung während und nach der Erwerbstätigkeit Im Folgenden werden die Probleme und Herausforderungen von betroffenen Personen in diesen zwei Bereichen näher beleuchtet, um daran im Anschluss Maßnahmen auf kommunaler und betrieblicher Ebene, welche gegen diese Entwicklungen steuern, vorzustellen.

454

vgl. ebd., S. 17 ff.

455

vgl. Interview mit Schaller 2007

456

vgl. Interview mit Zendron 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

119

Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

7.2

Probleme und Herausforderungen der Betroffenen

7.2.1

Soziale Absicherung von Künstlern und Künstlerinnen

Mit Ausnahme einer kleinen Gruppe von 1 bis 2 Prozent zählen KünstlerInnen zu den einkommensschwächsten Bevölkerungsgruppen Österreichs, die unter anderem mit sehr schlechten ökonomischen Bedingungen kämpfen. Die meisten statistischen Erhebungen ergeben, dass viele KünstlerInnen nur ein sehr geringes Einkommen vorweisen können. Rund 80 Prozent verfügen nicht einmal über einen Betrag, der die Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes überschreitet: "Die sozialrechtliche Absicherung der Künstlerinnen ist ausgesprochen schlecht: Kollektiv- oder Gesamtverträgen vergleichbare Regelungen für die Ausübung künstlerischer Tätigkeit existieren so gut wie keine; ein hoher Prozentsatz der Kunst- und Kulturschaffenden bewegt sich im Graubereich des Sozialrechts - immer auch davon abhängig, ob die Finanzmittel des Vereines oder der Organisation, für die die KünstlerInnen tätig sind, die Nebenkosten einer voll sozialversicherten Beschäftigung zu tragen vermögen oder eben nicht. Von einem umfassenden Künstlersozialversicherungsmodell, das auch den Bereich der Kranken- und Unfallversicherung mit einbezieht, ist keine Rede mehr; auch daher ist die Unzufriedenheit der Kunstschaffenden mit den neuen Regelungen zur Künstlersozialversicherung als bloßem Pensionszuschuss entsprechend hoch: rund 76 % der Autoren, 61 % der freien Theaterschaffenden, 61 % der Filmschaffenden und sogar 91 % der bildenden Künstler lehnen die mit 1. 1. 2001 in Kraft getretenen Neuregelungen 457

ab."

In den letzten Jahren haben sich die Rahmenbedingungen für künstlerische Tätigkeiten massiv verändert. Vor allem durch Förderungskürzungen und -streichungen kann man von einer schwerwiegenden Verschlechterung für KünstlerInnen sprechen.458 "Eine umfassende Erhebung der sozialen Realität der Kunstschaffenden in Österreich ist die Bundesregierung bisher schuldig geblieben, obwohl eine derartige Analyse der Einkommens- und Lebensbedingungen der KünstlerInnen eine 459

wichtige Basis für politische Umsetzungsprozesse bilden könnte."

Laut Zendron ist der potenziellste Schritt in Richtung einer sozialen Absicherung von KünstlerInnen jedoch trotzdem die so genannte Künstlersozialversicherung - die es seit ca. sieben Jahren gibt. Vorher waren diese Personen meist über ihre EhepartnerInnen mitversichert.460 "Mit Kunst seinen Lebensunterhalt zu verdienen ist riskant. Damit eine Alterspension für Künstler nicht unerschwinglich wird, wurde vor ein paar Jahren der Künstlersozialversicherungsfonds (K-SVF) geschaffen. Er zahlt Zuschüsse zur Pensionsversicherung der Künstler und Künstlerinnen, einen fiktiven Dienstgeberbeitrag also."

457

Muttonen 2002

458

vgl. ebd.

459

ebd.

460

vgl. Interview mit Zendron 2007

461

Reininger o. J.

461

120

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

Am 1. Jänner 2001 trat das Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetz (K-SVFG) in Kraft und es wurde gleichzeitig der Künstler-Sozialversicherungsfonds (K-SVF) geschaffen. Als Vorbild für diese neue sozialversicherungsrechtliche Regelung fungierte die im Jahre 1983 in Deutschland eingeführte KünstlerInnensozialversicherung.462 Diese Maßnahme soll vor allem selbständige KünstlerInnen entlasten, indem Zuschüsse zu den Beiträgen der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung gewährt werden. Obwohl diese Entwicklung durchaus einen großen Fortschritt darstellt, treten in Zusammenhang mit der KünstlerInnensozialversicherung spezifische Probleme auf: "[…] wenn man zum Beispiel zu viel bzw. zu wenig verdient, dann wird man automatisch aus der KünstlerInnensozialversicherung ausgeschlossen und/oder muss zusätzlich alle Zahlungen der KünstlerInnensozialversicherung, die im letzten Jahr getätigt worden sind, zurückzahlen. […] Meiner Meinung nach ist das vollkommen abstrus, weil gerade dann, wenn ich sehr wenig verdiene, brauche ich eine Sozialversicherung besonders dringend."

463

Diese Mindesteinkommensgrenze wird häufig von KünstlerInneninteressensvertretungen, Kulturplattformen und auch mehreren Medien kritisiert. Im Ö1-Morgenjournal vom 23. Dezember 2005 wird dieses Problem zur KünstlerInnensozialversicherung u. a. auch angesprochen: "Ein paar Hundert Künstlerinnen und Künstler haben in diesem Jahr unerfreuliche Post bekommen. Mit der Aufforderung, die Zuschüsse, die sie zu ihrer Sozialversicherung im Jahr 2001 erhalten haben, wieder zurück zu zahlen. Ihr Künstlerpech: Sie haben entweder zuviel oder aber zuwenig verdient, um die Zuschüsse behalten zu dürfen. Vor allem für jene, die weniger als die erlaubten 4.000 Euro im gesamten Jahr verdient haben, fordert der Kulturrat Österreich nun, der K-SVF solle auf die Rückzahlungen verzichten. Es handle sich um eine Summe von knapp über 800 Euro, so Maria Anna Kollmann vom Kulturrat Österreich, und es sei für jemanden, der derart wenig verdient, kaum zu verkraften, diesen gesamten Zuschuss für 2001 zurück zu zahlen. Es sei daher aus sozialen Gründen unerlässlich, dass auf diese Rückzahlungsforderungen verzichtet werde."

464

Freiberuflich tätige KünstlerInnen gelten seit 2001 bei der Überschreitung einer bestimmten Einkommensgrenze als "neue Selbständige" und müssen sich bei der Sozialversicherung der gewerblichen Wirtschaft pflichtversichern. Das heißt, übersteigen die jährlichen Bruttoeinkünfte einen Betrag von 6.453,36 Euro bei einer rein selbständigen künstlerischen Tätigkeit bzw. 4.093,92 Euro falls eine weitere Erwerbstätigkeit ausgeübt wird, so ist der/die KünstlerIn sowohl kranken- und pensionsversichert nach dem GSVG als auch unfallversichert nach dem ASVG. Eine Arbeitslosenversicherung besteht jedoch nicht. Falls das Einkommen unter dieser maßgeblichen Versicherungsgrenze liegt, besteht für den/die Künstlerin die Möglichkeit zu einer freiwilligen Kranken- und Unfallversicherung, jedoch nicht zu einer Pensionsversicherung. Der Beitragszuschuss zur Pensionsversicherung kann also nur von Künstle-

462

vgl. Schiffbänker/Mayerhofer 2003, S. 34

463

Interview mit Zendron 2007

464

Reininger o. J.

Industrial Culture - Cultural Industries

121

Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

rInnen in Anspruch genommen werden, welche die Einkommensgrenze überschreiten und pflichtversichert sind. "Fällt man aus der Sozialversicherung heraus, dann geht es zu wie im Wilden Westen", meint Zendron im Interview, "dann gibt es nichts mehr. In Wirklichkeit lebt der Künstler bzw. die Künstlerin dann in US-amerikanischen Verhältnissen." Zendron weiter: "Neben der privaten Krankenversicherung gibt es in den USA zumindest noch ein staatliches Gesundheitssystem, wenn auch kein sehr gutes. Obwohl dort sicherlich schlechte Bedingungen und lange Wartezeiten vorherrschen, bekommt man zumindest eine medizinische Versorgung und gratis Medikamente. In Österreich gibt es das nicht - weil ja davon ausgegangen wird, dass alle sozialversichert sind. Wenn ich keine Krankenversicherung mehr habe, da mich die KünstlerInnensozialversicherung ausgeschlossen hat, dann ist die einzige Möglichkeit für KünstlerInnen, dass sie zum Sozialamt gehen. Dort müssen sie dann als Sozialhilfeempfänger um einen Krankenschein betteln, da das Sozialhilfegesetz so ausgelegt ist bzw. vom Staat so gehandhabt wird, dass de Jura ein Rechtsanspruch besteht aber du dort de fakto als Bittsteller auftrittst."

465

Neben der finanziellen Notlage, die durch einen Ausschluss entsteht, bedeutet dies vor allem auch eine enorme psychische Belastung, ein hohes Risiko in Armut abzurutschen und sozial ausgegrenzt zu werden: "Da muss man sich schon fast psychisch aufgegeben haben, dass man sich dort anstellt. Dann trifft man noch andere KollegInnen, die überhaupt aus dem Sozialhilfesystem hinausgefallen sind. […] Viele wollen sich das dann nicht zumuten, weil, gerade wenn es einem besonders schlecht geht, dann will man sich doch nicht noch mehr abgrenzen, man will nicht zugeben, dass man so etwas wie ein "Sandler" ist. Darum, falls man ein Bankkonto hat, überzieht man das erstmals und bezahlt den Betrag, so gut es geht, wieder ab."

466

Für viele KünstlerInnen stellen Stipendien eine wesentliche Einkommensquelle dar. Dieser Umstand wirft in Zusammenhang mit der K-SV ein weiteres Problem auf: Stipendien gelten in Österreich nicht als Einkommen und führen in weiterer Folge zu keiner Berechtigung, in die Sozialversicherung aufgenommen zu werden. Im engeren Sinn heißt das, dass die Betroffenen einerseits Geld zur Verfügung hätten, um die vorgeschriebenen Beiträge leisten zu können, aber andererseits nicht dürfen, da sie als keine vollwertigen KünstlerInnen angesehen werden. Gerade für diese Personen besteht eine besondere Notwendigkeit einer Sozialversicherung, da sie trotz der Stipendien nur über ein relativ geringes Einkommen verfügen.

465

ebd.

466

ebd.

122

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

Ein weiteres Problem stellen die oft äußerst unausgeglichenen Einkommen dar. Zum Beispiel sind Kunst-am-Bau-Projekte eine wesentliche Einkommensquelle für bildende KünstlerInnen. Diese Projekte können sich oft über einen längeren Zeitraum erstrecken und der/die betreffende KünstlerIn wird dafür weder im Monatstakt noch im Jahrestakt bezahlt, sondern nimmt erst gegen Ende einen größeren Betrag ein. Dazwischen gibt es immer wieder Zeiten, in denen nichts eingenommen wird.467 Für KünstlerInnen ergeben sich aber nicht nur Probleme hinsichtlich der Sozialversicherung, sondern auch Probleme und Herausforderungen in Bezug auf allgemeine staatliche Maßnahmen zur Kosteneindämmung der sozialen Ausgaben wie z. B. die Pensionsreform. 7.2.1.1 Pension Auf die Frage, welche Veränderungen es in den letzten Jahren bei den Pensionen gegeben hat, meinte der Großteil der Personen, die in der vorliegenden Arbeit befragt wurden, dass sie zwar in den Medien einiges gehört, sich jedoch nicht dafür interessiert hätten.468 "Das liegt für mich noch in ferner Zukunft," begründete einer der Interviewten.469 Ein weiterer Punkt, der angesprochen wurde, war die Hinaufsetzung des Pensionsantrittsalters aufgrund der demographischen Entwicklung und der Altersstruktur, die aber nicht nur "FreiberuflerInnen", sondern auch IndustriearbeiterInnen und andere ArbeitnehmerInnen betrifft.470 7.2.1.2 Arbeitslosigkeit In Bezug auf Arbeitslosigkeit wurde von den Befragten die Herabsetzung der Anspruchsdauer auf Arbeitslosengeld angeführt: "Es gibt seit einigen Jahren eine Sechsmonatsfrist, in der man Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beziehen kann. Ich schätze, dass ist irgendwo auch sinnvoll, weil meiner Meinung nach motiviert das doch mehr Leute dazu, sich wieder einen Arbeitsplatz zu suchen. […] Sonst habe ich bei der Arbeitslosigkeit eigentlich keine Veränderungen wahr471

genommen."

7.2.1.3 Unfall/Krankheit Im Bereich der sozialen Absicherung bei einem Unfall oder bei Krankheit wurden von den befragten KünstlerInnen einige positive Veränderungen, wie z. B. die Abschaffung der Ambulanzgebühren und die Einführung der E-Card, welche als bürokratische Vereinfachung empfunden wird, erwähnt. Eine negative Entwicklung ist für die Interviewten jedoch die Erhöhung der Rezeptgebühren. Wobei sozial bedürftige Personen die Möglichkeit zu einer Rezeptgebührenbefreiung haben:

467

vgl. ebd.

468

vgl. Anonymisiertes Interview 2007a und Anonymisiertes Interview 2007b

469

Anonymisiertes Interview 2007a

470

vgl. ebd.

471

ebd.

Industrial Culture - Cultural Industries

123

Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

"Es gibt Gott sei Dank trotzdem eine Rezeptgebührenbefreiung für sozial bedürftige Leute bzw. für die, die halt wirklich regelmäßig Medikamente brauchen. […] Wenn man regelmäßig Dienste in Anspruch nimmt, kann das unter Umständen 472

ziemlich ins Geld gehen."

Ein anderes Problem, das in Zusammenhang mit Unfall oder Krankheit auftreten kann, ist bei KünstlerInnen vor allem die Möglichkeit eines Verdienstausfalles. Im schlimmsten Fall kann dies bedeuten, dass die Person auf Sozialhilfe angewiesen ist.473 7.2.2

Soziale Absicherung von IndustriearbeiterInnen

In Österreich trat 1956 das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz (ASVG) in Kraft und fasste die Kranken-, Unfall und Pensionsversicherung für die ArbeiterInnen und Angestellten in Industrie, Bergbau, Gewerbe, Handel, Verkehr und Land- und Forstwirtschaft zusammen. Durch Dienstgeberbeiträge und die Einbehaltung eines prozentuellen Betrags, gemessen am Bruttolohn, sind in Österreich unselbständig Erwerbstätige - d. h. sowohl ArbeiterInnen als auch Angestellte - in das Sozialversicherungssystem integriert und können unter bestimmten Voraussetzungen auch Arbeitslosengeld beziehen. Um die Finanzierbarkeit dieses Systems der sozialen Absicherung längerfristig sicherstellen zu können, gab es während der letzten Jahre immer wieder Maßnahmen zur Kostendämpfung, Effizienzsteigerung und Steuerung. 7.2.2.1 Pensionen Die Finanzierung der Pensionen der gesetzlichen Pensionsversicherung erfolgt in Österreich über ein Umlageverfahren. Das heißt, dass die Pensionsleistungen zum Großteil über die Beitragszahlungen der Erwerbstätigen finanziert werden. Derzeit werden rund 80 Prozent der Leistungen über diese Zahlungen, der Rest über Bundesbeiträge aus allgemeinen Steuergeldern abgedeckt.474 In Zeiten des demographischen Wandels und einer immer älter werdenden Gesellschaft, wurden deshalb einige Veränderungen vorgenommen. Die für diese Forschungsarbeit interviewten IndustriearbeiterInnen haben Veränderungen hinsichtlich der Absicherung nach der Erwerbstätigkeit bemerkt. Vor allem der Beschluss der Pensionsreform wurde durchwegs von allen Befragten angesprochen. Auch die Hinaufsetzung des Pensionsalters und die Angleichung des Ist-Pensionsalters an das gesetzliche Pensionsalter angeführt: "Man muss immer länger arbeiten und kann erst immer später in Pension gehen," bemerkte eine der befragten Personen.475

472

ebd.

473

vgl. ebd.

474

vgl. Aigner 2002

475

Interview mit Nussbaumer 2007, Interview mit Pichlbauer 2007, Interview mit Hoheneder 2007

124

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

Ein charakteristisches Ergebnis der Interviews war, dass die Betroffenen, die alle zwischen 20 und 30 Jahre alt sind, sich durchwegs wenig Gedanken über ihre Pensionsabsicherung machen. So meint der voestalpine-Mitarbeiter Paul Pichlbauer im Interview: "Ob es mich noch betreffen wird? Ich mache mir eigentlich überhaupt keine Gedanken um die Pension. Egal was kommt, ich fühle mich ausreichend abgesichert. Ich fühle mich in Österreich ausreichend sicher, dass ich mir im Alter keine Sorgen machen muss."

476

7.2.2.2 Arbeitslosigkeit Im Bereich der Absicherung bei Arbeitslosigkeit wurden von den Befragten sehr wenig bis keine Veränderungen bemerkt. Eine Interviewpartnerin merkte im Interview an, dass sie gehört habe, "[…] dass es bei uns in Bezug auf die Arbeitslosigkeit besser geworden ist, dass wir nicht mehr so viele Arbeitslose haben wie vorher, also wie vor 10 bis 15 Jahren. Sonst hab ich nicht wirklich was wahrgenommen."477 7.2.2.3 Unfall/Krankheit Auch im Bereich der Unfall- bzw. Krankenversicherung konnten die Interviewten keine spürbaren Veränderungen - bis auf die Rezeptgebührenerhöhung - feststellen. Ein Punkt, der sehr positiv bewertet wurde, war die Einführung der sogenannten E-Card: "Ich finde es toll, dass die Krankenkassen es endlich geschafft haben, die E-Card einzuführen. Diese sinnlose Regelung mit dem Krankenschein vorher - dass man zuerst einen Spießrutenlauf machen musste, um überhaupt erst mal krank sein bzw. zum Arzt gehen zu dürfen. Jetzt hast du die E-Card mit und gehst einfach zum Arzt, das finde ich super. Die Krankenscheingebühr hat es eh vorher auch gegeben, und jetzt zahlt man glaube ich zehn Euro im Jahr."

7.3

478

Maßnahmen zur sozialen Absicherung

Aufgrund des sozialen Abbaus in den letzten Jahren ist es notwendig geworden, Maßnahmen zu treffen, um diesem entgegenzuwirken. Der folgende Abschnitt beschäftigt sich mit individuellen Strategien, mit Maßnahmen der Stadt Linz und Maßnahmen der voestalpine AG. Die beschriebenen Maßnahmen betreffen die zuvor behandelten Bereiche Unfall/Krankheit und Arbeitslosigkeit/Pension. Bei diesem Thema wird aus Gründen der Übersichtlichkeit auf eine Zwei-Ebenen-Betrachtung von KünstlerInnen und IndustriearbeiterInnen verzichtet.

476

Interview mit Pichlbauer 2007

477

Interview mit Hoheneder 2007

478

Interview mit Pichlbauer 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

125

Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

7.3.1

Maßnahmen zur Absicherung bei Unfall oder im Krankheitsfall

7.3.1.1 Individuelle Maßnahmen Österreichweit gibt es die zuvor angesprochene Künstlersozialversicherung, die versucht, KünstlerInnen sozial abzusichern. Jedoch ist sie einiger Kritik ausgesetzt. Zendron fordert beispielsweise, eine "ordentliche Sozialversicherung" einzuführen. In diesem Konzept soll gewährleistet werden, dass KünstlerInnen - unabhängig von ihren Einnahmen - sozial abgesichert werden. Das heißt, dass KünstlerInnen nicht von der Sozialversicherung ausgeschlossen sind, wenn sie ein geringes Einkommen haben.479 7.3.1.2 Maßnahmen der Stadt Linz Von der Stadt Linz werden einerseits gezielte Veranstaltungen und Programme zur Gesundheitsförderung organisiert, andererseits werden verschiedenste Vereine durch die Stadt unterstützt. Diese Maßnahmen dienen dazu, das Bewusstsein der Bevölkerung in Bezug auf Gesundheit zu sensibilisieren. Weiters übernimmt die Stadt Linz auch die Durchführung sowie Koordination verschiedener Hilfsdienste im Bereich Betreuung und Pflege. 7.3.1.3 Maßnahmen der voestalpine AG Die voestalpine AG hat auf die Erhöhung der Selbstbehalte im Gesundheitswesen reagiert und hat einen Betriebsratsfonds eingerichtet. Dieser Fonds steht MitarbeiterInnen zur Verfügung, die es beispielsweise benötigen, auf Kur zu fahren. Es wird versucht, einen Ausgleich zu "draußen" zu schaffen und den MitarbeiterInnen eine zusätzliche soziale Absicherung zu bieten.480 Eine weitere Maßnahme, welche die voestalpine AG gesetzt hat, ist das so genannte Life-Programm, welches im Folgenden kurz dargestellt wird. Das Life-Programm stellt ein umfassendes Programm zur Anpassung der Unternehmenskultur und Arbeitsprozesse an das Älterwerden der Belegschaft sowie an den drohenden Mangel an jüngeren Mitarbeitern dar. Es sollen lebensphasengerechte Arbeitsplätze und Arbeitsabläufe geschaffen werden, um ein produktives Zusammenarbeiten der verschiedenen Generationen zu gewähren. Dies inkludiert auch das Bemühen, dass die MitarbeiterInnen so lange wie möglich gesund im Arbeitsprozess bleiben und danach gesund in Pension gehen können.481 Das Life-Programm wurde mit Blick auf die zukünftige demografische Entwicklung konzipiert. Der Konzern rechnet mit einem Anstieg der über50-jährigen MitarbeiterInnen und will auf diese Entwicklung vorbereitet sein, um trotzdem die Optimierung von Leistung, Arbeitsbedingungen und Gesundheit gewährleisten zu können. Ohne Reaktion auf die sich ändernden Rahmenbedingungen würde sich die Umsetzung der Unternehmensstrategie immer problematischer gestalten, da es bei abnehmender körperlicher Arbeitsfähigkeit bei begleitender fachlicher Unterforderung zu großen Leistungseinbußungen bei älteren ArbeiterInnen kommen kann.

479

vgl. Interview mit Zendron 2007

480

vgl. Interview mit Schaller 2007

481

vgl. ebd.

126

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

Beispiel für eine "Life"-Maßnahme ist die Umstellung der Vierer-Schicht auf die Fünfer-Schicht. "Vierer schichteln ist ja nicht einfach. [...] Du bist ausgeschlossen von allen kulturellen Geschichten [...] und bei der Fünfer-Schicht hast du zwei Früh, zwei Mittag, zwei Nacht und vier Tage frei [...]"482 Auf Grund dieser Umstellung können die MitarbeiterInnen selber wählen, ob sie 38,5 oder weniger, also bis zu 32 Stunden in der Woche arbeiten wollen. Durch diese so genannten Freischichten hat er/sie dann die Möglichkeit an kulturellen Veranstaltungen, an Bildungsveranstaltungen bzw. überhaupt am sozialen Leben teilzunehmen. Der durch die verkürzte Arbeitszeit induzierte Geldverlust ist laut Betriebsratsvorsitzendem Schaller nicht massiv, da der Betrieb gemeinsam mit dem AMS Formeln entwickelt hat, die dies ausgleichen.483 7.3.2

Maßnahmen zur Absicherung während/nach der Erwerbstätigkeit

7.3.2.1 Individuelle Maßnahmen Aufgrund des sozialen Abbaus rückt die private Vorsorge immer mehr in den Vordergrund. Wobei sie laut Zendron jedoch keine Alternative für Menschen, die kein regelmäßiges Einkommen beziehen bzw. sich im unteren Einkommenssegment befinden, darstellt. Wenn beispielsweise einE KünstlerIn 3.000 Euro im Monat verdient, muss er/sie sich überlegen, wie dieses Geld am besten angelegt wird. Es muss davon ausgegangen werden, dass die nächsten Monate nicht so ertragreich sein werden, wobei aber die private Vorsorge regelmäßig zu bezahlen ist - egal wie hoch bzw. niedrig das Einkommen des/der Versicherten ist. Wenn die Versicherungsbeiträge nicht bezahlt werden können, "[…] führt das automatisch zu Verschlechterungen. Es ist ja dann nicht nur so, dass ich weniger Einzahlungsmonate habe, sondern es gibt ja dann Sanktionen von privaten Versicherungen oder einer Bank, das beeinflusst etwaige Zinsen oder Prämien."484 Ein weiterer Grund dafür, dass die private Vorsorge kein Zukunftsmodell ist, begründet Zendron damit, dass die privaten Versicherungsanstalten im Gegensatz zur öffentlichen Sozialversicherung auf Profit angelegt sind und somit kein Interesse an den Tag legen, diverse soziale Kürzungen auszugleichen.485 Im Gegensatz zu dieser Meinung ist es bei IndustriearbeiterInnen üblich, dass privat vorgesorgt wird. Es wird zwar nicht aus Überzeugung vorgesorgt, sondern wie Schaller im Interview sagt, aus Angst. Es besteht die Angst, durch die öffentliche Versicherungsanstalt nicht ausreichend abgesichert zu sein. Dies bestätigt auch folgendes Zitat einer befragten voestalpine-Mitarbeiterin: "Ich hab eine Pensionsversicherung abgeschlossen, zahle monatlich einen Betrag und hoffe, dass es mir mal was bringt, wenn ich in Pension gehen darf."486 Auch Schaller sieht das große Problem der privaten Vorsorge in der Finanzierbarkeit. Er macht auch zusätzlich auf das Problem des Umlageverfahrens aufmerksam:

482

Interview mit Schaller 2007

483

vgl. ebd.

484

Interview mit Zendron 2007

485

vgl. ebd.

486

Interview mit Hoheneder 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

127

Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

"Ich bin auch ein ganz massiver Befürworter von dem Umlageverfahren, nur das Problem, das ich sehe […] ist, dass vor lauter Ich-AGs und […] und Schwarzarbeit keine Beiträge mehr reinkommen. Und damit ist auch das Umlageverfahren hin - das fürchte ich massiv."

487

7.3.2.2 Maßnahmen der Stadt Linz In Bezug auf KünstlerInnen gibt es von der Stadt Linz keine spezifischen Maßnahmen zur Absicherung während oder nach der Erwerbstätigkeit. Allerdings werden verschiedene Kultureinrichtungen von der öffentlichen Hand subventioniert. Die Stadt ist bemüht, langfristige Finanzierungsverträge für solche Einrichtungen zu erlangen. Laut Gesetz dürfen Subventionen auf Grund des Charakters der Freiwilligkeit nur jährlich vergeben werden. Eine rechtsverbindliche Zusage zu mehrjährigen Subventionen würde auch den KünstlerInnen zugute kommen, da diese nicht jährlich aufs Neue gekündigt werden müssen. Derartige jährliche Kündigungen haben beispielsweise schwerwiegende Folgen in Bezug auf die Abfertigung.488 Außerdem bietet die Stadt Linz für sozial Schwächere spezifische Maßnahmen wie zum Beispiel den Aktivpass an, der etwa Vergünstigungen bei verschiedenen öffentlichen Institutionen bringt. 7.3.2.3 Maßnahmen der voestalpine AG Als Reaktion auf den sozialen Abbau hat die voestalpine AG eine Pensionskassa für ihre MitarbeiterInnen gegründet. Das Unternehmen zahlt monatlich einen Betrag in diese Kassa ein, d. h. die MitarbeiterInnen müssen selbst nichts einzahlen. Wenn einE MitarbeiterIn doch selbst einen Beitrag einzahlt, erhöht sich der Auszahlungsbetrag um einen Bonus, der vom Unternehmen getragen wird.489 Ein voestalpine-Mitarbeiter beschreibt im Interview dieses System folgendermaßen: "Da haben wir auch im Betrieb eine Kassa. Da können wir Pension einzahlen. Da zahlt man halt immer etwas ein und wenn man dann in Pension geht, dann bekommt man es vom Betrieb ausbezahlt. Das hat nichts mit der normalen Pension zu tun."

490

Eine weitere Maßnahme stellt das Integrationszentrum dar, das aus einem Netzwerk von PsychologInnen besteht. MitarbeiterInnen der voestalpine AG können sich an diese Stabstelle wenden, wenn sie von einem Arzt bzw. einer Ärztin den Befund erhalten, die laufende Tätigkeit nicht mehr ausführen zu können. Solch ein Fall wird dann zusammen mit der Abteilung besprochen und es wird versucht, eine Lösung für die MitarbeiterInnen zu finden um für sie einen geeigneten Arbeitsplatz zu finden. Falls dafür eine andere Ausbildung nötig ist, wird ihnen diese Möglichkeit zur Weiter- bzw. Ausbildung

487

Interview mit Schaller 2007

488

vgl. Interview mit Zendron 2007

489

vgl. Interview mit Schaller 2007

490

Interview mit Nussbaumer 2007

128

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

geboten und die MitarbeiterInnen können einen neuen Arbeitsplatz innerhalb des Unternehmens einnehmen.491 Als weithin bekannte Maßnahme der voestalpine AG gilt die Stahlstiftung, die MitarbeiterInnen unterstützt, deren Arbeitsplatz gekündigt wurde. Es wird versucht, ihnen bei der Reintegration in den Arbeitsprozess zu helfen. Entstanden ist die Stahlstiftung in einer Zeit, in der die voestalpine AG von massivem Arbeitsplatzabbau betroffen war. Heute ist die Bedeutung der Stahlstiftung aufgrund der guten Situation der Stahlbranche nicht mehr so groß. Sie wird von Solidaritätsbeiträgen der MitarbeiterInnen finanziert, d. h. jeder/jede MitarbeiterIn zahlt in diese Stiftung ein, um KollegInnen, die ihren Arbeitsplatz verloren haben und nun in Ausbildung gehen, zu unterstützen. Diese KollegInnen können in der Stiftung eine Ausbildung, Umschulung oder Lehre machen und bekommen dabei bis zu 80 Prozent ihres Gehaltes weiter bezahlt.492

7.4

Linz als Soziale Stadt

Die Ausgaben im Sozialbereich sind in den letzten Jahren massiv angestiegen, Linz bemüht sich, als "Soziale Stadt" wahrgenommen zu werden. Bereits im November 1990 wurde vom Linzer Gemeinderat ein umfassendes Sozialprogramm für Linz beschlossen. Durch diese äußerst erfolgreiche Sozialoffensive ist es gelungen, die Lebensbedingungen vor allem für SeniorInnen, Kinder, Jugendliche und Familien sowie sozial Benachteiligte wesentlich zu verbessern. Im Vordergrund der Sozialoffensive standen der Neu- und Ausbau von Kinderbetreuungseinrichtungen, die Forcierung der dezentralen Sozialbetreuung in den Stadtteilen, der Ausbau der stationären und mobilen dezentralen Versorgung der Linzer SeniorInnen sowie neue Jugendzentren und Freizeitanlagen. Dieses Bekenntnis der Stadt Linz zu einem umfassenden Leistungsangebot im Sozialbereich wird auch im Vergleich der Sozialausgaben von 1988 bis zum Jahr 2000 deutlich. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum mehr als eine Milliarde Euro aufgewendet. Zum Vergleich: 1988 betrugen die Ausgaben für den Bereich Soziales etwas über 50 Millionen Euro (13,7 Prozent des Gesamtbudgets), im Jahr 2000 waren es mehr als 160 Millionen Euro (25,2 Prozent des Gesamthaushaltes).

491

vgl. Interview mit Schaller 2007

492

vgl. ebd.

Industrial Culture - Cultural Industries

129

Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

Wichtige Maßnahmen in diesem Bereich sind zum Beispiel: Sozial gestaffelte Tarife beziehungsweise Ermäßigungen bei der Linz AG, der LIVA oder der VHS mit dem städtischen Seniorenausweis und dem Aktivpass (insgesamt 12.206 Ausstellungen beziehungsweise Verlängerungen im Jahr 2000). Zuschüsse für Kinderbetreuungseinrichtungen: Für die städtischen Kinderbetreuungsplätze werden sozial gestaffelte Tarife berechnet. Jährlich entsteht der Stadt damit ein Zuschussbedarf von rund 11 Millionen Euro plus Subventionen an private Träger von rund 1,3 Millionen Euro. Sozialhilfezahlungen: Die Gesamtausgaben für einmalige oder laufende Sozialhilfezahlungen betrugen im Jahr 2000 für 3.890 LinzerInnen über 3 Millionen Euro. Heizkostenzuschuss: Im Jahr 2000 wurden fast 500.000 Euro für Heizkostenzuschüsse von 2.660 AntragstellerInnen aufgewendet.493

7.5

Zukunftsbild

Die Krise des Wohlfahrtsstaates ist in den letzten Jahrzehnten entstanden, in Zukunft werden dem Sozialstaat weiterhin die demographische Entwicklung und die Globalisierung Probleme bereiten. In der politischen Diskussion gibt es grundsätzlich zwei Strömungen über die Zukunft des Sozialstaates. Die einen meinen, dass der Wohlfahrtsstaat an sich obsolet geworden ist, andere wiederum sehen im Konzept eines Sozialstaates die Sicherung des Wohlstandes und der Demokratie und sprechen daher davon, den Sozialstaat zu reformieren und umzugestalten.494 Die Zukunft der Stadt Linz ist im Bericht der Stadt Linz mit dem Titel "Szenario - Neue Werte im urbanen Raum" skizziert worden. Man spricht in diesem Bericht davon, dass Kunst und Kultur in das Design und die Stadt-Raum-Gestaltung einfließen werden und dass die Steuerung des Kulturbereichs über positive Anreizsysteme erfolgt. Die Schwerpunkte im Bereich Kultur sind "neue Medien, freie Szene und offene Räume."495 Im Bereich Gesundheit möchte die Stadt Linz vermehrt auf Prävention und Hilfe zur Selbsthilfe setzen, da Intervention bei Krankheit teuer ist, und aufgrund der Finanzknappheit eine Förderung der Prävention günstiger ist und nachhaltig wirken soll.496 Die Befragung der Experten zu der zukünftigen Entwicklung in den Bereichen Gesundheit und Absicherung während und nach der Erwerbstätigkeit identifizierte einige Probleme, welche in Zukunft auf die Betroffenen treffen werden. Hans-Karl Schaller, Betriebsrat der voestalpine AG, meint, dass in Zukunft das Problem des "Burn-Outs" zunehmen wird und es daher auch in der Verantwortung des Betriebes liegt, diese Probleme zu lösen. Schaller spricht sich als Befürworter des Umlageverfahrens

493

vgl. Magistrat der Stadt Linz 2001

494

vgl. Krzysztof 1996, S. 3

495

vgl. Magistrat der Stadt Linz o. J., S. 64

496

vgl. ebd., S. 69

130

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

im Bereich der Pensionsversicherung aus, er befürchtet jedoch, dass aufgrund sich ändernder Rahmenbedingungen, insbesondere der Arbeitsverhältnisse, das Umlageverfahren nicht mehr umgesetzt werden kann, da immer weniger Beiträge einbezahlt werden.497 Rainer Zendron, Vizerektor an der Kunstuniversität Linz, sieht durch den allgemeinen Trend zur Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse eine Verbesserung für KünstlerInnen im Bereich der Sozialversicherung, da sich die Gesetzgebung und die Sozialversicherung auf diese veränderten Rahmenbedingungen, welche die KünstlerInnen zum Großteil in der Gegenwart schon betreffen, einstellen müssen. Zendron meint jedoch, dass es allgemein, d. h. für die gesamte Bevölkerung, durch die Veränderungen der Arbeitsverhältnisse zu einer Verschlechterung der Sozialversicherung im Bereich Gesundheit kommen wird. Im Bereich Absicherung während und nach der Erwerbstätigkeit sieht er keine wesentlichen Verbesserungen für KünstlerInnen in der Zukunft. Die Diskussion über ein Grundeinkommen begrüßt Zendron, die Frage ist hierbei jedoch, inwieweit ein Berufsschutz für KünstlerInnen gelten würde. Er weißt darauf hin, dass sich die Einführung eines Grundeinkommens vermutlich auch als Verbesserung für KünstlerInnen darstellen würde.498 Das Zukunftsbild der interviewten Personen aus dem Industrie- und Kunst- und Kulturfeld in Bezug auf den Abbau des Sozialstaates ist durchwegs positiv. Die meisten Befragten glauben, dass sich nichts Wesentliches radikal verändern wird. Es besteht bei den Betroffenen die Hoffnung, dass der Sozialstaat weiterhin bestehen bleibt und das soziale Netz auch ihnen selbst einmal im Fall von Krankheit, Unfall oder Alter Sicherheit bieten wird. Das Thema Pension hat bei den Befragten größere Skepsis hervorgerufen, eine Befragte meinte etwa: "Mich würde es halt interessieren wie es bei uns, bei der Jugend aussieht, wenn wir in Pension gehen, ob wir dann wirklich, so wie es jetzt auch ist, mit 60 Jahren in Pension gehen können, oder ob wir eh arbeiten müssen bis wir umfal499

len."

Weiters ist man sich auch unsicher, ob die private Vorsorge tatsächlich später, im Falle einer Pension, ausbezahlt wird. Beim Thema Gesundheit meinte ein Befragter, dass die Kosten für das Sozialsystem weiter steigen werden, da immer mehr Menschen, aufgrund der demographischen Entwicklung diese Leistungen in Anspruch nehmen werden. Er glaubt nicht, dass die Beiträge im Sozialsystem erhöht werden, sondern rechnet eher damit, dass es zu einer Erhöhung bei Gebühren kommen wird.

497

vgl. Interview mit Schaller 2007

498

vgl. Interview mit Zendron 2007

499

Interview mit Hoheneder 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

131

Kapitel 7. Soziale Wohlfahrt - Der Abbau des Sozialstaates

7.6

Fazit

Jahrzehntelang galten soziale Sicherheit bzw. soziale Leistungen als öffentliches Gut, das der Staat jedem zur Verfügung stellt. In der letzten Zeit jedoch ist ein Vertrauensverlust zu beobachten, der sich in privater Vorsorge niederschlägt. Auch die Stadt Linz und die einzelnen Betriebe passen sich der veränderten Situation an und planen Maßnahmen zur Absicherung. Die Folgen des Abbaus des Sozialstaates sind für die LinzerInnen durchaus spürbar und es ergeben sich einige Probleme. Der Schwerpunkt der Interviews in der vorliegenden Arbeit lag bei Personen im Alter zwischen 20 und 30 Jahren und dabei zeigte sich, dass diese noch weniger nachhaltig denken und sich über die Zukunft in Bezug auf Absicherung wenig Gedanken machen. Ebenso wurden die Kenntnisse der betroffenen Personengruppen über die jeweilige andere Gruppe in Bezug auf soziale Absicherung in Interviews erfragt. Ziel war es, herauszufinden, ob und wie viel KünstlerInnen über die Probleme der IndustriearbeiterInnen und umgekehrt Bescheid wissen. Die Befragungen haben gezeigt, dass es kaum bzw. in den meisten Fällen kein Wissen über soziale Probleme der jeweils anderen Gruppe gibt. Das was bekannt ist, wurde entweder über die Medien oder durch Ferialarbeiten der Befragten wahrgenommen. Im Verlauf des Forschungsprojektes wurde außerdem festgestellt, dass in der Wahrnehmung der Linzer eine Veränderung stattgefunden hat. Linz wird heute nicht mehr ausschließlich als "Industriestadt" wahrgenommen, sondern aufgrund verschiedenster Maßnahmen auch als "Soziale Stadt" und noch viel mehr als "Kulturstadt" gesehen.

132

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 8. Anhang

8. Anhang

8.1

Literaturverzeichnis

Aiginger, Karl, Wirtschaftliche Mobilität in Österreich. Signum-Verlag, Wien 1980 Aigner, Johanna, Die Pensionsreformen in Österreich, Wien 2002, abrufbar http://homepage.univie.ac.at/Christian.Sitte/FD/RGW7/_243.htm, Zugriffsdatum: 20. Juni 2007

unter

Wien 2006, abrufbar AMS Wien, TEAM 4 Künstlerservice, http://www.ams.at/neu/wien/900_team_4_kuenstlerservice.pdf, Zugriffsdatum: 13. Juli 2007

unter

Arbeiterkammer OÖ, Kunstraum Goethestrasse, Kulturplattform OÖ, Establish Cultural Worker! Ist die KulturArbeit (oder) Kunst?, Dokumentation der Veranstaltungsreihe von Arbeiterkammer OÖ, Kunstraum Goethestrasse und Kulturplattform OÖ, 25. September - 30. November 2002, Linz 2003 Atteslander, Peter, Methoden der empirischen Sozialforschung, Erich Schmidt Verlag GmbH & Co., Berlin 2006 Azzelini, Dario, Selbständige Beschäftigung - Zwang oder freie Entscheidung!, Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Establish Cultural Worker - Ist die KulturArbeit (oder) Kunst?", Linz 2002, abrufbar unter http://www.culturalworker.at/, Zugriffsdatum: 19. April 2007 Bickel, Peter, Friedrich, Rainer, Was kostet uns die Mobilität? Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 1994 Biffl, Gudrun, Ausländische Arbeitskräfte auf dem österreichischen Arbeitsmarkt, WIFO 2002 Biffl, Gudrun, Chancen von jugendlichen Gastarbeiterkindern in Österreich, ISW, Linz 2004 Bockow, Jörg, Lexikon für Pressearbeit, Öffentlichkeitsarbeit und PR (Public Relations), abrufbar unter http://www.pressearbeit-bockow.de/lexikon-c-f-g-h-i.htm#54, o.J., Zugriffsdatum: 14. Juni 2007 Bourdieu, Pierre, Die Regeln der Kunst, Suhrkamp, Frankfurt/Main 1999 Brockhaus-Enzyklopädie (Hrsg.), Flexibilisierung, 19. völlig neubearb. Auflage, Mannheim 1988 Brucknerhaus Linz, abrufbar unter http://www.brucknerhaus.at/www1/de/brucknerhaus/bhphilosophie.php, Zugriffsdatum: 16. Juli 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

133

Kapitel 8. Anhang

Bukow, Wolf-Dietrich et al., Die multikulturelle Stadt. Von der Selbstverständlichkeit im Alltag, Reihe: Interkulturelle Studien, Band 6, Leske u. Budrich, Opladen 2001 Butterwegge, Christoph, Krise und Zukunft des Sozialstaates, 3. erw. Aufl., VS Verlag, Wiesbaden 2006 Chodzinski, Armin, 8 Stunden sind ein Tag, Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Establish Cultural Worker - Ist die KulturArbeit (oder) Kunst?", Linz 2002, abrufbar unter http://www.culturalworker.at/, Zugriffsdatum: 19. April 2007 Czempirek, Klaus, Zurück zum alten Kulturbegriff, sonst wird das neue Linz nicht begriffen, Linz 1999, abrufbar unter http://www.linz.at/kultur/kep/experten/extip6.html, Zugriffsdatum: 23. April 2007 Dembinski, Gernot, Die Bedeutung der Imageforschung für Handelsunternehmen, 2005, abrufbar unter http://www.grin.com/de/preview/51629.html, Zugriffsdatum: 14. Juni 2007 Demel, Katharina, Bender, Christof, Qualifikationsniveau von slowenischen, tschechischen und ungarischen ArbeitsmigrantInnen und ihre Position am österreichischen Arbeitsmarkt, ICM PD/ÖFM, Wien 1999 Denz, Hermann, Kutzenberger, Ewald, Pendler in Oberösterreich, Traunerdruck, Linz 1978 Die Wahrheit (Hrsg.), "Ich kann nicht mehr…" - Frust lass nach, Nr. 04/2003, Linz 2003 Die Wahrheit (Hrsg.), Arbeit und Einkommen für alle sichern, Nr. 12/1996, Linz 1996 Die Wahrheit (Hrsg.), Arbeitsmarkt und Zukunft, Nr. 05/2006, Linz 2006 Die Wahrheit (Hrsg.), Arbeitszeit neu: Flexible Arbeitszeit nur durch Kollektivvertrag, Nr. 03/1997, Linz 1997 Die Wahrheit (Hrsg.), Beschäftigung älterer Arbeitskräfte und wirtschaftlicher Wandel, Nr. 04/2006, Linz 2006 Die Wahrheit (Hrsg.), Das Sabbatjahr - Eine Chance im Kampf gegen Arbeitslosigkeit?, Nr. 02/1998, Linz 1998 Die Wahrheit (Hrsg.), Die mit dem Stress tanzen, Nr. 04/2002, Linz 2002 Die Wahrheit (Hrsg.), Flexibilisierung - das neue Modewort, Nr. 01/2006, Linz 2006

134

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 8. Anhang

Die Wahrheit (Hrsg.), Gemeinsam haben wir viel geschafft! Arbeitszeitverkürzung, Nr. 12/1996, Linz 1996 Die Wahrheit (Hrsg.), KBR - Thementag zum Thema "Arbeitszeit", Nr. 10/2005, Linz 2005 Die Wahrheit (Hrsg.), Kulturdiktat von oben - Eine Verbindlichkeit für unten! , Nr. 12/1999, Linz 1999 Die Wahrheit (Hrsg.), Leiharbeit im Konzern: "Grundsatzerklärung" regelt die Rahmenbedingungen, Nr. 12/2002, Linz 2002 Die Wahrheit (Hrsg.), Leiharbeit im VA Konzern, Nr. 09/2001, Linz 2001 Die Wahrheit (Hrsg.), Nur Flexibilität allein ist kein Allheilmittel, Nr. 03/1997, Linz 1997 Die Wahrheit (Hrsg.), Soziale Sicherheit und Vollbeschäftigung für alle, Nr. 11/1996, Linz 1996 Die Wahrheit (Hrsg.), Urlaub für mich und meine Beziehung, Nr. 07/2002, Linz 2002 Die Wahrheit (Hrsg.), Was macht gute Arbeit aus?, Nr. 02/2007, Linz 2007 Die Wahrheit (Hrsg.), Wer langsamer lebt, lebt länger, Nr. 03/2007, Linz 2007 Die Wahrheit (Hrsg.), Wohlfühlfaktor Arbeit? Arbeitsvolumen, Nr. 07,08/2003, Linz 2003 Die Wahrheit (Hrsg.), Wohlfühlfaktor Arbeitsplatz?, Nr. 06/2003, Linz 2003 Die Wahrheit (Hrsg.), Zukunft der Arbeitsbedingungen, Nr. 12/1999, Linz 1999 Die Wahrheit (Hrsg.), Zukunft der Arbeitswelt. Wie sich unser Alltag verändern könnte, Nr. 01/2006, Linz 2006 Die Zukunft der Arbeit, Einkommen und Auskommen, Ökumenischer Manuskriptdienst für religiöse Sendungen im ORF, Linz 2004, abrufbar unter http://ksoe.at/sozialwort/images/memo1104.pdf, Zugriffsdatum: 22. Juni 2007 e_mu, "KÜNSTLERINNEN ALS NEUE 'HELDINNEN DER ARBEIT'", dieStandard, 25. März 2004, Wien 2004, abrufbar unter http://www.equalartworks.at/druckversion.php?contentFile=publikationen_detail.php&id=87, Zugriffsdatum: 14. April 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

135

Kapitel 8. Anhang

Eder, Manfred, Kutzenberger, Ewald, Sacher, Hubert, Die räumliche und berufliche Mobilität der oberösterreichischen Arbeitnehmer, Rudolf Trauner Verlag, Linz 1982 Euro Mayday, Prekär, Prekarisierung, Prekariat, Arbeitspapier des Frassanito-Netzwerks, abrufbar unter http://www.nadir.org/nadir/kampagnen/euromayday-hh/de/2005/07/263.shtml, Zugriffsdatum: 15. April 2007 Faller, Peter, "Wirtschaftliche Entfaltung braucht Verkehr", in: Wissenschaft und Umwelt, Forum Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz, Wien 2001 Fiereder, Helmut, Reichswerke in Österreich, Band XVI, Wien, Salzburg 1983 FIFTITU%, FIFTITU% - Vernetzungsstelle für Frauen in Kunst & Kultur in OÖ, Linz 2006, abrufbar unter http://www.fiftitu.at/index.php?id=23, Zugriffsdatum: 13. Juli 2007 Franz, Peter, Soziologie der räumlichen Mobilität - Eine Einführung, Campus Verlag, Frankfurt/New York 1984 Freie Enzyklopädie Wikipedia, Beruf, o.J.a, abrufbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Beruf , Zugriffsdatum: 24. Juni 2007 Freie Enzyklopädie Wikipedia, Berufung, o.J.b, abrufbar unter http://de.wikipedia.org/wiki/Berufung, Zugriffsdatum: 24. Juni 2007 o.J.c, Freie Enzyklopädie Wikipedia, Flexibilisierung, http://de.wikipedia.org/wiki/Flexibilisierung, Zugriffsdatum: 24.Juni 2007

abrufbar

unter

Freie Enzyklopädie Wikipedia, Flexicurity, o.J.d, abrufbar unter http://wikipedia.org/wiki/Flexicurity, Zugriffsdatum: 24. Juni 2007 Fuchs-Heinritz, Werner u. a. (Hrsg.), Lexikon zur Soziologie, 3. völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Westdeutscher Verlag, Opladen 1995 Gewerkschaft - Kunst, Medien, Sport, freie Berufe, Wer ist die KMSfB?, abrufbar unter http://www.kmsfb.at/servlet/ContentServer?pagename=S02/Page/Index&n=S02_2, Zugriffsdatum: 13. Juli 2007 Göschel, Albrecht, Lokale und regionale Identitätspolitik, in: Siebel, Walter (Hrsg.), Die europäische Stadt, Edition Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2004, S. 158-168 Göschel. Albrecht, Identitäts- und Imagepolitik: Revision kulturpolitischer Reformen, in: Sievers, Norbert, Wagner, Bernd (Hrsg.) Jahrbuch für Kulturpolitik 2006, Band 6, Klartext Verlag, 2006, S. 235 243

136

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 8. Anhang

Gottschall Karin, Betzelt, Sigrid, "Zur Regulation neuer Arbeits- und Lebensformen. Eine erwerbssoziologische Analyse am Beispiel von Alleindienstleistern in Kulturberufen", in Gottschall, Karin, Voß, Günter G. (Hrsg.), Entgrenzung von Arbeit und Leben: zum Wandel der Beziehung von Erwerbstätigkeit und Privatsphäre im Alltag, Hampp, München 2003 Gottschall, Karin, Voß, Günter G. (Hrsg.), Entgrenzung von Arbeit und Leben: zum Wandel der Beziehung von Erwerbstätigkeit und Privatsphäre im Alltag, Hampp, München 2003 Grau, Herbert, Die Volkshochschule Linz am Spiegel der Statistik, Linz 1951 Linz 1999, Gsöllpointner, Helmuth, Spirit of Linz, http://www.linz.at/kultur/kep/experten/extip9.html, Zugriffsdatum: 16. Juni 2007

abrufbar

unter

Haak, Carroll, Schmid, Günther, Arbeitsmärkte für Künstler und Publizisten - Modelle einer zukünftigen Arbeitswelt?, Berlin 1999, abrufbar unter http://skylla.wz-berlin.de/pdf/1999/p99-506.pdf, Zugriffsdatum: 29. April 2007 Han, Petrus, Soziologie der Migration. Erklärungsmodelle - Fakten - Politische Konsequenzen - Perspektiven, Lucius & Lucius Verlag, Stuttgart 2000 Heckmann, Friedrich, Ethnische Minderheiten, Volk und Nation. Soziologie inter-ethnischer Beziehungen, Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1992 Herzog-Punzenberger, Barbara, Die "2. Generation" an zweiter Stelle?, Wien 2003 IG Kultur Österreich, Mission, abrufbar unter http://igkultur.at/igkultur/organisation/1003760775, Zugriffsdatum: 14. Juli 2007 Institut für Gesellschafts- und Sozialpolitik (Hrsg.), flexible @ art, Endbericht im Rahmen der Lehrveranstaltung Projektmanagement und Projektbegleitung, Linz 2006, abrufbar unter http://www.liqua.net/liqua/images/dokumente/fle_flexible_at_art_lva_endbericht.pdf, Zugriffsdatum: 27. April 2007 Janko, Siegbert, Entwicklung einer modernen Kulturpolitik am Beispiel Linz, Linz o.J.a, abrufbar unter http://www.linz.at/images/Entwicklung_einer_modernen_Kulturpolitik_am_Beispiel_Linz.doc, Zugriffsdatum: 21. März 2007 Linz Janko, Siegbert, Kultur als öffentliche Aufgabe, http://www.linz.at/Kultur/kultur_10013.asp, Zugriffsdatum: 22. Mai 2007

o.J.b,

Janko, Siegbert, Linz - Kultur- und Industriestadt, Linz o.J.c, http://www.linz.at/kultur/kep/experten/extip11.html, Zugriffsdatum: 25. März 2007

abrufbar

unter

abrufbar

unter

Industrial Culture - Cultural Industries

137

Kapitel 8. Anhang

Janko, Siegbert, Linz - Kultur- und Industriestadt. Kulturentwicklung - Stadtentwicklung, Linz 1999, abrufbar unter http://www.linz.at/kultur/kep/experten/extip11.html, Zugriffsdatum: 19. März 2007 Linz 1999, Janko, Siegbert, Warum ein "Kulturentwicklungsplan", http://www.linz.at/kultur/kep/texte/warum.htm, Zugriffsdatum: 16. Juli 2007

abrufbar

unter

Jürgens, Kerstin, Zeithandeln- eine neue Kategorie der Arbeitssoziologie, in: Gottschall, Karin, Voß, Günter G. (Hrsg.), Entgrenzung von Arbeit und Leben: zum Wandel der Beziehung von Erwerbstätigkeit und Privatsphäre im Alltag, Hampp, München 2003 Kannonier, Reinhard, Voraussetzung für eine "Linzer Dramaturgie", Linz 1999, abrufbar unter http://www.linz.at/kultur/kep/experten/extip12.html, Zugriffsdatum: 15. Juni 2007 Keller, Reiner, Diskursforschung - Eine Einführung für Sozialwissenschaften, Leske + Budrich, Opladen 2004 Koll, J. Hermann, Mobilität und Beruf, Westdeutscher Verlag, Opladen 1981 Kraemer, Klaus, Speidel, Frederic, Prekarisierung von Erwerbsarbeit. Zur Transformation eines arbeitsweltlichen Integrationsmodus, o. J., abrufbar unter www.ruhr-unibochum.de/fiab/pdf/sonstiges/heitmeyer_theorieband.pdf, Zugriffsdatum: 20. März 2007 Kratzer, Nick, Sauer, Dieter, "Entgrenzung von Arbeit. Konzept, Thesen, Befunde", in: Gottschall, Karin, Voß, Günter G. (Hrsg.), Entgrenzung von Arbeit und Leben: zum Wandel der Beziehung von Erwerbstätigkeit und Privatsphäre im Alltag, Hampp, München 2003 Krzysztof, Michalski (Hrsg.), Die Zukunft des Wohlfahrtsstaates, Transit 12, Verlag neue Kritik, Frankfurt am Main 1996 Kulturrat Österreich (Hrsg.), Die Arbeitssituation von - nicht nur ! - Kunst- und Kulturschaffenden ist prekär!, Presseaussendung, Wien 2005, abrufbar unter http://www.freietheater.at/kulturpolitik/190405.htm, Zugriffsdatum: 15. April 2006 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "(Un-) Geordnete Verhältnisse", KUPF-Zeitung, Nr. 107/3/04 Linz, 9. Juli 2004, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=758&os=5&icatid=144, Zugriffsdatum: 28. April 2007 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Arbeit neu denken", KUPF-Zeitung, Nr. 85/1/00, Linz, S. 11-12 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Arbeiten, Herstellen, Handeln", KUPF-Zeitung, Nr. 118/4/06 Linz, 20. September 2006, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=1399&icatid=175, Zugriffsdatum: 28. April 2007

138

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 8. Anhang

KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Atypisch", KUPF-Zeitung, Nr. 97/3/02, Linz, 3. Juli 2002, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=335&os=5&icatid=85, Zugriffsdatum: 14. April 2007 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Begleitumstände der Arbeit", KUPF-Zeitung, Nr. 99/5/02, Linz, 11. November 2002, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=335&os=5&icatid=85, Zugriffsdatum: 14. April 2007 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Bilddekonstruktion", KUPF-Zeitung, Nr. 99/5/02, Linz, 11. November 2002, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=334&os=5&icatid=85, Zugriffsdatum: 14. April 2007 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Ein erster Blick über den Zaun am Feld von Kunst und Kultur", Nr. 119/5/06 Linz, 21. Dezember 2006, abrufbar unter KUPF-Zeitung, http://www.kupf.at/index.php?sid=1488&icatid=179, Zugriffsdatum: 28. April 2007 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Establish Cultural Worker", KUPF-Zeitung, Nr. 98/4/02, Linz, 2. Oktober 2002, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=315&os=5&icatid=84, Zugriffsdatum: 14. April 2007 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Existenzsichernde Arbeit und Grundsicherung für alle", KUPFZeitung, Nr. 99/5/02, Linz, 11. November 2002, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=324&os=15&icatid=85, Zugriffsdatum: 14. April 2007 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Forschungsprojekt flexible@art", KUPF-Zeitung, Nr. 113/4/05 Linz, 12. Oktober 2005, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=1073&os=15&icatid=159, Zugriffsdatum: 28. April 2007 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Geld zurück!", KUPF-Zeitung, Nr. 116/2/06 Linz, 16. Mai 2006, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=1318&os=5&icatid=172, Zugriffsdatum: 28. April 2007 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Keine Regeln, nur Tatsachen", KUPF-Zeitung, Nr. 102/3/03, Linz, 1. Juli 2003, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=556&os=10&icatid=44, Zugriffsdatum: 14. April 2007 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Rewind. Stop. Forward", KUPF-Zeitung, Nr. 100/1/03, Linz, 18. Februar 2003, abrufbar unter http://www.kupf.at/modules.php?op=modload&name=News&file=article&sid=344, Zugriffsdatum: 14. April 2007 KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Vom Arbeiten und Leben in Linz", KUPF-Zeitung, Nr. 113/4/05 Linz, 11. Oktober 2005, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=1087&os=5&icatid=159, Zugriffsdatum: 28. April 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

139

Kapitel 8. Anhang

KUPF - Kulturplattform OÖ (Hrsg.), "Vorbildlich Prekär", KUPF-Zeitung, Nr. 109/5/04 Linz, 21. Januar 2005, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=863&os=5&icatid=153, Zugriffsdatum: 28. April 2007 KUPF Kulturplattform OÖ, Gewerkschaft, http://www.kupf.at/index.php?catid=35, Zugriffsdatum: 13. Juli 2007

o.J.a,

KUPF - Kulturplattform OÖ, Kulturhauptstadt 2009, Linz 2004a, http://www.kupf.at/index.php?sid=1010&icatid=7, Zugriffsdatum: 13. Juli 2007

abrufbar

abrufbar

unter

unter

KUPF - Kulturplattform OÖ, Kupf, o.J.c, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?catid=36, Zugriffsdatum: 13. Juli 2007 KUPF Kulturplattform OÖ, KUPFakademie, http://www.kupf.at/index.php?catid=180, Zugriffsdatum: 13. Juli 2007

o.J.b,

abrufbar

unter

KUPF - Kulturplattform OÖ, KUPF-Innovationstopf - Auschreibung 2007, Linz 2006, abrufbar unter http://www.kupf.at/index.php?sid=1459&icatid=178, Zugriffsdatum: 13. Juli 2007 KUPF Kulturplattform OÖ, KUPF-Innovationstopf, http://www.kupf.at/index.php?catid=30, Zugriffsdatum: 13. Juli 2007

o.J.d,

abrufbar

abrufbar KUPF Kulturplattform OÖ, Organisationshandbuch für KI’s, http://www.kupf.at/index.php?sid=626&icatid=33, Linz 2004b, Zugriffsdatum: 13. Juli 2007

unter

unter

Land Oberösterreich, Abteilung Statistik, Leben in Oberösterreich. Eine Publikation der Abteilung Statistik beim Land Oberösterreich, Linz 2005 Lechner, David, Philipp, Thomas, Kreativwirtschaft in der Stadtregion Linz, Linz 2006, abrufbar unter http://www.liqua.net/liqua/images/dokumente/krw_kreativwirtschaft_in_der_stadtregion_linz_studie_ku rzfassung.pdf, Zugriffsdatum: 18. Juni 2007 Lohmiller, Reinhard, Interaktion und Wahrnehmung, abrufbar unter http://www.efh-freiburg.de/AEKKHome/wahrnehmung_kommunikation/Vorlesung%20Interaktion.pdf, Zugriffsdatum: 20. Juni 2007 Macoun, Thomas, Knoflacher, Hermann, "Ökosystem und Verkehrssystem", in: Wissenschaft und Umwelt, Forum Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz, Wien 2001 abrufbar Magistrat der Stadt Linz, Eckdaten der Mobilität, http://www.linz.at/verkehrskonzept/leitbild/eckdaten.html, Zugriffsdatum: 3. Juni 2007 Magistrat der Stadt Linz, Informationsunterlage Imagekampagne Frühjahr 1993, Linz 1989

unter

140

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 8. Anhang

Magistrat der Stadt Linz, Kulturentwicklungsplan der Stadt Linz, Version 2004, abrufbar unter http://www.linz.at/images/KEP-Version_2004.pdf, Zugriffsdatum: 20. Juni 2007 Linz 2001, abrufbar Magistrat der Stadt Linz, Linz aktuell, http://www.linz.at/aktuell/presse/2001/010711.htm#2, Zugriffsdatum: 15. Juni 2007

unter:

abrufbar unter Magistrat der Stadt Linz, Schlussfolgerungen, http://www.linz.at/verkehrskonzept/leitbild/schlussfolgerungen.html, Zugriffsdatum: 5. Juni 2007 abrufbar Magistrat der Stadt Linz, Siedlungsentwicklung, http://www.linz.at/verkehrskonzept/leitbild/entwicklung.html, Zugriffsdatum: 5.Juni 2007

unter

Magistrat der Stadt Linz, Szenario - Neue Werte im urbanen Raum, Linz o. J., abrufbar unter http://www.linz.at/images/Neue_Werte.pdf, Zugriffsdatum: 13. Juni 2007 Magistrat der Stadt Linz, Umsetzung der bisherigen Verkehrspolitik, abrufbar http://www.linz.at/verkehrskonzept/leitbild/verkehrspolitik.html, Zugriffsdatum: 3. Juni 2007

unter

abrufbar unter Magistrat der Stadt Linz, Verkehrsentwicklung, http://www.linz.at/verkehrskonzept/leitbild/verkehrsentwicklung.html, Zugriffsdatum: 3. Juni 2007 Magistrat der Stadt Linz, Wozu ein Verkehrsleitbild?, http://www.linz.at/verkehrskonzept/intro.html, Zugriffsdatum: 5. Juni 2007

abrufbar

unter

Mailer, Markus, "Wie mobil ist die Gesellschaft?", in: Wissenschaft und Umwelt, Forum Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz, Wien 2001 Matschuk, Ingo, Hilfreiche Koproduktion: Die Sozialisierung entgrenzter Arbeit, in: Gottschall, Karin, Voß, Günter G. (Hrsg.), Entgrenzung von Arbeit und Leben: zum Wandel der Beziehung von Erwerbstätigkeit und Privatsphäre im Alltag, Hampp, München 2003 Mayrhofer, Fritz, Katzinger, Willibald, Geschichte der Stadt Linz, Band 11: Von der Aufklärung zur Gegenwart, Verlag J. Wimmer, Linz 1990 Messner, Bettina, Das künstlerische Feld, Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Establish Cultural Worker - Ist die KulturArbeit (oder) Kunst?", Linz 2002, abrufbar unter http://www.culturalworker.at/, Zugriffsdatum: 15. April 2007 Meyers Lexikon online, abrufbar unter http://lexikon.meyers.de/meyers/Industrie, Zugriffsdatum: 22. Juni 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

141

Kapitel 8. Anhang

Mokre, Monika, Selbständige Beschäftigung - Freie Entscheidung ohne Alternativen, Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Establish Cultural Worker - Ist die KulturArbeit (oder) Kunst?", Linz 2002, abrufbar unter http://www.culturalworker.at/, Zugriffsdatum: 19. April 2007 Mörth, Ingo, Aktuelle Themen und Trends der europäischen Kultur- und Kunstsoziologie, Salzburg 1997, abrufbar unter http://soziologie.soz.unilinz.ac.at/sozthe/staff/MoerthPub/KulturKunstSkriptum.pdf, Zugriffsdatum: 13. Juli 2007 Moser, Josef, Oberösterreichs Wirtschaft 1938 bis 1945, Band 2, Wien Köln Weimar 1995 Muttonen, Christine, 4233/J (XXI. GP) soziale Lage der österreichischen Kunstschaffenden, Wien 2002, abrufbar unter http://www.parlament.gv.at/pls/portal/docs/page/PG/DE/XXI/J/J_04233/FNAMEORIG_000000.HTML, Zugriffsdatum: 20. Juni 2007 Pfaffenbichler, C. Paul, "Verkehrsmittel und Strukturen", in: Wissenschaft und Umwelt, Forum Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz, Wien 2001 Prechtl, Peter, Burkhard, Franz-Peter (Hrsg.), Metzlers Philosophie Lexikon, Begriffe und Definitionen, 2. erweiterte und aktualisierte Auflage, Verlag J. B. Metzler, Stuttgart/Weimar 1999 Prieler, Franz, Kulturstadt Linz - The Spirit of Linz, Linz 1999, http://www.linz.at/kultur/kep/experten/extip22.html, Zugriffsdatum: 25. April 2007

abrufbar

unter

Radio FRO, was ist fro?, abrufbar unter http://www.fro.at/ueberfro.php, Zugriffsdatum: 13.Juli 2007 Regenbogen, Arnim, Meyer, Uwe (Hrsg.), Wörterbuch der Philosophischen Begriffe, Felix Meiner Verlag, Hamburg 2005 o.J.,

abrufbar

unter

Linz 1999, Ritter, Georg, Donke, Peter, Linz plant Kultur, http://www.linz.at/kultur/kep/experten/extip25.html, Zugriffsdatum: 23. April 2007

abrufbar

unter

Reininger, Maria, Diskussion um Künstlersozialversicherung, http://oe1.orf.at/inforadio/59588.html?filter=0, Zugriffsdatum: 20. Juni 2007

Rohrhofer, Markus, Zwischen Hochofen und Taktstock, Linz 2006, abrufbar unter http://www.linz09.at/sixcms/media.php/4974/Zwischen%20Hochofen%20und%20Taktstock.pdf, Zugriffsdatum: 23. April 2007 Ronzani, Silvio, Arbeitskräftewanderung und gesellschaftliche Entwicklung, Hain Verlag, Königstein 1980

142

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 8. Anhang

Sandgruber, Roman, Industriekultur am Beispiel Linz Zielsetzungen eines Industriemuseums, Linz 1999, abrufbar unter http://www.linz.at/kultur/kep/experten/extip26.html, Zugriffsdatum: 2. Juni 2007 Schaufler, Hermann, Mobilität und Gesellschaft, Verlag Bonn Aktuell, München 1993 Schiener, Jürgen, Bildungserträge in der Erwerbsgesellschaft, VS Verlag für Sozialwissenschaftern, Wiesbaden 2006 Schiffbänker, Helene, Mayerhofer, Elisabeth, Artworks - Künstlerische Dienstleistungen im Dritten Sektor, Wien 2003, abrufbar unter http://www.equal-artworks.at/upload/Studie_Teil1.pdf, Zugriffsdatum: 20. Juni 2007 Schiffbänker, Helene, Mayerhofer, Elisabeth, Künstlerische Dienstleistungen im Dritten Sektor, Teil 1, Ausgangslage: Kunst Kultur Beschäftigung, abrufbar unter http://www.equalartworks.at/upload/Studie_Teil1.pdf, Zugriffsdatum: 15. April 2007 Schmidt, Josef, Wohlfahrtsstaaten im Vergleich. Soziale Sicherung in Europa: Organisation, Finanzierung, Leistungen und Probleme, 2. überarb. und erw. Aufl., Leske + Budrich, Opladen 2002 Schönhammer, Rainer, "Psychologie von Verkehr und Mobilität", in: Dienel, L. Hans, Trischler, Helmuth, Geschichte der Zukunft des Verkehrs, Campus Verlag, Frankfurt/Main, New York 1997 Schopf, M. Josef, "Mobilität und Verkehr - Begriffe im Wandel", in: Wissenschaft und Umwelt, Forum Österreichischer Wissenschaftler für Umweltschutz, Wien 2001 Schorn, Herbert, Wie rüstet sich Linz für 2009? "Der Gast soll uns als Fan verlassen", OÖ Nachrichten, Land&Leute, 10. Mai 2007 Schrattenecker, Andrea, Atypische Beschäftigung - Chancen und Risken, 2002, abrufbar unter http://www.fiftitu.at/materialien/atypisch.rtf, Zugriffsdatum: 15. April 2007 Sennett, Richard, Der flexible Mensch. Die Kultur des neuen Kapitalismus, 3. Auflage Berlin Verlag, Berlin 1998 SFG - Steirische Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH, Neue Selbstständige - FAQ’s, abrufbar unter http://neue-selbststaendige.at/faqs.php, Zugriffsdatum: 13.Juli 2007 Tálos, Emmerich et al., Der österreichische Wohlfahrtsstaat: Entwicklung und Herausforderungen, Manuskript, Wien 2001, abrufbar unter http://www.hkbu.edu.hk/~europe/euroach/a/sozsi/texte/talosfink.pdf, Zugriffsdatum: 21. März 2007

Industrial Culture - Cultural Industries

143

Kapitel 8. Anhang

Team 4, Projektmanagement GmbH Graz/ KünstlerInnenservice Wien, 2005, abrufbar unter http://www.team4.or.at, Zugriffsdatum: 13.Juli 2007 Treibel, Annette, Migration in modernen Gesellschaften. Soziale Folgen von Einwanderung, Gastarbeit und Flucht, Juventa Verlag Weinheim und München, 3. Auflage 2003 Verein Dichtes Schiff e.V., Verein zur Begegnung und Interaktion der Menschen in Europa, Linz Europa Tour 2007-2009: Mission Statement, abrufbar unter http://www.linzeuropatour.com/, Zugriffsdatum: 21. Juni 2007 Voß, Günter, Pongratz, Hans J., Der Arbeitskraftunternehmer. Eine neue Grundform der Ware Arbeitskraft?, in: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie, Jg. 50, Heft 1, 1998, S. 131 158 Wabro, Gisela, Linz Bindermichl Spallerhof. Alte und neue Ansichten, abrufbar http://www.bindermichl.home.pages.at/geschichte.htm, Linz 2004, Zugriffsdatum 15. Juni 2007

unter

Linz 1999, Winkler, Wolfgang, Kulturentwicklung Linz, http://www.linz.at/kultur/kep/experten/extip36.html, Zugriffsdatum: 24. Juni 2007

unter

abrufbar

Wippersberg, Walter, Von der Vertreibung der Kunst aus der Kultur oder: Die Hegemonie der Kulturmanager, Linz 1999, abrufbar unter http://www.linz.at/kultur/kep/experten/extip38.html, Zugriffsdatum: 2. Juni 2007 Wirtschaftskammern Österreichs, Mc Jobs der Zukunft, 17. April 2007, abrufbar unter http://portal.wko.at/wk/sn_detail.wk?AngID=1&DocID=661494&DstId=1419&StID=316730&SSTId=0, Zugriffsdatum: 22. Juni 2007

144

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 8. Anhang

8.2

Interviews

Anonymisiertes Interview am 16. Mai 2007, Linz 2007a Anonymisiertes Interview am 15. Mai 2007, Linz 2007b Anonymisiertes Interview am 22. Mai 2007, Linz 2007c Anonymisiertes Interview am 29. Mai 2007, Linz 2007d Anonymisiertes Interview am 15. Mai 2007, Linz 2007e Anonymisiertes Interview am 29. Mai 2007, Linz 2007f Anonymisiertes Interview am 14. Mai 2007, Linz 2007g Anonymisiertes Interview am 24. Mai 2007, Linz 2007h Anonymisiertes Interview am 30. April 2007, Linz 2007i Anonymisiertes Interview am 30. April 2007, Linz 2007j Interview mit Amela Jahic am 22. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Andreas Hübinger am 15. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Bernhard Schütz am 25. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Christina Heidecker am 14. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Christoph Harrer am 8. Juni 2007, Linz 2007 Interview mit Erich Dipplinger am 16. Juni 2007, Linz 2007 Interview mit Eugen Hofbauer am 29. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Günter Nussbaumer am 4. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Hans-Karl Schaller am 24. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Heinz Rath am 30. April 2007, Linz 2007

Industrial Culture - Cultural Industries Kapitel 8. Anhang

Interview mit Johann Linsmaier am 24. April 2007, Linz 2007 Interview mit Josef Kronister am 25. April 2007, Wilhering 2007 Interview mit Jürgen Himmelbauer am 29. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Markus Spannring am 3. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Miroslav Tesevic am 01. Juni 2007, Linz 2007 Interview mit Mümtaz Karakurt am 2. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Murat Demirtas am 29. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Nina Hoheneder am 16. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Paul Pichlbauer am 28. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Rainer Zendron am 22. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Regina Fechter-Richtinger am 30. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Reinhard Kannonier am 31. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Senada Spahalic am 15. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Stefan Haslinger am 15. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Sylvia Aspelmayr am 23. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Ufuk Serbest am 29. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Ünal Uzunkaya am 29. Mai 2007, Linz 2007 Interview mit Werner Puntigam am 15. Mai 2007, Linz 2007

145

Suggest Documents